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Während bis anhin unterhaltende und edukative Sendungen relativ strikt getrennt und somit auch klar unterscheidbar waren, eroberten plötzlich Nachrichtensendungen mit einem unterhaltenden Charakter die Gunst der Zuschauer. Neuerdings war nicht mehr nur der Informationswert einer Mitteilung wichtig, sondern das TV Publikum goutierte immer mehr auch die Art und Weise wie die Information dargeboten wurden. Was für Gründe könnten die Beliebtheit dieser neuen Art der Informationsvermittlung ausmachen? Ein Grund für den Erfolg dieser neuen Art der Informationsvermittlung dürfte wohl mit dem „InformationsOverflow“ unserer Informationsgesellschaft (welche aus der Indurstriegesellschaft hervorgeht) zu tun haben. Weil die Quantität an Informationen sehr stark zugenommen hat, leidet deren Aufnahme und die Verarbeitung dieser Informationen durch das Publikum darunter. Das Problem liegt nicht mehr bei der Verfügbarkeit der Informationen (wie dies früher noch der Fall war, als die Information ein schwer zugängliches Gut war), sondern beim „Informationshandling“, das heisst bei der Aufnahme und der Verarbeitung der Flut an Informationen. Durch die neue Variante der Informationsvermittlung in einer unterhaltenden Form, wird diese Problematik der schwierigen Selektion und Rezeption von Informationen elegant umschifft, denn das Publikum bekommt die Informationen so serviert, dass es den (anspruchsvollen) Prozess der Abwägung, wichtiger und weniger wichtiger Informationen, beiseite lassen kann. Und meiner Meinung nach liegt genau hier eine Gefahr von medienethischer Relevanz. Die Seriösität und die Ernsthaftigkeit der Informationen wird nämlich durch den Aspekt der Unterhaltung beeinträchtigt. Auf diese These werde ich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal zurück kommen. Beschrieb der TV-Sendung „10 vor 10“ Sendestation > Sendezeit > Dauer der Sendung > Moderation > ThemenzusammenStellung am Beispiel der Schlagzeilen vom Do. 1.Sept. 2000 SF DRS 21:50 (Name der Sendung somit selbsterklärend) Ungefähr 25-30 Minuten Eva Wannenmacher, Alenka Ambroz, Stephan Klapproth GELDWÄSCHEREI Geldwäscherei im Ländle; Sonderstaatsanwalt Spitzer zieht Bilanz; der Fürst nimmt Stellung. DOPPELSPIEL Vor der Abstimmung zur Reduktion von AHVZusatzleistungen; die SVP treibt ein Doppelspiel. MEILENSTEIN Roboter so intelligent wie ein ganzes Ameisenvolk; Meilenstein in der Schweizer Forschung. http://www.sfdrs.ch/news/index_10vor10.html André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 1 Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres Ein NEWS-Magazin am späten Abend?! Weil 10 vor 10 erst zu relativ später Stunde ausgestrahlt wird und sich trotzdem auch als „Newsmagazin“ versteht, muss die Sendung ein Mehrwert (ohne Mehrwert kein Publikumsinteresse) bieten, weil ein grosser Teil des Publikum bereits über die Aktualitäten des Tages informiert ist (sei dies durch die Hauptausgabe der Tagesschau um 19:30 Uhr oder durch die Radio-Nachrichten etc.). 10 vor 10 bietet auf verschiedenen Ebenen diesen Mehrwert an: Einerseits mit tiefergreifenden Informationen über die Aktualitäten des Tages (hierbei wirkt sich die relativ späte Sendezeit als Vorteil aus – es bleibt mehr Zeit zum Recherchieren und Bearbeiten der Beiträge), andererseits durch Berichterstattungen aus anderen Perspektiven über bereits bekannte Informationen. Meiner Meinung nach macht diese Mehrschichtigkeit die Tatsache aus, dass überhaupt noch Publikumsinteresse für die eigentlich nicht mehr ganz aktuellen News besteht. Aktualität und Unterhaltung Dazu stellen wir uns folgende Frage: Ab wann sind "News" nicht mehr neu, und wie kann ihre der "Alterungsprozess" einer Aktualität umgangen werden? Untersucht man die zwei Elemente „Information“ und „Entertainment“ genauer, kann man zum Schluss gelangen, dass die Information ab dem Zeitpunkt, wo sie entsteht (d.h. einem Ereignis zugeordnet) sich nicht mehr weiter entwickeln kann, da sie ja sozusagen ein Spiegelbild der Realität ist, die sofern sie wahrheitsgetreu wiedergegeben wird nicht mehr ihr Inhalt verändern kann. Ab diesem Zeitpunkt beginnt der Alterungsprozess der Information. Das einzige was sich in dieser Hinsicht noch entwickeln kann ist die Umrahmung dieser Information mit zusätzlichen Informationen, also der Informationsquantität. Beim Entertainment-Teil hingegen (welcher hauptsächlich die Verarbeitung und die Wiedergabe durch das vermittelnde Medium betrifft), kann die ganze Spannbreite des journalistischen Handwerks ausgeschöpft werden, um die doch eher trockenen „Facts“ (resp. Ereignisse) für eine breite Masse ansprechend zu gestalten. Das heisst eigentlich nichts anderes, dass es bei diesem Teil keine wirklichen Grenzen gesetzt sind, ausser bei der Kreativität des Journalisten. Insofern finden wir hier keine einschränkende Faktoren wie zum Beispiel der Zeitfaktor bei der Aktualität einer Information einschränkend wirken kann. Natürlich sind auch gewisse Rahmenbedingungen betreffend journalistischer Ethik und fernsehtechnischer Natur zu berücksichtigen, aber ich denke doch, der Entertainment Teil lässt viel mehr Freiraum zu, ein gewisses Publikumsinteresse zu erzeugen. Und um nur kurz am Rande zu 1 bemerken; Sendungen wie z.B. „BigBrother“ bekräftigen meiner Meinung nach meine These. Der Informationsgehalt dieser Sendung ist fast gleich Null, aber die Inszenierung wird so gut gemacht, dass trotz dem Informationsmanko ein sehr grosses Publikumsinteresse vorherscht (zumindest am Anfang). Um es mit einer Metapher auszudrücken: Die Information als Skelett und die journalistische Arbeit der Informationsvermittlung als das umhüllende Fleisch. Je dünner oder schwächer das Skelett ist ( = je weniger oder je schlechter die Information), desto mehr Fleisch (unterhaltswert durch Inszenierung Manipulierung od. ähnl. der Information) braucht es, um zu einem kompakten Ganzen ( = Sendung resp. Bericht) zu kommen. Um zurück auf 10 vor 10 kommen; die Informationen welche 10 vor 10 sendet sind nicht neu und deshalb nicht mehr von besonderem Interesse für ein Publikum. Das bedeutet eigentlich nichts anderes, als dass 10 vor 10 mit Hilfe von zwei Faktoren das Interesse des Publikums sichern muss um ihre Marktposition zu behalten. Entweder mit neuen, zusätzlichen Informationen, oder dann mit aufgewertetem Unterhaltungswert der bereits bekannten Informationen des Tages. Da vor allem der zweite Punkt eine Gratwanderung darstellen kann, zeigen die zwei folgenden Beispiele. Einerseits eine Berichterstattung über die Thematik "Tibet" und andererseits eine Berichterstattung über die Thematik "Brutalo-Pornos". Beides Beispiele die als Berichterstattungen von 10 vor 10 eher floppten und damit die Problematik einer Infotainment Sendung recht deutlich aufzeigen. Beide Beispiele werden nun im folgenden Untersucht. 1 zehn oder mehr ausgesuchte Kandidaten lassen sich für längere Zeit (bis zu zehn Wochen) in ein hermetisch abgeriegeltes Gelände „einsperren“ und lassen sich dabei rund um die Uhr von verschiedenen Kameras filmen. Jede Woche wird durch eine Abstimmung des Fersehpublikums ein Kandidat oder eine Kandidatin auserwählt, welche das Gelände verlassen muss. Der- oder Diejenige welche als letzte auf dem Gelände übrigbleibt, gewinnt eine recht grosse Gewinnsumme. Anmerkung: vgl. mit „Insel Robison“ oder anderen Spielshows. André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 2 Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres Zwei Beispiele von Infotainment auf 10 vor 10 – untersucht auf medienethische Aspekte Beispiel 1 – Auf den Spuren tibetischer Geister (vgl. Artikel im Anhang) Thema: Das Schweizer Fernsehen (im genaueren eine fünfteilige Serie von 10 vor 10) hat mit einer unbedarften Serie über den tibetischen Geist und den Dalai Lama eine heftige Kontroverse ausgelöst. Inhalt: 10 vor 10 attackiert mit ihrer Serie über den tibetischen Geist und den Dalai Lama recht stark die Position des letzteren und löst damit eine heftige Publikumsreaktion aus, welche sich vorwiegend mit empörten Leserbriefen an die Redaktion des 10 vor 10 offenbart. Analyse: Kann die Suche nach einer unterhaltenden, süffisanten Story die Ursache für schlechten Journalismus sein, resp. ist eine mögliche Folge davon die Unterschätzung der Brisanz von Themen, wie in unserem Beispiel die Tibetproblematik? Schenkt man dem Artikel des Tagesanzeigers glauben, dann 2 war das in diesem Fall so. Gerade Zeitdruck, welcher für Journalisten und Videojockeys (VJs ) sozusagen zum normalen Arbeitsalltag gehören, ist schon ein wichtiger Faktor, welcher die Qualität einer Themenberichterstattung beeinflussen kann. Aber wenn es sich wie in diesem Fall um eine fünfteilige Serie über ein Thema handelt, darf schon eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema erwartet werden als eine eher einseitige Attacke gegen den Dalai Lama. Insofern denke ich, eine tiefergründigere Analyse dieses „Fehltrittes“ des Teams von 10 von 10 muss gar nicht erfolgen, da hier schon die Suche nach einer süffisanten Story denn Auschlag für den „Fehltritt“ war. Anzumerken bleibt letztlich noch, dass die Tibet Thematik wohl nicht wirklich als „süffisante“ Thematik bezeichnet werden kann, denn diese Problematik ist recht komplex und dauert nun doch schon seit einiger Zeit. Die kurzen Berichte von 5 bis 10 Minuten sind damit wohl nicht wirklich gute Sendegefässe. Gewisse Themen brauchen nun einfach längere Einarbeitungszeit und tatsächliche Sendezeit in Form einer längeren Sendung oder eines Dokumentarfilmes, um der komplexen Thematik des Themas gerecht zu werden. Beispiel 2 – Am 16. Januar 1992 sorgte 10 vor 10 mit einem Brutalo-Video für einen Aufschrei (vgl. Artikel im Anhang) Thema: Ein aktueller Prozess über einen Porno-Händler. Inhalt: Um den Bericht über diesen Porno-Händler zu untermalen, zeigte 10 vor 10 Ausschnitte aus der Produktion von Porno-Videos, die sehr widerliche und brutale Ausschnitte enthielten. (Anmerkung: Auf der Internet-Site kann der damalige 10 vor 10 Bericht als RealVideo betrachtet werden). Analyse: Wo liegt die Schmerz resp. Toleranzgrenze der Rezipienten beim Betrachten einer InfotainmentSendung? (Dieses Problem stellt sich übrigens nicht nur Infotainment-Sendungen, aber insbesondere diesen Sendungen, weil sie den unterhaltenden Anspruch oft mit explizitem Bildmaterial untermalen. Nicht nur diese Frage alleine stellt sich, denn weiter kommt hinzu, dass Abends um zehn Uhr noch relativ viele Teenager mit ihren Eltern fernsehen und praktisch ohne Vorwarnung solche explizit brutalen und widerlichen Szenen zu sehen bekommen. Dieses Beispiel zeigt - im Gegensatz zum ersten - die Schwierigkeit der Bilderwahl für die Berichterstattung sowie die Problematik der Festlegung einer Toleranzgrenze in Sachen Bildmaterial für ein disperses Publikum. Direkte Folge des Berichtes; Weil das Publikum aber auch FernsehmitarbeiterInnen auf diese explizite Gewaltdarstellung sehr empört reagierten, musste sich der damalige Redaktionsleiter von 10 vor 10, Jürg Wildberger, am Tag darauf entschuldigen. Visuelles Erscheinungsbild als wichtiger Bestandteil von 10 vor 10 (vgl. dazu die zwei Artikel „10 vor 10 wirkt dank Eva intelligenter“ und „10 vor 10: Fertig mutig“, welche Beide im Anhang aufgeführt sind) Die Kommunikation durch das Medium Fersehen passiert auf den Ebenen Bild und Ton. Insbesondere das visuelle Erscheinungsbild hat grossen Einfluss auf die Rezeption des Publikums. Bei 10 vor 10 ist die visuelle Aufmachung sorgfältig zusammengestellt. Auf drei verschieden Eben verschachteln sich 2 die sogenannten Videojockes sind wie Journalisten ausgebildete Berichteschreiber, welche im gleichen aber auch noch umBilder in Form von Videos besorgt sind. Dies offenbart sich dann oft so, dass die Journalisten anhand ihrem Schreiber, Block und umgehängter Fotokamera erkennbar sind, währen die VJs keinen Schreiber und Block, dafür ein Mikrofon und eine Videokamera auf sich tragen (was hier ein bisschen Clichéhaft skizziert wurde, ist meiner Meinung nach tatsächlich recht Realitätsbezogen). André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 3 Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres Elemente, die dem Publikum ein visuelles Erlebnis verschaffen. Einerseits durch die eingeblendete Videoprojektion im Hintergrund (welche der Aussicht aus einem Wolkenkratzer auf die Skyline einer Stadt in der Nacht entspricht), andererseits durch farbige Animationen und Grafiken, welche die Berichterstattungen auflockern und nicht zuletzt durch die Wahl der Moderatoren/innen, welche der Sendung eine persönliche Nähe verleihen. So bestätigt dies auch der Ex-"10 vor 10" Chef Haldimann, in einem Luzerner Schulbuch: "Es ist eine Tatsache, dass die Identifikation mit einer Sendung sehr stark mit der Moderatorin, dem Moderator zusammenhängt. ... Wichtig dabei ist, dass diese Personen sympathisch wirken, damit ihnen von Seiten der Zuschauerinnen und Zuschauer die nötige Kompetenz zugebilligt wird." Visueller Einfluss der Moderatorinnen (am der Gegegdarstellung folgender zwei Moderatorinnen) Eva Wannenmacher ist in Zürich geboren und in Bremgarten aufgewachsen. Bei der dortigen Lokalzeitung, einer Tochter der TA Media, absolvierte sie nach einer kaufmännischen Ausbildung ein zweijähriges Volontariat sowie mehrere Kurse am Medienausbildungszentrum Luzern. Als Redaktorin wechselte sie 1992 zum damaligen Aargauer Tagblatt, wo sie als PolitJournalistin und als Produzentin arbeitete. Dann kam sie auf ihrem journalistischen Weg zurück nach Zürich: Eva Wannenmacher gehörte zum Gründungsteam von TeleZüri. Nach einer Ausbildung zur Video-Journalistin moderierte sie ab April 1995 bis Frühsommer 1996 die tägliche News-Sendung. Alenka Ambroz ist zwar die neuste im dreiköpfigen 10vor10Moderationsteam, doch alles andere als eine journalistische Neuentdeckung. Seit 11 Jahren im Hause der SRG arbeitete sie erst als Journalistin beim Regionaljournal von Radio DRS und wechselte 1992 zur Wirtschaftsredaktion von SF DRS ("Kassensturz") und 1995 zu 10vor10. Als Recherchierjournalistin befasst sich Ambroz im speziellen für Themen aus der Sozialpolitik, als Moderatorin zeichnet sie sich durch eine unschweizerische Hartnäckigkeit in Live-Interviews aus. - Derzeit ist Alenka Ambroz Moderatorin und einfach Mutter, ab 2001 wird sie Moderatorin und zweifach Mutter sein. Quellen: Internetseite der SFDRS [www.sfdrs.ch] Wie stark darf dieser Einfluss der Moderatoren und Moderatorinnen nun eingeschätzt werden (gerade im Bezug von Infotainment)? Gerade bei 10 vor 10 ist die Ressonanz des Publikums auf die Personen der Moderation sehr gross. Vergleicht man die z.B. Eva Wannenmacher mit Alenka Ambroz, so stellt man fest, dass die Sympathien der Medienbreichtertattung eindeutig auf der Seite von Eva Wannenmacher liegt. Im Vergleich; Während Alenka Ambroz mit ihren sprachlichen Kunstpausen eher in Verruf gerät: „Wenn Moderatorin Alenka Ambroz mit einer gedehnten Kunstpause mal wieder ein wichtiges Thema ankündigt, weiss man nie so recht, ob man lachen oder weinen soll.“ (Sonntags-Zeitung vom 06.08.2000) gewinnt Eva Wannenmacher mit ihrer Austrahlung selbst in kritischen Augenlicken Sympathien: „Dank Eva Wannenmacher, der intimsten und intelligentesten Schnittstelle zwischen SF1 und dem Sender, dem alles etwas leichter fällt, ist es für einmal gelungen, eine Fehlleistung höchst sympathisch aus der Welt zu schaffen.“ (Worknews vom 18.02.1999). Insofern scheint der Einfluss der Moderatorinnen auf das Publikum doch recht gross zu sein. Dieser Punkt macht wohl auch ein Teil des Unterhaltungsaspektes der Sendung aus. Egal ob nun Alenka Ambroz mit ihren Kunstpausen moderiert (..wann kommt die nächste Kunstpause..?) oder Eva Wannenmacher mit ihrem Charm die Neuigkeiten des Tages in die Welt verkündet (..ach, wie sympathisch sie doch ist..!), für Unterhaltung ist gesorgt. Auf einem weitaus wichtigeren Stellenwert, in Anbetracht einer ethischen Verantwortung, stellt sich die Frage, inwiefern katalysierende Prozesse durch Moderatoren/Innen (im Sinne einer "verwässerung" der tatsächlichen Fakten durch den Charm einer Moderatorin) legitim sind, wenn dieser katalysierende Prozess durch eine attraktive und sympathische Moderatorin geschieht und somit vom Publikum eher akzeptiert wird, als von einem grobschlächtigen und unsympathischen Moderator (nicht auf Herr Klapproth bezogen (!), nur gedankliche These)? Diese Frage finde ich sehr schwer zu beantworten. André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 4 Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres Einerseits ist es (vor allem nach einem harten Artbeitstag) angenehmer, eine schlechte Nachricht auf eine sanftere, durcht eine sympathische Person "gefilterte" Weise, zu vernehmen, als in voller Härte durch eine grobschlächtige oder unsympathische Person. In diesem Sinne wird die Moderatorin oder der Moderator zum "katalysierenden Weichspüler". Andererseits ist dieser katalysierende Effekt auch sehr gefährlich, gerade im Zusammengang mit einer Information, die von gesellschaftlichem Interesse resp. gesellschaftlicher Wichtigkeit ist, wie zum Beispiel die Thematik des Rechtsextremismus. Natürlich überspitze ich hier den Effekt der Moderation auf die Publikationsrezeption ein bisschen, aber Tatsache bleibt doch, dass diese Problematik des Moderation-Einflusses nicht zu unterschätzen ist. Auch die Videoprojektion als Dekoration im Hintergrund bleibt nicht ohne Einfluss auf den unterhaltenden Effekt der Sendung. Die virtuelle Aussicht aus einem Hochhaus auf eine Stadt, über die sich die dunkle Nacht gelegt hat und wo in der dunstigen Stadtatmosphäre pulsierendes Licht der Häuser und Strassenlampen dominieren wirkt anonym, tiefgründig und unkontrollierbar. Man fühlt sich zuhause sofort geborgen und wohl. Wenn man bedenkt dass diese Kulisse eigentlich nichts mit der tatsächlichen Lage der Sendestudios von 10 vor 10 hat (die Studios befinden sich in Leutschenbach, welches ausserhalb der Stadt Zürich liegt), kann man sich nach dem Sinn dieser Videoprojektion fragen. In Hinsicht auf das Konzept einer Infotainment Sendung macht diese Kulisse aber durchaus Sinn; durch die atmosphärische Stadtkulisse in der Nacht stellt sich beim Betrachter ein Gefühl ein, das ich mit „bequemem Voyerismus“ umschreiben würde. Der Betrachter ist zuhause, von seinen eigenen, vertrauten und deshalb sicheren vier Wänden umgeben und hat durch das Medium Fersehen den virtuellen Kontakt zur Aussenwelt, weil er im Hintergrund des 10 vor 10 Studios ja die Aussenwelt sieht. Meiner Meinung nach hat dies ein Effekt, der die Aktualität von 10 vor 10 unterstreichen soll. Denn: die Studios haben ja denn direkten Ausblick auf die Stadt (durch die Videoprojektion assoziert), so bleibt ihnen sicher keine Neuigkeiten verborgen. Schlusswort Das Thema "Infotainment" ist komplexer, als es am Anfang den Anschein hat. Einerseits müssen Aspekte der Information und andererseits Aspekte der Unterhaltung berücksichtigt werden. Bereits jeder einzelne Aspekt ist alleine schon sehr weitreichend und aufwändig zu analysieren, so ist denn auch das Zusammenspiel der beiden Aspekte ungleich komplexer als jeder für sich alleine. Trotzdem macht bereits eine oberflächliche Analyse von Infotainment klar; die Rezipienten sind tendenziell empfänglicher für explizite Bilder, als trockene News. Das dürfte wohl einer der vielen Gründe für das ungebrochene Interesse an Infotainment-Sendungen sein. André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 5 Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres A n h a n g: Quellenverweise und Quellenauszüge Titel: 10 vor 10 wirkt dank Eva intelligenter Erscheinungsort: Worknews, 18.02.1999 Quelle im Internet: http://brainwork.ch/Worknews/work.html Was die WORKNEWS schon lange und umgehend berichtete (siehe Swen Crow über rationierte Intelligenz bei 10 vor 10), wurde nun auch von halbamtes wegen bestätigt. Der Wunsch nach einer guten Geschichte hat 10 vor 10 das journalistische Augenmass verlieren lassen, womit als unerwünschte Nebenwirkung rationierter Medikamente ein veritabler Rohrkrepierer produziert wurde. Aber es wäre billig, sich an diesem fehlgeleiteten Übereifer zu ergötzen (wenngleich die arrogante Grundhaltung der 10 vor 10 - Redaktion dazu verleitet). PR-mässig interessant und beachtenswert ist vor allem die Art und Weise, wie das Infotainment-Magazin von SF1 mit dieser Schlappe umgegangen ist. Dank Eva Wannenmacher, der intimsten und intelligentesten Schnittstelle zwischen SF1 und dem Sender, dem alles etwas leichter fällt (Tele24), ist es für einmal gelungen, eine Fehlleistung höchst sympathisch aus der Welt zu schaffen. Der abschliessende Satz, dass trotz qualitativen Mängeln im Beitrag über Frau Schaller keine rechtlichen Schranken verletzt wurden, hätte die intelligente Eva aber doch lieber für sich behalten. Titel: „10 vor 10“ auf den Spuren tibetischer Geister Erscheinungsort: Tages-Anzeiger, 06.03.1998 Quelle im Internet: http://www.tages-anzeiger.ch/archiv/98maerz/980306/239994.htm Das Schweizer Fernsehen hat mit einer unbedarften Serie über den tibetischen Geist und den Dalai Lama eine heftige Kontroverse ausgelöst. Von Ursula K. Rathgeb und Andreas Bänziger Seit Januar, seit das Nachrichtenmagazin "10 vor 10" des Schweizer Fernsehens in einer fünfteiligen Serie zum Frontalangriff auf den Dalai Lama blies, übt sich "10 vor 10"-Chef Christoph Müller im Briefe schreiben. Die Sendung löste eine Welle von Publikumsreaktionen aus, die Müller zu beantworten hatte. Offensichtlich hat das Fernsehen in ein Wespennest gestochen. Besonders die tibetische Exilgemeinde, aber auch Tibetexperten reagierten mit hellem Entsetzen. Da machte sich jemand anheischig, jenseits der gerade modischen Tibetfilme aus den HollywoodTraumfabriken Echtes, nämlich harte Fakten über einen Bruderzwist unter den Tibetern, zu versprechen, "den ausgerechnet der Dalai Lama angezettelt hat, indem er eine bis anhin hochverehrte Schutzgottheit kurzerhand verbot". Ist der angeblich so tolerante Dalai Lama heimlich ein Unterdrücker der Religionsfreiheit? "Die Moderation ist natürlich ein Versuch, das Thema interessant zu machen, das ist klar, wie eine Schlagzeile", kommentiert Christoph Müller. Aber es kommt noch besser. Da man befürchten muss, dass vom Schweizer Publikum kaum jemand von dieser Schutzgottheit schon gehört hat, baut die Moderatorin flugs ein Brücklein über den kulturellen Graben: "Das wäre, wie wenn der Papst den Marienkult verbieten sollte." Dazu meint nun auch Müller: "Also der Jungfrau-Maria-Vergleich war daneben. Es war ein unglücklicher Versuch, eine Analogie herzustellen." Die Brisanz des Themas unterschätzt Für viele Zuschauer kam die Serie vor allem in den ersten Teilen wie eine Kampagne gegen den Dalai Lama daher. Das war es wohl nicht, aber die "10 vor 10"-Redaktion hat die Brisanz des Themas unterschätzt, hat sich wohl auch, auf der Suche nach einer süffigen Story, zu sehr auf die Seite der Shugden-Anhänger geschlagen. Hätte sie nur die immer wieder erhellende Frage gestellt: "Wem nützt's", wären sie wohl vorsichtiger an das Thema herangegangen. Zwar kamen dann in den späteren Folgen auch Exiltibeter und der Dalai Lama selber zu Wort, in einer fünften Folge durfte nach heftigen Protesten ein anerkannter Tibetexperte eine objektivere Sicht der Dinge vermitteln, und am Sonntagmorgen setzte die Religionssendung "Sternstunde" (allerdings vor André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 6 Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres anderem Publikum) die Akzente anders. Aber lässt sich auf diese Weise sozusagen post faktum noch Ausgewogenheit herstellen? Wie kam denn Beat Regli, der Autor der Serie, dazu, unter all den Konflikten dieser Welt ausgerechnet diesen aufzugreifen? "Ausschlaggebend waren Informationen von Tibetern aus Indien, die über brutale Verfolgung durch Dalai-Lama-Anhänger berichteten", sagt Regli. So machte er sich auf die Spuren des tibetischen Geistes, filmte verzweifelte Mönche und Familien in Bedrängnis, weil sie "von fanatischen Anhängern des Dalai Lama" verfolgt werden. Als ein pensionierter Minister niedergestochen und verwundet wurde, liess er den Zuschauer im Glauben, das sei wegen leiser Kritik am Dalai Lama geschehen. Als aber ein als Kritiker des Shugden-Kults bekannter Abt und zwei seiner Schüler brutal ermordet wurden, gab es keine hinreichenden Verdachtsmomente für Regli (wohl aber für die lokale Polizei, die glaubt, mehrere Verdächtige als Shugden-Anhänger identifiziert zu haben). Gegen die Serie ist Beschwerde eingereicht worden. Es wird sich zeigen, ob ein solcher Umgang mit einem schwierigen Thema, das auch in das Verhältnis China/Tibet hineinspielt, zulässig ist. Derweil sagt "10 vor 10"-Chef Müller: "Wir versuchen, ein Magazin zu machen, das einen relativ populären Approach hat. Wir sind ein Infotainment-Magazin und machen keine wissenschaftlichen Arbeiten. Für uns ist das eine tägliche Gratwanderung." Vielleicht sollte man sich nicht unbedingt auf einen Himalajagrat wagen. Titel: Das Schweizer Fernsehen zwischen Bildungsanspruch und Quotenjagd Erscheinungsort: Internet-Publikation, 14.06.1999 Quelle im Internet: http://www.schweizerzeit.ch/1099/srg.htm Nicht höherer Eingebung, sondern administrativer Weisung folgend, melden sich die Telefonistinnen der SRG-Generaldirektion jetzt mit «SRG-SSR-idée suisse». Es tönt fast wie bei einer Sekte. Doch die Berufung auf die ideellen Werte einer wie auch immer definierten Schweiz ist nur eine Seite der SRGWirklichkeit. Die andere ist die Unterwerfung unter die Forderungen nach Zuschauerquote. Peter Studer, im November abtretender Chefredaktor des Deutschschweizer Fernsehens, gewinnt daraus durchaus auch lustvolles Empfinden: «Das gerade», schliesst er ein Interview im Berner «Bund» zur Gestaltung eines SRG-Programms, «macht das Wesen eines Service-Public-Senders aus: der manchmal beschwerliche, manchmal lustvolle Mix von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport, unser Spagat zwischen Qualität und Quote.» Im Interview hatte er am Fallbeispiel eines SF-1-Abendprogramms den Spagat skizziert. Tagesschau («Lagerfeuer der Familie»), Krimi, «Kassensturz» («die etwas hämische Stimme und die persönlichen Geschichten gehören zum Erfolgskonzept»), dann «Voilà» und «10 vor 10» (dito «Lagerfeuer der Familie»). «Voilà», ein Beitrag aus dem Leben in der Westschweiz, erläutert Studer, ist „eine idée-suisse-Sendung“ im Loch zwischen „Kassensturz“ und „10 vor 10“ mit lebhafter Unterstützung des SRG-Generaldirektors». Womit von massgeblicher Macherseite das Nötige gesagt wäre: «idée suisse», von den SRGTelefonistinnen so werbewirksam ins Ohr der Anrufer gehaucht, ist nur Bestandteil einer materialistisch bestimmten Spagatübung, dargeboten im «Loch» zwischen einem hämischen «Kassensturz» und dem Infotainment-Lagerfeuer, und wer den Ausblick in eine andere Sprachregion schätzt, muss dem SRGGeneraldirektor für seine lebhafte – und nachdrückliche - Unterstützung speziell dankbar sein. Dabei führt das Schielen auf Quote zu immer höheren Ausgaben für Lifestyle-Produktionen wie etwa «Night Moor» und zu Preissteigerungen auf dem Markt für Moderatoren und Ereignisangebote, zum Beispiel Sport. Die SRG hat nun, nachdem sie diese höhern Gestehungskosten geltend gemacht hatte, eine Erhöhung der Radio- und TV-Empfangsgebühren um 5,5 Prozent auf 432 Franken pro Jahr zugestanden erhalten (dies nach dem bei diesen Gebühren üblichen Bazarritual - sie hatte 9,8 Prozent beantragt, und ihr Generaldirektor demonstrierte zum Schluss den auch vom Bazar her vertrauten Gefühlsmix aus Enttäuschung und wohliger Zufriedenheit). In dieser Zeit auf fast Null stehender Teuerung nicht selbstverständlich und eben nur mit dem zu erwartenden, durch die Konkurrenzlage bedingten höhern Kostendruck auf bestimmten Sendungen zu rechtfertigen. Die SRG solle, schreibt der Bundesrat, in der Lage sein, «ihre bisherigen programmlichen Leistungen weiterhin vollumfänglich zu erbringen». Wobei er kaum an das finanziell abenteuerliche «Night Moor» gedacht haben kann, das nun ausläuft (den Namen hat man bereits auf «Moor» reduziert, die Kosten nicht). Die SRG ist nun wenigstens für die neue Marktsituation gerüstet, die ihr neben Roger Schawinskis Tele André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 7 Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres 24 das private Vollprogramm TV 3 des «Tages-Anzeigers» und das Schweizer Programmfenster von RTL und Pro Sieben als zusätzliche Konkurrenz bringt. Gerüstet auf Kosten der Gebührenzahler. Es ist aber sehr die Frage, ob die Vermehrung der Schweizer TV-Angebote dem Gebührenzahler für sich schon einen adäquaten Nutzen in Form optimaler Auswahl an Information bringen wird. Die Situation stellt sich in der deutschen Schweiz heute so dar, dass die DRS-Programme hinsichtlich politischer Information merklich verbessert worden sind (bei einem fortbestehenden Hang zu Kampagnenjournalismus und zu tendenziösen Nadelstichen in bestimmte Richtungen), dass Schawinski neben manchen Glanzlichtern ein eher dürftiges Informationspaket bietet und dass vom TA-Fernsehen kaum eine valable Alternative zum vorhandenen zu erwarten ist, welche die Lücken des SF-1- und SF-2-Angebots wirklich schliessen würde. Weder die bekannte Informationspolitik des Hauses «Tages-Anzeiger» noch die real existierenden Personalressourcen erlauben überschäumenden Optimismus. Wenn sich nun die - allgemein als «HoferClub» bekannte – Schweizerische Fernseh- und Radio-Vereinigung (SFRV) anschickt, ihre darniederliegende Tätigkeit neu auszurichten und zu beleben, wird sie sich bewusst sein müssen, dass sie es neben dem neuen Problem der Kommerzialisierung immer noch mit dem alten Problem des politischen Missbrauchs zu tun hat. Die Gefahr der Telekratie ist alles andere als gebannt, elektronische Medien setzen Themen, kanalisieren Meinungsströme und klammern evidente Fragen aus dem öffentlichen Diskurs aus. Sie definieren Prioritäten und mischen die Agenden von Politikern auf. Sie machen beliebt oder auch unsympathisch. Das geht heute mit subtileren Mitteln vor sich als in den ersten Jahren der SFRV, als man es in Radio- und TV-Programmen mit plumper Propaganda für politische, gewerkschaftliche und gesellschaftliche Anliegen zu tun hatte (was auch heute noch vorkommt, aber bei weitem nicht mehr mit der einstigen Unverfrorenheit). Die SFRV kann selbstbewusst darauf hinweisen, dass sie mit ihrer Programmbeobachtung und -kritik in den Studios vieles bewirkte. Etliche Ehemalige aus dem Kader haben es bezeugt. Sie lancierte schon 1977 die Idee, das über die Sender ausgestrahlte Programmangebot von verschiedenen Veranstaltern produzieren zu lassen, was heute mit den privaten Produktionen auf SF 2 längst Tatsache ist. Damals kommentierte es ein Exponent der «Wirtschaftsförderung» - vom linken Publizisten Jürg Frischknecht genussvoll zitiert - als «völligen Blindgänger». Zeugnis für die mehr als nur latente Feindseligkeit, die der SFRV in «liberalen» Kreisen von allem Anfang an entgegenstand und die sich die SRG-Politik routiniert zunutze machte. Die SFRV könnte es, wenn sie den Anspruch auf redliche und hochstehende Information konsequent verficht, auch nach einer Reaktivierung wieder mit der Zerstrittenheit im bürgerlichen Kräftefeld zu tun bekommen und hat somit nur die Wahl, eigene Kraft zu entwickeln und sie sachkundig und klug einzusetzen. Titel: „10 vor 10“: Fertig mutig Erscheinungsort: Sonntags-Zeitung, 06.08.2000 Quelle im Internet: http://www.sonntagszeitung.ch/sz/szFeinRubrik.html?ArtId=24322& ausgabeid=166&rubrikid=127 Das einstige Renommierstück von SF DRS ist brav und bieder geworden VON JOHANNES BÖSIGER Zürich - Zehn Jahre Erfolg machen müde: «10 vor 10», dem News-Flaggschiff aus dem Hause DRS, fehlt es trotz immer noch steigenden Einschaltquoten zunehmend an Biss und einer profilierten Moderatorengarde. Wenn Moderatorin Alenka Ambroz mit einer gedehnten Kunstpause mal wieder ein wichtiges Thema ankündigt, weiss man nie so recht, ob man lachen oder weinen soll. Ist das, was nun folgt, real oder Satire - oder womöglich beides? Fest steht nur: Was früher eckig, kantig oder spritzig daherkam, präsentiert sich heute zunehmend brav und mitunter sogar bieder. «Die müssen aufpassen, dass junge Themen nicht vergessen werden, die Sendung nicht langweilig wird», warnt «10 vor 10»-Gründervater Jürg Wildberger. Und auch Ueli Haldimann, der 1993 von Wildberger die Leitung des Magazins übernahm, wünscht seinem einstigen Ziehkind «eine starke externe Konkurrenz» - will heissen: Das Renommierstück aus dem Hause Leutschenbbach ist träge geworden. Die einstige Speerspitze des «Infotainment» zeigt erste Anzeichen, zur Info-Soap zu werden. André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 8 Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres Der «Zeigefinger» bekam ein Gesicht, Jana Caniga einen Namen Dabei hatten die Macher von damals ganz anderes im Sinn: Eine eigene Redaktion und Sendung sollten die restlichen News-Gefässe des Schweizer Fernsehens sachte zu mehr Drive provozieren - mit Erfolg: Heute greift die normalerweise spröde «Tagesschau» auch schon mal zu knalligeren Themen, profitiert vom Stil und der Methode des Infotainment. Dass die Neuschöpfung auch noch lanciert wurde, um den TV-Abend besser zu gestalten, bestätigt Peter Studer, 1990 Chefredaktor im Hause DRS: «Grund für die Schaffung dieser Sendung war, dass man das Hauptabendprogramm seitens DRS klarer strukturieren wollte.» Die Gründerequipe um Wildberger kreierte dann mit journalistischem Esprit Primeurs. Und die Moderatorencrew der ersten Stunde setzte prägnante Akzente. Der «Zeigefinger der Nation» bekam ein Gesicht, Jana Caniga einen Namen - und Stotter-Prinzessin Stephanie Zimmermann einen gnadenlos abrupten Abgang. «Es ist eine Tatsache», umschreibt Ex-Chef Haldimann in einem Luzerner Schulbuch die Wirkung, «dass die Identifikation mit einer Sendung sehr stark mit der Moderatorin, dem Moderator zusammenhängt.» Und: «Wichtig dabei ist, dass diese Personen sympathisch wirken, damit ihnen von Seiten der Zuschauerinnen und Zuschauer die nötige Kompetenz zugebilligt wird.» Wildberger, Eggenberger, Hürzeler, Caniga - sie alle prägten das Infotainment-Gefäss weit stärker als das heutige Trio mit Stephan Klapproth, Eva Wannenmacher und Alenka Ambroz. Die Wahrheit mit einem Lächeln auf den Lippen zu präsentieren steht heute für die Einsicht, dass Objektivität nicht immer oberste Maxime des Nachrichtengeschäftes sein kann - auch wenn der amtierende Redaktionsleiter Martin Hofer das nicht gelten lässt: «Wir müssen informieren und erst dann auch noch spannend und packend präsentieren.» Leadingship spielt da nicht mehr eine grosse Rolle - vorbei sind Zeiten wie im Vorfeld der EWRAbstimmung im Herbst/Winter 1992, wo, erinnert sich Haldimann, «<10 vor 10> absolut themenführend war». Und sonst? «Eine News-Redaktion ist immer dann am fittesten», stellt die zur Kulturchefin der Migros avancierte Moderatorin und Redaktionsleiterin Caniga fest, «wenn es wirklich Aktuelles und Bewegendes zu berichten gibt.» Und: «Tiefpunkte gab es fast täglich, denn eines ist dem News-Business eigen: Es gibt nie die perfekte Sendung, über den Sender geht, was bis zu Sendebeginn sendbar ist.» Zu den dunkelsten Kapiteln zählten nebst dem Brutalo-Sexskandal im ersten Sendejahr auch die Berichterstattung über den Crossair-Absturz im Januar dieses Jahres. Hofer möchte ein Facelifting für Dekor und Signet Wie gehts weiter mit dem Flaggschiff am Leutschenbach? Für Redaktionsleiter Hofer ist vorstellbar, dass das Moderatorenteam aufgestockt wird: «Wichtig ist mir, dass diese drei oder auch einmal vier Moderatoren eigenständige Persönlichkeiten sind und bleiben.» Ob die jetzige Zusammensetzung bald eine Änderung erfahren werde, kann Hofer nicht sagen. Es bestehe kein Handlungsbedarf. «Die Zuschauer reagieren unterschiedlich, aber alle drei kommen gut an», versichert der TV-Mann. Mittelfristig wird von Hofer ein Facelifting von Dekor und Signet anvisiert. Inhaltlich aber, verspricht der Redaktionsleiter, werde man sich «weiterhin um eine seriöse Berichterstattung bemühen». Hofer: «Wir vermitteln Nachrichten. Für anderes gibt es bei DRS ja die Abteilung Unterhaltung.» Titel: Der wilde Mann der Schweizer Medien Erscheinungsort: Brückenbauer Nr. 53, 29.12.1998 Quelle im Internet: http://www.brueckenbauer.ch/INHALT/9853/53medien.htm Er ist der Vater von «10vor10» und «Facts». Jetzt will es Jürg Wildberger noch einmal wissen: Im neuen Jahr wird er als Chef von TV3 das grösste helvetische Privatfernsehen starten. Mit seiner hohen Denkerstirn wirkt er auf den ersten Blick wie ein sanfter Schöngeist. Doch Jürg Wildberger hat den schwarzen Gürtel in Karate. Der 48jährige ist ein Mann mit vielen Ideen, aber auch ein harter Kämpfer. Keine Herausforderung scheint ihm zu gross zu sein: Er war der erste Chef der Infotainment-Sendung «10 vor 10» und des Nachrichtenmagazins «Facts». André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 9 Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres Jetzt will der wilde Mann der Schweizer Medienszene schon wieder Berge versetzen. Er leitet das neue Privatfernsehen TV3, hinter dem das Verlagshaus des «Tages-Anzeigers» steht. Mit einem Jahresbudget von 70 Millionen Franken ist der Kanal TV3, der im nächsten September auf Sendung gehen soll, das grösste private Fernsehprojekt der Schweiz. «Brückenbauer»: Roger Schawinski bringt es mit seinem Sender Tele24 vorläufig nur auf etwa zwei Prozent Marktanteil. Zeigt das nicht, dass die Schweiz für einheimisches Privatfernsehen ein steiniger Acker ist? Jürg Wildberger: Nein. Ich glaube, dass die Leute von Tele24 ihre Shows verbessern müssen. Bei TVNachrichten ist das Drama garantiert, bei Unterhaltungssendungen muss man die «Action» erst inszenieren. TV-Unterhaltung muss dem Publikum eine glanzvolle Welt des schönen Scheins bieten. Daran fehlt es bei Tele24 vorläufig noch. Worin wird sich TV3 von Tele24 vor allem unterscheiden? Wir werden ein Programm aus eigenproduzierten Shows und Nachrichtensendungen, aber auch aus eingekauften Sitcoms und Actionserien machen. Es wird sich im Unterschied zu Tele24 um ein echtes Vollprogramm handeln, das ohne Wiederholungen auskommt. Und wie wollen Sie gegen den mächtigen Konkurrenten SFDRS ankommen? Indem wir jünger, frecher und dynamischer sind. Wir werden Dinge ausprobieren, die SFDRS bisher nicht gemacht hat, zum Beispiel eine Show im Stil des RTL-Talkmasters Hans Meiser. Offenbar wollen Sie bei SFDRS auch Stars abwerben. Stimmt es, dass Sie Verhandlungen mit Gabriela Amgarten, Katja Stauber und Monika Fasnacht führen? Ich spreche mit vielen Leuten. Zu einzelnen Namen will ich mich jetzt aber noch nicht äussern. Mit der Hauptausgabe der «Tagesschau» erreicht SFDRS jeweils eine Million Zuschauer. Was wollen Sie diesem Publikumsmagneten entgegensetzen? Diese Sendung ist tatsächlich eine übermächtige Konkurrenz. Wir werden dagegen sicher nicht mit einer teuren Eigenproduktion antreten, sondern eher mit einer eingekauften Sendung. Das wäre sonst nur Geldverschwendung. Auf TV3 wird es keine Live-Sportereignisse geben. Warum? Die Rechte für die Übertragung von Fussball und Eishockey hat SFDRS. An der Ausstrahlung von weniger populären Sportveranstaltungen bin ich nicht interessiert. Wir werden aber im Rahmen von Nachrichtensendungen über Sportereignisse berichten. Um im Wettbewerb mit SFDRS seine Chancen zu vergrössern, hat Roger Schawinski für Tele24 einen Anteil an den Fernsehgebühren verlangt. Schliessen Sie sich dieser Forderung an? Nein, TV3 wird ohne Gebühren auskommen. Ich wäre aber froh, wenn auch in der Schweiz TV-Werbung für Bier und zurückhaltende Unterbrecherwerbung möglich wä-ren. In Deutschland ist dies ja längst erlaubt. Sie haben eine zehnjährige Tochter und einen dreizehnjährigen Sohn. Interessieren sich Ihre Kinder für Ihre Arbeit? Sicher. Als ich noch Chefredaktor von «Facts» war, haben sie immer verlangt, dass ich in meiner Zeitschrift eine Kinderseite mit Bastelbogen einführe. Jetzt will mein Sohn, dass ich auf TV3 die amerikanische «Simpsons»-Trickfilmserie zeige. Beim Schweizer Fernsehen hat man Ihnen einst den Übernamen «Terminator» gegeben. Fühlen Sie sich manchmal wie eine solche Kampfmaschine, die Konkurrenten zermalmt? Nein! Ich habe zum Beispiel zu meinem Konkurrenten Roger Schawinski ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Ich habe «10vor10» und «Facts» auf die Beine gestellt und werde dies nun auch mit TV3 tun. Ein «Terminator» vernichtet, ich dagegen baue neue Medien auf. Titel: Am 16. Januar 1992 sorgte 10 vor 10 mit einem Brutalo-Video für einen Aufschrei Quelle im Internet: http://sfdrs.access.ch/aktuell/10nach10_a.html Brutalo: Am 16. Januar 1992 sorgte 10vor10 für einen Aufschrei: ein Bericht über den Prozess gegen einen Porno-Händler in Zürich schockierte mit Ausschnitten aus widerlichen, brutalsten Videoproduktionen. Viele ZuschauerInnen, aber auch FernsehmitarbeiterInnen kritisierten 10vor10 für die explizite Gewaltdarstellung in einem Informationsmagazin. Jürg Wildberger, damals Redaktionsleiter von 10vor10, gestand tags darauf ein, dass der Beitrag so nicht gezeigt hätte dürfen, und entschuldigte sich in der Sendung bei allen ZuschauerInnen, die sich dadurch verletzt gefühlt hatten. André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 10