67 Bundeswehr verwendet gesundheits
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67 Bundeswehr verwendet gesundheits
67 Bundeswehr verwendet gesundheits- schädlichen Kraftstoff trotz besserer Alternativen Kat. B 67.0 Die Bundeswehr betankt unbemannte Fluggeräte mit einem Kraftstoff, der die Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten gefährdet und die Umwelt belastet. Sie könnte stattdessen einen leicht verfügbaren und weniger gefährlichen Kraftstoff nutzen, der zudem wesentlich länger lagerfähig ist und den Wartungsaufwand für die Motoren halbiert. 67.1 Die Bundeswehr führte im Jahr 2000 ein fliegendes unbemanntes Lageaufklärungssystem (LUNA) ein. Es besteht u. a. aus zwei Bodenkontrollstationen und ferngesteuerten, mit Tag- und Nachtkameras ausgestatteten Fluggeräten. Die Bundeswehr setzt das System LUNA in der Ausbildung und im Auslandseinsatz ein. Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung des Prüfungsamtes des Bundes Berlin die Einführung und Nutzung des Systems LUNA. Er stellte fest, dass die Bundeswehr die Motoren der Fluggeräte mit dem verbleiten Kraftstoff Aviation Gasoline (AVGAS) betankt. AVGAS ist als hochentzündlicher, gesundheitsschädlicher und umweltgefährdender Gefahrstoff eingestuft. Er kann das Blutbild schädigen und Krebs erzeugen. Beim Umgang mit AVGAS sind besondere Sicherheitsbestimmungen zu beachten. Trotz Anweisung trugen die Soldatinnen und Soldaten nicht immer die vorgeschriebene und bereitgestellte Schutzbekleidung. Der Kraftstoff ist bis zu sechs Monate haltbar und muss danach durch ein Entsorgungsunternehmen beseitigt werden. AVGAS verursacht beim Verbrennen schädliche Abgase sowie Rückstände im Motor. Die Motoren der Fluggeräte des Systems LUNA müssen daher bereits nach 50 Betriebsstunden gewartet werden. Die Bundeswehr lässt die Fluggeräte beim Hersteller des Systems warten. In den Jahren 2008 und 2009 gab sie hierfür rund 450 000 Euro aus. Der Hersteller des Systems LUNA betreibt seine eigenen Fluggeräte seit Mitte 2007 mit dem handelsüblichen giftklassenfreien Petroleumprodukt Alkylat. Es ist weniger gesundheitsschädlich und umweltgefährlich als AVGAS. Es kann zudem lange gela- gert werden. Bei der Verbrennung entstehen kaum Rückstände im Motor. Wird der Motor mit Alkylat betrieben, ist die Wartung nach 100 Betriebsstunden fällig. Im Januar 2008 gab die für die Zulassung von Luftfahrtgerät zuständige Wehrtechnische Dienststelle der Bundeswehr Alkylat für den Betrieb der Fluggeräte des Systems LUNA frei. Die Bundeswehr betankte die Fluggeräte dennoch weiter mit AVGAS, da sie die Voraussetzungen für eine qualitätsgesicherte Versorgung mit Alkylat noch nicht geschaffen hatte. Für militärische Geräte sollen grundsätzlich nur standardisierte Betriebsstoffe verwandt werden (Single-Fuel-Policy). Ausnahmen muss das Wehrwissenschaftliche Institut der Bundeswehr genehmigen. Dieses bewertet u. a. Betriebsstoffe, erarbeitet hierfür Qualitätssicherungsverfahren und nimmt die Betriebsstoffe in die Betriebsstoffliste der Bundeswehr auf. Qualitätssicherungsverfahren sollen die einwandfreie Qualität der beschafften Betriebsstoffe und damit die Einsatzfähigkeit und Betriebssicherheit der Geräte sicherstellen. Die Aufnahme in die Betriebsstoffliste und das Qualitätssicherungsverfahren sind Voraussetzungen für eine zentrale und qualitätsgesicherte Beschaffung von Alkylat. 67.2 Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Bundeswehr AVGAS noch immer verwendet, obwohl sie eine weniger gefährliche Alternative hat. Spätestens nach der Freigabe im Jahr 2008 hätte die Bundeswehr den alternativen Kraftstoff Alkylat aus Gesundheits- und Umweltaspekten einsetzen müssen. Sie hat so über Jahre hinweg unnötig Gesundheitsrisiken für die Soldatinnen und Soldaten hingenommen. Die Bundeswehr hat auch wirtschaftliche Aspekte außer Acht gelassen. Da Alkylat die Wartungsintervalle für die Motoren verlängert, hätte die Bundeswehr zum einen die Ausgaben für die Wartung reduzieren können. Zum anderen hätte sie die Fluggeräte damit länger einsetzen können. Möglichst lange Einsatzzeiten sind besonders für die Auslandseinsätze anzustreben, zumal die Fluggeräte unter hohen Ausgaben für die Wartung zum Hersteller nach Deutschland gebracht werden müssen. Die Bundeswehr hätte die bereits nach 50 Betriebsstunden in den Jahren 2008 und 2009 fälligen 450 000 Euro für die Wartung der Motoren vermeiden können. Zudem hätte sie mit Alkylat Ausgaben für die Entsorgung sparen können, da Alkylat sehr lange lagerfähig ist. Wegen der deutlich geringeren Gesundheitsgefährdungen, der niedrigeren Schadstoffbelastungen und der Einsparungen bei der Motorenwartung und der Kraftstoffentsorgung hat der Bundesrechnungshof daher gefordert, künftig für alle Fluggeräte des Systems LUNA ausschließlich Alkylat zu verwenden. Er hat das Bundesverteidigungsministerium aufgefordert, die hierzu erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Die Bundeswehr sollte zudem prüfen, ob auch in anderen Fluggeräten statt des AVGAS weniger gesundheits- und umweltschädliche Kraftstoffe verwendet werden können. 67.3 Das Bundesverteidigungsministerium hat bestätigt, dass die für die Zulassung von Luftfahrtgerät zuständige Wehrtechnische Dienststelle Alkylat bereits im Jahr 2008 für die Fluggeräte des Systems LUNA freigegeben habe. AVGAS habe aber zunächst weiter genutzt werden müssen, da die Rahmenbedingungen zur Nutzung von Alkylat noch nicht geschaffen worden seien. Erst nachdem sich der Hersteller des Systems LUNA Anfang 2010 bereit erklärt habe, die qualitätsgesicherte Versorgung der Bundeswehr zu übernehmen, habe die Bundeswehr den Probebetrieb mit Alkylat im Ausbildungszentrum für das Bedienpersonal freigeben können. Aufgrund der geltenden Single-Fuel-Policy der Bundeswehr könne derzeit nur der Hersteller des Systems eine qualitätsgesicherte Versorgung gewährleisten. Die Bundeswehr werde zeitnah zusammen mit diesem Hersteller die ausschließliche Nutzung des Kraftstoffes Alkylat für alle Fluggeräte des Systems sicherstellen. Neben der erforderlichen Katalogisierung von Alkylat habe es die Beschaffung eingeleitet. Es werde zudem prüfen, ob Alkylat in weiteren unbemannten Fluggeräten eingesetzt werden könne. 67.4 Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass die Bundeswehr Alkylat in den Fluggeräten des Systems LUNA im Ausbildungszentrum einsetzt und anstrebt, künftig diesen Kraftstoff ausschließlich zu nutzen. Das Bundesverteidigungsministerium äußert sich jedoch nicht dazu, wann dieses Ziel erreicht sein wird. Alkylat zunächst im Ausbildungszentrum zu erproben, überzeugt nicht angesichts der langjährigen Erfahrungen des Herstellers mit diesem Kraftstoff. Dies kann die weitere Verzögerung der Einführung von Alkylat nicht rechtfertigen. Das Bundesverteidigungsministerium erläutert auch nicht, welche Maßnahmen es ergriffen hat, um unabhängig vom Hersteller des Systems LUNA die zentrale qualitätsgesicherte Versorgung mit Alkylat zu gewährleisten. Die Zusammenarbeit mit dem Hersteller des Systems ist dazu nicht zwingend erforderlich. Da Alkylat ein markt-gängiges Produkt ist, empfiehlt der Bundesrechnungshof, den Kraftstoff im Wettbewerb von Kraftstoffherstellern zu beschaffen. Das Bundesverteidigungsministerium sollte schnellstmöglich die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine zentrale qualitätsgesicherte Versorgung mit Alkylat in der Bundeswehr schaffen. Dazu gehört u. a., dass das Wehrwissenschaftliche Institut der Bundeswehr das Qualitätssicherungsverfahren unverzüglich erarbeitet und damit die Qualitätssicherung des beschafften Kraftstoffes gewährleistet. Schließlich bekräftigt der Bundesrechnungshof seine Empfehlung, auch in anderen Fällen zu prüfen, ob AVGAS durch einen weniger gefährlichen Kraftstoff ersetzt werden kann. Er wird die hierzu vom Bundesverteidigungsministerium angekündigten Prüfungen weiter verfolgen.