Pressemitteilung Picasso – Der Zeichner

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Pressemitteilung Picasso – Der Zeichner
4 Seiten
Pressemitteilung
Berlin, den 26.9.2006
Nationalgalerie
Museum Berggruen
Picasso – Der Zeichner
Ausstellung vom 27.9.2006 bis 7.1.2007 in Berlin
Museum Berggruen, Berlin-Charlottenburg, Schlossstr. 1
Das Museum Berggruen feiert seinen zehnten Geburtstag mit einer
Ausstellung der Zeichnungen Pablo Picassos. Seit der Eröffnung des
Hauses 1996 steht dieser Künstler, der wie kein anderer die
Bildvorstellungen des 20. Jahrhunderts geprägt hat, im Zentrum der
Präsentation „Picasso und seine Zeit“. Seither haben das Museum
Berggruen 1,5 Millionen Kunstinteressierte besucht.
Nach den erfolgreichen Ausstellungen zu Klee (1998), Cézanne (2000)
und Matisse (2003) stellt das Museum Berggruen nun Picasso als
Zeichner vor. 140 Meisterwerke auf Papier aus den Beständen des
Musée Picasso in Paris sind zu Gast in Charlottenburg, während die von
Heinz Berggruen zusammen getragenen Picasso-Schätze im Austausch
in Paris zu sehen sind. Die beiden Ausstellungen in Berlin und Paris sind
zugleich Ehrungen für den 92-jährigen Sammler durch seine beiden
Heimatländer Deutschland und Frankreich.
Wurden bei „Pablo. Der private Picasso“ in der Neuen Nationalgalerie
2005 hauptsächlich Gemälde und Skulpturen gezeigt, so liegt nun das
Augenmerk auf der intimsten Gattung der Kunst: der Zeichnung. Sie ist
der unmittelbarste Ausdruck dessen, was den Künstler bewegt. In allen
seinen Schaffensphasen blieb die Zeichnung für Picasso das bevorzugte
Experimentierfeld zur Entwicklung und Ausarbeitung seiner Bildideen.
Mit Bleistift, Feder und Pinsel, mit Kohle, Rötel und Pastellkreiden hielt
er Eindrücke fest, klärte seine Vorstellungen und fand schließlich jene
visuellen Formulierungen, die sich tief in unser Bildgedächtnis
eingebrannt haben, wie etwa die Gemälde „Guernica“ oder „Les
Demoiselles d’Avignon“.
Der Fotograf Brassaï bekennt nach einem Besuch im Atelier Picassos
1943: „Wenn ich unter all seinen Arbeiten wählen könnte, nähme ich
ohne Zögern die Zeichnungen … Unter der fieberhaft geführten Feder
kann er sich völlig zwanglos entfalten … Dort, glaube ich, tritt sein Genie
am unmittelbarsten zutage … Seine Zeichnungen und seine Handschrift
sind von gleicher Art. Sie bringen uns dem Ursprung am nächsten …“1
Brassaï sieht völlig richtig, dass die Zeichnung die Spur einer Bewegung
ist. Wenn ein Stift über das Papier tanzt, ist dies nicht nur eine äußere,
sondern auch Ausdruck einer inneren Bewegung.
Picasso hat nie aufgehört zu zeichnen. Strich für Strich, Blatt für Blatt
spielt er alle möglichen Varianten einer Bildfindung durch. Dabei wird
1
Brassaï, Gespräche mit Picasso, Reinbek bei Hamburg 1966, S. 50.
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nicht radiert oder durchgestrichen, jedes Blatt ist gleichermaßen gültig.
Das egalitäre Bildkonzept führt zu einer Unmenge von Werken, und jede
Ausstellung kann nur einen winzigen Ausschnitt vor Augen stellen, in
welchem sich jedoch das Ganze spiegelt.
In den elf Räumen der Ausstellung werden jene stilistischen
Verwandlungen aufgezeigt, welche Picasso zum wichtigsten Künstler der
Moderne und zum Vorläufer der Postmoderne zugleich haben werden
lassen. Die Fähigkeit, verschiedene Stile gleichzeitig anzuwenden, wird
zunächst vorbereitet, indem der junge Picasso akademische
Aktzeichnungen nach antiken Skulpturen anfertigt, naturalistische,
symbolistische und neo-impressionistische Einflüsse verarbeitet, sich der
Formensprache romanischer, altiberischer und afrikanischer Skulptur
öffnet, und schließlich über die Auseinandersetzung mit den Werken von
Paul Cézanne, Henri Matisse, Paul Gauguin und Henri Rousseau
gemeinsam mit Georges Braque den Kubismus entwickelt.
Der Zerlegung der Körper in kristalline Volumina folgt die Einführung
von Fragmenten aus der Realität in die Welt des Bildes. In einer Collage
vom März 1914 setzen sich bei Picasso „Glas, Weinflasche,
Tabakpäckchen und Zeitung“ aus Zeichnung, Packpapier, applizierten
Warenetikett und realer Tageszeitung zusammen, dazu kommt ein grün
marmoriertes Papier. Das Spiel mit Wort und Bild verdankt sich nicht
zuletzt dem anregenden Kneipenambiente, ist aber auch Resultat einer
philosophischen Reflexion über den Status des Bildes und sein Verhältnis
zur Wirklichkeit.
Seit 1914 kehrt Picasso zu einer leichter lesbaren, figürlichen
Darstellung zurück. Seine neo-klassizistischen Zeichnungen, die häufig
auf die reine Konturlinie beschränkt sind, stehen in enger Beziehung zur
Arbeit für die „Ballet russes“ von Sergej Diaghilew. Für dessen Stück „Le
Tricorne“ liefert Picasso 1919 Bühnenbild- und Kostümentwürfe, die in
der Ausstellung zu sehen sind. Seit dieser Zeit laufen kubistische und
neo-klassizistische Gestaltungsweisen parallel. Der musikalische Leiter
des Balletts „Le Tricorne“, Ernest Ansermet, erinnert sich später an seine
Begegnungen mit Picasso in Spanien: „An den Sonntagnachmittagen
besuchten wir die Corrida, und mit seinem Skizzenbuch in der Hand
zeichnete er den Stier bald realistisch, bald kubistisch. Als ich mich über
diese Stilwechsel wunderte, sagte er: >Siehst Du denn nicht, dass das
Ergebnis das gleiche ist? Es ist derselbe Stier, nur auf eine andere Weise
gesehen<.“2
In den zwanziger Jahren entstehen durch die Begegnung mit dem
Surrealismus Gewaltszenen und Körperauflösungen. Die Deformation der
Figuren nimmt während des Spanischen Bürgerkriegs und des Zweiten
Weltkriegs deutlich zu. 1942 begegnen uns Totenschädel aus
zerrissenem Papier, doch die Figur des Mannes mit dem Schaf, welche
2
Zit. n.: Canto d’Amore. Klassizistische Moderne in Musik und bildender Kunst 1914-1935,
Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel 1996, S. 190.
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Picasso 1942-43 in Dutzenden von Zeichnungen ausarbeitet, ist wieder
ganz und gar klassisch inspiriert. Diesem prägnanten Werk ist – wie in
den vorangegangenen Zeichnungsausstellungen im Musée Picasso in
Paris und im Museu Picasso in Barcelona3, ein eigenes Kapitel gewidmet,
in welchem der Prozess der Formfindung dokumentiert wird.
Es liegt nahe, den Mann mit dem Schaf als die Figur des Guten Hirten zu
interpretieren, der nach Jesaja 40,11 „die Lämmer in seine Arme
sammeln und in seinem Busen tragen“ wird. Doch der Widerstand des
Schafes und seine sichtbare Angst lassen auch eine Deutung als
Opferlamm zu. Es bleibt offen, ob der Mann das Lamm rettet oder zur
Schlachtbank führt. Die ambivalente Deutungsmöglichkeit basiert auf
zeitgenössischen Ereignissen: Ab Mai 1942 werden in der Pariser
Orangerie
die
muskelbepackten
Skulpturen
von
Hitlers
Lieblingsbildhauer Arno Breker ausgestellt und durch Jean Cocteau
hymnisch gefeiert.4 Am 6. Juni wirft der Maler Maurice de Vlaminck
seinem ehemaligen Kollegen Picasso in der Zeitschrift „Comœdia“ vor,
dessen kubistische Bilder hätten die französische Kunst in den Abgrund
geführt. Am 16. und 17. Juli 1942 werden über 13.000 Pariser Juden
von der französischen Polizei verhaftet, in das Vélodrome d’Hiver
gesperrt und von dort über Internierungslager wie Drancy zumeist nach
Auschwitz deportiert. Als Reaktion auf all diese Ereignisse konzipiert
Picasso demonstrativ eine klassische Skulptur, die mit festem Stand in
ihrer archaischen Menschlichkeit und inhaltlichen Mehrdeutigkeit den
plakativ-eindeutigen Heroen der Nazi-Bildhauerei entgegensteht.
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Das nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Spätwerk oszilliert
zwischen der Schönheit des Lebens und der Zersetzung durch den Tod.
Das Festhalten der Zeit wird für Picasso immer wichtiger, je älter er
wird. Das Altern setzt eine ungeheure Produktivität bei ihm frei. Er
beschleunigt sein Maltempo, so dass die Gemälde teilweise offen bis
unfertig und ausgesprochen expressiv wirken. Zeichnungen hingegen
werden weiterhin meist detailliert durchgearbeitet. Wie eine Illustration
der zwei verschiedenen Geschwindigkeiten im Spätwerk5 wirkt das
„Porträt der Familie, I“ von 1962. Dem sorgfältig gezeichneten alten
Paar, das regungslos in seinen Stühlen verharrt, steht ein dynamischer
Farbwirbel gegenüber.
Atemlos und dabei virtuos variiert der späte Picasso seine Motive. Zu
den bevorzugten Themen gehört die Sexualität, weil sie Leben und Lust
verheißt. Mit voyeuristischen Einsichten in die Anatomie seiner Modelle,
mit starrenden Augen und einem fast psychotischen Blick endet die
Bildproduktion Picassos im Jahr vor seinem Tod 1973.
3
Picasso. La Passion du dessin. Ausst.-Kat. Musée Picasso, Paris 2005/06.
Vgl. Werner Spies, in: Picasso. Die Zeit nach Guernica 1937-1973, Ausst.-Kat. Neue Nationalgalerie, Berlin
1993, S. 28-30.
5
Werner Spies: Picassos zwei Geschwindigkeiten – das Spätwerk, in: ders.: Kontinent Picasso, München 2003,
S. 141-153.
4
Pressemitteilung
Hinweis zu den Öffnungszeiten und Eintrittspreisen des Museum
Berggruen
Das Museum Berggruen ist wegen der Ausstellungsvorbereitungen und
des -abbaus vom 04. - 26. September 2006 sowie vom 8. - 19. Januar
2007 geschlossen. Am 20. Januar 2007 erfolgt die Wiedereröffnung des
Museum Berggruen nach den Ausstellungen in Berlin und Paris.
Eintrittspreise Museum Berggruen während der Ausstellung
Picasso Der Zeichner vom 27.9.2006 bis 7.1.2007:
8,00 €, erm.4,00 €.
BesucherInnen, die mit der Standortkarte Charlottenburg zum
Museum Berggruen kommen, zahlen bitte 2,00 €, erm. 1,00 €
nach.
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