Ulrich Plenzdorf

Transcrição

Ulrich Plenzdorf
Vierzehntes Kapitel
Autoren – Texte – Leser
Ulrich Plenzdorf
O-Ton Plenzdorf:
„Kinder, egal welchen Alters – ich will da keine Grenzen ziehen –, wohl ihnen,
wenn sie diese Kreativität, mit der sie auf die Welt kommen,
lange behalten können. Die wenigsten können es.
Aber zunächst mal kann man bei Kindern immer davon ausgehen,
dass sie viel mehr kapieren, als sich jeder Erwachsene denkt,
dass sie kapieren. Und wenn ich sage kapieren,
dann meine ich ja nicht unbedingt, dass alles verarbeitet ist
und durch den Kopf geht, da wird viel intuitiv erfasst.“
Was sagen die Abbildungen über den Autor Ulrich Plenzdorf?
Vermute, welches Verhältnis der Autor
zu jungen Lesern bzw. zu einem jungen Publikum haben könnte.
Sprechen, Schreiben, Zuhören
Umgang mit Texten
Nachdenken über Sprache
Einen Autor kennen lernen
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Wer ist Ulrich Plenzdorf? –
Ein Autoren-Porträt
Ulrich Plenzdorf im Gespräch
Frage: Sie haben mit literarischen Texten wie z. B. »Die neuen Leiden des
jungen W.« großen Erfolg gehabt, aber eigentlich kommen sie vom Film.
Ulrich Plenzdorf: Ja, ich habe Film wirklich von der Pike an gemacht.
Zunächst Bühnenarbeiter, was besser ist als Studium. Da steht man mitten
in diesen Drehstäben drin, und man lernt dabei ungeheuer viel. Man lernt,
wie man im Team seinen Platz finden kann. Ich wollte aber Drehbücher
machen, und das hat dann mit dem Studium auch geklappt. Aber meine
frühe Prägung war der Job als Bühnenarbeiter.
Frage: Sie sind dann gewissermaßen durch widrige Umstände zum Autor
geworden. »Die neuen Leiden des jungen W.« war zunächst ein
Schubladentext, und Sie dachten gar nicht daran, dass er veröffentlicht
werden könnte.
Ulrich Plenzdorf: Als Filmprojekt wurden die »Neuen Leiden …« verworfen, als Prosatext auch, als Theaterstück, das ging dann. Gleich danach,
und das war ja kein Problem, habe ich daraus ein Buch gemacht. Ja, mein
Autor-Dasein ist auch den Umständen zu danken.
Frage: Es ist Ihnen nicht nur mit der Figur des Edgar Wibeau aus den
»Neuen Leiden …« immer wieder gelungen, das Lebensgefühl der jungen
Generation auszudrücken, und zwar in einer Sprache, die jungen Leuten
nahe ist. Haben Sie der Jugend sozusagen aufs Maul geschaut?
Ulrich Plenzdorf: Na ja, ’ne Rolle spielt natürlich, dass ich drei Kinder in
Fünfjahresabständen habe, und die brachten mich immer auf den neuesten
Stand, die tun das heut’ noch. Aber es hängt wohl auch damit zusammen,
dass ich selbst von mir nicht so ein seriöses Bild habe. Ich bin zwar in die
erste Autoren-Reihe gerutscht und gelegentlich mit Preisen bedacht
worden – und daher sollte ich wohl bodenständiger sein und seriöser auftreten. Aber ich möchte nicht die Verkörperung von Respekt darstellen.
Frage: Sie haben mit Autorität und Autoritäten – früher wie heute – nichts
am Hut.
Ulrich Plenzdorf: Nee. Überhaupt nicht.
A
Was erfährst du in dem Gesprächsausschnitt über die Person Ulrich Plenzdorf,
über seine literarischen Anfänge und über seine Arbeit?
B
Unter welchen Umständen ist Ulrich Plenzdorfs Buch »Die neuen Leiden des
jungen W.« entstanden? Was stellst du dir unter einem »Schubladentext« vor?
C
Beschreibe das Bild, das Ulrich Plenzdorf von sich selbst hat.
Projekt
Fachübergreifendes
Büffel-Ecke
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Über den Autor
Ulrich Plenzdorf, 1934 in Berlin geboren, studierte zunächst Philosophie
in Leipzig, ging danach als Bühnenarbeiter zur DEFA und studierte an
der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg. Seitdem arbeitet er als Drehbuchautor und freier Schriftsteller. Der Autor lebt heute in Berlin und in
der Mark Brandenburg. Mit dem 1973 erschienenen Roman »Die neuen
Leiden des jungen W.« wurde Ulrich Plenzdorf im gesamten deutschen
Sprachraum und darüber hinaus bekannt. Es folgten weitere Buchpublikationen, Drehbücher, Filmszenarien sowie Bühnentexte, darunter »Die
Legende von Paul und Paula«, einer der Kultfilme in der DDR. Plenzdorf
erhielt eine Reihe wichtiger Preise, darunter den Ingeborg-BachmannPreis, den Adolf-Grimme-Preis und den Heinrich-Mann-Preis. Den Deutschen Jugendliteraturpreis 2001 erhielt er für die Übersetzung von Richard
van Camps Roman »The Lesser Blessed« (»Die ohne Segen sind«).
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Ulrich Plenzdorf
Die neuen Leiden des jungen W.
Das Buch wurde sofort nach seinem Erscheinen zu einem Bestseller. Die
Theaterfassung gehörte in den 1970er Jahren in der DDR und in der BRD
zum meistgespielten Stück, der Text wurde inzwischen über eine Million
Mal verkauft und in viele Sprachen übersetzt. Als besonders gelungen galt,
wie es Plenzdorf geschafft hatte, den »alten« Text »Die Leiden des jungen
Werther« (1774) von Johann Wolfgang von Goethe einzubeziehen.
Notiz in der »Berliner Zeitung« vom 26. Dezember:
Am Abend des 24. Dezember wurde der Jugendliche Edgar W.
in einer Wohnlaube der Kolonie Paradies II im Stadtbezirk
Lichtenberg schwer verletzt aufgefunden. Wie die Ermittlungen
der Volkspolizei ergaben, war Edgar W., der sich seit längerer
Zeit unangemeldet in der auf Abriss stehenden Laube aufhielt,
bei Basteleien unsachgemäß mit elektrischem Strom umgegangen.
Anzeige in der »Berliner Zeitung« vom 30. Dezember:
Ein Unfall beendete am 24. Dezember
das Leben unseres jungen Kollegen Edgar Wibeau
Er hatte noch viel vor!
VEB WIK Berlin AGL Leiter FDJ
14. Kapitel Autoren – Leser – Texte – Ulrich Plenzdorf
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Sprechen, Schreiben, Zuhören
Umgang mit Texten
Nachdenken über Sprache
Erzählperspektiven/Erzählebenen
erkennen und bestimmen
Anzeigen in der »Volkswacht« Frankfurt/O. vom 31. Dezember:
Völlig unerwartet riss ein tragischer Unfall unseren
unvergessenen Jugendfreund
Edgar Wibeau
aus dem Leben.
VEB (K) Hydraulik Mittenberg
Berufsschule
Leiter
FDJ
Für mich noch unfassbar erlag am 24. Dezember
mein lieber Sohn
Edgar Wibeau
den Folgen eines tragischen Unfalls.
Else Wibeau
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»Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«
»Im September. Ende September. Am Abend bevor er wegging.«
»Hast du nie an eine Fahndung gedacht?«
»Wenn mir einer Vorwürfe machen kann, dann nicht du! Nicht ein
Mann, der sich jahrelang um seinen Sohn nur per Postkarte gekümmert hat!«
»Entschuldige! – War es nicht dein Wunsch so, bei meinem Lebenswandel?!«
»Das ist wieder deine alte Ironie! – Nicht zur Polizei zu gehen war
vielleicht das einzig Richtige, was ich gemacht hab. Selbst das war
schließlich falsch. Aber zuerst war ich einfach fertig mit ihm. Er
hatte mich in eine unmögliche Situation gebracht an der Berufsschule und im Werk. Der Sohn der Leiterin, bis dato der beste Lehrling, Durchschnitt eins Komma eins, entpuppt sich als Rowdy!
Schmeißt die Lehre! Rennt von zu Hause weg! Ich meine …! Und
dann kamen ziemlich schnell und regelmäßig Nachrichten von ihm.
Nicht an mich. Bewahre. An seinen Kumpel Willi. Auf Tonband.
Merkwürdige Texte. So geschwollen. Schließlich ließ sie mich dieser
Willi anhören, die Sache wurde ihm selber unheimlich. Wo Edgar
war, nämlich in Berlin, wollte er mir zunächst nicht sagen. Aus den
Tonbändern wurde jedenfalls kein Mensch schlau. Immerhin ging
so viel daraus hervor, dass Edgar gesund war, sogar arbeitete, also
nicht gammelte. Später kam ein Mädchen vor, mit der es dann
aber auseinander ging. Sie heiratete! Solange ich ihn hier hatte, hat
er nichts mit Mädchen gehabt. Aber es war doch kein Fall für die
Polizei!«
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Stopp mal, stopp! – Das ist natürlich Humbug. Ich hatte ganz schön was
mit Mädchen. Zum erstenmal mit vierzehn. Jetzt kann ich’s ja sagen. Man
hatte so allerhand Zeug gehört, aber nichts Bestimmtes. Da wollte ich’s
endlich genau wissen, das war so meine Art. Sie hieß Sylvia. Sie war ungefähr drei Jahre älter als ich. Ich brauchte knapp sechzig Minuten, um sie
rumzukriegen. Ich finde, das war eine gute Zeit für mein Alter, und wenn
man bedenkt, dass ich noch nicht meinen vollen Charme hatte und nicht
dieses ausgeprägte Kinn. Ich sag das nicht, um anzugeben, sondern dass
sich keiner ein falsches Bild macht, Leute. Ein Jahr später klärte mich
Mutter auf. Sie rackerte sich ganz schön ab. Ich Idiot hätte mich beölen
können, aber ich machte Pfötchen wie immer. Ich glaube, das war eine
Sauerei.
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»Wieso entpuppte er sich als Rowdy?!«
»Er hat seinem Ausbilder den Zeh gebrochen.«
»Den Zeh?«
»Er hat ihm eine schwere Eisenplatte auf den Fuß geworfen, eine
Grundplatte. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Ich meine …!«
»Einfach so?«
»Ich war nicht dabei, aber der Kollege Flemming sagte mir – das ist der
Ausbilder, ein erfahrener und alter Ausbilder, zuverlässig – , dass es so war:
Er verteilt morgens in der Werkstatt die Werkstücke, eben diese
Grundplatten zum Feilen. Und die Burschen feilen auch, und beim
Nachmessen fällt ihm auf, Edgars Nachbar, Willi, hat da eine Platte fertig,
aber die hat er nicht gefeilt, die war aus dem Automaten. In der Produktion werden die Grundplatten natürlich automatisch gefertigt.
Der Junge hat sie sich besorgt und zeigt sie jetzt vor. Sie ist natürlich genau
bis auf ein Hundertstel. Er sagt ihm das: Die ist aus dem Automaten.
Willi: Aus was für einem Automaten?
Flemming: Aus dem Automaten in Halle zwei.
Willi: Ach, da steht ein Automat?! – Das kann ich doch gar nicht wissen,
Meister. In der Halle waren wir zum letzten Mal, als wir anfingen mit der
Lehre, und da hielten wir die Dinger noch für Eierlegemaschinen.
Und das war dann Edgars Stichwort, das war natürlich alles vorher
abgemacht: Also nehmen wir mal an, da steht ein Automat. Kann ja sein.
Da fragt man sich doch, warum wir dann die Grundplatten mit der Feile
zurechtschruppen müssen. Und das im dritten Lehrjahr.«
Gesagt hab ich das. Das stimmt. Aber aus dem Hut. Abgemacht war überhaupt nichts. Ich wusste, was Willi und die anderen vorhatten, wollte mich
aber raushalten, wie immer. […]
14. Kapitel Autoren – Leser – Texte – Ulrich Plenzdorf
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Sprechen, Schreiben, Zuhören
Umgang mit Texten
Nachdenken über Sprache
Erzählperspektiven/Erzählebenen
erkennen und bestimmen
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»Kannst du dich an sonst noch was erinnern?«
»An einen Streit natürlich? – Wir haben uns nie gestritten. Doch, einmal
schmiss er sich vor Wut die Treppen runter, weil ich ihn irgendwohin nicht
mitnehmen wollte. Da war er fünf, wenn du das meinst. – Trotzdem wird
alles wohl meine Schuld sein.«
Das ist großer Quatsch! Hier hat niemand Schuld, nur ich. Das wolln wir
mal festhalten! – Edgar Wibeau hat die Lehre geschmissen und ist von zu
Hause weg, weil er das schon lange vorhatte. Er hat sich in Berlin als
Anstreicher durchgeschlagen, hat seinen Spaß gehabt, hat Charlotte gehabt
und hat beinah eine große Erfindung gemacht, weil er das so wollte!
Dass ich dabei über den Jordan ging, ist echter Mist. Aber wenn das einen
tröstet: Ich hab nicht viel gemerkt. 380 Volt sind kein Scherz, Leute. Es
ging ganz schnell. Ansonsten ist Bedauern jenseits des Jordans nicht üblich.
Wir alle hier wissen, was uns blüht. Dass wir aufhören zu existieren, wenn
ihr aufhört, an uns zu denken. Meine Chancen sind da wohl mau. Bin zu
jung gewesen.
»Mein Name ist Wibeau.«
»Angenehm. – Lindner, Willi.«
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Salute, Willi! Du warst zeitlebens mein bester Kumpel, tu mir jetzt einen
Gefallen. Fang nicht auch an, in deiner Seele oder wo nach Schuld zu
wühlen und so. Reiß dich zusammen.
»Es soll Tonbänder von Edgar geben, die er besprochen hat? Sind sie greifbar? Ich meine, kann ich sie hören? Gelegentlich?«
»Ja. Das geht.«
Die Tonbänder
kurz und gut / wilhelm / ich habe eine bekanntschaft gemacht / die mein herz
näher angeht – einen engel – und doch bin ich nicht imstande / dir zu sagen /
wie sie vollkommen ist / warum sie vollkommen ist / genug / sie hat allen
meinen sinn gefangen genommen – ende
nein / ich betrüge mich nicht – ich lese in ihren schwarzen augen wahre teilnehmung an mir und meinem schicksal – sie ist mir heilig – alle begier schweigt
in ihrer gegenwart – ende
genug / wilhelm / der bräutigam ist da – glücklicherweise war ich nicht beim
empfange – das hätte mir das herz zerrissen – ende [...]
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»Verstehn Sie’s?«
»Nein. Nichts …«
Könnt ihr auch nicht. Kann keiner, nehme ich an. Ich hatte das aus dieser
alten Schwarte oder Heft. Reclamheft. Ich kann nicht mal sagen, wie es
hieß. Das olle Titelblatt ging flöten auf dem ollen Klo von Willis Laube.
Das ganze Ding war in diesem unmöglichen Stil geschrieben.
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»Ich denke manchmal – ein Code.«
»Für einen Code hat es zu viel Sinn. Ausgedacht hört es sich auch wieder
nicht an.«
»Bei Ed wusste man nie. Der dachte sich noch ganz andere Sachen aus.
Ganze Songs zum Beispiel. Text und Melodie! Irgendein Instrument, das er
nach zwei Tagen nicht spielen konnte, gab’s überhaupt nicht. Oder nach
einer Woche, von mir aus. Er konnte Rechenmaschinen aus Pappe baun,
die funktionieren heute noch. Aber die meiste Zeit haben wir gemalt.«
»Edgar hat gemalt? – Was waren das für Bilder?«
»Immer DIN A 2.«
»Ich meine: was für Motive? Oder kann man welche sehen?«
»Nicht möglich. Die hatte er alle bei sich. Und ›Motive‹ kann man nicht
sagen. Wir malten durchweg abstrakt. Eins hieß: Physik. Und: Chemie.
Oder: Hirn eines Mathematikers. Bloß, seine Mutter war dagegen. Ed
sollte erst einen ›ordentlichen Beruf‹ haben. Ed hatte ziemlich viel Ärger
deswegen, wenn Sie das interessiert. Aber am sauersten war er immer,
wenn er rauskriegte, dass sie, also seine Mutter, mal wieder eine Karte von
seinem Erzeuger …, ich meine: von seinem Vater …, ich meine: von Ihnen
zurückgehalten hatte. Das kam hin und wieder vor. Dann war er immer
ungeheuer sauer.«
Das stimmt. Das stank mich immer fast gar nicht an. Schließlich gab es
immer noch so was wie ein Briefgeheimnis, und die Karten waren eindeutig an mich. […]
A
Fasse den Inhalt der Textausschnitte knapp zusammen. Erschließe die Bedeutung der Abkürzungen in den Anzeigen auf den Seiten 175,176.
B
Auf welche Weise wird die Handlung vorangetrieben? Aus wessen Perspektive wird jeweils erzählt? Beachte: Die typografischen Hervorhebungen sind
eine Hilfe zum Auffinden der verschiedenen Erzählebenen.
C
Welche Rolle übernimmt der Ich-Erzähler Edgar?
14. Kapitel Autoren – Leser – Texte – Ulrich Plenzdorf
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Sprechen, Schreiben, Zuhören
Umgang mit Texten
Nachdenken über Sprache
Figuren charakterisieren
Figurensprache untersuchen
Merke
Die Figuren nehmen in literarischen Texten, in Theaterstücken, in Filmen
eine zentrale Stellung ein. Sie sind die Träger der Handlung. Leser oder
Zuschauer setzen sich mit den Ansichten, Handlungen, Verhaltensweisen
der Figuren wertend auseinander, d. h., sie stimmen ihnen zu oder lehnen
sie ab, sie finden manche Figuren sympathisch und andere unsympathisch.
Die Figuren unterscheiden sich voneinander durch ihre äußeren und inneren
Merkmale. Zu äußeren Merkmalen gehören Alter, Aussehen, Beruf, Verhalten, Kleidung. Zu inneren Merkmalen zählen das Denken, Fühlen,
Wünsche, Handlungsabsichten.
D
Literarische Figur
äußere Merkmale
innere Merkmale
Sprechsituation
Vater Wibeau
lebt von Familie
getrennt
versucht, mehr über
Edgar zu erfahren …
Gespräch mit der
Mutter bzw. mit Willi
!
Den Brief an Wilhelm
(Tonbandzitat) kannst du
auf S. 25–26 nachlesen.
Dort erfährst du
auch mehr über den
Briefeschreiber aus
Goethes Die Leiden
des jungen Werther.
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Welche Figuren kommen in den Textausschnitten vor? Fertige eine Figurenübersicht an (siehe Tabelle unten). Notiere dazu, was über die Figuren
ausgesagt wird. Was erfährst du über ihre inneren und äußeren Merkmale
sowie über ihr Verhältnis zueinander?
Beschreibe außerdem die Situationen, in denen die Figuren jeweils sprechen.
E
Untersuche nun Edgars Sprache. Was unterscheidet sie von der seiner Eltern
und von den Tonband-Zitaten? Orientiere dich an Wortwahl und Satzbau.
F
Aus welchem Grund könnte Edgar die Werther-Texte auf Band gesprochen
haben? Beziehe den Titel von Plenzdorfs Buch in deine Überlegungen mit ein.
Merke
Die Sprache, die ein Autor bzw. eine Autorin den Figuren gibt, ist ein wichtiges Mittel der Figurencharakteristik. Mithilfe der Sprache kann zum
Ausdruck gebracht werden, ob eine Figur einer bestimmten Altersgruppe,
Bildungsschicht, Berufsgruppe, Szene (Soziolekt) angehört oder in einer
Region lebt, in der ein bestimmter Dialekt ( Kap. 10, S. 135) vorherrscht.
Die Figuren können auch die Standardsprache benutzen, also die Sprachform, die in der offiziellen Kommunikation verwendet wird. Diese verschiedenen Sprachformen werden unter dem Begriff Sprachvarietäten
zusammengefasst. Die literarischen Figuren können je nach kommunikativer
Situation die Sprachformen auch wechseln.
Projekt
Fachübergreifendes
Büffel-Ecke
Jung und Alt – Eine Sprache? Viele Sprachen?
So wie Plenzdorfs Buch und Theaterstück spielt auch die folgende Erzählung in der DDR der 1970er Jahre. Auch hier haben die jungen Leute
Probleme mit den Erwachsenen.
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Thomas Brussig
Am kürzeren Ende der Sonnenallee
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Moscow, Moscow wurde immer in einer Art autistischer Blues-Ekstase
gehört – also in wiegenden Bewegungen und mit zusammengekniffenen
Augen die Zähne in die Unterlippe gekrallt. Es ging darum, das ultimative
Bluesfeeling zu ergründen und auch nicht zu verbergen, wie weit man es
darin schon gebracht hat. Außer der Musik und den eigenen Bewegungen
gab es nichts, und so bemerkten die vom Platz erst viel zu spät, dass der
ABV* plötzlich neben ihnen stand, und zwar in dem Moment, als Michas
Freund Mario inbrünstig ausrief »O Mann, ist das verboten! Total verboten!« und der ABV den Recorder ausschaltete, um triumphierend zu
fragen: »Was ist verboten?«
Mario tat ganz unschuldig. »Verboten? Wieso verboten? Hat hier jemand
verboten gesagt?« Er merkte schnell, dass er damit nicht durchkommen
würde.
»Ach, verboten meinen Sie«, sagte Micha erleichtert. »Das ist doch Jugendsprache.«
»Der Ausdruck verboten findet in der Jugendsprache Anwendung, wenn
die noch nicht volljährigen Sprecher ihrer Begeisterung Ausdruck verleihen
wollen«, sagte Brille, der schon so viel gelesen hatte, dass er sich nicht nur
die Augen verdorben hatte, sondern auch mühelos arrogant lange Sätze
sprechen konnte. »Verboten ist demnach ein Wort, das Zustimmung ausdrückt.«
»So wie dufte oder prima«, meinte Wuschel, der so genannt wurde, weil er
aussah wie Jimi Hendrix. »Sehr beliebt in der Jugendsprache sind auch die
Ausdrücke urst oder fetzig«, sagte Brille.
»Die aber auch nur dasselbe meinen wie stark, geil, irre oder eben – verboten«, erklärte der Dicke. Alle nickten eifrig und warteten ab, was der
ABV dazu sagen würde. […]
A
Kläre, warum es in der Episode zu Missverständnissen kommt.
B
Wie erklären die Jungen das Besondere von Jugendsprache? Welche Merkmale hat Jugendsprache und welche wenden Brussigs Figuren an?
C
Vergleiche mit Plenzdorfs Text: Welche Ausdrücke verwendet Edgar?
* Abschnittsbevollmächtigter
14. Kapitel Autoren – Leser – Texte – Ulrich Plenzdorf
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Sprechen, Schreiben, Zuhören
Umgang mit Texten
Nachdenken über Sprache
Sprachvarietäten erkennen,
jugendsprachliche Wendungen
näher bestimmen
Merke
Elemente von Jugendsprache sind: saloppe Wendungen bzw. Sprüche,
Metaphern, Wortspiele, Wörter, die eine besondere Zustimmung zu bzw.
Ablehnung von bestimmten Handlungen, Personen, Gegenständen, meist
besonders verstärkend, ausdrücken.
5
MC Curse
Zehn Rap Gesetze
Nach zehn Jahren am Mic weiß ich ein bisschen Bescheid
das Biz ist heiß, weil jeder sich ums Rampenlicht reißt
Und das ist geil, weil Konkurrenz bekanntlich das Geschäft puscht und
A&R’s zücken das Scheckbuch auf Jams Writer Blackbooks
Doch auch der beste Hook hilft rein gar nichts, da wo kein Plan ist
’ne feste Basis muss sein, da sie Grundstein für jede Tat ist
Also erstens: Frag dich, ob’s dir das wirklich wert ist
Rappst du, weil’s dir im Herz liegt, oder weil der Scheiß zur Zeit
Kommerz ist? […]
Merke
Sprachvarietäten beeinflussen sich gegenseitig. So kann die Jugendsprache
durch Elemente der Sprache der Medien, der Musik, der Technik, des
Sports oder von Fremdsprachen (besonders Anglizismen) ergänzt und
verändert werden. Jugendsprache ist einem schnellen Wandel unterzogen,
denn sie hängt u.a. von den jeweils aktuellen Entwicklungen, Trends, Moden,
Lebenslagen ab.
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A
Worum geht es in dem Textauszug? Gib kurz den Inhalt wieder.
B
Erläutere, welche Merkmale von Jugendsprache du in dem Text erkennen
kannst. Wie aktuell ist die Sprache?
C
Bestimme die Sprachvarietät. Erläutere die Bedeutung einzelner Wörter
genauer (am Mic; das Biz, der beste Hook usw.).
Projekt
Fachübergreifendes
Büffel-Ecke
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Und noch einmal Edgar Wibeau …
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!
Mehr über Anglizismen
kannst du in den Kapiteln 2
(S. 33– 40) und 4 (S. 61–
68) erfahren. Wie man
Metaphern erkennt, das
findest du in Kapitel 1
(S. 22), alles über Kurzwörter und andere Abkürzungen in Kapitel 6 (S. 95).
* Abkürzung für Geschäfte, in
denen Jugendmode verkauft
wurde.
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Natürlich Jeans! Oder kann sich einer ein Leben ohne Jeans vorstellen?
Jeans sind die edelsten Hosen der Welt. Dafür verzichte ich doch auf die
ganzen synthetischen Lappen aus der Jumo*, die ewig tiffig aussehen.
Für Jeans konnte ich überhaupt auf alles verzichten, außer der schönsten
Sache vielleicht. Und außer Musik. Ich meine jetzt nicht irgendeinen
Händelsohn Bacholdy, sondern echte Musik, Leute. Ich hatte nichts gegen
Bacholdy oder einen, aber sie rissen mich nicht gerade vom Hocker.
Ich meine natürlich echte Jeans. Es gibt ja auch einen Haufen Plunder,
der bloß so tut wie echte Jeans. Dafür lieber gar keine Hosen. Echte Jeans
dürfen zum Beispiel keinen Reißverschluss haben vorn. Es gibt ja überhaupt nur eine Sorte echte Jeans. Wer echter Jeansträger ist, weiß, welche
ich meine. Was nicht heißt, dass jeder, der echte Jeans trägt, auch echter
Jeansträger ist. Die meisten wissen gar nicht, was sie da auf dem Leib
haben. Es tötete mich immer fast gar nicht, wenn ich so einen fünfundzwanzigjährigen Knacker mit Jeans sah, die er sich über seine verfetteten
Hüften gezwängt hatte und in der Taille zugeschnürt. Dabei sind Jeans
Hüfthosen, das heißt Hosen, die einem von der Hüfte rutschen, wenn sie
nicht eng genug sind und einfach durch Reibungswiderstand oben bleiben.
Dazu darf man natürlich keine fetten Hüften haben und einen fetten Arsch
schon gar nicht, weil sie sonst nicht zugehen im Bund. Das kapiert einer
mit fünfundzwanzig schon nicht mehr. Das ist, wie wenn einer dem
Abzeichen nach Kommunist ist und zu Hause sein Frau prügelt. Ich meine,
Jeans sind eine Einstellung und keine Hosen. […]
A
Was haltet ihr von Edgars Meinung zu Jeans? Diskutiert darüber, welche
Bedeutung Jeans oder andere Kleidungsstücke heute haben.
B
Welche Ausdrücke gebraucht Edgar, um Jeans zu beschreiben? Lege eine Liste
an, in der du jugendsprachliche Wendungen in folgender Weise unterscheidest. Ergänze eigene Beispiele.
Merkmale
Beispiel und Bedeutung
Anglizismen
Metaphern
Personenbezeichnungen
Kurzwörter
Wortneubedeutungen:
Gefühlsgeladene Verstärker:
In/out sein (= modern/nicht modern sein)
einen Rap bringen (= ununterbrochen reden);
Tusse, Knecht, Lappen
Oliba (Typ mit Oberlippenbart)
sich beölen, verboten
geil, cool
C
Neue Beispiele
Verändere Edgars Jeans-Monolog so, dass er dem heutigen Sprachgebrauch
Jugendlicher entspricht. Nutze möglichst viele jugendsprachliche Ausdrücke.
14. Kapitel Autoren – Leser – Texte – Ulrich Plenzdorf
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Sprechen, Schreiben, Zuhören
Umgang mit Texten
Nachdenken über Sprache
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Ulrich Plenzdorf als Drehbuchautor
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Der Autor im Interview
Frage: Wenn Sie schreiben, wie gehen Sie dann vor, machen sie sich einen
genauen Plan, bauen Sie die Figuren am Reißbrett?
Ulrich Plenzdorf: Ich bin wohl das Gegenteil von einem Theoretiker und
Analytiker. Ich muss was Konkretes haben, eine Idee für eine Geschichte,
ein Projekt. Ich mache nie Grafiken oder lege Zettel an für meine Geschichten mit Figuren, Ort, Handlung oder so. Im Gegenteil, das würde mich
tödlich langweilen. Deshalb kann ich auch nicht diese Treatments schreiben,
die immer von Filmproduzenten verlangt werden, diese 30 Seiten.
Frage: Das Drehbuch ist die Grundlage für einen Film, aber oft wird beim
Drehen viel geändert, Szenen werden gestrichen, Dialoge anders formuliert.
Ärgern Sie sich, wenn von Ihrem Drehbuch ganze Teile wegfallen?
Ulrich Plenzdorf: Das ist normal für einen Drehbuchautor, das gehört
dazu. Drehbücher sind immer halbfertige Produkte. Den Film macht
eigentlich der Regisseur, mit seinem Kameramann, seinen Hauptdarstellern.
Also, eigentlich macht der Regisseur den einen Film, die Kamera macht
noch einen und die Stars machen noch einen, und wenn man Glück hat –
weil jeder ja seine Vorstellungen hat –, wächst das zusammen. Beim Drehen
ist keine Zeit zum Diskutieren. Das muss aus dem Bauch kommen.
A
Wie beschreibt Ulrich Plenzdorf die Besonderheiten der Drehbucharbeit?
B
Vergleiche Plenzdorfs Aussagen zum Filmemachen mit der nachfolgenden
Übersicht. Erläutere die Schritte zur Entstehung eines Drehbuchs.
1. Idee/Filmskizze
Zumeist lässt sich die Idee in einigen Sätzen zusammenfassen. Die Idee
bildet die »Keimzelle« der späteren Filmstory und begründet die Wahl der
Literaturvorlage.
2. Exposé
Kurze Skizze der Haupthandlung; die Skizze berücksichtigt die filmische
Form noch nicht.
3. Treatment/Script/Filmerzählung
Beim T./S./F. handelt es sich um die detaillierte Wiedergabe des Inhalts;
es erfolgt eine Aufteilung in szenische Komplexe; dazu wird mit Spalten
gearbeitet: Bild- und Tonspalte sind bereits getrennt.
4. Drehbuch
Das Drehbuch ist eine detaillierte »Verschriftung des Stoffes« mit Angaben
zu a) Handlungsort; b) Handlungszeit; c) ausgeführten Dialogen; d) Regieanweisungen. Das Drehbuch wird in strenger Spaltenform realisiert.
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Benno Pludra
Insel der Schwäne
Ulrich Plenzdorf hat das Drehbuch zu Benno Pludras Jugendroman
»Insel der Schwäne« geschrieben. Der Film wurde 1983 gedreht. Erzählt
wird die Geschichte von Stefan, der mit seinen Eltern vom Land in die
Großstadt Berlin ziehen muss und große Schwierigkeiten hat, sich an
den Beton, die Hochhäuser, den Lärm zu gewöhnen. Wenn da nicht Anja
und Hubert wären, ginge er am liebsten sofort wieder zurück.
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Unten fließt die Spree, das Wasser grün und schwarz, nur weiter vorn
erscheint es blau. Vom Himmel, der über den Mauern steht.
»Wenn einer da reinfällt«, sagt Stefan, »kommt er nicht wieder raus.
Überall die Mauern.«
»Wenn ich das wäre«, sagt Anja, »würdest du mich retten?«
»Das würde ich«, sagt Stefan. »Ich würde jeden retten.«
»Aber mich zuerst?«
»Wenn’s sein muss, ja«, sagt Stefan, »rette ich dich zuerst.«
Anja betrachtet ihn stumm, die Augen zwischen den Wimpern eng,
nachher guckt sie wieder ins Wasser. Es spiegelt ein wenig Helligkeit, bis
an den Rand der Brücke nur, und Anja denkt, sie kann sich dort unten
sehn, sieht sich aber nicht.
»Komm weiter«, sagt sie.
Weiter in stillere Straßen. An kleine Plätze, wo Bäume stehn und wo nur
hin und wieder mal ein Auto fährt. Die Häuser hier sind alt, sie sehen grau
und würdig aus, mit schweren offenen Toren. Die Einfahrten dunkel, die
Höfe leer: Bröckelputz und blinde Fenster.
»Am Prenzlauer Berg«, sagt Anja, »stehn die Häuser so ähnlich, bloß viel
dichter. Vorne keine Bäume.« […]
»Ich habe Wichertstraße gewohnt«, sagt Anja.
»Bedeutet das was, der Name?«
»Ein Name bloß«, sagt Anja. »Wie Straßen eben heißen.«
»Ich habe es gerne«, sagt Stefan, »wenn eine Straße heißt, dass man sich
was vorstellen kann, zum Beispiel Alte Seelower Straße. Da weiß man
gleich, es ist die alte Straße, die nach Seelow geht.«
»Nicht immer«, sagt Anja. »Bei uns, bei der Wichert also, quer durch und
ein Stückchen weg, gibt es die Ostseestraße. Kommst du aber nicht an die
Ostsee hin.«
»Na so auch«, sagt Stefan, dann fragt er: »Hast du dein ganzes Leben in
Berlin gewohnt?«
»Mein ganzes«, sagt Anja. »Vater und Mutter auch, und die Omas und
Opas, also beide.«
»Dann bist du eine richtige Berlinerin.«
»Bin ich«, sagt Anja. »Und was bist du?«
14. Kapitel Autoren – Leser – Texte – Ulrich Plenzdorf
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Sprechen, Schreiben, Zuhören
Umgang mit Texten
Nachdenken über Sprache
Regieanweisungen für ein
Drehbuch schreiben
Eine Szene spielen
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»Gar nichts«, sagt Stefan. »Ich bin eigentlich gar nichts mehr.«
»Aber irgendwas musst du sein. Wo denn geboren?«
»Geboren«, sagt er, »bin ich schon mal beinah in Berlin. Aber dann war’s
Frankfurt/Oder.«
»Na gut«, sagt Anja, »nimmst du mich, da wirst du Berliner.«
Sie macht die Arme breit und steht nun da: das Haar wie Tasso [sein
Freund] in die Stirn, dick wie ein Pelz und hafergelb, der Mund bis zu den
Ohren lächelnd. »Nimmst du mich?«
Die sagt was, denkt er, sagt da was. Und hat die Augen so, grau und grün,
auf einmal still. Die Lippen ein wenig geöffnet.
»Soll das Spaß sein?«, fragt er.
»Spaß?«, sagt Anja.
»Es hört sich an wie mehr so Spaß.«
»Denkst du, es ist? Mehr so Spaß?«
»Eigentlich«, sagt er. »Aber was denkst du?«
»Komm weiter«, sagt Anja. Nimmt ihn beim Arm, da muss er mit und
braucht bis zur nächsten Ecke, bevor er wieder locker gehen kann, so
neben Anja.
A
Beschreibe das Verhältnis zwischen Anja und Stefan.
B
Was meint Stefan, wenn er sagt: »Ich bin eigentlich gar nichts mehr.« (Zeile
35)? Schildere Beispiele, in denen es dir ähnlich gegangen ist wie Stefan.
C
Spielt die Szene. Notiert zuvor Hinweise, wie Anja und Stefan sich verhalten
sollen. Denkt an Körpersprache ( S. 130–131), Stimme, Pausen.
Merke
Dialoge sind für ein Drehbuch bzw. einen Film von großer Bedeutung:
1. Dialoge müssen den Sprecher und die angesprochene Person
charakterisieren.
2. Dialoge müssen die Individualität des Sprechers betonen, sie müssen
seine Emotionen ausdrücken oder seine innere Verfassung spiegeln.
3. Dialoge müssen die Motive des Sprechers zu erkennen geben oder im
Gegenteil ein Versuch sein, diese Motive zu verbergen.
4. Dialoge müssen das Verhältnis des Sprechers zu anderen Figuren zeigen.
5. Dialoge müssen miteinander in Beziehung stehen, d. h., sie müssen aus
einem früheren Dialog oder aus einer früheren Aktion hervorgehen und zu
einem anderen Dialog hinführen.
6. Dialoge müssen die Handlung vorantreiben.
7. Dialoge müssen für Leser/Zuschauer klar und verständlich sein.
186
Projekt
Fachübergreifendes
Büffel-Ecke
9
Ulrich Plenzdorf hat den Text von Benno Pludra viele Male gelesen, um
ein Drehbuch zu schreiben. Dabei musste er natürlich kürzen. Aber die
Episode zwischen Anja und Stefan gibt es auch im Drehbuch. Einiges hat
der Drehbuchautor dabei allerdings verändert.
A
Vergleiche die Drehbuchfassung mit dem Ausschnitt aus dem Jugendroman
von Benno Pludra. Worin unterscheiden sich der literarische Text und das
Drehbuch von Ulrich Plenzdorf?
B
Betrachte die äußere Gestaltung eines Drehbuchtextes. Beschreibe die
Besonderheiten und erkläre ihre möglichen Funktionen.
C
Im siebenten Kapitel, S. 111–115, kannst du mehr über Filmbilder und Einstellungsgrößen (die Abkürzung E. bedeutet Einstellung) erfahren. Beschreibe,
was laut Drehbuch auf den Filmbildern jeweils zu sehen ist. Überlege, weshalb Drehbuchautor und Regisseur die jeweiligen Einstellungsgrößen gewählt
haben könnten.
D
Spielt die Szene noch einmal und fotografiert oder filmt sie. Wählt für eure
Aufnahmen entsprechende Einstellungsgrößen.
14. Kapitel Autoren – Leser – Texte – Ulrich Plenzdorf
187
Wiederholung
10
Erfindet eine Geschichte, die ihr szenisch darstellen wollt, und verfasst ein
Drehbuch. Überlegt, mit welchen Mitteln ihr die handelnden Figuren darstellen
könnt. Denkt dabei auch an die Figurensprache.
So könnt ihr vorgehen:
A
Wählt ein Problem aus eurem Alltag aus, das euch besonders wichtig ist.
Diskutiert darüber in der Gruppe.
B
Kleidet das Alltagsproblem in eine Geschichte, in der mindestens zwei Figuren
vorkommen. Legt den Ort und die Zeit der Handlung fest.
C
Schreibt einen Dialog zwischen zwei Figuren, die über das Alltagsproblem
diskutieren. Verwendet dabei jugendsprachliche Ausdrücke oder andere
Sprachformen, die für die Figuren charakteristisch sein sollen.
D
Stellt euch vor, der Dialog ist Bestandteil eines Filmdrehbuchs. Ergänzt ihn
durch genauere Hinweise zu Ort, Zeit, Situation und gebt Anweisungen
für die Gestaltung der Rollen.
E
Spielt den Dialog und besprecht, wie er gelungen ist. Überprüft, ob die
gegebenen Anweisungen zweckmäßig waren bzw. was ihr im Spiel verändert
habt.
Zusammenfassung
– Ulrich Plenzdorf ist ein vielseitiger Autor. Er verfasst Theaterstücke, Erzählungen, Drehbücher, Filmszenarien, also Texte für verschiedene Medien und
Kunstgattungen (Literatur, Theater, Film), und ist als Übersetzer tätig.
– Figuren nehmen in literarischen Texten, Theaterstücken, Filmen eine zentrale
Stellung ein. Sie sind Träger der Handlung und unterscheiden sich voneinander durch äußere und innere Merkmale ( S. 180).
– Die Figurensprache ist ein wichtiges Mittel, um Figuren zu charakterisieren.
Die Figuren können z. B. verschiedene Sprachformen/Sprachvarietäten
gebrauchen, zwischen denen sie je nach Situation auch wechseln.
– Als Sprachvarietäten werden verschiedene Sprachformen innerhalb einer
Sprache bezeichnet. Dazu gehören z. B. die Standardsprache, Dialekte bzw.
Mundarten, Soziolekte. Zu den Soziolekten gehören u. a. auch Sprachformen
von Jugendlichen, so genannte Jugendsprachen ( S. 182).
– Ein Drehbuch ist die Grundlage für einen Film. Es besteht vor allem aus
Figurendialogen. Im Unterschied zu Erzähltexten enthält ein Drehbuch
zusätzlich detaillierte Anweisungen zum Handlungsort, zur Handlungszeit
sowie Regieanweisungen.
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