Dr. Josef Weinmann Von Teller bis zum Moser
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Dr. Josef Weinmann Von Teller bis zum Moser
Dr. Josef Weinmann Die Karlsbader Glasschneider Von Teller bis zum Moser-Glas Nichts hat den Namen Böhmens so weit in die Welt hinaus getragen wie das "Böhmische Glas". Es gibt allerdings auch kein Land, das im Verlauf von fast 300 Jahren kontinuierlich Neues an Glas und Glasdekor geboten hat. Bereits in die 1348 gegründete Malerbruderschaft wurden Glaser aufgenommen, und unter den vielen Künstlern, die sich um 1390 am Hofe der Königin Elisabeth zu Königgrätz aufhielten, werden bereits Glasschneider genannt. Die Glasmacher aus Böhmen waren es, die im Laufe der Zeit eine enorme Vielgestaltigkeit in der Glaserzeugung entwickelten und als erste mit der Glasveredelung begannen und ihr Glasmacherhandwerk zur Kunst erhoben. Mit großem Eifer pflegten sie die Glasmalerei und brachten auch die Glasschleiferei zur höchsten Vollendung. Ende des 16. Jahrhunderts gelang ihnen die Herstellung von farblosem Glas. Aus Böhmen kam aber auch das sogenannte leichte Kristallglas in den Welthandel. Natürlich war auch der Reichtum an Rohstoffen und Betriebsmitteln in diesem Land für die Entwicklung der Glasindustrie von ausschlaggebender Bedeutung. Während im Landesinneren Böhmens der Glasschnitt keine Rolle spielte, war er um so stärker in dem Weltkurort Karlsbad, den Bädern Teplitz, Marienbad und Franzensbad verbreitet. Der enorme Aufschwung des größten Weltkurortes Karlsbad brachte es mit sich, daß sich hier der Glasschnitt selbständig entwickelte, sogar mit einer eigenen handwerklichen Tradition. Karlsbad war eine Hochburg des Glasschnitts. Die große Zahl reicher Kurgäste mit hohen Ansprüchen an Form und Dekor ist sicher einer der wichtigsten Gründe dafür. Einer alten Karlsbader Familie entstammt der urkundlich erste Glasschneider von Karlsbad, Johann Mathes Teller. 94 Sein Sohn Johannes Andreas Teller (geb. Karlsbad 6.5.1734) wurde ebenfalls Glasschneider-Meister und heiratete 1761 die Tochter des Gemeindeältesten von Karlsbad, Petter. Leider sind weder vom Vater noch vom Sohn bearbeitete Gläser erhalten. Trotzdem dürfte es keinen Zweifel geben, daß JA Teller ein sehr guter Glasschneider war, denn sein Lehrling Andreas Vinzenz Peter Mattoni wurde nicht nur ein guter Glasschneider, sondern Lehrmeister vieler Karlsbader Glasschneider. Mattoni, dessen Vorfahren aus Mailand kamen, war ein hervorragender Meister und Erfinder und zählte zu den geschicktesten Glasschneidern, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Karlsbad tätig waren. Andreas Vinzenz Peter Mattoni (geb. Karlsbad 13.12.1779, gest. 9.11.1864), Sohn des Zinngießers Octavian Johann Nepomuk Mattoni (geb. Karlsbad 9.12.1748, gest. Karlsbad 6.6.1789) reiste nach dem erfolgreichen Abschluß seiner Lehrzeit zu Messen in Leipzig und Frankfurt und übernahm 1799 von seinem Lehrherrn Haus und Werkstatt. Durch den großen wirtschaftlichen Aufschwung des Weltkurortes Karlsbad zu dieser Zeit, wurde der erstklassige Glasschneider, Transparentmaler und Glashändler bald ein wohlhabender Mann. Mattoni war auch Erfinder der sogenannten opalisierenden Gläser, ein in der Masse mäßig getrübtes, lichtdurchlässiges Glas mit einem dem natürlichen Opal ähnlichen Farbenspiel. Die Herstellung fand bald große Verbreitung, da er aus seiner Erfindung kein Geheimnis machte. Mattoni, der auch als Glasmaler erfolgreich tätig war, zeichnete vielmals mit "A.H. Mattoni". Andreas Vinzenz Peter Mattoni und A.H. Mattoni sind ein und dieselbe Person. Auch J.W.v. Goethe wurde auf Mattoni aufmerksam und Becher mit der Entdeckung des Sprudels in Karlsbad. Siqniert .A. H. P." um 1830 95 erwarb von ihm mehrere Tafelgläser und Andenkenbecher, sowie kunstvolle Farbgläser. So schreibt Carl Gustav Carus am 21. Juli 1821, daß Goethe ihm Karlsbader Becher mit gelber Malerei gezeigt habe. In der Schrift " Nacht räge zur Farbenlehre" vom Jahre 1822 erwähnt Goethe die bemalten Glasbecher Mattonis als Objekte für Farb- und Lichtexperimente. Von Andreas Vinzenz Peter Mattoni sind u.a. folgende Arbeiten nachweisbar: Schliffpokal mit der an der Orgel sitzenden Caecilia, Empirebecher mit Amor auf dem Delphin , Schliffbecher mit Goethebrustbild-Medaillon, Gläser mit Karlsbader Panoramaschnitten. Anton Heinrich Pfeiffer (geb. Altrohlau bei Karlsbad 16.9.1801, gest. Karlsbad 5.12.1866) , von Mattoni ausgebildet, wurde zu einem bedeutenden Karlsbader Glasschneider, der seinen Lehrherrn ebenso wie seine Berufsgenossen durch sein besonderes technisches Geschick und enorme künstlerische Ausdruckskraft überflügelte. Nach der Geburtsmatrikel hieß er eigentlich .Anton Josef", nahm jedoch die Initialen seines Lehrers Mattoni "A.H." an. In Karlsbad 1824 selbständig , führte er den Glasschnitt dort zur höchsten Blüte. In seinem erfolgreichen Unternehmen beschäftigte er in guten Zeiten 15 Glasgraveure, 5 Kugler und 5 Maler. Von seinen Werken sind u.a. bekannt: Farbloser Schliffbecher mit Madonna und Jesukind, Ausschnitt aus dem Gemälde Raffaels "Madonna dei divino amare" in Schloss Frauenau sig. A.H.P. (1830), Deckelbecher mit kreuztragendem Christus, Becher mit der Entdeckung des Sprudels in Karlsbad sig. A.H.P. Technisches Museum Wien, Farbloses Glas mit blauem Ueberfang Mattschnittdarstellung einer Madonna mit Kind (1830-1840), farbloses Glas mit Tiefschnittdarstellung eines Heiligen in Halbfigur (18301840). Wilhelm Pfeiffer (geb. Karlsbad 15.1.1838, gest. Karlsbad 1899) Sohn des bedeutenden Karlsbader Glasschneiders A.H. Pfeiffer, schnitt vor allem Gläser mit Karlsbader Ansichten , war zusätzlich Glashändler und beschäftigte viele Hilfskräfte aus dem Riesengebirge. Josef Franz Pfeiffer, der jüngere Bruder von Anton Heinrich Pfeiffer, lernte ebenfalls bei Mattoni den Glasschnitt und leistete gute Arbeit. Ein weiterer Geselle Mattonis war Rudolf Anton Dewitte (geb. Karlsbad 8.4.1824, gest. 7.1.1900), Sohn eines Belgiers, der von 1840-1848 bei ihm tätig war und seine Meisterprüfung ablegte. Seine 96 Darstellungen auf Glas zeigten vor allem Madonnen, Aesculap oder Tiere in lebhafter Bewegung in guter Modellierung und tiefer werdendem Schnitt. Sein Sohn Heinrich Dewitte lernte die Glasgraveurkunst ab 1866 bei seinem Vater und war in Karlsbad tätig. Auch Eduard Löw (geb. Karlsbad 1820, gest. Karlsbad 1889) lernte das Glasschneiden beim großen Meister Mattoni, hatte später ein eigenes Geschäft auf der Alten Wiese und war Glasschneider und Glashändler. Rudolf Hiller (geb. Karlsbad 1827, gest. Dresden 1915) absolvierte seine Lehre bei Carl Norbert Riedl in Eger, dessen Sohn in Karlsbad die Glaswarenfirma Riedl und Keller gründete. Nach seiner Lehrzeit arbeitete er bei Mattoni in Karlsbad, bei P. Czermak in Prag bis 1851 und beim Glasschneider E. Schmitzberger in München. Nach kürzerer Tätigkeit in Frankreich gründete er in Karlsbad 1853 ein eigenes Geschäft, welches sein Sohn und Schüler Rudolf Hiller jun. (geb. Karlsbad 1855) übernahm. Dieser in der Jugend in der Levante viel gereiste Glasschneider, war auch Schriftsteller unter dem Pseudonym "Rudolf von Lanz" , daher die Signatur auf seinen Glasarbeiten "R.v.L.". Er schnitt speziell Ansichten von Jagdtieren. Heinrich Poltz (geb. Karlsbad 18.8.1820, gest. Karlsbad 1865) aus altem Karlsbader Geschlecht, lernte ebenfalls bei Mattoni und wurde 1837 Meister. Nach Wanderjahren in Österreich, Ungarn, Deutschland kam er nach Karlsbad zurück und war auf der Alten Wiese als Glasschneider tätig. Josef Urban (geb. Karlsbad 1827, gest. 20.10.1895) war der ältere Bruder des nachfolgenden Anton Urban und ein Schüler von Meister Mattoni, dort von 1841-1845 tätig und anschließend bei dem bedeutenden Karlsbader bzw. Altrohlauer Glasschneider Anton Heinrich Pfeiffer. Beide Söhne, Josef und Heinrich Urban, wurden Glasschneider, übten aber ihren erlernten Beruf nicht aus. Anton Urban (geb. Karlsbad 24.12.1845, gest. Karlsbad 9.4.1909) Bruder des Josef Urban, lernte das Glasschneiden bei dem Mattonischüler Anton Heinrich Pfeiffer. Er schnitt Jagdgläser, Jagdflaschen mit Hirschen, Gemsen und Auerhähnen. Julius Urban (geb. Karlsbad 20.5.1883, gest. Dombach, später Stadt Bad Camberg 7.2 .1952), Sohn des Anton Urban, wurde nach einer Schul- und Zeichenausbildung ebenfalls Künstler des Glasschnitts. Angeleitet von seinem Vater schnitt er meist nach bekannten Gemälden ganze Figuren. Er war der Hauptvertreter des figuralen Glasschnittes in Karlsbad und der letzte Glaschneider des einst im ehemaligen Weltkurort Karlsbad so hochstehenden Gewerbes. Vinzenz Schindler (geb. wohl Karlsbad 20.11.1827, gest. 24.4.1900) war Glasgraveur in Prag und Teplitz und dann bei seinem Onkel Karl Hoffmann auf der Alten Wiese in Karlsbad. Eine Nichte, namens Stüdl aus Karlsbad , besaß einst einen sechskantigen farblosen Walzenbecher mit einem korrekt geschliffenen, sich aufbäumenden Pferd im Medaillon. Johann F. Hoffmann (geb. Karlsbad 18.4.1840, gest. Karlsbad-Fischern 22.8.1900), Sohn des Emanuel Hoffmann aus Meistersdorf (geb. 1819, gest. Karlsbad 1878), gehört zu den bedeutendsten Glaskünstlern im Weltkurort Karlsbad. Die Hauptgebiete von Vater und Sohn waren Jagdstücke, Reiterinnen, Jockeys und Porträts. Seide waren speziell Meister des Porträt-Tiefschnitts. Seine Werke signierte er mit "J.F. Hoffmann". Später für die Glashandelsfirma Ludwig Moser in Karlsbad tätig, besitzen seine Gläser keine eigene Signatur mehr. Moser soll seinen zum Teil hervorragenden Mitarbeitern die Signierung untersagt haben, es sollte alles eben nur " MoserGlas" sein. Andreas Vinzenz Peter Mattoni hat also eine ganze Reihe tüchtiger bis hervorragender Glasschneider in Karlsbad ausgebildet. Obwohl Fachwissenschaftierdie meisten Arbeiten der Karlsbader Glasschneider denen Dominik Biemanns ebenbürtig bezeichnen - er gehört zu den besten Glasschneidern Böhmens - ist die größte Zahl fast unbekannt geblieben. Ein Schüler Mattonis jedoch wurde und ist heute noch bei Glasliebhabern auf der ganzen Welt ein Begriff: .Moser" . Ja, auch Ludwig Moser (geb. Karlsbad 1833, gest. Karlsbad 1916) hat die Kunst des Glasschneidens bei Meister Mattoni gelernt. Moser wurde Glashändler und Hoflieferant und gründete 1857 seine Firma .L udwiq Moser und Söhne" in Karlsbad-Meierhöfen , stellte Kristall-Tafel-Service, sowie Kunstgläser her und repräsentierte schon nach kurzer Zeit die weltbekannte böhmische Glasindustrie. Nach dem Zusammenschluß mit der seit 1773 bestehenden Glasfabrik Meyrs Neffe in Adolf bei Winterberg, war er mit rund 1 000 Arbeitern tätig . Das weiße Kristallglas von Hand geschliffen, Gläser in den Farben Amethyst, Hyalith, Rubin, Radion u.a. gefärbt, erreichten höchste Vollkommenheit. Geschliffene, geätzte und echt vergoldete Dekore auf Vasen , Schalen, Lampen etc. nahmen ihren Weg unter dem Namen .Mossr-Glas" durch die ganze Welt. .Moser-Olas" galt als ein Spitzen produkt, und eine ständige Ausstellung im Hause "Goldenes Herz" auf der Alten Wiese in Karlsbad offenbarte es jedem Besucher. Der letzte rechtmäßige Inhaber der berühmten Glasfabrik war Leo Moser (geb. Karlsbad, gest. New York/USA 28.11.1974). Er machte seine Erzeugnisse durch eine chemische Zusammensetzung der Farbenspiele weltberühmt. Während des 2.Weltkrieges floh er mit seiner Familie über Prag, Paris nach New York. Obwohl der tschechoslowakische Staat seinen Betrieb entschädigungslos enteignete und verstaatlichte, verwendet er bis zum heutigen Tage aus Verkaufsgründen, vollkommen unberechtigt, nach wie vor den guten, international bekannten Namen .Moser-Glas" weiter. 97