Doktoren auf vier Beinen - Einsatzgebiete der Tiergestützten Therapie

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Doktoren auf vier Beinen - Einsatzgebiete der Tiergestützten Therapie
DIE RADIODOKTOR-INFOMAPPE
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RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
Die Sendung
Die Sendereihe „Der Radiodoktor“ ist seit 1990 das Flaggschiff der
Gesundheitsberichterstattung von Ö1. Jeden Montag von 14.05 bis 14.40 Uhr
werden interessante medizinische Themen in klarer informativer Form
aufgearbeitet und Ö1-Hörerinnen und -Hörer haben die Möglichkeit, telefonisch
Fragen an das hochrangige Expertenteam im Studio zu stellen.
Wir über uns
Seit September 2004 moderieren Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz,
Univ.-Prof. Dr. Karin Gutiérrez-Lobos, Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger und
Dr. Christoph Leprich die Sendung.
Das Redaktionsteam besteht aus Mag. Mark Hammer, Mag. Nora Kirchschlager,
Dipl. Ing. Eva Obermüller, Dr. Doris Simhofer, Dr. Michaela Steiner, Dr. Ronny
Tekal-Teutscher und Dr. Christoph Leprich.
Das Service
Seit dem 3. Oktober 1994 gibt es das, die Sendereihe flankierende, Hörerservice,
das auf größtes Interesse gestoßen ist.
Die zu jeder Sendung gestaltete Infomappe mit ausführlichen
Hintergrundinformationen, Buchtipps und Anlaufstellen stellt in der Fülle der
behandelten Themen eigentlich bereits ein kleines Medizin-Lexikon für den Laien
dar.
Die Partner
Ermöglicht wird die Radiodoktor-Serviceleiste durch unsere Partner:
die Österreichische Apothekerkammer und das Österreichische Bundesministerium
für Gesundheit.
An dieser Stelle wollen wir uns ganz herzlich bei unseren Partnern für die
Zusammenarbeit bedanken!
Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit in dieser Infomappe
zumeist auf die weiblichen Endungen, wie z.B. PatientInnen, ÄrztInnen etc. verzichtet haben.
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DOKTOREN AUF VIER BEINEN –
EINSATZGEBIETE DER TIERGESTÜTZTEN THERAPIE
Mit Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos
6. Februar 2012, 14.05 Uhr, Ö1
Infomappe: Julia Harlfinger und Mag. Nora Kirchschlager
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
INHALTSVERZEICHNIS
DOKTOREN AUF VIER BEINEN – EINSATZGEBIETE DER TIERGESTÜTZTEN THERAPIE6
THERAPIE ODER AKTIVITÄT?
Animal Assisted Therapy (AAT) - tiergestützte Therapie
Animal Assisted Activities (AAA) - tiergestützte Aktivitäten
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TIERISCHE THERAPEUTEN
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PROBLEMATISCHE SITUATIONEN
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HYGIENISCHE EINSCHRÄNKUNGEN
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PIONIERE DER TIER-THERAPIE
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VEREIN „TIERE ALS THERAPIE“
Eckdaten von „Tiere als Therapie“
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AUSBILDUNGSMÖGLICHKEITEN
Universitätslehrgang
Ausbildung zum Tier-Trainer
Therapiehunde-Ausbildung
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EUROPÄISCHER DACHVERBAND FÜR TIERGESTÜTZTE THERAPIE
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ARBEIT MIT ALTEN MENSCHEN
Tierische Helfer im Geriatriezentrum am Wienerwald
Was bewirkt tiergestützte Therapie bei geriatrischen Patienten?
Wirkung auch auf Alzheimer-Patienten?
Beispiele aus der Praxis
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THERAPEUTISCHES REITEN
Die Hippotherapie
Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren
Der Schottenhof – Zentrum für tiergestützte Pädagogik
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RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
Aus der Praxis
Eigene Ausbildung möglich
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ETHISCH VERTRETBAR?
Die Delfintherapie
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ANLAUFSTELLEN
BUCHTIPPS
QUELLEN UND LINKS
SENDUNGSGÄSTE
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
DOKTOREN AUF VIER BEINEN – EINSATZGEBIETE DER
TIERGESTÜTZTEN THERAPIE
Mehrere Untersuchungen unterstreichen, dass das Leben mit Haustieren eine
Reihe von medizinischen Vorteilen mit sich bringt. Haustierhalter sind körperlich
und seelisch gesünder. Doch auch bei Menschen, die selbst keine Tiere besitzen,
dient die therapeutische Arbeit mit Vierbeinern der Verbesserung der Gesundheit.
Die „tiergestützte Therapie“ wird in den unterschiedlichsten medizinischen
Bereichen, z.B. in der Geriatrie, Neurologie, Psychiatrie und sogar Onkologie
eingesetzt, damit sich Kranke wieder wohler fühlen. Für den intensiven Kontakt
mit dem Menschen ausgewählte und ausgebildete Tiere (die so genannten „CoTherapeuten“) wirken unter Anleitung von speziell geschulten Tierführern
wohltuend auf Körper, Geist und Seele.
Die Palette an tiertherapeutischen Angeboten ist international breit gefächert:
Dazu gehören im weiteren Sinne z.B. regelmäßige Besuche bei Wachkoma- oder
Alzheimer-Patienten, Reitstunden für krebskranke Kinder oder die Fahrt auf einen
Bauernhof. Auch werden Tiere als „pädagogische Helfer“ in unterschiedlichsten
Erziehungseinrichtungen (Schulen, Heime etc.) eingesetzt.
Das „Medikament“ Tier hat u.a. folgende positive Wirkungen:
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wirkt beruhigend
blutdrucksenkend
fördert die Motivation (z.B. Programm für Kinder mit Leseschwächen)
beeinflusst die psychische Verfassung („Stimmung“) positiv
fördert Integration und Resozialisierung
stärkt das Selbstvertrauen
Tiergestützte Therapie kann theoretisch an den unterschiedlichsten
Gesundheitseinrichtungen stattfinden - z.B. in Spitälern, Pflege- und
Erziehungseinrichtungen, Hospizen und Tagesstätten. Auch verschlossene
Patienten bzw. Klienten werden erreicht, die Kommunikation wird erleichtert oder
sogar erst ermöglicht. Verschiedene Therapien führen mit Hilfe von Tieren
schneller zum Erfolg. Außerdem ist die tiergestützte Therapie vergleichsweise
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
billig. Allerdings werden die Kosten nur in manchen Fällen durch die
Krankenkasse übernommen. Viele Vereine sind auf Spenden, Sponsoren sowie die
Mitarbeit von Freiwilligen angewiesen.
THERAPIE ODER AKTIVITÄT?
Animal Assisted Therapy (AAT) - tiergestützte Therapie
Die tiergestützte Therapie ist keine spezielle Therapie-Form wie etwa die
Verhaltenstherapie, sondern eine zielgerichtete Intervention. Die AAT ist einer von
mehreren Bestandteilen im Behandlungsplan und hat ein konkretes Ziel (z.B.
Verbesserung spezieller körperlicher, emotionaler, psychischer Abläufe). Die AAT
wird von Personal mit speziellem fachlichem Hintergrund durchgeführt (z.B.
Physiotherapeut, Psychologe, Sozialarbeiter, Sprachtherapeut), d.h. die AAT hat
ein professionelles Setting.
Die Entwicklung des Patienten während der tiergestützten Betreuung wird genau
dokumentiert, der Erfolg wird quantifiziert. Konkret könnte z.B. ein Kind mit
motorischen Schwierigkeiten vom Kontakt mit einer Katze profitieren (Öffnen der
Verschlussschnallen des Katzenkorbs etc.) oder ein Erwachsener mit vermindertem
Gleichgewichtsvermögen nach einem Schlaganfall vom Bürsten eines Hundes.
Einige
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Ziele der animal assisted therapy:
Verbesserung der motorischen Fähigkeiten, des Gleichgewichts
Verbesserung der Aufmerksamkeitsspanne, der verbalen Kommunikation
Aufwertung des Selbstbewusstseins
Verminderung von Ängstlichkeit, Einsamkeit
Verbesserung der Interaktion zwischen medizinischem Personal und
Patienten
 Förderung des Gruppenzusammenhalts
Animal Assisted Activities (AAA) - tiergestützte Aktivitäten
Die tiergestützten Aktivitäten sind nicht auf bestimmte Ziele ausgerichtet, sondern
dienen ganz allgemein der Steigerung der Lebensqualität, z.B. durch Förderung
von Wohlbefinden, Motivation sowie Sozialverhalten. Auch können Aktivitäten mit
Tieren verschiedene pädagogische Maßnahmen unterstützen. Die tiergestützten
Aktivitäten werden nicht notwendigerweise von medizinischem Fachpersonal
angeleitet, sind jedoch nichts desto trotz ein wertvolles Werkzeug zum Beispiel in
der Geriatrie. Tiergestützte Aktivitäten finden häufig in der Gruppe statt.
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
Die Tierführer bei tiergestützten Aktivitäten (AAA) sind meist Freiwillige, die zwar
mit ihrem eigenen Haustier spezielle Kurse und Prüfungen abgelegt, aber keinen
Beruf aus dem Gesundheitswesen haben. Zu den AAA gehören u.a. regelmäßige
Besuche in Pflegeeinrichtungen, Strafanstalten oder Schulen. Die Besuche können
beliebig oft wiederholt werden.
TIERISCHE THERAPEUTEN
Nicht jedes Tier ist für den Einsatz bei tiergestützten Aktivitäten oder Therapien
geeignet. Selbstverständlich müssen die Tiere kerngesund sein und bestimmte
Charaktereigenschaften mitbringen. Meistens werden Hunde und Katzen für AAA
bzw. AAT eingesetzt, gefolgt von Kleintieren wie Kaninchen und
Meerschweinchen. Verwendet werden aber auch Rinder, Esel, Ziegen und Lamas
sowie Hühner und verschiedene andere Vogelarten, zum Beispiel Wellensittiche.
Sogar bei den handgroßen Achatschnecken hat man aufgrund ihrer langsamen
Bewegungen therapeutische Effekte auf unruhige Kinder entdeckt.
PROBLEMATISCHE SITUATIONEN
Nicht immer sind tiergestützte Aktivitäten oder Tiertherapie für Menschen (und
Tiere) geeignet. Es kann zu Schwierigkeiten kommen, wenn Personen aus einer
Gruppe beginnen, um das Besuchstier zu konkurrieren oder es „für sich alleine“
haben wollen. Auch wenn alle Tiere vor ihrem Einsatz äußerst genau auf ihre
Gesundheit und charakterliche Eignung überprüft werden, können Verletzungen,
beispielsweise durch Bisse oder durch Kratzen, natürlich nicht hundertprozentig
ausgeschlossen werden.
In über 20 Jahren tiergestützter Therapie sei es am Geriatriezentrum am
Wienerwald aber einzig zu einem Biss durch ein Meerschweinchen gekommen,
beruhigt die leitende Direktorin und medizinische Verantwortliche, unser
Sendungsgast, Dr.in Eva Fuchswans.
Zu Bedenken sei, so die Ärztin, dass durch bestimmte Erkrankungen (z.B.
Schädigungen des Gehirns) bedingt, nicht alle Patienten immer sanft mit den
Therapietieren umgehen würden. Und natürlich „mag“ nicht jeder Tiere - manche
Menschen können dem mehr oder weniger intensiven Kontakt einfach nichts
abgewinnen. Solche Vorlieben sind natürlich zu respektieren. Darüber hinaus gilt
es bei der Aktivität bzw. Therapie mit Tieren zu beachten, dass manche Menschen
vor Tieren Angst haben bzw. der Zugang zu Tieren stark kulturell geprägt ist.
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
HYGIENISCHE EINSCHRÄNKUNGEN
In Österreich ist es generell nicht erlaubt, Tiere in Spitäler mitzubringen. Man
fürchtet die gesundheitliche Gefährdung der Patienten aufgrund mangelnder
Hygiene. Tatsächlich ist bei Personen mit eingeschränkter Immunabwehr, akuten
Erkrankungen oder offenen Wunden Vorsicht geboten.
Doch in aller Regel ist bei den meisten Bewohnern von Pflegeeinrichtungen und
sogar bei den meisten Patienten in Krankenhäusern die Immunabwehr so stark,
dass Besuche von gesunden Tieren kein Ansteckungsrisiko (durch Pilze,
Bakterien, Parasiten) darstellen.
Allerdings können auch Allergien durch den Kontakt zwischen Tier und Mensch
ausgelöst werden.
Natürlich gilt es, gewisse hygienische Maßnahmen zu treffen, z.B. Händewaschen
nach dem „tierischen“ Besuch. Werden Tiere ins Krankenbett genommen, so
sollten diese auf einem eigenen Handtuch oder Laken sitzen.
PIONIERE DER TIER-THERAPIE
Berichte, dass Tiere für therapeutische Zwecke eingesetzt wurden, gibt es bereits
aus dem achten Jahrhundert. Auch Quellen aus dem 18. und 19. Jahrhundert
berichten von ersten Versuchen einer tiergestützten Therapie im psychiatrischen
Bereich.
Richtig „populär“ wurde diese Therapieform allerdings erst im Laufe der letzten
Jahrzehnte. In den 1960er Jahren wurden erste Erfahrungen mit Tieren als CoTherapeuten auch wissenschaftlich dokumentiert und publiziert.
Ein Vorreiter der tiergestützten Therapie, der Kinderpsychologe Boris Levinson,
entdeckte allerdings eher zufällig, dass ihm sein Hund eine große Hilfe war.
Levinson sollte einen Buben psychologisch betreuen, der schon seit längerer Zeit
ohne Erfolg behandelt wurde und der auch auf keine Therapie angesprochen
hatte. Zufällig war auch der Hund des Psychologen - ein Retriever namens Jingles
- anwesend und begrüßte den Buben. Das Kind reagierte freudig und freundete
sich mit dem Hund an. Über die Beschäftigung mit dem Hund konnte der
Psychologe Levinson Zugang zu dem Kind finden. Es entwickelte sich eine gute
Arbeitsbeziehung zwischen beiden.
In den Forschungsarbeiten von Sam und Elisabeth Corson aus den 1970er Jahren
wird beschrieben, wie Patientinnen und Patienten durch nonverbale und taktile
Interaktionen eine positive Beziehung zum Tier entwickeln, die sie nach und nach
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
auf Personen übertragen. Die anfänglichen nonverbalen Interaktionen werden
nämlich im Laufe der tiergestützten Therapie von den Patienten durch verbale
Kommunikation und die Äußerung von Gefühlen verstärkt. Taktile und emotionale
Prozesse werden so immer besser mit kognitiven Prozessen und sozialen
Interaktionen abgestimmt. Die Patienten erfahren eine fortschreitende Integration
ihrer eigenen Person im sozialen Austausch mit der Umwelt.
Weitere ältere und auch aktuelle Studien beschreiben die positive Wirkung der
Tier-Mensch-Interaktion auf Patienten mit Autismus, Alzheimer, Erkrankungen des
Herzens (Infarkt), Schizophrenie oder Demenz. Die Bandbreite ist groß - die
Untersuchungsmethoden sind in der Schulmedizin allerdings zuweilen umstritten.
Standardisierte Programme, nach wissenschaftlichen Kriterien analysierte Studien
sowie Erkenntnisse aus der so genannten „evidenz-basierten Medizin“ sollen zu
mehr Anerkennung aus den Reihen der Schulmedizin führen.
VEREIN „TIERE ALS THERAPIE“
Der Biologin Gerda Wittmann gelang es 1988 erstmals, in Österreich ein TierBesuchsprogramm in einem Pflegeheim zu installieren. Bereits nach kurzer Zeit
waren die Tierbesuche im Pflegeheim Lainz (heute Geriatriezentrum am
Wienerwald), die vorerst nur im Garten stattfinden durften, auch auf den
Stationen erlaubt. Sehr schnell gab es sogar eigene Stationstiere. Im Jahr 1991
gründete Wittmann den Verein „Tiere als Therapie“ (kurz „TAT“), der sich bis
heute für die Förderung der tiergestützten Therapie einsetzt und maßgebliche
Impulse in Österreich setzt.
Eckdaten von „Tiere als Therapie“
Der Verein „Tiere als Therapie“ organisiert Tierbesuchsprogramme in Altenheimen,
geriatrischen Stationen, psychiatrischen Anstalten, Sonderschulen für geistig- und
körperbehinderte Kinder, Schulen für verhaltensauffällige Kinder, Kindergärten
sowie Drogentherapiestationen. Dabei werden Störungen des physischen,
psychischen oder sozialen Wohlbefindens unter Einbeziehung von Tieren
vermindert oder beseitigt. Der Verein „engagiert“ für diese Arbeit die
verschiedensten Tierarten: Katzen, Kleintiere, landwirtschaftliche Nutztiere, Lamas
etc., vor allem aber Hunde. Gegenwärtig sind in ganz Österreich bereits rund 250
TAT-Teams (bestehend aus Trainern und Tieren) unterwegs. Weiters setzt sich der
Verein für die Aus- und Fortbildung von Trainern und Therapietieren ein.
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
AUSBILDUNGSMÖGLICHKEITEN
Beim Verein „Tiere als Tiere“ kann man unterschiedliche Ausbildungen
absolvieren.
Universitätslehrgang
Seit 2003 gibt es erstmals in Europa an der Veterinärmedizinischen Universität
Wien einen Universitätslehrgang zur „Akademisch geprüften Fachkraft für
tiergestützte Therapie und tiergestützte Fördermaßnahmen“. Der Lehrgang dauert
zwei Jahre (16 Wochenenden). Unterrichtet wird unter anderem von Veterinär- und
Humanmedizinern, Biologen, Psychologen und Pädagogen.
Damit existiert erstmals eine Ausbildung auf universitärem Niveau, die künftig als
Grundlage für ein Berufsbild „Tiertherapeut/in“ dienen kann.
Zielsetzungen dieser Ausbildung sind:
 Qualifikation zur akademisch geprüften Fachkraft für tiergestützte Therapie
und tiergestützte Fördermaßnahmen für den professionellen Einsatz von
Tieren in der Betreuung von Menschen aller Altersgruppen, im Besonderen
von Menschen mit einem erhöhten Förderbedarf (z.B. verhaltensauffällige,
behinderte und kranke Menschen) im Sinne der Gesundheitsförderung
sowie zur Hebung der Lebensqualität und des Wohlbefindens.
 Lehrgangsabsolventen sind qualifiziert für ein eigenverantwortliches,
tiergestütztes therapeutisches und/oder pädagogisches sowie
gesundheitsförderndes Arbeiten im Rahmen von Institutionen oder in der
freien Praxis.
Am Lehrgang können nach absolviertem Aufnahmegespräch mit der
Prüfungskommission folgende Personen teilnehmen:
 Personen mit einem abgeschlossenen Studium in einem pädagogischen,
sozialen, medizinischen und biologischen Bereich.
 Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung in einem entsprechenden
Berufsbild (z.B. Kleinkind- und Hortpädagoginnen, Alten-, Kranken- und
Tierpfleger).
 Personen mit großer praktischer Erfahrung in einem entsprechenden
Berufsfeld (z.B. Kindergartenhelferinnen, erfahrene Mitarbeiter des Vereins
Tiere als Therapie).
 Sechs der 45 Lehrgangsplätze stehen interessierten Menschen aus anderen
Berufsfeldern zur Verfügung.
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
Ausbildung zum Tier-Trainer
Diese Ausbildung umfasst zehn, auf ein Jahr aufgeteilte, Wochenendmodule. Ziel
ist die Vermittlung von fundiertem Wissen über Lerntheorien und daraus
resultierenden Trainingsmöglichkeiten und gängige Trainingsmethoden, Haltung
und Umgang mit verschiedenen Tierarten. Vermittelt wird überdies praktische
Erfahrung im Training von mindestens drei Tierarten.
Therapiehunde-Ausbildung
Entsprechende Einheiten finden laufend im Verein Tiere als Therapie in Wien statt.
Die Ausbildung zum „TAT-Team“ (Team Mensch-Hund) besteht aus praktischen
und theoretischen Teilen. Nach positiv absolvierter Prüfung kann das jeweilige
Team vom Verein Tiere als Therapie an verschiedene Einrichtungen zum Einsatz
vermittelt werden.
Für seine Therapiehunde hat der Verein „Tiere als Therapie“ u.a. folgende
Gütekriterien festgelegt:
 ausgezeichneter gesundheitlicher Zustand (Vorlage eines TATGesundheitszeugnisses, nicht älter als 6 Monate, ist erforderlich)
 Schmerzfreiheit
 guter Pflegezustand
 gutmütiges und ruhiges Wesen
 Das Tier muss frei von Ekto- und Endoparasiten sein, eine regelmäßige
Entwurmung bzw. Schutzmaßnahmen gegen Ektoparasiten sind notwendig.
 vollständige Impfung
 Umwelt- und Sozialsicherheit
 Selbstbewusstsein und Sicherheit in ruhigen Situationen und in
Stresssituationen gegenüber Patienten und Kindern, gegenüber fremden
Menschen im täglichen Leben, gegenüber Tieren der gleichen Art und
anderen Tierarten
 Sicherheit bei Begegnungen, ungewöhnlichen Bewegungsmustern und
Geräuschen
 enge Bindung an seine/n Menschen
 Sicherheit bei Geräuschen
 Sicherheit bei optischen Reizen
 Freude der Tiere an der Begegnung mit und der Berührung durch
Menschen
Darüber hinaus sind bei einem Therapiehund folgende Eigenschaften
erwünscht:
 Absolute Menschenfreundlichkeit und Toleranz gegenüber Menschen.
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE

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
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


Optimale Prägung und Sozialisierung von Jugend an in Richtung Kontakt
mit Menschen jeden Alters.
Besonders gute Bindung an seine/n BesitzerIn.
Absolute Toleranz gegenüber anderen Hunden und anderen Tierarten, auch
gegenüber gleichgeschlechtlichen Tiere der eigenen Art.
Gute Unterordnung auf ungefährem BGH 1- Niveau, eine Prüfung ist nicht
erforderlich. Der Ausbildungsstand wird beim Einstiegstest kontrolliert.
Hohe Belastbarkeit und weitgehende Stressresistenz (gilt für das gesamte
Team). Auch in Stresssituationen darf niemals Aggression gezeigt werden.
Ängstliche, scheue, unsichere und aggressive Hunde sind nicht geeignet.
Kette oder Zughalsband ist nicht erlaubt.
Nicht nur für die Tiere, auch für die Menschen, die durch den Verein „Tiere als
Therapie“ (TAT) ausgebildet werden, gelten besondere Kriterien. Denn nicht jeder
„Tiernarr“ eignet sich auch für den freiwilligen-Einsatz in unterschiedlichsten
Situationen.
Erforderliche Fähigkeiten sind:
 Soziale Grundeinstellung, ohne „Helfersyndrom“
 Teamfähigkeit
 Sportliches und faires Verhalten
 Optimales Kennen- und Verstehen-Lernen seines Tieres ist erforderlich, um
Überforderungen des Tieres rechtzeitig erkennen zu können
 Optimale Zusammenarbeit zwischen Mensch und Tier
 BesitzerIn muss jederzeit und in jeder Situation Kontrolle über das Tier
haben
 Erkennen wichtiger Zusammenhänge mit Patienten
 Einblicke in Abläufe in den besuchten Institutionen
 Gute Führigkeit und Übereinstimmung des Teams
 Fachwissen über Stresssignale ist besonders wichtig (dies wird im Kurs
vertieft), um dem Tier den anschließenden Stressabbau nach der Therapie
zu ermöglichen
 Absolvieren des TAT-Erste-Hilfe-Kurses für Mensch und Tier mit
Schwerpunkt alte Menschen und Kinder.
 Akzeptieren der Ausbildungsrichtlinien und Vorgaben von TAT
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
EUROPÄISCHER DACHVERBAND FÜR
TIERGESTÜTZTE THERAPIE
2004 wurde an der Veterinärmedizinischen Universität Wien ESAAT (European
Society for Animal Assisted Therapy - Europäischer Dachverband für tiergestützte
Therapie) gegründet.
Ziele von ESAAT:




Erarbeitung von Standards für Ausbildungsrichtlinien auf dem Gebiet der
tiergestützten Therapie
EU-weit vereinheitlichte Ausbildungsstandards
Etablierung der tiergestützten Therapie als anerkannte Therapieform
Schaffung eines einschlägigen Berufsbildes
ARBEIT MIT ALTEN MENSCHEN
Tierische Helfer im Geriatriezentrum am Wienerwald
Mittlerweile kommt tiergestützte Therapie in vielen geriatrischen Einrichtungen zur
Anwendung. Einer der Pioniere war das Geriatriezentrum am Wienerwald (früheres
Pflegeheim Lainz). Dort wird tiergestützte Therapie bereits seit 1987 angeboten.
Derzeit leben in der Gerontopsychiatrischen Abteilung einige Vögel
(Wellensittiche), Kaninchen und Meerschweinchen. Außerdem kommen regelmäßig
speziell ausgebildete Personen mit – ebenso trainierten Hunden – so genannte
„Teams“ zu Besuch, zum Beispiel vom Verein „Tiere als Therapie“ oder vom
Verein „Tiere helfen leben“. Eine Besonderheit des Geriatriezentrums am
Wienerwald sind so genannte Personalhunde. Dabei handelt es sich um Hunde,
die einer Mitarbeiterin/einem Mitarbeiter gehören und die in den Dienst
mitgenommen werden. Jeder dieser Hunde hat eine Ausbildung hinter sich bzw.
hat zumindest einen Wesenstest bestanden. In Einzelfällen besteht auch die
Möglichkeit, dass die Patientinnen und Patienten ihre eigenen Tiere in das
Geriatriezentrum mitnehmen.
Die auf der Station lebenden Kleintiere werden vom Pflegepersonal, in
Zusammenarbeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern betreut und regelmäßig
tierärztlich untersucht.
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
Was bewirkt tiergestützte Therapie bei geriatrischen Patienten?
Viele der Patientinnen und Patienten des Geriatriezentrums am Wienerwald sind
„multimorbid“ und leiden oftmals an den Folgen von Schlaganfällen
(Bewegungsstörungen, Sprachstörungen), weiters an Depressionen oder an
schmerzhaften Erkrankungen. 70 bis 80 Prozent sind zudem dement.
Im Rahmen einer am Geriatriezentrum durchgeführten Untersuchung wurde
zweimal wöchentlich tiergestützte Therapie durchgeführt, mit Hunden, Kaninchen
und Meerschweinchen. Nach zehn Monaten war bei fast allen Patienten eine
Verbesserung der sozialen Kontaktfähigkeiten und ihrer Mobilität eingetreten.
Selbst Patienten, die im Bett betreut wurden und bei denen eine komplette
Mobilisation (Aufstehen aus dem Bett) wegen der Schwere ihrer Erkrankung nicht
mehr erreicht werden konnte, zeigten vermehrte Beweglichkeit.
Bei den Schlaganfallpatienten hatten sich Immobilität, motorische
Sprachstörungen, Muskelkontrakturen und depressive Stimmung deutlich
gebessert. Lediglich bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz zeigte sich kein
Effekt, man hatte jedoch den Eindruck, dass ihnen das Berühren von warmem,
weichem Fell zumindest eine angenehme Empfindung vermittelte.
In amerikanischen Studien konnte übrigens nachgewiesen werden, dass der
Serotoninspiegel, der bei Depressionen zu niedrig ist, durch das häufige
Streicheln von Fell tragenden Tieren deutlich ansteigt. Ebenso erhöht sich
dadurch die Konzentration des „Glückshormons“ Dopamin, was in der Folge unter
anderem zu einer Verbesserung von Morbus Parkinson-Symptomen führt.
Wirkung auch auf Alzheimer-Patienten?
In einer Studie an der 2. Psychiatrischen Abteilung des Otto Wagner-Spitals
(Baumgartner Höhe, Wien) wurde im Department für Gerontopsychiatrie die
Auswirkung des Patientenbesuchs mit Tieren auf den Krankheitsverlauf bei
Alzheimer-Patienten untersucht. 27 Patienten wurden einbezogen und zweimal
pro Woche für jeweils zwei Stunden von Studenten der Veterinärmedizinischen
Universität Wien mit ihren Tieren (Hunde, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen,
Ratten) besucht. Insgesamt wurde den Patienten die Behandlung acht Wochen
zuteil.
Die depressive Verstimmung, das Abzeichnen von vorgegebenen Figuren, die
Konzentrationsfähigkeit sowie das Wiedererkennen vorgegebener Worte
verbesserten sich. Es wird vermutet, dass die wichtigste tiertherapiespezifische
Veränderung die Besserung der depressiven Verstimmung ist. Dadurch wird eine
allgemeine Aktivierung und Anhebung des Motivationsniveaus erreicht, die auch
die Bereitschaft zum kognitiven Gedächtnistraining bei den Patienten fördert.
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
Beispiele aus der Praxis
Kontakt mit den Kleintieren (also Meerschweinchen, Kaninchen und Vögel) ist für
die Patientinnen und Patienten des Geriatriezentrums am Wienerwald jederzeit
möglich. Wie schon erwähnt, helfen sie bei der Versorgung der Tiere (Füttern,
Wasser geben, Käfig ausmisten). Natürlich dürfen die Meerschweinchen und
Kaninchen auch gestreichelt werden.
Für die oft sehr introvertierten Alzheimer-Patienten eignet sich der Kontakt mit
den stationseigenen Wellensittichen gut, sagt die leitende Direktorin und
medizinisch Verantwortliche, Dr.in Eva Fuchswans. Je mehr mit den Tieren
„geredet“ wird, desto mehr würden sie zwitschern.
Die Besuchshunde und ihre menschlichen Begleiter werden meistens vormittags
bestellt, da die Patienten zu dieser Zeit am aufnahmefähigsten sind. Eine
„Hundetherapie“ wird entweder einzeln oder in Gruppen durchgeführt (nicht mehr
als 10 Personen).
In den Therapieeinheiten gehen die Patienten unterschiedlichen Aktivitäten nach.
Zum Beispiel füttern sie die Hunde mit einem Löffel. Durch diese motivierenden
Übungen wird auf Dauer gelernt, wieder selbständig zu essen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Thema Ankleiden: Die Patienten lernen, sich
wieder selbständig das Hemd/die Bluse zuzuknöpfen, indem sie beim mit Knöpfen
versehenen Halsband des Hundes üben. Und auch Essen zubereiten wird teilweise
wieder erlernt, und zwar indem für die Kaninchen und Meerschweinchen Karotten
geschält und Äpfel geschnitten werden.
Generell steigert sich, wie oben schon beschrieben, die Mobilität alter Menschen
unter tiergestützter Therapie. Der Grund dafür ist, dass sie viel lieber z.B. von
ihrem Bett aufstehen, wenn sie wissen, dass sie noch das Meerschweinchen
füttern müssen bzw. dass der Hund auf sein „Leckerli“ wartet.
THERAPEUTISCHES REITEN
Beim therapeutischen Reiten steht das Medium Pferd im Mittelpunkt. Bei den
unterschiedlichen Therapieformen mit dem Pferd gibt es – wie bei der Therapie
mit Hunden - therapeutische und/oder pädagogische Zielsetzungen. Alle Therapien
werden durch speziell ausgebildete Therapeuten/Pädagogen angeleitet.
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
Die Therapie mit Pferden gilt u.a. als geeignet für Menschen mit:
 Verhaltensauffälligkeiten
 geistiger Behinderung
 Sinnesbehinderungen
 Teilleistungs- und Lernschwächen
 Wahrnehmungs- und Sprachstörungen
 Problemen im emotionalen und sozialen Bereich
Die Therapie mit dem Pferd wirkt im pädagogischen Bereich u.a. bei
Kontaktarmut, vermindertem Selbstwertgefühl, Antriebsarmut, aber auch
Hyperaktivität und Aggressivität.
Bestandteile der Pferdetherapie sind u.a. die Kontaktaufnahme zum Tier, gezielte
Übungen (z.B. Pferd führen, putzen, rufen, Stallarbeit), aber auch das Erleben der
Dynamik in der Gruppe. Die Therapie mit Pferden zielt nicht darauf ab, perfekt
reiten zu lernen. Das Pferd dient als „Mittler“ zwischen dem Patienten und dem
Therapeuten.
Je nach therapeutischer bzw. pädagogischer Zielsetzung wird bei der
„Pferdetherapie“ unterschieden zwischen Hippotherapie, heilpädagogischem
Reiten und Voltigieren, psychotherapeutischem Reiten (durchgeführt durch
Psychiater bzw. Psychotherapeuten mit Reit-Zusatzausbildung) und dem
Behinderten-Reitsport.
Die Hippotherapie




Ist eine physiotherapeutische Maßnahme.
Wird ärztlich verordnet und von Physiotherapeuten durchgeführt.
Es handelt sich um eine spezielle Form der Krankengymnastik auf
neurophysiologischer Basis. Die Bewegungsimpulse („dreidimensionale
Schwingungen“) werden vom Pferd auf den Menschen übertragen.
Erzielt werden positive Auswirkungen auf den Bewegungsapparat:
Muskeltonus, Balance, Gleichgewicht und „Haltung“ werden trainiert,
Gelenksfunktionen werden aktiviert.
Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren


Sind pädagogische, psychologische, psychotherapeutische, rehabilitative
und sozial-integrative Maßnahmen zur Förderung, Erziehung und
Verhaltensänderung.
Sind geeignet für Kinder und Erwachsene mit verschiedenen
Behinderungen, Störungen oder Entwicklungsverzögerungen.
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE




Die körperliche, geistige, soziale, emotionale Entwicklungsförderung steht
im Zentrum: z.B. Kommunikations- und Beziehungsprobleme, psychische
und psychosomatische Erkrankungen, motorische Auffälligkeiten,
Wahrnehmungsstörungen, Therapiemüdigkeit.
Durch die Arbeit mit dem Pferd werden im Sinne der Ganzheitlichkeit viele
Sinne angesprochen und gefordert.
Den Patienten werden die Folgen ihres Verhaltens durch die unmittelbare
Reaktion des Pferdes bewusst.
Die gymnastischen Übungen auf dem geführten Pferd fördern die
Geschicklichkeit, gleichzeitig wirkt die Bewegung des Tiers lockernd,
befreiend und stimulierend. All dies fördert die Selbsteinschätzung.
DER SCHOTTENHOF – ZENTRUM FÜR
TIERGESTÜTZTE PÄDAGOGIK
Besonderes Merkmal dieser, im 17. Bezirk am Fuße des Wienerwalds gelegenen,
Einrichtung, ist heilpädagogisches Reiten und Voltigieren mit integrativem Ansatz.
Kerngedanke der Arbeit von Michaela Jeitler (Leiterin und Gründerin des
Zentrums) und ihrem multiprofessionellen Team ist, zu einem Miteinander von
Menschen mit und ohne Behinderung beizutragen – und das im Kontakt mit der
Natur und mit Tieren.
Im Zentrum für tiergestützte Pädagogik wird zum größten Teil mit Pferden
gearbeitet, jedoch kommen regelmäßig auch andere Tiere zum Einsatz, zum
Beispiel Ziegen, Esel, Katzen, Hunde, Kaninchen und Hühner.
Jedes Tier wirkt unterschiedlich auf die Kinder, erzählt unser Sendungsgast
Martina Keckstein, seit zehn Jahren Voltigiertherapeutin am Schottenhof. So
würden etwa die Ziegen mit ihrer neugierigen, „lustigen“ Art, die Besucher
motivieren, sich selbst zu bewegen und Dinge zu erforschen.
Esel hingegen würden „erdend“ und beruhigend wirken, zum Beispiel auf Kinder
mit einem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS).
Die therapeutischen Angebote des Schottenhofs richten sich an Menschen aller
Altersgruppen.
Neben regelmäßig stattfindenden Kursen und Workshops, gibt es – speziell für
Kinder und Jugendliche – die Möglichkeit, an einem „integrativen Ferienlager“ und
an Eselwanderungen im angrenzenden Wienerwald teilzunehmen. Auch sein
Geburtstagsfest kann man am Schottenhof verbringen.
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
Aus der Praxis
Vormittags finden am Schottenhof die „Schulstunden“ statt. Sprich: Für rund fünfköpfige Gruppen mit Kindern aus Integrationsklassen steht „Pferdetherapie“ auf
dem Stundenplan. Begleitet werden die Kinder von ein bis zwei Lehrerinnen oder
Lehrern, manchmal einem Sozialpädagogen und/oder einem Zivildiener.
Das Programm des Vormittags gestaltet sich sowohl nach den Wünschen der
Kinder und ihrer Betreuerinnen, als auch im Hinblick auf den von dem
Expertenteam des Schottenhofs erstellten Plan.
Zu Beginn gibt es für die Kinder – je nach Befähigung und immer in Begleitung
eines Erwachsenen – unterschiedliche Aufgaben zu erledigen: Pferd holen, Heu
bereitstellen, Pferd bürsten etc.
Die Therapieeinheiten selbst sehen immer ein wenig anders aus, sagt die
Voltigiertherapeutin und Reitpädagogin Martina Keckstein. So kann es zum
Beispiel vorrangig um das Voltigieren, also das sich Bewegen auf dem Pferd
gehen. Das kann unter anderem bedeuten, die Arme zur Seite zu strecken oder
sich auf dem Pferd umzudrehen und ein Stück rückwärts zu reiten. Natürlich
tragen die Kinder dabei einen Helm und werden von zwei Seiten von Therapeuten
unterstützt und gesichert. Ein andermal wird geübt, wie man ein Pferd richtig
führt bzw. es wird Parcour geritten, sprich, man führt das Pferd durch ein
Labyrinth aus Stangen oder im Slalom um Hütchen herum. Besonders beliebt bei
den Kindern sind Stunden, in denen eine „Geschichte“ mit den Pferden gespielt
wird, in der die Kinder unterschiedliche Rollen einnehmen und in der es etwa gilt,
im Wald etwas Bestimmtes zu suchen.
Eigene Ausbildung möglich
Im Zentrum für tiergestützte Pädagogik des Wiener Schottenhofs besteht seit
einigen Jahren die Möglichkeit, den Lehrgang „Integrative Voltigier- und
Reitpädagogik“ zu absolvieren. Ziel des einjährigen, berufsbegleitenden Angebots
ist der Erwerb pädagogischer Kompetenzen zur Gestaltung integrativer Angebote
mit dem Pferd und ein eventueller Einbezug anderer Tierarten.
Kerngedanke der integrativen Voltigier- und Reitpädagogik ist die Integration von
Menschen mit besonderen Bedürfnissen und Behinderungen. Es handelt sich nicht
um ein neues Konzept der Behindertenfreizeitarbeit, sondern um
Integrationsarbeit im Freizeitbereich.
Der Lehrgang ist von ESAAT, dem in Wien beheimateten europäischen
Dachverband für tiergestützte Therapien, anerkannt.
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
Am Schottenhof kann man übrigens auch ein Praktikum machen.
Voraussetzungen: Mindestalter 18 Jahre, zuverlässig und engagiert,
Grundkenntnisse im Umgang mit Pferden.
ETHISCH VERTRETBAR?
Nicht jedes Tier eignet sich für therapeutische Zwecke. Deshalb wird vor dem
Training immer ein „Eignungs- bzw. Wesenstest“ durchgeführt. Fungiert ein Tier
schließlich als „Therapeut“, muss unbedingt darauf geachtet werden, dass es
nicht überfordert wird bzw. dass es sich wohl fühlt. Wenn das Tier schon für
menschliche Bedürfnisse „genutzt“ wird, ist es wichtig, dass es selbst auch Spaß
an der „Arbeit“ hat und dass es artgerecht versorgt und gehalten wird.
Die Delfintherapie
Sehr populär, doch nicht unumstritten ist die Therapie mit Delfinen. Sie wird
besonders bei Kindern mit mentalen oder körperlichen Behinderungen (z.B.
Autismus, Down Syndrom, Zerebrallähmung) eingesetzt. Die Delfintherapie soll
u.a. Defiziten in den Bereichen Sprache, Grob- und Feinmotorik, Kommunikation
und Selbstvertrauen entgegenwirken.
Die Therapie ist äußerst kostspielig für die Eltern. Entwickelt wurde sie von dem
amerikanischen Verhaltensforscher und Psychologen David Nathansons („DolphinHuman-Therapy“). Dem Konzept liegt zugrunde, dass die Patienten erst dann mit
dem Delfin in Kontakt treten (z.B. schwimmen, spielen) dürfen, wenn sie
bestimmte (therapeutische) Aufgaben „erledigt“ haben - d.h. mit Hilfe der Delfine
werden Aufmerksamkeit und Motivation gesteigert. Der Erfinder der Delfintherapie
hat selbst Studien zur Wirksamkeit seiner Methode veröffentlicht; einige Kritiker
halten seine Methoden allerdings für unseriös und wissenschaftlich nicht belegt.
Tierschützer lehnen die Delfintherapie ab, weil durch sie Wildtiere
instrumentalisiert würden und unter unwürdigen Bedingungen leben müssten. Die
Delfintherapie wird nicht nur an Meeresküsten, sondern auch in manchen
Delfinarien (Tiergärten) angeboten. Die Haltung der Meeressäuger in Aquarien sei
nicht artgerecht, meinen kritische Stimmen. Es sei nicht gerechtfertigt, Wildtiere
zu Zwecken einzusetzen, die auch von domestizierten Tieren erfüllt werden
könnten.
Obwohl sich viele Eltern der Tatsache bewusst sind, dass es keine allgemein
anerkannten wissenschaftlichen „Beweise“ für die Wirksamkeit (und insbesondere
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TIERGESTÜTZTE THERAPIE
der Langzeitwirksamkeit!) der Delfintherapie gibt, erfreut sich diese Therapieform
großer Beliebtheit. Trotz hoher Kosten und weiter Anreise (viele Zentren liegen in
den USA) gibt es lange Wartelisten.
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ANLAUFSTELLEN
ANLAUFSTELLEN
Verein Tiere als Therapie - TAT
Veterinärmedizinische Universität Wien
Gebäude AE, Parterre
Veterinärplatz 1
A-1210 Wien
Tel.: +43/1/25077/3340
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.tierealstherapie.org/
Geriatriezentrum am Wienerwald
Jagdschloßgasse 59, A-Gebäude, 1. Stock
A-1130 Wien
Tel.:+43/1/801 10 - 0
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.wienkav.at/kav/gzw/
Schottenhof - Zentrum für tiergestützte Pädagogik
Amundsenstraße 5
A-1140 Wien
Tel.: +43/1/48 96 672
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.schottenhof.at/
Verein Tiere Helfen Leben – THL
Susanna Haitzer
Spitalgasse 23
A-2603 Felixdorf
Tel.: +43/699/816 848 65
Homepage: http://www.tiere-helfen-leben.at/
Österreichische Gesellschaft für Tiergestützte Therapie – ÖGTT
Rappoltschlag 13
3914 Waldhausen
Tel.: +43/676/3568122
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ANLAUFSTELLEN
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.oegtt.at
Verein Österreichisches Kuratorium für Therapeutisches Reiten
Präsidentin: Dr. Eva Bachinger–Scholda
Koktagasse 38
2231 Strasshof an der Nordbahn
E-Mail: office@öktr.at
Tel.: +43/664/44 42 199
Mittwoch 18.30 – 20.30 + Freitag 15.00 – 17.00
Verein e.motion - Equotherapie
Mag. Roswitha Zink
Mag. Verena Bittmann
Soz. Med. Zentrum Otto Wagner Spital
Baumgartner Höhe 1
A-1145 Wien
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.pferd-emotion.at
IEMT - Institut für interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung
Margaretenstrasse 70
A 1050 Wien
Tel.: +43/1/505 26 25/30
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.iemt.at/
Verein Partner-Hunde Österreich/Assistance Dogs Europe
Weitwörth 1
A-5151 Nussdorf
Tel.: +43/6272/7706
Homepage: http://www.partner-hunde.org/
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BUCHTIPPS
BUCHTIPPS
Sylvia Greiffenhagen, Oliver N. Buck-Werner
Tiere als Therapie. Neue Wege in Erziehung und Heilung
Kynos Verlag 2007
ISBN-13: 978-3933228246
Carolin Opgen-Rhein, Marion Kläschen, Michael Dettling
Pferdegestützte Therapie bei psychischen Erkrankungen
Verlag: Schattauer 2010
ISBN-13: 978-3794527557
Inge Angelika Strunz
Pädagogik mit Tieren: Praxisfelder der tiergestützten Pädagogik
Schneider Verlag Hohengehren 2011
ISBN-13: 978-3834009357
Eileen Hegedusch, Lars Hegedusch
Tiergestützte Therapie bei Demenz: Die gesundheitsförderliche Wirkung von
Tieren auf demenziell erkrankte Menschen
Verlag Schlütersche 2007
ISBN-13: 978-3899931723
Marianne Gäng
Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren
Verlag Reinhardt; 6., überarbeitete Auflage; 2010
ISBN-13: 978-3497021406
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QUELLEN UND LINKS
QUELLEN UND LINKS
Was ist tiergestützte Therapie und Pädagogik?
http://www.tara-therapie.de/tiergestuetzte_therapie.html
Tiere als Therapie – Hunde helfen Menschen
http://www.tierealstherapie.org/TGT%20Infotext%20UH%20LSF%2023%2011%2011.
pdf
Wissenschaftliche Arbeiten zum Thema tiergestützte Therapie
http://www.tierealstherapie.org/forschung.php
Missbrauchte Helfer? - Therapiebegleithunde
http://www.wuff.at/artikel.php?artikel_id=103
Tiere für die tiergestützte Therapie
http://www.tierealstherapie.org/tiere.php
Definition von „tiergestützter Therapie“
http://www.tierealstherapie.org/definitionen.php
Gütekriterien für die Eignung und Ausbildung von Therapiehunden bzw. –tieren
bzw. -teams
http://www.tierealstherapie.org/guetekriterien.php
ESAAT – European Society for Animal Assisted Therapy - Europäischer
Dachverband für tiergestützte Therapie
http://www.tierealstherapie.org/ESAAT.php
Ausbildung in tiergestützter Therapie
http://www.tierealstherapie.org/ausbildung.php
TAT- Universitätslehrgang "Tiergestützte Therapie & tiergestützte
Fördermaßnahmen"
http://www.tierealstherapie.org/uni_lehrgang.php
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QUELLEN UND LINKS
Was bedeutet tiergestützte Pädagogik?
http://www.schottenhof.at/index.php/ueber-uns/grundlagen/tiergestuetztepaedagogik.html
Integration im freizeitpädagogischen Bereich
http://www.schottenhof.at/index.php/ueber-uns/grundlagen/integration.html
Integrative Voltigier- und Reitpädagogik
http://www.schottenhof.at/index.php/ueber-uns/grundlagen/integrative-voltigierund-reitpaedagogikr.html
Asinotherapie – Esel in Therapie und Pädagogik
http://www.schottenhof.at/index.php/angebote/therapie/asinotherapie.html
Tiergestützte Pädagogik/Therapie/soziale Arbeit am Bauernhof
http://www.bauernhof-therapietiere.at/
Wenn Tiere zu Ko-Therapeuten werden
http://www.epilepsie.at/uploads/tiertherapie1.pdf
Kinder profitieren stark von tiergestützten Therapien
http://www.kindertraum.at/jart/prj3/stiftung_kindertraum/data/uploads/FactsheetTiertherapien.pdf
Der Einsatz von Tieren in Palliative Care – Arbeit im Rahmen des 11.
Interdisziplinären Basislehrgangs für Palliative Care in St. Pölten
http://www.wikipallia.at/wikipallia/images/9/95/Tiere_in_Palliative_Care.pdf
Einfluss von Tieren auf die menschliche Physis und Psyche Gesundheitsförderung durch tiergestützte Therapie (Bachelorarbeit an der MedUni
Graz)
https://online.medunigraz.at/mug_online/wbAbs.showThesis?pThesisNr=19640&pOr
gNr=1
Delfintherapie – Eine Faktensammlung – Arbeit von Philippa Brakes und Cathy
Williamson für die Wal- und Delfinschutzorganisation WDCS
http://www.wdcs-de.org/docs/DAT-Report.pdf
Delfintherapie: Hilfe oder Humbug?
http://gesund.co.at/delfintherapie-11966/
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QUELLEN UND LINKS
Tierquälerei oder Segen - Experten streiten über Delfin-Therapie
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,514445,00.html
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SENDUNGSGÄSTE
SENDUNGSGÄSTE
In der Sendung Radiodoktor – Medizin und Gesundheit vom 6. Februar 2012
diskutierten:
Katrin Hauk, BA
Verein Tiere als Therapie - TAT
Veterinärmedizinische Universität Wien
Gebäude AE, Parterre
Veterinärplatz 1
A-1210 Wien
Tel.: +43/1/25077/3340
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.tierealstherapie.org/
Dr.in Eva Fuchswans, Akad. Health Care Managerin, MBA
Leitende Direktorin und medizinisch Verantwortliche
Geriatriezentrum am Wienerwald
Jagdschloßgasse 59, A-Gebäude, 1. Stock
A-1130 Wien
Tel.: +43/1/801 10-3111
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.wienkav.at/kav/gzw/
Martina Keckstein
Schottenhof - Zentrum für tiergestützte Pädagogik
Amundsenstraße 5
A-1140 Wien
Tel.: +43/1/48 96 672
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.schottenhof.at/
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