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Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres
I n f o t a i n m e n t - am Beispiel der TV-Sendung „10 vor 10“
Definition und eine erste kurze Analyse des Begriffes „Infotainment“
Der Duden definiert den Begriff "Infotainment" folgendermassen: In|fo|tain|ment [...'te:nment], das; -s
〈engl.-dt.; kurzw. aus Information und Entertainment〉 (unterhaltende Darbietung von Information).
In den 90er Jahren entstand ein neues Sendegefäss, welches sehr schnell an Beliebtheit gewann, ohne
dass es auf den ersten Blick als eine neue Art von Sendung erkannt wurde; die Rede ist von Infotainment
Sendungen.
Während bis anhin unterhaltende und edukative Sendungen relativ strikt getrennt und somit auch klar
unterscheidbar waren, eroberten plötzlich Nachrichtensendungen mit einem unterhaltenden Charakter die
Gunst der Zuschauer. Neuerdings war nicht mehr nur der Informationswert einer Mitteilung wichtig,
sondern das TV Publikum goutierte immer mehr auch die Art und Weise wie die Information dargeboten
wurden.
Was für Gründe könnten die Beliebtheit dieser neuen Art der Informationsvermittlung ausmachen? Ein
Grund für den Erfolg dieser neuen Art der Informationsvermittlung dürfte wohl mit dem „InformationsOverflow“ unserer Informationsgesellschaft (welche aus der Indurstriegesellschaft hervorgeht) zu tun
haben. Weil die Quantität an Informationen sehr stark zugenommen hat, leidet deren Aufnahme und die
Verarbeitung dieser Informationen durch das Publikum darunter. Das Problem liegt nicht mehr bei der
Verfügbarkeit der Informationen (wie dies früher noch der Fall war, als die Information ein schwer
zugängliches Gut war), sondern beim „Informationshandling“, das heisst bei der Aufnahme und der
Verarbeitung der Flut an Informationen. Durch die neue Variante der Informationsvermittlung in einer
unterhaltenden Form, wird diese Problematik der schwierigen Selektion und Rezeption von Informationen
elegant umschifft, denn das Publikum bekommt die Informationen so serviert, dass es den
(anspruchsvollen) Prozess der Abwägung, wichtiger und weniger wichtiger Informationen, beiseite lassen
kann. Und meiner Meinung nach liegt genau hier eine Gefahr von medienethischer Relevanz. Die
Seriösität und die Ernsthaftigkeit der Informationen wird nämlich durch den Aspekt der Unterhaltung
beeinträchtigt. Auf diese These werde ich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal zurück kommen.
Beschrieb der TV-Sendung „10 vor 10“
Sendestation >
Sendezeit >
Dauer der Sendung >
Moderation >
ThemenzusammenStellung am Beispiel
der Schlagzeilen vom
Do. 1.Sept. 2000
SF DRS
21:50 (Name der Sendung somit selbsterklärend)
Ungefähr 25-30 Minuten
Eva Wannenmacher, Alenka Ambroz, Stephan Klapproth
GELDWÄSCHEREI
Geldwäscherei im Ländle; Sonderstaatsanwalt Spitzer zieht
Bilanz; der Fürst nimmt Stellung.
DOPPELSPIEL
Vor der Abstimmung zur Reduktion von AHVZusatzleistungen; die SVP treibt ein Doppelspiel.
MEILENSTEIN
Roboter so intelligent wie ein ganzes Ameisenvolk;
Meilenstein in der Schweizer Forschung.
http://www.sfdrs.ch/news/index_10vor10.html
André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 1
Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres
Ein NEWS-Magazin am späten Abend?!
Weil 10 vor 10 erst zu relativ später Stunde ausgestrahlt wird und sich trotzdem auch als „Newsmagazin“
versteht, muss die Sendung ein Mehrwert (ohne Mehrwert kein Publikumsinteresse) bieten, weil ein
grosser Teil des Publikum bereits über die Aktualitäten des Tages informiert ist (sei dies durch die
Hauptausgabe der Tagesschau um 19:30 Uhr oder durch die Radio-Nachrichten etc.). 10 vor 10 bietet
auf verschiedenen Ebenen diesen Mehrwert an: Einerseits mit tiefergreifenden Informationen über die
Aktualitäten des Tages (hierbei wirkt sich die relativ späte Sendezeit als Vorteil aus – es bleibt mehr Zeit
zum Recherchieren und Bearbeiten der Beiträge), andererseits durch Berichterstattungen aus anderen
Perspektiven über bereits bekannte Informationen. Meiner Meinung nach macht diese Mehrschichtigkeit
die Tatsache aus, dass überhaupt noch Publikumsinteresse für die eigentlich nicht mehr ganz aktuellen
News besteht.
Aktualität und Unterhaltung
Dazu stellen wir uns folgende Frage: Ab wann sind "News" nicht mehr neu, und wie kann ihre der
"Alterungsprozess" einer Aktualität umgangen werden?
Untersucht man die zwei Elemente „Information“ und „Entertainment“ genauer, kann man zum Schluss
gelangen, dass die Information ab dem Zeitpunkt, wo sie entsteht (d.h. einem Ereignis zugeordnet) sich
nicht mehr weiter entwickeln kann, da sie ja sozusagen ein Spiegelbild der Realität ist, die sofern sie
wahrheitsgetreu wiedergegeben wird nicht mehr ihr Inhalt verändern kann. Ab diesem Zeitpunkt beginnt
der Alterungsprozess der Information. Das einzige was sich in dieser Hinsicht noch entwickeln kann ist
die Umrahmung dieser Information mit zusätzlichen Informationen, also der Informationsquantität.
Beim Entertainment-Teil hingegen (welcher hauptsächlich die Verarbeitung und die Wiedergabe durch
das vermittelnde Medium betrifft), kann die ganze Spannbreite des journalistischen Handwerks
ausgeschöpft werden, um die doch eher trockenen „Facts“ (resp. Ereignisse) für eine breite Masse
ansprechend zu gestalten. Das heisst eigentlich nichts anderes, dass es bei diesem Teil keine wirklichen
Grenzen gesetzt sind, ausser bei der Kreativität des Journalisten. Insofern finden wir hier keine
einschränkende Faktoren wie zum Beispiel der Zeitfaktor bei der Aktualität einer Information
einschränkend wirken kann. Natürlich sind auch gewisse Rahmenbedingungen betreffend journalistischer
Ethik und fernsehtechnischer Natur zu berücksichtigen, aber ich denke doch, der Entertainment Teil lässt
viel mehr Freiraum zu, ein gewisses Publikumsinteresse zu erzeugen. Und um nur kurz am Rande zu
1
bemerken; Sendungen wie z.B. „BigBrother“ bekräftigen meiner Meinung nach meine These. Der
Informationsgehalt dieser Sendung ist fast gleich Null, aber die Inszenierung wird so gut gemacht, dass
trotz dem Informationsmanko ein sehr grosses Publikumsinteresse vorherscht (zumindest am Anfang).
Um es mit einer Metapher auszudrücken: Die Information als Skelett und die journalistische Arbeit der
Informationsvermittlung als das umhüllende Fleisch. Je dünner oder schwächer das Skelett ist ( = je
weniger oder je schlechter die Information), desto mehr Fleisch (unterhaltswert durch Inszenierung
Manipulierung od. ähnl. der Information) braucht es, um zu einem kompakten Ganzen ( = Sendung resp.
Bericht) zu kommen.
Um zurück auf 10 vor 10 kommen; die Informationen welche 10 vor 10 sendet sind nicht neu und deshalb
nicht mehr von besonderem Interesse für ein Publikum. Das bedeutet eigentlich nichts anderes, als dass
10 vor 10 mit Hilfe von zwei Faktoren das Interesse des Publikums sichern muss um ihre Marktposition
zu behalten. Entweder mit neuen, zusätzlichen Informationen, oder dann mit aufgewertetem
Unterhaltungswert der bereits bekannten Informationen des Tages. Da vor allem der zweite Punkt eine
Gratwanderung darstellen kann, zeigen die zwei folgenden Beispiele. Einerseits eine Berichterstattung
über die Thematik "Tibet" und andererseits eine Berichterstattung über die Thematik "Brutalo-Pornos".
Beides Beispiele die als Berichterstattungen von 10 vor 10 eher floppten und damit die Problematik einer
Infotainment Sendung recht deutlich aufzeigen. Beide Beispiele werden nun im folgenden Untersucht.
1
zehn oder mehr ausgesuchte Kandidaten lassen sich für längere Zeit (bis zu zehn Wochen) in ein hermetisch abgeriegeltes
Gelände „einsperren“ und lassen sich dabei rund um die Uhr von verschiedenen Kameras filmen. Jede Woche wird durch eine
Abstimmung des Fersehpublikums ein Kandidat oder eine Kandidatin auserwählt, welche das Gelände verlassen muss. Der- oder
Diejenige welche als letzte auf dem Gelände übrigbleibt, gewinnt eine recht grosse Gewinnsumme. Anmerkung: vgl. mit „Insel
Robison“ oder anderen Spielshows.
André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 2
Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres
Zwei Beispiele von Infotainment auf 10 vor 10 – untersucht auf medienethische
Aspekte
Beispiel 1 – Auf den Spuren tibetischer Geister (vgl. Artikel im Anhang)
Thema: Das Schweizer Fernsehen (im genaueren eine fünfteilige Serie von 10 vor 10) hat mit einer
unbedarften Serie über den tibetischen Geist und den Dalai Lama eine heftige Kontroverse ausgelöst.
Inhalt: 10 vor 10 attackiert mit ihrer Serie über den tibetischen Geist und den Dalai Lama recht stark die
Position des letzteren und löst damit eine heftige Publikumsreaktion aus, welche sich vorwiegend mit
empörten Leserbriefen an die Redaktion des 10 vor 10 offenbart.
Analyse: Kann die Suche nach einer unterhaltenden, süffisanten Story die Ursache für schlechten
Journalismus sein, resp. ist eine mögliche Folge davon die Unterschätzung der Brisanz von Themen, wie
in unserem Beispiel die Tibetproblematik? Schenkt man dem Artikel des Tagesanzeigers glauben, dann
2
war das in diesem Fall so. Gerade Zeitdruck, welcher für Journalisten und Videojockeys (VJs )
sozusagen zum normalen Arbeitsalltag gehören, ist schon ein wichtiger Faktor, welcher die Qualität einer
Themenberichterstattung beeinflussen kann. Aber wenn es sich wie in diesem Fall um eine fünfteilige
Serie über ein Thema handelt, darf schon eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema erwartet
werden als eine eher einseitige Attacke gegen den Dalai Lama.
Insofern denke ich, eine tiefergründigere Analyse dieses „Fehltrittes“ des Teams von 10 von 10 muss gar
nicht erfolgen, da hier schon die Suche nach einer süffisanten Story denn Auschlag für den „Fehltritt“ war.
Anzumerken bleibt letztlich noch, dass die Tibet Thematik wohl nicht wirklich als „süffisante“ Thematik
bezeichnet werden kann, denn diese Problematik ist recht komplex und dauert nun doch schon seit
einiger Zeit. Die kurzen Berichte von 5 bis 10 Minuten sind damit wohl nicht wirklich gute Sendegefässe.
Gewisse Themen brauchen nun einfach längere Einarbeitungszeit und tatsächliche Sendezeit in Form
einer längeren Sendung oder eines Dokumentarfilmes, um der komplexen Thematik des Themas gerecht
zu werden.
Beispiel 2 – Am 16. Januar 1992 sorgte 10 vor 10 mit einem Brutalo-Video für einen Aufschrei (vgl. Artikel
im Anhang)
Thema: Ein aktueller Prozess über einen Porno-Händler.
Inhalt: Um den Bericht über diesen Porno-Händler zu untermalen, zeigte 10 vor 10 Ausschnitte aus der
Produktion von Porno-Videos, die sehr widerliche und brutale Ausschnitte enthielten. (Anmerkung: Auf
der Internet-Site kann der damalige 10 vor 10 Bericht als RealVideo betrachtet werden).
Analyse: Wo liegt die Schmerz resp. Toleranzgrenze der Rezipienten beim Betrachten einer InfotainmentSendung? (Dieses Problem stellt sich übrigens nicht nur Infotainment-Sendungen, aber insbesondere
diesen Sendungen, weil sie den unterhaltenden Anspruch oft mit explizitem Bildmaterial untermalen.
Nicht nur diese Frage alleine stellt sich, denn weiter kommt hinzu, dass Abends um zehn Uhr noch relativ
viele Teenager mit ihren Eltern fernsehen und praktisch ohne Vorwarnung solche explizit brutalen und
widerlichen Szenen zu sehen bekommen. Dieses Beispiel zeigt - im Gegensatz zum ersten - die
Schwierigkeit der Bilderwahl für die Berichterstattung sowie die Problematik der Festlegung einer
Toleranzgrenze in Sachen Bildmaterial für ein disperses Publikum.
Direkte Folge des Berichtes; Weil das Publikum aber auch FernsehmitarbeiterInnen auf diese explizite
Gewaltdarstellung sehr empört reagierten, musste sich der damalige Redaktionsleiter von 10 vor 10, Jürg
Wildberger, am Tag darauf entschuldigen.
Visuelles Erscheinungsbild als wichtiger Bestandteil von 10 vor 10
(vgl. dazu die zwei Artikel „10 vor 10 wirkt dank Eva intelligenter“ und „10 vor 10: Fertig mutig“, welche
Beide im Anhang aufgeführt sind)
Die Kommunikation durch das Medium Fersehen passiert auf den Ebenen Bild und Ton. Insbesondere
das visuelle Erscheinungsbild hat grossen Einfluss auf die Rezeption des Publikums. Bei 10 vor 10 ist die
visuelle Aufmachung sorgfältig zusammengestellt. Auf drei verschieden Eben verschachteln sich
2
die sogenannten Videojockes sind wie Journalisten ausgebildete Berichteschreiber, welche im gleichen aber auch noch umBilder
in Form von Videos besorgt sind. Dies offenbart sich dann oft so, dass die Journalisten anhand ihrem Schreiber, Block und
umgehängter Fotokamera erkennbar sind, währen die VJs keinen Schreiber und Block, dafür ein Mikrofon und eine Videokamera
auf sich tragen (was hier ein bisschen Clichéhaft skizziert wurde, ist meiner Meinung nach tatsächlich recht Realitätsbezogen).
André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 3
Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres
Elemente, die dem Publikum ein visuelles Erlebnis verschaffen. Einerseits durch die eingeblendete
Videoprojektion im Hintergrund (welche der Aussicht aus einem Wolkenkratzer auf die Skyline einer Stadt
in der Nacht entspricht), andererseits durch farbige Animationen und Grafiken, welche die
Berichterstattungen auflockern und nicht zuletzt durch die Wahl der Moderatoren/innen, welche der
Sendung eine persönliche Nähe verleihen. So bestätigt dies auch der Ex-"10 vor 10" Chef Haldimann, in
einem Luzerner Schulbuch: "Es ist eine Tatsache, dass die Identifikation mit einer Sendung sehr stark mit
der Moderatorin, dem Moderator zusammenhängt. ... Wichtig dabei ist, dass diese Personen sympathisch
wirken, damit ihnen von Seiten der Zuschauerinnen und Zuschauer die nötige Kompetenz zugebilligt
wird."
Visueller Einfluss der Moderatorinnen (am der Gegegdarstellung folgender zwei Moderatorinnen)
Eva Wannenmacher ist in Zürich geboren und in Bremgarten
aufgewachsen. Bei der dortigen Lokalzeitung, einer Tochter der
TA Media, absolvierte sie nach einer kaufmännischen
Ausbildung ein zweijähriges Volontariat sowie mehrere Kurse am
Medienausbildungszentrum Luzern. Als Redaktorin wechselte
sie 1992 zum damaligen Aargauer Tagblatt, wo sie als PolitJournalistin und als Produzentin arbeitete.
Dann kam sie auf ihrem journalistischen Weg zurück nach
Zürich: Eva Wannenmacher gehörte zum Gründungsteam von
TeleZüri. Nach einer Ausbildung zur Video-Journalistin
moderierte sie ab April 1995 bis Frühsommer 1996 die tägliche
News-Sendung.
Alenka Ambroz ist zwar die neuste im dreiköpfigen 10vor10Moderationsteam, doch alles andere als eine journalistische
Neuentdeckung. Seit 11 Jahren im Hause der SRG arbeitete sie
erst als Journalistin beim Regionaljournal von Radio DRS und
wechselte 1992 zur Wirtschaftsredaktion von SF DRS
("Kassensturz")
und
1995
zu
10vor10.
Als
Recherchierjournalistin befasst sich Ambroz im speziellen für
Themen aus der Sozialpolitik, als Moderatorin zeichnet sie sich
durch eine unschweizerische Hartnäckigkeit in Live-Interviews
aus. - Derzeit ist Alenka Ambroz Moderatorin und einfach Mutter,
ab 2001 wird sie Moderatorin und zweifach Mutter sein.
Quellen: Internetseite der SFDRS [www.sfdrs.ch]
Wie stark darf dieser Einfluss der Moderatoren und Moderatorinnen nun eingeschätzt werden (gerade im
Bezug von Infotainment)?
Gerade bei 10 vor 10 ist die Ressonanz des Publikums auf die Personen der Moderation sehr gross.
Vergleicht man die z.B. Eva Wannenmacher mit Alenka Ambroz, so stellt man fest, dass die Sympathien
der Medienbreichtertattung eindeutig auf der Seite von Eva Wannenmacher liegt. Im Vergleich; Während
Alenka Ambroz mit ihren sprachlichen Kunstpausen eher in Verruf gerät: „Wenn Moderatorin Alenka
Ambroz mit einer gedehnten Kunstpause mal wieder ein wichtiges Thema ankündigt, weiss man nie so
recht, ob man lachen oder weinen soll.“ (Sonntags-Zeitung vom 06.08.2000) gewinnt Eva
Wannenmacher mit ihrer Austrahlung selbst in kritischen Augenlicken Sympathien: „Dank Eva
Wannenmacher, der intimsten und intelligentesten Schnittstelle zwischen SF1 und dem Sender, dem
alles etwas leichter fällt, ist es für einmal gelungen, eine Fehlleistung höchst sympathisch aus der Welt zu
schaffen.“ (Worknews vom 18.02.1999). Insofern scheint der Einfluss der Moderatorinnen auf das
Publikum doch recht gross zu sein. Dieser Punkt macht wohl auch ein Teil des Unterhaltungsaspektes
der Sendung aus. Egal ob nun Alenka Ambroz mit ihren Kunstpausen moderiert (..wann kommt die
nächste Kunstpause..?) oder Eva Wannenmacher mit ihrem Charm die Neuigkeiten des Tages in die
Welt verkündet (..ach, wie sympathisch sie doch ist..!), für Unterhaltung ist gesorgt.
Auf einem weitaus wichtigeren Stellenwert, in Anbetracht einer ethischen Verantwortung, stellt sich die
Frage, inwiefern katalysierende Prozesse durch Moderatoren/Innen (im Sinne einer "verwässerung" der
tatsächlichen Fakten durch den Charm einer Moderatorin) legitim sind, wenn dieser katalysierende
Prozess durch eine attraktive und sympathische Moderatorin geschieht und somit vom Publikum eher
akzeptiert wird, als von einem grobschlächtigen und unsympathischen Moderator (nicht auf Herr
Klapproth bezogen (!), nur gedankliche These)? Diese Frage finde ich sehr schwer zu beantworten.
André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 4
Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres
Einerseits ist es (vor allem nach einem harten Artbeitstag) angenehmer, eine schlechte Nachricht auf
eine sanftere, durcht eine sympathische Person "gefilterte" Weise, zu vernehmen, als in voller Härte
durch eine grobschlächtige oder unsympathische Person. In diesem Sinne wird die Moderatorin oder der
Moderator zum "katalysierenden Weichspüler". Andererseits ist dieser katalysierende Effekt auch sehr
gefährlich, gerade im Zusammengang mit einer Information, die von gesellschaftlichem Interesse resp.
gesellschaftlicher Wichtigkeit ist, wie zum Beispiel die Thematik des Rechtsextremismus. Natürlich
überspitze ich hier den Effekt der Moderation auf die Publikationsrezeption ein bisschen, aber Tatsache
bleibt doch, dass diese Problematik des Moderation-Einflusses nicht zu unterschätzen ist.
Auch die Videoprojektion als Dekoration im Hintergrund bleibt nicht ohne Einfluss auf den unterhaltenden
Effekt der Sendung. Die virtuelle Aussicht aus einem Hochhaus auf eine Stadt, über die sich die dunkle
Nacht gelegt hat und wo in der dunstigen Stadtatmosphäre pulsierendes Licht der Häuser und
Strassenlampen dominieren wirkt anonym, tiefgründig und unkontrollierbar. Man fühlt sich zuhause sofort
geborgen und wohl. Wenn man bedenkt dass diese Kulisse eigentlich nichts mit der tatsächlichen Lage
der Sendestudios von 10 vor 10 hat (die Studios befinden sich in Leutschenbach, welches ausserhalb der
Stadt Zürich liegt), kann man sich nach dem Sinn dieser Videoprojektion fragen. In Hinsicht auf das
Konzept einer Infotainment Sendung macht diese Kulisse aber durchaus Sinn; durch die atmosphärische
Stadtkulisse in der Nacht stellt sich beim Betrachter ein Gefühl ein, das ich mit „bequemem Voyerismus“
umschreiben würde. Der Betrachter ist zuhause, von seinen eigenen, vertrauten und deshalb sicheren
vier Wänden umgeben und hat durch das Medium Fersehen den virtuellen Kontakt zur Aussenwelt, weil
er im Hintergrund des 10 vor 10 Studios ja die Aussenwelt sieht. Meiner Meinung nach hat dies ein
Effekt, der die Aktualität von 10 vor 10 unterstreichen soll. Denn: die Studios haben ja denn direkten
Ausblick auf die Stadt (durch die Videoprojektion assoziert), so bleibt ihnen sicher keine Neuigkeiten
verborgen.
Schlusswort
Das Thema "Infotainment" ist komplexer, als es am Anfang den Anschein hat. Einerseits müssen Aspekte
der Information und andererseits Aspekte der Unterhaltung berücksichtigt werden. Bereits jeder einzelne
Aspekt ist alleine schon sehr weitreichend und aufwändig zu analysieren, so ist denn auch das
Zusammenspiel der beiden Aspekte ungleich komplexer als jeder für sich alleine.
Trotzdem macht bereits eine oberflächliche Analyse von Infotainment klar; die Rezipienten sind
tendenziell empfänglicher für explizite Bilder, als trockene News. Das dürfte wohl einer der vielen Gründe
für das ungebrochene Interesse an Infotainment-Sendungen sein.
André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 5
Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres
A n h a n g: Quellenverweise und Quellenauszüge
Titel: 10 vor 10 wirkt dank Eva intelligenter
Erscheinungsort: Worknews, 18.02.1999
Quelle im Internet: http://brainwork.ch/Worknews/work.html
Was die WORKNEWS schon lange und umgehend berichtete (siehe Swen Crow über rationierte
Intelligenz bei 10 vor 10), wurde nun auch von halbamtes wegen bestätigt. Der Wunsch nach einer guten
Geschichte hat 10 vor 10 das journalistische Augenmass verlieren lassen, womit als unerwünschte
Nebenwirkung rationierter Medikamente ein veritabler Rohrkrepierer produziert wurde. Aber es wäre
billig, sich an diesem fehlgeleiteten Übereifer zu ergötzen (wenngleich die arrogante Grundhaltung der 10
vor 10 - Redaktion dazu verleitet). PR-mässig interessant und beachtenswert ist vor allem die Art und
Weise, wie das Infotainment-Magazin von SF1 mit dieser Schlappe umgegangen ist. Dank Eva
Wannenmacher, der intimsten und intelligentesten Schnittstelle zwischen SF1 und dem Sender, dem
alles etwas leichter fällt (Tele24), ist es für einmal gelungen, eine Fehlleistung höchst sympathisch aus
der Welt zu schaffen. Der abschliessende Satz, dass trotz qualitativen Mängeln im Beitrag über Frau
Schaller keine rechtlichen Schranken verletzt wurden, hätte die intelligente Eva aber doch lieber für sich
behalten.
Titel: „10 vor 10“ auf den Spuren tibetischer Geister
Erscheinungsort: Tages-Anzeiger, 06.03.1998
Quelle im Internet: http://www.tages-anzeiger.ch/archiv/98maerz/980306/239994.htm
Das Schweizer Fernsehen hat mit einer unbedarften Serie über den tibetischen Geist und den
Dalai Lama eine heftige Kontroverse ausgelöst.
Von Ursula K. Rathgeb und Andreas Bänziger
Seit Januar, seit das Nachrichtenmagazin "10 vor 10" des Schweizer Fernsehens in einer fünfteiligen
Serie zum Frontalangriff auf den Dalai Lama blies, übt sich "10 vor 10"-Chef Christoph Müller im Briefe
schreiben. Die Sendung löste eine Welle von Publikumsreaktionen aus, die Müller zu beantworten hatte.
Offensichtlich hat das Fernsehen in ein Wespennest gestochen. Besonders die tibetische Exilgemeinde,
aber auch Tibetexperten reagierten mit hellem Entsetzen.
Da machte sich jemand anheischig, jenseits der gerade modischen Tibetfilme aus den HollywoodTraumfabriken Echtes, nämlich harte Fakten über einen Bruderzwist unter den Tibetern, zu versprechen,
"den ausgerechnet der Dalai Lama angezettelt hat, indem er eine bis anhin hochverehrte Schutzgottheit
kurzerhand verbot". Ist der angeblich so tolerante Dalai Lama heimlich ein Unterdrücker der
Religionsfreiheit?
"Die Moderation ist natürlich ein Versuch, das Thema interessant zu machen, das ist klar, wie eine
Schlagzeile", kommentiert Christoph Müller.
Aber es kommt noch besser. Da man befürchten muss, dass vom Schweizer Publikum kaum jemand von
dieser Schutzgottheit schon gehört hat, baut die Moderatorin flugs ein Brücklein über den kulturellen
Graben: "Das wäre, wie wenn der Papst den Marienkult verbieten sollte." Dazu meint nun auch Müller:
"Also der Jungfrau-Maria-Vergleich war daneben. Es war ein unglücklicher Versuch, eine Analogie
herzustellen."
Die Brisanz des Themas unterschätzt
Für viele Zuschauer kam die Serie vor allem in den ersten Teilen wie eine Kampagne gegen den Dalai
Lama daher. Das war es wohl nicht, aber die "10 vor 10"-Redaktion hat die Brisanz des Themas
unterschätzt, hat sich wohl auch, auf der Suche nach einer süffigen Story, zu sehr auf die Seite der
Shugden-Anhänger geschlagen. Hätte sie nur die immer wieder erhellende Frage gestellt: "Wem nützt's",
wären sie wohl vorsichtiger an das Thema herangegangen.
Zwar kamen dann in den späteren Folgen auch Exiltibeter und der Dalai Lama selber zu Wort, in einer
fünften Folge durfte nach heftigen Protesten ein anerkannter Tibetexperte eine objektivere Sicht der
Dinge vermitteln, und am Sonntagmorgen setzte die Religionssendung "Sternstunde" (allerdings vor
André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 6
Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres
anderem Publikum) die Akzente anders. Aber lässt sich auf diese Weise sozusagen post faktum noch
Ausgewogenheit herstellen?
Wie kam denn Beat Regli, der Autor der Serie, dazu, unter all den Konflikten dieser Welt ausgerechnet
diesen aufzugreifen? "Ausschlaggebend waren Informationen von Tibetern aus Indien, die über brutale
Verfolgung durch Dalai-Lama-Anhänger berichteten", sagt Regli. So machte er sich auf die Spuren des
tibetischen Geistes, filmte verzweifelte Mönche und Familien in Bedrängnis, weil sie "von fanatischen
Anhängern des Dalai Lama" verfolgt werden. Als ein pensionierter Minister niedergestochen und
verwundet wurde, liess er den Zuschauer im Glauben, das sei wegen leiser Kritik am Dalai Lama
geschehen. Als aber ein als Kritiker des Shugden-Kults bekannter Abt und zwei seiner Schüler brutal
ermordet wurden, gab es keine hinreichenden Verdachtsmomente für Regli (wohl aber für die lokale
Polizei, die glaubt, mehrere Verdächtige als Shugden-Anhänger identifiziert zu haben).
Gegen die Serie ist Beschwerde eingereicht worden. Es wird sich zeigen, ob ein solcher Umgang mit
einem schwierigen Thema, das auch in das Verhältnis China/Tibet hineinspielt, zulässig ist. Derweil sagt
"10 vor 10"-Chef Müller: "Wir versuchen, ein Magazin zu machen, das einen relativ populären Approach
hat. Wir sind ein Infotainment-Magazin und machen keine wissenschaftlichen Arbeiten. Für uns ist das
eine tägliche Gratwanderung."
Vielleicht sollte man sich nicht unbedingt auf einen Himalajagrat wagen.
Titel: Das Schweizer Fernsehen zwischen Bildungsanspruch und Quotenjagd
Erscheinungsort: Internet-Publikation, 14.06.1999
Quelle im Internet: http://www.schweizerzeit.ch/1099/srg.htm
Nicht höherer Eingebung, sondern administrativer Weisung folgend, melden sich die Telefonistinnen der
SRG-Generaldirektion jetzt mit «SRG-SSR-idée suisse». Es tönt fast wie bei einer Sekte. Doch die
Berufung auf die ideellen Werte einer wie auch immer definierten Schweiz ist nur eine Seite der SRGWirklichkeit. Die andere ist die Unterwerfung unter die Forderungen nach Zuschauerquote. Peter Studer,
im November abtretender Chefredaktor des Deutschschweizer Fernsehens, gewinnt daraus durchaus
auch lustvolles Empfinden: «Das gerade», schliesst er ein Interview im Berner «Bund» zur Gestaltung
eines SRG-Programms, «macht das Wesen eines Service-Public-Senders aus: der manchmal
beschwerliche, manchmal lustvolle Mix von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport, unser Spagat
zwischen Qualität und Quote.» Im Interview hatte er am Fallbeispiel eines SF-1-Abendprogramms den
Spagat skizziert. Tagesschau («Lagerfeuer der Familie»), Krimi, «Kassensturz» («die etwas hämische
Stimme und die persönlichen Geschichten gehören zum Erfolgskonzept»), dann «Voilà» und «10
vor 10» (dito «Lagerfeuer der Familie»). «Voilà», ein Beitrag aus dem Leben in der Westschweiz,
erläutert Studer, ist „eine idée-suisse-Sendung“ im Loch zwischen „Kassensturz“ und „10 vor 10“ mit
lebhafter Unterstützung des SRG-Generaldirektors».
Womit von massgeblicher Macherseite das Nötige gesagt wäre: «idée suisse», von den SRGTelefonistinnen so werbewirksam ins Ohr der Anrufer gehaucht, ist nur Bestandteil einer materialistisch
bestimmten Spagatübung, dargeboten im «Loch» zwischen einem hämischen «Kassensturz» und dem
Infotainment-Lagerfeuer, und wer den Ausblick in eine andere Sprachregion schätzt, muss dem SRGGeneraldirektor für seine lebhafte – und nachdrückliche - Unterstützung speziell dankbar sein.
Dabei führt das Schielen auf Quote zu immer höheren Ausgaben für Lifestyle-Produktionen wie etwa
«Night Moor» und zu Preissteigerungen auf dem Markt für Moderatoren und Ereignisangebote, zum
Beispiel Sport. Die SRG hat nun, nachdem sie diese höhern Gestehungskosten geltend gemacht hatte,
eine Erhöhung der Radio- und TV-Empfangsgebühren um 5,5 Prozent auf 432 Franken pro Jahr
zugestanden erhalten (dies nach dem bei diesen Gebühren üblichen Bazarritual - sie hatte 9,8 Prozent
beantragt, und ihr
Generaldirektor demonstrierte zum Schluss den auch vom Bazar her vertrauten Gefühlsmix aus
Enttäuschung und wohliger Zufriedenheit). In dieser Zeit auf fast Null stehender Teuerung nicht
selbstverständlich und eben nur mit dem zu erwartenden, durch die Konkurrenzlage bedingten höhern
Kostendruck auf bestimmten Sendungen zu rechtfertigen. Die SRG solle, schreibt der Bundesrat, in der
Lage sein, «ihre bisherigen programmlichen Leistungen weiterhin vollumfänglich zu erbringen». Wobei er
kaum an das finanziell abenteuerliche «Night Moor» gedacht haben kann, das nun ausläuft (den Namen
hat man bereits auf «Moor» reduziert, die Kosten nicht).
Die SRG ist nun wenigstens für die neue Marktsituation gerüstet, die ihr neben Roger Schawinskis Tele
André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 7
Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres
24 das private Vollprogramm TV 3 des «Tages-Anzeigers» und das Schweizer Programmfenster von RTL
und Pro Sieben als zusätzliche Konkurrenz bringt. Gerüstet auf Kosten der Gebührenzahler. Es ist aber
sehr die Frage, ob die Vermehrung der Schweizer TV-Angebote dem Gebührenzahler für sich schon
einen adäquaten Nutzen in Form optimaler Auswahl an Information bringen wird. Die Situation stellt sich
in der deutschen Schweiz heute so dar, dass die DRS-Programme hinsichtlich politischer Information
merklich verbessert worden sind (bei einem fortbestehenden Hang zu Kampagnenjournalismus und zu
tendenziösen Nadelstichen in bestimmte Richtungen), dass Schawinski neben manchen Glanzlichtern ein
eher dürftiges Informationspaket bietet und dass vom TA-Fernsehen kaum eine valable Alternative zum
vorhandenen zu erwarten ist, welche die Lücken des SF-1- und SF-2-Angebots wirklich schliessen
würde.
Weder die bekannte Informationspolitik des Hauses «Tages-Anzeiger» noch die real existierenden
Personalressourcen erlauben überschäumenden Optimismus. Wenn sich nun die - allgemein als «HoferClub» bekannte – Schweizerische Fernseh- und Radio-Vereinigung (SFRV) anschickt, ihre
darniederliegende Tätigkeit neu auszurichten und zu beleben, wird sie sich bewusst sein müssen, dass
sie es neben dem neuen Problem der Kommerzialisierung immer noch mit dem alten Problem des
politischen Missbrauchs zu tun hat. Die Gefahr der Telekratie ist alles andere als gebannt, elektronische
Medien setzen Themen, kanalisieren Meinungsströme und klammern evidente Fragen aus dem
öffentlichen Diskurs aus. Sie definieren Prioritäten und mischen die Agenden von Politikern auf. Sie
machen beliebt oder auch unsympathisch. Das geht heute mit subtileren Mitteln vor sich als in den ersten
Jahren der SFRV, als man es in Radio- und TV-Programmen mit plumper Propaganda für politische,
gewerkschaftliche und gesellschaftliche Anliegen zu tun hatte (was auch heute noch vorkommt, aber bei
weitem nicht mehr mit der einstigen Unverfrorenheit).
Die SFRV kann selbstbewusst darauf hinweisen, dass sie mit ihrer Programmbeobachtung und -kritik in
den Studios vieles bewirkte. Etliche Ehemalige aus dem Kader haben es bezeugt. Sie lancierte schon
1977 die Idee, das über die Sender ausgestrahlte Programmangebot von verschiedenen Veranstaltern
produzieren zu lassen, was heute mit den privaten Produktionen auf SF 2 längst Tatsache ist. Damals
kommentierte es ein Exponent der «Wirtschaftsförderung» - vom linken Publizisten Jürg Frischknecht
genussvoll zitiert - als «völligen Blindgänger». Zeugnis für die mehr als nur latente Feindseligkeit, die der
SFRV in «liberalen» Kreisen von allem Anfang an entgegenstand und die sich die SRG-Politik routiniert
zunutze machte. Die SFRV könnte es, wenn sie den Anspruch auf redliche und hochstehende
Information konsequent verficht, auch nach einer Reaktivierung wieder mit der Zerstrittenheit im
bürgerlichen Kräftefeld zu tun bekommen und hat somit nur die Wahl, eigene Kraft zu entwickeln und sie
sachkundig und klug einzusetzen.
Titel: „10 vor 10“: Fertig mutig
Erscheinungsort: Sonntags-Zeitung, 06.08.2000
Quelle im Internet: http://www.sonntagszeitung.ch/sz/szFeinRubrik.html?ArtId=24322&
ausgabeid=166&rubrikid=127
Das einstige Renommierstück von SF DRS ist brav und bieder geworden
VON JOHANNES BÖSIGER
Zürich - Zehn Jahre Erfolg machen müde: «10 vor 10», dem News-Flaggschiff aus dem Hause DRS, fehlt
es trotz immer noch steigenden Einschaltquoten zunehmend an Biss und einer profilierten
Moderatorengarde.
Wenn Moderatorin Alenka Ambroz mit einer gedehnten Kunstpause mal wieder ein wichtiges Thema
ankündigt, weiss man nie so recht, ob man lachen oder weinen soll. Ist das, was nun folgt, real oder
Satire - oder womöglich beides? Fest steht nur: Was früher eckig, kantig oder spritzig daherkam,
präsentiert sich heute zunehmend brav und mitunter sogar bieder. «Die müssen aufpassen, dass junge
Themen nicht vergessen werden, die Sendung nicht langweilig wird», warnt «10 vor 10»-Gründervater
Jürg Wildberger. Und auch Ueli Haldimann, der 1993 von Wildberger die Leitung des Magazins
übernahm, wünscht seinem einstigen Ziehkind «eine starke externe Konkurrenz» - will heissen: Das
Renommierstück aus dem Hause Leutschenbbach ist träge geworden. Die einstige Speerspitze des
«Infotainment» zeigt erste Anzeichen, zur Info-Soap zu werden.
André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 8
Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres
Der «Zeigefinger» bekam ein Gesicht, Jana Caniga einen Namen
Dabei hatten die Macher von damals ganz anderes im Sinn: Eine eigene Redaktion und Sendung sollten
die restlichen News-Gefässe des Schweizer Fernsehens sachte zu mehr Drive provozieren - mit Erfolg:
Heute greift die normalerweise spröde «Tagesschau» auch schon mal zu knalligeren Themen, profitiert
vom Stil und der Methode des Infotainment. Dass die Neuschöpfung auch noch lanciert wurde, um den
TV-Abend besser zu gestalten, bestätigt Peter Studer, 1990 Chefredaktor im Hause DRS: «Grund für die
Schaffung dieser Sendung war, dass man das Hauptabendprogramm seitens DRS klarer strukturieren
wollte.»
Die Gründerequipe um Wildberger kreierte dann mit journalistischem Esprit Primeurs. Und die
Moderatorencrew der ersten Stunde setzte prägnante Akzente. Der «Zeigefinger der Nation» bekam ein
Gesicht, Jana Caniga einen Namen - und Stotter-Prinzessin Stephanie Zimmermann einen gnadenlos
abrupten Abgang. «Es ist eine Tatsache», umschreibt Ex-Chef Haldimann in einem Luzerner Schulbuch
die Wirkung, «dass die Identifikation mit einer Sendung sehr stark mit der Moderatorin, dem Moderator
zusammenhängt.» Und: «Wichtig dabei ist, dass diese Personen sympathisch wirken, damit ihnen von
Seiten der Zuschauerinnen und Zuschauer die nötige Kompetenz zugebilligt wird.»
Wildberger, Eggenberger, Hürzeler, Caniga - sie alle prägten das Infotainment-Gefäss weit stärker als
das heutige Trio mit Stephan Klapproth, Eva Wannenmacher und Alenka Ambroz. Die Wahrheit mit
einem Lächeln auf den Lippen zu präsentieren steht heute für die Einsicht, dass Objektivität nicht immer
oberste Maxime des Nachrichtengeschäftes sein kann - auch wenn der amtierende Redaktionsleiter
Martin Hofer das nicht gelten lässt: «Wir müssen informieren und erst dann auch noch spannend und
packend präsentieren.»
Leadingship spielt da nicht mehr eine grosse Rolle - vorbei sind Zeiten wie im Vorfeld der EWRAbstimmung im Herbst/Winter 1992, wo, erinnert sich Haldimann, «<10 vor 10> absolut themenführend
war».
Und sonst? «Eine News-Redaktion ist immer dann am fittesten», stellt die zur Kulturchefin der Migros
avancierte Moderatorin und Redaktionsleiterin Caniga fest, «wenn es wirklich Aktuelles und Bewegendes
zu berichten gibt.» Und: «Tiefpunkte gab es fast täglich, denn eines ist dem News-Business eigen: Es
gibt nie die perfekte Sendung, über den Sender geht, was bis zu Sendebeginn sendbar ist.» Zu den
dunkelsten Kapiteln zählten nebst dem Brutalo-Sexskandal im ersten Sendejahr auch die
Berichterstattung über den Crossair-Absturz im Januar dieses Jahres.
Hofer möchte ein Facelifting für Dekor und Signet
Wie gehts weiter mit dem Flaggschiff am Leutschenbach? Für Redaktionsleiter Hofer ist vorstellbar, dass
das Moderatorenteam aufgestockt wird: «Wichtig ist mir, dass diese drei oder auch einmal vier
Moderatoren eigenständige Persönlichkeiten sind und bleiben.» Ob die jetzige Zusammensetzung bald
eine Änderung erfahren werde, kann Hofer nicht sagen. Es bestehe kein Handlungsbedarf. «Die
Zuschauer reagieren unterschiedlich, aber alle drei kommen gut an», versichert der TV-Mann. Mittelfristig
wird von Hofer ein Facelifting von Dekor und Signet anvisiert.
Inhaltlich aber, verspricht der Redaktionsleiter, werde man sich «weiterhin um eine seriöse
Berichterstattung bemühen». Hofer: «Wir vermitteln Nachrichten. Für anderes gibt es bei DRS ja die
Abteilung Unterhaltung.»
Titel: Der wilde Mann der Schweizer Medien
Erscheinungsort: Brückenbauer Nr. 53, 29.12.1998
Quelle im Internet: http://www.brueckenbauer.ch/INHALT/9853/53medien.htm
Er ist der Vater von «10vor10» und «Facts». Jetzt will es Jürg Wildberger noch einmal wissen: Im
neuen Jahr wird er als Chef von TV3 das grösste helvetische Privatfernsehen starten.
Mit seiner hohen Denkerstirn wirkt er auf den ersten Blick wie ein sanfter Schöngeist. Doch Jürg
Wildberger hat den schwarzen Gürtel in Karate. Der 48jährige ist ein Mann mit vielen Ideen, aber auch
ein harter Kämpfer.
Keine Herausforderung scheint ihm zu gross zu sein: Er war der erste Chef der Infotainment-Sendung
«10 vor 10» und des Nachrichtenmagazins «Facts».
André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 9
Medienethik - Schriftliche Prüfung (in Form einer Hausarbeit) zum Abschluss des 1. Studienjahres
Jetzt will der wilde Mann der Schweizer Medienszene schon wieder Berge versetzen. Er leitet das neue
Privatfernsehen TV3, hinter dem das Verlagshaus des «Tages-Anzeigers» steht. Mit einem Jahresbudget
von 70 Millionen Franken ist der Kanal TV3, der im nächsten September auf Sendung gehen soll, das
grösste private Fernsehprojekt der Schweiz.
«Brückenbauer»: Roger Schawinski bringt es mit seinem Sender Tele24 vorläufig nur auf etwa
zwei Prozent Marktanteil. Zeigt das nicht, dass die Schweiz für einheimisches Privatfernsehen ein
steiniger Acker ist?
Jürg Wildberger: Nein. Ich glaube, dass die Leute von Tele24 ihre Shows verbessern müssen. Bei TVNachrichten ist das Drama garantiert, bei Unterhaltungssendungen muss man die «Action» erst
inszenieren. TV-Unterhaltung muss dem Publikum eine glanzvolle Welt des schönen Scheins bieten.
Daran fehlt es bei Tele24 vorläufig noch.
Worin wird sich TV3 von Tele24 vor allem unterscheiden?
Wir werden ein Programm aus eigenproduzierten Shows und Nachrichtensendungen, aber auch aus
eingekauften Sitcoms und Actionserien machen. Es wird sich im Unterschied zu Tele24 um ein echtes
Vollprogramm handeln, das ohne Wiederholungen auskommt.
Und wie wollen Sie gegen den mächtigen Konkurrenten SFDRS ankommen?
Indem wir jünger, frecher und dynamischer sind. Wir werden Dinge ausprobieren, die SFDRS bisher nicht
gemacht hat, zum Beispiel eine Show im Stil des RTL-Talkmasters Hans Meiser.
Offenbar wollen Sie bei SFDRS auch Stars abwerben. Stimmt es, dass Sie Verhandlungen mit
Gabriela Amgarten, Katja Stauber und Monika Fasnacht führen?
Ich spreche mit vielen Leuten. Zu einzelnen Namen will ich mich jetzt aber noch nicht äussern.
Mit der Hauptausgabe der «Tagesschau» erreicht SFDRS jeweils eine Million Zuschauer. Was
wollen Sie diesem Publikumsmagneten entgegensetzen?
Diese Sendung ist tatsächlich eine übermächtige Konkurrenz. Wir werden dagegen sicher nicht mit einer
teuren Eigenproduktion antreten, sondern eher mit einer eingekauften Sendung. Das wäre sonst nur
Geldverschwendung.
Auf TV3 wird es keine Live-Sportereignisse geben. Warum?
Die Rechte für die Übertragung von Fussball und Eishockey hat SFDRS. An der Ausstrahlung von
weniger populären Sportveranstaltungen bin ich nicht interessiert. Wir werden aber im Rahmen von
Nachrichtensendungen über Sportereignisse berichten.
Um im Wettbewerb mit SFDRS seine Chancen zu vergrössern, hat Roger Schawinski für Tele24
einen Anteil an den Fernsehgebühren verlangt. Schliessen Sie sich dieser Forderung an?
Nein, TV3 wird ohne Gebühren auskommen. Ich wäre aber froh, wenn auch in der Schweiz TV-Werbung
für Bier und zurückhaltende Unterbrecherwerbung möglich wä-ren. In Deutschland ist dies ja längst
erlaubt.
Sie haben eine zehnjährige Tochter und einen dreizehnjährigen Sohn. Interessieren sich Ihre
Kinder für Ihre Arbeit?
Sicher. Als ich noch Chefredaktor von «Facts» war, haben sie immer verlangt, dass ich in meiner
Zeitschrift eine Kinderseite mit Bastelbogen einführe. Jetzt will mein Sohn, dass ich auf TV3 die
amerikanische «Simpsons»-Trickfilmserie zeige.
Beim Schweizer Fernsehen hat man Ihnen einst den Übernamen «Terminator» gegeben. Fühlen
Sie sich manchmal wie eine solche Kampfmaschine, die Konkurrenten zermalmt?
Nein! Ich habe zum Beispiel zu meinem Konkurrenten Roger Schawinski ein sehr freundschaftliches
Verhältnis. Ich habe «10vor10» und «Facts» auf die Beine gestellt und werde dies nun auch mit TV3 tun.
Ein «Terminator» vernichtet, ich dagegen baue neue Medien auf.
Titel: Am 16. Januar 1992 sorgte 10 vor 10 mit einem Brutalo-Video für einen Aufschrei
Quelle im Internet: http://sfdrs.access.ch/aktuell/10nach10_a.html
Brutalo: Am 16. Januar 1992 sorgte 10vor10 für einen Aufschrei: ein Bericht über den Prozess gegen
einen Porno-Händler in Zürich schockierte mit Ausschnitten aus widerlichen, brutalsten
Videoproduktionen. Viele ZuschauerInnen, aber auch FernsehmitarbeiterInnen kritisierten 10vor10 für die
explizite Gewaltdarstellung in einem Informationsmagazin. Jürg Wildberger, damals Redaktionsleiter von
10vor10, gestand tags darauf ein, dass der Beitrag so nicht gezeigt hätte dürfen, und entschuldigte sich
in der Sendung bei allen ZuschauerInnen, die sich dadurch verletzt gefühlt hatten.
André Caradonna [[email protected]] | September 2000 / Seite 10

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