Georg Büchner, Woyzeck: Charakterisierung des Doktors

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Georg Büchner, Woyzeck: Charakterisierung des Doktors
Thomas Dautermann
Gau-Bickelheimer Weg 1
55578 Gau-Weinheim
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Georg Büchner, Woyzeck: Charakterisierung des Doktors
Thomas Dautemann, 24.09.98
Die Person des Doktors nimmt in Georg Büchners Fragment Woyzeck eine der zentraleren
Rollen ein. Er gehört zur über Woyzeck stehenden Gesellschaftsschicht und ist
mitverantwortlich für dessen geistige Verwirrung und Wahnvorstellungen. Der Doktor führt
mit Woyzeck Experimente durch, so setzt er ihn zum Beispiel auf streng monotone (Erbsen-)
Diät und freut sich über alle Resultate, egal ob sie den Gesundheitszustand seines
“Versuchskaninchens” positiv oder negativ beeinflussen. Der Charakter ist nicht authentisch
sondern wurde vom Autor eingefügt. In der Vorlage zum Drama, dem original Mordfall
Woyzeck in Leipzig aus dem Jahr1821, wird mit keinem Wort irgendein Doktor erwähnt,
ansonsten sind nahezu alle anderen Hauptpersonen ihren echten Vorbildern nachempfunden .
Büchner gestaltete die Figur des Mediziners nach einem halb verrückten Professor an der
Gießener Universität, der dort während Büchners Medizinstudiums lehrte.
Der Doktor ist ein verantwortungsloser Wissenschaftler. Er hat keinerlei Interesse daran
Menschen zu helfen und sieht die Leiden anderer Personen nur als “interessanten Kasus”
(=Fall) an (S.19, Z.30). Er hat keine Skrupel Woyzeck, der für ihn ohnehin nur ein “Subjekt”
(S.19, Z.30) darstellt, für “zwei Groschen täglich” (S. 18, Z.19) für seine Experimente
auszunutzen, selbst auf Kosten von dessen Gesundheit. Der Doktor bezeichnet Woyzecks
psychisch Erkrankung als “schönste Aberratio,...;sehr schön ausgeprägt” (S.19, Z.20), anstatt
ihm zu helfen gibt er ihm bloß mehr Geld. Diesen unmenschlichen Charakterzug zeigt er nicht
nur gegenüber Woyzeck, sondern auch bei anderen Patienten. So redet er mit dem Hauptmann
über eine Patientin, die “in vier Wochen tot” (S.35, Z.14) sein wird und bezeichnet sie hierbei
lediglich als “interessant[e]s Präparat” (S.35, Z.18). Auch als er beim Hauptmann ein
“apoplectische Constitution” (S.21, Z.10) diagnostiziert, will er nach dessen Schlaganfall
lediglich “ die unsterblichsten Experimente” ( S.21, Z.17) mit ihm durchführen, anstatt ihm
jetzt zu helfen, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Der Mediziner verhält sich anderen
gegenüber hochmütig,. er benutzt sehr viele Fachbegriffe um seine höhere Bildung zu
betonen. Auch gebraucht er das nicht existierende Wort “Hyperoxidul” (S.18, Z.28), was
darauf hindeutet das er nicht wirklich qualifiziert für seinen Beruf ist. Teilweise fällt er aber,
während er zu den Studenten redet (“...als wär’s sei Großmutter”, S.37, Z13), in den
hessischen Dialekt zurück und benutzt einmal sogar Fäkalwörter (“pissen”, S.18,Z.29),
wodurch demonstriert wird , daß er im Grunde nicht so sehr zur Bildungselite gehört.
Der Doktor ist skrupellos, menschenverachtend, arrogant und pflichtvergessen. Er trägt, neben
den anderen Personen die ihn ausnutzen, einen großen Teil der Schuld an Woyzecks geistiger
Umnachtung. Dadurch, daß Woyzeck nur Erbsen essen darf, wird seine Gesundheit nicht nur
in geringem Maße gefährdet. Nichtsdestotrotz ist die Person Doktor ebenso wie der
Hauptmann wichtig für das Drama, da an solchen Figuren die Gesellschaftskritik festgemacht
wird, die Büchner hier versucht zu vermitteln. Obwohl Büchner selbst Wissenschaftler war,
konnte er, wie viele andere auch, Menschenversuche und Experimente, die anderen schaden,
nicht gutheißen. Gleichwohl existierten solche Menschen in hohen Positionen ( Büchners
Universitätsprofessor), an denen keiner direkte Kritik zu üben wagte. Dies konnte nur auf
indirektem Weg wie eben durch Dramen erfolgen

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