Handreichung zum Lehrplan für den Deutsch
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Handreichung zum Lehrplan für den Deutsch
Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein Handreichung zum Lehrplan für die Berufsschule Deutsch -Zusatzunterricht zur Erlangung der Fachhochschulreife- August 2012 T August 2012 Herausgeber: Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig Holstein - Lehrplanarbeit an berufsbildenden Schulen Schreberweg 5 24119 Kronshagen Lehrpläne im Internet: http://lehrplan.lernnetz.de Handreichung zum Lehrplan Deutsch für die Berufsschule Inhaltsverzeichnis 1 KERNBEREICH 1: RHETORIK UND KOMMUNIKATION ................................................................ 1 1.1 Materialen zu den Kompetenzen des Lehrplan ......................................................... 2 1.2 Benotung des Kernbereichs I: ..................................................................................23 2 KERNBEREICH 2: SACHTEXTE, MATERIALEN ZU DEN KOMPETENZEN .................................... 24 3 KERNBEREICH 3: SPRACHE UND TEXTE IN UNTERSCHIEDLICHEN MEDIEN, MATERIALEN ZU DEN KOMPETENZEN .................................................................................................................. 38 4 KERNBEREICH 4: LITERATUR, MATERIALEN ZU DEN KOMPETENZEN ...................................... 48 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation 1 Kernbereich 1: Rhetorik und Kommunikation Rhetorik = Redekunst Cicero: „Zum Dichter wird man geboren, zum Redner gemacht.“ Seite 1 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) 1.1 KB1: Rhetorik und Kommunikation Materialen zu den Kompetenzen des Lehrplan Kompetenz: Die Schülerinnen und Schüler kennen Kommunikationsmodelle. Hören mit vier Ohren oder Die vier Seiten einer Nachricht Situation: Es ist Wochenende. Der Mann ruht sich auf der Couch aus, während seine Frau gerade die Wohnung putzt. Als der Ehemann seine Frau sieht mit dem Staubwedel sieht, sagt er: „Feiertage sind schön, aber sie machen ‚ne Menge Ärger.“ Sie erwidert: „Ich weiß, ich weiß. Ich putze schon den ganzen Tag, und mein Rücken tut weh!“ Was möchte die Frau ihrem Mann mit ihrer Aussage mitteilen, wenn sie auf der ... a) ... Sachinhaltsebene gesprochen hat? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ b) ... Beziehungsebene gesprochen hat? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ c) ... Selbstoffenbarungsebene gesprochen hat? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ d) ... Appellebene gesprochen hat? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ Seite 2 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Hören mit vier Ohren oder Die vier Seiten einer Nachricht Sachinhaltsebene Was sagt der Sprecher? Beziehungsebene Wie sieht der Sprecher seine Beziehung zum Empfänger? Selbstoffenbarungsebene Was sagt der Sprecher über sich aus? Appellebene Was will der Sprecher erreichen? Situation: Es ist Wochenende. Der Mann ruht sich auf der Couch aus, während seine Frau gerade die Wohnung putzt. Als der Ehemann seine Frau sieht mit dem Staubwedel sieht, sagt er: „Feiertage sind schön, aber sie machen ‚ne Menge Ärger.“ Sie erwidert: „Ich weiß, ich weiß. Ich putze schon den ganzen Tag, und mein Rücken tut weh!“ Was möchte die Frau ihrem Mann mit ihrer Aussage mitteilen, wenn sie auf der ... e) ... Sachinhaltsebene gesprochen hat? Ich putze und mein Rücken tut weh. ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ f) ... Beziehungsebene gesprochen hat? Du merkst nicht einmal, dass auch ich schwer arbeiten muss. ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ g) ... Selbstoffenbarungsebene gesprochen hat? Ständig putze ich. ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ h) ... Appellebene gesprochen hat? Erhebe dich und hilf mir, du fauler Sack! ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ Seite 3 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Übung: Sie sind Azubi in einem Betrieb und werden im Laufe eines Tages mit folgenden Äußerungen konfrontiert. 1. Mitarbeiter: „Bringen Sie mir den Hammer.“ Welche Botschaft könnte der Mitarbeiter gesendet haben? Sachinhalt: ............................................................................................................................. Beziehung: ............................................................................................................................. Selbstoffenbarung: ................................................................................................................. Appell: .................................................................................................................................... Sie sagen: „Mir hilft auch keiner.“ Wie haben Sie die Anweisung des Mitarbeiters verstanden? ................................................................................................................................................. Die Aussage des Mitarbeiters habe ich als ...................................................... verstanden. 2. Mitarbeiter: „Das haben Sie sehr gut gemacht.“ Welche Botschaft könnte der Mitarbeiter gesendet haben? Sachinhalt: ............................................................................................................................. Beziehung: ............................................................................................................................. Selbstoffenbarung: ................................................................................................................. Appell: .................................................................................................................................... Sie sagen: „Es freut mich, das von Ihnen zu hören.“ Wie haben Sie die Anweisung des Mitarbeiters verstanden? ................................................................................................................................................. Die Aussage des Mitarbeiters habe ich als ...................................................... verstanden. 3. Kunde: „Haben Sie auch quadratische Fliesen?“ Welche Botschaft könnte der Kunde gesendet haben? Sachinhalt: ............................................................................................................................. Beziehung: ............................................................................................................................. Selbstoffenbarung: ................................................................................................................. Appell: .................................................................................................................................... Sie sagen: „Ja, haben wir auch.“ Was haben Sie verstanden? ................................................................................................................................................. Die Aussage des Kunden habe ich als ...................................................... verstanden. Seite 4 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Übung: Sie sind Azubi in einem Betrieb und werden im Laufe eines Tages mit folgenden Äußerungen konfrontiert. 1. Mitarbeiter: „Bringen Sie mir den Hammer.“ Welche Botschaft könnte der Mitarbeiter gesendet haben? Ich benötige den Hammer. Ich bin weisungsbefugt. Beziehung: ............................................................................................................................. bin faul. Ich möchte die Akte nicht holen. Selbstoffenbarung: Ich ................................................................................................................. Bring mir sofort den Hammer! Appell: .................................................................................................................................... Sachinhalt: ............................................................................................................................. Sie sagen: „Mir hilft auch keiner.“ Wie haben Sie die Anweisung des Mitarbeiters verstanden? Da mir keiner hilft, helfe ich dir auch nicht. ................................................................................................................................................. Selbstoffenbarungsinhalt Die Aussage des Mitarbeiters habe ich als ...................................................... verstanden. 2. Mitarbeiter: „Das haben Sie sehr gut gemacht.“ Welche Botschaft könnte der Mitarbeiter gesendet haben? Die Arbeit ist Ihnen gelungen. Ich bin froh, Sie zu haben. Beziehung: ............................................................................................................................. Ich könnte das nicht besser machen. Selbstoffenbarung: ................................................................................................................. Gut so! Machen Sie weiter so! Appell: .................................................................................................................................... Sachinhalt: ............................................................................................................................. Sie sagen: „Es freut mich, das von Ihnen zu hören.“ Wie haben Sie die Anweisung des Mitarbeiters verstanden? Ein Lob von Ihnen ist mir viel wert. ................................................................................................................................................. Beziehungsinhalt Die Aussage des Mitarbeiters habe ich als ...................................................... verstanden. 3. Kunde: „Haben Sie auch quadratische Fliesen?“ Welche Botschaft könnte der Kunde gesendet haben? Haben Sie quadratische Fliesen? Können Sie mir helfen? Beziehung: ............................................................................................................................. Ich kenne mich bei Fliesen nicht aus. Selbstoffenbarung: ................................................................................................................. Appell: .................................................................................................................................... Zeigen Sie mir quadratischen Fliesen! Sachinhalt: ............................................................................................................................. Sie sagen: „Ja, haben wir auch.“ Was haben Sie verstanden? Haben Sie quadratische Fliesen? ................................................................................................................................................. Sachinhalt Die Aussage des Kunden habe ich als ...................................................... verstanden. Seite 5 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Ohren im Test. Wenn es knallt, beruflich oder privat, dann könnte es am Gehör liegen: Es ist auf die falsche Frequenz eingestellt. Prüfen Sie sich selbst. Quelle: Tieke, Kristina u. a. (2000): Erkennen & Handeln. Merkur Verlag. Rinteln., S. 409f. Kreuzen Sie bei jedem Beispiel, welches Ohr Ihrer Meinung nach angesprochen werden soll! In Zweifelsfällen dürfen Sie auch zwei Antworten ankreuzen! Am Schluss addieren Sie, wie viele Kreuze Sie bei jedem Ohr gemacht haben! Ein Ohr wird dominieren. 1. Abteilungsleiter zum Mitarbeiter: „Die Akte Schulz liegt ja immer noch hier!“ Sachinhalt: Akte Schulz liegt hier. Beziehung: Sie sind wohl zu faul, die Akte wegzuräumen. Selbstoffenbarung: Ich bin sauer, weil ich sie längst weggeräumt hätte. Appell: Räumen Sie die Akte weg! 2. Verkäufer zu einem Kollegen: „Der Kunde da vorn will bedient werden.“ Sachinhalt: Der Kunde möchte bedient werden. Beziehung: Sie merken wohl gar nichts, Ihnen muss man immer alles erst sagen, so faul sind Sie. Selbstoffenbarung: Ich muss mich um alles kümmern. Bei mir währe der Kunde schon bedient worden. Appell: Nun bedienen Sie den Kunden endlich! 3. Mitarbeiter zum Chef: „Die Arbeit gefällt mir nicht.“ Sachinhalt: Das ist eine unmögliche Arbeit Beziehung: Sie mögen mich wohl nicht. Selbstoffenbarung: Ich möchte mehr Einfluss auf meine Arbeit nehmen könne, ich fühle mich nicht wohl. Appell: Geben Sie mir eine andere Arbeit! 4. Chef zum Bewerber: „Zuverlässigkeit ist mein oberstes Prinzip.“ Sachinhalt: Zuverlässigkeit ist sehr wichtig. Beziehung: Sie verstehen meine Prinzipien bestimmt. Selbstoffenbarung: Mich ärgert die Unzuverlässigkeit anderer, denn ich bin sehr zuverlässig. Appell: Seien Sie unbedingt zuverlässig, sonst haben Sie hier keine Chance! 5. Mitarbeiter zu den Ausführungen eines Kollegen: „Was bedeutet denn ökonomische Relevanz?“ Sachinhalt: Was heißt ökonomische Relevanz? Beziehung: Sie benutzen oft Fremdwörter, das macht Sie nicht gerade sympathisch? Selbstoffenbarung: Ich kann damit nichts anfangen. Appell: Nun erklären Sie mir das mal! 6. Vorgesetzter zu seinem Assistenten: „Es ist schon spät. Lassen Sie uns Schluss machen für heute.“ Sachinhalt: Es ist spät geworden. Beziehung: Sie sehen auch nicht gerade fit aus. Bestimmt sind Sie müde. Selbstoffenbarung: Ich bin müde, ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Appell: Jetzt ist es aber genug! 7. Abteilungsleiter zu seiner Sekretärin: „Die Ablage könnten Sie besser kontrollieren.“ Sachinhalt: Die Ablage könnte besser kontrolliert werden. Beziehung: Sie sind schlampig, unordentlich. Selbstoffenbarung: Bei mir passiert so etwas nicht, ich bin für Ordnung. Appell: Bringen Sie die Ablage in Ordnung! 8. Der Vorgesetzte zu einem Boten: „Wann kommen Sie wieder?“ Sachinhalt: Um welche Uhrzeit kann ich Sie voraussichtlich zurückerwarten? Beziehung: Sie kommen oft zu spät zurück. Selbstoffenbarung: Ich hab’ noch etwas vor. Appell: Seien Sie bitte pünktlich! Seite 6 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Auswertung Welches Ohr sind Sie? Sachinhaltshörer: Sie sind überzeugt davon, dass jeder ein Recht auf seine eigene Meinung hat. Aber Gefühle und Stimmungen haben in einer Diskussion nicht zu suchen. Sie sind in Ihrem Verhalten sehr diszipliniert. Sie können es akzeptieren, wenn ihre Vorschläge nicht angenommen werden, aber Sie erwarten eine sachliche Begründung. Sie neigen aber zu langatmigen Ausführungen. Beziehungshörer: Zwei Dinge merken Sie sehr schnell: wenn jemand Sie bevormunden will oder Sie abschätzig behandelt. Mit autoritären Führungskräften kommen Sie nicht klar. Für Sie ist es immer wichtig, dass es möglichst wenig Reibereien in Ihrem Team gibt. Sie haben viel Verständnis für „Menschlichkeit“. Selbstoffenbarungsohr: Sie sind ein guter Menschenkenner. Sie haben keine angst davor, sich mitzuteilen. Ihre Mitmenschen empfinden Sie als sehr einfühlsam und verständnisvoll. Sie wissen immer schon im Voraus, wie es um den anderen steht. Dabei möchte der andere Ihnen sagen, wie er zu Ihnen steht. Das kriegen Sie nicht immer mit. Appellhörer: Sie wissen ganz genau, was andere von Ihnen wollen. Sie sind sehr hilfsbereit, zuvorkommend und engagiert. Sie lesen Ihre Mitmenschen jeden Wunsch von den Augen ab, selbst wenn Ihre Mitmenschen gar keinen Wunsch haben. Damit unterliegen Sie der Gefahr, ausgenutzt zu werden. Gestehen Sie anderen Mensch öfter das Recht auf Ihre eigenen Gefühle zu. Arbeitsanregungen: 1. Können Sie sich mit der für Sie in Frage kommenden Klassifizierung identifizieren? 2. Wie schätzen Ihre Mitschüler Sie ein? Halten Sie das Ergebnis des Tests für zutreffend? 3. Ist Ihnen die Bearbeitung des Tests leicht gefallen? Was bleibt in den Beispielen zu den Kommunikationssituationen unberücksichtigt? 4. Ergänzen Sie den Tests durch Kommunikationssituationen, die Sie aus eigener Erfahrung kennen! Seite 7 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Situation: Der Ausbilder zeigt seinem Auszubildenden, wie die CNC-Maschine bedient wird. Der Auszubildende sieht sich den Vorgang regungslos, mit den Händen auf dem Rücken verschränkt an. Wie beurteilen Sie das Verhalten des Auszubildenden? Was denkt der Auszubildende? Frage: Kann man nicht kommunizieren? Seite 8 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Situation: Der Ausbilder zeigt seinem Auszubildenden, wie die CNC-Maschine bedient wird. Der Auszubildende sieht sich den Vorgang regungslos, mit den Händen auf dem Rücken verschränkt an. Wie beurteilen Sie das Verhalten des Auszubildenden? Was denkt der Auszubildende? Mir ist langweilig. Ich bin nicht doof. Wann darf ich an die Maschine ran? Was mache ich heute Abend? Der kann ja überhaupt nicht erklären. Ich verstehe überhaupt nichts. Seite 9 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Kompetenz: Die Schülerinnen und Schüler wenden Kommunikation situationsgerecht an und bewerten diese. Arbeitsauftrag: Diskutieren Sie in Ihrer Gruppe, welche Bedeutungen die angegebenen Signale haben können! Überlegen Sie sich eine Szene, bei dem die angegebenen Signale auftreten können. Präsentieren Sie Ihre Ergebnisse mit Hilfe Ihrer ausgedachten Szene, bei dem 2 Personen von Ihnen mit einander wortlos kommunizieren und die 3. Person die Signale interpretiert! Gruppe I: Blickkontakt Beobachtete Signale offener, zugewandter Blick Mögliche Bedeutung fehlender Augenkontakt Blick von oben herab wandernder Blick Gruppe II Mimik Beobachtete Signale voll geöffnete Augen Mögliche Bedeutung starrer Gesichtsausdruck Stirnfalten (Querfalten) und fast geschlossene Augen Lächeln Gruppe III Gestik Beobachtete Signale Nicken mit dem Kopf Mögliche Bedeutung hochgezogene Schultern verkreuzte Arme Handflächen mit gespreizten Fingern bewegen sich nach unten ausgestreckter Zeigefinger am Lippenrand Gruppe IV Körperhaltung Beobachtete Signale Zuwendung des Körpers zu dem Partner Mögliche Bedeutung Kopf und Oberkörper zurücknehmen Vorwärtsbewegung von Kopf und Oberkörper gekrümmte Körperhaltung Seite 10 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Arbeitsauftrag: Diskutieren Sie in Ihrer Gruppe, welche Bedeutungen die angegebenen Signale haben können! Überlegen Sie sich eine Szene, bei dem die angegebenen Signale auftreten können. Präsentieren Sie Ihre Ergebnisse mit Hilfe Ihrer ausgedachten Szene, bei dem 2 Personen von Ihnen mit einander wortlos kommunizieren und die 3. Person die Signale interpretiert! Gruppe I: Blickkontakt Beobachtete Signale offener, zugewandter Blick fehlender Augenkontakt Blick von oben herab wandernder Blick Mögliche Bedeutung Interesse, Zuneigung, Zuwendung, Sympathie, Sicherheit Unsicherheit, Ablehnung, Teilnahmslosigkeit, nachdenklich Arroganz, Überlegenheit, Verachtung, Hochmut mangelndes Interesse, Abwesenheit, Unentschlossenheit Gruppe II Mimik Beobachtete Signale voll geöffnete Augen starrer Gesichtsausdruck Stirnfalten (Querfalten) und fast geschlossene Augen Lächeln Mögliche Bedeutung überrascht entsetzt, unbehaglich, nachdenklich wütend, nachdenklich Freude, Offenheit Gruppe III Gestik Beobachtete Signale Nicken mit dem Kopf hochgezogene Schultern verkreuzte Arme Handflächen mit gespreizten Fingern bewegen sich nach unten ausgestreckter Zeigefinger am Lippenrand Mögliche Bedeutung Zustimmung Unsicherheit, Unentschlossenheit, Ahnungslosigkeit Überheblichkeit, Abwehrhaltung, Desinteresse Ablehnung, Unlust nachdenklich, Zweifel Gruppe IV Körperhaltung Beobachtete Signale Zuwendung des Körpers zu dem Partner Kopf und Oberkörper zurücknehmen Vorwärtsbewegung von Kopf und Oberkörper gekrümmte Körperhaltung Mögliche Bedeutung Zustimmung, Interesse, Zuwendung Ablehnung, Desinteresse, Langeweile. negative Einstellung Angriff, Zustimmung, Interesse, positive Einstellung keine Lust, keine Motivation Seite 11 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler wenden Kommunikation situationsgerecht an und bewerten diese. Sie analysieren Kommunikationsstörungen Annett Louisan Ausgesprochen Unausgesprochen Du fragst: „Was ist?“ Ich sage: „Nichts.“ und ziehe weiter mein Gesicht. Du sagst: „Dann ist ja alles gut.“ Ich krieg die Wut, mir kocht das Blut. Hast du den Aufschrei nicht gehört, den meine Körpersprache röhrt? Den tiefen Schmerz zwischen den Zeilen, die schwer auf meiner Zunge weiln? Ich bombadier’ dich mit Photonen, die meine Aggression betonen sie interessiern dich einen Scheiß, diese Millionen von Details! Das alles bleibt ausgesprochen unausgesprochen, alles bleibt ausgesprochen unausgesprochen. Würdest du mich wirklich lieben, dann wüsstest du genau, wie ich gerade fühle und was ich wirklich brauch. Das alles bleibt ausgesprochen unausgesprochen zwischen uns. Hab diesen Punkt, der mich berührt, mit viel Missachtung demonstriert. Hab überdeutlich „nichts“ gesagt, und dir damit mein Leid geklagt. Hab dich gewarnt mit keinem Laut, hab auf dein Feingefühl gebaut. Du musst doch wissen, wenn ich schweig’, dann ist das auch ein Fingerzeig! Jeder sieht doch weit und breit, wie dieser Blick zum Himmel schreit! Das hast du alles nicht gehört - bist du denn wahrnehmungsgestört? Das alles bleibt ausgesprochen unausgesprochen, alles bleibt ausgesprochen unausgesprochen. Würdest du mich wirklich lieben, dann wüsstest du genau, wie ich gerade fühle und was ich wirklich brauch. Das alles bleibt ausgesprochen unausgesprochen zwischen uns. Ich bombadier’ dich mit Photonen, die meine Aggression betonen. Sie interessiern dich einen Scheiß, diese Millionen von Details! Das alles bleibt ausgesprochen unausgesprochen, alles bleibt ausgesprochen unausgesprochen. Würdest du mich wirklich lieben, dann wüsstest du genau Wie ich gerade fühle und was ich wirklich brauch. Das alles bleibt ausgesprochen unausgesprochen zwischen uns. Seite 12 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Kompetenz Die Schülerinnen und Schüler kennen Rhetorikregeln. Goldene Regeln der Rhetorik von Marcus Knill Rede kurz Sei Feuer und Flamme Tritt frisch auf, machs Maul auf und hör bald wieder auf. Diese Luther zugeschriebe Erkenntnis gilt auch heute noch. In der Kürze liegt die Würze. Links: Kürze mit Würze, Lässt sich in 15 Sekunden das Wesentliche sagen?. Du kannst im Herzen des Gegenübers nur ein Feuer entzünden, wenn in Dir das Feuer der Begeisterung brennt. Links: Motivieren, aber wie? Benutze Beispiele Kernbotschaft Durch Analogien und Beispiele können auch komplizierte Zusammenhänge klar gemacht werden. Links: Spiel mit Beispielen. Was ist die Kernbotschaft? Links: Erfolg dank Überzeugen 7 Regeln zum besseren Überzeugen. Sei locker Trainiere Start und Ende Wer den Start zelebriert und locker beginnt, spricht automatisch mit den Händen. Durch Bewegung wird Stress abgebaut. Gestik muss nicht unterbunden werden. Links: Menschenkenntnis Auftreten Radio Bereite den Anfang und den Schluss der Rede gründlich vor. "Der Start ist die halbe Miete". Der Zuhörer errinnert sich an den Anfang und der Schluss am besten. Links: Pech beim Start Rede frei Roter Faden Ein Stichwortzettel ist der rote Faden und der Rettungsanker. Links: Präsentation, Statement, Stichwortzettel. Ein guter Plan, eine sinnvolle Struktur und ein einheitliches Thema werden geschätzt. Links: Roter Faden bei Beratungen. Nutze das Lampenfieber Vereinfache Lampenfieber gibt eine Grundspannung, die verhindert, dass Reden zu routinierten Pflichtübungen verkommen. Links: Redeangst, Stress, Lampenfieber Erkläre komplexe Zusammenhänge einfach. Das braucht Vorbereitung. Es ist nicht leicht, die Sprache und den Inhalt zu vereinfachen. Links: Vereinfachen Rede bildhaft Pflege das Äußere Visibiliät bei Kommunikationsprozessen will heissen: so reden dass man die Worte "sieht". Worte die kein Bild auslösen, bewirken wenig. Links: Wort und Bild. Der erste Eindruck prägt. Es lohnt sich, das persönliche Erscheinungsbild zu pflegen. Links: Erster Eindruck Seite 13 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Kenne das Publikum Unterhalte Es ist ein Muss, sich vor jedem Auftritt über die Zuhörer ein Bild zu machen. Was interessiert sie? Welches Vorwissen bringen sie mit? Links: Zuhörerorientertes Sprechen. Die Zuhörer lassen sich lieber unterhalten als belehren. Auch die Gefühle der Zuhörer wollen angesprochen werden. Links: Angewandte Rhetorik Sei Du selbst Keine Unwahrheiten Was Du denkst, strahlst Du aus. Die Zuhörer durchschauen Theater oder Imitationen. Links: Erfolgsregeln "Was Du an Medien sagst, muss immer wahr sein - aber: Nicht alles was wahr ist, das muss gesagt werden." Links: Kommunikation und Lüge, Wahrheit und Lüge in den Medien Vergiss rhetorische Tips Trainiere regelmässig Während des Sprechens können rhetorischen Grundprinzipien vergessen werden. Eine Person, die sich für die Zuhörer interessiert und sich 100 prozentig in den Gedanke vertieft, macht in der Regel alles richtig und verzichtet auf künstliche Effekte. Links: Natürliche Kommunikation. So gesehen wäre eigentlich das Reden einfach. Weil jedoch das einfache nicht immer so einfach ist, lohnt sich ein kurzer Check im Simulator bei K+K. Denn: "Wissen" heisst noch nicht "Anwenden können". Prozessorientiertes Arbeiten lohnt sich. Links: Erst hartes Training bringt Qualität http://www.rhetorik.ch/Goldeneregeln/Goldeneregeln.html Bei Weiterverwendung ist Autoren- und Quellenangabe erforderlich Seite 14 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Kompetenzen: Die Schülerinnen und Schüler kennen Rhetorikregeln, wenden situationsgerecht Kommunikation an und bewerten diese erfassen den Aufbau einer Rede und wenden diesen an. Kurt Tucholsky: Ratschläge für einen schlechten Redner Fang nie mit dem Anfang an, sondern immer drei Meilen 'vor' dem Anfang! Etwa so: "Meine Damen und meine Herren! Bevor ich zum Thema des heutigen Abends komme, lassen Sie mich Ihnen kurz..." Hier hast du schon ziemlich alles, was einen schönen Anfang ausmacht: eine steife Anrede; der Anfang vor dem Anfang; die Ankündigung, dass und was du zu sprechen beabsichtigst, und das Wörtchen kurz. So gewinnst du im Nu die Herzen und Ohren der Zuhörer. Denn das hat der Zuhörer gern: dass er deine Rede wie ein schweres Schulpensum aufbekommt; dass du mit dem drohst, was du sagen wirst, sagst und schon gesagt hast. Immer schön umständlich. Sprich nicht frei - das macht einen so unruhigen Eindruck. Am besten ist es: du liest deine Rede ab. Das ist sicher, zuverlässig, auch freut es jedermann, wenn der lesende Redner nach jedem viertel Satz misstrauisch hochblickt, ob auch noch alle da sind. Wenn du gar nicht hören kannst, was man dir so freundlich rät, und du willst durchaus und durchum frei sprechen ... du Laie! Du lächerlicher Cicero! Nimm dir doch ein Beispiel an unsern professionellen Rednern, an den Reichstagsabgeordneten - hast du die schon mal frei sprechen hören? Die schreiben sich sicherlich zu Hause auf, wann sie "Hört! Hört" rufen ... ja, also wenn du denn frei sprechen must: Sprich, wie du schreibst. Und ich weiss, wie du schreibst. Sprich mit langen, langen Sätzen - solchen, bei denen du, der du dich zu Hause, wo du ja die Ruhe, deren du so sehr benötigst, deiner Kinder ungeachtet, hast, vorbereitest, genau weisst, wie das Ende ist, die Nebensätze schön ineinander geschachtelt, so dass der Hörer, ungeduldig auf seinem Sitz hin und her träumend, sich in einem Kolleg wähnend, in dem er früher so gern geschlummert hat, auf das Ende solcher Periode wartet ... nun, ich habe dir eben ein Beispiel gegegeben. So musst du sprechen. Fang immer bei den alten Römern an und gib stets, wovon du auch sprichst, die geschichtlichen Hintergründe der Sache. Das ist nicht nur deutsch - das tun alle Brillenmenschen. Ich habe einmal an der Sorbonne einen chinesischen Studenten sprechen hören, der sprach glatt und gut französisch, aber er begann zu allgemeiner Freude so: "Lassen Sie mich in aller Kürze die Entwicklungsgeschichte meiner chinesischen Heimat seit dem Jahre 2000 vor Christi Geburt..." Er blickte ganz erstaunt auf, weil die Leute so lachten. So musst du das auch machen. Du hast ganz recht: man versteht es ja sonst nicht, wer kann denn das alles verstehen, ohne die geschichtlichen Hintergründe ... sehr richtig! Die Leute sind doch nicht in deinen Vortrag gekommen, um lebendiges Leben zu hören, sondern das, was sie auch in Büchern nachschlagen können ... sehr richtig! Immer gib ihm Historie, immer gib ihm. Kümmere dich nicht darum, ob die Wellen, die von dir ins Publikum laufen, auch zurückkommen - das sind Kinkerlitzchen. Sprich unbekümmert um die Wirkung, um die Leute, um die Luft im Saale; immer sprich, mein Guter. Gott wird es dir lohnen. Du musst alles in Nebensätze legen. Sag nie: "Die Steuern sind zu hoch." Das ist zu einfach. Sag: "Ich möchte zu dem, was ich soeben gesagt habe, noch kurz bemerken, dass mir die Steuern bei weitem..." So heisst das. Trink den Leuten ab und zu ein Glas Wasser vor - man sieht das gern. Wenn du einen Witz machst, lach vorher, damit man weiss, wo die Pointe ist. Eine Rede ist, wie könnte es anders sein, ein Monolog. Weil doch nur einer spricht. Du brauchst auch nach vierzehn Jahren öffentlicher Rednerei noch nicht zu wissen, dass eine Rede nicht nur ein Dialog, sondern ein Orchesterstück ist: eine stumme Masse spricht nämlich ununterbrochen mit. Und das musst du hören. Nein, das brauchst du nicht zu hören. Sprich nur, lies nur, donnere nur, geschichtele nur. Seite 15 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Zu dem, was ich soeben über die Technik der Rede gesagt habe, möchte ich noch kurz bemerken, dass viel Statistik eine Rede immer sehr hebt. Das beruhigt ungemein, und da jeder imstande ist, zehn verschiedene Zahlen mühelos zu behalten, so macht das viel Spass. Kündige den Schluss deiner Rede lange vorher an, damit die Hörer vor Freude nicht einen Schlaganfall bekommen. Paul Lindau hat einmal einen dieser gefürchteten Hochzeitstoaste so angefangen: "Ich komme zum Schluss." Kündige den Schluss an, und dann beginne deine Rede von vorn und rede noch eine halbe Stunde. Dies kann man mehrere Male wiederholen. Du musst dir nicht nur eine Disposition machen, du musst sie den Leuten auch vortragen - das würzt die Rede. Sprich nie unter anderthalb Stunden, sonst lohnt es sich gar nicht erst anzufangen. Wenn einer spricht, müssen die andern zuhören - das ist deine Gelegenheit! Missbrauche sie. 1. Nennen Sie die Ratschläge für einen schlechten Redner. 2. Formulieren Sie aus jedem negativen Ratschlag einen positiven. 3. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit denen von Kurt Tucholsky. Kurt Tucholsky Ratschläge für einen guten Redner „Hauptsätze, Hauptsätze, Hauptsätze“! Klare Disposition im Kopf – möglichst wenig auf dem Papier! Tatsachen oder Appelle an das Gefühl. Schleuder oder Harfe! Ein Redner sei kein Lexikon. - Das haben die Leute zu Hause! Der Ton einer einzelnen Sprechstimme ermüdet. Sprich nie länger als vierzig Minuten! Suche keine Effekte zu erzielen, die nicht in deinem Wesen liegen! Ein Podium ist eine unbarmherzige Sache – Da steht der Mensch nackter als im Sonnenbad! Merke Otto BRAHM’s Spruch: Wat jestrichen ist, kann nicht durchfalln! Seite 16 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Kompetenz Die Schülerinnen und Schüler erfassen den Aufbau einer Rede und wenden diesen an. Aufbau einer Rede: Ein guter Redner bringt seine Zuschauer nicht zum Applaudieren, ein guter Redner bringt sein Publikum zum Schweigen. Frage an die Schüler/-innen: Warum? Mark Twain: Eine gute Rede hat einen guten Anfang und ein gutes Ende – und beide sollten möglichst dicht beieinander liegen. 5-Satz-Regel: Einstieg: Der Einstieg muss die Aufmerksamkeit der Zuhörer wecken. Bringen Sie maximal 3 Argumente. Schluss: Verwenden Sie einen Satz, der das Publikum zu einer Handlungs- oder Meinungsänderung bewegt. Übung: Die Schüler/-innen sollen nun eine Rede mit Hilfe der 5-Satz-Regel üben Seite 17 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler kennen Rhetorikregeln analysieren Kommunikationsstörungen überwinden Kommunikationsstörungen durch Anwendung von erlernten Methoden. Todsünden der Rhetorik von Marcus Knill Die traditionellen Todsünden (Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit) haben auch etwas mit der Rhetorik gemeinsam. Wir übertragen bewusst die alten Begriffe auf die Angewandte Rhetorik. Nicht alle Sünden konnten problemlos übertragen werden. Betrachten Sie den Beitrag als Gedankenspiel. Völlerei Wollust Übertragen auf die Esslust wird die Überfütterung Dass Reden Freude macht ist selbstverständlich. der Zuhörer mit Bildern, Geschichten und InforDie Lust am Reden darf nicht dazu führen, dass mationen negativ aus. Anderseits zahlt sich auch sich der Redner aus lauter Lust am Reden sich das angemessene Ess- Trinkverhalten positiv gleichsam wie in einem Wollknäuel verstrickt aus. Nicht mit vollem Magen reden. Lampenfieber nicht mit Alkohol reduzieren. Habsucht Neid Gewinnstreben ist menschlich. Doch Reden gute Wer Konkurrenten aus Neid und Missgunst klein Rhetoriker nicht des Geldes wegen. Dass ein macht, vergiftet das Klima. Ein guter Redner Redner angemessen bezahlt werden sollte, verstrahlt Vertrauen aus und kennt weder Hass noch steht sich von selbst. Doch zeichnen sich gute Verleumdung noch mobbingähnliche VerhaltensRhetoriker dadurch aus, dass sie bei unbetuchten weisen. Institutionen für ein Trinkgeld oder vor einem Serviceclub für ein paar Flaschen Wein reden. Zorn Trägheit Hass, Wut, Zorn hat nichts mit emotionalem EnHinter guten Reden steckt Transpiration und Ingagement zu tun. Auf Wutausbrüche und emotio- spiration. Es gibt tatsächlich Phasen des Nichtsnale Entgleisungen kann der gute Rhetoriker tuns. Doch hat Trägheit bei der Vorbereitung und verzichten. Präsentation nichts mehr verloren. Auf träge Redner können alle verzichten. Stolz Gewiss muss niemand sein Licht unter den Scheffel stellen. Doch ist für jedes Publikum ein pfauenhaftes Verhalten ein Gräuel. Ein guter Redner weiß, dass er gut ist. Er hat es nicht nötig, sich dauernd in den Vordergrund zu rücken. http://www.rhetorik.ch/Todsuenden/Todsuenden.html Bei Weiterverwendung ist Autoren- und Quellenangabe erforderlich Seite 18 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Hören - Hinhören – Zuhören von Hildegard Knill Ein Mann, der andauernde Streitigkeiten mit seiner Frau nicht länger ertragen konnte, bat einen Meister um Rat: "Kaum macht einer von uns den Mund auf, unterbricht ihn der andere schon. Ein Wort, dann haben wir gleich wieder Streit miteinander, und jeder von uns ist mürrisch und schlecht gelaunt", sagte der Mann. Dabei lieben wir uns doch, aber so kann es nicht weitergehen. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll." "Du musst lernen, deiner Frau zuzuhören“, sagte der Meister. "Und wenn du sicher bist, dass du diese Regel beherrscht, dann komm wieder zu mir." Nach drei Monaten sprach der Mann wieder beim Meister vor und erklärte, er habe jetzt gelernt, auf jedes Wort, das seine Frau sagt zu hören. "Gut", sagte der Meister mit einem Lächeln. "Wenn du in einer glücklichen Ehe leben willst, musst du jetzt noch lernen, auf jedes Wort zu hören, das sie nicht sagt." Verfasser: Herbert Lechleitner Miteinander reden ist schwierig. Nicht nur, weil wir Mühe haben, das zu sagen, was wir meinen, sondern auch deshalb, weil wir eben nur miteinander reden und nicht aufeinander hören. Das Hören wird viel zu oft vernachlässigt. Es gibt einen Unterschied zwischen Hören, Hinhören und Zuhören. Hören Hinhören Zuhören Hören ohne Hinhören heißt zum Beispiel, mit sich selber beschäftigt zu sein, nur sporadisch aufzumerken und einem Gespräch nur solange zu folgen, bis selbst geredet werden kann. Hinhören ohne Zuhören heißt: Aufnehmen, was die andere Person sagt, ohne sich zu bemühen herauszufinden, was der andere meint oder sagen will. Zuhören heißt, sich in den Partner hineinzuversetzen, ihm volle Aufmerksamkeit zu schenken und dabei nicht nur auf den Inhalt, sonder auch auf Zwischentöne zu achten. Die Aufmerksamkeit ist noch nicht unbedingt auf den Gesprächsinhalt, sondern auch auf die eigene Beschäftigung, die eigenen Gedanken und die Gelegenheit, zu Wort zu kommen, gerichtet. Man ist gefühlsmäßig noch unbeteiligt, distanziert und abwartend. Die oder der Sprechende meint fälschlicherweise, ihr oder ihm würde ernsthaft zugehört. Durch Haltung und Reaktion wird dem Gesprächspartner mitgeteilt, dass es im Moment nichts Wichtigeres gibt, als sie oder ihn. Richtiges Zuhören heißt also nicht, sich passiv zu verhalten und die Gesprächspartnerin oder den Gesprächspartner reden zu lassen. Richtiges Zuhören heißt: Vom Hören über das Hinhören zum aktiven Zuhören zu kommen. Seite 19 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Was ist "aktives Zuhören"? "Aktives Zuhören" bedeutet: zu versuchen, sich in den Gesprächspartner einzufühlen beim Gespräch mitzudenken, dem Gesprächspartner Aufmerksamkeit und Interesse entgegenzubringen. Durch verbale und nonverbale Aufmerksamkeitsreaktionen wird dem Partner gezeigt, dass man aufmerksam ist, dass man versucht, zu verstehen und dass man Interesse und Anteilnahme hat. Die vier Stufen des aktiven Zuhörens sind: die Wahrnehmung, das Verstehen, die Wertung und die Reaktion: Wahrnehmung: Wir nehmen selektiv wahr. Das ist auch sinnvoll, denn der Mensch wäre gar nicht fähig, auf alle Informationen, Reize, Eindrücke einzugehen. Verstehen: Beim Verstehen wird das Gehörte aufgefasst und begriffen. Missverständnisse können zum Beispiel entstehen, wenn Sender und Empfänger Begriffe verschieden definieren. Bewerten: Wir tendieren dazu, zu bewerten was wir gehört und verstanden haben. Feedback kann helfen, Missverständnissen vorzubeugen. Reaktion: Verbale und Nonverbale Reaktionen, wie Kopfnicken, Blickkontakt etc. sind Techniken, die aktives Zuhören erleichtern. Aktives Zuhören ist lernbar. Es heißt nicht, dass Aussagen einfach wiederholt werden müssten. Das "Spiegeln" von Aussagen ("Habe ich richtig verstanden, dass...?") hilft aber zu zeigen, dass die Aussage registriert wurde. Wer sieht, dass das Gehörte zusammengefasst werden kann, fühlt sich verstanden. Es wird bei Gesprächen letztlich zum Zeitgewinn. Aktives Zuhören: Techniken 1.Paraphrasieren Die Aussage wird mit eigenen Worten wiederholt. 2.Verbalisieren Die Gefühle, die Emotionen des Gegenübers werden gespiegelt z.B. "Sie hat das maßlos geärgert." 3. Nachfragen "Nachdem Sie dies gesagt hatten, reagierte Hans Meier nicht?" 4. Zusammenfassen So wie in einem Zeitungsartikel unter dem Titel der Inhalt in geraffter Form gedruckt wird, kann bei Gesprächen das Gehörte mit wenigen Worten zusammengefasst werden. 5. Klären Unklares klären: "Sie haben gesagt, sie hätten sofort reagiert. War das noch am gleichen Tag?" Seite 20 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation 6. Weiterführen "Dann hat der Vorgesetzte das Gespräch gesucht. Wie hat er sich dann verhalten?" 7. Abwägen "War die Belästigung schlimmer als "das NichtErnstgenommen-Sein"? Fazit: Zuhören heißt Anteilnehmen im wörtlichen Sinn: Ich nehme die Teile die mitgeteilt worden sind an. Das Anteilnehmen hat mit aber vor allem mit echtem Interesse zu tun. Zuhören lässt sich optimieren. Wer jedoch sich und seine Aussage wichtiger nimmt als die Aussagen der Mitmenschen wird trotz Kenntnis von Zuhörtechniken noch kein guter Zuhörer. http://www.rhetorik.ch/Hoeren/Hoeren.html 1998-2010 © K-K , Weblinks sind erwünscht. Bei Weiterverwendung ist Autoren- und Quellenangabe erforderlich. Feedback-Regeln: Verwenden Sie Ich-Botschaften, keine Du-Botschaften. Sprechen Sie über eigene Wahrnehmungen und Gefühle. („Ich fühle, dass ...“) Nie persönlich werden. Positiv formulieren. Feedback soll ausführlich sein, aber niemals interpretierend. Übungen: Bilden Sie Gruppen mit 3 Personen. Person A erzählt ein Erlebnis, etc. Person B hört aktiv zu und wiederholt das Gesagte. Person C beobachtet die beiden und reflektiert im Anschluss die Aussagen. Seite 21 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB1: Rhetorik und Kommunikation Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler überwinden Kommunikationsstörungen durch Anwendung von erlernten Methoden und halten eine Stegreifrede und bewerten diese. Themenbereiche Verbale, nonverbale, nonverbale Kommunikation Hemmungen und Ängste im Zusammenhang mit der freien Rede Überwindung von Kommunikationsstörungen: aktives Zuhören, Feedback, Du-Botschaften, ... Informations-, Meinungs- und Überzeugungsrede Stegreifrede bzw. Vortrag zu einem beruflichen Thema agrarwirtschaftliche Berufe gastgewerbliche Berufe gewerblichtechnische Berufe: kaufmännischverwaltende Berufe sozialpflegerische, sozialpädagogische und Gesundheitsberufe Körperhaltung, Gestik, Mimik, Blickkontakt, Lautstärke, Artikulation, Sprechtempo, Pausen, Modulation der Sprache, Füllwörter, Floskeln Lampenfieber ist etwas Natürliches, Ängste nicht verdrängen, Bewegung baut Stress ab, Training, Augenkontakt, Rhetorikregeln Schwierige Kundenberatung Umgang mit Beschwerden im Restaurant Schwierige Kundenberatung Schwierige Kundenberatung und -betreuung Probleme beim Umgang mit Patienten Vorteile des Bio-Anbau Vorstellung einer Veranstaltung Beschreiben einer Anlage, einer Werkstatt oder eines Betriebs; Orientierung auf einem Betriebsgelände Vorstellung eines Marketingkonzeptes Vorstellung eines Heimes anlässlich eines „Tages der offenen Tür“ Seite 22 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) 1.2 KB1: Rhetorik und Kommunikation Benotung des Kernbereichs I: Kriterien zur Beurteilung einer Rede, eines Vortrags, einer Überwindung von Kommunikationsstörung Kriterien Beispiel Körpersprache (Nonverbal) Blickkontakt offen, zugewandt 1 2 entspannt, freundlich Gestik offene Armhaltung Körperhaltung selbstbewusst Phonetische Mittel (Paraverbal) Sprechtempo dynamische Pausentechnik Sprechweise deutlich, angemessene Lautstärke Sprache Rhetorische Mittel Einsatz Formulierungen verständlich, sicher im Ausdruck Aufbau 5-Satz-Strategie Anwendung Inhalt Sachwissen Umgang von Kommunikationsstörungen Glaubwürdigkeit 4 5 6 Beispiel fehlend, von oben herab unfreundlich, starr verkreuzte Arme steif Mimik Einstieg Schluss 3 zu schnell, stockend, monoton, zu leise kein Einsatz unverständlich, unsicher keine Anwendung langweilig nichtssagend, regt nicht zum Nachdenken an fesselnd Fesselnd, regt zum Nachdenken an fundiertes Wissen gelungen ungenaues Wissen nicht gelungen überzeugt, glaubt an sich nicht überzeugt, distanziert Seite 23 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 2: Sachtexte 2 Kernbereich 2: Sachtexte, Materialen zu den Kompetenzen Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler... fassen komplexe Sachtexte zusammen und werten diese aufgabenbezogen aus. erstellen pragmatisch Texte abwechslungsreich sowie sprachlich und gestalterisch angemessen. Ratschläge für einen schlechten Fachtext Man braucht nur möglichst viele der folgenden 10 Ratschläge zu beherzigen: 1. Was der Leser deines Textes nicht beim ersten Mal versteht, muss er eben nochmal lesen — notfalls so lange, bis er verstanden hat, was du sagen wolltest! 2. Dein Text ist fachlich exzellent, das reicht aus; ihn zu lesen muss deinem Leser nicht auch noch Spaß machen. Wer sowas will, soll sich an journalistische Texte, Thomas Mann oder John Grisham halten. 3. Hast du inhaltlich etwas selbst nicht richtig verstanden, schreib es trotzdem ruhig einfach hin, ohne weiter nachzudenken oder nachzuforschen: Vielleicht versteht es ja dein Leser! 4. Müh dich nicht damit ab, dem Leser deine Ausführungen durch Absätze, aussagekräftige Zwischenüberschriften, Hervorhebung von Schlüsselwörtern und andere Mätzchen zu portionieren; schließlich soll der Leser ja (und wird er so gezwungenermaßen ganz sicher) alles lesen — und deinen Text nicht etwa nur überfliegen. 5. Auch sogenannt ansprechendes Layout wird weit überbewertet. Zeig deinen Lesern ruhig, dass du kein Grafik-Fatzke, sondern ein ernstzunehmender Experte bist, der sich mit solchem Schnickschnack weder abgibt noch abgeben muss. 6. Vermeide Einheitlichkeit, etwa bei der Zitierweise benutzter Gesetze, Bücher oder Aufsätze, das wirkt pedantisch und buchhalterisch. Verschwende auch keine Zeit darauf, Tippfehler zu beseitigen. Merke Oscar Wilde: Mir tun alle Menschen leid, die so wenig Fantasie haben, dass sie ein Wort immer gleich schreiben. Seite 24 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) 7. KB 2: Sachtexte Nominalstil, Nominalstil, Nominalstil! Etwa so: Die Durchführung der Erhöhung der Besteuerung ist in Planung. Mit Verben geben sich Laien ab oder Journalisten, die Eindruck schinden und ‚schön’ schreiben wollen, nicht aber seriöse Fachleute. 8. Schwankst du zwischen einem Wort mit mehreren Bedeutungen und einem eindeutigen, nimm das mehrdeutige: Es erfreut den Leser, gedanklich verschiedene mögliche Aussagen durchzuspielen und zu erraten, welche du gemeint haben dürftest. 9. Verwende möglichst viele Abkürzungen, je kryptischer, desto geheimnisvoller und damit für deinen Leser verlockender. Das hält ihn bei der Stange und weist dich als Experten aus, der weder Platz noch Zeit verschwendet! Erhöhe den Reiz noch weiter, indem du Abkürzungen selbst entwickelst, aber nirgends erläuterst. Man kann ja bei dir nachfragen (zugleich geschickte Art, potenzielle Kunden aufwandsarm zur Kontaktaufnahme mit dir zu zwingen)! 10. Verrate dem Leser nicht zu viel von deinem Fachwissen. Füttere ihn lediglich an und hebe die wirklich wichtigen Dinge auf, damit er sie dir als Kunde teuer abkauft! Das ist so elegant, dass es dein Leser gar nicht merken wird, und wenn, wird es ihm bestimmt nicht aufstoßen. (Aus: http://www.lektorat-pasternak.de) Aufgabenstellung: - Wählen Sie Fachtexte aus Ihrem beruflichen Schwerpunktfach aus und analysieren Sie diese in Gruppenarbeit. - Arbeiten Sie dazu mit der Handreichung „Verstehen von Fachtexten“. Seite 25 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 2: Sachtexte Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler beschreiben, analysieren und beurteilen die Intention sowie die Argumentationsstrategie und -struktur von Sachtexten. erstellen pragmatisch Texte abwechslungsreich sowie sprachlich und gestalterisch angemessen. Strukturen Erörterung von Sachtexten Zielsetzung Unter einer schriftlichen Erörterung versteht man in der Regel eine systematische Abfolge von Denkoperationen. Ein solches Erörtern bedeutet: Ein Problem in seinem logischen Kern zu erfassen, es von verwandten Problemstellungen abzugrenzen, es in eine Reihe von Einzelfragen aufzugliedern, unterschiedliche Antworten auf diese Fragen gegenüberzustellen, diese Antworten mit Argumenten zu begründen, die Argumente durch Beispiele anschaulich zu machen und abschließend die dargestellten Positionen persönlich zu bewerten. Aufgabentypen mit möglichen Aspekten: Auseinandersetzung mit der Autorenposition Auseinandersetzung mit den einzelnen Thesen/Gedanken des Autors Auseinandersetzung mit der Problematik eines Textes unter Bezugnahme auf den Text Formulierung einer Entgegnung unter freier bzw. vorgegebener Gestaltung der kommunikativen Situation Entwicklung einer eigenen Argumentation zur Problematik des Textes (hierbei kann das Argumentationsverfahren frei gewählt werden oder wird vorgegeben) Auseinandersetzung mit bzw. Beurteilung der argumentativen und sprachlichen Gestaltung einer Problematik Seite 26 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 2: Sachtexte Ziele einer Texterörterung: Erfassung von Thema und Hauptaussage des Textes Darstellung des Gedankenganges Darstellung der sprachlichen Gestaltung: WAS – WIE – WOMIT – WOZU? Darlegung der eigenen Position Arbeitsschritte 1. Vorbereitende Textanalyse Mehrmaliges Lesen des Textes Umsetzung des Verstehensprozesses in Notizen (Markieren der Hauptthesen, Randbemerkungen zum Argumentationsgang, Klärung zentraler Begriffe) Notieren von Einfällen zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Text (eigene Erfahrungen und Kenntnisse) 2. Erfassung der Grundaussage des Textes Klärung schwieriger Details Reduzierung des Textes auf Frage und Antwort Wiedergabe einer Sinnvermutung als erstes Verstehen Formulierung einer These zur Gesamtdeutung des Textes (Deutungshypothese zu Thema und Aussage) 3. Untersuchung der Argumentationsstruktur Wiedergabe der zentralen Problemstellung im gedanklichen Zusammenhang Darstellung der zentralen Thesen im Argumentationszusammenhang (Verknüpfung zwischen Aussagen, Art und Weise des Argumentierens, Logik der Folgerungen) 4. Untersuchung sprachlicher Besonderheiten Bestimmung der Sprachebene Untersuchung der Wortwahl Untersuchung des Satzbaus Untersuchung der Verwendung rhetorischer Mittel Beschreibung von Funktion und Wirkungsabsicht 5. Kritische Stellungnahme und Auseinandersetzung Prüfung der Prämissen der im Text vertretenen Positionen Bewertung der Schlüssigkeit der im Text aufgebauten Begründungen Seite 27 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 2: Sachtexte Begründete Zustimmung zu der im Text entwickelten Position bzw. Ablehnung oder weiterführende Problematisierung 6. Verfassen des Erörterungsaufsatzes Einleitung Nennung von Autor, Titel, Textart, Thema im Einleitungssatz Aktueller/persönlicher Bezug zu Text/Thema Allgemein bekannte Aussage/These zum Thema Hauptteil Ergebnisse der Analyse des Textes Entfaltung der Argumentation, d.h. eigene Stellungnahme mit begründetem Urteil Schluss Zusammenfassung zentraler Aspekte Herstellen von Bezüge zur Einleitung Allgemeine Hinweise Kenntnis und Anwendung von Fachbegriffen Sachwissen zum Thema/zur Problematik Kenntnis über Vorgehen/Aufbau einer Erörterung/Argumentation Verwendung des Präsens bei der Textwiedergabe Gebrauch der indirekten Rede Bezeichnung/Kennzeichnung der Sprechakte (Aufschluss über Urheberschaft von Gedanken) Integration von Zitaten in die eigene Syntax Arbeitsanweisungen (Operatoren) in der Klausur: Erörtern Sie... Diskutieren Sie ... Nehmen Sie kritisch Stellung ... Beurteilen Sie ... Reflektieren Sie ... Setzen Sie sich mit ... auseinander ... Begründen Sie ... (Über-) Prüfen Sie ... Seite 28 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 2: Sachtexte Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler untersuchen die Funktion der sprachlichen Gestaltungselemente und deren Wirkung durch geeignete Fachbegriffe. Rhetorische Mittel 1. Anapher: Wiederholung des Anfangswortes bei aufeinander folgenden Sätzen, Versen oder Strophen „Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll...“ 9. Ellipse: verkürzte Satzkonstruktion Ohne Wenn und Aber! 10. Euphemismus: sprachliche Beschönigung Entsorgungspark; ableben 11. Hyperbel: starke Übertreibung todmüde 2. Alliteration: Übereinstimmung im Anlaut von zwei oder mehreren Wörtern Winterwinde wichen dem Wonnemond 12. Inversion: Umstellung von Satzgliedern, abweichend vom normalen Sprachgebrauch Unendlich ist die jugendliche Trauer. 3. Anspielung: versteckter Hinweis auf einen Zusammenhang, eine Person, die der Adressat kennt Ich brauche nicht zu sagen, ... 13. Ironie: etwas anderes als das Gesagte ist gemeint Du bist mir ein schöner Freund! 4. Anrede: Hinwendung an den Adressaten meine Damen und Herren 14. Klimax: Steigerung Überall gibt es Eifrige, Übereifrige und Allzueifrige 5. Antithese: Entgegenstellung von Begriffen und Gedanken Heiß geliebt und kalt getrunken 15. Metapher: bildlicher Vergleich durch Fügung von Wörtern, die eigentlich nicht zusammengehören (bildliche Übertragung) Die Sonne lacht; Redefluss 6. Archaismus: veralteter sprachlicher Ausdruck abhold; allezeit 16. Metonymie: Umbenennung, Übertragung den ganzen Goethe aufsagen 7. Ausruf: Zum Teufel mit dir! 8. Chiasmus: Überkreuzstellung von syntaktisch oder semantisch einander entsprechenden Satzgliedern Sie wissen nicht, was sie wollen, und wollen nicht, was sie wissen. 17. Neologismus: Wortneuschöpfung Technologiepark, Gerechtigkeitslücke Seite 29 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 2: Sachtexte 18. Paradox: Scheinwiderspruch Merkwürdig, wie wenig im Ganzen die Erziehung verdirbt. 19. Parallelismus, grammatischer: eindeutige Gleichordnung von Satzkonstruktionen: Heiß ist die Liebe, kalt ist der Schnee. 20. Personifikation: Vermenschlichung eines Gegenstandes: Die Revolution frisst ihre Kinder. 21. Rhetorische Frage: Scheinfrage Wer glaubt denn noch daran? 22. Vergleich: Verbindung des gemeinsamen Gehalts zweier Bereiche Wie ein Fels in der Brandung... 23. Verschweigen: etwas Wichtiges wird nicht ausgesprochen; Du wirst doch nicht... 24. Vorgriff: ein möglicher Einwand wird vorweggenommen Natürlich werden jetzt einige sagen 25. Wortspiel: Zusammenstellung klangähnlicher, aber bedeutungsverschiedener Wörter So fürchten sie keine Verhandlungen, aber handeln auch nie aus Furcht. Seite 30 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 2: Sachtexte Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler untersuchen und beurteilen lineare und nicht-lineare pragmatische Texte (z. B. digitale Texte) vor dem Hintergrund der Kategorien Vertrauenswürdigkeit und Relevanz. Peter Fuchs Knappheit für alle Arbeit und nichts anderes soll für jeden Menschen die Teilhabe an der Gesellschaft gewährleisten. Systemtheoretische Anmerkungen zur aktuellen Sozialdebatte, die in staubigen Gleisen rangiert. 5 10 15 20 25 Arbeitslosigkeit ist in der Gegenwart zweifelsfrei ein herbes Schicksal und - da sie in Massen auftritt - eine kaum zu überschätzende Bedrohung der sozialen Ordnung. Sie ist das Skandalisierungsthema schlechthin in allen öffentlichkeitswirksamen Arenen der Bundesrepublik. Dabei wird häufig so verfahren, als sei Arbeit etwas quasi Naturwüchsiges, das Innehaben von Arbeitsplätzen automatisch positiv, das Nicht-Inne-haben automatisch negativ. Es scheint klar zu sein, was Arbeit ist und wie sie wirkt und was geschieht, wenn Arbeitsmöglichkeiten beschnitten werden. Nicht selten aber stecken hinter solchen Vorannahmen Denk- und Kommunikationsblockaden. Ein anderes Arrangieren der Wissensbestände mit Überraschungsgewinnen verbietet sich dann wie von selbst. Man könnte ja darauf aufmerksam machen, dass niemand so recht weiß, was Arbeit ist, entsprechend eigentlich auch nicht so genau, was Arbeitslosigkeit ist. Am Ende bleibt nur, dass der seltsame Wortbestandteil „Losigkeit“ sich nur auf bezahlte Arbeit beziehen kann, dass also Arbeit heißt, für irgendwelche Tätigkeiten bezahlt zu werden, und Arbeitslosigkeit, dass man für Arbeit nicht regelmäßig bezahlt wird. Dann ginge es aber weniger um Arbeit als um Zahlungen, wobei sich aber offensichtlich das Wort „Zahlungslosigkeit“ bzw. „weitgehend Zahlungsloser“ nicht einzubürgern beginnt. Dieser Schwierigkeit kann man, und sei es versuchsweise, entkommen, wenn man Arbeit zunächst als ein Medium begreift. Darunter versteht man in der soziologischen Systemtheorie nichts weiter als eine Menge lose gekoppelter, gleichartiger Elemente, die - für eine Weile - in Form gebracht werden können, etwa wie man Buchstaben in die Form von Wörtern, Geld in die Form von Preisen, Leute in die Form von Klienten etc. bringen kann. Sieht man dabei von allerlei theoretischen Komplikationen ab, bleibt festzuhalten, dass Medien massenweise Elemente für Formbildungen offenhalten und dass alle Form sich wieder auflöst im Medium, damit es wieder und anders genutzt werden kann. Das Geld hält die Preise nicht fest, Buchstaben gerinnen nicht so in Wörtern, dass sie nicht für die Bildung anderer Wörter eingesetzt werden können. 30 Seite 31 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 2: Sachtexte Arbeit als Medium 35 40 45 50 55 60 Wenn man nun sagt, dass Arbeit ein Medium sei, wird sofort klar, dass es an Arbeit nicht fehlt. Es gab unendlich viel zu tun, und daran hat sich nichts geändert, und daran wird sich nichts ändern. Wenn das einleuchtet, kann man danach fragen, welche Formen sich dem Medium historisch und sozial eingeschrieben haben und einschreiben. Zum Beispiel war Arbeit nicht immer positiv besetzt, Arbeitslosigkeit nicht immer negativ. Frühe (schon antike) Bestimmungen dessen, was Arbeit sei, gravitierten1 um die Unterscheidung frei/unfrei. Arbeit, vor allem körperliche Arbeit, ist die Angelegenheit der Unfreien, sie ist Qual, Not, Daseinselend, den Sklaven (und deren Frauen und Kindern) aufgebürdet. Nichtarbeit ist Sache der freien Menschen. Nichtarbeit ist nicht so etwas wie „Losigkeit“, sie ist Privileg und alles andere als schändlich. Diese Einschätzung hält sich bis ins Mittelalter durch und wird mit der christlichen Vorstellung aufgeladen, dass die Ungleichheit der Schichten an die gottgewollte und dadurch legitimierte Ordnung gebunden sei. Über das Maß und die Art der je zugewiesenen Arbeit entscheidet der Zufall der Geburt. Die Schicht, in die man via Familienzugehörigkeit eingeboren ist, definiert, welche Arbeit getan werden muss und wer vom Arbeitenmüssen verschont bleibt. Der Unterschied, der darüber befindet, ist der von hoher und niedriger Geburt oder auch der von Arm und Reich. Das ändert sich im Übergang zur Neuzeit. Schichtzugehörigkeit und Arbeit werden mehr und mehr entkoppelt. Das Umarrangieren der ständischen Hierarchien vor allem durch das Bürgertum führt auf langem Weg, aber erfolgreich dazu, dass der Vorrang begünstigter Geburt (nicht arbeiten zu müssen) abgebaut und allmählich überführt wird in die reformatorische Vorstellung der sittlichen Arbeitspflicht eines jedes Christenmenschen, sei er adlig oder nicht. Es ist dieser Zeitraum, in dem die Nichtarbeit anrüchig wird und etwa der Druck auf die mittelalterliche Vagabondage2 zunimmt: in der Form von Arbeitszwangsmaßnahmen, eine Idee, die gegenwärtig wieder ein Revival zu haben scheint. Jedenfalls ist es die sittliche Verpflichtung zur Arbeit, die den Inklusionsbereich3 der Gesellschaft als den erscheinen lässt, in dem gearbeitet wird, wohingegen der Exklusionsbereich4 nun derjenige ist, in dem die Parasiten hausen. Nation der Arbeit Über einige historische Etappen hinweg, in denen Bürger und Beruf zusammengeschlossen werden, wird dann Arbeit zunehmend abstrakter beobachtet. Sie wird gänzlich ausgekoppelt aus ständischen Kontexten, sie wird zum Vehikel5 einer alle Menschen umfassenden Inklusion, wofür die Verfassung Frankreichs nach der großen Revolution einsteht: Der dritte Stand 1 drehten sich, hier: bezogen sich (auf)... Landstreicherei, Herumtreiberei 3 Inklusion: Einschließung, hier etwa: Zugehörigkeit 4 Exklusion: Ausschließung, hier etwas: nicht zugehörig 5 Hilfsmittel 2 Seite 32 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) 65 70 75 80 85 90 KB 2: Sachtexte arbeitet, und er ist die Nation. Im Anschluss daran wird eine Anthropologie6 des arbeitenden Menschen geschaffen und im Gegenzug eine Negativanthropologie des Müßiggängers, eine Entwicklung mit erheblichen Folgen bis in die Gegenwart hinein. Müßiggang ist aller Laster Anfang. Arbeit wird zu einem, wie man sagen könnte, Inklusionsmedium, das quer zur Schichtordnung steht. Damit ist sie einerseits funktional im Blick auf eine ständefreie differenzierte Gesellschaft, die sich nur noch aus großen Funktionssystemen wie Wirtschaft, Recht, Politik, Wissenschaft, Erziehung etc. zusammensetzt, funktional insofern, da sie die Schichtordnung aufzulösen hilft. Andererseits entsteht kein eigenes System der Arbeit. Als Medium wird Arbeit von allen Funktionssystemen in Anspruch genommen. Gearbeitet werden muss schließlich überall, sei es mit der Stirn, sei es mit der Faust, sei es als Künstler (weitgehend unbezahlt), sei es als Hausfrau (unbezahlt), als Stahlwerkarbeiter, Politiker, Lehrer, Pfarrer oder Superstar. Arbeit wird damit seltsam diffus, insbesondere in dem Moment, in dem sie mit marktförmig orientierter Geldwirtschaft in Kontakt gerät. Sie nimmt die paradoxe7 Form eines knappen Mediums an, obwohl das Medium nicht knapp ist. Die Knappheit trotz Nichtknappheit wird erzeugt dadurch, dass die Wirtschaft Arbeit als etwas behandelt, wofür gezahlt werden muss, weil sie eben knapp ist. Zugleich muss die Arbeitsmöglichkeit, die bezahlt wird und also knapp ist, für alle Individuen bereitgestellt werden, wenn sie denn das gesellschaftlich zentrale Medium der Inklusion für jeden Menschen sein soll. Angesichts dieser Paradoxie verdunstet gleichsam die Arbeit. Sie wird Thema unabschließbarer Kommunikationen über Arbeitsrecht und Arbeitspflicht (Diskussionen, die bis zum Rand aufgefüllt sind mit Moral). Dabei verknappt sie sich weiter, weil sie teuer ist, und wird teurer, weil sie als knapp behandelt werden muss, damit für sie gezahlt wird. Vor allem driftet sie ersichtlich ab in Bereiche, in denen Arbeit ohne Arbeitsplatz (mit oder ohne Bezahlung) als Schwarzarbeit etwa oder Eigenarbeit mehr und mehr gesellschaftlicher Usus8 wird. Knappe Arbeit 95 Ein duales Wirtschaftssystem entsteht, in dem mittlerweile das Eigentum vieler an arbeitsplatzfreier Arbeit hängt. Man könnte auch sagen, die offizielle Arbeit, die an Arbeitsplätzen hängt, parasitiert9 am Knappheitscode der Wirtschaft, wird aber selbst mittlerweile umfangreich parasitiert durch nichtoffizielle Arbeit. Das kann jeder Handwerksbetrieb bestätigen, dessen Arbeit teuer ist und deshalb die Möglichkeit verschafft, diese teure Arbeit durch nichtteure Arbeit zu ersetzen, was dazu führt, dass die teure Arbeit noch teurer und die nichtteure Arbeit mittlerweile ebenfalls schon knapp ist. Das ganze Dilemma wird noch deutlicher, wenn 6 Wissenschaft vom Menschen und seiner Entwicklung Paradoxie: das Widersinnige, der Widerspruch in sich 8 Gebrauch, Gewohnheit, Sitte 9 parasitieren: als Parasit (Schmarotzer) leben 7 Seite 33 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) 100 105 110 115 120 KB 2: Sachtexte man mitsieht, dass Arbeit im Kontext des Knappheitscodes der Wirtschaft eben der Beseitigung von Knappheit dient, aber dabei selbst unter das Kriterium der Knappheit fällt. Das sind zweifelsfrei intrikate10 Verhältnisse. Es scheint, dass die Arbeitsplatzarbeit, eben die Form der offiziellen Arbeit, nicht mehr Inklusion garantiert. Sie kann das allenfalls als knappes Gut, für das Zahlungen geleistet werden müssen, führt also den mächtigen Schatten der Exklusion mit sich, in dem aber andere Formen von Arbeit gedeihen, die dann komplette „Zahlungslosigkeit“ verhindern. Der einfache Denkschalter arbeitslos/in-Arbeit-befindlich gewährt keinen Blick mehr auf die tatsächliche Komplexität moderner Verhältnisse. Die Funktionärokratie der Gewerkschaften ist in diesem Schema gleichsam erstarrt, und die Politik (als auf Wahlen bezogenes Dauerfragezeichen) nicht minder. Sie pendelt um die Frage, wie viel an supplementären Zahlungen an Nicht-Arbeits-platzInhaber aufzubringen sei oder um das Problem, mit welchen politischen Rahmenbedingungen das knappe Medium Arbeit entknappt werden könnte. Dazu aber müsste Arbeit entteuert werden mit dem Rattenschwanz der Folgen, die die Abnahme von Zahlungsmöglichkeiten von Konsumenten für die Wirtschaft bedeuten würden, unter anderem nämlich, dass die Zahlungsmöglichkeiten für Arbeitsplätze erneut abnehmen, Arbeit also wieder zu teuer wird. Als Inklusionsmedium ist Arbeitsplatzarbeit empirisch gescheitert. Supplementäre Inklusion durch Zahlungen, die durch Arbeit nicht mehr gedeckt sind, sind deshalb nur befristete Simulationen. Starrheiten, die dem 19. Jahrhundert entstammen und der alten Semantik von Kapital versus11 Arbeit geschuldet sind, stabilisieren in Wirklichkeit die Evolution einer dualen Wirtschaft. Viele, die von diesen Positionen aus ihre Rufe erklingen lassen, rangieren in diesen alten, doch schon sehr staubigen Geleisen. Der Autor, ein Schüler Niklas Luhmanns, ist Professor für allgemeine Soziologie und Soziologie der Behinderung in Neubrandenburg. Aus: taz Nr. 7046 vom 6.5.2003, Seite 15. Aufgaben: 1. Fassen Sie die wesentlichen Aussagen des Textes zusammen. 2. Recherchieren Sie im Internet: Stellen Sie unterschiedliche Definitionen des Begriffs „Arbeit“ gegenüber. Erläutern Sie die Begriffe „Inklusion“ und „Exklusion“. Zeile 46-48: „Nichtarbeit ist Sache der freien Menschen. Nichtarbeit ist nicht so etwas wie ‚Losigkeit’, sie ist Privileg und alles andere als schändlich.“ Erläutern Sie diese Aussage des Autors und versehen Sie sie mit Beispielen aus der Geschichte. 3. Nehmen Sie zu der dargestellten Problematik begründet Stellung. 10 11 (hinterlistig) verwickelte, verwirrende Verhältnisse entgegen, gegenüber Seite 34 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 2: Sachtexte Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler kennen und verwenden Nachschlagewerke. organisieren ihren Schreibprozess und überarbeiten ihre Schreibprodukte aufgaben- und kontextbezogen. Beispielklausur Aufgabenart: Sachtext - erörternd Die ganze Welt liest mit Von Katrin Schmiedekampf Mein Geburtsdatum, meine Hobbys, mein Lieblingsfach: Im SchülerVZ verraten Jugendliche so ziemlich alles über sich. Sogar Privatfotos vom Strand können andere Nutzer bestaunen. Ein Pädagoge zieht nun in einen Warn-Feldzug für die Schüler. 5 10 15 20 Wenn Markus Gerstmann in einer Klasse auftaucht, sind viele Schüler erstmal sauer. Denn der Medienpädagoge bereitet sich auf einen Projekttag in der Schule so vor: Er schaut sich die Klassenliste durch und prüft, wer im SchülerVZ angemeldet ist. Profile von Leuten, die besonders viel über sich selbst verraten, druckt Gerstmann aus - und hängt sie für alle sichtbar im Klassenraum auf. „Die meisten Schüler finden das überhaupt nicht lustig. Sie beschweren sich, weil sie glauben, dass nur Freunde ihre Profile ansehen“, sagt Gerstmann. Das erste Mal war es die neunte Hauptschulklasse eines Bremer Schulzentrums, die er mit den Profil-Aushängen schockte. „Warum hängt das hier? Das sind meine Daten, das geht keinen etwas an!“ Diese Sätze musste sich der Medienpädagoge anhören. Dabei können Menschen auf der ganzen Welt nachlesen, welche Hobbys und Lieblingsfilme jemand hat, mit wem er befreundet ist und was er anderen auf die virtuelle Pinnwand schreibt. Einzige Voraussetzung: Der Neugierige besitzt selbst einen SchülerVZ-Zugang. Doch den freien Zugriff auf das eigene Profil kann man ganz leicht verhindern, und zwar so: Man erlaubt nur Freunden, sich die persönliche Seite anzuschauen. Das wollte Gerstmann den Schülern klar machen. „Nach dem Projekttag sperrten viele tatsächlich ihr Profil für Leute, mit denen sie nicht befreundet waren.“ Überzeugungsarbeit leistet Gerstmann auch, wenn er folgende Geschichte erzählt: „Ein Mädchen liegt im Bikini am Pool. Sie merkt, wie jemand sie durch ein Loch in der Hecke be- Seite 35 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 2: Sachtexte 25 obachtet und findet das unangenehm. Also geht sie rein und zieht sich ein T-Shirt an. Auch im SchülerVZ finden sich Bilder von Leuten am Strand. Aber da merkt man nicht, wenn man angestarrt wird.“ Eine gruselige Vorstellung, das finden auch die Schüler. 30 Markus Gerstmann arbeitet als Medienpädagoge für das „Service Bureau Jugendinformation“ in Bremen. Zusammen mit seinen Kollegen informiert er Jugendliche „über wichtige Themen“. Er versucht, die Sprache seiner Zielgruppe anzunehmen. Ein bis zweimal im Monat wird er von Lehrern in Klassen eingeladen, um mit ihnen über das SchülerVZ und andere Internet-Seiten zu diskutieren. Er kommt dann meist einen Vormittag in die Schule. 35 „Ich spreche zuerst über Poesiealben und Freundschaftsbücher. Die Dinge, die man früher darüber erfahren hat, kann man heute im Internet nachlesen.“ Wovor Gerstmann die Schüler warnt: Das Internet vergisst nichts. Viele Dinge kann man auch nach Jahren noch finden. Und obwohl man eigentlich Schüler sein muss und nur von Bekannten eingeladen werden darf, verschaffen sich immer wieder auch Erwachsene Zugang. Mein Filmriss ist länger als die ganze Party 40 45 50 55 „Was ist eigentlich Freundschaft?“, fragt Gerstmann die Schüler. Er kann sich nicht vorstellen, dass einzelne tatsächlich 500 Freunde haben - obwohl sich in ihrer Liste im SchülerVZ so viele Leute tummeln. Und noch etwas brennt dem Pädagogen auf der Seele: „Wollt ihr wirklich, dass zukünftige Chefs euch in Gruppen wie 'Mein Filmriss ist länger als die ganze Party' findet?“ Auch über das Thema Mobbing wird geredet. Denn es kommt immer wieder vor, dass Leute einander böse Nachrichten auf die virtuelle Pinnwand schreiben oder Gruppen gründen, in denen über jemanden gelästert wird. „Die realen Probleme, die in den Klassen auftauchen, landen auch bei uns“, sagt der SchülerVZ-Jugendschutzbeauftragte Phillippe Gröschel, 22. Er und seine Kollegen reagieren auf Lästereien so: „Gründer von Mobbing-Gruppen werden ohne Vorwarnung gelöscht.“ Und die jüngsten Nutzer genießen besonderen Schutz: „Alle Mitglieder, die unter 16 Jahre alt sind, werden automatisch auf Privat eingestellt“, sagt Gröschel. Auch im SchülerVZ finden sich eine ganze Reihe von Infos zum Thema Jugendschutz. Jeder Schüler könne selbst entscheiden, welche Informationen er tatsächlich in seinem Profil eintragen wolle und welchem Personenkreis er diese zugänglich mache, schreiben die Betreiber. Die möchten sich bald an einen runden Tisch mit anderen Plattformbetreibern, Jugendschützern und Datenschutzexperten setzen und über das Thema diskutieren. „Außerdem wollen wir eine Arbeitsgruppe zum SchülerVZ bilden, in der sich Eltern, Lehrer und Schüler zusammensetzen und überlegen, was man am SchülerVZ noch verbessern kann“, sagt Gröschel. Seite 36 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 2: Sachtexte „Die Holzhammer-Methode bringt nichts“ 60 65 70 Dass sich der SchülerVZ-Jugendschutzexperte und seine Kollegen mit dem Thema befassen, ist klar. Aber wie kam der Medienpädagoge Gerstmann dazu? Irgendwann vor etwa einem Jahr merkte er, dass das Schülerverzeichnis genauso funktioniert wie das StudiVZ und dass Schüler in ganz Deutschland fasziniert davon sind. Viele Informationen, die die Jugendlichen Preis gaben, schockierten ihn. „Ich bin 44 Jahre alt und habe früher noch die Debatte um die Volkszählung miterlebt. Damals wollten eine Reihe von Menschen ihre Daten nicht Preis geben. Jetzt stellen die Leute sie ganz selbstverständlich ins Netz.“ Die Schüler davon abzuhalten, ein eigenes Profil zu erstellen, versucht Gerstmann nicht. Auf Elternabenden, zu denen er regelmäßig eingeladen wird, rät er sogar davon ab. „Die Holzhammer-Methode bringt gar nichts. Die Jugendlichen sind dabei, weil sie mitreden wollen, weil sie Leute treffen, die sie sonst aus den Augen verlieren“, sagt er. Sein Tipp an besorgte Eltern: Sich zeigen lassen, welche Seiten die Jugendlichen besuchen - und ihnen raten, nicht alles öffentlich zu machen. (845 Wörter) Textnachweis: Katrin Schmiedekampf, „Die ganze Welt liest mit“. Quelle: Spiegel online, 29. Januar 2008 Bearbeitungszeit: 180 Minuten Hilfsmittel: Rechtschreiblexikon Aufgabenstellung: 1. Fassen Sie die inhaltlichen Aussagen des Artikels zusammen. 2. Erörtern Sie die Thesen der Autorin kritisch prüfend. 3. Nehmen Sie abschließend zur Problematik begründet Stellung. Belegen Sie Ihre Ausführungen durch geeignete Stellen aus dem Text, geben Sie dazu die Zeilennummern an. Seite 37 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 3: Sprache u. Texte in unterschiedlichen Medien 3 Kernbereich 3: Sprache und Texte in unterschiedlichen Medien, Materialen zu den Kompetenzen Kompetenz Die Schülerinnen und Schüler unterscheiden lineare, interaktive und multimediale Texte und strukturieren und interpretieren diese unter Verwendung zentraler Fachbegriffe für rhetorische Figuren12. Lese- und Medienkompetenz Text zur Lese- und Medienkompetenz: „Führerschein für die Datenautobahnen der Zukunft“ Lesekompetenz beinhaltet grundlegende kognitive Fähigkeiten, die für den Umgang mit allen Medien wichtig sind. Lesen am Rechner, Quelle: Photocase Lesen bleibt wichtig und wird sogar wichtiger. Die Vielzahl der neuen Medien stellt hohe Anforderungen an die Lesekompetenz der Jugendlichen: Schriftsprachlichkeit im Internet erhält ein neues Gesicht und fordert umso mehr die durch das Lesen trainierten kognitiven Übersetzungsleistungen. Der Schweizer Medienexperte Heinz Bonfadelli verweist in seinen Studien zur „Wissenskluft“ immer wieder auf den Zusammenhang zwischen Lesehäufigkeit und Medienkompetenz. Demnach können Menschen, die häufig Bücher lesen auch Hörfunkjournalen und Fernsehsendungen komplexere Informationen entnehmen. Das gleiche gilt auch für Texte im Internet; denn die entwickelte Lesekompetenz erschöpft sich nicht im „linearen Abtasten eines Textes (dem klassischen ´sinnerfassenden Lesen`), sondern schließt eine Vielzahl selektiver Techniken der Informationssuche, -entnahme und Speicherung mit ein,“ sagt Gerhard Falschlehner in seiner Publikation „Generation echt“. Kinder und Jugendliche, die sich diese umfassende Lesekompetenz aneignen, werden sich nicht nur in gedruckten Texten, sondern auch in den Hypertexten des Internets besser zurecht finden. Die PISA-Studie wurde diesem Umstand gerecht, indem sie neben linearen Texten, also Erzählungen, Beschreibungen und Anweisungen ganz besonders den bisher in schulischen Zusammenhängen vernachlässigten, nicht-linearen Texten eine besondere Bedeutung zugemessen hat. Auf nicht-lineare Texte wie Grafiken, Tabellen und Diagramme, stoßen Kinder und Jugendliche sehr häufig. Die mediale Realität hat sich verändert und fordert die Lesefähigkeit im ganz besonderen Maße. 12 Siehe Kernbereich 2 Seite 38 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 3: Sprache u. Texte in unterschiedlichen Medien Lese- und Medienkompetenz müssen zusammengedacht werden Medienkompetenz wurde im vergangenen Jahrzehnt oft als Bildungsziel angestrebt und die stärkere Betonung der Lesekompetenz wird daran nichts ändern. Denn Lese- und Medienkompetenz sind eng miteinander verzahnt und müssen auch in didaktischer Hinsicht zusammengedacht werden. Und doch tritt heute das Thema Medienkompetenz auch bei PISA hinter dem der Lesekompetenz etwas zurück, auch aufgrund der Erkenntnis, dass naturwissenschaftliche und mathematische Leistungen in direktem Zusammenhang mit der Leseleistung stehen. Die bevorzugte Behandlung der Lesekompetenz in Bildungszusammenhängen geschieht aus Sicht vieler Leseforschungs-Experten vollkommen zu Recht, da zahlreiche aktuelle Untersuchungen nahe legen, dass der bessere Leser auch immer der bessere Mediennutzer sei. Dr. Ulrich Wechsler, Vorstandvorsitzender der Stiftung Literaturhaus, stellt in einem Artikel, der Süddeutschen Zeitung die provokante Frage: „Hat jemand schon mal ein Kind gesehen, das Fahrrad fahren konnte, bevor es laufen gelernt hatte?“ und plädiert dafür, sich auf die Leseförderung zu konzentrieren. Leser sind die kompetenteren Mediennutzer Zur Lesekompetenz gehört das Verstehen abstrakter Schriftzeichen, von Wörtern, Sätzen sowie größeren Textzusammenhängen, „die das Wissen und das Weltwissen der Leser oft aufs Äußerste fordern“, sagte die Kölner Professorin Bettina Hurrelmann im Interview mit Lesen in Deutschland. Zu diesem kognitiven Verständnis kommen die emotionale Beteiligung und die Vorstellungsfähigkeit hinzu, die vor allem bei fiktionaler Literatur eine große Rolle spielen. Viele Experten sind sich aufgrund zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen darin einig, dass „Lesen“ auch und besonders in der Zukunft eine zentrale Basistechnik für die Mediennutzung bleiben und noch bedeutsamer sein wird. Auch die so genannte „Knowledge-GapForschung“, übersetzt „Wissenskluft-Forschung“, zeigt den direkten Zusammenhang zwischen Lesen und Lesende Frau am Strand, Quelle: Photocase Mediennutzung. Leserinnen und Leser sind eher in der Lage, sich Informationen zielgerichtet anzueignen und zu verarbeiten. (…) Autorin: Katja Haug am 17.08.2005 (http://www.lesen-in-deutschland.de/html/content.php?object=journal&lid=581) Seite 39 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 3: Sprache u. Texte in unterschiedlichen Medien Statistiken zur Lese- und Medienkompetenz Seite 40 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 3: Sprache u. Texte in unterschiedlichen Medien Seite 41 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 3: Sprache u. Texte in unterschiedlichen Medien Bilder zur Lese- und Medienkompetenz Aspektierung von Medienkompetenz nach Prof. Dr. Dieter Baacke (Quelle:http://de.wikipedia.org/wiki/Medienkompetenz) Seite 42 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 3: Sprache u. Texte in unterschiedlichen Medien Aufgabenstellung: - Beschreiben Sie arbeitsteilig die Inhalte der Textabschnitte, Grafiken und Bilder. - Strukturieren Sie die einzelnen Text-/Bild-Aussagen in einem Stummen Schreibgespräch in einer MindMap. - Interpretieren Sie die Metapher der Datenautobahn und nehmen Sie Stellung zur Ausgestaltung der Medienkompetenz in beruflichen Schule auf dem Niveau der Fachhochschulreife. Seite 43 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 3: Sprache u. Texte in unterschiedlichen Medien Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler verfassen zu Texten und vorgegeben Situationen Kommentare, Interpretationen, Stellungnahmen oder Problemerörterungen. Meinungen zu einem Schulfach „Medienkompetenz“ Datenbasis: 1.008 Berliner Erhebungszeitraum: 21. bis 30. September 2011 statistische Fehlertoleranz: +/- 3 Prozentpunkte Auftraggeber: media.net Für Kinder ist der Umgang mit Medien und technischen Geräten heute teilweise schon selbstverständlich. Neben dem klassischen Bilderbuch nutzen viele schon sehr früh den Fernseher, den Computer und Internet oder eine Spielkonsole. Es gibt einige Experten, die deshalb ein Schulfach „Medienkompetenz“ fordern, das Kindern bereits in der Grundschule einen kompetenten und verantwortungsvollen Umgang mit Fernsehen, Internet und Co. vermittelt. 74 Prozent der Berliner sind der Meinung, dass in den Berliner Grundschulen ein solches zusätzliches Schulfach „Medienkompetenz“ eingeführt werden sollte. Aufgabenstellung: - Schildern Sie die Beweggründe für die Einführung eines Schulfaches „Medienkompetenz“! - Argumentieren Sie, ausgehend von einzelnen Text-/Bild-Aussagen 1.1. – 1.3., zunächst in einer Streitlinie oder einer Debatte, zum Thema! - Erörtern13 Sie die Thematik der schulischen Aufgaben auch vor dem Hintergrund ihrer derzeitigen beruflichen Perspektiven! 13 Siehe Abschnitt 6 der Handreichungen zum Kernbereich 2 Seite 44 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 3: Sprache u. Texte in unterschiedlichen Medien Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler... erstellen Fachtexte und mediale Produktionen im Projektrahmen. bilden in unterschiedlichen Schreibprozessen Normen der Sprache, Ausdrucks- und Stilvarianten aus. Aufgabe: Erstellen Sie Fachtexte und mediale Produktionen im Projektrahmen in Ihrer Fachrichtung, z.B. Die technische Dokumentation Das klassische Dreigestirn der technischen Dokumentation: „Text – Bild – Layout“ bildet nach wie vor die Basis, egal auf welchem Medium die technische Dokumentation transportiert werden soll. Der Text wird in einer kontrollierten Sprache verfasst. „Kontrollierte Sprache“ ist ein Begriff, der in der technischen Dokumentation immer häufiger verwendet wird. Was ist kontrollierte Sprache? Im Grunde genommen bedeutet das „Kontrollieren“ einer Sprache das Einschränken einer natürlichen Sprache für einen bestimmten Einsatzbereich wie zum Beispiel die technische Dokumentation. Die bestehenden Sprachregeln werden dabei durch zusätzliche grammatikalische, syntaktische und terminologische Vorschriften ergänzt. Es entsteht also keine völlig neue Sprache wie die Plansprache Esperanto, sondern eine standardisierte Fachsprache. Seite 45 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 3: Sprache u. Texte in unterschiedlichen Medien Beispiel für die Verwendung von kontrollierter Sprache Die praktischen Auswirkungen dieser Regeln lassen sich am besten anhand eines konkreten Beispiels veranschaulichen. Der folgende Satz ist formal korrekt, entspricht jedoch nicht in allen Punkten den Anforderungen der Präzision, Verständlichkeit und Eindeutigkeit. „Nachdem das Reinigungssystem gestartet worden ist, ist der Säure-Gehalt im behandelten Wasser zu kontrollieren und ggf. die Einstellung der Aufbereitungsanlage anzupassen sowie die Ergebnisse der Messung des Säuregehalts an gegebener Stelle zu dokumentieren.“ Ergänzen wir nun die bestehenden Sprachregeln durch folgende Aspekte: -Vermeiden Sie Passivkonstruktionen. -Verwenden Sie keine unterschiedlichen Benennungen für einen Begriff (keine Synonyme). -Vermeiden Sie lange oder verschachtelte Sätze (nicht mehr als 20 Wörter pro Satz). -Beschränken Sie sich auf eine Aussage pro Satz. -Verwenden Sie ausschließlich folgende Zeitformen: Infinitiv, Imperativ, Präsens, Präteritum und Futur I. -Verwenden Sie keine Abkürzungen. -Verwenden Sie eine einheitliche Schreibweise (z.B. entweder Bindestrich oder Zusammenschreibung). Das Ergebnis der Anpassung an die kontrollierte Sprache könnte wie folgt aussehen: „Starten Sie die Aufbereitungsanlage. Kontrollieren Sie anschließend den Säuregehalt im behandelten Wasser. Passen Sie die Einstellung der Aufbereitungsanlage gegebenenfalls an. Dokumentieren Sie die Ergebnisse der Messung des Säuregehalts im Messprotokoll.“ Welche Vorteile bieten kontrollierte Sprache in der Praxis? - Eindeutige und leicht verständliche Texte - Zeitersparnis bei der Erstellung von Texten durch klare Vorgaben - Verständlichkeit auch für Nicht-Muttersprachler - Reduzierung von Zeit und Kosten bei der Übersetzung Das Grundprinzip einer kontrollierten Sprache kann auch in kleinerem Maßstab wirkungsvoll umgesetzt werden: die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Sprache zur Vermeidung von Missverständnissen in ihrer technischen Dokumentation und ein einheitlicher Sprachgebrauch. Seite 46 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 3: Sprache u. Texte in unterschiedlichen Medien Das Muster-Exosé Aufgabe: Entwerfen Sie Ihren Fachtext im Kontext einer beruflichen Fachrichtung (Nahrung, z.B. Menükarten, Gesundheit, z. B. Patientenanweisungen, Technik oder Wirtschaft) nach Möglichkeit als Kundenauftrag und legen Sie Ihr Produkt zur Bewertung dem Auftraggeber vor! Seite 47 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 4: Literatur 4 Kernbereich 4: Literatur, Materialen zu den Kompetenzen Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler kennen Formen der Epik, der Lyrik und der Dramatik. interpretieren Texte der Literaturgeschichte mit eingegrenzter Aufgabenstellung. Heinrich Heine: Belsazar 1) Die Mitternacht zog näher schon; In stummer Ruh lag Babylon 2). Nur oben in des Königs Schloss, Da flackert's, da lärmt des Königs Tross. Dort oben in dem Königssaal Belsazar hielt sein Königsmahl. Die Knechte saßen in schimmernden Reihn Und leerten die Becher mit funkelndem Wein. Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht; So klang es dem störrigen Könige recht. Des Königs Wangen leuchten Glut; Im Wein erwuchs ihm kecker Mut. Und blindlings reißt der Mut ihn fort; Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort. Und er brüstet sich frech, und lästert wild; Der Knechtenschar ihm Beifall brüllt. Der König rief mit stolzem Blick; Der Diener eilt und kehrt zurück. Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt; Das war aus dem Tempel Jehovahs 3) geraubt. Und der König ergriff mit frevler Hand Seite 48 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 4: Literatur Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand. Und er leert ihn hastig bis auf den Grund Und rufet laut mit schäumendem Mund: "Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn – Ich bin der König von Babylon!" Doch kaum das grause Wort verklang, Dem König ward's heimlich im Busen bang. Das gellende Lachen verstummte zumal; Es wurde leichenstill im Saal. Und sieh! und sieh! an weißer Wand Da kam's hervor wie Menschenhand; Und schrieb, und schrieb an weißer Wand Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand. Der König stieren Blicks da saß, Mit schlotternden Knien und totenblass. Die Knechtenschar saß kalt durchgraut, Und saß gar still, gab keinen Laut. Die Magier kamen, doch keiner verstand Zu deuten die Flammenschrift an der Wand. Belsazar ward aber in selbiger Nacht Von seinen Knechten umgebracht. Heinrich Heine (zw. 1815 u. 1821) Erläuterungen, Worterklärungen, Entstehung: 1) Heines Ballade "Belsazar" ("Belsatzar") beruht auf einer Bibelstelle: Nach dem Alten Testament (Buch Daniel, Kap. 5, V. 1-30) soll Belsazar (Bibel: "Belsazer") bis zum Untergang des babylonischen Reiches (Eroberung durch die Perser 539 v. Chr.) der König von Babylon gewesen sein. Sein Untergang wurde ihm durch das Menetekel (geheimnisvolle orakelhafte Schrift an der Wand) geweissagt. Es finden sich die Schreibweisen "Belsazar", "Belsatzar" und "Belsazer". 2) Babylon: untergegangene antike Kulturmetropole in Vorderasien, am Euphrat im heutigen Irak gelegen 3) Jehovah: andere Version für "Jahve" ("JHWH"), den Namen des Gottes Israels (Anm. d. Hrg.) Seite 49 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 4: Literatur Georg Büchner: Woyzeck Beim Hauptmann Hauptmann auf dem Stuhl, Woyzeck rasiert ihn. HAUPTMANN: Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem andern! Er macht mir ganz schwindlig. Was soll ich dann mit den 10 Minuten anfangen, die Er heut zu früh fertig wird? Woyzeck, bedenk Er, Er hat noch seine schönen dreißig Jahr zu leben, dreißig Jahr! Macht dreihundertsechzig Monate! und Tage! Stunden! Minuten! Was will Er denn mit der ungeheuren Zeit all anfangen? Teil Er sich ein, Woyzeck! WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann. HAUPTMANN: Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die Ewigkeit denke. Beschäftigung, Woyzeck, Beschäftigung! Ewig: das ist ewig, das ist ewig - das siehst du ein; nur ist es aber wieder nicht ewig, und das ist ein Augenblick, ja ein Augenblick - Woyzeck, es schaudert mich, wenn ich denke, daß sich die Welt in einem Tag herumdreht. Was 'n Zeitverschwendung! Wo soll das hinaus? Woyzeck, ich kann kein Mühlrad mehr sehen, oder ich werd melancholisch. WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann. HAUPTMANN: Woyzeck, Er sieht immer so verhetzt aus! Ein guter Mensch tut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat. - Red er doch was Woyzeck! Was ist heut für Wetter? WOYZECK: Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm: Wind! HAUPTMANN: Ich spür's schon. 's ist so was Geschwindes draußen: so ein Wind macht mir den Effekt wie eine Maus. - Pfiffig: Ich glaub', wir haben so was aus Süd-Nord? WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann. HAUPTMANN: Ha, ha ha! Süd-Nord! Ha, ha, ha! Oh, Er ist dumm, ganz abscheulich dumm! - Gerührt: Woyzeck, Er ist ein guter Mensch --aber--Mit Würde: Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral, das ist, wenn man moralisch ist, versteht Er. Es ist ein gutes Wort. Er hat ein Kind ohne den Segen der Kirche, wie unser hocherwürdiger Herr Garnisionsprediger sagt - ohne den Segen der Kirche, es ist ist nicht von mir. WOYZECK: Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht drum ansehen, ob das Amen drüber gesagt ist, eh er gemacht wurde. Der Herr sprach: Lasset die Kleinen zu mir kommen. HAUPTMANN: Was sagt Er da? Was ist das für eine kuriose Antwort? Er macht mich ganz konfus mit seiner Antwort. Wenn ich sag': Er, so mein' ich Ihn, Ihn WOYZECK: Wir arme Leut - Sehn Sie, Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer kein Geld hat - Da setz einmal eines seinesgleichen auf die Moral in der Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unsereins ist doch einmal unselig in der und der andern Welt. Ich glaub', wenn wir in Himmel kämen, so müßten wir donnern helfen. Seite 50 Handreichung zum Lehrplan Deutsch (BS) KB 4: Literatur HAUPTMANN: Woyzeck, Er hat keine Tugend! Er ist kein tugendhafter Mensch! Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg', wenn's geregnet hat, und den weißen Strümpfen nachseh', wie sie über die Gassen springen - verdammt, Woyzeck, da kommt mir die Liebe! Ich hab' auch Fleisch und Blut. Aber, Woyzeck, die Tugend! Die Tugend! Wie sollte ich dann die Zeit rumbringen? Ich sag' mir immer: du bist ein tugendhafter Mensch - gerührt: -, ein guter Mensch, ein guter Mensch. WOYZECK: Ja, Herr Hauptmann, die Tugend - ich hab's noch nit so aus. Sehn Sie: wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt nur so die Natur; aber wenn ich ein Herr wär und hätt' ein' Hut und eine Uhr und eine Anglaise und könnt' vornehm rede, ich wollt' schon tugendhaft sein. Es muß was Schönes sein um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl! HAUPTMANN: Gut, Woyzeck. Du bist ein guter Mensch, ein guter Mensch. Aber du denkst zuviel, das zehrt; du siehst immer so verhetzt aus. - Der Diskurs hat mich ganz angegriffen. Geh jetzt, und renn nicht so; langsam, hübsch langsam die Straße hinunter! Aufgaben: 1. Fassen Sie den Inhalt eines Textes zusammen. 2.1. Ordnen Sie die Gattungen Dramatik, Epik und Lyrik einem der Texte zu. 2.2. Beschreiben Sie die inhaltlichen als auch formalen Eigenheiten eines Textes in einem kurzen Text. Die folgenden Begriffe können Ihnen bei der Formulierung helfen: Bildhaftigkeit, Erzählung, Dialog, Erzähler, Gedanken, Gefühl, Handlung, lyrisches Ich, Prosa, Reim, Schauspieler, Spannung, Stimmung, Strophe, Theater 2.3. Ordnen Sie Georg Büchner und Heinrich Heine begründet einer Literaturepoche zu. 3. Nehmen Sie zu der dargestellten Problematik begründet Stellung. Welcher Protagonist tritt „cool“, hochmütig oder überheblich auf und warum handelt er so? Seite 51