Die Sufi-Orden sind glaubwürdige Botschafter einer
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Die Sufi-Orden sind glaubwürdige Botschafter einer
aufbruch-163.Layout 26.1.2009 FOKUS SCHWEIZ 18:58 Uhr Seite 42 Sufi-Orden Exoten unter den Muslimen Die Sufi-Orden sind glaubwürdige Botschafter einer islamischen Mystik und Brückenbauer zwischen Ost und West Von Beat Stauffer D er »universelle« Gottesdienst, der Mitte Januar in der City-Kirche in Zürich stattfand, stiess wie bereits in den vergangenen Jahren auf grosses Interesse. Hinter diesem interreligiösen Gottesdienst, in dessen Verlauf jeweils eine Kerze für jede Weltreligion entzündet wird, steht das Sufi-Zentrum Omega, das sich als Teil der Sufi-Bewegung versteht. Diese Bewegung achtet nach eigenen Worten »den Reichtum jeder spirituellen Tradition und jeder spirituellen Suche« und will die Menschen »auf dem Weg zur Entfaltung ihres wahren menschlichen Potenzials« unterstützen. Dabei stützt sie sich auf die mystische Tradition der Sufis in einer indischen Version ab, öffnet sich aber bewusst auch christlichen und ande- ren Formen der Spiritualität (Stichwort: Teilhard de Chardin). Dass Menschen, die sich dem Sufismus verpflichtet fühlen, auf solche Weise nach aussen treten, ist eher die Ausnahme. Sufis suchen keine Öffentlichkeit, missionieren nicht mit ihren Anliegen und wirken im Stillen. In kantonalen muslimischen Verbänden oder Kommissionen wirken sie nicht mit, und auch untereinander sind die verschiedenen Sufi-Gruppen und -Orden kaum vernetzt. Er kenne keinen einzigen dem Sufismus zugeneigten Muslim, der in irgendeiner Kommission mitarbeite, sagt etwa Hisham Maizar, Präsident der Föderation Islamischer Dachverbände in der Schweiz (FIDS). Dies ist kein Zufall: Nicht Organisationen und Strukturen, nicht gesellschaftlichem oder politischem Einfluss gilt das Interesse der Sufis, sondern dem FOTO: PETER CUNZ Sufis wie etwa die des Mevlevi-Ordens haben bei den orthodoxen Muslimen einen schweren Stand aufbruch 42 Nr. 163 • 2009 inneren, geistigen Wachstum des einzelnen Menschen und dem unmittelbaren Erleben des Göttlichen. Dass es sich stets um kleine Gruppen handelt, stört sie nicht im Geringsten. In der gesamten Geschichte des Sufismus waren es stets nur wenige, die diesen Weg beschritten haben. So versammelt Fredy Aly Bollag, der »Scheich« des Tijaniyya-Ordens, bei seinen Treffen gerade mal eine Handvoll Schüler im Andachtsraum seiner privaten Wohnung in Basel. Zudem baute er in Russland in vier Städten Sufi-Gruppen auf. Andere Sufi-Gemeinschaften haben zwar eine deutlich grössere Anhängerschaft, so etwa der aus der Türkei stammende Mevlana-Orden. Dennoch stellen auch sie mit insgesamt rund 500 Anhängern rein zahlenmässig eine praktisch unbedeutende Fraktion der rund 400 000 Musliminnen und Muslime in der Schweiz dar. Es ist nicht leicht, eine Übersicht über die in der Schweiz wirkenden Sufi-Gruppen zu gewinnen. »Das ganze Sufitum ist sehr unübersichtlich und zum Teil sehr lokal verankert«, sagt etwa Joachim Alaudin Grieger, Mitbegründer des Sufi-Zentrums Omega in Zürich. Wohl lassen sich ohne Mühe die paar wichtigsten Sufi-Orden identifizieren, die in der Schweiz vertreten sind. Zu ihnen gehört der MevleviOrden, der im 13. Jahrhundert durch den persischen Mystiker Dschalal ad-din Rumi gegründet wurde und heute im Westen die grösste Bekanntheit geniesst. Dies nicht zuletzt aufgrund eines besonderen Rituals, des so genannten Drehtanzes, der bis zur Ekstase geführt wird. Dieser Orden – auf arabisch »Tariqat« genannt – ist heute als Stiftung organisiert. Zu nennen ist ferner der Naqsbandiyya-Orden. Dessen geistiger Anführer, Scheich Nazim, ist eine Art reisender Sufi-Lehrer, der seine Schüler in ganz Europa besucht, sie unterweist und mit ihnen einen Dhikr begeht. Darunter wird die im Sufismus übliche Form der Gottesverehrung verstanden, welche verschiedene Rituale beinhaltet, um die Gläubigen zur Versenkung zu führen. Schliesslich sind auch in der Schweiz eine Reihe von Orden vertreten, die ursprünglich aus Nordafrika stammen: etwa die bereits erwähnte Tijaniyya sowie die Alaouiyya. Mindestens so wichtig sind heute in der Schweiz wie auch in anderen Ländern Westeuropas allerdings diejenigen Gruppierungen, welche sich aus dem Sufismus entwickelten, sich aber als universalistisch verstehen und nicht mehr als klar islamisch gelten. Zu ihnen gehört unter anderem die Sufi-Bewegung, welche Anfang aufbruch-163.Layout 26.1.2009 18:58 Uhr Seite 43 des 20. Jahrhunderts von dem in Indien und Grossbritannien wirkenden Hazrat Inayat Khan gegründet wurde und heute von seinem Enkel weitergeführt wird. Das oben erwähnte Sufi-Zentrum Omega steht in dieser Tradition. Die wichtigste Trennlinie zwischen den verschiedenen Sufi-Gruppen und -Orden ist denn auch die Frage der Anbindung an den Islam. Während die einen den Sufismus als Essenz der islamischen Botschaft begreifen und eine Verortung ausserhalb dieses islamischen Rahmens strikt ablehnen, öffnen sich die anderen auf weitere Formen der Spiritualität. Zur ersten Fraktion gehört etwa Fredy Aly Bollag. Sufismus ausserhalb der islamischen Botschaft ist für ihn undenkbar. Auch Peter Hüseyin Cunz, der »Scheich« des Mevlana-Ordens in der Schweiz, versteht sich eindeutig als Muslim, wenn auch in einer sehr liberalen Form. Dasselbe gilt für den Orden der Naqschabandi. Für Cunz ist allerdings die Trennung in eine »islamische« und eine »universalistische« Fraktion irrelevant, da er die islamische Botschaft selber als »universell« betrachtet. J oachim Alaudin Grieger mag lieber von einem »engeren« und einem »weiteren« Verständnis des Sufismus sprechen. Die Sufi-Bewegung plädiert für eine Öffnung auf verschiedene religiöse Traditionen und auch auf neue Formen der Spiritualität. »Wir verstehen uns nicht primär als Muslime«, erklärt Grieger, »und wer in unserer Bewegung mitwirken will, muss nicht Muslim sein.« Eigentlich, so erklärt Grieger, seien sie »westliche Sufis«. Diese Definition stösst bei Fredy Aly Bollag auf schroffe Ablehnung: »Diese SufiBewegung hat mit wirklichem Sufismus nichts zu tun.« FOTO: WOLF SÜDBECK-BAUR Sufi-Orden Eine Rose empfängt den Besucher der Homepage des Sufi-Zentrums in Zürich: »Die Rose bringt mir die Botschaft Deiner Liebe; ich bringe sie Dir als Zeichen meiner Hingabe« Die Beziehungen zwischen den »Mehrheitsmuslimen« in der Schweiz und den dem Sufismus nahe stehenden Muslimen sind nicht spannungsfrei. Von Vorbehalten bis zu offener Ablehnung ist eine ganze Palette an Einstellungen spürbar. Innerhalb der organisierten muslimischen Verbände gebe es keine eindeutige Haltung gegenüber den Sufis, erklärt Maizar. Zwar werde ihnen zugute gehalten, dass sich der Islam ohne den Sufismus kaum je so erfolgreich hätte verbreiten können. Doch anderseits lehnten viele orthodoxe Muslime die Rituale, welche in Sufi-Orden praktiziert würden, als unislamisch ab. »Das sind nicht Wege, die zu Gott führen, sondern wesensfremde Hinzufügungen zum Islam«, sagt Maizar. Klar abgelehnt würden schliesslich diejenigen Gruppierungen, die sich nicht mehr eindeutig als islamisch definierten. Viele Muslime sähen in diesen religions- und konfessionsübergreifenden Bewegungen eine unzulässige Ausdünnung und Vermischung mit anderen Traditionen, welche sie strikt ablehnten. FOKUS SCHWEIZ Den Einfluss der sufistischen Richtung auf die islamische Gemeinschaft in der Schweiz erachtet Maizar als gering. Andererseits ist unübersehbar, dass aufgrund einer völlig anderen Ausrichtung und Sensibilität ein tiefer Graben die dem Sufismus verpflichteten Muslime von den »Mehrheitsmuslimen« trennt. »Das Festhalten an veralteten Denkweisen, Interpretationen und Strukturen ist aus meiner Sicht ein riesiges Problem im Islam der heutigen Zeit«, so Peter Hüseyin Cunz. Alles weist somit darauf hin, dass die Sufis nur einen bescheidenen Einfluss auf die in Moscheevereinen organisierten Muslime haben. Unübersehbar jedoch ist die Anziehungskraft der verschiedenen Sufi-Orden und -Bewegungen auf eine jüngere Generation von Menschen, die in ihrer Suche nach Spiritualität von den Angeboten der christlichen Kirchen enttäuscht wurden. Die Sufi-Orden werden als glaubwürdige Träger einer Botschaft erlebt, die im Lärm einer aufs Materielle ausgerichteten Konsumgesellschaft ein echtes Bedürfnis zu erfüllen scheinen. »Ich durfte schrittweise in den Garten der islamischen Mystik eintreten«, sagt Peter Hüseyin Cunz, Scheich des MevlanaOrdens in der Schweiz, von sich selber. Dies wird wohl nicht allen, die sich heutzutage in der Schweiz mit Sufismus befassen, auf dieselbe Weise gelingen. Doch der Sufismus ist unbestreitbar ein Teil der religiösen Landschaft der Schweiz geworden. Und nicht zuletzt trägt er massgeblich dazu bei, ein anderes Bild vom Islam zu vermitteln: dasjenige einer lebendigen spirituellen Tradition, die auch westliche Menschen bereichern kann. www.sufismus.ch; www.mevlana.ch/sufi.in forel.ch KLEININSERATE Sie möchten ein Zeileninserat aufgeben? Bei privaten Anbietern kostet die Zeile zu 30 Zeichen CHF 7.50. Bei gewerblichen Anbietern kostet die Zeile zu 30 Zeichen CHF 9.50. Bei Zeileninseraten, die unter Chiffre erscheinen, kommen CHF 20.– Chiffregebühr hinzu. Texte für Zeileninserate Bitte senden Sie Ihren Text für Ihr Zeileninserat per Post an Redaktion aufbruch, Wolf Südbeck-Baur, Postfach, 4001 Basel, oder per E-Mail an [email protected]. Annahmeschluss: 25. 2. 2009 Promovierte Theologin, 36, offen, ehrlich, kreativ, naturverbunden, den kontemplativen Weg gehend, wünscht sich einen Partner, dem der Glaube und das Engagement wichtig sind. Chiffre: 102209 Ringvorlesung Church Management Kirche gestalten oder Management ist eine interdisziplinäre öffentliche Ringvorlesung, in der die Kirchenrechtswissenschaft mit anderen Organisationswissenschaften ins Gespräch kommt. Die Verantwortlichen in den Kirchen sind herausgefordert zu einer Neubesinnung auf ihren vom Evangelium her bestimmten Auftrag; zu einem mehr bedarfs- und bedürfnisorientierten Handeln und zur Klärung ihres Selbstverständnis- ses und zu einer Neupositionierung in dieser Gesellschaft. Auftragsorientiertes und bedürfnisorientiertes Handeln sind Grundbausteine einer Kirchenmanagementlehre. Wie sie verantwortungsvoll eingesetzt werden kann, soll in der Vorlesungsreihe geklärt werden. Freitags, 6. März, 20. März, 3. April, 24, April, 8. Mai, jeweils 17.15 bis 20 Uhr, Uni Luzern, Pfistergasse 20, Luzern, Infos: www.unilu.ch/tf/kr 78 Minuten des 90 Minuten-Vortrags aufgenommen, wegen technischen Problemen. Diese Aufnahme ist als CD erhältlich für CHF 10.–. Bestellung bei [email protected]. Priester, die in einer Beziehung zu einer Frau oder zu einem Mann leben und denen ihre Berufung wichtig ist, treffen sich zweimonatlich zur gegenseitigen Unterstützung. Jeweils Do., 18–20 Uhr, Olten. www.kath.ch/pries ter-in-beziehungen. Tonaufnahme Drewermann Der Drewermann-Vortrag »Von der Unfreiheit des freien Willens« ist als CD erhältlich. Leider wurden bei der aufbruch-Veranstaltung in der Offenen Kirche Elisabethen nur Lorber-Stamm in Emmenbrücke Thema: Neuoffenbarung von Jakob Lorber, einmal pro Monat. Infos unter Tel. 041 450 21 21. Nr. 163 • 2009 43 aufbruch