MUSIK und DRAMA - Richard-Wagner-Verband Berlin

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MUSIK und DRAMA - Richard-Wagner-Verband Berlin
MUSIK
und
DRAMA
Magazin des Richard-Wagner-Verbandes Berlin-Brandenburg e. V.
Jahrgang 2011, Nr. 31, Dezember 2011
Hier gilt’s
der Kunst!
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h B L I C K k o n t a k t e h
Editorial
»h
Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Mitglieder,
ier gilt’s der Kunst!« – Sel
ten wird Wagner häufiger
zitiert. Evas aufmunternde
Worte an Sachs werden gerne bemüht,
gilt‘s, wie auch immer gestaltete Kunst
zu legitimieren. Und schon steht sie
im Raum, die unheilvolle Frage, was
denn überhaupt Kunst sei, wie weit
man es mit Kunst treiben darf.
„Gefühle, die ich nie empfunden!“
Oper löst Emotionen aus. Wer wollte
dies bestreiten. Vor allem seit der Begriff Regietheater durch unsere Köpfe
geistert. Dem einen veredelt es, dem
anderen verhagelt es einen Opernabend. Dabei ist dieses Wort in jeder
Hinsicht unsinnig, denn es gibt ebenso wenig ein Theater ohne Regie, wie
es ein Musiktheater ohne Musik gibt.
Die Diskussionen sind geprägt von
furioser Heftigkeit. Ein jeder weiß,
wie eine Operninszenierung nicht
auszusehen hat, aber selten formuliert
jemand, wie sie denn seiner Meinung
nach konkret auszusehen hätte. Mit
dem hilflosen Zitieren des dubios
schwammigen Begriffes Werktreue
kann es nun wahrhaftig nicht getan
sein. Da schreitet der Bayreuther
Meister weitaus entschiedener, deutlich aggressiver zur Sache, und ist uns
mit seiner offensiven Attacke gegen
die Kunstschaffenden oftmals um einiges voraus.
Richard Wagner brannte für die
Kunst. Mit einer nur im höchsten
Sinne des Wortes denkbaren Leidenschaft, definierte er seine Vision
vom Kunstwerk der Zukunft. Nicht
weniger ambitioniert wirkt Wagners Schrift Oper und Drama. Dass
sich Richard Wagner mit seinen Ansichten nicht nur Freunde machte,
mag sich von selbst verstehen. Und
in der Tat geht der Bayreuther Meister mit den Kulturschaffenden seiner Zeit nicht gerade zimperlich um:
„Denn uns ist wohl so viel Ehrgefühl
anerzogen, nicht träge und feig erscheinen zu wollen, wohl aber mangelt es
uns an dem natürlichen Stachel der
Ehre zu Tätigkeit und Mut.“
Wagner formuliert zielsicher Möglichkeiten und Notwendigkeiten,
die ein „gedeihlicheres Kunstschaffen
im Gebiete der Dichtkunst und Musik“ bewirken. Angriffslustig gibt
sich Wagner gegen all die Feiglinge,
die ihre Kritik als einen „versteckten
Groll“ hinter vorgehaltener Hand
äußern: „Eine offen erklärte und
bestimmt motivierte Feindschaft ist
fruchtbar; denn sie bringt die nötige
Erschütterung hervor, die Elemente
reinigt, das Lautere vom Unlauteren
sondert, und sichtet, was zu sichten
ist. Das Gefährlichste ist die Halbheit, die überall ausgebreitet ist, jedes
Kunstschaffen und jedes Urteil befangen hält. Ich musste mich aber im Besonderen scharf und unbestimmt auch
nach dieser Seite hin aussprechen, weil
es mir eben nicht sowohl an dem Angriffe lag, als an dem Nachweise der
künstlerischen Möglichkeiten, die sich
deutlich erst darstellen können, wenn
wir auf einen Boden treten, von dem
die Halbheit gänzlich verjagt ist.“
Bayreuth muss derzeit heftige,
mehr emotional denn konstruktiv geschwängerte Kritik erfahren.
Sicher liegt in so manchem ein beträchtlicher Funken Wahrheit, doch
sollten wir uns fragen, in welcher
Form Kritik vorgetragen wird. Allzu
forsch spielt man damit denjenigen
im Lande in die gierig greifenden
Hände, die Bayreuth und andere
Kulturinstitutionen lieber heute als
morgen dem Boden gleich machen
möchten. Spätestens dann hat es
sich auslegitimiert mit den großen
Worten „Hier gilt’s der Kunst!“ Suchen wir also noch deutlicher einen
offenen, klar akzentuierten Dialog
um unser gegenwärtiges Kunstwerk
der Zukunft, und halten es mit dem
guten, alten Richard: „Hoffnung,
so verstanden zu werden, wie ich es
wünsche, habe ich nur bei denen, die
Mut haben, jedes Vorurteil zu brechen. Möge sie mir bei vielen erfüllt
werden!“
Frank Kantereit
h B L I C K rich t u n g h
So, dass mein Sehnen ewig brenne Wieland Wagners
a
45. Todestag ein Nachruf – auch zu den 100. Bayreuther Festspielen
ls Wieland und Wolfgang
Wagner 1951 die ersten Nach-
kriegsfestspiele
eröffneten,
ahnte niemand, dass der Lebensfaden beider so eng und doch so weit
auseinander liegen würde. Während
Wolfgang Wagner das große Glück
beschieden war, durch seine lange
Schaffenskraft ab 1966 der alleinige
Festspielleiter zu sein und dadurch
die Festspiele als Lebenswerk geleitet
zu haben, verblieb Wieland Wagner
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allerdings der zeitlose Ruhm als Erneuerer der Regie, auch in Licht, Farben und Kostümen.
Wieland Wagner gelang es nach
1945, einen radikal neuen und völlig
eigenen Stil einzuschlagen, der alles
bisherige, vor allem im Festspielhaus
inszenierte, in den Schatten stellte. Seine nie dagewesene Lichtregie
und die fast leere Bühne empörten
die Alt-Wagnerianer, aber was viel
wichtiger ist, sie begeistert alle Publikumsschichten bis auf den heutigen Tag. Was kann es schöneres
geben, nicht nur für Wieland Wagner posthum, sondern auch für seine
Kinder, dass seine Kunst bis in die
Gegenwart so lebendig geblieben
ist. Generationen von Bühnenakteuren haben sich daran orientiert.
Zahlreiche Bücher gibt es über ihn
und seine Arbeit. Besonderes aber ist
es Ingrid Kapsamer gelungen, mit
ihrem neuen Buch über Wieland
Wagner mit dem verlockenden Titel
BLICKRICHTUNG | BLICKWINKEL
Der RWV Berlin-Brandenburg hatte daher in diesem Jahr auch einen
Ehrenkranz für das Andenken Wieland Wagners auf das Familiengrab
auf dem Stadtfriedhof in Bayreuth
zu Beginn der Festspiele legen lassen.
Auch in Bezug darauf, dass die Stadt
Bayreuth, und der Grüne Hügel mit
seinem Festspielhaus in diesem Jahr
ihre 100. Festspiele feiern konnten.
Das Gedenken daran fiel leider vergleichsweise intern aus, denn es gab
nur eine einzige Feier, ausgerichtet
von der TAFF, dem Team aktiver
Festspielförderer. Aber dafür nahmen
an der Feier auf eine der Probebühnen des Hauses immerhin an die 850
Gäste und Mitarbeiter teil.
Rainer Fineske
© Redaktion
Wegbereiter und Weltwirkung, das
im Festspielsommer in diesem Jahr
gemeinsam von Ingrid Kapsamer
und der Musikwissenschaftlerin und
Tochter Wieland Wagners, Dr. Nike
Wagner, die das exzellente Vorwort
geschrieben hat, in der Markgrafenbuchhandlung in Bayreuth vorgestellt wurde, nebenbei bemerkt vor
übervollem Haus. Auch das ein
Zeichen, wie gegenwärtig Wieland
Wagner geblieben ist, keine Verklärung sondern Wahrnehmung eines
wegweisenden Könnens.
Wieland Wagner
h B L I C K wink e l h
Mein Weg heißt mich nur vorwärts eilen Vom 9. August – 14. August 2011
a
besuchten in diesem Jahr wieder fünf Stipendiaten unseres Verbandes die Bayreuther Festspiele.
m Anreisetag wurden in der
Stadthalle die Stipendiaten-
unterlagen ausgegeben und
die Verteilung der Quartiere bekannt
gegeben.
Am nächsten Morgen fand ab 10 Uhr
dann der Empfang der Stipendiaten in der Walhall-Lounge auf dem
Grünen Hügel 4 statt. Es ist das alte
Bayreuther Forsthaus, das sich auf der
Westseite des Festspielhauses befindet, vor einigen Jahren saniert wurde und heute ein Restaurant beherbergt. Im Anschluss daran wurde um
11:30 Uhr das Festspielhaus besichtigt. Zu Beginn begrüßten die Co-Fest-
spielleiterin Eva Wagner-Pasquier, sowie die letzte Ur-Enkelin von Richard
Wagner und Tante der Festspielleiterinnen, Frau Verena Lafferentz-Wagner, die unser Ehrenmitglied ist, die
rund 250 jungen Künstler(innen).
Am Abend erfolgte dann der Besuch
der Festspiele mit der Aufführung
Tristan und Isolde. Es folgten lebhafte
Unterhaltungen in den Pausen über
den minimalistischen Stil des Regisseurs Christoph Marthaler und die
Protagonisten und das Bühnenbild.
Am Donnerstag gab es am Morgen
die Möglichkeiten der Stadtfüh-
rung und der Besuche der Museen
für Franz Liszt und Jean Paul. Am
Abend folgte dann zum ersten Mal
in der Geschichte der Hundertjährigen Stipendienstiftung ein
öffentliches
Stipendiatenkonzert
im Großen Saal der Bayreuther
Stadthalle, das regen Zuspruch vor
allem in der Öffentlichkeit und bei
den Vertretern und Mitgliedern der
Wagnerverbände weltweit fand.
Das Konzert moderierte Frau Prof.
Eva Märtson, unsere Präsidentin
des Richard-Wagner-Verband International, mit viel Verve und Einfühlungsvermögen für die jungen
Künstler.
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MUSIK UND DRAMA
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BLICKWINKEL
Am Freitag gab es als zweites Novum
in der Geschichte der Stipendienstiftung eine Kranzniederlegung auf
dem Grabe von Cosima und Richard
Wagner im Park der Villa Wahnfried.
Es sprachen der Oberbürgermeister
Dr. Michael Hohl als Vorsitzender
der Stipendienstiftung und Frau
Prof. Eva Märtson Worte der Begrüßung und übermittelten gute Wünsche zum Gelingen des diesjährigen
Aufenthaltes der Stipendiaten in der
Stadt und zum Besuch der Festspiele.
Am Nachmittag besuchten alle gemeinsam die Aufführung der Meistersinger von Nürnberg in der Regie von Katharina Wagner und dem
Dirigat von Sebastian Weigle. Die
Inszenierung stieß auf reges Interesse
und durchaus auch auf herzhaften Zuspruch bei den Stipendiaten. An dieser
Inszenierung sieht man ganz eindeutig
wie sich die Sichtweise zwischen den
Generationen enorm unterscheidet.
Was durchaus auch wieder neue Sichtweisen im Publikum erschließt.
Um 10:30 Uhr besuchten die jungen
Künstler den Einführungsvortrag
von Dr. Sven Friedrich zu den Meistersingern von Nürnberg. Im Anschluss daran fanden sich alle wieder
zu einem gemeinsamen Mittagessen
im Balkonsaal der Stadthalle.
Am Vormittag des Samstag besuchten
die Stipendiaten den Einführungsvortrag von Dr. Sven Friedrich zur Oper
Tannhäuser. Alle Vorträge fanden im
Chorprobensaal des Festspielhauses
statt und waren auf die jeweiligen Inszenierungen ausgerichtet.
© Redaktion
in weiteres Mal schmückt ein
Titelbild von Stefan Merkt
unser Magazin MUSIK und
DRAMA. Der Richard-WagnerVerband ist glücklich, mit diesem
Künstler bis zum Wagnerjahr 2013
einen kompletten Zyklus diverser
Wagnerbildmotive zu erarbeiten
und zu präsentieren.
Stefan Merkt, Stampagenkünstler
Die Kunst der Stampage ist etwas
Ausgefallenes und Besonderes. Seit
Sommer 1989 erschafft Stefan Merkt
seine Kunstwerke aus gewöhnlichen
Briefmarken. Mosaikartig werden
von ihm hunderte dieser bunten
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Postwertzeichen
und übermalt.
zusammengefügt
Für ihn stellt die Beschäftigung mit
Richard Wagner etwas Neues und
Aufregendes dar.
„Bei der Überlegung, welches Motiv
die aktuelle Ausgabe von „MUSIK und
DRAMA“ zieren soll, war mir schnell
klar, dass es dieses Mal etwas anderes
als ein Richard-Wagner-Portrait sein
müsste. Also ein Thema oder ein einprägendes Bild – nur welches? Und wie
kann ich es in meiner Technik am wirkungsvollsten umsetzen?
Am Morgen des Sonntag erfolgte
dann die Abreise nach einem umfangreichen Programm und spannenden Eindrücken von den diesjährigen Bayreuther Festspielen.
Vor den jungen, hoffnungsvollen
Künstlern liegt ein aufregender Weg
in eine wünschenswert erfolgreiche
Zukunft.
Rainer Fineske
ländischen Postwertzeichen aus dem
Jahre 1910.“
Wenn Sie sich einen Eindruck dieser
einzigartigen Kunst der Stampage
verschaffen wollen, schauen Sie einmal auf die Homepage von Stefan
Merkt: www.stampagen.com
Der RWV Berlin-Brandenburg e. V.
dankt Stefan Merkt für die, speziell
für das Magazin MUSIK und DRAMA angefertigten, Kunstwerke.
Frank Kantereit
Plötzlich ließ mich der „Fliegende
Holländer“ nicht mehr los. Sein stolzes
Schiff sollte es sein. Und so wie mich
diese energiegeladene Musik Richard
Wagners fasziniert, so kraftvoll sollten
die stürmischen Winde seine roten Segel
blähen. Und plötzlich stimmt der Chor
der Matrosen an zu ‚Steuermann lass
die Wacht‘ – obwohl kein Mensch auf
dem Schiff zu erkennen ist.
Nur wer genau hinschaut erkennt,
das Besondere an diesem Bild. Es setzt
sich aus hunderten von gebrauchten
Briefmarken zusammen – Das Schiff,
Segel und das Wasser sogar aus hol-
© Stefan Merkt
e
Den Anker los! Johohe! Hojohe!
Am Nachmittag wurde die Aufführung des Tannhäuser, der diesjährigen
Neuproduktion in der Regie von Sebastian Baumgarten und dem Dirigat
von Thomas Hengelbrock, besucht.
Nach der Vorstellung wurden die
Stipendiaten auf einem Empfang im
Steigenberger Festspielrestaurant feierlich verabschiedet.
Titelmotiv von Stefan Merkt
RÜCKBLICK
h r ü ckblick h
z
Wie fang ich nach der Regel an?
um Abschluss unserer Ge-
sprächsreihe über die Berliner
Opernstiftung: Der Generaldirektor zu Auftrag und Wirken der
Stiftung Peter F. Raddatz im Gespräch mit Rainer Fineske am 12.
September 2011
Bei der Ernennung zum in Folge dritten Chef der Berliner Opernstiftung
– nach Schindhelm und Rosinski –
ging ihm der Ruf voraus, im Stahlbad
von Köln für seine Aufgabe in Berlin
hinsichtlich des Agierens in den politischen Machtspielen fit gemacht worden zu sein. Seit September 2009 leitet
Peter F. Raddatz die Berliner Opernstiftung; er ist gleichzeitig Geschäftsführer des stiftungseigenen Bühnenservice. Er war zuvor u. a. langjähriger
Kaufmännischer Geschäftsführer des
Schauspielhauses Hamburg und zuletzt in Köln als Geschäftsführer von
Oper und Schauspiel engagiert.
Gleich zu Beginn überrascht die Aussage des verantwortlichen Chefs, dass
nach seiner persönlichen Auffassung
zur Rettung der drei Berliner Opernhäuser nicht zwangsläufig die Gründung der Opernstiftung als sachlich
maßgebende Maßnahme erforderlich
gewesen wäre – politisch gesehen
vielleicht ja schon. Allerdings seien
die Synergien groß, vor allem dabei
der gemeinsame Bühnenservice für
die drei Opernhäuser wichtig, der
zusätzlich auch für weitere Bühnen,
wie z. B. das Deutsche Theater arbeitet. Hierbei ist es nicht sehr entscheidend, dass jetzt nach dem in diesem
Sommer abgeschlossenen Umzug der
Werkstätten an den Ostbahnhof sie
ihre Schlagkraft und Flexibilität ihren Nutzern laufend beweisen. Weitere Rationalisierungserfolge liegen
im Bereich der Personalverwaltung
und der Buchhaltung.
Die Stiftung ist mit 121 Millionen
Euro vom Senat Berlin ausgestattet, dazu 30 Millionen Einnahmen
(wegen der kleineren Kapazität der
Staatsoper im Schillertheater z. Zt.
nur 25 Millionen). Diese Finanzierung ist bis 2014 festgeschrieben.
Raddatz geht davon aus, dass bis dahin die Rationalisierungserfolge, die
dieser Konstanz der Mittel geschuldet sind, erschöpft und deshalb ab
2015 ca. 30 Millionen Aufstockung
erforderlich sind, um ohne Abstriche
an Angebot und künstlerischer Qualität auf die bis dahin vorzusehende
Angleichung des Gehaltsniveaus an
Landes- und Flächentarife reagieren
zu können. Dabei sind die tariflichen
Verhandlungen mit einer Hand voll
unterschiedlicher Gewerkschaften
schon anspruchsvoll.
Das für die Summe der Zuwendungen und ihre übergeordnete Verteilung auf die Häuser als Partner des
Senats zuständige Gremium ist der
Stiftungsrat. Er setzt sich zusammen
aus dem Regierenden Bürgermeister
und dem Senator für Finanzen sowie externen Beratern (Vertreter der
Bayerischen Staatsoper, des RBB, des
Sparkassen- und Giroverbandes und
der Commerzbank) und dem Vorsitzenden des Personalrats der Stiftung.
Das für den Geschäftsbetrieb und die
laufende Koordination der fünf or-
Der Welt melden Weise nichts mehr Die Bayreuther Festspiele:
d
Utopie und Niedergang – Ein Vortrag Dr. Dieter David Scholz am 26.09.2011
ie Bayreuther Festspielge-
schichte als Geschichte einer
Utopie und ihres Niedergangs versuchte der renommierte
Journalist Dr. Dieter David Scholz
beim
Richard-Wagner-Verband
Berlin-Brandenburg darzustellen. In
einem historischen Rückblick erinnerte er daran, dass die Festspiele von
Anfang an darauf angelegt waren,
die Utopie einer totalen Alternative zu
sein, wie es Oswald Georg Bauer ein-
ganisatorischen Einheiten, d. h. den
künstlerisch selbständigen Opernhäusern, dem Staatsballett und den
Werkstätten, zuständige Gremium
ist der Stiftungsvorstand, bestehend
aus dem Generaldirektor der Stiftung (gleichzeitig als Geschäftsführer des Bühnenservice) sowie den
Intendanten und Geschäftsführenden Direktoren der Häuser und des
Balletts.
Neben der laufenden Koordination,
z. B. die mittelfristige Spielplangestaltung, war eine übergeordnete
Aufgabe des Vorstands die Beherrschung der Staatsopernsanierung
ohne eine Schwächung des Betriebs
der anderen Häuser und es wird eine
weiterführende Aufgabe die Verbesserung der Verwaltungsabläufe z. B.
durch verbesserte IT-Verfahren und
die Umsetzung eines schon mehrfach
angekündigten gemeinsamen Ticketings sein.
Wenn auch in weiterer Zukunft eine
Koordination und die Aufrechterhaltung der Einsparungen in den Verwaltungs- und Dienstleistungsbetrieben erforderlich ist, steht Raddatz zu
seiner persönlichen Meinung: Eine
Fortschreibung der übergestülpten
Stiftung mit eigenem Generaldirektor ist aus dieser Aufgabenstellung
heraus nach Auslauf seines Vertrages
nicht zwingend.
Jürgen Moeller
Anmerkung der Redaktion:
Wie zwischenzeitlich bekannt wurde,
verlässt Raddatz die Opernstiftung in
Richtung Schauspielhaus Hamburg
in 2013. Ein Nachfolger ist (noch)
nicht bekannt.
mal formulierte. Wagner habe beabsichtigt, den sozialen Bewegungen ein
schönes und hohes Ziel zuzuweisen, das
Ziel edler Menschlichkeit.
In sieben Kapiteln legte Dr. Scholz
dar, wie problematisch es für Wagner
und für seine Nachfolger als Festspiel-
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RÜCKBLICK
leiter (Cosima/Siegfried) war, diesem
Anspruch zu genügen, weil die Idee
immer wieder am gesellschaftlichen
Umfeld und am ideologisch ausgerichteten Weltbild vermeintlicher
Wagnerianer zu scheitern drohte.
Eine rechtsnationale Wagnervereinnahmung war bereits in den letzten
Jahren vor dem ersten Weltkrieg erkennbar. Die ideologische Saat sollte
einige Jahre später aufs Furchtbarste
aufgehen.
Verhältnis der Deutschen zu Wagner
ist das gestörte Verhältnis zu ihrer Geschichte“.
Der Bayreuther Neuanfang unter
Wieland und Wolfgang kam der
Idee von Wagners Utopie der Alternative – so Dr. Scholz – eigentlich
sehr nahe, indem Wieland mit ganz
neuen Mitteln bewies, dass Wagners
Ideendramen zeitlos sind und immer
wieder neu gedeutet werden können,
ja wohl auch gedeutet werden müssen.
Ausführlich befasste sich Dr. Scholz
mit den Festspielen während der Hitler-Ära unter Leitung Winifred Wagners. Er setzte sich mit Hitlers äußerst
selektiver Wahrnehmung Wagners
als schwülstig-bombastischen Instrumentator nationalistischer Ideen
auseinander und mit der Vereinnahmung der Kriegsfestspiele als Propagandaveranstaltung des Dritten
Reiches. Die Fehlinterpretationen
haben zu Verstörungen geführt, welche teilweise bis heute anhalten, und
von Wagnerbiograph Martin GregorDellin mit folgenden Worten auf den
Punkt gebracht wurden: „Das gestörte
Nach Wielands Tod habe Wolfgang
den von seinem Bruder definierten
Begriff Werkstatt Bayreuth konkretisiert und umzusetzen verstanden.
Die Bayreuther Festspiele seien unter
seiner Ägide eines der erfolgreichsten
Festspiele der Welt geworden. Seine
wichtigste Lebensleistung sei sicherlich die Gründung der Richard Wagner Stiftung zur Erhaltung der Festspiele gewesen, die ansonsten durch
Familienauseinandersetzungen und
finanzielle Unsicherheiten gefährdet
gewesen wären.
So wird mir der Weg gewiesen
a
Siegfried Wagner – ein höchst origineller Komponist
Und – wie sollte es anders sein –
hielt er einen Vortrag über Siegfried
Wagner, den Sohn des Bayreuther
Meisters. Selbstverständlich ist
Siegfried selbst auch ein Meister, aber einer, der seine eigenen
Tonschöpfungen, losgelöst von seinem Übervater kommunizieren,
sprich aufführen konnte. Siegfried
Wagnerss Werke, und derer sind es
viele, gehörten, wie wir erfuhren,
zu den meist gespielten Werken
auf deutschen Opernbühnen bis
1945. Etliche von ihnen gibt es in
der Zwischenzweit auch als Einspielungen auf CD oder DVD.
MUSIK UND DRAMA
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© Redaktion
m 10. Oktober 2011 war der
Musikwissenschaftler, Re
gisseur und Vorsitzende
der weltweit agierenden SiegfriedWagner-Gesellschaft, Prof. Dr. Peter P. Pachl in unserem Verband zu
Gast.
Richard und Siegfried Wagner
Nach Wolfgangs Tod sieht Dr. Scholz
kritisch und besorgt in die Zukunft.
Die Bayreuther Festspiele, so der Vortragende, entfernen sich zusehends
von ihren ursprünglichen Intentionen. Den Halbschwestern Katherina und Eva Wagner sei es bisher nicht
gelungen, ein tragfähiges Zukunftskonzept mit einer gemeinsamen Programmatik und einem künstlerischen
Credo zu entwickeln. Konzessionen
an den sogenannten Zeitgeist durch
Verpflichtung werkfremder und umstrittener Regisseure, überflüssige Begleitveranstaltungen und finanzielle
Einbußen können zu einem Imageschaden führen, der kaum wieder
gut zu machen sei und auf potentielle
Förderer wie aufs Publikum eine negative Signalwirkung haben kann.
Die erkennbare Ferne von jeder Utopie einer totalen Alternative sei nicht
nur eine Gefahr für die Zukunft der
Bayreuther Festspiele, sie sei vor allem
das größte Missverständnis dessen,
was Richard Wagner mit seinen Festspielen ursprünglich vorschwebte.
Dieter Kahle
Die Heilige Linde, 1927 komponiert
und erst 2001 uraufgeführt, gehört
zu den Werken, die ihren musikalischen Reichtum mit am schönsten
entfaltet, weil in diesem Werk das
ganze Können der voran gegangenen
großen Opern Siegfried Wagners mit
einfließt. Jeder kann sich die Einspielung aus Köln von 2001 anhören,
sie ist im Handel erhältlich. In den
Audio- und Video-Beispielen führte
Prof. Pachl uns auf das Beste vor Augen und Ohren, wo und bei welchen
Komponisten Siegfried Wagner sich
orientierte, ohne in Plagiate seines
Vaters zu verfallen.
Seine Musik schlägt einen durchaus
modernen großen Bogen von Richard
Strauss bis hin zu Schostakowitsch
und den damaligen stark vertretenen
Jazz-Protagonisten. In seinen Opernwerken gibt sich der Komponist als
ein Künstler und Komponist der Gegenwart mit all ihren Facetten, die
ihm aber im politischen Bereich sei-
RÜCKBLICK | FERNBLICK
Seine eigene Inszenierung der Oper
An allem ist Hütchen schuld im
Opernhaus Hagen, führt uns sehr
differenziert die ihm eigene Art von
Humor in Verbindung mit Dramatik
und Tragik in seinen Werken vor Augen, ein ganz eigenes Genre, das sich
für manches Opernhaus lohnen würde, es auf die Bühne zu stellen, nur
schade, dass wohl immer der Aspekt
des sich Lohnens dabei im Vordergrund steht.
Von seinen vielen Opern gelang es
Peter P. Pachl vor etlichen Jahren in
Rudolstadt, einige Opern Siegfried
Wagners zu inszenieren und dem
Publikum, das er zu begeistern vermochte, näher zu bringen. Es sind so
wundersame Titel wie Schwarzschwa-
nenreich oder Der Schmied von Marienburg dabei. Alle Werke wurden
auch im Rundfunk übertragen. Peter
P. Pachl gelang es auf seine ganz besondere Art, unsere Mitglieder und
Gäste für den Komponisten einzunehmen und in vielerlei Hinsicht zu
überzeugen. Wer weiß, vielleicht erleben wir Berliner doch noch die Renaissance eines seiner Werke, alle sind
durchweg für die große Bühne geeignet und auch für ein Orchester etwas
ganz Besonderes und Bereicherndes.
Nebenbei bemerkt, ließ uns der Vortragende wissen, dass nach dem 2.
Weltkrieg die Witwe Siegfried Wagners, nämlich Winifred Wagner, sehr
stark versucht hat, die Aufführungen
zu unterbinden, was ihr in vielen Fällen auch gelang, denn der Urheberschutz läuft erst nach 70 Jahren aus.
Aber in der heutigen Zeit dürfte das
sicher kein Problem mehr darstellen.
Rainer Fineske
© Redaktion
ner Zeit zum Teil durchaus verloren
ging, ein merkwürdiger Gegensatz,
den Herr Pachl verstand uns plausibel zu vermitteln.
Siegfried Wagner
h f e rnblick h
i
Wer als Meister ward geboren…
n diesem Jahr vollendete sich der
200. Geburtstag des Pianisten
und Komponisten Franz Liszt
am 22. Oktober 2011. Das veranstaltungsreiche Liszt-Jahr endete
mit dem Festkonzert-Wochenende
am 22. und 23. Oktober 2011.
Im März, zu Beginn des Jahres gab
der weltberühmte Bariton Thomas
Hampson einen festlichen Liederabend zu Ehren des Komponisten
Franz Liszt. Es wurden u. a. ausgewählte Lieder von Franz Liszt und
Gustav Mahler gegeben, begleitet von
dem kongenialen Liedbegleiter und
Professor für Liedgesang an der Berliner Hochschule für Gesang Hanns Eisler, Wolfram Rieger. Das Publikum
ließ den Sänger und seinen Begleiter
erst nach entsprechenden Zugaben
von der Bühne ziehen.
Dann folgte das ganze Jahr über eine
Veranstaltung nach der anderen.
Gleich, ob es Kammerkonzerte, Vor-
träge oder gesangliche Darstellungen
verschiedenster Art waren, Liszt war
allgegenwärtig. Bei Steingräber, der
Pianoforte-Fabrik in Bayreuth, gab
es Klavier-Wettbewerbe um Liszt herum, und eine hervorragend gemachte Ausstellung, die auf Material von
Siegfried Wagner, dem Enkel Liszts,
basierte, der sich im Anfang des 20.
Jahrhunderts intensiv mit seinem
Großvater und dessen vielseitigem
Schaffen auseinander setzte.
Zu Beginn der Festspiele gab Hèléne
Grimaud einen Klavierabend mit
höchster Vollendung und Hingabe an
das Programm. Im ersten Teil des Konzertes begann sie sehr durchdacht mit
der Sonate a-Moll KV 310 von Wolfgang Amadeus Mozart, und vor der
Pause schloss sie den ersten Teil mit Alban Bergs Sonate op.1, einer wunderbar
klugen Überleitung in die Moderne, ab.
Zu Beginn des zweiten Teils fand
sie zu Franz Liszt mit seiner durch-
komponierten und teilweise expressiv
durchdrungenen Sonate in h-Moll,
deren Klänge schon absolut in der
Gegenwart angekommen zu sein
scheinen. Sie vollendete ihren Klavierabend mit den Rumänischen Volkstänzen Sz 56 von Bela Bartók. Durch
diese Programmwahl gelang ihr der
Bogen von höchster Musikalität und
Darstellung aus der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts bis in unsere Gegenwart. Das Publikum konnte
man selten so begeistert in Bayreuth
erleben, wie an diesem Vorabend der
Eröffnung der 100. Bayreuther Festspiele.
Am Geburtstagswochenende des
Musikers Franz Liszt selbst, gab die
Stadt Bayreuth zwei Festkonzerte
in der Stadthalle. Am Samstag den
22. Oktober waren die Chöre und
das Orchester der Musikakademie
der Stadt Budapest zu Gast mit dem
Oratorium Christus. Die Festredner
waren der Oberbürgermeister der
Stadt Bayreuth Herr Dr. Hohl, und
der Leiter der Hochschule für Mu-
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MUSIK UND DRAMA
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FERNBLICK | RUNDBLICK
© Redaktion
Balkonsaal der Stadthalle mit zahlreichen Ehrengästen.
Franz Liszt
sik Franz Liszt Weimar, Prof. Dr.
Altenburg.,Beide Festvorträge waren
ausgezeichnet durch immenses Wis-
sen und Exaktheit über den Jubilar.
Im Anschluss an das Konzert gab die
Stadt Bayreuth ihren Empfang im
Am Sonntag gaben dann das Weimarer Hochschulorchester unter der
Leitung von Christian Thielemann
das zweite Festkonzert mit der Tannhäuser-Ouvertüre, eigentlich unnötigerweise, denn der Jubilar konnte
durchaus auch mit eigenen Werken
durchaus fulminant prunken. Im ersten Teil gab es das Klavierkonzert Nr.
2 A-Dur, am Flügel der Pianist Konstantin Scherbakov mit hinreißender
Verve. Zu Beginn des zweiten Teils
stand zuerst der Totentanz (Paraphrase
über „dies irae“) auf dem Programm,
mit einem Eindruck als sei man schon
bei Schostakowitsch und seinen Sinfonien angekommen. Zum Abschluss
wurde, zumindest sicher in Bayreuth
zum ersten Mal nach dem zweiten
Weltkrieg, die Sinfonische Dichtung
Nr. 3, allen besser bekannt als Les
Préludes, gespielt. Erst wenn man die
Möglichkeit hat diese wundervolle
Tondichtung komplett zu hören, besonders unter Christian Thielemann,
geht einem das musikalische Herz auf,
vor so viel bisher ungehörter Schönheit und Klangfarbigkeit. Damit
schloss sich der Reigen des Liszt-Jahres
mit seinem enormen Aufgebot an Ehrungen und Veranstaltungen des genialen Meisters, der Richard Wagner die
Zukunft gewiesen hat, und ohne den
es sicher nicht das Bayreuth von Heute
mit seinen Festspielen geben würde.
Rainer Fineske
h r u ndb L I C K h
Sogleich die Anker lichten wir Die weltweit aktuellen
e
Neuinszenierungen der Werke Richard Wagners
Bari – Götterdämmerung
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Nr. 31, Dezember 2011
„Segeln Sie durch die faszinierende
Bilderwelt Wagnerscher Werke.
© Redaktion
© Redaktion
rleben Sie die einzelnen Neu- Opernbühnen der Welt. Bilden Sie
inszenierungen als eindrück- sich mit der Ihnen eigenen Fantasie
liche Fotoreise hin zu den eine Meinung darüber, wie Wagners
© Redaktion
Utopie der Kunst durch die Künstler
unserer Zeit umgesetzt wird.
Bayreuth – Tannhäuser
Bern – Holländer
Enschede – Siegfried
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RUNDBLICK
Klagenfurt – Der fliegende Holländer
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Erl – Tannhäuser
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Braunschweig – Tristan und Isolde
Liége – Der fliegende Holländer
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Bremen – Tannhäuser
Frankfurt – Siegfried
Mainz – Tristan und Isolde
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Bochum – Tristan und Isolde
Mannheim – Das Rheingold
Halberstadt – Lohengrin
Dortmund – Der fliegende Holländer
New York – Siegfried
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Halle – Die Walküre
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Darmstadt – Götterdämmerung
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Darmstadt – Siegfried
Innsbruck – Lohengrin
Nürnberg – Die Meistersinger von Nürnberg
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MUSIK UND DRAMA
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Riga – Götterdämmerung
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© Redaktion
RUNDBLICK | EINBLICK
Talin – Parsifal
Savonnlina – Lohengrin
Der Premierenspiegel für den Chronisten
(Juli 2011 – Dezember 2011)
Bedacht sind sowohl szenische, wie konzertante Aufführungen
Der fliegende Holländer
Tannhäuser
Tristan und Isolde
Die Meistersinger von Nürnberg
Das Rheingold
Die Walküre
Siegfried
Götterdämmerung
Parsifal
Lohengrin
Bern/Dortmund/Klagenfurt/Liége/London/Wuppertal
Bayreuth/Bremen/Erl/Paris/
Bochum/Braunschweig/Mainz
Nürnberg
Mannheim
Halle
Darmstadt/ Frankfurt/ Leipzig/ New York
Bari/ Darmstadt/Riga
Berlin/ Halberstadt/Innsbruck/ Savonnlina
Talin
Einige Premieren fanden nach Redaktionsschluss statt, dazu mehr in Ausgabe Nr. 32
Zusammenstellung: Frank Kantereit
h e inb L I C K h
Stets soll nur dir, nur dir mein Lied ertönen
d
Die Werke Wagners in Aufführungen der Berliner Opernhäuser in der zweiten Jahreshälfte 2011
Ein fürwahr mutiges Unterfangen,
an den Beginn einer neuen Spielzeit zwei zyklische Aufführungen
von Wagners RING zu stellen. Ein
fulminanter Saisonauftakt an der
Deutschen Oper Berlin. Seit einem
Vierteljahrhundert schmückt dieser grandiose TUNNEL-RING den
Spielplan des Hauses. Sorgte er in
den zurückliegenden Jahren stets für
ausverkaufte Häuser, so lief heuer der
Kartenverkauf zäh an und in beide
Zyklen war das Haus nicht zur Gänze gefüllt.
Dies lag sicher nicht an GMD Donald Runnicles, der im Verein mit
seinem Orchester Großartiges bot. Es
MUSIK UND DRAMA
10
unverwüstlichen Burkhard Ulrich.
Die Ursache mag ihren Grund in der
unattraktiven Besetzung der zentralen Rollen Wotan und Brünnhilde
haben. Als wenig glücklich erwies
sich Wotan/Wanderer mit dem unzulänglichen Mark Delavan (in der
Walküre übernahm auch nicht restlos überzeugend Greer Grimsley den
Göttervater). Absoluter Schwachpunkt war letztlich die Brünnhilde
der polarisierenden Janice Baird (in
der Walküre sang Jennifer Wilson
weitaus passabler, wenn auch nicht
wirklich überwältigend, Wotans holde Wunschmaid).
eutsche Oper Berlin:
Der Ring des Nibelungen
September 2011
Nr. 31, Dezember 2011
© Redaktion
Berlin – Der Ring des Nibelungen
lag auch wohl kaum an bewährten
Wagnerkräften wie Petra Maria
Schnitzer, Robert Dean Smith, Torsten Kerl, Stephen Gould oder dem
Das Berliner Publikum ist in puncto
Wagner mehr als verwöhnt und erwartet das Allerbeste. Und das war
mit dieser Besetzung nun einmal bei
weitem nicht aufgeboten.
EINBLICK | SEITENBLICK
Deutsche Oper Berlin:
Tannhäuser
Oktober/November/Dezember 2011
däquat: Manuela Uhl als blonde Venus-Elisabeth. Die neue Haarpracht
steht ihr fantastisch und spornt sie
Höhepunkt: Das überirdisch schön
aufspielende Rundfunk-Sinfonieorchester und der klangerfüllt tönende
Rundfunkchor.
© Redaktion
Wagnerwonnen pur bot Klaus Florian
Voigt in seiner vermutlich besten Partie, als Lohengrin. An seiner Stimme
mögen sich die Geister scheiden, wie
er aber gerade als Schwanenritter mit
silbriger Lyrik und beseeltem Schmelz
zu verzaubern weiß, das sucht auf den
Bühnen der Welt derzeit seinesgleichen.
Annette Dasch hinterlässt als Elsa einen
zwiespältigen Eindruck, ist sie doch im
Grunde nicht wahrhaftig eine Wagnersängerin und hat mit den dramatischen
Passagen recht viel Mühe.
Berlin – Tannhäuser
zu befreitem Spiel an. Bravo! Ach
ja, dann war da noch der Sänger der
Titelrolle. Da schweigt des Sängers
Höflichkeit.
Nach unserem Redaktionsschluss
steht im Dezember 2011 die Tannhäuser-Inszenierung von Kirsten
Harms noch zweimal auf dem Programm. Peter Seiffert und Petra Maria Schnitzer sind für die Hauptpartien angesetzt, ebenso Markus Brück
in seiner Paraderolle des Wolfram
von Eschenbach.
Philharmonie – Wagnerzyklus des
RSO (Marek Janowski):
Lohengrin
November 2011
Das böse Paar war mit Susanne Resmark und Gerd Grochowski rollendeckend, aber nicht herausragend
besetzt. Einmal mehr restlos überzeugend, erfreute Markus Brück
als kraftvoll ausladend klingender
Heerrufer. Einen Bassgenuss einzigartiger Güte bescherte Günther
Groissböck.
© Redaktion
Ihrem Ruf als das Wagneropernhaus
am Platze wurde die Deutsche Oper
mit zwei Aufführungen des hochromantischen Minnesängerdramas
im Oktober und November gerecht.
Dieser Tannhäuser hatte drei Trümpfe, die beiden Abenden nachdrücklich allerhöchste Qualität verliehen.
Erster Trumpf: Der famose, schier unübertreffliche Chor der DOB
unter William Spaulding. Zweiter
Trumpf: Markus Brück, dessen Gesangskunst ebenso hoch erstrahlt wie
der Stern, den er so hingebungsvoll
besingt. STERNSTUNDENQUALITÄT! (Lob den einfühlsamen Harfen). Dritter Trumpf: Das Orchester
unter Donald Runnicles, der ein intensiv leidenschaftliches Dirigat mit
großartigem Format hinlegte. Ein
Sänger, der hörbar positiv an sich arbeitet und von dem wir sicher noch
sehr viel hören werden: Thomas Blondelle. Sein Walther von der Vogelweide war mehr als hörenswert. Und ...
schmunzel ... endlich durften wir es
erleben: Rollen- und inszenierungsa-
Marek Janowski – Der fliegende Holländer
Triumphal umjubelt wurde die konzertante Aufführung des Schwanenrittermärchens in der Philharmonie am
12. November 2011. Marek Janowski
setzte seinen Wagner-Zyklus mit einer
begeisterungswürdigen Darbietung
des Lohengrin fort. Unumstrittener
Bleibt am Ende die Gretchenfrage:
Fehlt dem Ganzen nun die szenischinszenatorische Komponente oder
nicht? Die Antwort möge sich ein jeder selbst geben.
Frank Kantereit
h s e i t e nb L I C K h
d
Selbst muss der Freie sich bilden
ie Deutsche Oper Berlin
setzt die kontinuierliche Er-
neuerung ihres WagnerRepertoires im April 2012 mit einer
Neuinszenierung der romantischen
Oper Lohengrin fort. Große Teile des
Publikums beobachten mit gewisser
Sorge und Wehmut, dass somit un-
weigerlich Schritt für Schritt die legendären Inszenierungen von Götz
Friedrich aus dem Repertoirealltag
verschwinden und durch etwas ungewisses Neues ersetzt werden. Als
weiland der Tristan abgesetzt wur-
Nr. 31, Dezember 2011
MUSIK UND DRAMA
11
SEITENBLICK
Es ist müßig, darüber zu spekulieren,
was Götz Friedrich selbst dazu sagen
würde. Aber es dürfte nicht uninteressant sein, einmal in alten Aufzeichnungen zu blättern und zu erinnern,
was der leidenschaftliche Regisseur des
lebendigen Musiktheaters zu Papier
brachte, wenn es darum ging, über
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Oper im Allgemeinen und in
Berlin im Besonderen nachzudenken.
Oper in Berlin – Götz Friedrich
kennzeichnete das als eine permanente Suche nach einer tieferen Sinngebung der Oper, eine Suche nach einem
Selbstverständnis von Oper, das ihre
künstlerischen und gesellschaftlichen
Zusammenhänge gleichermaßen ins
Spiel bringt. Götz Friedrich benennt
eine immer wieder praktizierte Berliner Dramaturgie des Musiktheaters:
Oper wird nicht nur und nicht eigentlich als unverbindlicher, luxuriöser
Repräsentationsgegenstand begriffen,
auch nicht ausschließlich und nur als
kostümiertes Konzert geduldet, sie gilt
auch ganz und gar nicht als töricht oder
überflüssig, sondern in ihr wird ein
Kunstgehalt gesucht, in dem sich musikalische und szenische Komponenten
verbinden zu einem Musiktheater, das
immer auch etwas anderes und immer
auch mehr ist als Musik allein und als
Theater ohne Musik.
Diese Ausgabe unseres Magazins ist
unter das dramaturgische Motto Hier
gilt‘s der Kunst! Gestellt, was einen
Diskurs impliziert, nachzudenken
über ein zukunftsweisendes Kunstverständnis und seine theatergemäße
Notwendigkeit. Und gerade in dieser
Hinsicht ist es mehr als lohnenswert,
sich einmal vor Augen zu führen,
wie gestaltend für die Zukunft Götz
Friedrich bereits vor über 25 Jahren
die Utopie eines Musiktheaters von
Morgen ins Auge fasste.
MUSIK UND DRAMA
12
Nr. 31, Dezember 2011
Wir sehen unsere Opernarbeit in die
spannungsreiche Kontinuität zwischen
dem Einst und dem Jetzt gestellt – das
Einst begriffen als Tradition, Überliefertes und zugleich als das, was noch
nicht da ist, als das Utopische, dem wir
uns immer wieder auszuliefern haben;
und das Jetzt verstanden als das unverwechselbare Heute und Hier. Hier und
Heute ist uns Berlin. (…) Wenn wir
heute gemeinsam über die Erwartungen
an das Musiktheater nachdenken, (…),
dann setzt ein Konzept für die Zukunft
eine Analyse der Vergangenheit voraus,
die Sichtung und Neubewertung von
Traditionen des Musiktheaters in Berlin, aus denen wir reizvolle Perspektiven entwickeln können.
© Redaktion
de, formierten sich Wagnerfreunde,
um mit Unterschriftensammlungen
für den Erhalt der Produktion zu
kämpfen. Man mag sich gar nicht
vorstellen, was an dem Tag geschieht,
da verkündet wird, dass es mit dem
inzwischen weltberühmten TunnelRING endgültig aus und vorbei ist.
Götz Friedrich
Hoch interessant und brisant zugleich
wirkt Friedrichs provozierende These über moderne Bühnenkunst, die
sich zur Aufgabe gestellt hat, Altes und
Neues gleichermaßen zugunsten heute
zu machender Erfahrungen aufzuführen. Hier gilt unweigerlich die Frage, ob es für ein Theater, das sich dem
kreativen Individuum wie der interessierten Gesellschaft verpflichtet fühlt,
je den `klassischen Bereich` der Kunst
gegeben hat, der ohne Wirkung auf die
Gesellschaft und ohne Frage nach ihrer
Veränderbarkeit existiert hätte.
Nicht zuletzt ist es Wagners Tannhäuser, der Götz Friedrich fragen
lässt: Wie frei ist der schöpferische
Künstler, und wie reguliert sich seine
Verantwortung gegenüber der Gesellschaft? Ist die bestehende Gesellschaft
gemeint, oder geht es um eine Veränderung, um Entwicklung? Künstlerische
Freiheit – für wen?
Für Götz Friedrich gibt es in Punkto
künstlerischer Freiheit und die damit
verbundene Streitbarkeit keinerlei
Zweifel: Bei allen Auseinandersetzungen, den gegenwärtigen und den
zukünftigen, gilt das Plädoyer: In dubio pro arte – Im Zweifelsfall für die
Kunst, für eine Kunst, die sich nur an
eins gebunden fühlt: die Freiheit, wie
wir sie hoffentlich immer besser verstehen und praktizieren.
Erstaunliches kommt dann aus dem
Munde jenes Mannes, der als Vorreiter
des heutzutage geschmähten und geächteten Begriffs Regietheater gilt: Ich
halte nichts vom Begriff Regietheater,
ich sehe vielmehr szenisches Musizieren
als meine Berufsaufgabe an. Was das jeweils im einzelnen bedeutet, müssen die
Inszenierungen zeigen oder erweisen.
Das mag jetzt Wasser auf die Mühlen
all derer sein, die ein streng konservatives, die Tradition bewahrendes
Theater befürworten, doch da haben
sie die Rechnung ohne den Wirt,
ohne Götz Friedrich gemacht, der im
selben Atemzug weiterdenkt: Nichts
von dem, was wir taten, ist abgeschlossen, nichts dünkt uns vollendet. Von
Jahr zu Jahr korrigieren wir. Das große
Abenteuer der Entdeckung solchen
Welttheaters ist unbegrenzt.
Oftmals sitzen wir in aktuellen Inszenierungen und fragen uns ratlos: Was
will der Regisseur uns damit sagen?
Götz Friedrich wendet sich deutlich
und engagiert gegen eine Rationalität, die alles durchschauen will, stellt
aber dem Regisseur auch nicht den
Freibrief für ein wildes, unkontrolliertes Handeln aus: Wieland Wagner
hat einmal so schön gesagt „Man frage einen Künstler nicht nach seinen
Gesichten!“ Als ich jung war und alles
so schön erklären mochte, fand ich den
Satz ungezogen – heute denke ich das
Gegenteil. Weil ich gar nicht so richtig erklären kann, was das `sagen` soll;
ich kann nur erklären, warum ich es
SEITENBLICK | AUSBLICK
gemacht habe. Ich kann auch erklären,
dass ich die eindeutige Festlegung für
albern halte.
Damit schenkt Götz Friedrich dem
geneigten Publikum etwas sehr Wesentliches, was heutige Regisseure
durch ihr dramaturgisch bis in das
Hinterletzte durchgeistigte, oftmals
dadurch leidenschaftslose Theater
den Zuschauern vorenthalten: den
Freiraum eigener Fantasie.
Mag Götz Friedrich im Gestalten von
Zukunft ein gewissenhaft moderater
Verwalter des Vergangenen gewesen
sein, so gab es dennoch eine für ihn
unabdingbare Maxime: Es genügt
nicht, möglichst streng nach rückwärts
zu schauen, sondern notwendig ist auch
eine gute Portion Mut zur Zukunft,
selbst auf das eventuelle Risiko hin, sich
ganz gewaltig zu irren.
Was Götz Friedrich über die heutige,
oftmals fatal sinnentleerte Regieein-
stellung denken mag, die im gewaltsamen Zertrümmern der Werke ihre
gedankliche Neudeutung empfindet,
ist nicht verbrieft. Ihm ging es stets
darum, Geschichten von Menschen zu
erzählen, die uns etwas angehen und in
denen auch immer etwas von der Geschichte der Menschheit enthalten ist.
Darin liegt der Zauber jener Unvergänglichkeit seiner Inszenierungen,
die man nicht missen möchte. Fände
sich ein Regisseur, der nicht langweilt
mit dem Erzählen eigener Traumatas,
sondern mit dem Erzählen von Geschichten, die uns unser Einzelsein,
vielleicht auch unser Einsamsein bewusst machen und die gleichzeitig
aufgehen in das Gefühl der humanen
Kontinuität, die sich in der gesellschaftlichen Gemeinsamkeit ebenso begreifen
lässt wie in der Konfrontation, dem
sonst Unaussprechbaren, dem Unbegreiflichen – es wäre wahrlich besser
bestellt um die Aufgeschlossenheit
des Publikums seinem Theater gegenüber.
Götz Friedrich sah das Theater als
den Jahrtausende alten Versuch,
mit Zivilisation Humanität zu erreichen. Hoffen wir, dass die Oper
nicht in die paradoxe Situation gerät,
ausgerechnet von der Liebe nur noch
zu wenigen Menschen oder bloß noch
für sich selbst oder gar nicht mehr
sprechen zu können: von der Liebe
zur Musik, von der Liebe zur Oper,
die nichts anderes ist als die Liebe
zum Menschen in seinen besseren
Möglichkeiten.
Sein Credo über die Liebe zur Oper
ist zugleich ein Credo für die Freiheit
einer sich über die Gegenwart in die
Zukunft entwickelnden Kunst. Diese Gestaltung von Zukunft liegt in
der Offenheit und Toleranz eines jeden einzelnen von uns. Da ist Götz
Friedrich sehr, sehr nah bei Wotans
Gedanken angelangt: Selbst muss der
Freie sich bilden.
Frank Kantereit
h a u sb L I C K h
Zum Fest! Heut soll sich Alles freun!
w
Richard Wagner in Berlin – Spielzeit 2011/12
ir wünschen beim Besuch der aufgezeigten Vorstellungen inspirie-
rende Anregung, Freude und einen lebendigen Gedankenaustausch DER RING DES NIBELUNGEN –
mit angereisten Wagnerfreunden aus aller Welt.
DIE WALKÜRE
Daniel Barenboim, Guy Cassiers –
STAATSOPER IM SCHILLEREkaterina Gubanowa, Iréne Theorin,
Vorstellungen:
THEATER
Anja Kampe, Susan Foster, Ivonne
10./18./25. März 2012
Fuchs, Danielle Halbwachs, Carola
(jeweils 16 Uhr)
Höhn, Anaīk Morel, Leann SandelPantaleo, Nicole Piccolomini, SimoDER RING DES NIBELUNGEN – ne Schröder, René Pape, Mikhail PeDAS RHEINGOLD
trenko, Simon O´Neill
Daniel Barenboim, Guy Cassiers –
Ekaterina Gubanowa, Anna Samuil, Vorstellung:
Anna Larsson, Aga Mikolaj, Maria 1. April 2011 (15 Uhr)
Gortsevskaya, Marina Prudenskaja,
Staatsoper im Schiller Theater
René Pape, Jan Buchwald, Marco Kartenservice Staatsoper:
Jentzsch, Iain Paterson, Eric Hal- Tel.: +49 (0)30 - 20 35 45 55
varson, Stephan Rügamer, Johannes Fax: +49 (0)30 - 20 35 44 83
Martin Kränzle, Wolfgang AlbingerTRISTAN UND ISOLDE
Daniel Barenboim, Harry Kupfer, Sperhacke
Hans Schavernoch – Waltraud Meier, Ekaterina Gubanowa, Ian Storey, Vorstellung:
René Pape, Roman Trekel, Florian 30. März 2012 (19 Uhr)
Hoffmann, Artu Kataja
© Redaktion
Nr. 31, Dezember 2011
MUSIK UND DRAMA
13
AUSBLICK | ÜBERBLICK
DEUTSCHE OPER BERLIN
Vorstellungen:
20./26./30. April 2012
(jeweils 19.30 Uhr)
© Redaktion
Kartenservice Deutsche Oper:
Tel.: +49 (0)30 - 343 84 343
Fax: +49 (0)30 - 343 84 55
KOMISCHE OPER BERLIN
LOHENGRIN
Donald Runnicles, Kasper Holten,
Steffen Aarfing, William Spaulding –
Ricarda Merbeth, Petra Lang, Albert
Dohmen, Marco Jentzsch, Gordon
Hawkins, Bastiaan Everink
© Redaktion
Deutsche Oper Berlin
Komische Oper Berlin
Weitere Vorstellungen:
19./25./28. April (jeweils 18 Uhr)/
22. April (17 Uhr)
1. Mai 2012 (17 Uhr)
TRISTAN UND ISOLDE
Donald Runnicles, Graham Vick,
Paul Brown, William Spaulding –
Petra Maria Schnitzer, Ekaterina Gubanowa, Peter Seiffert, Liang Li, Boaz
Daniel, Jörg Schörner, Peter Maus,
Clemens Bieber
Vorstellungen:
19. Februar 2012 (16 Uhr)
25. Februar 2012 (17 Uhr)
RIENZI, DER LETZTE DER
TRIBUNEN
Sebastian Lang-Lessing, Philipp
Stölzl, William Spaulding – Manuela
Uhl, Daniela Sindram, Torsten Kerl,
Ante Jerkunica, Krzysztof Szumanski, Lenus Carlson, Clemens Bieber,
Stephen Bronk
DIE MEISTERSINGER VON
NÜRNBERG
Patrick Lange, Andreas Homoki, Frank
Philipp Schlößmann, Christine Mayer,
Robert Heimann – Tómas Tómasson,
Dimitry Ivashenko, Tom Erik Lie,
Marco Jentzsch, Thomas Ebenstein,
Ina Kringelborn, Karolina Gumos u. a.
Vorstellungen:
10./17./24. Juni 2012
(jeweils 17 Uhr)
8. Juli 2012 (16 Uhr)
Kartenservice Komische Oper
Tel.: +49 (0)30 - 479974.00
Fax: +49 (0)30 - 479974.90
PHILHARMONIE BERLIN
Marek Janowski wird von 2010 bis
2013 die zehn wichtigsten Bühnenwerke von Richard Wagner in der
Berliner Philharmonie mit dem Rundfunksinfonieorchester Berlin, dem
Rundfunkchor Berlin sowie international renommierten Wagnersängern
konzertant aufführen. Anliegen des
Chefdirigenten und Künstlerischen
Leiters des RSB ist es, die hohe musikalische Qualität der Wagnerschen
Kompositionen ohne jegliche szenische
Deutung allein auf die Musik konzentriert dem Publikum zu vermitteln.
Termine in der Philharmonie Berlin:
TRISTAN UND ISOLDE
Nina Stemme, Michelle Breedt,
Kwangchul Youn, Stephen Gould,
Johan Reuter, Simon Pauly, Timothy
Fallon, Tobias Berndt, Clemens Bieber
Rundfunkchor Berlin, Herren | Eberhard Friedrich – Choreinstudierung
27. März 2012 (18 Uhr)
TANNHÄUSER
Nina Stemme, Marina Prudenskaja,
Bianca Reim, Albert Dohmen, Torsten Kerl, Christian Gerhaher, Donát
Havár, Wilhelm Schwinghammer,
Paul McNamara, Martin Snell Rundfunkchor Berlin, Herren | Eberhard Friedrich – Choreinstudierung
5. Mai 2012 (18 Uhr)
© Redaktion
Neuinszenierung/Premiere:
15. April 2012 (17 Uhr)
Richard Wagner-Zyklus des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin mit
Marek Janowski
Besucherservice:
Charlottenstraße 56, 10117 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 202 987 15
Fax: +49 (0) 30 202 987 29
[email protected]
Philharmonie Berlin
h ü b e rb L I C K h
Fort, auf das Meer, treibt’s mich aufs Neue! u
Richard Wagner in der Spielzeit 2011/12
MUSIK UND DRAMA
14
Zusammenstellung: Frank Kantereit
nierungen Wagnerscher Werke erfreut
nsere Terminübersicht der
sich bei vielen Wagnerfreunden großer
für die neue Spielzeit welt-
Beliebtheit. Die Redaktion steht Ihnen
weit geplanten Neuinsze-
Nr. 31, Dezember 2011
gerne in jeder Hinsicht für Rückfragen
zur Verfügung (Aufführungstermine,
Besetzungen etc.) Ebenso sind weitere
Informationen über Wiederaufnahmen
und Repertoireaufführungen, sowie zy-
ÜBERBLICK | BLICKPUNKT
klische Gesamtaufführungen des Rings
über die Redaktion abrufbar. Wir nen-
nen Ihnen auch gerne die Adressen der
jeweiligen Wagner-Verbände vor Ort,
die Ihnen sicher bei einem gewünschten
Vorstellungsbesuch behilflich sind.
Aachen
Amsterdam
Augsburg (Freilichtbühne)
Bayreuth
Berlin
Cardiff
Dallas
Dessau
Detmold
Frankfurt
Halle
Kaiserslautern
Karlsruhe
Kassel
Kiel
Koblenz
Köln
Leeds
London (ENO)
Lyon
Madrid
Malmö
Mannheim
München
New York
Paris (Champs-Élysées)
Saarbrücken
Schwerin
Tokyo
Toulon
Toulouse
Wiesbaden
Würzburg
Zürich
Tristan und Isolde
Parsifal
Der fliegende Holländer
Der fliegende Holländer
Deutsche Oper
Lohengrin
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Tristan und Isolde
Tannhäuser
Tristan und Isolde
Tristan und Isolde
Götterdämmerung
Parsifal
Götterdämmerung
Das Liebesverbot (Alte Oper, konzertant)
Siegfried
Parsifal
Lohengrin
Parsifal
Lohengrin
Lohengrin
Der fliegende Holländer
Die Walküre (konzertant)
Der fliegende Holländer
Parsifal
Rienzi (konzertant)
Parsifal
Die Walküre
Das Rheingold
Die Walküre
Siegfried
Götterdämmerung
Götterdämmerung
Parsifal (konzertant)
Tristan und Isolde (konzertant)
Die Walküre (konzertant)
Parsifal
Tannhäuser
Der fliegende Holländer
Lohengrin
Lohengrin
Tannhäuser
Lohengrin (Regie: Kirsten Harms)
Tristan und Isolde
Die Meistersinger von Nürnberg
20. Mai 2012
12. Jun. 2012
23. Jun. 2012
25. Jul. 2012
15. Apr. 2012
27. Mär. 2012
5. Mai 2012
19. Mai 2012
16. Feb. 2012
12. Mai 2012
10. Mär. 2012
29. Jan. 2012
2./4. Mai 12
28. Apr. 2012
25. Feb. 2012
1. Apr. 2012
6. Apr. 2012
28. Jan. 2012
21. Apr. 2012
4. Mai 2012
16. Jun. 2012
28. Apr. 2012
6. Mär. 2012
21. Mai 2012
21. Apr. 2012
25. Mär. 2012
4. Feb. 2012
11. Mär. 2012
27. Mai 2012
30. Jun. 2012
27. Jan. 2012
6. Mär. 2012
11. Mär. 2012
24. Apr. 2012
10. Mär. 2012
20. Jan. 2012
8. Mär. 2012
1. Jun. 2012
29. Jan. 2012
22. Jun. 2012
28. Apr. 2012
31. Mär. 2012
22. Jan. 2012
h b L I C K p u nk t h
»Allerunglaublichster! Großer Unglaublicher!«
i
1811 – Franz Liszt – 2011
m Jahr 2011 wurde weltweit des Großen des 19. Jahrhunderts, ohne
zweihundertsten Geburtstages dessen Freundschaft und Bemüvon Franz Liszt gedacht, eines der hungen Wagners Werk ebenso un-
denkbar wäre wie auf andere Weise
ohne die Hilfe Ludwig II.
Liszt stammt aus einfachen Verhältnissen. Geboren im österreichisch-
Nr. 31, Dezember 2011
MUSIK UND DRAMA
15
BLICKPUNKt
dankengut auf, gleichzeitig zieht es
ihn zum Hochadel. Strapaziöse Konzertreisen führen ihn weiterhin durch
ganz Europa. Das Publikum vergöttert ihn. Liszt liefert die gewünschten
Bravourstücke, gleichzeitig ärgert er
sich über die allgemeine Sucht nach
Hexenmeisterei auf den Tasten, nach
klavieristischen Zirkusnummern, die
das Publikum in hysterisches Geschrei ausbrechen lassen. Der Dandy Liszt genießt das womöglich, der
Musiker Liszt bleibt allzu oft unbefriedigt.
Sein Spiel sprengt den Rahmen
des bis dahin Möglichen und Gewohnten bei weitem. Der Klang wird
voller, orchestral. Grifftechnisch ge-
© Redaktion
Wir sehen Hugo, den
warmherzigen und sozial
orientierten Schöpfer
großer Romane, die Verdi
durch ihren grellen
Kontrastreichtum zu etlichen
Opern inspirieren.
Franz Liszt – Lebensstationen
ungarischen Grenzgebiet im Jahre
1811 genießt er nie eine fundierte
Schulbildung. Der ehrgeizige Vater entdeckt frühzeitig die außergewöhnliche klavieristische Begabung
des Jungen, der zum Wunderkind
am Flügel wird, Europa jahrelang
durchreist und viel Geld einspielt.
Liszt wird erwachsen und schafft den
Sprung vom Wunderknaben zum
Pianisten von Weltrang, ohne dass
er je eine rechte Kindheit hatte. Er
lernt Sprachen, sucht sich allseitig zu
bilden und wird eine zentrale Figur
in den Pariser Salons, wo der blendend aussehende überschlanke junge
Mann gern gesehener Gast ist.
Neben ihm finden wir Heine, den
wundersamen kosmopolitischen Poeten, dessen Zynismus er freilich nicht
teilt. Wir sehen Hugo, den warmherzigen und sozial orientierten Schöpfer
großer Romane, die Verdi durch ihren
grellen Kontrastreichtum zu etlichen
Opern inspirieren. Wir sehen auch
MUSIK UND DRAMA
16
Nr. 31, Dezember 2011
Marie Duplessie, das Urbild der Kameliendame, der Liszt so nahe steht wie
Dumas selbst. Wir sehen Chopin, den
exilierten Polen, Virtuosen und somit
Konkurrenten. Wir sehen Delacroix,
illegitimen Sohn Talleyrands, genialen
Maler von Bildern in dämonischem
Hell-Dunkel-Kontrast und wahrem
Farbrausch. Und wir sehen vor allem
Berlioz, den jungen verkrachten Medizinstudenten, der eine Musik schreibt,
in der die Hölle brodelt.
Neben ihm finden wir Heine,
den wundersamen
kosmopolitischen Poeten,
dessen Zynismus
er freilich nicht teilt.
Diese Schule des Lebens prägt Liszt,
mitten in Paris um das Revolutionsjahr 1830 herum, ein Jahrzehnt bevor
Richard Wagner hier eintreffen wird.
Dieses Leben fasziniert Liszt, bald
stößt es ihn ab. Er nimmt linkes Ge-
lingen ihm Dinge, die bis dahin nie
gehört waren. Die Klavierbauerfirmen verfolgen fasziniert Liszts Spiel,
Und Liszt lauscht auf jede technische
Neuerung im Instrumentenbau. Neben den lyrisch-kantablen Passagen
beeindrucken die Zuhörer offenbar
die orgiastisch-romantische Leidenschaftlichkeit, das Pathos und die
Anschlagskraft, die es erforderlich
macht, dass bei den Konzerten stets
ein Ersatzflügel bereit steht, falls das
bespielte Instrument zerbirst...Indessen erwähnt Borodin immerhin, dass
die Lisztsche Interpretation bei aller
Emotionalität stets auf klare Form
und Struktur bedacht ist. Trotz allem
liegt in Liszts Spiel sicherlich auch
ein Zug zum Rausch, und das betrifft
auch sein Leben.
Er konsumiert viel Alkohol, vor
allem teure Cognacs, zeitweise auch
Rauschgift. Und – Liszt liebt Frauen
in zahlreichen Affären, ohne je eine
Ehe einzugehen. Noch vor der Weimarer Zeit und während der Konzertreisen verbindet ihn rund sieben Jahre eine leidenschaftlich-romantische
Liaison mit der hoch intelligenten
BLICKPUNKT
So werden die Kinder samt dem notwendigen Geld in eine Pension nach
Paris gegeben. Liszt hat– mehr noch
als Marie – als Vater versagt. Cosima
spricht später immer wieder von ihrer trostlosen, verwaisten Kindheit.
Soziale Not haben die Kinder nie
zu leiden, aber elterliche Liebe und
Fürsorge fehlen vollkommen. Die
Erziehung obliegt fremden, bigotten
alten Gouvernanten, die später dann
schon Carolyne Sain-Wittgenstein
auswählt, Liszt zweite langjährige
Geliebte. Zeitweilig kümmert sich
Liszts Mutter, die in Paris lebt, um
die Enkel. Liszt hält es indessen acht
Jahre lang nicht für möglich oder nötig, seine Kinder auch nur einmal zu
sehen. Bleibt es da erstaunlich, wenn
Cosima anlässlich des Todes ihres
Vaters – 1886 während der Festspiele
in Bayreuth – wenig liebevolle Prioritäten setzt, was manch einer ihr heute
noch übel nimmt?!
© Redaktion
Wer ist dieser Franz Liszt? Widersprüchlich und von Gegensätzen
Franz Liszt – Lebensstationen
gezeichnet wie sein Freundeskreis,
sind sein Charakter und sein Werk.
Bald sucht der elegante Dandy
sinnlichen Genuss, dann wiederum
wirkt er zurückhaltend, asketisch,
Wir sehen auch Marie Duplessie,
das Urbild der Kameliendame,
der Liszt so nahe steht
wie Dumas selbst.
erhoffen eine Wiederbelebung von
Weimars goldener Epoche, wie sie unter der Ägide der Klassiker bestanden
hatte, als sie 1847 Liszt zum Chef der
höfischen Musik berufen. Liszt zieht
mit seiner neuen Geliebten, der Fürstin Carolyne von Sain-Wittgenstein,
auf die Altenburg, wo sich dem geistig
bescheiden. Er nimmt jede künstlerische Anregung auf, sucht selbst
kunstpropagandistisch zu wirken.
Dann wieder zieht er sich resignativ zurück. Er ist großzügig bei der
finanziellen Unterstützung wenig
vermögender Freunde, immer nobel
und auf der Suche nach menschlichem Vertrauen.
Zwischenzeitlich wird aber das Leben seiner Kinder zum Kriegsschauplatz ohnmächtigen Hasses gegenüber der einst so sehr geliebten Marie
d`Agoult. Sein Leben bleibt rastlos.
Neben die Achse Paris-Wien-Ungarn, tritt später verstärkt diejenige von Weimar über Bayreuth nach
Rom hinzu. Um die Jahrhundertmitte, mit der Ansiedlung in Weimar
und der Bindung an Carolyne, ändert
sich vieles für ihn. In seinem mit 48
Jahren verfassten Testament erwähnt
er ausdrücklich und als substanzbestimmend für sein Leben die Freundschaft zu Richard Wagner und sein
Kampf für die neu-deutsche Musik.
Der in Weimar beginnende volle
Einsatz für das Werk und die Person Wagners geht einher mit verstärkter Kompositionstätigkeit und dem
vollen Engagement als Dirigent und
Orchestererzieher. Ebenso endet hier
die umfassende internationale Konzerttätigkeit, obwohl die Nachfrage
enorm bleibt und Liszts pianistische
Fähigkeiten keineswegs nachgelassen
haben. Er spielt nur noch in Einzelfällen, im Freundeskreis. Noch vom
alternden Liszt schreibt Cosima, dass
sein Vortrag von Teilen des Wohltemperierten Claviers die abendlichen
Hörer in Wahnfried tief ergreift.
Der Hof von Weimar, vor allem der
Großherzog und Maria Pawlowna,
© Redaktion
schriftstellerisch tätigen Gräfin Marie d`Agoult, die ihm in ihrer Exzentrik und überbordenden Vitalität
innerlich verwandt ist. Drei Kinder
werden geboren, Blandine, Cosima
und Daniel. Beide Elternteile sind
so sehr mit sich und ihrer Welt beschäftigt, dass sie mit ihren Kindern
im Grunde nichts anfangen können.
Liszt ist bei Cosimas Geburt 26 Jahre
jung.
Franz Liszt – Lebensstationen
interessierten Weimar für die nächsten Jahre ein musisch bedeutender
Salon öffnet. Liszt widmet sich voller
Elan den neuen Lebensbereichen, der
Komposition, der musikalischen ErWir sehen Chopin,
den exilierten Polen, Virtuosen
und somit Konkurrenten.
ziehung eines Territoriums schlechthin sowie dem Dirigieren.
In den folgenden zehn Jahren gelingt es ihm, Weimar zu einem wesentlichen Zentrum europäischen
Musikschaffens zu machen. Etliche
bedeutende Persönlichkeiten zieht er
zeitweilig oder auf Dauer nach Weimar. Berlioz, Peter Cornelius und
Joseph Joachim zählen dazu. Wenn es
Ende der fünfziger Jahre zum Bruch
mit Weimar kommt, so liegt das weniger am Herrscherpaar, mehr an der
vor Ort herrschenden kleinkarierten
Hofkamarilla – und am fehlenden
Geld in der Staatskasse!
Zu Beginn der Weimarer Zeit lernt
Liszt intensiver das bis dahin entstandene Werk Wagners kennen,
dem er sich als Dirigent wie auch
Nr. 31, Dezember 2011
MUSIK UND DRAMA
17
BLICKPUNKT
als Komponist zunehmend öffnet.
Dem Staunenden erschließt sich
eine neue Welt. Wagner muss im in
Exil leben, wird aber für Liszt trotzdem ein enger Freund. Mehr noch
Wir sehen Delacroix,
illegitimen Sohn Talleyrands,
genialen Maler von Bildern
in dämonischem
Hell-Dunkel-Kontrast
und wahrem Farbrausch.
– der nach der Revolution flüchtige
und verfemte Wagner wird von Liszt
finanziell unterstützt, seine Werke
werden propagiert, unter anderem
wiederum durch Mithilfe Maria
Pawlownas.
1849 kommt es in Weimar zur ersten
„Tannhäuser“-Inszenierung seit dem
lauen Start dieses Werkes einige Jahre
zuvor in Dresden. Im Jahre 1850 erzwingt Liszt die Weimarer Uraufführung des „Lohengrin“. Das wird zur
Initialzündung, zum Start der frühen
Opern Wagners in den deutschen
Ländern. Durch Liszts Zivilcourage
ermutigt spielen nahezu alle mitteleuropäischen Theater in den Folgejahren diese Werke mit grandiosem
Echo – freilich ohne dass Wagner
im Schweizer Asyl dadurch auch nur
einen Pfennig Geld bekommt. Liszt
sendet immer wieder kleinere und
größere Summen dem politischen
Flüchtling auf seine permanenten
Bettelbriefe hin.
sten Freund, indem die Ehe mit dem
Liszt-Schüler Hans von Bülow gebrochen wird. Der für sich selbst jede
Toleranz einfordernde Liszt ist als
Mensch und als gläubiger Katholik
erschüttert, befremdet und bricht den
Kontakt zu Cosima und Wagner ab.
Die ersehnte Ehe mit Caroyne
kommt durch widrige Umstände
nie zustande. Eigenbrötlerisch und
religiös-introvertiert ziehen sich beide
nach Rom zurück, leben dort aber getrennt. Liszt erhält 1865 die niederen
Weihen. Er ist nun Abbè und dirigiert in der Soutane statt im Frack.
Liszt wird Weimar nicht untreu. Er
nimmt das ihm vom Großherzog als
Dank angebotene Asyl an und bezieht neben seinem Heim in Rom die
Hofgärtnerei in Weimar...
1872 kommt es anlässlich der Grundsteinlegung des Bayreuther Festspielhauses zur Aussöhnung mit Wagner,
der inzwischen Cosima geehelicht
Liszts Scheitern in Weimar ist tragisch, für ihn und für die Stadt. Er
will mehr erreichen als sich realisieren lässt. Und er scheitert auch im
Privatleben. Gegen Ende der Weimarer Zeit sterben zwei seiner Kinder, Daniel und Blandine. Das dritte
Kind aber – Cosima – verbindet sich
ausgerechnet mit Wagner, seinem be-
MUSIK UND DRAMA
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Nr. 31, Dezember 2011
© Redaktion
Dabei sucht Liszt die jeweils neu entstehenden Werke Wagners kennen
zu lernen, die er staunend und verehrungsvoll studiert. Er plant sogar
– freilich vergeblich – Wagner nach
Weimar zu ziehen und mit ihm hier
ein Festspielhaus für den Ring zu errichten!
Franz Liszt – Lebensstationen
hat. Kompositorische Arbeiten, ehrende Dirigate und zahlreiche Reisen
täuschen nicht darüber hinweg, dass
Liszt sich einsam fühlt. Selbst SuizidGedanken tauchen auf. Aus der Ferne wird er argwöhnisch von der intelligenten, aber zunehmend schrulliger
Frömmigkeit ergebenen Carolyne
beobachtet und sucht Halt in seinem
späteren Kompositionsstil, der seiner
eigenen Religiosität nahe steht und
Sparsamkeit der Mittel mit Kühnheit
der Konstruktion verbindet und den
Zeitgenossen eher unverstanden oder
unbekannt bleibt.
Das Ende in Bayreuth – 1886 – ist
bekannt. Der große Freund ist ihm
drei Jahre voraus gegangen...
Neben dem Nachruhm des umjubelten Weltstars am Flügel steht der
Komponist Liszt bis heute immer ein
wenig im Schatten, und das unbedingt zu Unrecht. Das vor allem seit
Beginn der Weimarer Zeit entstehen-
BLICKPUNKT | BLICKFELD
de Oeuvre ist breit, vielfältig – und
widersprüchlich, wie Liszt selber.
Wenn Mozarts Musik gleichsam aus
der menschlichen Stimme geboren
wird, so entsteht Liszts Musik eher
aus den Möglichkeiten des Klaviers.
Er komponiert für das Klavier alles, was ihm spielbar scheint, und er
komponiert so, dass auch auf dem
Klavier die vielfältigsten orchestralen
Möglichkeiten imitiert werden.
Er orchestriert den Klavierklang,
nicht immer zum Vorteil seiner
Musik. Sein Stil zeugt von starkem
Willen und wiedererkennbarer Persönlichkeit, ist elegant, flüssig, dem
Chopin-Erbe nahe. Oft aber gibt
seine Musik auch verborgene Hölle
seines Lebens wider, und die düsteren, schroffen, mitunter brutalen
Passagen erschrecken den Hörer.
Beeindruckend sind die von pathetischem Dur-Melos getragenen
siegreichen Kopfthemen. Beeindruckend ist auch der Gang in Grenzbereiche gewohnter Tonalität, wo
die Nähe zu Bartok etwa wohl
eher auffällt als zu Wagner. Von
diesem seinem Freund übernimmt
er die freie Form, das Vermeiden
klassischer Entwicklungen, das Verbinden von Sätzen zur durchkomponierten Großform, auch eine
gewisse Literarisierung, eine verbal
gekennzeichnete
Grundrichtung
des jeweiligen Werkes.
Da gibt es große Würfe, etwa einige
der Sinfonischen Dichtungen, die
Klavierkonzerte und überhaupt etliche Sachen für das Klavier. Da gibt
es aber auch Stücke am Rande zum
Und wir sehen vor allem
Berlioz, den jungen
verkrachten Medizinstudenten,
der eine Musik schreibt,
in der die Hölle brodelt.
1´eau rosé. Es entsteht eine Reihe von
Oratorien, Großwerken, von denen,
trotz berückender Schönheiten im
Detail, keines als epochales Meisterwerk überzeugt, was Liszt sicher auch
weiß. Und von der Oper hält er sich
– Jugendspiele ausgenommen – gänzlich fern, steht er doch sehr bewusst
im Schatten seines Freundes Richard.
Bis heute sind seine Ungarischen
Rhapsodien enorm populär, obwohl
sie weder mit ungarischer Folklore
noch mit echter Zigeunermusik etwas gemein haben und eher damalige
Populär-Musik á la tzigane imitieren.
Aber es bleibt gute Musik! Bestürzt
und fasziniert steht man vor den Va-
rianten des Mephisto-Walzers oder vor
der h-Moll-Sonate und staunt über
diesen wunderlichen Titanen, der
sich als Ungar empfindet, ohne Ungarisch zu sprechen, der dem deutschen
Weimar ebenso wie dem italienischen
Rom verbunden ist und auch in Paris
alles andere als ein Fremder ist.
Mit den Widersprüchen seines Charakters und seiner Epoche behaftet,
übt er einen enormen Einfluss auf
das künstlerische Geschehen seiner
und der folgenden Zeit aus. Er wäre
womöglich an sich selbst und den
Konflikten seines Lebens zerbrochen,
wenn er nicht seine starke alles durchdringende Gläubigkeit gehabt hätte,
zu der er sich offen und demonstrativ
in Leben und Werk bekennt. Man
hüte sich davor, das als nebensächliche Folie oder feinen Selbstbetrug
zu diskreditieren.
Unsere allzu oft pragmatisch-materialistische Alltagsdenkweise mag
dem fern stehen, aber Vorsicht – was
ist schon „Wahrheit“?! Liszt bleibt als
Mensch und als Künstler im weiten
Sinne in einem breiten Wirkungsfeld
ein großer früher Europäer. Ihm gebühren unsere Achtung und unser
Dank.
Dieter Reuscher
h b L I C K f e ld h
ners Lohengrin durch den Regisseur
Kasper Holten an der Deutschen
Oper Berlin im April 2012, erweist
sich dieser Livemitschnitt von Dezember 2009 als eine höchst interessante Begegnung mit diesem Regisseur und seiner eigenwilligen, in jeder
Hinsicht jedoch konsequenten und
überzeugenden Leseart von Wagners
Minnesängeropus.
DVD – TIPP
Richard Wagner
TANNHÄUSER
Friedemann Layer, Kasper Holten,
Mia Stensgard – Stephen Milling, Stig
Andersen, Tommi Hakala, Susanne
Resmark, Tina Kiberg u. a. – Chor der
Royal Danish Opera (Philip White)
und das Royal Danish Orchestra
Im Hinblick auf die mit Spannung
erwartete Neuinszenierung von Wag-
© Redaktion
DECCA 0440 074 3390 4, 2011
Live-Aufnahme – Royal Danish Opera
Kopenhagen
DVD – Tannhäuser
Tannhäuser – versetzt in die Zeit des
Komponisten. Richard Wagner, alias
Tannhäuser, in der Villa Wahnfried
im Konflikt mit Mathilde Wesendonck (Venus) und Cosima (Elisabeth).
Was auf den ersten Blick als fragwürdig erweist, überzeugt als einheitliche Dramaturgie, die nachdenklich
Nr. 31, Dezember 2011
MUSIK UND DRAMA
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BLICKFELD
stimmt und subtil die häufig gestellte
Frage durchleuchtet: Wie viel Wagner
steckt in der Figur des Tannhäuser?
Eine für neugierige, aufgeschlossene
Wagnerfreunde durchaus empfehlenswerte Einspielung.
Ein homogenes, leistungsstarkes Ensemble, ein klangstarker Chor und
ein spannungsvoll musizierendes
Orchester unter dem auf breite Tempi ausgelegten Dirigat von Friedemann Layer runden dieses für die
Ewigkeit festgehaltene Wagnererlebnis ab.
CD – TIPP
Dirigent: Marek Janowski
Richard Wagner
Der fliegende Holländer
Matti Salminen (Daland), Ricarda
Merbeth (Senta), Robert Dean Smith
(Erik), Silvia Hablowetz (Mary), Steve Davislim (Steuermann), Albert
Dohmen (Holländer)
Bühnenbild. Der Focus liegt allein
auf Wagners Musik.
© Redaktion
Rundfunkchor Berlin (Eberhard
Friedrich) und das Rundfunk-Sinfonieorchester
CD – Der fliegende Holländer
Live aus der Berliner Philharmonie
PentaTone Classics PTC 5186 400
(2 CDs)
Als Livemitschnitt vom 13. November 2010 liegt nun die erste der bis
zum Wagnerjahr 2013 angesetzten
konzertanten Aufführungen der zehn
Hauptwerke Richard Wagners auf
CD vor. Marek Janowski, des modernen Regietheaters müde und überdrüssig geworden, präsentiert den
Bayreuther Kanon ohne Regie und
Aufgenommen von dem Label PentaTone, werden alle Werke in zeitlich
naher Folge zu den Aufführungen auf
CD veröffentlicht. Nicht zuletzt die
fantastische Klangqualität empfiehlt
die Anschaffung dieser hochkarätig
besetzten Einspielung.
Eine Rezension des Konzertes vom
November 2010 findet sich in unserem Magazin MUSIK und DRAMA, Ausgabe Nr. 29.
Fazit: Wagnerscher Hörgenuss pur,
dazu eine dankenswerte Erinnerung
für alle Konzertbesucher!
BUCH – TIPP
Eine hervorragende, sachkundige
Einführung in Wagners Sprache
und ihre charakteristischen Merkmale. Hierzu gehören nicht allein
der prägende Stabreim, sondern auch
Wortspiele, sprechende Namen, und
die auffällige Volkstümlichkeit. Das
beigefügte Szenarium enthält eine
Beschreibung aller zehn Hauptwerke,
und zwar detailliert Szene für Szene.
Victor Henle
Wagners Wörter
Keyser Verlag, 2011, 288 S.
ISBN 978-3-86886-019-1
24,90 Euro
Als ein besonders süffisantes Bonmot
erweisen sich Wagners Aphorismen:
Sinnsprüche voller Lebensklugheit
und Sprachwitz.
© Redaktion
Wer Wagner verstehen will, sollte
nicht nur die Sprache seiner Musik, sondern auch die seiner Dichtungen kennen. Dieses Buch erweist sich als äußerst hilfreich, die
archaischen, und archaisierenden
Wörter, den Stabreim und den
Wagnerschen Sprachduktus zu verstehen und damit die Lektüre zu
erleichtern.
Victor Henle - Wagners Wörter
Es ist ein immens umfangreiches
Lexikon. Jedes der rund 800 Stichwörter ist mit Zitaten aus den
Werktexten belegt. Ein Kaleidoskop durch die faszinierende Welt
der Wagnerschen Werke, das u. a.
MUSIK UND DRAMA
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Nr. 31, Dezember 2011
Fazit: Ein unterhaltsames Muss für
jeden Wagner-Freund!
Zusammenstellung und Rezension: Frank Kantereit
Protagonisten, Gegenstände, Mythologisches, Orte, wie auch die
Fachsprache der Meistersinger
miteinschließt.
BLICKLICHT
h b L I C K lich t h
Steuermann! Laß die Wacht! Zu Gast beim RWV: Donald
s
Runnicles, Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin
teuermann! Laß die Wacht! –
oder besser: Steuermann, halt
den Kurs! – Mit Beginn der
Spielzeit 2009/10 übernahm der erfolgreiche Dirigent Donald Runnicles als neuer Generalmusikdirektor
die Deutsche Oper Berlin. In dieser
Art unterhielt sich Rainer Fineske
mit dem sympathischen Künstler.
Wir erfuhren, dass er 1954 in Edinburgh geboren, sowohl dort als auch
in Cambridge studierte und seine
Laufbahn im Jahre 1980 als Korrepetitor in Mannheim begann. Eine
reiche Themen, zu denen auch Pläne
für den Aufbau eines künftigen Repertoires zählen, berechtigen zu vielseitigen Hoffnungen.
Auf die im allgemeinen mehr als
betrüblichen Leistungen der OpernRegie angesprochen, sagte Runnicles,
dass über allem die Macht der Musik
zu stehen habe, und dass man sich
dieser wie ein Gralshüter unterordnen
müsse. Aus diesen und ähnlichen Äußerungen sprach eine Demut vor dem
musikalischem Werk (zu denen der
Dirigent auch die Meister um 1450
rechnet), die ausgesprochen sympathisch und überzeugend wirkte.
Im Hinblick auf das Jubiläums-Jahr
2013 wurde betont, dass nicht nur
der 200. Geburtstag von Richard
Wagner, sondern auch der 200. Geburtstag von Giuseppe Verdi, und das
Jubeljahr von Benjamin Britten in einer angemessenen Weise zu würdigen
sei. Die Deutsche Oper werde sich den
Herausforderungen stellen. Wir dürfen gespannt sein.
Ein dankbares Publikum wünschte
dem sehr heiter wirkenden Generalmusikdirektor für sein künftiges
Wirken in Berlin und an anderen
Orten alles erdenklich Gute.
© Redaktion
Johannes Reuther
Donald Runnicles im Gespräch mit Rainer Fineske
Funktion erwartete ihn keine leichte Aufgabe. Sie wird sein, das durch
mancherlei Stürme ins Schwanken
geratene Schiff auf einen sicheren
Kurs zu bringen. Wer inzwischen
Aufführungen unter seiner Leitung
erleben durfte, konnte spüren, dass
die Erfolge der bisherigen Arbeit
nicht zu überhören sind.
sehr erfolgreiche Laufbahn führte
Donald Runnicles als Dirigent nicht
nur an große Opernhäuser der Welt,
sondern auch zu den Festspielen
nach Bayreuth und Salzburg. Im
Jahr seiner Berufung an die Deutsche
Oper Berlin, wurde er auch Chefirigent des BBC Scottish Symphony Orchestra.
Im Rahmen von Vorstellungen
bedeutender Persönlichkeiten des
kulturellen Lebens unserer Hauptstadt war Donald Runnicles am 31.
Oktober 2011 Gast des Verbandes.
In seiner gewohnt unprätentiösen
Mit Freude hörten wir, dass der neue
GMD gern in Berlin arbeitet, den
Elan des Orchesters lobt, sich von
diesem sofort angenommen fühlte
und dass – wie man so sagt – auf beiden Seiten die Chemie stimme. Zahl-
Ehrenmitglieder
des Richard-Wagner-Verbandes
Berlin-Brandenburg e. V.
Ks. Theo Adam
Daniel Barenboim
Ks. Hans Beirer †
Lucie Brauer
Prof. Götz Friedrich †
Prof. Günther Fürstenau
Ks. René Kollo
Verena Lafferentz-Wagner
Prof. Dr. Hans Pischner
Deborah Polaski
Christian Thielemann
Ks. Spas Wenkhoff
Nr. 31, Dezember 2011
MUSIK UND DRAMA
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BLICKFANG | BLICKKONTAKTE
h b L I C K f a n g h
Auf Berges Gipfel die Götterburg prächtig prahlt Richard Wagner zum Schmunzeln –
i
Anno Mai 1871: Bayreuth ist als Festspielstadt erwählt – Zeitzeugen berichten
Der Arzt hastet in die Sonne. Er
tritt in die Paradestube, die noch ein
Möblement aus den Zeiten von Jean
Pauls trägt. Doch statt den Patienten,
der im gardinenumzogenen Empirebett liegt, zu fragen, über was er zu
klagen habe, stürzt ihm die begierige
Frage vom Mund: „Sind Sie Richard
Wagner? Ich meine, der gewisse Richard
Wagner, der …“
© Redaktion
n Bayreuth ist der Vorfrühling
eingezogen. (…) In den Nächten
ist es noch kalt. Ein Himmel voller flimmernder Sterne steht über der
schlafenden Stadt. Und in einer dieser Aprilnächte wird auf einmal die
Tür vom Gasthof Sonne aufgerissen,
und der Hausknecht rennt mit klappernden Pantoffeln die Straße hinunter. Beim Arzt um die Ecke zieht er
die Klingel, und als oben ein Fenster
sich öffnet, ruft er hinauf: „Sie soll’n
zu an Gast in die Sonna komma. Zum
Herrn Richard Wagner. Der is krank
wor’n.“
Bayreuther Festspielhaus 1876
Wagners Erkrankung, eine starke
Erkältung, war von vorübergehender
Natur. Am 20. April verließen er und
Cosima Bayreuth, von dem sie einen
außerordentlich lieblichen Eindruck
mit sich nahmen.
Der Patient muss lachen über den
Bayreuther Arzt, der so wissbegierig
ist. Seine Gattin, die besorgt neben
dem Bett steht, kann sich eines Lächelns nicht erwehren. „Sie meinen
den Richard Wagner, der die hübschen
Sachen geschrieben hat“, sagt der Erkrankte sichtlich erheitert. „Ja, der
bin ich.“
(…) Den ersten Brief aber, den Wagner nach Bayreuth schrieb, den hat
der Arzt empfangen, der dem Meister
nachts die Tropfen verabreichte – Dr.
Wilhelm Landgraf, der dann auch
Hausarzt der Familie wurde und in
den Festspieljahren, ebenso wie sein
Sohn nach ihm, ehrenamtlich der
Bayreuther Festspielarzt war.
Der Doktor, indem er lindernde
Tropfen auf einen Löffel träufelt,
schüttelt benommen den Kopf:
„Nein, was einem alles passieren kann!
Wer mir gesagt hätte, dass ich heute nacht noch die Bekanntschaft von
Richard Wagner machen würde!“
„Geehrtester Herr Doktor“, schrieb
ihm der Meister (11. Mai 1871), „ich
komme für diesmal nicht, wie ich Ihnen es versprochen hatte, wieder über
Bayreuth zurück. Ich melde Ihnen
dies, weil ich nicht wünsche, dass Sie
mich für einen Undankbaren halten.
Ihr Trank hat mir noch vortreffliche
Dienste geleistet. Im Übrigen steht es
nun fest, dass meine großen Bühnenfestspiele im Sommer 1873 in Bayreuth
stattfinden sollen, und ich um jene Zeit
ebenfalls gänzlich dorthin überzusiedeln gedenke. (…)“
Man kann sich vorstellen, wie stolz
der Bayreuther Doktor war, als er
dieses Schreiben erhielt. Er war also
nicht nur der erste gewesen, der es
erfahren hatte, dass Richard Wagner
nach Bayreuth gekommen war – er
wurde durch diesen Brief nun auch
derjenige, dem der Meister als ersten
mitteilte, dass Bayreuth als Festspielstadt erwählt worden war.
Quelle: Hans Bartolo Brand:
Aus Richard Wagners Leben in
Bayreuth
Bayreuth, 1934, neu verlegt 2009
im Verlag C.u.C. Rabenstein
h b L I C K k o n t a k t e h
Ein letzter Blick
d
„Hier gilt’s der Kunst“
MUSIK UND DRAMA
22
deutlichen Akzent. Daraus kristallisiert sich stets die generelle Frage,
iese Worte setzen in unserer die einen jeden von uns immer und
aktuellen Ausgabe dieses immer wieder aufs Neue antreibt:
Magazins inhaltlich einen Was ist denn überhaupt Kunst, wie
Nr. 31, Dezember 2011
weit darf man es mit Kunst treiben?
Diese eingangs gestellte Frage findet
auch auf diesen Seiten keine schlüs-
BLICKKONTAKTE
sige Antwort, aber sie bewegt, regt
an und auf, polarisiert und beflügelt
unsere stetige Auseinandersetzung
mit der Kunst. Es ist uns redaktionell
ein herzliches Anliegen, Ihnen mit so
manchem Beitrag Meinungen und
Ansichten zur Diskussion vorzustellen. Und das Echo, was wir oftmals
erhalten, bezeugt die Lebendigkeit,
mit der Sie sich, unsere werten Mitglieder und Freunde, mit dem Werk
Richard Wagners und seinem Kunstverständnis beschäftigen.
Bayreuth braucht ein Gesicht titelt
die FAZ am 24. September 2011 mit
einem Beitrag von Julia Spinola. Aber
es ist bei weitem nicht nur Bayreuth,
dem aktuell das faszinierend Charismatische fehlt. Die Kunst und besonders spezifisch das Musiktheater sind
vieler orten an einem offenkundigen
Punkt der Ratlosigkeit und
Orientierungslosigkeit
angelangt.
Regisseure benutzen Opern immer häufiger zu einem Vehikel
der Selbstdarstellung, dabei die
Musik und ihre Wahrhaftigkeit
aus den Augen verlierend. Das
führt in Sackgassen, wo dann der
Impressum
Musik und Drama Nr. 31, Dezember 2011
Herausgeber
Richard-Wagner-Verband Berlin-Brandenburg e. V.
Karren sprichwörtlich unaufhaltsam
an die Wand gefahren wird.
Wäre es nicht einmal das Gebot der
Stunde, über einen Wert nachzudenken, der in unserer Zeit an Aktualität
spürbar verloren hat, den man müde
als antiquiert belächelt, der aber
durchaus einen Weg weisen kann hin
zu dem, was Kunst, was Theater, was
Musik uns zu geben im Stande ist?
Gemeint ist die Demut.
Eine Demut vor der Kunst und ihrer
inneren, substantiellen Wahrhaftigkeit. Demut bedeutet keinesfalls, unkritisch zu sein. Demut impliziert ein
gesundes Reflektieren über alles, was
einem Werke innewohnt. Wer weiß,
vielleicht erschließen sich dadurch
überaus reizvolle neue Perspektiven
und wir nehmen
Kunst wieder als das war, was sie sein
möchte und nicht als das, was von ihr,
nach einer intellektuellen Vergewaltigung am Boden liegend, übrig bleibt.
Mit der Wahl des Holländer-Schiffes
als Titelbild symbolisieren wir den
Aufbruch in eine Zeit erfrischend
neuen Nachdenkens über das Musiktheater. Fort, auf das Meer, treibt’s
mich aufs neue! – verstehen wir diese
Worte als Aufmunterung, auch als
Publikum mitzugestalten an einer
Zukunft der Kunst. Hier gilt’s der
Kunst – dies neu zu entdecken, zu
hinterfragen und wahrzunehmen
ist lohnenswert: Gefühle, die ich nie
empfunden! – Verlangen, das ich nie
gekannt!
Frank Kantereit
e
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i
n
das ich
Redaktion
Frank Kantereit
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die
Meinung des jeweiligen Autors wieder.
Gestaltung und Satz
Ulrich Puhlfürst
[email protected]
Redaktionsschluss: 10. Dezember 2011
Nr. 31, Dezember 2011
MUSIK UND DRAMA
23
11 12
sPielzeit
RichaRd WagneR
LOHEN
GRIN
Musikalische Leitung
Donald Runnicles
Inszenierung
Kasper Holten
Premiere
15. April 2012
Weitere Vorstellungen
19., 22., 25., 28. April 2012
1. mai 2012
www.deutscheoperberlin.de
Karten
030 - 343 84 343
Deutsche oper Berlin
Bismarckstraße 35
10627 Berlin-Charlottenburg
Foto Benjamin Rinner
DE UTsch E opE r B E r li n

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