MUSIK und DRAMA - Richard-Wagner-Verband Berlin
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MUSIK und DRAMA - Richard-Wagner-Verband Berlin
MUSIK und DRAMA Magazin des Richard-Wagner-Verbandes Berlin-Brandenburg e. V. Jahrgang 2011, Nr. 31, Dezember 2011 Hier gilt’s der Kunst! BLICKKONTAKTE | BLICKRICHTUNG h B L I C K k o n t a k t e h Editorial »h Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Mitglieder, ier gilt’s der Kunst!« – Sel ten wird Wagner häufiger zitiert. Evas aufmunternde Worte an Sachs werden gerne bemüht, gilt‘s, wie auch immer gestaltete Kunst zu legitimieren. Und schon steht sie im Raum, die unheilvolle Frage, was denn überhaupt Kunst sei, wie weit man es mit Kunst treiben darf. „Gefühle, die ich nie empfunden!“ Oper löst Emotionen aus. Wer wollte dies bestreiten. Vor allem seit der Begriff Regietheater durch unsere Köpfe geistert. Dem einen veredelt es, dem anderen verhagelt es einen Opernabend. Dabei ist dieses Wort in jeder Hinsicht unsinnig, denn es gibt ebenso wenig ein Theater ohne Regie, wie es ein Musiktheater ohne Musik gibt. Die Diskussionen sind geprägt von furioser Heftigkeit. Ein jeder weiß, wie eine Operninszenierung nicht auszusehen hat, aber selten formuliert jemand, wie sie denn seiner Meinung nach konkret auszusehen hätte. Mit dem hilflosen Zitieren des dubios schwammigen Begriffes Werktreue kann es nun wahrhaftig nicht getan sein. Da schreitet der Bayreuther Meister weitaus entschiedener, deutlich aggressiver zur Sache, und ist uns mit seiner offensiven Attacke gegen die Kunstschaffenden oftmals um einiges voraus. Richard Wagner brannte für die Kunst. Mit einer nur im höchsten Sinne des Wortes denkbaren Leidenschaft, definierte er seine Vision vom Kunstwerk der Zukunft. Nicht weniger ambitioniert wirkt Wagners Schrift Oper und Drama. Dass sich Richard Wagner mit seinen Ansichten nicht nur Freunde machte, mag sich von selbst verstehen. Und in der Tat geht der Bayreuther Meister mit den Kulturschaffenden seiner Zeit nicht gerade zimperlich um: „Denn uns ist wohl so viel Ehrgefühl anerzogen, nicht träge und feig erscheinen zu wollen, wohl aber mangelt es uns an dem natürlichen Stachel der Ehre zu Tätigkeit und Mut.“ Wagner formuliert zielsicher Möglichkeiten und Notwendigkeiten, die ein „gedeihlicheres Kunstschaffen im Gebiete der Dichtkunst und Musik“ bewirken. Angriffslustig gibt sich Wagner gegen all die Feiglinge, die ihre Kritik als einen „versteckten Groll“ hinter vorgehaltener Hand äußern: „Eine offen erklärte und bestimmt motivierte Feindschaft ist fruchtbar; denn sie bringt die nötige Erschütterung hervor, die Elemente reinigt, das Lautere vom Unlauteren sondert, und sichtet, was zu sichten ist. Das Gefährlichste ist die Halbheit, die überall ausgebreitet ist, jedes Kunstschaffen und jedes Urteil befangen hält. Ich musste mich aber im Besonderen scharf und unbestimmt auch nach dieser Seite hin aussprechen, weil es mir eben nicht sowohl an dem Angriffe lag, als an dem Nachweise der künstlerischen Möglichkeiten, die sich deutlich erst darstellen können, wenn wir auf einen Boden treten, von dem die Halbheit gänzlich verjagt ist.“ Bayreuth muss derzeit heftige, mehr emotional denn konstruktiv geschwängerte Kritik erfahren. Sicher liegt in so manchem ein beträchtlicher Funken Wahrheit, doch sollten wir uns fragen, in welcher Form Kritik vorgetragen wird. Allzu forsch spielt man damit denjenigen im Lande in die gierig greifenden Hände, die Bayreuth und andere Kulturinstitutionen lieber heute als morgen dem Boden gleich machen möchten. Spätestens dann hat es sich auslegitimiert mit den großen Worten „Hier gilt’s der Kunst!“ Suchen wir also noch deutlicher einen offenen, klar akzentuierten Dialog um unser gegenwärtiges Kunstwerk der Zukunft, und halten es mit dem guten, alten Richard: „Hoffnung, so verstanden zu werden, wie ich es wünsche, habe ich nur bei denen, die Mut haben, jedes Vorurteil zu brechen. Möge sie mir bei vielen erfüllt werden!“ Frank Kantereit h B L I C K rich t u n g h So, dass mein Sehnen ewig brenne Wieland Wagners a 45. Todestag ein Nachruf – auch zu den 100. Bayreuther Festspielen ls Wieland und Wolfgang Wagner 1951 die ersten Nach- kriegsfestspiele eröffneten, ahnte niemand, dass der Lebensfaden beider so eng und doch so weit auseinander liegen würde. Während Wolfgang Wagner das große Glück beschieden war, durch seine lange Schaffenskraft ab 1966 der alleinige Festspielleiter zu sein und dadurch die Festspiele als Lebenswerk geleitet zu haben, verblieb Wieland Wagner MUSIK UND DRAMA 2 Nr. 31, Dezember 2011 allerdings der zeitlose Ruhm als Erneuerer der Regie, auch in Licht, Farben und Kostümen. Wieland Wagner gelang es nach 1945, einen radikal neuen und völlig eigenen Stil einzuschlagen, der alles bisherige, vor allem im Festspielhaus inszenierte, in den Schatten stellte. Seine nie dagewesene Lichtregie und die fast leere Bühne empörten die Alt-Wagnerianer, aber was viel wichtiger ist, sie begeistert alle Publikumsschichten bis auf den heutigen Tag. Was kann es schöneres geben, nicht nur für Wieland Wagner posthum, sondern auch für seine Kinder, dass seine Kunst bis in die Gegenwart so lebendig geblieben ist. Generationen von Bühnenakteuren haben sich daran orientiert. Zahlreiche Bücher gibt es über ihn und seine Arbeit. Besonderes aber ist es Ingrid Kapsamer gelungen, mit ihrem neuen Buch über Wieland Wagner mit dem verlockenden Titel BLICKRICHTUNG | BLICKWINKEL Der RWV Berlin-Brandenburg hatte daher in diesem Jahr auch einen Ehrenkranz für das Andenken Wieland Wagners auf das Familiengrab auf dem Stadtfriedhof in Bayreuth zu Beginn der Festspiele legen lassen. Auch in Bezug darauf, dass die Stadt Bayreuth, und der Grüne Hügel mit seinem Festspielhaus in diesem Jahr ihre 100. Festspiele feiern konnten. Das Gedenken daran fiel leider vergleichsweise intern aus, denn es gab nur eine einzige Feier, ausgerichtet von der TAFF, dem Team aktiver Festspielförderer. Aber dafür nahmen an der Feier auf eine der Probebühnen des Hauses immerhin an die 850 Gäste und Mitarbeiter teil. Rainer Fineske © Redaktion Wegbereiter und Weltwirkung, das im Festspielsommer in diesem Jahr gemeinsam von Ingrid Kapsamer und der Musikwissenschaftlerin und Tochter Wieland Wagners, Dr. Nike Wagner, die das exzellente Vorwort geschrieben hat, in der Markgrafenbuchhandlung in Bayreuth vorgestellt wurde, nebenbei bemerkt vor übervollem Haus. Auch das ein Zeichen, wie gegenwärtig Wieland Wagner geblieben ist, keine Verklärung sondern Wahrnehmung eines wegweisenden Könnens. Wieland Wagner h B L I C K wink e l h Mein Weg heißt mich nur vorwärts eilen Vom 9. August – 14. August 2011 a besuchten in diesem Jahr wieder fünf Stipendiaten unseres Verbandes die Bayreuther Festspiele. m Anreisetag wurden in der Stadthalle die Stipendiaten- unterlagen ausgegeben und die Verteilung der Quartiere bekannt gegeben. Am nächsten Morgen fand ab 10 Uhr dann der Empfang der Stipendiaten in der Walhall-Lounge auf dem Grünen Hügel 4 statt. Es ist das alte Bayreuther Forsthaus, das sich auf der Westseite des Festspielhauses befindet, vor einigen Jahren saniert wurde und heute ein Restaurant beherbergt. Im Anschluss daran wurde um 11:30 Uhr das Festspielhaus besichtigt. Zu Beginn begrüßten die Co-Fest- spielleiterin Eva Wagner-Pasquier, sowie die letzte Ur-Enkelin von Richard Wagner und Tante der Festspielleiterinnen, Frau Verena Lafferentz-Wagner, die unser Ehrenmitglied ist, die rund 250 jungen Künstler(innen). Am Abend erfolgte dann der Besuch der Festspiele mit der Aufführung Tristan und Isolde. Es folgten lebhafte Unterhaltungen in den Pausen über den minimalistischen Stil des Regisseurs Christoph Marthaler und die Protagonisten und das Bühnenbild. Am Donnerstag gab es am Morgen die Möglichkeiten der Stadtfüh- rung und der Besuche der Museen für Franz Liszt und Jean Paul. Am Abend folgte dann zum ersten Mal in der Geschichte der Hundertjährigen Stipendienstiftung ein öffentliches Stipendiatenkonzert im Großen Saal der Bayreuther Stadthalle, das regen Zuspruch vor allem in der Öffentlichkeit und bei den Vertretern und Mitgliedern der Wagnerverbände weltweit fand. Das Konzert moderierte Frau Prof. Eva Märtson, unsere Präsidentin des Richard-Wagner-Verband International, mit viel Verve und Einfühlungsvermögen für die jungen Künstler. Nr. 31, Dezember 2011 MUSIK UND DRAMA 3 BLICKWINKEL Am Freitag gab es als zweites Novum in der Geschichte der Stipendienstiftung eine Kranzniederlegung auf dem Grabe von Cosima und Richard Wagner im Park der Villa Wahnfried. Es sprachen der Oberbürgermeister Dr. Michael Hohl als Vorsitzender der Stipendienstiftung und Frau Prof. Eva Märtson Worte der Begrüßung und übermittelten gute Wünsche zum Gelingen des diesjährigen Aufenthaltes der Stipendiaten in der Stadt und zum Besuch der Festspiele. Am Nachmittag besuchten alle gemeinsam die Aufführung der Meistersinger von Nürnberg in der Regie von Katharina Wagner und dem Dirigat von Sebastian Weigle. Die Inszenierung stieß auf reges Interesse und durchaus auch auf herzhaften Zuspruch bei den Stipendiaten. An dieser Inszenierung sieht man ganz eindeutig wie sich die Sichtweise zwischen den Generationen enorm unterscheidet. Was durchaus auch wieder neue Sichtweisen im Publikum erschließt. Um 10:30 Uhr besuchten die jungen Künstler den Einführungsvortrag von Dr. Sven Friedrich zu den Meistersingern von Nürnberg. Im Anschluss daran fanden sich alle wieder zu einem gemeinsamen Mittagessen im Balkonsaal der Stadthalle. Am Vormittag des Samstag besuchten die Stipendiaten den Einführungsvortrag von Dr. Sven Friedrich zur Oper Tannhäuser. Alle Vorträge fanden im Chorprobensaal des Festspielhauses statt und waren auf die jeweiligen Inszenierungen ausgerichtet. © Redaktion in weiteres Mal schmückt ein Titelbild von Stefan Merkt unser Magazin MUSIK und DRAMA. Der Richard-WagnerVerband ist glücklich, mit diesem Künstler bis zum Wagnerjahr 2013 einen kompletten Zyklus diverser Wagnerbildmotive zu erarbeiten und zu präsentieren. Stefan Merkt, Stampagenkünstler Die Kunst der Stampage ist etwas Ausgefallenes und Besonderes. Seit Sommer 1989 erschafft Stefan Merkt seine Kunstwerke aus gewöhnlichen Briefmarken. Mosaikartig werden von ihm hunderte dieser bunten MUSIK UND DRAMA 4 Nr. 31, Dezember 2011 Postwertzeichen und übermalt. zusammengefügt Für ihn stellt die Beschäftigung mit Richard Wagner etwas Neues und Aufregendes dar. „Bei der Überlegung, welches Motiv die aktuelle Ausgabe von „MUSIK und DRAMA“ zieren soll, war mir schnell klar, dass es dieses Mal etwas anderes als ein Richard-Wagner-Portrait sein müsste. Also ein Thema oder ein einprägendes Bild – nur welches? Und wie kann ich es in meiner Technik am wirkungsvollsten umsetzen? Am Morgen des Sonntag erfolgte dann die Abreise nach einem umfangreichen Programm und spannenden Eindrücken von den diesjährigen Bayreuther Festspielen. Vor den jungen, hoffnungsvollen Künstlern liegt ein aufregender Weg in eine wünschenswert erfolgreiche Zukunft. Rainer Fineske ländischen Postwertzeichen aus dem Jahre 1910.“ Wenn Sie sich einen Eindruck dieser einzigartigen Kunst der Stampage verschaffen wollen, schauen Sie einmal auf die Homepage von Stefan Merkt: www.stampagen.com Der RWV Berlin-Brandenburg e. V. dankt Stefan Merkt für die, speziell für das Magazin MUSIK und DRAMA angefertigten, Kunstwerke. Frank Kantereit Plötzlich ließ mich der „Fliegende Holländer“ nicht mehr los. Sein stolzes Schiff sollte es sein. Und so wie mich diese energiegeladene Musik Richard Wagners fasziniert, so kraftvoll sollten die stürmischen Winde seine roten Segel blähen. Und plötzlich stimmt der Chor der Matrosen an zu ‚Steuermann lass die Wacht‘ – obwohl kein Mensch auf dem Schiff zu erkennen ist. Nur wer genau hinschaut erkennt, das Besondere an diesem Bild. Es setzt sich aus hunderten von gebrauchten Briefmarken zusammen – Das Schiff, Segel und das Wasser sogar aus hol- © Stefan Merkt e Den Anker los! Johohe! Hojohe! Am Nachmittag wurde die Aufführung des Tannhäuser, der diesjährigen Neuproduktion in der Regie von Sebastian Baumgarten und dem Dirigat von Thomas Hengelbrock, besucht. Nach der Vorstellung wurden die Stipendiaten auf einem Empfang im Steigenberger Festspielrestaurant feierlich verabschiedet. Titelmotiv von Stefan Merkt RÜCKBLICK h r ü ckblick h z Wie fang ich nach der Regel an? um Abschluss unserer Ge- sprächsreihe über die Berliner Opernstiftung: Der Generaldirektor zu Auftrag und Wirken der Stiftung Peter F. Raddatz im Gespräch mit Rainer Fineske am 12. September 2011 Bei der Ernennung zum in Folge dritten Chef der Berliner Opernstiftung – nach Schindhelm und Rosinski – ging ihm der Ruf voraus, im Stahlbad von Köln für seine Aufgabe in Berlin hinsichtlich des Agierens in den politischen Machtspielen fit gemacht worden zu sein. Seit September 2009 leitet Peter F. Raddatz die Berliner Opernstiftung; er ist gleichzeitig Geschäftsführer des stiftungseigenen Bühnenservice. Er war zuvor u. a. langjähriger Kaufmännischer Geschäftsführer des Schauspielhauses Hamburg und zuletzt in Köln als Geschäftsführer von Oper und Schauspiel engagiert. Gleich zu Beginn überrascht die Aussage des verantwortlichen Chefs, dass nach seiner persönlichen Auffassung zur Rettung der drei Berliner Opernhäuser nicht zwangsläufig die Gründung der Opernstiftung als sachlich maßgebende Maßnahme erforderlich gewesen wäre – politisch gesehen vielleicht ja schon. Allerdings seien die Synergien groß, vor allem dabei der gemeinsame Bühnenservice für die drei Opernhäuser wichtig, der zusätzlich auch für weitere Bühnen, wie z. B. das Deutsche Theater arbeitet. Hierbei ist es nicht sehr entscheidend, dass jetzt nach dem in diesem Sommer abgeschlossenen Umzug der Werkstätten an den Ostbahnhof sie ihre Schlagkraft und Flexibilität ihren Nutzern laufend beweisen. Weitere Rationalisierungserfolge liegen im Bereich der Personalverwaltung und der Buchhaltung. Die Stiftung ist mit 121 Millionen Euro vom Senat Berlin ausgestattet, dazu 30 Millionen Einnahmen (wegen der kleineren Kapazität der Staatsoper im Schillertheater z. Zt. nur 25 Millionen). Diese Finanzierung ist bis 2014 festgeschrieben. Raddatz geht davon aus, dass bis dahin die Rationalisierungserfolge, die dieser Konstanz der Mittel geschuldet sind, erschöpft und deshalb ab 2015 ca. 30 Millionen Aufstockung erforderlich sind, um ohne Abstriche an Angebot und künstlerischer Qualität auf die bis dahin vorzusehende Angleichung des Gehaltsniveaus an Landes- und Flächentarife reagieren zu können. Dabei sind die tariflichen Verhandlungen mit einer Hand voll unterschiedlicher Gewerkschaften schon anspruchsvoll. Das für die Summe der Zuwendungen und ihre übergeordnete Verteilung auf die Häuser als Partner des Senats zuständige Gremium ist der Stiftungsrat. Er setzt sich zusammen aus dem Regierenden Bürgermeister und dem Senator für Finanzen sowie externen Beratern (Vertreter der Bayerischen Staatsoper, des RBB, des Sparkassen- und Giroverbandes und der Commerzbank) und dem Vorsitzenden des Personalrats der Stiftung. Das für den Geschäftsbetrieb und die laufende Koordination der fünf or- Der Welt melden Weise nichts mehr Die Bayreuther Festspiele: d Utopie und Niedergang – Ein Vortrag Dr. Dieter David Scholz am 26.09.2011 ie Bayreuther Festspielge- schichte als Geschichte einer Utopie und ihres Niedergangs versuchte der renommierte Journalist Dr. Dieter David Scholz beim Richard-Wagner-Verband Berlin-Brandenburg darzustellen. In einem historischen Rückblick erinnerte er daran, dass die Festspiele von Anfang an darauf angelegt waren, die Utopie einer totalen Alternative zu sein, wie es Oswald Georg Bauer ein- ganisatorischen Einheiten, d. h. den künstlerisch selbständigen Opernhäusern, dem Staatsballett und den Werkstätten, zuständige Gremium ist der Stiftungsvorstand, bestehend aus dem Generaldirektor der Stiftung (gleichzeitig als Geschäftsführer des Bühnenservice) sowie den Intendanten und Geschäftsführenden Direktoren der Häuser und des Balletts. Neben der laufenden Koordination, z. B. die mittelfristige Spielplangestaltung, war eine übergeordnete Aufgabe des Vorstands die Beherrschung der Staatsopernsanierung ohne eine Schwächung des Betriebs der anderen Häuser und es wird eine weiterführende Aufgabe die Verbesserung der Verwaltungsabläufe z. B. durch verbesserte IT-Verfahren und die Umsetzung eines schon mehrfach angekündigten gemeinsamen Ticketings sein. Wenn auch in weiterer Zukunft eine Koordination und die Aufrechterhaltung der Einsparungen in den Verwaltungs- und Dienstleistungsbetrieben erforderlich ist, steht Raddatz zu seiner persönlichen Meinung: Eine Fortschreibung der übergestülpten Stiftung mit eigenem Generaldirektor ist aus dieser Aufgabenstellung heraus nach Auslauf seines Vertrages nicht zwingend. Jürgen Moeller Anmerkung der Redaktion: Wie zwischenzeitlich bekannt wurde, verlässt Raddatz die Opernstiftung in Richtung Schauspielhaus Hamburg in 2013. Ein Nachfolger ist (noch) nicht bekannt. mal formulierte. Wagner habe beabsichtigt, den sozialen Bewegungen ein schönes und hohes Ziel zuzuweisen, das Ziel edler Menschlichkeit. In sieben Kapiteln legte Dr. Scholz dar, wie problematisch es für Wagner und für seine Nachfolger als Festspiel- Nr. 31, Dezember 2011 MUSIK UND DRAMA 5 RÜCKBLICK leiter (Cosima/Siegfried) war, diesem Anspruch zu genügen, weil die Idee immer wieder am gesellschaftlichen Umfeld und am ideologisch ausgerichteten Weltbild vermeintlicher Wagnerianer zu scheitern drohte. Eine rechtsnationale Wagnervereinnahmung war bereits in den letzten Jahren vor dem ersten Weltkrieg erkennbar. Die ideologische Saat sollte einige Jahre später aufs Furchtbarste aufgehen. Verhältnis der Deutschen zu Wagner ist das gestörte Verhältnis zu ihrer Geschichte“. Der Bayreuther Neuanfang unter Wieland und Wolfgang kam der Idee von Wagners Utopie der Alternative – so Dr. Scholz – eigentlich sehr nahe, indem Wieland mit ganz neuen Mitteln bewies, dass Wagners Ideendramen zeitlos sind und immer wieder neu gedeutet werden können, ja wohl auch gedeutet werden müssen. Ausführlich befasste sich Dr. Scholz mit den Festspielen während der Hitler-Ära unter Leitung Winifred Wagners. Er setzte sich mit Hitlers äußerst selektiver Wahrnehmung Wagners als schwülstig-bombastischen Instrumentator nationalistischer Ideen auseinander und mit der Vereinnahmung der Kriegsfestspiele als Propagandaveranstaltung des Dritten Reiches. Die Fehlinterpretationen haben zu Verstörungen geführt, welche teilweise bis heute anhalten, und von Wagnerbiograph Martin GregorDellin mit folgenden Worten auf den Punkt gebracht wurden: „Das gestörte Nach Wielands Tod habe Wolfgang den von seinem Bruder definierten Begriff Werkstatt Bayreuth konkretisiert und umzusetzen verstanden. Die Bayreuther Festspiele seien unter seiner Ägide eines der erfolgreichsten Festspiele der Welt geworden. Seine wichtigste Lebensleistung sei sicherlich die Gründung der Richard Wagner Stiftung zur Erhaltung der Festspiele gewesen, die ansonsten durch Familienauseinandersetzungen und finanzielle Unsicherheiten gefährdet gewesen wären. So wird mir der Weg gewiesen a Siegfried Wagner – ein höchst origineller Komponist Und – wie sollte es anders sein – hielt er einen Vortrag über Siegfried Wagner, den Sohn des Bayreuther Meisters. Selbstverständlich ist Siegfried selbst auch ein Meister, aber einer, der seine eigenen Tonschöpfungen, losgelöst von seinem Übervater kommunizieren, sprich aufführen konnte. Siegfried Wagnerss Werke, und derer sind es viele, gehörten, wie wir erfuhren, zu den meist gespielten Werken auf deutschen Opernbühnen bis 1945. Etliche von ihnen gibt es in der Zwischenzweit auch als Einspielungen auf CD oder DVD. MUSIK UND DRAMA 6 Nr. 31, Dezember 2011 © Redaktion m 10. Oktober 2011 war der Musikwissenschaftler, Re gisseur und Vorsitzende der weltweit agierenden SiegfriedWagner-Gesellschaft, Prof. Dr. Peter P. Pachl in unserem Verband zu Gast. Richard und Siegfried Wagner Nach Wolfgangs Tod sieht Dr. Scholz kritisch und besorgt in die Zukunft. Die Bayreuther Festspiele, so der Vortragende, entfernen sich zusehends von ihren ursprünglichen Intentionen. Den Halbschwestern Katherina und Eva Wagner sei es bisher nicht gelungen, ein tragfähiges Zukunftskonzept mit einer gemeinsamen Programmatik und einem künstlerischen Credo zu entwickeln. Konzessionen an den sogenannten Zeitgeist durch Verpflichtung werkfremder und umstrittener Regisseure, überflüssige Begleitveranstaltungen und finanzielle Einbußen können zu einem Imageschaden führen, der kaum wieder gut zu machen sei und auf potentielle Förderer wie aufs Publikum eine negative Signalwirkung haben kann. Die erkennbare Ferne von jeder Utopie einer totalen Alternative sei nicht nur eine Gefahr für die Zukunft der Bayreuther Festspiele, sie sei vor allem das größte Missverständnis dessen, was Richard Wagner mit seinen Festspielen ursprünglich vorschwebte. Dieter Kahle Die Heilige Linde, 1927 komponiert und erst 2001 uraufgeführt, gehört zu den Werken, die ihren musikalischen Reichtum mit am schönsten entfaltet, weil in diesem Werk das ganze Können der voran gegangenen großen Opern Siegfried Wagners mit einfließt. Jeder kann sich die Einspielung aus Köln von 2001 anhören, sie ist im Handel erhältlich. In den Audio- und Video-Beispielen führte Prof. Pachl uns auf das Beste vor Augen und Ohren, wo und bei welchen Komponisten Siegfried Wagner sich orientierte, ohne in Plagiate seines Vaters zu verfallen. Seine Musik schlägt einen durchaus modernen großen Bogen von Richard Strauss bis hin zu Schostakowitsch und den damaligen stark vertretenen Jazz-Protagonisten. In seinen Opernwerken gibt sich der Komponist als ein Künstler und Komponist der Gegenwart mit all ihren Facetten, die ihm aber im politischen Bereich sei- RÜCKBLICK | FERNBLICK Seine eigene Inszenierung der Oper An allem ist Hütchen schuld im Opernhaus Hagen, führt uns sehr differenziert die ihm eigene Art von Humor in Verbindung mit Dramatik und Tragik in seinen Werken vor Augen, ein ganz eigenes Genre, das sich für manches Opernhaus lohnen würde, es auf die Bühne zu stellen, nur schade, dass wohl immer der Aspekt des sich Lohnens dabei im Vordergrund steht. Von seinen vielen Opern gelang es Peter P. Pachl vor etlichen Jahren in Rudolstadt, einige Opern Siegfried Wagners zu inszenieren und dem Publikum, das er zu begeistern vermochte, näher zu bringen. Es sind so wundersame Titel wie Schwarzschwa- nenreich oder Der Schmied von Marienburg dabei. Alle Werke wurden auch im Rundfunk übertragen. Peter P. Pachl gelang es auf seine ganz besondere Art, unsere Mitglieder und Gäste für den Komponisten einzunehmen und in vielerlei Hinsicht zu überzeugen. Wer weiß, vielleicht erleben wir Berliner doch noch die Renaissance eines seiner Werke, alle sind durchweg für die große Bühne geeignet und auch für ein Orchester etwas ganz Besonderes und Bereicherndes. Nebenbei bemerkt, ließ uns der Vortragende wissen, dass nach dem 2. Weltkrieg die Witwe Siegfried Wagners, nämlich Winifred Wagner, sehr stark versucht hat, die Aufführungen zu unterbinden, was ihr in vielen Fällen auch gelang, denn der Urheberschutz läuft erst nach 70 Jahren aus. Aber in der heutigen Zeit dürfte das sicher kein Problem mehr darstellen. Rainer Fineske © Redaktion ner Zeit zum Teil durchaus verloren ging, ein merkwürdiger Gegensatz, den Herr Pachl verstand uns plausibel zu vermitteln. Siegfried Wagner h f e rnblick h i Wer als Meister ward geboren… n diesem Jahr vollendete sich der 200. Geburtstag des Pianisten und Komponisten Franz Liszt am 22. Oktober 2011. Das veranstaltungsreiche Liszt-Jahr endete mit dem Festkonzert-Wochenende am 22. und 23. Oktober 2011. Im März, zu Beginn des Jahres gab der weltberühmte Bariton Thomas Hampson einen festlichen Liederabend zu Ehren des Komponisten Franz Liszt. Es wurden u. a. ausgewählte Lieder von Franz Liszt und Gustav Mahler gegeben, begleitet von dem kongenialen Liedbegleiter und Professor für Liedgesang an der Berliner Hochschule für Gesang Hanns Eisler, Wolfram Rieger. Das Publikum ließ den Sänger und seinen Begleiter erst nach entsprechenden Zugaben von der Bühne ziehen. Dann folgte das ganze Jahr über eine Veranstaltung nach der anderen. Gleich, ob es Kammerkonzerte, Vor- träge oder gesangliche Darstellungen verschiedenster Art waren, Liszt war allgegenwärtig. Bei Steingräber, der Pianoforte-Fabrik in Bayreuth, gab es Klavier-Wettbewerbe um Liszt herum, und eine hervorragend gemachte Ausstellung, die auf Material von Siegfried Wagner, dem Enkel Liszts, basierte, der sich im Anfang des 20. Jahrhunderts intensiv mit seinem Großvater und dessen vielseitigem Schaffen auseinander setzte. Zu Beginn der Festspiele gab Hèléne Grimaud einen Klavierabend mit höchster Vollendung und Hingabe an das Programm. Im ersten Teil des Konzertes begann sie sehr durchdacht mit der Sonate a-Moll KV 310 von Wolfgang Amadeus Mozart, und vor der Pause schloss sie den ersten Teil mit Alban Bergs Sonate op.1, einer wunderbar klugen Überleitung in die Moderne, ab. Zu Beginn des zweiten Teils fand sie zu Franz Liszt mit seiner durch- komponierten und teilweise expressiv durchdrungenen Sonate in h-Moll, deren Klänge schon absolut in der Gegenwart angekommen zu sein scheinen. Sie vollendete ihren Klavierabend mit den Rumänischen Volkstänzen Sz 56 von Bela Bartók. Durch diese Programmwahl gelang ihr der Bogen von höchster Musikalität und Darstellung aus der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts bis in unsere Gegenwart. Das Publikum konnte man selten so begeistert in Bayreuth erleben, wie an diesem Vorabend der Eröffnung der 100. Bayreuther Festspiele. Am Geburtstagswochenende des Musikers Franz Liszt selbst, gab die Stadt Bayreuth zwei Festkonzerte in der Stadthalle. Am Samstag den 22. Oktober waren die Chöre und das Orchester der Musikakademie der Stadt Budapest zu Gast mit dem Oratorium Christus. Die Festredner waren der Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth Herr Dr. Hohl, und der Leiter der Hochschule für Mu- Nr. 31, Dezember 2011 MUSIK UND DRAMA 7 FERNBLICK | RUNDBLICK © Redaktion Balkonsaal der Stadthalle mit zahlreichen Ehrengästen. Franz Liszt sik Franz Liszt Weimar, Prof. Dr. Altenburg.,Beide Festvorträge waren ausgezeichnet durch immenses Wis- sen und Exaktheit über den Jubilar. Im Anschluss an das Konzert gab die Stadt Bayreuth ihren Empfang im Am Sonntag gaben dann das Weimarer Hochschulorchester unter der Leitung von Christian Thielemann das zweite Festkonzert mit der Tannhäuser-Ouvertüre, eigentlich unnötigerweise, denn der Jubilar konnte durchaus auch mit eigenen Werken durchaus fulminant prunken. Im ersten Teil gab es das Klavierkonzert Nr. 2 A-Dur, am Flügel der Pianist Konstantin Scherbakov mit hinreißender Verve. Zu Beginn des zweiten Teils stand zuerst der Totentanz (Paraphrase über „dies irae“) auf dem Programm, mit einem Eindruck als sei man schon bei Schostakowitsch und seinen Sinfonien angekommen. Zum Abschluss wurde, zumindest sicher in Bayreuth zum ersten Mal nach dem zweiten Weltkrieg, die Sinfonische Dichtung Nr. 3, allen besser bekannt als Les Préludes, gespielt. Erst wenn man die Möglichkeit hat diese wundervolle Tondichtung komplett zu hören, besonders unter Christian Thielemann, geht einem das musikalische Herz auf, vor so viel bisher ungehörter Schönheit und Klangfarbigkeit. Damit schloss sich der Reigen des Liszt-Jahres mit seinem enormen Aufgebot an Ehrungen und Veranstaltungen des genialen Meisters, der Richard Wagner die Zukunft gewiesen hat, und ohne den es sicher nicht das Bayreuth von Heute mit seinen Festspielen geben würde. Rainer Fineske h r u ndb L I C K h Sogleich die Anker lichten wir Die weltweit aktuellen e Neuinszenierungen der Werke Richard Wagners Bari – Götterdämmerung MUSIK UND DRAMA 8 Nr. 31, Dezember 2011 „Segeln Sie durch die faszinierende Bilderwelt Wagnerscher Werke. © Redaktion © Redaktion rleben Sie die einzelnen Neu- Opernbühnen der Welt. Bilden Sie inszenierungen als eindrück- sich mit der Ihnen eigenen Fantasie liche Fotoreise hin zu den eine Meinung darüber, wie Wagners © Redaktion Utopie der Kunst durch die Künstler unserer Zeit umgesetzt wird. Bayreuth – Tannhäuser Bern – Holländer Enschede – Siegfried © Redaktion © Redaktion © Redaktion RUNDBLICK Klagenfurt – Der fliegende Holländer © Redaktion Erl – Tannhäuser © Redaktion © Redaktion Braunschweig – Tristan und Isolde Liége – Der fliegende Holländer © Redaktion © Redaktion © Redaktion Bremen – Tannhäuser Frankfurt – Siegfried Mainz – Tristan und Isolde © Redaktion © Redaktion © Redaktion Bochum – Tristan und Isolde Mannheim – Das Rheingold Halberstadt – Lohengrin Dortmund – Der fliegende Holländer New York – Siegfried © Redaktion Halle – Die Walküre © Redaktion © Redaktion Darmstadt – Götterdämmerung © Redaktion © Redaktion © Redaktion Darmstadt – Siegfried Innsbruck – Lohengrin Nürnberg – Die Meistersinger von Nürnberg Nr. 31, Dezember 2011 MUSIK UND DRAMA 9 Riga – Götterdämmerung © Redaktion © Redaktion © Redaktion RUNDBLICK | EINBLICK Talin – Parsifal Savonnlina – Lohengrin Der Premierenspiegel für den Chronisten (Juli 2011 – Dezember 2011) Bedacht sind sowohl szenische, wie konzertante Aufführungen Der fliegende Holländer Tannhäuser Tristan und Isolde Die Meistersinger von Nürnberg Das Rheingold Die Walküre Siegfried Götterdämmerung Parsifal Lohengrin Bern/Dortmund/Klagenfurt/Liége/London/Wuppertal Bayreuth/Bremen/Erl/Paris/ Bochum/Braunschweig/Mainz Nürnberg Mannheim Halle Darmstadt/ Frankfurt/ Leipzig/ New York Bari/ Darmstadt/Riga Berlin/ Halberstadt/Innsbruck/ Savonnlina Talin Einige Premieren fanden nach Redaktionsschluss statt, dazu mehr in Ausgabe Nr. 32 Zusammenstellung: Frank Kantereit h e inb L I C K h Stets soll nur dir, nur dir mein Lied ertönen d Die Werke Wagners in Aufführungen der Berliner Opernhäuser in der zweiten Jahreshälfte 2011 Ein fürwahr mutiges Unterfangen, an den Beginn einer neuen Spielzeit zwei zyklische Aufführungen von Wagners RING zu stellen. Ein fulminanter Saisonauftakt an der Deutschen Oper Berlin. Seit einem Vierteljahrhundert schmückt dieser grandiose TUNNEL-RING den Spielplan des Hauses. Sorgte er in den zurückliegenden Jahren stets für ausverkaufte Häuser, so lief heuer der Kartenverkauf zäh an und in beide Zyklen war das Haus nicht zur Gänze gefüllt. Dies lag sicher nicht an GMD Donald Runnicles, der im Verein mit seinem Orchester Großartiges bot. Es MUSIK UND DRAMA 10 unverwüstlichen Burkhard Ulrich. Die Ursache mag ihren Grund in der unattraktiven Besetzung der zentralen Rollen Wotan und Brünnhilde haben. Als wenig glücklich erwies sich Wotan/Wanderer mit dem unzulänglichen Mark Delavan (in der Walküre übernahm auch nicht restlos überzeugend Greer Grimsley den Göttervater). Absoluter Schwachpunkt war letztlich die Brünnhilde der polarisierenden Janice Baird (in der Walküre sang Jennifer Wilson weitaus passabler, wenn auch nicht wirklich überwältigend, Wotans holde Wunschmaid). eutsche Oper Berlin: Der Ring des Nibelungen September 2011 Nr. 31, Dezember 2011 © Redaktion Berlin – Der Ring des Nibelungen lag auch wohl kaum an bewährten Wagnerkräften wie Petra Maria Schnitzer, Robert Dean Smith, Torsten Kerl, Stephen Gould oder dem Das Berliner Publikum ist in puncto Wagner mehr als verwöhnt und erwartet das Allerbeste. Und das war mit dieser Besetzung nun einmal bei weitem nicht aufgeboten. EINBLICK | SEITENBLICK Deutsche Oper Berlin: Tannhäuser Oktober/November/Dezember 2011 däquat: Manuela Uhl als blonde Venus-Elisabeth. Die neue Haarpracht steht ihr fantastisch und spornt sie Höhepunkt: Das überirdisch schön aufspielende Rundfunk-Sinfonieorchester und der klangerfüllt tönende Rundfunkchor. © Redaktion Wagnerwonnen pur bot Klaus Florian Voigt in seiner vermutlich besten Partie, als Lohengrin. An seiner Stimme mögen sich die Geister scheiden, wie er aber gerade als Schwanenritter mit silbriger Lyrik und beseeltem Schmelz zu verzaubern weiß, das sucht auf den Bühnen der Welt derzeit seinesgleichen. Annette Dasch hinterlässt als Elsa einen zwiespältigen Eindruck, ist sie doch im Grunde nicht wahrhaftig eine Wagnersängerin und hat mit den dramatischen Passagen recht viel Mühe. Berlin – Tannhäuser zu befreitem Spiel an. Bravo! Ach ja, dann war da noch der Sänger der Titelrolle. Da schweigt des Sängers Höflichkeit. Nach unserem Redaktionsschluss steht im Dezember 2011 die Tannhäuser-Inszenierung von Kirsten Harms noch zweimal auf dem Programm. Peter Seiffert und Petra Maria Schnitzer sind für die Hauptpartien angesetzt, ebenso Markus Brück in seiner Paraderolle des Wolfram von Eschenbach. Philharmonie – Wagnerzyklus des RSO (Marek Janowski): Lohengrin November 2011 Das böse Paar war mit Susanne Resmark und Gerd Grochowski rollendeckend, aber nicht herausragend besetzt. Einmal mehr restlos überzeugend, erfreute Markus Brück als kraftvoll ausladend klingender Heerrufer. Einen Bassgenuss einzigartiger Güte bescherte Günther Groissböck. © Redaktion Ihrem Ruf als das Wagneropernhaus am Platze wurde die Deutsche Oper mit zwei Aufführungen des hochromantischen Minnesängerdramas im Oktober und November gerecht. Dieser Tannhäuser hatte drei Trümpfe, die beiden Abenden nachdrücklich allerhöchste Qualität verliehen. Erster Trumpf: Der famose, schier unübertreffliche Chor der DOB unter William Spaulding. Zweiter Trumpf: Markus Brück, dessen Gesangskunst ebenso hoch erstrahlt wie der Stern, den er so hingebungsvoll besingt. STERNSTUNDENQUALITÄT! (Lob den einfühlsamen Harfen). Dritter Trumpf: Das Orchester unter Donald Runnicles, der ein intensiv leidenschaftliches Dirigat mit großartigem Format hinlegte. Ein Sänger, der hörbar positiv an sich arbeitet und von dem wir sicher noch sehr viel hören werden: Thomas Blondelle. Sein Walther von der Vogelweide war mehr als hörenswert. Und ... schmunzel ... endlich durften wir es erleben: Rollen- und inszenierungsa- Marek Janowski – Der fliegende Holländer Triumphal umjubelt wurde die konzertante Aufführung des Schwanenrittermärchens in der Philharmonie am 12. November 2011. Marek Janowski setzte seinen Wagner-Zyklus mit einer begeisterungswürdigen Darbietung des Lohengrin fort. Unumstrittener Bleibt am Ende die Gretchenfrage: Fehlt dem Ganzen nun die szenischinszenatorische Komponente oder nicht? Die Antwort möge sich ein jeder selbst geben. Frank Kantereit h s e i t e nb L I C K h d Selbst muss der Freie sich bilden ie Deutsche Oper Berlin setzt die kontinuierliche Er- neuerung ihres WagnerRepertoires im April 2012 mit einer Neuinszenierung der romantischen Oper Lohengrin fort. Große Teile des Publikums beobachten mit gewisser Sorge und Wehmut, dass somit un- weigerlich Schritt für Schritt die legendären Inszenierungen von Götz Friedrich aus dem Repertoirealltag verschwinden und durch etwas ungewisses Neues ersetzt werden. Als weiland der Tristan abgesetzt wur- Nr. 31, Dezember 2011 MUSIK UND DRAMA 11 SEITENBLICK Es ist müßig, darüber zu spekulieren, was Götz Friedrich selbst dazu sagen würde. Aber es dürfte nicht uninteressant sein, einmal in alten Aufzeichnungen zu blättern und zu erinnern, was der leidenschaftliche Regisseur des lebendigen Musiktheaters zu Papier brachte, wenn es darum ging, über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Oper im Allgemeinen und in Berlin im Besonderen nachzudenken. Oper in Berlin – Götz Friedrich kennzeichnete das als eine permanente Suche nach einer tieferen Sinngebung der Oper, eine Suche nach einem Selbstverständnis von Oper, das ihre künstlerischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge gleichermaßen ins Spiel bringt. Götz Friedrich benennt eine immer wieder praktizierte Berliner Dramaturgie des Musiktheaters: Oper wird nicht nur und nicht eigentlich als unverbindlicher, luxuriöser Repräsentationsgegenstand begriffen, auch nicht ausschließlich und nur als kostümiertes Konzert geduldet, sie gilt auch ganz und gar nicht als töricht oder überflüssig, sondern in ihr wird ein Kunstgehalt gesucht, in dem sich musikalische und szenische Komponenten verbinden zu einem Musiktheater, das immer auch etwas anderes und immer auch mehr ist als Musik allein und als Theater ohne Musik. Diese Ausgabe unseres Magazins ist unter das dramaturgische Motto Hier gilt‘s der Kunst! Gestellt, was einen Diskurs impliziert, nachzudenken über ein zukunftsweisendes Kunstverständnis und seine theatergemäße Notwendigkeit. Und gerade in dieser Hinsicht ist es mehr als lohnenswert, sich einmal vor Augen zu führen, wie gestaltend für die Zukunft Götz Friedrich bereits vor über 25 Jahren die Utopie eines Musiktheaters von Morgen ins Auge fasste. MUSIK UND DRAMA 12 Nr. 31, Dezember 2011 Wir sehen unsere Opernarbeit in die spannungsreiche Kontinuität zwischen dem Einst und dem Jetzt gestellt – das Einst begriffen als Tradition, Überliefertes und zugleich als das, was noch nicht da ist, als das Utopische, dem wir uns immer wieder auszuliefern haben; und das Jetzt verstanden als das unverwechselbare Heute und Hier. Hier und Heute ist uns Berlin. (…) Wenn wir heute gemeinsam über die Erwartungen an das Musiktheater nachdenken, (…), dann setzt ein Konzept für die Zukunft eine Analyse der Vergangenheit voraus, die Sichtung und Neubewertung von Traditionen des Musiktheaters in Berlin, aus denen wir reizvolle Perspektiven entwickeln können. © Redaktion de, formierten sich Wagnerfreunde, um mit Unterschriftensammlungen für den Erhalt der Produktion zu kämpfen. Man mag sich gar nicht vorstellen, was an dem Tag geschieht, da verkündet wird, dass es mit dem inzwischen weltberühmten TunnelRING endgültig aus und vorbei ist. Götz Friedrich Hoch interessant und brisant zugleich wirkt Friedrichs provozierende These über moderne Bühnenkunst, die sich zur Aufgabe gestellt hat, Altes und Neues gleichermaßen zugunsten heute zu machender Erfahrungen aufzuführen. Hier gilt unweigerlich die Frage, ob es für ein Theater, das sich dem kreativen Individuum wie der interessierten Gesellschaft verpflichtet fühlt, je den `klassischen Bereich` der Kunst gegeben hat, der ohne Wirkung auf die Gesellschaft und ohne Frage nach ihrer Veränderbarkeit existiert hätte. Nicht zuletzt ist es Wagners Tannhäuser, der Götz Friedrich fragen lässt: Wie frei ist der schöpferische Künstler, und wie reguliert sich seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft? Ist die bestehende Gesellschaft gemeint, oder geht es um eine Veränderung, um Entwicklung? Künstlerische Freiheit – für wen? Für Götz Friedrich gibt es in Punkto künstlerischer Freiheit und die damit verbundene Streitbarkeit keinerlei Zweifel: Bei allen Auseinandersetzungen, den gegenwärtigen und den zukünftigen, gilt das Plädoyer: In dubio pro arte – Im Zweifelsfall für die Kunst, für eine Kunst, die sich nur an eins gebunden fühlt: die Freiheit, wie wir sie hoffentlich immer besser verstehen und praktizieren. Erstaunliches kommt dann aus dem Munde jenes Mannes, der als Vorreiter des heutzutage geschmähten und geächteten Begriffs Regietheater gilt: Ich halte nichts vom Begriff Regietheater, ich sehe vielmehr szenisches Musizieren als meine Berufsaufgabe an. Was das jeweils im einzelnen bedeutet, müssen die Inszenierungen zeigen oder erweisen. Das mag jetzt Wasser auf die Mühlen all derer sein, die ein streng konservatives, die Tradition bewahrendes Theater befürworten, doch da haben sie die Rechnung ohne den Wirt, ohne Götz Friedrich gemacht, der im selben Atemzug weiterdenkt: Nichts von dem, was wir taten, ist abgeschlossen, nichts dünkt uns vollendet. Von Jahr zu Jahr korrigieren wir. Das große Abenteuer der Entdeckung solchen Welttheaters ist unbegrenzt. Oftmals sitzen wir in aktuellen Inszenierungen und fragen uns ratlos: Was will der Regisseur uns damit sagen? Götz Friedrich wendet sich deutlich und engagiert gegen eine Rationalität, die alles durchschauen will, stellt aber dem Regisseur auch nicht den Freibrief für ein wildes, unkontrolliertes Handeln aus: Wieland Wagner hat einmal so schön gesagt „Man frage einen Künstler nicht nach seinen Gesichten!“ Als ich jung war und alles so schön erklären mochte, fand ich den Satz ungezogen – heute denke ich das Gegenteil. Weil ich gar nicht so richtig erklären kann, was das `sagen` soll; ich kann nur erklären, warum ich es SEITENBLICK | AUSBLICK gemacht habe. Ich kann auch erklären, dass ich die eindeutige Festlegung für albern halte. Damit schenkt Götz Friedrich dem geneigten Publikum etwas sehr Wesentliches, was heutige Regisseure durch ihr dramaturgisch bis in das Hinterletzte durchgeistigte, oftmals dadurch leidenschaftslose Theater den Zuschauern vorenthalten: den Freiraum eigener Fantasie. Mag Götz Friedrich im Gestalten von Zukunft ein gewissenhaft moderater Verwalter des Vergangenen gewesen sein, so gab es dennoch eine für ihn unabdingbare Maxime: Es genügt nicht, möglichst streng nach rückwärts zu schauen, sondern notwendig ist auch eine gute Portion Mut zur Zukunft, selbst auf das eventuelle Risiko hin, sich ganz gewaltig zu irren. Was Götz Friedrich über die heutige, oftmals fatal sinnentleerte Regieein- stellung denken mag, die im gewaltsamen Zertrümmern der Werke ihre gedankliche Neudeutung empfindet, ist nicht verbrieft. Ihm ging es stets darum, Geschichten von Menschen zu erzählen, die uns etwas angehen und in denen auch immer etwas von der Geschichte der Menschheit enthalten ist. Darin liegt der Zauber jener Unvergänglichkeit seiner Inszenierungen, die man nicht missen möchte. Fände sich ein Regisseur, der nicht langweilt mit dem Erzählen eigener Traumatas, sondern mit dem Erzählen von Geschichten, die uns unser Einzelsein, vielleicht auch unser Einsamsein bewusst machen und die gleichzeitig aufgehen in das Gefühl der humanen Kontinuität, die sich in der gesellschaftlichen Gemeinsamkeit ebenso begreifen lässt wie in der Konfrontation, dem sonst Unaussprechbaren, dem Unbegreiflichen – es wäre wahrlich besser bestellt um die Aufgeschlossenheit des Publikums seinem Theater gegenüber. Götz Friedrich sah das Theater als den Jahrtausende alten Versuch, mit Zivilisation Humanität zu erreichen. Hoffen wir, dass die Oper nicht in die paradoxe Situation gerät, ausgerechnet von der Liebe nur noch zu wenigen Menschen oder bloß noch für sich selbst oder gar nicht mehr sprechen zu können: von der Liebe zur Musik, von der Liebe zur Oper, die nichts anderes ist als die Liebe zum Menschen in seinen besseren Möglichkeiten. Sein Credo über die Liebe zur Oper ist zugleich ein Credo für die Freiheit einer sich über die Gegenwart in die Zukunft entwickelnden Kunst. Diese Gestaltung von Zukunft liegt in der Offenheit und Toleranz eines jeden einzelnen von uns. Da ist Götz Friedrich sehr, sehr nah bei Wotans Gedanken angelangt: Selbst muss der Freie sich bilden. Frank Kantereit h a u sb L I C K h Zum Fest! Heut soll sich Alles freun! w Richard Wagner in Berlin – Spielzeit 2011/12 ir wünschen beim Besuch der aufgezeigten Vorstellungen inspirie- rende Anregung, Freude und einen lebendigen Gedankenaustausch DER RING DES NIBELUNGEN – mit angereisten Wagnerfreunden aus aller Welt. DIE WALKÜRE Daniel Barenboim, Guy Cassiers – STAATSOPER IM SCHILLEREkaterina Gubanowa, Iréne Theorin, Vorstellungen: THEATER Anja Kampe, Susan Foster, Ivonne 10./18./25. März 2012 Fuchs, Danielle Halbwachs, Carola (jeweils 16 Uhr) Höhn, Anaīk Morel, Leann SandelPantaleo, Nicole Piccolomini, SimoDER RING DES NIBELUNGEN – ne Schröder, René Pape, Mikhail PeDAS RHEINGOLD trenko, Simon O´Neill Daniel Barenboim, Guy Cassiers – Ekaterina Gubanowa, Anna Samuil, Vorstellung: Anna Larsson, Aga Mikolaj, Maria 1. April 2011 (15 Uhr) Gortsevskaya, Marina Prudenskaja, Staatsoper im Schiller Theater René Pape, Jan Buchwald, Marco Kartenservice Staatsoper: Jentzsch, Iain Paterson, Eric Hal- Tel.: +49 (0)30 - 20 35 45 55 varson, Stephan Rügamer, Johannes Fax: +49 (0)30 - 20 35 44 83 Martin Kränzle, Wolfgang AlbingerTRISTAN UND ISOLDE Daniel Barenboim, Harry Kupfer, Sperhacke Hans Schavernoch – Waltraud Meier, Ekaterina Gubanowa, Ian Storey, Vorstellung: René Pape, Roman Trekel, Florian 30. März 2012 (19 Uhr) Hoffmann, Artu Kataja © Redaktion Nr. 31, Dezember 2011 MUSIK UND DRAMA 13 AUSBLICK | ÜBERBLICK DEUTSCHE OPER BERLIN Vorstellungen: 20./26./30. April 2012 (jeweils 19.30 Uhr) © Redaktion Kartenservice Deutsche Oper: Tel.: +49 (0)30 - 343 84 343 Fax: +49 (0)30 - 343 84 55 KOMISCHE OPER BERLIN LOHENGRIN Donald Runnicles, Kasper Holten, Steffen Aarfing, William Spaulding – Ricarda Merbeth, Petra Lang, Albert Dohmen, Marco Jentzsch, Gordon Hawkins, Bastiaan Everink © Redaktion Deutsche Oper Berlin Komische Oper Berlin Weitere Vorstellungen: 19./25./28. April (jeweils 18 Uhr)/ 22. April (17 Uhr) 1. Mai 2012 (17 Uhr) TRISTAN UND ISOLDE Donald Runnicles, Graham Vick, Paul Brown, William Spaulding – Petra Maria Schnitzer, Ekaterina Gubanowa, Peter Seiffert, Liang Li, Boaz Daniel, Jörg Schörner, Peter Maus, Clemens Bieber Vorstellungen: 19. Februar 2012 (16 Uhr) 25. Februar 2012 (17 Uhr) RIENZI, DER LETZTE DER TRIBUNEN Sebastian Lang-Lessing, Philipp Stölzl, William Spaulding – Manuela Uhl, Daniela Sindram, Torsten Kerl, Ante Jerkunica, Krzysztof Szumanski, Lenus Carlson, Clemens Bieber, Stephen Bronk DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG Patrick Lange, Andreas Homoki, Frank Philipp Schlößmann, Christine Mayer, Robert Heimann – Tómas Tómasson, Dimitry Ivashenko, Tom Erik Lie, Marco Jentzsch, Thomas Ebenstein, Ina Kringelborn, Karolina Gumos u. a. Vorstellungen: 10./17./24. Juni 2012 (jeweils 17 Uhr) 8. Juli 2012 (16 Uhr) Kartenservice Komische Oper Tel.: +49 (0)30 - 479974.00 Fax: +49 (0)30 - 479974.90 PHILHARMONIE BERLIN Marek Janowski wird von 2010 bis 2013 die zehn wichtigsten Bühnenwerke von Richard Wagner in der Berliner Philharmonie mit dem Rundfunksinfonieorchester Berlin, dem Rundfunkchor Berlin sowie international renommierten Wagnersängern konzertant aufführen. Anliegen des Chefdirigenten und Künstlerischen Leiters des RSB ist es, die hohe musikalische Qualität der Wagnerschen Kompositionen ohne jegliche szenische Deutung allein auf die Musik konzentriert dem Publikum zu vermitteln. Termine in der Philharmonie Berlin: TRISTAN UND ISOLDE Nina Stemme, Michelle Breedt, Kwangchul Youn, Stephen Gould, Johan Reuter, Simon Pauly, Timothy Fallon, Tobias Berndt, Clemens Bieber Rundfunkchor Berlin, Herren | Eberhard Friedrich – Choreinstudierung 27. März 2012 (18 Uhr) TANNHÄUSER Nina Stemme, Marina Prudenskaja, Bianca Reim, Albert Dohmen, Torsten Kerl, Christian Gerhaher, Donát Havár, Wilhelm Schwinghammer, Paul McNamara, Martin Snell Rundfunkchor Berlin, Herren | Eberhard Friedrich – Choreinstudierung 5. Mai 2012 (18 Uhr) © Redaktion Neuinszenierung/Premiere: 15. April 2012 (17 Uhr) Richard Wagner-Zyklus des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin mit Marek Janowski Besucherservice: Charlottenstraße 56, 10117 Berlin Tel.: +49 (0) 30 202 987 15 Fax: +49 (0) 30 202 987 29 [email protected] Philharmonie Berlin h ü b e rb L I C K h Fort, auf das Meer, treibt’s mich aufs Neue! u Richard Wagner in der Spielzeit 2011/12 MUSIK UND DRAMA 14 Zusammenstellung: Frank Kantereit nierungen Wagnerscher Werke erfreut nsere Terminübersicht der sich bei vielen Wagnerfreunden großer für die neue Spielzeit welt- Beliebtheit. Die Redaktion steht Ihnen weit geplanten Neuinsze- Nr. 31, Dezember 2011 gerne in jeder Hinsicht für Rückfragen zur Verfügung (Aufführungstermine, Besetzungen etc.) Ebenso sind weitere Informationen über Wiederaufnahmen und Repertoireaufführungen, sowie zy- ÜBERBLICK | BLICKPUNKT klische Gesamtaufführungen des Rings über die Redaktion abrufbar. Wir nen- nen Ihnen auch gerne die Adressen der jeweiligen Wagner-Verbände vor Ort, die Ihnen sicher bei einem gewünschten Vorstellungsbesuch behilflich sind. Aachen Amsterdam Augsburg (Freilichtbühne) Bayreuth Berlin Cardiff Dallas Dessau Detmold Frankfurt Halle Kaiserslautern Karlsruhe Kassel Kiel Koblenz Köln Leeds London (ENO) Lyon Madrid Malmö Mannheim München New York Paris (Champs-Élysées) Saarbrücken Schwerin Tokyo Toulon Toulouse Wiesbaden Würzburg Zürich Tristan und Isolde Parsifal Der fliegende Holländer Der fliegende Holländer Deutsche Oper Lohengrin Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Tristan und Isolde Tannhäuser Tristan und Isolde Tristan und Isolde Götterdämmerung Parsifal Götterdämmerung Das Liebesverbot (Alte Oper, konzertant) Siegfried Parsifal Lohengrin Parsifal Lohengrin Lohengrin Der fliegende Holländer Die Walküre (konzertant) Der fliegende Holländer Parsifal Rienzi (konzertant) Parsifal Die Walküre Das Rheingold Die Walküre Siegfried Götterdämmerung Götterdämmerung Parsifal (konzertant) Tristan und Isolde (konzertant) Die Walküre (konzertant) Parsifal Tannhäuser Der fliegende Holländer Lohengrin Lohengrin Tannhäuser Lohengrin (Regie: Kirsten Harms) Tristan und Isolde Die Meistersinger von Nürnberg 20. Mai 2012 12. Jun. 2012 23. Jun. 2012 25. Jul. 2012 15. Apr. 2012 27. Mär. 2012 5. Mai 2012 19. Mai 2012 16. Feb. 2012 12. Mai 2012 10. Mär. 2012 29. Jan. 2012 2./4. Mai 12 28. Apr. 2012 25. Feb. 2012 1. Apr. 2012 6. Apr. 2012 28. Jan. 2012 21. Apr. 2012 4. Mai 2012 16. Jun. 2012 28. Apr. 2012 6. Mär. 2012 21. Mai 2012 21. Apr. 2012 25. Mär. 2012 4. Feb. 2012 11. Mär. 2012 27. Mai 2012 30. Jun. 2012 27. Jan. 2012 6. Mär. 2012 11. Mär. 2012 24. Apr. 2012 10. Mär. 2012 20. Jan. 2012 8. Mär. 2012 1. Jun. 2012 29. Jan. 2012 22. Jun. 2012 28. Apr. 2012 31. Mär. 2012 22. Jan. 2012 h b L I C K p u nk t h »Allerunglaublichster! Großer Unglaublicher!« i 1811 – Franz Liszt – 2011 m Jahr 2011 wurde weltweit des Großen des 19. Jahrhunderts, ohne zweihundertsten Geburtstages dessen Freundschaft und Bemüvon Franz Liszt gedacht, eines der hungen Wagners Werk ebenso un- denkbar wäre wie auf andere Weise ohne die Hilfe Ludwig II. Liszt stammt aus einfachen Verhältnissen. Geboren im österreichisch- Nr. 31, Dezember 2011 MUSIK UND DRAMA 15 BLICKPUNKt dankengut auf, gleichzeitig zieht es ihn zum Hochadel. Strapaziöse Konzertreisen führen ihn weiterhin durch ganz Europa. Das Publikum vergöttert ihn. Liszt liefert die gewünschten Bravourstücke, gleichzeitig ärgert er sich über die allgemeine Sucht nach Hexenmeisterei auf den Tasten, nach klavieristischen Zirkusnummern, die das Publikum in hysterisches Geschrei ausbrechen lassen. Der Dandy Liszt genießt das womöglich, der Musiker Liszt bleibt allzu oft unbefriedigt. Sein Spiel sprengt den Rahmen des bis dahin Möglichen und Gewohnten bei weitem. Der Klang wird voller, orchestral. Grifftechnisch ge- © Redaktion Wir sehen Hugo, den warmherzigen und sozial orientierten Schöpfer großer Romane, die Verdi durch ihren grellen Kontrastreichtum zu etlichen Opern inspirieren. Franz Liszt – Lebensstationen ungarischen Grenzgebiet im Jahre 1811 genießt er nie eine fundierte Schulbildung. Der ehrgeizige Vater entdeckt frühzeitig die außergewöhnliche klavieristische Begabung des Jungen, der zum Wunderkind am Flügel wird, Europa jahrelang durchreist und viel Geld einspielt. Liszt wird erwachsen und schafft den Sprung vom Wunderknaben zum Pianisten von Weltrang, ohne dass er je eine rechte Kindheit hatte. Er lernt Sprachen, sucht sich allseitig zu bilden und wird eine zentrale Figur in den Pariser Salons, wo der blendend aussehende überschlanke junge Mann gern gesehener Gast ist. Neben ihm finden wir Heine, den wundersamen kosmopolitischen Poeten, dessen Zynismus er freilich nicht teilt. Wir sehen Hugo, den warmherzigen und sozial orientierten Schöpfer großer Romane, die Verdi durch ihren grellen Kontrastreichtum zu etlichen Opern inspirieren. Wir sehen auch MUSIK UND DRAMA 16 Nr. 31, Dezember 2011 Marie Duplessie, das Urbild der Kameliendame, der Liszt so nahe steht wie Dumas selbst. Wir sehen Chopin, den exilierten Polen, Virtuosen und somit Konkurrenten. Wir sehen Delacroix, illegitimen Sohn Talleyrands, genialen Maler von Bildern in dämonischem Hell-Dunkel-Kontrast und wahrem Farbrausch. Und wir sehen vor allem Berlioz, den jungen verkrachten Medizinstudenten, der eine Musik schreibt, in der die Hölle brodelt. Neben ihm finden wir Heine, den wundersamen kosmopolitischen Poeten, dessen Zynismus er freilich nicht teilt. Diese Schule des Lebens prägt Liszt, mitten in Paris um das Revolutionsjahr 1830 herum, ein Jahrzehnt bevor Richard Wagner hier eintreffen wird. Dieses Leben fasziniert Liszt, bald stößt es ihn ab. Er nimmt linkes Ge- lingen ihm Dinge, die bis dahin nie gehört waren. Die Klavierbauerfirmen verfolgen fasziniert Liszts Spiel, Und Liszt lauscht auf jede technische Neuerung im Instrumentenbau. Neben den lyrisch-kantablen Passagen beeindrucken die Zuhörer offenbar die orgiastisch-romantische Leidenschaftlichkeit, das Pathos und die Anschlagskraft, die es erforderlich macht, dass bei den Konzerten stets ein Ersatzflügel bereit steht, falls das bespielte Instrument zerbirst...Indessen erwähnt Borodin immerhin, dass die Lisztsche Interpretation bei aller Emotionalität stets auf klare Form und Struktur bedacht ist. Trotz allem liegt in Liszts Spiel sicherlich auch ein Zug zum Rausch, und das betrifft auch sein Leben. Er konsumiert viel Alkohol, vor allem teure Cognacs, zeitweise auch Rauschgift. Und – Liszt liebt Frauen in zahlreichen Affären, ohne je eine Ehe einzugehen. Noch vor der Weimarer Zeit und während der Konzertreisen verbindet ihn rund sieben Jahre eine leidenschaftlich-romantische Liaison mit der hoch intelligenten BLICKPUNKT So werden die Kinder samt dem notwendigen Geld in eine Pension nach Paris gegeben. Liszt hat– mehr noch als Marie – als Vater versagt. Cosima spricht später immer wieder von ihrer trostlosen, verwaisten Kindheit. Soziale Not haben die Kinder nie zu leiden, aber elterliche Liebe und Fürsorge fehlen vollkommen. Die Erziehung obliegt fremden, bigotten alten Gouvernanten, die später dann schon Carolyne Sain-Wittgenstein auswählt, Liszt zweite langjährige Geliebte. Zeitweilig kümmert sich Liszts Mutter, die in Paris lebt, um die Enkel. Liszt hält es indessen acht Jahre lang nicht für möglich oder nötig, seine Kinder auch nur einmal zu sehen. Bleibt es da erstaunlich, wenn Cosima anlässlich des Todes ihres Vaters – 1886 während der Festspiele in Bayreuth – wenig liebevolle Prioritäten setzt, was manch einer ihr heute noch übel nimmt?! © Redaktion Wer ist dieser Franz Liszt? Widersprüchlich und von Gegensätzen Franz Liszt – Lebensstationen gezeichnet wie sein Freundeskreis, sind sein Charakter und sein Werk. Bald sucht der elegante Dandy sinnlichen Genuss, dann wiederum wirkt er zurückhaltend, asketisch, Wir sehen auch Marie Duplessie, das Urbild der Kameliendame, der Liszt so nahe steht wie Dumas selbst. erhoffen eine Wiederbelebung von Weimars goldener Epoche, wie sie unter der Ägide der Klassiker bestanden hatte, als sie 1847 Liszt zum Chef der höfischen Musik berufen. Liszt zieht mit seiner neuen Geliebten, der Fürstin Carolyne von Sain-Wittgenstein, auf die Altenburg, wo sich dem geistig bescheiden. Er nimmt jede künstlerische Anregung auf, sucht selbst kunstpropagandistisch zu wirken. Dann wieder zieht er sich resignativ zurück. Er ist großzügig bei der finanziellen Unterstützung wenig vermögender Freunde, immer nobel und auf der Suche nach menschlichem Vertrauen. Zwischenzeitlich wird aber das Leben seiner Kinder zum Kriegsschauplatz ohnmächtigen Hasses gegenüber der einst so sehr geliebten Marie d`Agoult. Sein Leben bleibt rastlos. Neben die Achse Paris-Wien-Ungarn, tritt später verstärkt diejenige von Weimar über Bayreuth nach Rom hinzu. Um die Jahrhundertmitte, mit der Ansiedlung in Weimar und der Bindung an Carolyne, ändert sich vieles für ihn. In seinem mit 48 Jahren verfassten Testament erwähnt er ausdrücklich und als substanzbestimmend für sein Leben die Freundschaft zu Richard Wagner und sein Kampf für die neu-deutsche Musik. Der in Weimar beginnende volle Einsatz für das Werk und die Person Wagners geht einher mit verstärkter Kompositionstätigkeit und dem vollen Engagement als Dirigent und Orchestererzieher. Ebenso endet hier die umfassende internationale Konzerttätigkeit, obwohl die Nachfrage enorm bleibt und Liszts pianistische Fähigkeiten keineswegs nachgelassen haben. Er spielt nur noch in Einzelfällen, im Freundeskreis. Noch vom alternden Liszt schreibt Cosima, dass sein Vortrag von Teilen des Wohltemperierten Claviers die abendlichen Hörer in Wahnfried tief ergreift. Der Hof von Weimar, vor allem der Großherzog und Maria Pawlowna, © Redaktion schriftstellerisch tätigen Gräfin Marie d`Agoult, die ihm in ihrer Exzentrik und überbordenden Vitalität innerlich verwandt ist. Drei Kinder werden geboren, Blandine, Cosima und Daniel. Beide Elternteile sind so sehr mit sich und ihrer Welt beschäftigt, dass sie mit ihren Kindern im Grunde nichts anfangen können. Liszt ist bei Cosimas Geburt 26 Jahre jung. Franz Liszt – Lebensstationen interessierten Weimar für die nächsten Jahre ein musisch bedeutender Salon öffnet. Liszt widmet sich voller Elan den neuen Lebensbereichen, der Komposition, der musikalischen ErWir sehen Chopin, den exilierten Polen, Virtuosen und somit Konkurrenten. ziehung eines Territoriums schlechthin sowie dem Dirigieren. In den folgenden zehn Jahren gelingt es ihm, Weimar zu einem wesentlichen Zentrum europäischen Musikschaffens zu machen. Etliche bedeutende Persönlichkeiten zieht er zeitweilig oder auf Dauer nach Weimar. Berlioz, Peter Cornelius und Joseph Joachim zählen dazu. Wenn es Ende der fünfziger Jahre zum Bruch mit Weimar kommt, so liegt das weniger am Herrscherpaar, mehr an der vor Ort herrschenden kleinkarierten Hofkamarilla – und am fehlenden Geld in der Staatskasse! Zu Beginn der Weimarer Zeit lernt Liszt intensiver das bis dahin entstandene Werk Wagners kennen, dem er sich als Dirigent wie auch Nr. 31, Dezember 2011 MUSIK UND DRAMA 17 BLICKPUNKT als Komponist zunehmend öffnet. Dem Staunenden erschließt sich eine neue Welt. Wagner muss im in Exil leben, wird aber für Liszt trotzdem ein enger Freund. Mehr noch Wir sehen Delacroix, illegitimen Sohn Talleyrands, genialen Maler von Bildern in dämonischem Hell-Dunkel-Kontrast und wahrem Farbrausch. – der nach der Revolution flüchtige und verfemte Wagner wird von Liszt finanziell unterstützt, seine Werke werden propagiert, unter anderem wiederum durch Mithilfe Maria Pawlownas. 1849 kommt es in Weimar zur ersten „Tannhäuser“-Inszenierung seit dem lauen Start dieses Werkes einige Jahre zuvor in Dresden. Im Jahre 1850 erzwingt Liszt die Weimarer Uraufführung des „Lohengrin“. Das wird zur Initialzündung, zum Start der frühen Opern Wagners in den deutschen Ländern. Durch Liszts Zivilcourage ermutigt spielen nahezu alle mitteleuropäischen Theater in den Folgejahren diese Werke mit grandiosem Echo – freilich ohne dass Wagner im Schweizer Asyl dadurch auch nur einen Pfennig Geld bekommt. Liszt sendet immer wieder kleinere und größere Summen dem politischen Flüchtling auf seine permanenten Bettelbriefe hin. sten Freund, indem die Ehe mit dem Liszt-Schüler Hans von Bülow gebrochen wird. Der für sich selbst jede Toleranz einfordernde Liszt ist als Mensch und als gläubiger Katholik erschüttert, befremdet und bricht den Kontakt zu Cosima und Wagner ab. Die ersehnte Ehe mit Caroyne kommt durch widrige Umstände nie zustande. Eigenbrötlerisch und religiös-introvertiert ziehen sich beide nach Rom zurück, leben dort aber getrennt. Liszt erhält 1865 die niederen Weihen. Er ist nun Abbè und dirigiert in der Soutane statt im Frack. Liszt wird Weimar nicht untreu. Er nimmt das ihm vom Großherzog als Dank angebotene Asyl an und bezieht neben seinem Heim in Rom die Hofgärtnerei in Weimar... 1872 kommt es anlässlich der Grundsteinlegung des Bayreuther Festspielhauses zur Aussöhnung mit Wagner, der inzwischen Cosima geehelicht Liszts Scheitern in Weimar ist tragisch, für ihn und für die Stadt. Er will mehr erreichen als sich realisieren lässt. Und er scheitert auch im Privatleben. Gegen Ende der Weimarer Zeit sterben zwei seiner Kinder, Daniel und Blandine. Das dritte Kind aber – Cosima – verbindet sich ausgerechnet mit Wagner, seinem be- MUSIK UND DRAMA 18 Nr. 31, Dezember 2011 © Redaktion Dabei sucht Liszt die jeweils neu entstehenden Werke Wagners kennen zu lernen, die er staunend und verehrungsvoll studiert. Er plant sogar – freilich vergeblich – Wagner nach Weimar zu ziehen und mit ihm hier ein Festspielhaus für den Ring zu errichten! Franz Liszt – Lebensstationen hat. Kompositorische Arbeiten, ehrende Dirigate und zahlreiche Reisen täuschen nicht darüber hinweg, dass Liszt sich einsam fühlt. Selbst SuizidGedanken tauchen auf. Aus der Ferne wird er argwöhnisch von der intelligenten, aber zunehmend schrulliger Frömmigkeit ergebenen Carolyne beobachtet und sucht Halt in seinem späteren Kompositionsstil, der seiner eigenen Religiosität nahe steht und Sparsamkeit der Mittel mit Kühnheit der Konstruktion verbindet und den Zeitgenossen eher unverstanden oder unbekannt bleibt. Das Ende in Bayreuth – 1886 – ist bekannt. Der große Freund ist ihm drei Jahre voraus gegangen... Neben dem Nachruhm des umjubelten Weltstars am Flügel steht der Komponist Liszt bis heute immer ein wenig im Schatten, und das unbedingt zu Unrecht. Das vor allem seit Beginn der Weimarer Zeit entstehen- BLICKPUNKT | BLICKFELD de Oeuvre ist breit, vielfältig – und widersprüchlich, wie Liszt selber. Wenn Mozarts Musik gleichsam aus der menschlichen Stimme geboren wird, so entsteht Liszts Musik eher aus den Möglichkeiten des Klaviers. Er komponiert für das Klavier alles, was ihm spielbar scheint, und er komponiert so, dass auch auf dem Klavier die vielfältigsten orchestralen Möglichkeiten imitiert werden. Er orchestriert den Klavierklang, nicht immer zum Vorteil seiner Musik. Sein Stil zeugt von starkem Willen und wiedererkennbarer Persönlichkeit, ist elegant, flüssig, dem Chopin-Erbe nahe. Oft aber gibt seine Musik auch verborgene Hölle seines Lebens wider, und die düsteren, schroffen, mitunter brutalen Passagen erschrecken den Hörer. Beeindruckend sind die von pathetischem Dur-Melos getragenen siegreichen Kopfthemen. Beeindruckend ist auch der Gang in Grenzbereiche gewohnter Tonalität, wo die Nähe zu Bartok etwa wohl eher auffällt als zu Wagner. Von diesem seinem Freund übernimmt er die freie Form, das Vermeiden klassischer Entwicklungen, das Verbinden von Sätzen zur durchkomponierten Großform, auch eine gewisse Literarisierung, eine verbal gekennzeichnete Grundrichtung des jeweiligen Werkes. Da gibt es große Würfe, etwa einige der Sinfonischen Dichtungen, die Klavierkonzerte und überhaupt etliche Sachen für das Klavier. Da gibt es aber auch Stücke am Rande zum Und wir sehen vor allem Berlioz, den jungen verkrachten Medizinstudenten, der eine Musik schreibt, in der die Hölle brodelt. 1´eau rosé. Es entsteht eine Reihe von Oratorien, Großwerken, von denen, trotz berückender Schönheiten im Detail, keines als epochales Meisterwerk überzeugt, was Liszt sicher auch weiß. Und von der Oper hält er sich – Jugendspiele ausgenommen – gänzlich fern, steht er doch sehr bewusst im Schatten seines Freundes Richard. Bis heute sind seine Ungarischen Rhapsodien enorm populär, obwohl sie weder mit ungarischer Folklore noch mit echter Zigeunermusik etwas gemein haben und eher damalige Populär-Musik á la tzigane imitieren. Aber es bleibt gute Musik! Bestürzt und fasziniert steht man vor den Va- rianten des Mephisto-Walzers oder vor der h-Moll-Sonate und staunt über diesen wunderlichen Titanen, der sich als Ungar empfindet, ohne Ungarisch zu sprechen, der dem deutschen Weimar ebenso wie dem italienischen Rom verbunden ist und auch in Paris alles andere als ein Fremder ist. Mit den Widersprüchen seines Charakters und seiner Epoche behaftet, übt er einen enormen Einfluss auf das künstlerische Geschehen seiner und der folgenden Zeit aus. Er wäre womöglich an sich selbst und den Konflikten seines Lebens zerbrochen, wenn er nicht seine starke alles durchdringende Gläubigkeit gehabt hätte, zu der er sich offen und demonstrativ in Leben und Werk bekennt. Man hüte sich davor, das als nebensächliche Folie oder feinen Selbstbetrug zu diskreditieren. Unsere allzu oft pragmatisch-materialistische Alltagsdenkweise mag dem fern stehen, aber Vorsicht – was ist schon „Wahrheit“?! Liszt bleibt als Mensch und als Künstler im weiten Sinne in einem breiten Wirkungsfeld ein großer früher Europäer. Ihm gebühren unsere Achtung und unser Dank. Dieter Reuscher h b L I C K f e ld h ners Lohengrin durch den Regisseur Kasper Holten an der Deutschen Oper Berlin im April 2012, erweist sich dieser Livemitschnitt von Dezember 2009 als eine höchst interessante Begegnung mit diesem Regisseur und seiner eigenwilligen, in jeder Hinsicht jedoch konsequenten und überzeugenden Leseart von Wagners Minnesängeropus. DVD – TIPP Richard Wagner TANNHÄUSER Friedemann Layer, Kasper Holten, Mia Stensgard – Stephen Milling, Stig Andersen, Tommi Hakala, Susanne Resmark, Tina Kiberg u. a. – Chor der Royal Danish Opera (Philip White) und das Royal Danish Orchestra Im Hinblick auf die mit Spannung erwartete Neuinszenierung von Wag- © Redaktion DECCA 0440 074 3390 4, 2011 Live-Aufnahme – Royal Danish Opera Kopenhagen DVD – Tannhäuser Tannhäuser – versetzt in die Zeit des Komponisten. Richard Wagner, alias Tannhäuser, in der Villa Wahnfried im Konflikt mit Mathilde Wesendonck (Venus) und Cosima (Elisabeth). Was auf den ersten Blick als fragwürdig erweist, überzeugt als einheitliche Dramaturgie, die nachdenklich Nr. 31, Dezember 2011 MUSIK UND DRAMA 19 BLICKFELD stimmt und subtil die häufig gestellte Frage durchleuchtet: Wie viel Wagner steckt in der Figur des Tannhäuser? Eine für neugierige, aufgeschlossene Wagnerfreunde durchaus empfehlenswerte Einspielung. Ein homogenes, leistungsstarkes Ensemble, ein klangstarker Chor und ein spannungsvoll musizierendes Orchester unter dem auf breite Tempi ausgelegten Dirigat von Friedemann Layer runden dieses für die Ewigkeit festgehaltene Wagnererlebnis ab. CD – TIPP Dirigent: Marek Janowski Richard Wagner Der fliegende Holländer Matti Salminen (Daland), Ricarda Merbeth (Senta), Robert Dean Smith (Erik), Silvia Hablowetz (Mary), Steve Davislim (Steuermann), Albert Dohmen (Holländer) Bühnenbild. Der Focus liegt allein auf Wagners Musik. © Redaktion Rundfunkchor Berlin (Eberhard Friedrich) und das Rundfunk-Sinfonieorchester CD – Der fliegende Holländer Live aus der Berliner Philharmonie PentaTone Classics PTC 5186 400 (2 CDs) Als Livemitschnitt vom 13. November 2010 liegt nun die erste der bis zum Wagnerjahr 2013 angesetzten konzertanten Aufführungen der zehn Hauptwerke Richard Wagners auf CD vor. Marek Janowski, des modernen Regietheaters müde und überdrüssig geworden, präsentiert den Bayreuther Kanon ohne Regie und Aufgenommen von dem Label PentaTone, werden alle Werke in zeitlich naher Folge zu den Aufführungen auf CD veröffentlicht. Nicht zuletzt die fantastische Klangqualität empfiehlt die Anschaffung dieser hochkarätig besetzten Einspielung. Eine Rezension des Konzertes vom November 2010 findet sich in unserem Magazin MUSIK und DRAMA, Ausgabe Nr. 29. Fazit: Wagnerscher Hörgenuss pur, dazu eine dankenswerte Erinnerung für alle Konzertbesucher! BUCH – TIPP Eine hervorragende, sachkundige Einführung in Wagners Sprache und ihre charakteristischen Merkmale. Hierzu gehören nicht allein der prägende Stabreim, sondern auch Wortspiele, sprechende Namen, und die auffällige Volkstümlichkeit. Das beigefügte Szenarium enthält eine Beschreibung aller zehn Hauptwerke, und zwar detailliert Szene für Szene. Victor Henle Wagners Wörter Keyser Verlag, 2011, 288 S. ISBN 978-3-86886-019-1 24,90 Euro Als ein besonders süffisantes Bonmot erweisen sich Wagners Aphorismen: Sinnsprüche voller Lebensklugheit und Sprachwitz. © Redaktion Wer Wagner verstehen will, sollte nicht nur die Sprache seiner Musik, sondern auch die seiner Dichtungen kennen. Dieses Buch erweist sich als äußerst hilfreich, die archaischen, und archaisierenden Wörter, den Stabreim und den Wagnerschen Sprachduktus zu verstehen und damit die Lektüre zu erleichtern. Victor Henle - Wagners Wörter Es ist ein immens umfangreiches Lexikon. Jedes der rund 800 Stichwörter ist mit Zitaten aus den Werktexten belegt. Ein Kaleidoskop durch die faszinierende Welt der Wagnerschen Werke, das u. a. MUSIK UND DRAMA 20 Nr. 31, Dezember 2011 Fazit: Ein unterhaltsames Muss für jeden Wagner-Freund! Zusammenstellung und Rezension: Frank Kantereit Protagonisten, Gegenstände, Mythologisches, Orte, wie auch die Fachsprache der Meistersinger miteinschließt. BLICKLICHT h b L I C K lich t h Steuermann! Laß die Wacht! Zu Gast beim RWV: Donald s Runnicles, Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin teuermann! Laß die Wacht! – oder besser: Steuermann, halt den Kurs! – Mit Beginn der Spielzeit 2009/10 übernahm der erfolgreiche Dirigent Donald Runnicles als neuer Generalmusikdirektor die Deutsche Oper Berlin. In dieser Art unterhielt sich Rainer Fineske mit dem sympathischen Künstler. Wir erfuhren, dass er 1954 in Edinburgh geboren, sowohl dort als auch in Cambridge studierte und seine Laufbahn im Jahre 1980 als Korrepetitor in Mannheim begann. Eine reiche Themen, zu denen auch Pläne für den Aufbau eines künftigen Repertoires zählen, berechtigen zu vielseitigen Hoffnungen. Auf die im allgemeinen mehr als betrüblichen Leistungen der OpernRegie angesprochen, sagte Runnicles, dass über allem die Macht der Musik zu stehen habe, und dass man sich dieser wie ein Gralshüter unterordnen müsse. Aus diesen und ähnlichen Äußerungen sprach eine Demut vor dem musikalischem Werk (zu denen der Dirigent auch die Meister um 1450 rechnet), die ausgesprochen sympathisch und überzeugend wirkte. Im Hinblick auf das Jubiläums-Jahr 2013 wurde betont, dass nicht nur der 200. Geburtstag von Richard Wagner, sondern auch der 200. Geburtstag von Giuseppe Verdi, und das Jubeljahr von Benjamin Britten in einer angemessenen Weise zu würdigen sei. Die Deutsche Oper werde sich den Herausforderungen stellen. Wir dürfen gespannt sein. Ein dankbares Publikum wünschte dem sehr heiter wirkenden Generalmusikdirektor für sein künftiges Wirken in Berlin und an anderen Orten alles erdenklich Gute. © Redaktion Johannes Reuther Donald Runnicles im Gespräch mit Rainer Fineske Funktion erwartete ihn keine leichte Aufgabe. Sie wird sein, das durch mancherlei Stürme ins Schwanken geratene Schiff auf einen sicheren Kurs zu bringen. Wer inzwischen Aufführungen unter seiner Leitung erleben durfte, konnte spüren, dass die Erfolge der bisherigen Arbeit nicht zu überhören sind. sehr erfolgreiche Laufbahn führte Donald Runnicles als Dirigent nicht nur an große Opernhäuser der Welt, sondern auch zu den Festspielen nach Bayreuth und Salzburg. Im Jahr seiner Berufung an die Deutsche Oper Berlin, wurde er auch Chefirigent des BBC Scottish Symphony Orchestra. Im Rahmen von Vorstellungen bedeutender Persönlichkeiten des kulturellen Lebens unserer Hauptstadt war Donald Runnicles am 31. Oktober 2011 Gast des Verbandes. In seiner gewohnt unprätentiösen Mit Freude hörten wir, dass der neue GMD gern in Berlin arbeitet, den Elan des Orchesters lobt, sich von diesem sofort angenommen fühlte und dass – wie man so sagt – auf beiden Seiten die Chemie stimme. Zahl- Ehrenmitglieder des Richard-Wagner-Verbandes Berlin-Brandenburg e. V. Ks. Theo Adam Daniel Barenboim Ks. Hans Beirer † Lucie Brauer Prof. Götz Friedrich † Prof. Günther Fürstenau Ks. René Kollo Verena Lafferentz-Wagner Prof. Dr. Hans Pischner Deborah Polaski Christian Thielemann Ks. Spas Wenkhoff Nr. 31, Dezember 2011 MUSIK UND DRAMA 21 BLICKFANG | BLICKKONTAKTE h b L I C K f a n g h Auf Berges Gipfel die Götterburg prächtig prahlt Richard Wagner zum Schmunzeln – i Anno Mai 1871: Bayreuth ist als Festspielstadt erwählt – Zeitzeugen berichten Der Arzt hastet in die Sonne. Er tritt in die Paradestube, die noch ein Möblement aus den Zeiten von Jean Pauls trägt. Doch statt den Patienten, der im gardinenumzogenen Empirebett liegt, zu fragen, über was er zu klagen habe, stürzt ihm die begierige Frage vom Mund: „Sind Sie Richard Wagner? Ich meine, der gewisse Richard Wagner, der …“ © Redaktion n Bayreuth ist der Vorfrühling eingezogen. (…) In den Nächten ist es noch kalt. Ein Himmel voller flimmernder Sterne steht über der schlafenden Stadt. Und in einer dieser Aprilnächte wird auf einmal die Tür vom Gasthof Sonne aufgerissen, und der Hausknecht rennt mit klappernden Pantoffeln die Straße hinunter. Beim Arzt um die Ecke zieht er die Klingel, und als oben ein Fenster sich öffnet, ruft er hinauf: „Sie soll’n zu an Gast in die Sonna komma. Zum Herrn Richard Wagner. Der is krank wor’n.“ Bayreuther Festspielhaus 1876 Wagners Erkrankung, eine starke Erkältung, war von vorübergehender Natur. Am 20. April verließen er und Cosima Bayreuth, von dem sie einen außerordentlich lieblichen Eindruck mit sich nahmen. Der Patient muss lachen über den Bayreuther Arzt, der so wissbegierig ist. Seine Gattin, die besorgt neben dem Bett steht, kann sich eines Lächelns nicht erwehren. „Sie meinen den Richard Wagner, der die hübschen Sachen geschrieben hat“, sagt der Erkrankte sichtlich erheitert. „Ja, der bin ich.“ (…) Den ersten Brief aber, den Wagner nach Bayreuth schrieb, den hat der Arzt empfangen, der dem Meister nachts die Tropfen verabreichte – Dr. Wilhelm Landgraf, der dann auch Hausarzt der Familie wurde und in den Festspieljahren, ebenso wie sein Sohn nach ihm, ehrenamtlich der Bayreuther Festspielarzt war. Der Doktor, indem er lindernde Tropfen auf einen Löffel träufelt, schüttelt benommen den Kopf: „Nein, was einem alles passieren kann! Wer mir gesagt hätte, dass ich heute nacht noch die Bekanntschaft von Richard Wagner machen würde!“ „Geehrtester Herr Doktor“, schrieb ihm der Meister (11. Mai 1871), „ich komme für diesmal nicht, wie ich Ihnen es versprochen hatte, wieder über Bayreuth zurück. Ich melde Ihnen dies, weil ich nicht wünsche, dass Sie mich für einen Undankbaren halten. Ihr Trank hat mir noch vortreffliche Dienste geleistet. Im Übrigen steht es nun fest, dass meine großen Bühnenfestspiele im Sommer 1873 in Bayreuth stattfinden sollen, und ich um jene Zeit ebenfalls gänzlich dorthin überzusiedeln gedenke. (…)“ Man kann sich vorstellen, wie stolz der Bayreuther Doktor war, als er dieses Schreiben erhielt. Er war also nicht nur der erste gewesen, der es erfahren hatte, dass Richard Wagner nach Bayreuth gekommen war – er wurde durch diesen Brief nun auch derjenige, dem der Meister als ersten mitteilte, dass Bayreuth als Festspielstadt erwählt worden war. Quelle: Hans Bartolo Brand: Aus Richard Wagners Leben in Bayreuth Bayreuth, 1934, neu verlegt 2009 im Verlag C.u.C. Rabenstein h b L I C K k o n t a k t e h Ein letzter Blick d „Hier gilt’s der Kunst“ MUSIK UND DRAMA 22 deutlichen Akzent. Daraus kristallisiert sich stets die generelle Frage, iese Worte setzen in unserer die einen jeden von uns immer und aktuellen Ausgabe dieses immer wieder aufs Neue antreibt: Magazins inhaltlich einen Was ist denn überhaupt Kunst, wie Nr. 31, Dezember 2011 weit darf man es mit Kunst treiben? Diese eingangs gestellte Frage findet auch auf diesen Seiten keine schlüs- BLICKKONTAKTE sige Antwort, aber sie bewegt, regt an und auf, polarisiert und beflügelt unsere stetige Auseinandersetzung mit der Kunst. Es ist uns redaktionell ein herzliches Anliegen, Ihnen mit so manchem Beitrag Meinungen und Ansichten zur Diskussion vorzustellen. Und das Echo, was wir oftmals erhalten, bezeugt die Lebendigkeit, mit der Sie sich, unsere werten Mitglieder und Freunde, mit dem Werk Richard Wagners und seinem Kunstverständnis beschäftigen. Bayreuth braucht ein Gesicht titelt die FAZ am 24. September 2011 mit einem Beitrag von Julia Spinola. Aber es ist bei weitem nicht nur Bayreuth, dem aktuell das faszinierend Charismatische fehlt. Die Kunst und besonders spezifisch das Musiktheater sind vieler orten an einem offenkundigen Punkt der Ratlosigkeit und Orientierungslosigkeit angelangt. Regisseure benutzen Opern immer häufiger zu einem Vehikel der Selbstdarstellung, dabei die Musik und ihre Wahrhaftigkeit aus den Augen verlierend. Das führt in Sackgassen, wo dann der Impressum Musik und Drama Nr. 31, Dezember 2011 Herausgeber Richard-Wagner-Verband Berlin-Brandenburg e. V. Karren sprichwörtlich unaufhaltsam an die Wand gefahren wird. Wäre es nicht einmal das Gebot der Stunde, über einen Wert nachzudenken, der in unserer Zeit an Aktualität spürbar verloren hat, den man müde als antiquiert belächelt, der aber durchaus einen Weg weisen kann hin zu dem, was Kunst, was Theater, was Musik uns zu geben im Stande ist? Gemeint ist die Demut. Eine Demut vor der Kunst und ihrer inneren, substantiellen Wahrhaftigkeit. Demut bedeutet keinesfalls, unkritisch zu sein. Demut impliziert ein gesundes Reflektieren über alles, was einem Werke innewohnt. Wer weiß, vielleicht erschließen sich dadurch überaus reizvolle neue Perspektiven und wir nehmen Kunst wieder als das war, was sie sein möchte und nicht als das, was von ihr, nach einer intellektuellen Vergewaltigung am Boden liegend, übrig bleibt. Mit der Wahl des Holländer-Schiffes als Titelbild symbolisieren wir den Aufbruch in eine Zeit erfrischend neuen Nachdenkens über das Musiktheater. Fort, auf das Meer, treibt’s mich aufs neue! – verstehen wir diese Worte als Aufmunterung, auch als Publikum mitzugestalten an einer Zukunft der Kunst. Hier gilt’s der Kunst – dies neu zu entdecken, zu hinterfragen und wahrzunehmen ist lohnenswert: Gefühle, die ich nie empfunden! – Verlangen, das ich nie gekannt! Frank Kantereit e i n h c i e i d , e l h ü f Ge , n e g n a l r e V – ! n empfunde ! t n n a k e g e i n das ich Redaktion Frank Kantereit Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des jeweiligen Autors wieder. Gestaltung und Satz Ulrich Puhlfürst [email protected] Redaktionsschluss: 10. Dezember 2011 Nr. 31, Dezember 2011 MUSIK UND DRAMA 23 11 12 sPielzeit RichaRd WagneR LOHEN GRIN Musikalische Leitung Donald Runnicles Inszenierung Kasper Holten Premiere 15. April 2012 Weitere Vorstellungen 19., 22., 25., 28. April 2012 1. mai 2012 www.deutscheoperberlin.de Karten 030 - 343 84 343 Deutsche oper Berlin Bismarckstraße 35 10627 Berlin-Charlottenburg Foto Benjamin Rinner DE UTsch E opE r B E r li n