Kellers Freunde Oktober 2011 - Gottfried-Keller

Transcrição

Kellers Freunde Oktober 2011 - Gottfried-Keller
Der Förderverein der Gottfried-Keller-Schule e.V. Berlin fördert durch Zuschüsse die
folgenden Bereiche:
Soziales Engagement:
- Zuschüsse zu Klassenreisen und Schulfahrten
- Zuschüsse an bedürftige Schüler für schulische Exkursionen
- Finanzierung von Schulungsfahrten/-seminaren für Schülervertreter
Institutionelle Aufgaben:
- Finanzierung von Honorarkräften/Referenten für Projektwochen
- Unterstützung der Projektwochen mit Materialien
- Finanzierung der Projektwochenzeitung
- Unterstützung von Veranstaltungen der Gesamtelternvertretung
Erweitertes schulisches Angebot:
- Unterstützung verschiedener AG-Angebote wie „Grün macht Schule“, Darstellendes
Spiel, Live-Bands, „Jugend forscht“, Chor
- Auslobung des jährlichen Schreibwettbewerbs „Der grüne Heinrich“ mit
Preisverleihung und Festveranstaltung
Anschaffungen:
- Zuschüsse zur Ausstattung der Kinder- und Jugendbibliothek
- Spielgeräte für den Freizeitbereich
- Schaukästen für besondere Exponate
- zusätzliche Unterrichtmaterialien
- Equipment für die Cafeteria
Impressum:
Herausgegeben im Auftrag des Fördervereins des Gottfried-Keller-Gymnasiums e.V. Berlin
von Bernhard Schröter, 2. Vorsitzender
Mit Kommentaren, Anregungen, Verbesserungsvorschlägen u.ä. wende man sich bitte an die
folgende E-Mail-Adresse: [email protected]
Zum Titelfoto: Voller Tatendrang und guter Laune stürmen Schülerinnen und Schüler einer
spanischen Austauschklasse und des Gottfried-Keller-Gymnasiums bunt gemischt aus dem
Portal der Schule. Das war im Mai des Jahres 2006. Die vielfältigen Kontakte mit spanischen
Schulen haben sich inzwischen erweitert und intensiviert – der Schwung ist also geblieben!
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An die Mitglieder des Fördervereins (und
alle, die es werden wollen) !
Was Sie in Händen halten, leider mit einiger Verspätung,
ist das erste Exemplar von „Kellers Freunde“, einer Zeitschrift des Fördervereins des Gottfried-Keller-Gymnasiums, die mindestens einmal pro Schuljahr erscheinen und
möglichst interessante Informationen in Text und Bild
über das Leben in unserer Schule liefern soll. In dieser
ersten Ausgabe erfahren Sie Sachdienliches über die
Ausgestaltung unseres Schulhofes in den letzten Jahren;
über den Spanisch-Frühunterricht an der MierendorffGrundschule, der von Lehrerinnen unserer Schule durchgeführt wird; über den Schreibwettbewerb unserer Schule,
den „Grünen Heinrich“. Außerdem bekommen Sie Einblick in die Abiturakte der Abiturienten des Kriegsjahrganges 1941 der Friesen-Oberschule, der Vorgängerin der
Gottfried-Keller-Schule. Heleen Joor, Abiturientin des
Jahres 1990, erzählt von ihrem Leben in und nach der
Schule, und Schülerinnen und Schüler der 7., 8. und
9.Klassen verraten, warum sie gerade die Gottfried-KellerSchule gewählt haben, als es um den Übergang in die
Oberschule ging. Schließlich liefern wir noch die Namen
der Abiturientinnen und Abiturienten des Jahrgangs 2011.
Einem Teil der Auflage dieser Zeitschrift ist eine BonusDVD beigelegt. Auf ihr finden Sie Filmausschnitte, die die
meisten der oben genannten Artikel auf lebendige Weise
ergänzen.
Im Auftrage des Fördervereins
Bernhard Schröter
2. Vorsitzender
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Es war einmal ein ziemlich trister, auf jeden Fall aber recht einfallsloser Schulhof, wie es
viele auf der Welt und auch in Berlin gibt, und der befand sich an der Ecke Olberstraße und
Kamminerstraße und gehörte zum Gottfried-Keller-Gymnasium und zur ElisabethRealschule. Zwar gab es auf ihm zwei
Tischtennisplatten, an denen aber schon seit
langem niemand mehr Tischtennis spielte.
Dazu eine lange, aber im Laufe der Jahre
mehr und mehr verwitterte Sitzbank, die
einen kleinen begrünten Hügel umschloss.
Die Schülerinnen und Schüler hatten sich an
diesen Zustand mehr oder weniger gewöhnt. Da beschloss eines Tages im Jahre
2008 die Klasse 8.3 sich auf Anregung ihrer
Spanisch-Lehrerin an dem Schulhof-Veränderungs-Wettbewerb „Grün macht Schule“
zu beteiligen. Die SchülerInnen machten
sich mit Feuereifer an die Arbeit, entwarfen die ausgefallensten und anspruchsvollsten, aber
auch ansprechendsten Modelle für ihren Ideal-Schulhof, und siehe da: ihre Anstrengungen
wurden belohnt, mit nicht nur einem, sondern gleich drei Preisen: sie gewannen eine
Menge Geld und dazu noch professionelle
Hilfe eines Landschaftsarchitekten bei der
Umsetzung ihrer Schulhof-Wünsche. Es
zeigte sich, dass die Arbeit erst jetzt so
richtig anfing. Am Ende sahen aber nicht
nur die Schüler, die geplant, gebuddelt, gepflanzt und gemauert hatten, dass da etwas
sehr Schönes und Nützliches entstanden
war, sondern die ganze Schule. Und besonders die mit farbigen Mosaiken verzierten Sitzbänke gaben dem Schulhof ein lebendiges neues Gepräge. Das war mehr als ein Anfang für ein ganz neues Schulhof-Gefühl. Dann kam im
Jahre 2009 im Rahmen der Berliner Schulreform die Entscheidung: das Gottfried-KellerGymnasium wird zum einzigen Ganztags-Gymnasium im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Das war mit zahlreichen umfangreichen Umbauarbeiten verbunden, die auch den Schulhof betrafen: er wurde flächendeckend mit schönen rötlichen und ockerfarbenen Ziegelsteinen
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gepflastert – vom Bezirksamt finanziert. Für die erwünschten gemauerten Sitzgelegenheiten
in jenem Teil des Schulhofs, der früher allein den Schülern der Elisabeth-Schule vorbehalten
war, fehlte es jedoch an Bezirks-Geld: nur die dafür nötigen Steine könne man noch liefern.
Direktor Kreitmeyer, des Mauererhandwerks kundig, hatte eine Idee: Schülerinnen und Schüler der 7.Klassen sollten unter fachkundiger Anleitung selbst im Rahmen eines Projekts die
Maurerarbeiten übernehmen, und man steckte sich dabei sogar ein ehrgeiziges Zeit-Ziel: bis
zum Schulfest am 25 6.2011 sollten die Sitzmauern stehen. Trotz Skepsis und Bedenken ging
man mit Schwung an die Arbeit; und am Ende stand nicht nur die Mauer (fast) fristgerecht,
sondern die Mehrzahl der Siebtklässler hatte einen ersten praktischen Einblick in die Kunst
des Mauerns gewonnen und wird, so ist zu vermuten, sich in den großen Pausen nicht ohne
Stolz auf die von ihnen mitgeschaffenen Sitzgelegenheiten niederlassen.
Einen kleinen Bericht über die Mauer-Aktion findet man auf der beigegebenen DVD.
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Der grüne Schulhof der Mierendorff-Grundschule. Es ist 8.15, die Sonne scheint, die Außentemperatur ist ausgesprochen lernergerecht. Schülerinnen und Schüler der Klasse 5.1 sitzen
oder hocken auf Mäuerchen zu zweit oder zu dritt, mit Stift und Papier bewaffnet. „Wie
heißen die Stammformen von ‚ser’?“, fragt Rainer, und Antoni antwortet, völlig korrekt: Soy,
eres, es…Rainer ist zufrieden. Er ist Experte und entscheidet darüber, ob Antoni auf seinem
Laufblatt ein Häkchen bekommt oder eben
keins. Das Leben so eines Experten ist allerdings nicht ganz so anstrengend, wie man angesichts dieser Bezeichnung annehmen könnte. Die Blätter, auf denen sie ihre Aufgaben
mitsamt den Lösungen aufgezeichnet haben,
haben sie nämlich zu Anfang der Stunde ihrer
Lehrerin vorgelegt, damit garantiert nichts
schief geht. Natürlich kämen die Experten
auch ganz gut ohne diese Blätter aus, aber
sicher ist sicher… Eine gute halbe Stunde
dauert die Überprüfung der Kenntnisse, denn
jeder Schüler muss sich zu 8 Experten begeben, um sämtliche Häkchen auf seinem Laufzettel zusammenzubekommen. Am Ende werden
die Blätter von der Lehrerin eingesammelt und es stellt sich heraus, dass fast alle fast alles
gewusst haben, was die Experten von ihnen
wissen wollten.
Die Lehrerin, die dafür gesorgt hat, dass
die Fünftklässler aus der MierendorffGrundschule am Ende des Schuljahrs zu
kleinen Spanisch-Experten herangewachsen
sind, heißt Mechthild Ratering und lehrt Spanisch am Gottfried-Keller-Gymnasium. Was
kann sie uns über die Gründe und den Erfolg
dieser Spanisch-Initiative unserer Schule
sagen? Vor allem sei es gut, die Kinder
schon in diesem Alter an die neue Fremdsprache heranzuführen. Die Begeisterungsfähigkeit und Lernfreude der Schüler sei merklich größer als in höheren Klassenstufen;
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besonders im Vergleich zu den 9. und 10.Klassen im Gymnasium, wo häufig Stagnation und
Lernunlust das Bild präge. Da sei es gut, wenn Grundlagen schon einige Jahre vorher gelegt
worden seien und nicht erst in der 7.Klasse, der Eingangsklasse des Gottfried-Keller-Gymnasiums. Außerdem liegt die Mierendorff-Grundschule keine 500 Meter von unserer Schule
entfernt und so liegt es nahe, sich so früh wie möglich um die Kinder zu kümmern, die dort
zur Schule gehen. Trotz der Lernwilligkeit der Schüler müssen die Lehrerinnen sich einiges
einfallen lassen, um sie zu motivieren. Denn der
Spanisch-Frühunterricht liegt zeitlich parallel mit
interessanten Arbeitsgemeinschaften, die von Lehrerinnen der Mierendorff-Schule angeboten werden:
Basteln, Sport … Außerdem wollen Schüler im Alter
von 11 oder 12 Jahren anders genommen werden als
7. oder 8.Klässler; vor allem spielerischer, ohne dass
das Ganze in Spielerei ausartet. Gar nicht so einfach,
wenn es sich um die 7. und 8.Stunde handelt und die
Schüler durch die davor liegenden 6 Stunden schon
ganz schön ausgepowert sind. Aber die Erfolge sind
dennoch ermutigend, und es ist zu hoffen, dass viele der Schüler, die hier ihre SpanischGrundkenntnisse erworben haben, später ihr Spanisch auf dem Gottfried-Keller-Gymnasium
vervollkommnen werden.
Ein Filmbericht über diese Frühspanisch-Stunde findet sich auf der beigegebenen DVD.
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Ein paar (mehr oder weniger gute) Gründe, das
Gottfried-Keller-Gymnasium zu wählen
Sieben Schülerinnen und Schüler der 7., 8. und 9.Klassen berichten
Luan: Die Schule war bei mir in der Nähe, und ein Freund und Verwandte waren auch schon
hier auf der Schule. Ich war auch am ‚Tag der offenen Tür’ hier und fand’s ganz gut. Ich hab
mir die Schule angeguckt, Freunde gefragt, die hier auf der Schule sind oder waren, wie’s hier
ist. Es war nicht die einzige Schule, die ich angeguckt habe, ich hab auch ein paar andere angeguckt,
die hier hat mir halt am meisten gefallen.
Selina: Bei mir war’s so: ich wohne ziemlich weit
weg, in Berlin-Staaken, das ist halt fast außerhalb
von Berlin, und ich habe mir auch sehr, sehr viele
Schulen angeguckt, bloß: ich wollte unbedingt eine
Schule mit Spanisch, und dann bin ich halt hierher
gekommen. Ich war auch beim ‚Tag der offenen
Tür’, da durfte ich dann in einer Klasse eine Unterrichtsstunde mitmachen. Und ein paar Wochen später dann auch einen ganzen Tag, also so einen Probetag, und mir hat die Schule dann eigentlich ziemlich zugesagt.
Carla: Ich hab die Gottfried-Keller-Schule gar nicht gewählt, ich bin hier drauf verwiesen
worden. Eigentlich hatte ich mich auf einer anderen Schule angemeldet, da wurde ich nicht
angenommen, weil ich eine Minute zuviel Schulweg hatte. Weil wir uns zu spät angemeldet haben,
hatte ich am ersten Schultag überhaupt keinen
Schulplatz, habe dann aber doch noch einen bekommen, von einer Wiederholerin. – Ich hatte ja
einmal überlegt, die Schule zu wechseln, aufs R.Gymnasium. Ich habe mir das R.-Gymnasium dann
angeguckt, aber ich fand’s jetzt nicht wirklich gut,
zumindest die Klasse, in der ich war, fand ich nicht
wirklich gut. So bin ich dann also hier geblieben.
Julius: Ich habe mich auch auf einem anderen
Gymnasium angemeldet und bin auch nicht angenommen worden. Eine Woche vor Schulbeginn habe ich dann hier angerufen und habe den
Platz hier gekriegt und fand’s hier auch echt gut, sogar, vom Umgang her, besser als die
anderen Schulen.
Jenny:
Wir brauchten eine Schule entweder in Lichtenrade
oder in Charlottenburg, damit meine Eltern ihren
jeweiligen Arbeitsplatz gut erreichen konnten. Die
Schulen in Lichtenrade waren jetzt nicht so toll, und
hier in Charlottenburg war halt die einzige Schule,
die mir gefallen hat, diese hier. Wir sind ständig zu
den ‚Tagen der offenen Tür’ gerannt. Wir waren,
glaub ich, von 10 bis 13 Uhr hier und haben uns
wirklich alles angeguckt. Ja, das ist halt auch so’n
bisschen Gefühlssache bei mir, ich sage also nicht:
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Oh, die Schule hat einen schönen Physikraum, da
bleib ich jetzt mal, sondern mir ist die ganze Atmosphäre wichtig, und die hat mir gefallen.
Hewan: Ich kannte die Schule schon, weil meine
Schwester drauf war, und ich wollte auch am Spanisch-Unterricht teilnehmen. Ich musste also nicht
viel wissen über die Schule, das hat mir meine
Schwester alles erzählt.
Adrian: Bei mir war es eigentlich ein Zufall. Ich kam
vor vier Jahren nach Deutschland, ich komme aus
Polen und da gibt es keine [Oberschul-]Empfehlungen. Eine Realschule wollte mich nicht annehmen, bei einer Gesamtschule gab’s auch
Schwierigkeiten, und dann bin ich einfach hier hergekommen und habe mit Herrn Kreitmeyer
gesprochen und da hat er mir gesagt, dass er jetzt – wie hat er das gesagt? – „eine Katze im
Sack kauft“.
Die Interviews, aus denen diese Auszüge stammen, wurden im Juni 2011 geführt.
Ausführliche Ausschnitte aus den Interviews finden sich auf der beigefügten DVD.
Das Abitur des Jahres 2011 erfolgreich abgelegt haben
die folgenden Schülerinnen und Schüler des GottfriedKeller-Gymnasiums:
Tugba Akin, Daniel Berger, Jannik Bleich, Milos Bogicevic, Burak Boyaci, Katharina Butt,
André de la Torre Bondarenko, Moritz Maximilian Diab, Dana Dinarvandi, Daniel Gawek,
Marcel Gawek, Melanie Gehrke, Scherwin Ghafour Sahely, Ilka Glatzel, Maximilian Göllner,
Julius Gonzáles, Nino Grabowski, Tugba Gündogdu, Georgina Günther, Nazli Güven,
Johanna Hähner, Nadine Härtenberger, Lilian Helmich, Astri Caroline Hoffmann-Tollaas,
Özge Islek, Gustaf Jakob, Marco Johrde, Oliver Johrde, Maik Kaiser, Antonia Kaszuba,
Benedikt Klietsch, Maj-Lisa Koch, Kamila Krawczyk, Saskia Toni Kreile, Belkiz Kurucu,
Patricia Lenk, Nikolai Lenski, Mustafa Mahmoud, Marietta Mehnert, Madeleine Mennicken,
Nicolas Munck, Inés Noé, Aygül Ömür, Sandra Ortmanns, Alexander Paul, Yalda Pour Tak
Dost, Oskar Prehm, Nicole Prinz, Felix Recke, Linn Röbbel, Husam Sahleh, Diandra
Schindler, Alejandro Scholz Cubas, Samira Schotte, Sascha Daniel Schulz, Nassim
Sheykholeslami, Luis Cosmo Sipp, Nikolaus Stachnik, Diana-Salomé Steffes, Paul Strohfeldt,
Julia Paula Stuhlreyer, Roman Tesch, Elvira Trofymenko, Ayse Tuzcu, Camila Villegas Ruiz,
Johanna Wallbaum, Daniela Wasgint, Volkan Yalcinkaya, Funda Yilmaz, Benjamin Zengin.
Außerdem haben Mara Ebrahim, Corina Müller und Mickey Durstewitz die Schule mit dem
schulischen Teil der Fachhochschulreife verlassen.
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Über Lehrerinnen und Lehrer:
wie sie sein sollten und wie sie manchmal sind
Zwei Abiturienten des Jahrgangs 2011 äußern sich
Nikolai Lenski: Wichtig ist, dass der
Lehrer seinen Schülern zuhört und ihnen
auch ein Mitspracherecht gibt, natürlich
nicht so: „Wir wollen jetzt keinen Unterricht mehr machen, wir machen jetzt
bitte Schluss“, sondern zum Beispiel so:
wir hatten Herrn Hoffmann in Physik,
und er hat regelmäßig Zettel ausgeteilt
mit Verbesserungsvorschlägen für seinen Unterricht.- Dann find ich es relativ
wichtig, dass man einen abwechslungsreichen Unterricht macht. Wir hatten
nämlich einige Lehrer, die haben jedes
Jahr dasselbe gemacht, die haben ihre
Folien von 2001 mitgebracht; das wird
natürlich langweilig, man merkt auch
den Lehrern an, dass ihnen selbst das langweilig geworden ist. – Fairness find ich wichtig,
weil man ja häufig das Problem hat, dass Frauen besser bewertet werden. Oder dass jemand,
von dem man weiß, er weiß es, der aber keine Leistung bringt, trotzdem die Note bekommt,
als hätte er das, was er weiß, auch gesagt. Also da braucht man nur einmal gezeigt haben, dass
man’s kann, sitzt die folgenden Jahre nur da und kriegt trotzdem seine 12 Punkte.
Alejandro Scholz Cubas: Dem kann ich noch die Flexibilität hinzufügen; dass der Lehrer sich
auch ein bisschen der Situation anpasst und Verbesserungsvorschläge aufnimmt. Andererseits
meine ich, dass ein Lehrer seine Leute im Griff haben sollte. Er soll sich nicht irgendwas aufschwätzen lassen oder groß beeinflussen lassen von der Truppe. Er sollte sie im Griff haben,
aber sie nicht kontrollieren. Es sollte eher eine halbwegs freundschaftliche Beziehung zwischen Lehrer und Schüler bestehen als eine drohende.
Nikolai Lenski: Bei einigen Lehrern weiß
man jetzt im Nachhinein: Es war nicht böse gemeint, sondern die meinten: Das ist
einfach Stoff, der wichtig ist, in drei Jahren, da braucht ihr den, und der wird einem dann richtig reingepaukt. Aber ich
denke, es gibt bessere Methoden, dem
Schüler das nahe zu bringen, als es einpauken zu lassen, ohne dem Schüler zu erklären, warum er es braucht. - Und dann
hatten wir auch ein paar spezielle Lehrer die haben wir aber nie länger als ein Jahr
hierbehalten - die führten sich auf wie
Diktatoren und wir waren das unterdrückte
Volk.
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Alejandro Scholz Cubas: Die offenen Lehrer sind öfters die jungen Lehrer, die Referendare,
die älteren vertreten eher die alte Schule. Aber die Ausnahme bestätigt die Regel und man
findet garantiert an jeder Schule den einen und den anderen Typ.
Nikolai Lenski: Es gibt auch noch einen dritten Typ von Lehrer, und der ist ziemlich häufig.
Bei dem man nicht sagt (mit freudig gehobener Stimme): Toll, bei dem hab ich jetzt
Unterricht ! wo man sich aber auch nicht vor dem Unterricht gruselt, nur ist der Unterricht
halt grottenlangweilig, so was gibt’s ja auch ab und zu mal, oder man kann den Lehrer, sie
oder ihn, nicht besonders gut leiden, aber nicht deswegen, weil er seine Machtposition
ausnutzt, sondern aus irgendwelchen persönlichen Gründen.
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus einem Interview, das mit den beiden Schülern im Juni
2011 geführt wurde. Längere Ausschnitte aus dem Interview finden sich auf der beigegebenen
DVD.
Wir waren `ne ganz tolle Truppe!
Interview mit Heleen Joor, Abiturjahrgang 1990
Heleen Joor, gebürtige Niederländerin, kam 1983 auf die Gottfried-Keller-Schule und machte
hier ihr Abitur im Jahre 1990. Im Folgenden einige Ausschnitte aus dem Interview, das sie
uns im September 2011 gab. Die Fragen stellten Frau Zorn und Herr Schröter.
Über das Fach Darstellendes Spiel:
Joor: In der Oberstufe habe ich den Kurs Darstellendes Spiel belegt – das war damals eine
ziemlich neue Einrichtung. Unsere Lehrerin war Frau Zorn. Ich habe schon immer gerne
gesungen und auch immer gerne Theater gespielt und dort konnte ich, im Rahmen eines
Schulfachs, all das machen, konnte kreativ sein. Wir waren eine ganz tolle Truppe mit ganz
unterschiedlichen Leuten und Mentalitäten, das war unwahrscheinlich spannend. Wir sind
richtig zusammengewachsen, jeder hat da seinen Platz gehabt. Das war großartig, was wir da
zusammen auf die Beine gestellt haben, es war wirklich eine klasse Zeit!
Zorn: Ich sehe das ganz ähnlich. Ich hatte über die Jahre ja viele Theatertruppen, darunter
zwei Lieblingstruppen, das war diese und dann noch eine andere ein paar Jahre später.
Joor: Was die Stücke betrifft, die wir gespielt haben, fällt mir als erstes die Operette ‚Orpheus
in der Unterwelt’ ein, eine Adaptation der Gluck’schen Oper ‚Orpheus und Eurydike’ von
Jacques Offenbach. Wir haben aber nur einige der originalen Stücke daraus verwendet und
viele eigene Lieder eingebaut. Ich musste die Venus spielen in einem roten Lackkleid (lacht),
das war großartig!
Zorn: Das war auch die erste Zusammenarbeit mit Herrn Kany, der damals als Referendar
gerade an die Schule gekommen war und die Klavierbegleitung übernommen hat und das
Singen geübt hat mit den Schülerinnen und Schülern. Es haben ja auch Schüler gesungen, die
erst gar nicht singen wollten, weil sie dachten, sie könnten das gar nicht.
Schröter: Und als er das gesehen hatte, wusste er: an dieser Schule bleibe ich! (Gelächter)
Über die Schule, den Unterricht und das Leben:
Joor: Ich habe eine ganz tolle Zeit hier gehabt. Ich bin gerne hier her gegangen, und ich hatte
das Glück, dass ich relativ schnell und leicht lernen konnte. Dadurch blieb mir viel Zeit für
anderes. Damit hängt wohl zusammen, dass ich mich mehr an die Menschen um mich herum
erinnere als an den konkreten Unterricht.
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Es gab immer wieder Phasen, in denen ich das Gefühl hatte, es gibt den Raum Schule, wo
man lernt, und dann gibt es die Außenwelt, und das war irgendwie nicht eins. Jetzt, wo ich ein
kleines Kind habe, denke ich: eigentlich könnte das anders sein! Eigentlich könnten die
Grenzen zwischen Schule und Leben fließender sein. Man merkt ja: die Kleinen lernen von
Anfang an, sind wissbegierig, und bei meinem Kind ist das doppelt spannend, weil es
zweisprachig aufwächst; es lernt einfach im Leben und vom Leben. - An den einzelnen
Schulfächern ist man ja unterschiedlich stark interessiert; da kommt es dann teilweise zum
Absitzen von Zeit und zum Abliefern von Leistung. Das hat mich zwischendurch auch
frustriert und dann auch gelangweilt.
Über Lehrer und Lehren
Joor: Es gab ein oder zwei Lehrer, bei denen einfach klar war, dass sie weniger über das Fach
die Leute bewerten als über die persönliche Zuneigung. Wobei das wahrscheinlich in gewisser
Weise immer irgendwie einfließt. Wenn man einem Menschen mehr zutraut, dann benotet
man ihn vielleicht auch besser, als wenn man ihm weniger zutraut, und man hat auch nicht zu
jedem einen persönlichen Zugang. Dadurch, dass ich auch selbst unterrichte, nämlich
Gesang, weiß ich, wie schwierig es ist, den Schülern gerecht zu werden: immer wieder sich
neu zu öffnen, auch bei Leuten, die keine Lust haben. Es ist also überhaupt nicht leicht, zu
lehren. Aber ich glaube, dass es einfacher wird, wenn man in Kommunikation tritt, sich nicht
vorne hinstellt und Frontalunterricht macht.
Streng – streng bedeutet ja auch oft, dass der Unterricht eine klare Struktur, eine klare Form
hat. Ich glaube, dass es das ist, was man sich als Schüler wünscht. Ob man deswegen streng
sein muss, weiß ich gar nicht. Aber wenn der Lehrer ständig rumeiert, ist man natürlich
unzufrieden.
Über die vielen Nationalitäten an unserer Schule
Joor: Das war wie selbstverständlich. Das wurde überhaupt nicht in Frage gestellt.
Ausländerfeindlichkeit gab es meiner Meinung nach an unserer Schule nicht, zumindest in
meiner Klasse überhaupt nicht. Wir waren einfach alle in einer Klasse zusammen und kamen
aus unterschiedlichen Ländern.
Zorn: Vielleicht sehe ich das zu rosarot, aber mir scheint, das ist immer noch so. Obwohl der
Anteil [an Schülern mit ausländischen Wurzeln] inzwischen deutlich gewachsen ist.
Joor: In meiner Klasse gab es Türken, es gab Kurden, es gab Jugoslawen, es gab Holländer,
es gab einfach sehr viele Nationalitäten.
Wir haben dann auch eine Klassenreise in die Türkei gemacht, mit Herrn Kraut und Frau
Sziede. Es war ganz toll, auch weil wir Einheimische dabei hatten – ich hatte ja viele türkische Mitschüler in meiner Klasse. Wir haben wirklich Land und Kultur und Leute kennen
gelernt, abgesehen davon, dass es traumhaftes Wetter war – ja, war ne ganz tolle Reise!
Über ihre Ausbildung und ihr Berufsleben
Joor: Ich habe gelernt an der Berliner Schule für Bühnenkunst, das ist eine Schule für Schauspiel, Gesang und Tanz. Ich habe im Gesang eine klassische Grundlage bekommen, und zwar
so, dass ich genreübergreifend arbeiten kann, also vom Chanson über Rockmusik bis hin zur
Oper meine Stimme einsetzen kann. Das war eigentlich das größte Geschenk in dieser Ausbildung. Aber ich bin auch als Schauspielerin ausgebildet worden. Ich habe dann ganz lange
mit mir gehadert: was mache ich denn – gehe ich zur Oper, oder werde ich Schauspielerin und
singe nur hin und wieder? Diese Ambivalenz ist bis heute geblieben. Ich habe während meiner beruflichen Karriere an sehr unterschiedlichen Projekten mitgearbeitet. Vor 13 Jahren war
ich das erste Mal am Atze-Musiktheater, dahin bin ich jetzt wieder zurückgekehrt. Das ist ein
Kindermusiktheater, wir machen Stücke für Kinder. Ich war aber auch eine Zeitlang an der
Oper, ich war an verschiedenen deutschen Bühnen als Schauspielerin, und versuche immer
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wieder Projekte zu finden, wo ich genreübergreifend arbeiten kann. Eine reine Opernkarriere
habe ich nicht gemacht, da hätte ich auf zu vieles verzichten müssen, um eine gute Leistung
bringen zu können.
Über ihre aktuellen Projekte
Joor: Ich bin seit kurzem in einem A-Capella-Quartett: ‚Aquabella’. Wir machen Weltmusik
– weibliche Weltmusik. Ich singe in über zwanzig Sprachen – eine spannende Sache! Wir
haben im Herbst im BKA unsere Record-Release-Aufführung. Und bei ‚Atze’ gibt es
„mehrere tolle Stücke für kleine und große Kinder“ (lacht); für Oberschüler unter anderem
eine Biographie über Johann Sebastian Bach - wirklich sehr empfehlenswert. Bei dieser Inszenierung spielt auch ein 14-köpfiges Orchester mit.
Schröter: Und da singen Sie Frau Bach?
Joor: Da bin ich Frau Bach, es ist mehr eine Sprechrolle. Wir singen auch Choräle, aber es ist
eher ein Schauspiel mit Musik. Das Zuhören und Zuschauen lohnt sich wirklich – zum
Beispiel für einen Musik-Leistungskurs!
Ausführliche Live-Ausschnitte aus diesem Interview finden sich auf der beigegebenen DVD.Das Interview wurde in der „Leseinsel“ in der Jugendbücherei des Gottfried-Keller-Gymnasiums geführt. Die Zuschüsse des Fördervereins fließen auch zum Teil in die Ausstattung
der Jugendbücherei.
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So lautete das Generalthema des ‚Grünen Heinrich 2011’, des seit 11 Jahren an unserer
Schule jährlich durchgeführten Schreibwettbewerbs. Menschen, die sich ein bisschen in der
Biographie des Schutzpatrons unserer Schule auskennen, haben bestimmt sofort erkannt, wer
sie da mit ausgestrecktem Zeigefinger zur Entscheidungsfindung auffordert. Es ist Gottfried
Keller höchstpersönlich, so wie ihn der Maler Karl Stauffer-Bern sah; hier allerdings thront
sein Haupt nicht auf dem eigenen, bekanntermaßen ziemlich kleinen Körper, sondern auf dem
bekanntesten Uncle-Sam-Körper aller Zeiten.
Kellers kraftvoller Aufforderung folgten in diesem Jahr über 70 Schülerinnen und
Schüler – ein neuer Rekord. Das verlangte der Jury, die die preiswürdigsten unter den eingesandten Texten auszuwählen hatte, einiges an intensiver Lektüre ab. Die Zusammensetzung dieser Jury – ehemalige
Lehrerinnen und Lehrer der Schule,
ehemalige Schüler und Schülerinnen
und schließlich Mütter und Väter von
Schülern – bringt es mit sich, dass die
Urteile der einzelnen Juroren zum Teil
nicht unerheblich differieren. Dennoch
– oder vielleicht gerade deshalb – wurden am Ende bisher immer, und so auch
in diesem Jahr, Texte prämiert, die auch
das Publikum überzeugen konnten.
Dies versammelt sich zur Preisverleihung nach altem Brauch jeweils an
einem Freitag im Mai in der Aula unserer Schule und füllt sie bis auf den letzten Platz,
manchmal auch darüber hinaus. Sehr fraglich ist allerdings, ob sich dort so viele interessierte
Schüler, Eltern, Verwandte und Bekannte drängen würden, wenn’s nur um die Übergabe der
Preise ginge. Denn es wird ja sehr viel mehr geboten: der Schulchor singt schwungvolle und
zu Herzen gehende Lieder und Songs, die im traditionellen Musik- und Theaterworkshop in
Rheinsberg eingeübt worden sind; Schülerinnen und Schüler des Darstellenden Spiels präsentierten lustige und ernste Szenen, die sich auf das Thema des Wettbewerbs beziehen. Und
natürlich lesen die jungen Autorinnen und Autoren aus den von ihnen eingereichten Werken
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vor. Wenn es am Ende zur Preisverleihung kommt, ist das Publikum also schon gut und
reichlich unterhalten worden und im Übrigen nicht
nur innerlich erhitzt: dafür sorgt die noch immer fehlende Klimaanlage in der Aula und das aus unbekannten Gründen traditionell besonders warme
Maiwetter am Tage des ‚Grünen Heinrich’. Diesmal
wurde sogar ein ausgewachsenes Wärmegewitter
während der Veranstaltung geboten, und ein echter
Blitz zuckte draußen vor den Aulafenstern ausgerechnet in dem Augenblick, als am Lesepult ein fiktives Gewitter dramatisch intoniert wurde.
Von Veteranen des Fördervereins wird behauptet,
dass es den ‚Grünen Heinrich’ ohne diesen Verein
gar nicht gäbe. Ob das wirklich stimmt, soll an
dieser Stelle nicht erörtert werden. Sicher ist jedoch,
dass die Preisgelder – insgesamt 300 € , die auf 6
Preisträger der unterschiedlichen Altersgruppen verteilt werden – Jahr für Jahr vom
Förderverein gestiftet worden sind. Damit machen sie mit Sicherheit einen der größeren
Ausgabenposten in dessen Budget aus.
Jedes Mitglied dieser gemeinnützigen Vereinigung trägt mit seinem Beitrag also auch ein
wenig zum Gelingen dieser für das kulturelle Leben unserer Schule wichtigen Veranstaltung
bei.
.
Zu den Fotos (von oben nach unten): Momentaufnahme aus der Interpretation von ‚Summernights’ durch den Chor – Sara Gluvic (1.Preis der 9. und 10.Klassen) liest aus ihrer Geschichte ‚Worte wie Mauern’ – Die Theater-AG der 9.Klassen spielt ‚Frauenalltag’
Live-Ausschnitte aus der Festveranstaltung finden sich auf der beigegebenen DVD.
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Als Gottfried Keller noch Friesen hieß
Das Abitur 1941 der Friesen-Oberschule
Es soll Menschen geben, und gar nicht so wenige, die zwar das Gottfried-Keller-Gymnasium
kennen, aber nicht wissen, wer Gottfried Keller war. Aber auch unter denen, denen der
Schweizer Dichter eine wohlvertraute Figur ist, gibt es nur wenige, die wissen, dass unsere
Schule sich für diesen Schutzpatron, und zwar aus gutem demokratischen Grund, erst im
Jahre 1947 entschieden hat. Vorher hieß sie Friesen- Oberschule, benannt nach dem in den
napoleonischen Befreiungskriegen gefallenen Karl Friedrich Friesen, zusammen mit Friedrich
Ludwig Jahn einer der Begründer der Burschenschaften und der Turnbewegung. Im Folgenden wollen wir einen kleinen Eindruck davon vermitteln, unter welch anderen Umständen
als heute junge Männer (die Friesen-Oberschule war eine reine Jungen-Schule) im Jahre 1941,
also im 3.Kriegsjahr des Zweiten Weltkriegs, ihr Abitur ablegten. Was damals für die FriesenOberschule galt, dürfte in ähnlicher Weise auch in anderen Oberschulen des deutschen
Reiches der Fall gewesen sein. Wir entnehmen alle Angaben einem Aktenordner, der die 70
Jahre, die seitdem vergangen sind, in unserem Schulgebäude überdauert hat.
Die schriftlichen Abitur-Aufgaben: Sie wurden von den Fachlehrern dem Schulrat zur Genehmigung eingereicht. Besonders im Fach Geschichte waren sie deutlich vom nationalsozialistischen Geist
(vielmehr: Ungeist) geprägt: Friedrich der Große –
Bismarck – Hitler: Versuch einer Würdigung ihrer
staatspolitischen Leistung im Vergleich – Der
Nationalsozialismus als Gestalter der deutschen Kulturlandschaft - Geschichte der Einkreisung Deutschlands (1890 – 1914) – Was ist „Lebensraum“? Aber
auch in den Fächern Erdkunde und Deutsch bezogen
sich die Themen auf Kampfesbereitschaft und Kriegssituation: Autarkie und Rohstoffwirtschaft Deutschlands (Erdkunde) – Was bedeutet uns Deutschen
Potsdam? – „Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie
wird euch das Leben gewonnen sein.“ – Erläuterung des Thukydides-Wortes: „Nicht Mauern
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und Türme schützen einen Staat, sondern Männer.“ (Deutsch) Selbst im Fach Mathematik
war eine der Aufgaben kriegsbezogen: „Ein Flieger wirft bei 288 km Stundengeschwindigkeit
aus h = 4000 m eine Bombe ab. Wie groß ist die Wurfweite und der Visierwinkel im luftleeren Raum? Die Formeln sind zu entwickeln. Berechne den Visierwinkel, wenn die Rücktrift
für den gegebenen Fall 6,2% der Wurfweite beträgt und vergleiche ihn mit dem Visierwinkel
für den luftleeren Raum.“
Die mündliche Prüfung: Besonders häufig geprüft wurde das Fach „Rassenkunde“. Einige der
Fragen, die dort den Prüflingen gestellt wurden: Welches Rassengemisch ist unerwünscht? –
Seit wann erfreuen sich Juden der „Freiheit“? Welche Geheimorganisationen waren dabei
behilflich? – Welche Mischehen haben zu geringe Kinderzahl? – Bauernstand und Blutsquell
– Wie kann man Kinder der Untüchtigen vermeiden? – Was ist das Typische einer
Erbkrankheit?
Handschrift: Einige der Lehrer besaßen offensichtlich eine Schreibmaschine. Mangels Tippex
ließ das Schriftbild ihrer Texte aber zum Teil zu wünschen übrig. Die große Mehrzahl der
Texte war jedoch handschriftlich
verfasst, die der Schüler grundsätzlich.
Während deren Handschrift oft wie
gestochen wirkt, bewegten sich die
handschriftlichen Notizen der Protokollanten beim mündlichen Abitur am
Rande der Lesbarkeit.
Die Kopfnoten: Jeder Schüler bekam
eine allgemeine Bewertung auf dem
Formblatt, das die Ergebnisse der
schriftlichen Prüfungen und das Protokoll der mündlichen Prüfung enthielt.
Diese Bewertung bezog sich keineswegs nur auf die schulischen Leistungen, sondern oft auch auf Temperament
und Charakter, bisweilen auch auf das
Äußere der Schüler. Hier einige Beispiele: „Ein Schüler, der wegen seines kindlich-kindischen Wesens noch einen recht jungenhaften Eindruck macht. Sein Benehmen, seine Art zu antworten, wobei Falsches zum Teil mit
Hartnäckigkeit wiederholt wird, sind so einfältig, daß oft die ganze Klasse lacht.“ – „In
gänzlich unjugendlicher Bequemlichkeit sitzt er – erhaben lächelnd – sich kaum bewegend –
den rechten Unterarm erhoben – steif und humorlos unter seinen Kameraden, unfähig, herzlich fröhlich zu sein.“ – „ Er ist erst zu Ostern auf unsere Anstalt gekommen. Der erste Eindruck auf Lehrer und Schüler war erschütternd. Haarschnitt, Armband, Haltung, Auftreten,
alles war so eigenartig, daß seine Kameraden ihn ganz energisch ablehnten; erst in letzter Zeit
ist nach mehrfacher Rücksprache mit den Eltern eine Besserung eingetreten. […] Der Klassenleiter hat sich lange überlegt, ob er ihn nicht vom Unterricht ausschließen lassen solle, aber
es fehlten greifbare Unterlagen dafür. […] Im Sport macht er eine ganz klägliche Figur; das
Urteil des Sportlehrers lautet: unlustig, unentschlossen und ängstlich. In der Hitlerjugend war
er nie Mitglied, nach Aussage der Eltern angeblich nicht wegen seiner schlechten Augen.“
Die Lebensläufe der Abiturienten. Jeder Schüler hatte schriftlich um die Zulassung zum
Abitur nachzusuchen. Dazu gehörte ein handgeschriebener Lebenslauf. Die Gliederung dieser
Lebensläufe wurde wohl vom Lehrer vorgegeben, sowohl von der Länge her als auch inhaltlich unterschieden sie sich aber durchaus. Während einige Schüler sich ausführlichst über ihre
Zugehörigkeit zu den verschiedenen Formationen des Jungvolks oder der Hitlerjugend verbreiteten, behandelten andere diesen Aspekt nur am Rande. Der im vorigen Abschnitt beschriebene langhaarige Schüler zum Beispiel schreibt nur: „Zur Hitlerjugend meldete ich
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mich verhältnismäßig spät, und zwar wegen eines ererbten Augenleidens, das sich schon in
früher Jugend zeigte.“ Auch sonst hält sich dieser Schüler, was das Politische betrifft, äußerst
bedeckt. Die meisten Schüler bekräftigen aber ihre Nähe zu den Anschauungen des Nationalsozialismus: „Meine Eltern taten alles, um mir eine gute Erziehung zukommen zu lassen: sie
verwöhnten mich nicht, ließen mich nicht verweichlichen und vermieden es, daß ich mit Menschen minderwertigen Charakters oder mangelhafter Bildung in Berührung kam. Dagegen
führten sie mich stets zu solchen Menschen, die ich noch heute als meine Vorbilder betrachte,
die zwar schlicht und einfach waren, die aber einen festen Charakter, ein aufrechtes, ehrliches
Wesen und eine gepflegte deutsche Sprache hatten.“ - „Hier [nämlich in der ‚Technischen
Bereitschaft’] lernte ich den wahren Kameradschaftsgeist kennen. Meine Führer und älteren
Kameraden hatten die Kämpfe bis zur Machtübernahme selbst mitausgefochten und waren
uns Kleineren Vorbild in unserer geistigen Haltung.“ - „Wir deutschen Jungen fühlen jetzt,
daß wir durch ein stärkeres Band zusammengehalten als nur durch gemeinsames Spiel und
Schulinteressen. Uns bindet vor allem der Gedanke, daß wir einem großen Volk und einer
Rasse angehören und daß unsere Zukunft dadurch gesichert wird, daß wir immer zusammenhalten.“ Dieser Schüler, obwohl in erster Linie technisch interessiert, kann plötzlich auch dem
Beruf des Kaufmanns etwas abgewinnen, denn: „Dem deutschen Kaufmann bieten sich heute,
wo der Führer dem Reich seine Freiheit wiedergab, Möglichkeiten, an die man früher nicht
hätte denken können. Auch erscheint jetzt, nach der Ausschaltung des Judentums, die
kaufmännische Betätigung in einem ganz anderen Licht als früher.“ - Ein anderer schreibt:
„Schon mit 6 Jahren beteiligte ich mich an
den Fahrten, die uns durch deutsche Gaue
führten. Von Stettin fuhren wir über das
Haff nach Rügen. Wir besichtigten die alte
Festungsstadt Stralsund und die Stelle, an
der einst Schill den Heldentod fürs
Vaterland starb. Mit dem Verein wanderte
ich durch das Erzgebirge und besuchte die
deutsche Ostmark, das Land, in dem unser
Führer geboren wurde. Mit der Schule
machten wir eine Fahrt nach Danzig, der
rein deutschen Stadt, die uns durch fremde
Willkür vom Reich abgetrennt worden
war.“ Dass solche Bekenntnisse aber zum
„guten Ton“ gehörten und auch von
Schülern abgeliefert wurden, denen der
Nationalsozialismus wohl ziemlich egal
war, könnte man bei dem folgenden Schluss eines solchen Lebenslaufes vermuten: „Nach
einer anstrengenden Beschäftigung finde ich Erholung bei der Lektüre eines guten Buches.
Auch die Musik, in Gestalt einer Oper, eines Konzertes oder des Instrumentenspieles bringt
mir Stunden der Entspannung. – Nicht an letzter Stelle möchte ich die Hitler-Jugend erwähnen, wo ich im Kreise meiner Kameraden freudig meine Dienstpflicht erfülle, indem ich mich
einerseits mit Grundzügen der nationalsozialistischen Weltanschauung vertraut mache und
andererseits meine Kraft einsetzen kann, einen kleinen Teil am Werke des Führers beizutragen. – Mein größter Wunsch ist es, als Chemiker meine Arbeitskraft in den Dienst des
deutschen Volkes stellen zu dürfen.“ Von den 14 Prüflingen (3 Schüler waren wegen mangelhafter Leistungen nicht zum Abitur zugelassen worden) bestanden 13 das Abitur. Wieviele
von ihnen dann in den noch folgenden 4 Kriegsjahren ihr Leben verloren haben, geht verständlicherweise aus den Abiturakten nicht hervor.
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