Papstname könnte Richtungen zeigen

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Papstname könnte Richtungen zeigen
Papstname könnte Richtungen zeigen
FRANZ VON ASSISI – Der Name des neuen Papstes verweist auf den Heiligen. Man kann daraus
ableiten, wofür sich Franziskus I. einsetzen wird. Aber nicht in allen Fragen.
ARNO RENGGLI
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Markus Arnold, Sie haben gerade ein Jugendbuch über Franz von Assisi verfasst. Was ging Ihnen
durch den Kopf, als Sie den Namen Franziskus I. vernahmen?
Markus Arnold*: Ich war positiv überrascht. Der mit dem Namen verbundene Franz von Assisi ist ein
Sympathieträger. Und er war ein Querdenker, der dafür steht, dass man etwas Neues wagen kann.
Was machte denn Franz von Assisi aus? Und was könnte man daraus ableiten, dass der neue Papst
gerade diesen Namen gewählt hat?
Arnold: Der Name ist im Moment etwas wie eine Wundertüte, weil mit Franz von Assisi vieles in
Verbindung gebracht wird und jede Epoche wieder andere Akzente setzte: Im 19. Jahrhundert stand er
etwa für Naturromantik, später für seinen Humor in einer Zeit, in der die Kirche als ausgesprochen
humorlos empfunden wurde. Im Zuge der 68er-Bewegung und der Befreiungstheologie war die Armut
im Vordergrund, ab Anfang der 80er-Jahre eher das Engagement von Franz von Assisi für den Frieden.
Und später dann auch noch die ökologische Interpretation.
Die Frage ist nun: Was davon ist dem neuen Papst besonders wichtig?
Arnold: Ich könnte mir vorstellen, dass die Armut und Bescheidenheit, die einen in Analogie zu Franz
von Assisi persönlich frei macht, ein Statement ist. Dass er bei seinem ersten Auftritt etwa auf das
hermelinbesetzte rote Oberteil verzichtet hat, zeigt wohl, dass er auf Prunk und Accessoires weniger
Wert legt als etwa sein Vorgänger. Und es war wohl auch eine ökologische Aussage. Vor allem denke
ich aber, dass er mit dem Kampf um Frieden und Gewaltlosigkeit ganz auf der Linie von Franz von
Assisi ist.
In Ihrem Buch spielt dieser Kampf für den Frieden eine ganz zentrale Rolle. Mehr als etwa die
Beziehung von Franz zur Natur und zu den Tieren, von der man oft gehört hat. Wieso?
Arnold: Gerade weil man bisher meistens von seiner Tierliebe oder seinem Humor gelesen hat. Der
Aspekt seines Friedensengagements kam aus meiner Sicht in bisherigen Darstellungen etwas zu kurz.
Dieses Engagement zeigt er ja nicht nur etwa in Bürgerkriegen, sondern auch interreligiös, etwa als
er während eines Kreuzzuges direkt beim Sultan vorsprach. Kann man sich vom neuen Papst
ebenfalls mehr Dialog mit anderen Religionen erhoffen?
Arnold: Ich denke schon, dass sein Name auch hier Programm sein könnte, denn tatsächlich steht Franz
von Assisi ganz stark für den Frieden unter den Religionen. Aber, und das ist mindestens ebenso wichtig,
auch für soziale Gerechtigkeit.
Global gesehen gehören ja gerade wir Schweizer zu den Reichen. Könnte es sein, dass der neue Papst
unsere Lebensart hinterfragen wird?
Arnold: Gut möglich, dass Franziskus I. Dinge sagen wird, die gerade uns Schweizern vielleicht nicht
ganz angenehm sind. Wir sind ja nun stolz darauf, dass wir die Abzocker-Initiative angenommen haben.
Aber global gesehen sind wir vielleicht die Abzocker. In letzter Zeit hat uns die Kirche damit eher in
Ruhe gelassen. Ich könnte mir vorstellen, dass vom neuen Papst bald Klartext etwa in Form einer neuen
Sozialenzyklika kommt
Kann der Bezug zu Franz von Assisi auch die Hoffnung nähren, dass es unter dem neuen Papst
Fortschritte in drängenden Fragen etwa zu den Frauen oder zur Sexualität gibt?
Arnold: In solchen Dingen sollte man sich keine falschen Hoffnungen machen, zumal Franz von Assisi
sich gesellschaftlich damit gar nicht konfrontiert sah. Der neue Papst kommt selber aus einer Position,
die in sozialen und sozialethischen Fragen eher fortschrittlich ist, in theologisch und individualethischen
Themen aber eher bremst. Bei uns ist man gewohnt, dass Geistliche auf beiden Ebenen entweder
progressiv oder dann konservativ sind.
Franz von Assisi war ein Querdenker, blieb aber stets loyal der Kirche gegenüber und plädierte für
Gehorsam. Ist auch das ein Statement des Papstes, etwa in Bezug auf den Gehorsam, den Bischof
Huonder von den Initianten der Pfarreiinitiative fordert?
Arnold: Im Gegensatz zu anderen Armutsbewegungen, die mit der Kirche rasch einmal in Konflikt
gerieten, wandte sich Franz nie von der Kirche ab und liess sich ein Stück weit vom damaligen Papst
einspannen, was ihm Kritik eintrug. Aber die Loyalität von Franz verhinderte nicht, dass er sich kritisch
äusserte, etwa gegen die Bischöfe. Hier scheint es mir auch heute einen Unterschied zu geben zum
unkritischen Gehorsam, den etwa ein Bischof Huonder fordert, und der Haltung eines Bischofs Gmür,
der bereit ist, sich mit der Kritik auseinanderzusetzen.
Franz von Assisi war offensichtlich ein sehr kommunikativer Mensch. Heisst das auch etwas für den
neuen Papst?
Arnold: Ich würde sagen, dass Franz ein Meister der symbolischen Handlung war: Er predigte den
Vögeln, er küsste einen Aussätzigen, und er starb bewusst völlig nackt, um nur einige Beispiele zu
nennen. Ich denke, dass der Papst willens ist, auch solche Akzente zu setzen. Auf dem riesigen
Petersplatz etwa kommt man sich ziemlich klein vor. Dass der neue Papst nicht den Segen gegeben,
sondern sich zuerst vor den Gläubigen verneigt hat, ist bereits eine solche Handlung gewesen.
Interessant beim Papst ist auch der Widerspruch zwischen dem Bezug zu Franz von Assisi, der
Intellektuellen kritisch gegenüberstand, und seinem «kopflastigen» Hintergrund als Jesuit.
Arnold: Ich denke, auch das ist einer der Punkte, wo man die Namenswahl des Papstes nicht
überinterpretieren sollte. Er ist ein Jesuit, und wie sich das zeigt, wird sich weisen. Ich denke, im
Kontext mit Franz von Assisi sind dem neuen Papst drei Dinge besonders wichtig: die persönliche
Armut und Bescheidenheit, das Engagement für soziale Gerechtigkeit und der Kampf für den Frieden.
*Markus Arnold (60) ist Theologe, CVP-Politiker und Ethikdozent am Religionspädagogischen
Institut der Uni Luzern. Er ist verheiratet, Vater dreier erwachsenen Töchter und lebt in Luzern.
In seinem soeben erschienen Buch «Vom Ritter zum Friedenboten» (erschienen im Luzerner Rex
Verlag, 120 Seiten, Fr. 21.90) erzählt er faktenreich, lebendig und in jugendgerechter Sprache das
Leben und Wirken von Franz von Assisi.

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