Friedensarbeit in Afrika
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Friedensarbeit in Afrika
G 3291 Rundbrief 3/2010 Friedensarbeit in Afrika Editorial Liebe Leserinnen und Leser Schwerpunktthema dieses Rundbriefes ist unsere Arbeit im Rahmen unseres Fachkräfteprogramms in Afrika. Insgesamt 15 Fachkräfte arbeiten derzeit im Tschad, Niger, DR Kongo, Burundi, Uganda und Marokko. Sie arbeiten in unterschiedlichen Bereichen, in Projekten der ländlichen Entwicklung, der Menschen- und Frauenrechtsarbeit und der zivilen Konfliktbearbeitung. Allen Projekten gemeinsam ist die enge Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen vor Ort. Eine nachhaltige Entwicklungs- und Friedensarbeit kann nur im engen Dialog gelingen, so ist unsere Überzeugung. Gemeinsam Strukturen schaffen, die auch nach Ende der Projekte bestehen bleiben, das verstehen wir unter „Hilfe zur Selbsthilfe“. Wie diese Arbeit im Einzelnen aussieht, erfahren Sie aus unterschiedlichen Perspektiven. Einerseits von Seiten der EIRENE-Fachkräfte, die einzelne Projekte in ihren Einsatzländern vorstellen, andererseits von lokalen MitarbeiterInnen aus unseren Partnerorganisationen. Vielleicht haben Sie sich schon öfter gefragt, wer die Personen vor Ort sind und welche Motivation hinter ihrem Engagement steht. In einem Porträt stellen wir Ihnen eine Kollegin aus der Demokratischen Republik Kongo vor. Ihr Lebensweg ist für eine Frau noch immer ungewöhnlich. Mit ihrer Arbeit will sie dazu beitragen, dass zukünftig mehr Frauen in ihrem Land die Chance haben, ihr Leben selbst zu gestalten. Mitarbeiter von ALKARAM und FLDDF berichten in einem Interview aus Marokko. Die Bereiche, in denen EIRENE Entwicklungszusammenarbeit in Afrika leistet und in den letzten Jahrzehnten geleistet hat, haben sich verändert. Vor fast 30 Jahren begann die Arbeit im Tschad mit der Unterstützung von Kooperativen bei der Vermarktung von handwerklichen Produkten. Später engagierte sich EIRENE im Bereich der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen und in den letzten Jahren ist der Bereich der zivilen Konfliktbearbeitung auch im Tschad zu einem Schwerpunkt unserer Arbeit geworden. Nicht nur im Fachkräfteprogramm sondern auch im Freiwilligenprogramm ist die Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen vor Ort von zentraler Bedeutung. Um die Zusammenarbeit der verschiedenen Partner in den unterschiedlichen Regionen zu fördern, fand Mitte September eine internationale Partnerfachtagung statt. Auch hierzu finden Sie einen Bericht in diesem Rundbrief. Die folgenden Seiten zeigen eins: Nur gemeinsam im Dialog mit unseren Partnerorganisationen können wir unserer Vision von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung näher kommen. Inhalt Gastkommentar Friedenstreffen bei den Tuareg von Prof. Dr. Georg Klute ....... 3 Schwerpunktthema Friedensarbeit in Afrika Friedensförderung im Tschad ..................................... 4 DR Kongo: „Das ist mein Leben” Ein Portrait .............................. 6 Uganda: Kampf gegen sexualisierte Gewalt ..................................... 7 Marokko: Verständnis braucht Begegnung ........................................ 8 Niger: Radio als Mittel zum Frieden .................................... 9 Freiwilligenprogramm Freiwillige berichten von der Arbeit .............................. 11 Internationale Partnertagung ...................... 13 Internes und Kurzmeldungen .................... 14 Impressum Herausgeber: EIRENE, Internationaler Christlicher Friedensdienst e.V., Postfach 1322, 56503 Neuwied Telefon: 0 26 31/83 79-0 Telefax: 0 26 31/8379-90 E-Mail: [email protected] Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihre Internet: www.eirene.org Redaktion: Anne Dähling, Thorsten Klein (V.i.S.d.P.) Fotos: Wenn nicht anders gekennzeichnet, EIRENE-Archiv. Titelbild: Thorsten Klein Gestaltung/Layout: Thorsten Klein Druck: Knotenpunkt GmbH, 56290 Buch EIRENE-Rundbrief 3/2010 Angela König Geschäftsführerin Auflage: 7.500 Exemplare Der Rundbrief ist kostenlos und erscheint viermal jährlich. Wir bitten aber um eine jährliche Spende von 12 Euro. Gastkommentar Friedenstreffen bei den Tuareg Traditionelle Formen der Streitschlichtung von Prof. Dr. Georg Klute Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes und der damit verbundenen Angst vor einem atomaren Krieg rückten innerstaatliche Konflikte und Kleinkriege in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Vielleicht weil sie so 'klein' und daher handhabbar schienen, vielleicht um neue Geldquellen zu erschließen, befasste sich nun auch die Entwicklungspolitik mit gewaltsamen Konflikten, deren Regelung sie zuvor vollständig staatlicher Diplomatie überlassen hatte. Man suchte nach Möglichkeiten der Prävention und begann den Aufbau von "Frühwarnsystemen", "Präventionsnetzwerken", "Konfliktlösungs- oder Streitregelungsmechanismen". Aufgrund der Bedingungen in Entwicklungsländern und einer eher schwach ausgeprägten Staatlichkeit wurde versucht auf traditionelle, das heißt historisch und kulturell entstandene, Mechanismen der friedlichen Konfliktaustragung oder Streitschlichtung zurückzugreifen. Die Regelung von Konflikten ist eine Grundvoraussetzung für die Entstehung von Gesellschaft, ebenso wie die Institutionalisierung von Streitschlichtern (zum Beispiel Richter); diese beiden Prozesse sind Teil von Herrschaftsbildung. Mankos der Konfliktbearbeitung Für mich ergeben sich durch die Einführung von traditionellen Formen der Streitschlichtung durch die Entwicklungszusammenarbeit zwei Mankos: Auf der einen Seite wird diese Methode von "außen" eingeführt und zusätzlich kann dieses Vorgehen zu einer Akkumulation von lokaler Macht und möglicherweise auch zur Errichtung einer lokalen Herrschaft führen. Diese möglichen Entwicklungen würden den Staat weiter schwächen als stärken. Des Weiteren gehe ich davon aus, dass heute die Bürger eines Staates traditionelle Konfliktregelungen als sekundäre Option sehen und lieber auf die funktionierenden Institutionen des Staates zurückgreifen möchten. So lange jedoch das Gewaltmonopol eines Staates geschwächt ist, wie zum Beispiel im Osten der D. R. Kongo (wo auch EIRENE Projekte betreut), können traditionelle Konfliktregelungen als angewandte Methode von Seiten der Entwicklungszusammenarbeit sinnvoll sein. internationalen Politik hat. Die Friedenstreffen wurden im Laufe der Zeit zu Festivals, die ihre Schwerpunkte in den Bereichen Musik, Kultur, Geschichte und Wirtschaftsförderung setzen und auch internationales Publikum anziehen. "Taqubalt"- Der Empfang Im beschriebenen Beispiel kann man von einer gelungenen Form der Anwendung von traditioneller Konfliktregelung und dadurch auch von einer erfolgreichen Arbeit der Entwicklungsorganisationen sprechen. Gleichzeitig haben sie lokalen Autoritäten jedoch die Möglichkeit eröffnet, durch Vermittlungsarbeit ihre eigene Machtbasis zu stärken und damit indirekt die des malischen Staates zu schwächen. Deshalb ist darauf hinzuweisen, dass Friedensarbeit ein sehr komplexes Feld ist, bei dem viele verschiedene Faktoren in Betracht gezogen werden müssen. Ein gutes Beispiel für "traditionelle" Streitschlichtung sind die Friedenstreffen der Tuaregnomaden, die im Sahel und der südlichen Sahara stattfanden. Als ehemaliger EIRENE Mitarbeiter im Niger bin ich mit dieser ethnischen Gruppe schon seit Mitte der 1970er Jahre im ständigen Kontakt und habe dort auch meinen Forschungsschwerpunkt als Ethnologe gesetzt. Die Friedenstreffen wurden im Jahr 1994 von Nomaden (Tuareg) und Ackerbauern (Songhai) ins Leben gerufen, um die gewalttätige Tuaregrebellion in Mali zu beenden. Für dieses Treffen, das den Friedensprozess in Gang setzte, wurde die alte Tradition des „taqubalt” (Empfang) der Tuareg wiederbelebt. In der folgenden Zeit erkannte die Entwicklungszusammenarbeit die Potentiale dieser Treffen, wie zum Beispiel Friedensförderung, Krisenprävention, Nachhaltigkeit, sowie die Mitarbeit der Zivilgesellschaft. Es wurden viele weitere Treffen, vor allem unter den verfeindeten Gruppen der Tuareg organisiert. Die Tuareg sahen in diesen Zusammenkünften einen doppelten Nutzen, da einerseits Zuwendungen von außen kanalisiert und andererseits die lokale Herrschaft konsolidiert werden konnte, da die Initiatoren und lokalen Autoritäten der Tuareg als Vermittler und Friedensstifter auftraten und deshalb aus diesen Treffen auch für sich selbst politischen Gewinn zogen. Die Treffen hatten großen Erfolg und festigten den Frieden in dieser Region. Dazu beigetragen hat auch die große Aufmerksamkeit der nationalen und internationalen Medien. Es ist davon auszugehen, dass heute auch die lokale Politik einen systematischen Bezug zur nationalen und Auch die im Dezember stattfindenden Jugend-Kultur- Festivals im Dreiländereck von Ruanda, Burundi und D.R. Kongo, die von EIRENE Partnerorganisationen ins Leben gerufen werden, sind ein gutes Beispiel für traditionelle Konfliktbearbeitung. An diesen Veranstaltungen in Form von Versöhnungstheater nehmen Jugendliche teil, die von den Konflikten in der Region betroffen sind. Sie tauschen Erfahrungen und Erlebnisse in Workshops aus. In gemischten Gruppen bereiten sie Theater, Musik und Tanzdarbietungen gemeinsam vor. n Der Autor Prof. Dr. Georg Klute ist Professor für die Ethnologie Afrikas an der Universität Bayreuth. Von 1973 bis 1975 war er Fachkraft für EIRENE International im Niger. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. Konfliktforschung, Nomaden und Entwicklungszusammenarbeit in Afrika. EIRENE-Rundbrief 3/2010 Schwerpunkt Friedensförderung im Tschad von July Armbruster Ebenso wie in den Ländern Marokko und Niger, bestehen langjährige Beziehungen zwischen verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen im Tschad und EIRENE. Seit 1975 haben sich Freiwillige und seit 1983 auch Fachkräfte von EIRENE für einen Dienst im Tschad entschlossen. Miteinander leben und arbeiten, von- und miteinander Lernen waren Leitprinzipien der Zusammenarbeit und sind es auch heute noch. im Tschad entstanden. Als Gründungsmitglied ist EIRENE heute noch Mitglied im Vorstand dieses Vereins. Noch heute arbeitet CESADEP mit Basisorganisationen und Selbsthilfegruppen zusammen. EIRENE Fachkräfte haben den Verein bei der Planung und Durchführung ihrer Projekte beraten. Auch eine Zusammenarbeit mit "Brot für die Welt" hat es immer wieder gegeben mit dem Ziel kleinbäuerliche Anbautechniken zu verbessern. Engagement in unterschiedlichen Bereichen Entsendung von Friedensfachkräften Über die Jahre hat EIRENE Unterstützung in verschiedenen Bereichen geleistet. So haben sich Freiwillige als Lehrer engagiert, haben beim Aufbau von Kooperativen zur Verarbeitung und Vermarktung von landwirtschaftlichen und kunsthandwerklichen Produkten mitgewirkt, oder Projekte durchgeführt, in dem Basisgesundheitsdienste angeboten wurden. Fachkräfte haben sowohl in entwicklungspolitisch motivierten Projekten gearbeitet als auch Initiativen und Aktivitäten friedenspolitischer Bedeutung begleitet. Zu erwähnen sind vor allem das mehrjährige Engagement zugunsten von Menschen mit Behinderungen und der Arbeit im Bereich der ländlichen Entwicklung und Ernährungssicherung. Engagierte Menschen unterstützten die Gründung von zwei Organisationen, mit denen EIRENE bis heute Projekte entwirft und umsetzt. So hat sich zum Beispiel 1991 ATNV in Moundou gegründete, der „Tschadische Verein für Gewaltfreiheit“. Bis heute setzen sich die Mitglieder von ATNV für die gewaltfreie Lösung von Konflikten ein und bringen Vertreter von verschiedenen Interessengruppen zusammen. Das Engagement der ATNV Führungspersönlichkeiten und die anhaltende Freundschaft zwischen nun ehemaligen EIRENE Freiwilligen und Fachkräften mit Schlüsselfiguren der ATNV war entscheidend für die Entwicklung des ersten ZFD-Programms von EIRENE. Auch CESADEP, die „Cellule d’Etudes, de Soutien et d’Action pour le Développement et la Paix“ ist im Umfeld der langjährigen Tätigkeit von EIRENE Obgleich EIRENE seine Arbeit grundsätzlich als Dienst zu Förderung des Friedens und des friedlichen Zusammenlebens ausrichtete, gab die Einführung des Instruments „Ziviler Friedensdienst“ (ZFD) 1999 im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit erst die Möglichkeit Friedensfachkräfte zu entsenden. Das seit 2000 mit drei tschadischen Organisationen durchgeführte Programm „Mediation entre Éleveurs et Cultivateurs“ (Mediation zwischen Viehzüchtern und Ackerbauern) -MEC hat im Tschad interessante Impulse zur zivilen Konfliktbearbeitung gegeben. So förderte MEC die Bildung von Schlichtungskommissionen, die sowohl mit Vertretern der Ackerbauern als auch EIRENE-Rundbrief 3/2010 mit Vertretern der Viehzüchter besetzt sind. Eine kleine Kommission von ca. vier Leuten wird angerufen, wenn es zu Streitigkeiten in einem Dorf gekommen ist. Bei diesen Streitigkeiten geht es häufig darum, dass Vieh in Felder eindringt, die noch nicht abgeerntet sind und damit die Ernte teilweise oder ganz vernichtet. Wenn sich die für das Vieh verantwortlichen Hirten und die Bauern zusammensetzen, helfen die Schlichter eine von beiden Seiten akzeptierte Ausgleichsleistung zu verhandeln. Die Partner im Tschad Die drei tschadischen Partnerorganisationen des MEC-Programmes haben recht unterschiedliche Ansätze. ACTT, die „Vereinigung der traditionellen Chefs im Tschad“ vertritt die Interessen und fördert den Austausch der traditionellen Chefs. Diese gehören mehrheitlich der muslimischen Glaubensgemeinschaft an. ACTT unterstützt seine Mitglieder auch in der Zusammenarbeit mit staatlich-administrativen, sowie den religiösen Autoritäten. AMECET, die Vereinigung für Mediation zum besseren Verständnis zwischen Bauern und Viehhaltern im Tschad, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Viehzüchter und Ackerbauern einander näher zu bringen und damit Verständ- Friedensjournalismus im Tschad ist ein neuer Arbeitsschwerpunkt von EIRENE Foto: Jaques Picard Schwerpunkt nis aufzubauen und die Zusammenarbeit zwischen den beiden Gruppen zu stärken, um die wiederkehrenden Konflikte möglichst auf friedliche Weise zu lösen. ATNV, die Tschadische Vereinigung für Gewaltfreiheit ist eine Menschenrechtsorganisation. Ihre Mitglieder gehören mehrheitlich der evangelisch–lutherischen Kirche an. Ziel der Organisation ist es, einen Beitrag zur Respektierung der Menschenrechte und der Gewaltfreiheit im Tschad zu leisten bspw. durch Mediationsarbeit in Konflikten zwischen Ackerbauern und Viehzüchter und Sensibilisierungsarbeit zu grundlegenden Bürgerrechten. Zusammenarbeit mit den UNHCR Für die Arbeit im Programm MEC knüpften die drei Organisationen ACTT, AMECET und ATNV geographisch an ihre lokalen Netzwerke, Mitgliedsgruppen und die Regionen an, in denen EIRENE seit nun 35 Jahren arbeitet. Im Südwesten gibt es Schlichtungskommissionen im weiten Umkreis um die größeren Orten wie Moundou, Sahr, Pala. Im Osten, dort wo auch viele Flüchtlingslager vom Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), grenzüberschreitenden Flüchtlingen aber auch im Landesinneren Vertriebenen eine Basisversorgung bietet, arbeitet vor allem der Partner ACTT. In dieser Region um Abeché, Goz Beida, Farchana unterstützt und unterhält das EIRENE Programm im Auftrag des Flüchtlingswerks Schlichtungskommissionen. Seit mehr als drei Jahren läuft diese Kooperation im Osten des Tschad. Sie zeigt nicht nur den Bedarf an zivilgesellschaftlichen Schlichtungsinstanzen an, sondern auch, dass es EIRENE, ACTT, AMECET und ATNV gelungen ist, in 10 Jahren in diesem schwierigen Umfeld einen Ansatz zu verfolgen, der von wichtigen Akteuren aufgegriffen wird. Streitschlichtung und Konfliktbearbeitung Trotz der unterschiedlichen Ansätze ist den Projektpartnern etwas gemein: alle drei Organisationen vermitteln Menschen Grundfähigkeiten zur Streitschlichtung, Mediation und für die konsensorientierte Aushandlung von Lösungen. Sie bieten aber auch Seminare an, bei denen zum Beispiel staatliche Akteure über Vorteile gewaltfreie Konfliktbearbeitung informiert werden. Die Schlichtungskommissionen müssen wissen, wie z.B. Flurschäden erfasst und bewertet werden, um Entschädigungsleistungen oder -zahlungen für die Beteiligten vorschlagen zu können. Eine interessante Erfahrung, die die Mitarbeiter der Partnerorganisationen im Laufe der 10-jährigen Projektarbeit gemacht haben, betrifft die Einbindung von Frauen in die Konfliktbearbeitung. Nicht nur bei der Vermittlung in einzelnen Konfliktfällen spielen Frauen in den Kommissionen immer öfter eine positive Rolle. Auch bei der Annäherung von Dörfern, die in mehrjährigem Streit um Feldgröße, Zugang und Nutzung von Wasser, Verlauf von Durchzugskorridoren für Vieh etc. liegen, hat sich gezeigt, dass gemeinsame Ausbildungen von und für Frauen als sogenannte Türöffner zur Wiederherstellung von Kommunikation dienen können. Sicherlich sind die Entfernungen zwischen Dörfern, der Transport von Schlichtungsmitgliedern zu Streitfällen, die Kommunikation zwischen Kommissionsmitgliedern, der betreuenden Partnerorganisation und so weiter Faktoren, die die Arbeit im Projekt, aber vor allem in den betroffenen Regionen erschweren. Um Entfernungen zu überbrücken, die Arbeit der Schlichtungskommissionen bekannt zu machen sowie oder allgemein um über Methoden der zivilen Konfliktbearbeitung und Ansätze der gewaltfreien Lösung von Konflikten zu informieren, arbeitet das Programm MEC auch mit Kommunalradios zusammen. Journalisten werden fortgebildet und so die konfliktsensible Berichterstattung von 7 Radiosendern nach und nach verbessert. Die letzte Schulung fand im April statt, wo Journalisten Dorfbewohner zu einem Vorfall nach den „Regeln der Kunst“ befragen sollten. Radiosender werden auch gerne beauftragt über bestimmte MEC-Veranstaltungen zu berichten. Ein solcher Anlass sind die gemeinsame von allen Partnern vorbereiteten Jugendzeltlager. Arbeit mit Jugendlichen Um Gelegenheiten zu schaffen, wo sich Menschen begegnen können, die direkt und indirekt von wiederkehrenden Konflikten betroffen sind, die von der unterschiedlichen Landnutzung herrühren, veranstaltet das Programm MEC seit zwei Jahren Jugendzeltlager. Dabei treffen sich Jugendliche, Jungen und Mädchen aus den verschiedenen Projektregionen für vier Tage. In kleineren gemischten Gruppen besuchen sie Dörfer, sprechen mit Frauen und Männern, Dorfvorstehern, Ältestenräten oder auch mit Vertretern von Dorfgruppen. In den Gesprächen geht es um die allgemein bekannten Probleme des Zusammenlebens in einem Umfeld, wo Landnutzungsrechte mehr und mehr auch mit dem Gewehr in der Hand „geregelt“ werden, wo Besiedlungsdruck, Vertreibung und Neuansiedlung, wo Abwanderung von jungen Menschen vielfältige Herausforderungen mit sich bringen. Dass junge Menschen Fragen zu Problemen und deren Lösungen stellen, dass sie Älteren Ratschläge geben, wie man es denn auch machen könnte, ist im Tschad sehr ungewöhnlich. Dennoch wurde das Jugendzeltlager auch dieses Jahr wieder geschätzt. Diese Veranstaltung ist auch für die Partnerorganisationen eine spannende Sache, da sie für Planung, Abstimmung untereinander, Begleitung der eingeladenen Jugendlichen und Vertreter der lokalen Verwaltung und Regierung verantwortlich sind. Wenn sich nächstes Jahr die Veranstaltung zum dritten Mal jährt, lässt sich mit Sicherheit besser beurteilen, ob die Veranstaltung auch so gut von verschiedenen Akteuren angenommen wird, wie die Schlichtungsarbeit, die EIRENE und Partner im Osten des Landes unterstützt. n Die Autorin July Armbruster arbeitet seit einem Jahr als Afrikareferentin in der EIRENE Geschäftsstelle. Sie reiste seitdem zweimal in den Tschad im Rahmen von Projektbesuchen. EIRENE-Rundbrief 3/2010 Schwerpunkt „Das ist mein Leben“ Furaha Mushegerha ist Mitarbeiterin bei der Partnerorganisation CCAP im Kongo – Ein Portrait von Anke Täubert gen, die Ware und Personen durch den Süd-Kivu transportiert. Unterstütztung ihre Familie ist ein Muss Furaha Mushegerha bei einer Tagung des Netzwerkes CCAP Ein Grund, warum es hier in der DR Kongo so wenige Scheidungen gibt, ist die ökonomische Abhängigkeit der Frauen von ihren Ehemännern. Bei Paaren, bei denen die Frauen zum Familieneinkommen beitragen, sieht das Eheleben ganz anders aus. Furaha Mushegerha hat in ihrer eigenen Familie miterlebt, wie ihr Beitrag zum Familieneinkommen ihrer Eltern die Ansicht ihres Vaters über den Sinn und Wert des Universitätsbesuchs seiner Töchter verändert hat. Furaha Mushegerha ist 31 Jahre alt und hat ihr Studium der Rechtswissenschaft erfolgreich abgeschlossen. Seit über einem Jahr arbeitet sie bei dem kongolesischen Netzwerk CCAP (Comité de Coordination des Actions de Paix), das von EIRENE International finanziell und personell unterstützt wird. Bei CCAP ist sie zusammen mit einer von EIRENE entsendeten Friedensfachkraft für das Referat “Gender und Engagement gegen Gewalt gegen Frauen” verantwortlich. Die in Süd-Kivus Provinzhauptstadt Bukavu geborene Furaha ist die zweitälteste von zehn Geschwistern (sieben Mädchen und drei Jungen). Sie ist momentan die einzige der Geschwister, die Geld verdient. Die anderen befinden sich noch in der Ausbildung. Der Vater ist Händler, der mit mehreren Geschäften und Lastwa- EIRENE-Rundbrief 3/2010 “Mein Vater war früher der Meinung, dass es eigentlich keinen Sinn macht als Vater in die Universitätsbildung von Mädchen zu investieren, da nur der zukünftige Mann und dessen Familie davon profitieren werden.” Mit dem Beitrag der alleinstehenden Furaha zum Familieneinkommen hat er eingesehen, dass diese Investition sich bereits gelohnt hat und es ermutigt ihn auch, seine anderen Töchter weiterhin zu unterstützen. Dass Furaha ihre Eltern und Geschwister unterstützt, ist keine noble Geste, sondern ein Muss. Eigentlich eine Aufgabe, die dem ältesten Sohn der Familie zufällt. Das erstgeborene Kind der Familie ist allerdings eine Frau, die arbeitssuchend ist und der erstgeborene Sohn ist der einzige, der sein Studium abgebrochen hat und ebenfalls arbeitslos ist. Somit fällt diese Verantwortung auf Furaha zurück. Den Druck der Gesellschaft standhalten Das Leben von Furaha ist für den SüdOsten der DR Kongo recht ungewöhnlich. Sie ist mit 31 Jahren immer noch unverheiratet, wohnt alleine und ist finanziell unabhängig. Sie war bereits verlobt, der Brautpreis von der Familie des Verlobten an ihre Familie gezahlt und die Hochzeitsvorbereitungen hatten bereits begonnen, als sie sich gegen ihren Verlobten entschied und die Verbindung auflöste. Als Begründung nennt sie , dass sie nicht die gleiche Lebensvision und –philosophie gehabt hätten, dazu zählte u.a., dass er nicht damit zurecht kam, dass sie einen höheren Bildungsabschluss hatte, er nicht mit Geld umgehen konnte und der Meinung war, als Mann keine Kompromisse eingehen zu müssen, da ihm die Frau sowieso folgen müsse. Die Position, diese Entscheidung für sich zu treffen und gegenüber ihrer Familie zu vertreten hat ihr finanzielle Unabhängigkeit verschafft. Den Druck der Gesellschaft, sich doch endlich zu verheiraten und Kinder zu zeugen, spürt sie deutlich. Aber nur um den anderen einen Gefallen zu tun, will Furaha nicht heiraten: “Das ist mein Leben”, sagt sie. Später will sie als Anwältin arbeiten Die Arbeit im Bereich “Gewalt gegen Frauen” hat für sie drei hervorstechende positive Aspekte: Zum einen ist es für sie eine Spezialisierung, da sie sich im Bereich “Frauenrechte” (Heirats- und Erbrecht, Gesetze gegen sexuelle Gewalt etc.) weiterbilden kann. Auf lange Sicht möchte sie als Rechtsanwältin arbeiten. Außerdem gibt ihr die Arbeit Kraft, Mut und Motivation. Zum einen für ihr privates Leben, zum anderen dafür, sich weiterhin für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen einzusetzen, denn “Wir haben doch alle mit ähnlichen Problemen zu kämpfen”. Als drittes nennt sie wieder die finanzielle Unabhängigkeit, die ihr die Arbeit bei CCAP ermöglicht. Einen finanziellen Beitrag zum Haushaltseinkommen zu leisten verschafft Frauen eine verbesserte Position und ein Mitspracherecht. Sie finden sich dadurch in einer Stellung, die es ihnen ermöglicht, sich nicht nur für ihre eigenen sondern auch für die Rechte von anderen Frauen einzusetzen, was sie zu Positiv-Beispielen macht. n Die Autorin Anke Täubert arbeitet seit April 2009 als Friedensfachkraft im Partnernetzwerk CCAP in Uvira, in der DR Kongo. Schwerpunkt Kampf gegen sexualisierte Gewalt Stärkung von Frauen in Uganda von Patricia Otuka-Karner Acht Frauen versammeln sich in einem leerstehenden Klassenzimmer. Sie sind bereit, ihre Geschichten und die ihrer Töchter und Nachbarinnen zu erzählen. Sexualisierte Gewalt gehört in vielen Teilen Ugandas zum Alltag. Alle Gesellschaftsschichten sind davon betroffen, vor allem aber jene Mädchen und Frauen, die geringe oder keine Schulbildung haben und in ärmsten Verhältnissen leben. Die Formen von sexualisierter Gewalt sind vielfältig. Eine der Teilnehmerinnen erzählt, dass sie vor allem von ihrem Mann sexualisierte Gewalt erfährt. “Wenn ich müde von der Feldarbeit nach Hause komme und er vom Trinken mit seinen Freunden und er in der Laune ist, dann zwingt er mich zum Beischlaf. Ich kann mich nicht dagegen wehren oder gar etwas sagen. Schließlich ist er mein Mann.” Andere erzählen von Vergewaltigungen, wenn sie zu spät vom Markt heimkommen und es bereits dunkel ist oder von ihren Töchtern, die von jungen Männern zu sexuellen Handlungen gezwungen werden. Manche der Mädchen suchen sich auch bewusst einen Freund der ihnen als Gegenleistung für Sex ein bisschen Geld zusteckt, um so der Armut zu entfliehen. Der Grundtenor scheint der gleiche: Die Rechte und der Status von Frauen werden weder von den Männern noch von vielen Frauen selbst ernst genommen als gleichwertig mit jenen der Männer. So fordert eine Frau die anderen heraus, warum sie sich beschweren, denn wer betrunken im Dunklen nach Hause ginge hätte doch selbst schuld wenn sie vergewaltigt würde. Kaum jemand spricht dagegen, denn eine Frau trinkt nicht und hat auch nach Einbruch der Dunkelheit nichts außer Haus zu suchen. Viele glauben, Mädchen mit kurzen Röcken haben selbst Schuld daran, wenn ihnen etwas passiert. In manchen Regionen Ugandas gibt es Zusatzgesetze, die sogar die Zeit einschränken, die Frauen mit Männern sprechen dürfen, die weder Ehemänner noch Familienangehörige sind. Diese Argumentationslinie findet sich vielfach und zeigt das Ausmaß der noch nötigen Arbeit auf. ACFODE setzt sich für die Rechte der Frauen ein Seit April 2009 arbeitet EIRENE mit ACFODE zusammen. ACFODE, Action for Development, ist eine ugandische Frauenrechtsorganisation, die sich für die Gleichstellung und die Gleichberechtigung von Frauen auf verschiedenen Ebenen der Gesellschaft einsetzt. ACFODE arbeitet unter anderem daran, Frauen zu motivieren, an Entscheidungsprozessen teilzunehmen und jene, die sich politisch engagieren, zu stärken. Als MitgliederInnenorganisation kämpft ACFODE seit 1985 für eine Gesellschaft, in der Männer und Frauen die gleichen Rechte haben. EIRENE unterstützt ACFODE bei der Umsetzung des Projektes zur Präven- tion von sexualisierter Gewalt. Das Projekt wird in zwei der ländlichen, geographisch und politisch marginalisierten Regionen von Uganda, Pallisa und Kisoro, umgesetzt. Jene acht Frauen und viele weitere Mädchen und Frauen haben ihre Erfahrungen und Wünsche, so wie und die Hoffnung auf Veränderung mit den MitarbeiterInnen von ACFODE geteilt, um deren Interventionen zu formen. Es ist unabdingbar Projekte in Einklang mit der Bevölkerung zu planen und als erstes die Notwendikeiten zu erfragen. Aus diesem Grund arbeitet ACFODE nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in den Projektregionen selbst eng mit den lokalen PolitikerInnen und der Bevölkerung zusammen. Gemeinsam mit PolitikerInnen, staatlichen Organen wie Polizei oder dem Gesundheitswesen und anderen NGOs versucht ACFODE eine Bewusstseinsänderung zu erzielen, um die Rechte von Frauen betreffend und konkret MitgliederInnen von ACFODE bei einer Demonstration gegen Gewalt an Frauen. Foto: ACFODE EIRENE-Rundbrief 3/2010 sexualisierte Gewalt zu verringern. Da kulturelle und traditionelle Aspekte auf das Vorkommen von sexualisierter Gewalt stark Einfluss nehmen, ist es wichtig mit den Mythen und Aberglauben aufzuräumen. Sex mit einer Jungfrau etwa heilt nicht von Aids. Es braucht Zeit um diese tiefgreifenden Ansichten aufzurütteln. Junge Frauen sind abhängig vom Partner Die Heirat von Minderjährigen ist eine häufige Form von sexueller Gewalt in Uganda. Jungen Mädchen wird die Schulausbildung verweigert und sie werden von den Eltern zwangsverheiratet. Oder sie entscheiden sich selbst, die Schule abzubrechen und eine Familie zu gründen, um der Armut zu entfliehen. Die Zukunftsperspektiven dieser Mädchen sind oft nicht sehr rosig. Sie sind finanziell und sozial völlig abhängig von ihren Partnern und können keine eigenen Entscheidungen treffen. Durch den Verlust an Erziehung haben sie keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Familienplanung. ACFODE’s Direktorin Regina Bafaki betont, dass diese Mädchen nicht nur Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Familien zu erhalten, sondern auch keine Veränderungen in der Gesellschaft in Gang setzen. Sie können den status quo nicht herausfordern oder am Aufbau neuer Strukturen teilhaben, sie stehen in Abhängigkeit von Mann und Staat, die in den meisten Fällen dieser Aufgabe nicht nachkommen können. Sexualisierte Gewalt hat viele Gesichter und mit der Hilfe von EIRENE hat ACFODE angefangen, dagegen vorzugehen. n Die Autorin Patricia OtukaKarner ist seit April 2009 Fachkraft für EIRENE bei der Partnerorganisation ACFODE in Uganda. Darüber hinaus ist sie für die Betreuung der EIRENE-Freiwilligen in Uganda zuständig. Verständnis braucht Begegnung Hamid Garouane und Hanane Fakiri aus Marokko waren Gäste der EIRENE Fachtagung „Bedeutung und Möglichkeiten der Friedenspädagogik in der Kinderund Jugendarbeit”. EIRENE Mitarbeiter nutzten ihren Besuch in Neuwied, um ihnen Fragen zu stellen. Auf welche Weise unterstützt euch EIRENE in eurer Arbeit?: Hamid Garouane: „Es gibt eine enge Zusammenarbeit zwischen dem »Espace« und der »Féderation de la Ligue démocratique de Droits de la femme« (FLDDF). Insbesondere unterstützt uns die EIRENE-Fachkraft Susanne Wolf, die mit FLDDF zusammenarbeitet, beim Umstruktuierungsprozess unserer Organisation. Dieses Jahr haben wir viel zu Fragen unserer Struktur für unsere Organisation gearbeitet.” Hanane Fakiri: „EIRENE unterstützt unsere Arbeit durch die Entsendung von Freiwilligen. Wir schätzen den Austausch zwischen verschiedenen EIRENE-Rundbrief 3/2010 Kulturen. Wir versuchen einerseits von den Erfahrungen der Freiwilligen zu lernen. Anderseits bekommen die Freiwilligen einen Eindruck in eine andere Gesellschaft und Kultur. Oft haben die Freiwilligen noch keine Erfahrungen im Bereich der sozialen Arbeit. Wir hoffen, dass die Erfahrungen, die sie bei uns sammeln, für ihre spätere Arbeit in Deutschland wertvoll sind.” Warum ist eure Arbeit in Marokko so wichtig? Hamid Garouane: „Wir arbeiten direkt mit den Jugendlichen vor Ort und versuchen ihnen Werte von Toleranz und Akzeptanz anderer Kulturen und Religionen zu vermitteln. Außerdem wollen wir den Jugendlichen vermitteln, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sein sollen.” Hanane Fakiri: „In Marokko gibt es eine Vielzahl von armen und sozial benachteiligten Familien, sie benötigen Unterstützung. »AL KARAM« unterstützt diese Kinder einerseits durch konkrete Hilfe, zum Beispiel Notaufnahme oder ärztliche Versorgung. Des weiteren versuchen wir täglich diesen Kindern und der marokkanischen Gesellschaft klar zu machen, dass sie keine Opfer sind, sondern gleichwertige Menschen, wie wir alle.” Wie soll die Zusammenarbeit mit EIRENE in der Zukunft aussehen? Hanane Fakiri: „Die Partnerfachtagung hat mir gezeigt, wie wichtig der Austausch zwischen den EIRENE-Partnern aus den unterschiedlichen Ländern ist. Denn wir haben ein gemeinsames Ziel und dieses ist dazu beizutragen, dass die Welt friedlicher und gerechter wird. Ich wünsche mir für die Zukunft dass dieser Austausch weiter geführt wird. EIRENE spielt hierbei eine wichtige Rolle, nicht nur in Marokko sondern auch in anderen Ländern.” Hamid Garouane: „Die Zusammenarbeit hat mir ermöglicht an diesem internationalen Seminar in Deutschland teilzunehmen. Es war sehr fruchtbar mich mit Kollegen und Kolleginnen aus Nicaragua, Uganda und anderen Ländern auszutauschen. Um unsere Arbeit in Zukunft fortsetzen zu können, müssen wir Finanzen finden. Ich hoffe, dass EIRENE uns dabei unterstützen wird. Für mich persönlich war diese Gelegenheit mit Menschen anderer Religionen und Kulturen gemeinsam zu leben und zu arbeiten sehr wichtig. Ich habe in den fünf Tagen gemerkt, dass wir bei aller Verschiedenheit ein gemeinsames Ziel haben; das Streben nach einer friedlicheren Welt. ” Vielen Dank für das Interview. Schwerpunkt Radio als Mittel zum Frieden Erfahrungen aus der Arbeit als Fachkraft im Niger von Lisa Simone Tschörner „Was ist ein Radio Communautaire?“ Madamme Bah stellt die Frage laut in den Raum. Sie ist Pädagogin und Mitglied im von EIRENE International unterstützten Netzwerk nigrischer TrainerInnen für gewaltfreie Konfliktbearbeitung. Vor ihr sitzen 15 Journalisten und Journalistinnen der kommunalen Radiosender aus der Region Tillabéry im Süd-Westen des Nigers. Die Antworten der Teilnehmenden kommen zunächst zögerlich, dann jedoch umso deutlicher: „ein Radio auf dem Land“; „ein Radio, das die Bevölkerung sensibilisiert, damit sie ihr Verhalten ändert“, „ein Radio, das den Stimmlosen eine Stimme verleiht“. Schulung von ehrenamtlichen Journalisten Sich die eigene Rolle und Verantwortung als RadiojournalistIn im ländlichen Kontext eines der ärmsten Länder der Welt bewusst zu machen, ist der erste Schritt des Seminars, das ich als Friedensfachkraft für EIRENE organisiere. Das Ziel ist einerseits, die Teilnehmenden im Bereich konfliktsensibler Journalismus zu schulen, andererseits das Trainernetzwerk für gewaltfreie Konfliktbearbeitung fachlich zu unterstützen. verschiedenen Konfliktparteien unter Achtung der Menschenrechte Konflikte friedlich gelöst werden können. Konflikte um Ressourcen „In unserem Dorf gibt es einen Jahrhunderte alten Konflikt um das Fischereirecht“, erzählt mir Soumeila Adamou, Direktor des kommunalen Radios Sirba bei einem meiner späteren Besuche des Senders an den Ufern eines Flussarms des Niger. Durch eine unterschiedliche Tradition bezüglich der Methode beim Fischfang und der Nutzung der Fische, einerseits zum Eigenbedarf, andererseits zu kommerziellen Zwecken, sind zwei ethnische Gruppen, die in der Region ansässig sind, so zerstritten, dass es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt. Ein klassischer Fall der Ressourcenkonflikte, die in der Region immer wieder Todesopfer fordern. Sie können als Folge knapper werdender natürlicher Ressourcen auf Grund von Faktoren wie dem steten Bevölkerungswachstum und dem Klimawandel verstanden werden. Ungeklärte Eigentumsverhältnisse und Nutzungsrechte von Land und Wasser sind zudem meist ausschlaggebend. „Als der Bürgermeister von unserer Ausbildung in gewaltfreier Konfliktbearbeitung erfahren hat, bat er uns, bei einer Anhörung der Konfliktparteien zu assistieren, um einen gemeinsamen Lösungsweg mit allen Beteiligten zu entwickeln“, erzählt Soumeila Adamou weiter. „Momentan sind wir dabei, über diesen Prozess eine Radiosendung zu produzieren, damit alle Dorfbewohner über die friedliche Lösung des Konfliktes informiert werden“. Die Begleitung der Radiosender, deren MitarbeiterInnen in konfliktsensiblem Zusammen erarbeiten die TrainerInnen und ich ein pädagogisches Konzept für die Zielgruppe. Mit Hilfe von Gruppenarbeit, Rollenspiel und gemeinsamer Reflektion versuchen wir mit den JournalistInnen folgende Fragen zu klären: Was sind Konflikte, was bedeuten Konflikte für das gemeinschaftliche Zusammenleben und welche Konflikte sind in der Region Tillabéry vorhanden? Es geht im Anschluss darum, zu erörtern, wie Radios mit gezielten Methoden einen Beitrag zur friedlichen Konfliktbearbeitung in ihrem Sendeumkreis leisten können. Denn die Grundannahme eines konfliktsensiblen Journalismus ist es, dass durch die Förderung eines konstruktiven Dialoges zwischen Eine Radiojournalistin aus Tera (rechts im Bild) nimmt die Botschaften der Friedenskarawane auf, um daraus einen Beitrag zu schneiden. Foto: Lisa Simone Tschörner EIRENE-Rundbrief 3/2010 Schwerpunkt Bei einem Workshop zu konfliktsensiblem Journalismus Journalismus ausgebildet sind, zählt ebenso zu meinen Aufgaben als Friedensfachkraft. Es geht darum zu evaluieren, wie die vermittelten Kenntnisse in der täglichen Radioarbeit umgesetzt werden und in welchen Bereichen Weiterbildungsbedarf besteht. Evaluierung von Förderungsbedarf Bei meiner ersten Analyse der Beiträge der Radios, die ich mit Hilfe von Übersetzungen aus den verwendeten lokalen Sprachen ins Französische vornehme, bin ich über Themenwahl und die Aussagen der Sendungen sehr erfreut. Obwohl die Journalisten der kommunalen Radios alle ehrenamtlich arbeiten und oftmals Bauern oder Viehzüchter mit keiner oder nur geringer schulischer Bildung sind, greifen die Sendungen komplexe Themen wie beispielsweise den seit 2004 im Niger begonnenen Dezentralisierungsprozess auf, der vielerorts zu Konflikten zwischen traditionellen und islamischen Gesellschaftsvorstellungen und neuer kommunaler Rechtsordnung führt. Sie versuchen, die Zuhörer über die Rollen der verschiedenen Instanzen bei der Regelung von Konflikten aufzuklären, verweisen auf Bodenrechtskommissionen als Schlichtungsinstanzen oder bekräftigen, dass auch Frauen ein Anrecht auf Landbesitz haben. Was sich in den Sendungen jedoch wenig findet ist eine fundierte Recherche, die Einbeziehung externer Quellen. 10 EIRENE-Rundbrief 3/2010 Foto: Lisa Simone Tschörner Zumeist hört man den Moderator oder die Moderatorin sprechen, halbstündige Redebeiträge werden nur von musikalischen Einlagen unterbrochen. In Gesprächen mit den Verantwortlichen der Radios erfahre ich, dass den Journalisten im ländlichen Raum weder Dokumente wie beispielsweise Gesetze zur Verfügung stehen, aus denen Informationen zur Aufklärung der Bevölkerung über ihre Rechte extrahiert werden können, noch die Mittel für das Aufsuchen von Experten vorhanden sind. Wer ein Interview haben will, muss in dem weiten Land Niger nicht nur lange Strecken auf endlos scheinenden Sandpisten hinter sich bringen, sondern,wenn es sich um eine Person des öffentlichen Lebens handelt, oftmals Geld zahlen. Und an Mitteln mangelt es den Sendern auf allen Ebenen. „Wir haben noch nicht einmal das Geld, um Kisten zu kaufen, um unsere produzierten Kassetten zu archivieren“, beklagt sich Soumeila Adamou bei mir. Sie lagern deshalb auf dem staubigen Sandboden der kleinen Hütte, die als Studio dient. Stärkung und Vernetzung von vorhandenem Potential Zu meinen Aufgaben mache ich also im Folgenden, themenspezifische Treffen zu organisieren, auf denen ExpertInnen den JournalistInnen Inputs zu konfliktrelevanten Themen geben und Fragen beantworten können. Damit wird nicht nur die Arbeit der Radios gestärkt, sondern auch anderen zivilgesellschaftlichen Initiativen und Netzwerken der Raum geboten, über gewaltfreie Konfliktlösungswege öffentlich zu diskutieren. Ein Radiowettbewerb anlässlich des internationalen Tages der Gewaltfreiheit soll als Ansporn für mehr Kreativität in der journalistischen Arbeit dienen. Mit der Organisation einer Fortbildung im Verfassen von Projektanträgen möchte ich den Radios weiterhin ermöglichen, externe Finanzierungspartner für ihre Vorhaben zu finden. Bei anderen friedensfördernden Aktivitäten in der Region, wie zum Beispiel der von EIRENE initiierten jährlichen Friedenskarawane, werden die JournalistInnen eingeladen, Bericht zu erstatten. Somit erreichen die Botschaften nicht nur die Dörfer, in denen die Karavane vorbeikommt. Die kulturellen Methoden der Sensibilisierungskampagne , wie Theateraufführungen, Lieder oder Ratespiele, stellen auch für das Schneiden von Radiobeiträgen lebhaftes Material dar. Über die Radioberichterstattung werden folglich auch die umliegenden Siedlungen erreicht. Auch wenn der Einflussbereich meiner Arbeit für mich manchmal gering erscheint, angesichts von Armut und Mangel wohin das Auge reicht - Geschichten wie der eingeleitete Mediationsprozess zwischen den Fischern von Radio Sirba in Folge einer von EIRENE initiierten Fortbildung in gewaltfreier Konfliktbearbeitung, oder aber das Engagement, dass ehrenamtliche Radiojournalisten neben der schweren Feldarbeit zur Entwicklungsförderung ihres Dorfes aufbringen, geben Mut und zeigen, dass auch mit vergleichsweise geringen Mitteln zivile Friedensarbeit nachhaltig unterstützt werden kann. n Die Autorin Lisa Simone Tschörner studierte Sozialwissenschaften und Internationale Konfliktforschung in Berlin und London. Seit Ende 2009 ist sie als Juniorfachkraft für EIRENE im Niger für die Projekte PADET und GENOVICO tätig. Freiwilligenprogramm Unser Jahr im Ausland Freiwillige berichten aus den Projekten Elias Schwenk ist seit Juli 2009 Freiwilliger bei der Partnerorganisation CECIM in Nicaragua. In seinem letzten Rundbrief berichtet der bekennende Fußballfan wie er die WM in dem lateinamerikanischen Land erlebt hat. „Die WM stand vor der Tür. Und fanatisch, wie ich so bin, wollte ich dieses tolle Ereignis irgendwie mit in meine Arbeit einbeziehen. Weil aber meine Chefinnen mir kaum erlaubt hätten, einfach eine Fußball-Sprüche-KlopferStunde aufzumachen, musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Und so habe ich mit Schülern der Primaria in den letzten Wochen sämtliche Flaggen der teilnehmenden Länder gemalt und dazu noch Plakate mit Informationen erstellt. Neben Rubriken, wie »Einwohnerzahl«, »Hauptstadt« und »Sprichwort«, taucht da dann z.B. auch »Berühmter Fußballer« auf. Und so hängen die Flaggen jetzt in dem überdachten Hof des Schulkiosks, wo sie alle sehen, dabei lernen und ich nebenbei auch noch mit den Schülern diskutieren kann, ob es nun Robinho oder Ronaldinho ist, der auf dem Plakat von Brasilien neben Kaká stehen sollte. Es gibt viele Ängste, die man vor einem Jahr im Ausland ausstehen muss. Mögliche Krankheiten, Heimweh, Kriminalität… Am meisten Angst hatte ich aber vor der WM. Wie sollte ich diese vier Wochen überstehen, in denen ich arbeiten musste, während sich zur selben Zeit die besten Fußballspieler der Welt gegenüberstanden. Denn hier fanden die Spiele nicht abends zur Prime-Time, sondern von morgens um halb 6 bis mittags um 14 Uhr statt. Der Albtraum für jeden Fußballverrückten wie mich. Zudem kam noch erschwerend dazu, dass fast täglich von 10 bis 15 Uhr der Strom im gesamten Stadtviertel ausfiel! So konnte ich nicht einmal das Spiel in der Mittagspause sehen… Doch dann geschah das Wunder. Eine Woche vor dem ersten Spiel kehrte der Strom (oder wie man hier einfach sagt: das Licht) zurück. Und so konnten wir dann doch noch mit der gesamten Sport-, sowie noch zwei weiteren Klassen im völlig überfüllten Videosaal das Eröffnungsspiel gucken. Ich war glücklich… In der Schule hatte die Mittagspause nun endlich einen Sinn bekommen. Nach der abgeleisteten Arbeit, hechtete ich immer ins Sekretariat, wo mich nicht selten der Vize-Rektor schon erwartete. Da saßen wir dann zusammen, auf Blecheimern, kommentierten, feierten und litten (er war für Frankreich – *hihihi*). Ein weiteres interessantes Phänomen war, dass einem hier immer die Frage gestellt wurde, zu wem man den hält. Da Nicaragua leider in der ersten Qualifikationsrunde gegen die Niederländischen Antillen mit 4:1 ausgeschieden ist (der Nationalsport ist Baseball), muss sich eben jeder seine eigene Lieblingsmannschaft suchen. Und hier bin ich mit meiner Neigung zu Brasilien, anders als in Deutschland sogar auf der Seite der Mehrheit. Auch wenn natürlich das eigene Nationalgefühl im Ausland erheblich steigt – umso mehr wenn mir nach einem Sieg Deutschlands mindestens zehn Schüler anerkennend auf die Schulter klopften.” n Anne Kasprzyk ist Freiwillige in Jinja in Uganda. Während des Endspiels der Fußballweltmeisterschaft gab es in der Hauptstadt Kampala zwei Selbstmordanschläge in zwei Bars. Dabei wurden knapp 75 Menschen getötet und etliche schwer und leicht verletzt. Wie sie diesen Anschlag erlebt hat, schildert Anne in ihrem letzten Rundbrief. „Direkt am folgenden Tag des Anschlags in Kampala wurde ich von meiner Koordinatorin angerufen. Sie erkundigte sich, ob alles in Ordnung sei und sagte die Sicherheitshinweise zur bestehen- den Situation würden in den nächsten Tagen folgen. Bis dahin sollten wir alle größeren Menschenansammlungen und auch viel besuchte Cafes meiden. In den ersten Tagen nach den Anschlägen war ich einfach nicht in der Lage die momentane Situation einzuschätzen. Zu diesem Zeitpunkt startete in Jinja auch ein großes Fest zum Thema Agrarwirtschaft. Im Projekt fragte ich viel nach, da ich der Meinung war, dass Ugander die Situation in ihrem eigenen Land einfach wesentlich besser einschätzen können. Als ich montags ins Projekt kam, war das erste Gesprächsthema Spanien. Das WM-Endspiel vom Vortag wurde groß diskutiert.Ich dachte, meine Arbeitskollegen haben vielleicht noch nichts mitbekommen, weil der Anschlag erst gesternAbend passiert war. Ich sprach das Thema vorsichtig an. Die Reaktionen waren für mich erstmal unverständlich: »Das hatten wir vor 2 oder 3 Jahren schon einmal«. »Damals sind auch ein paar Leute getötet worden«. »Keine Ahnung wer das war.« Es dauerte ein paar Tage, bis ich die Reaktionen verstand. Menschen hier sehen wesentlich öfter andere Menschen sterben, sehen Menschen leiden und feindliche Akte von anderen Ländern oder auch im eigenen Land sind nichts Neues. Trotzdem konnten mir viele Ugander gute Ratschläge zum Umgang mit der Situation geben. Von EIRENE folgten in den darauf folgenden Tagen mehrere Sicherheitshinweise. Wir sollten weiterhin Menschenansammlungen und touristische Orte meiden und keine unnötigen Reisen unternehmen.Es war ein ungewohntes Gefühl, diese Situation. Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass ich in einem Entwicklungsland bin und die Sicherheit hier nicht so hoch ist. Jeden Tag sehe ich das überall. Aber auf einmal war es unsicher. Keiner wusste, was genau passiert war und was noch passieren würde. . . Mittlerweile hat sich die Situationgrundsätzlich zwar nicht verbessert, die Atmosphäre ist aber nicht mehr so angespannt.” n EIRENE-Rundbrief 3/2010 11 Freiwilligenprogramm Felix Rau ist Freiwilliger bei CIMADE in Paris. CIMADE ist eine Einrichtung für politische Flüchtlinge. Auch er erzählt in seinem letzten Rundbrief wie er die FußballWM in seinem Projekt erlebt hat. „Ein großer Teil meiner Hoffnung auf eine gelungene Animation war die Fußballweltmeisterschaft. Allerdings habe ich kurz vor Beginn erfahren, dass das Fernsehkabel in unserem Festsaal gekappt wurde. . . Glücklicherweise wurde dann nach einigen Beschwerden der Fernseher in der Cafête repariert, sodass wir die Spiele dort verfolgen konnten. Ich habe dann noch unseren Beamer und eine Leinwand aufgebaut, Getränke organisiert und wie immer Werbung auf den Toiletten gemacht und die Leute darauf angesprochen und aufmerksam gemacht. Das Ergebnis war dennoch für mich enttäuschend. Beim Eröffnungsspiel waren wir zu zehnt und ab diesem Spiel ging es steil bergab. Im Schnitt waren wir zu viert und immer dieselben. Wenn ich dann während eines Spiels durch die Gänge des Foyers gelaufen bin, habe ich aus den Zimmern das »Vuvuzelasummen« gehört. Ich habe einige Bewohner darauf angesprochen, warum sie denn nicht in die Cafête kommen, um dort auf der großen Leinwand mit den anderen Bewohnern zusammen die Spiele anzuschauen. Eine aussagende Antwort habe ich nie bekommen. Ich persönlich hatte dennoch meinen Spaß bei den Spielen, wenn wir dann kleine Wetten untereinander um eine Dose Cola oder ähnliches abgeschlossen haben. Vor kurzem habe ich in einer Besprechung, mit Kollegen aus der Hauptstelle der CIMADE, Gründe herausgehört, warum es heutzutage schwerer ist mit den Bewohnern zu arbeiten und sie auch zu animieren.” 12 EIRENE-Rundbrief 3/2010 n Lucas Kohnen hat während seines Freiwilligendienstes in Sarajevo einen Kurs der islamischen Fakultät besucht, um sein Wissen über den Islam zu vertiefen. „In Sarajevo sieht man überall überall Minarette in den Himmel aufragen, aber ich besitze doch kein wirkliches Wissen über diesen Glauben und daher nutzte ich die Möglichkeit, ein ausgeglicheneres Bild des Islams als jenes zu bekommen, welches in westlichen Medien verbreitet wird. Mithilfe eines mehrmonatigen Kurses, der den Kern islamischer Geschichte, Kultur und Glaubenssätze umfaßte, wurde mir ein Glauben näher gebracht, der unfassbar reich, interessant und - meiner Meinung die wichtigste Erkenntnis - friedlich ist. Dabei ist der in Bosnien gelebte Islam, und dies ist vermutlich für manche Ausländer das Erstaunlichste, vollkommen in die westliche Lebensweise einfügbar. Schon mehrmals erzählten mir vor allem Jugendliche von ihren Erfahrungen, Leute aus dem »Westen« kennengelernt zu haben, die vollkommen erstaunt gewesen seien, jemanden zu treffen, der beispielsweise Abdullah hieße, jedoch weder Bart noch Bombe trüge, sondern genauso aussähe, wie sie selbst,und von dessen Verhalten aus sie niemals vermutet hätten, einen Moslem vor sich zu haben. Auch ich selbst bin sehr froh darüber, hier meine Vorurteile nicht nur gegenüber Südosteuropa, sondern auch gegenüber dem Islam vor Augen geführt zu bekommen. Dadurch bemerkte ich, wie sehr ich doch trotz aller vermuteter Unvoreingenommenheit stark von der deutschen Sicht der Dinge geprägt bin. Denn darin liegt - davon bin ich überzeugt - sowohl für Bosnien als auch für Europa eine große Chance: Der Welt zu zeigen, dass der Islam dem Christentum unglaublich nahe steht und zu verstehen,dass die »islamischen« Terroristen nicht im Namen ihres Glaubens handeln, sondern einfach nur Terroristen sind. So können alle sich zumindest teilweise von der Manipulation durch westliche Medien und der hysterischen Angst vor dem Islam zu befreien und einen neuen Blick auf diesen wundervollen Glauben zu gewinnen. ” n Friederike Menzemer arbeitete als Freiwillige bei Chance vor Life in Bukarest, einer Organisation, die sich unter anderem um HIV-Infizierten Jugendliche kümmert und daher auch viel Aufklärungsarbeit leisten muss. „Es scheint, dass es hier noch viele Ärzte gibt, die sich weigern, HIV-Infizierte zu behandeln. Auch uns ist das passiert. Wir waren mit einigen unserer Jugendlichen beim Augenarzt. Die Ärztin weigerte sich, sie zu behandeln und fragte uns, wie wir es verantworten könnten die Jugendlichen zu ihr zur Behandlung zu schicken, wo sie doch ein Kind zu Hause hätte. Offensichtlich sind vielen Ärzten hier die Übertragungswege des HI-Virus nicht deutlich, weswegen zum Beispiel eine Routineuntersuchung vom Augenarzt abgelehnt wird. Das Projekt, das wir besucht haben, macht Aufklärungsunterricht für Ärzte und erklärt ihnen, dass mit den richtigen Sicherheitsvorkehrungen eine Behandlung kein Problem ist. Es hat mich schon ein bisschen geschockt, als ich hörte, dass tatsächlich noch Bedarf an solchen Projekten besteht. Wobei ich eher denke, dass die Ärzte sich Scheuklappen aufsetzen, sobald das Thema HIV auftritt.Die Angst vor einer Infizierung ist zu groß und es hat nichts damit zu tun, dass da tatsächlich Unwissenheit herrscht. Aber diese Aufklärungsarbeit hilft vielleicht auch Berührungsängste zu nehmen. Das wünsche ich mir jedenfalls. Immer, wenn so ein Zwischenfall passiert, müssen wir den Jugendlichen erklären, dass es nicht ihre Schuld ist, dass sie nicht behandelt werden. Sie können ja nichts dafür, dass sie sich im Kindesalter infiziert haben.” n Freiwilligenprogramm EIRENE-Partner aus aller Welt zu Gast in Neuwied Vom 15. bis 19. September fand in Neuwied die internationale EIRENE-Partnertagung „Bedeutung und Möglichkeiten der Friedenspädagogik in der Kinder- und Jugendarbeit - Interkulturelle Zusammenarbeit im Zeichen des Friedens“ statt. An der Tagung nahmen fünf EIRENEEntwicklungshelferinnen und 13 VertreterInnen von EIRENE-Partnerorganisationen aus Afrika, Lateinamerika, Nordamerika und Europa teil. In ihrer alltäglichen Arbeit setzten sich die Organisationen auf verschiedenen Ebenen für Kinder und Jugendliche in ihren Heimatländern ein. Zum Beispiel in der pädagogischen Arbeit in einem offenen Jugendzentrum in Nicaragua oder in der politischen Lobbyarbeit für die Rechte misshandelter Mädchen in Uganda. Unterstützt werden sie dabei von EIRENE-Fachkräften und Freiwilligen. Im Zentrum der Tagung stand der Austausch zwischen den Partnerorganisationen. Das Programm wurde durch einen Fachbeitrag von Anne Romund vom „Institut für Friedenspädagogik” Tübingen zum Thema „Friedenspädagogik/-erziehung und Konfliktbearbeitung“ ergänzt. Die Partnerfachtagung, die durch das Die TeilnehmerInnen der Partnertagung beim Ausstausch in Kleingruppen Freiwilligenförderprogramm „weltwärts” des BMZ gefördert wurde, war außerdem der Startschuss für eine gemeinsame Bilderausstellung. Die Ausstellung soll im Jahr 2011 in vier Sprachen erstellt werden und dann in mehreren Partnerländern von EIRENE auf Reisen gehen. Zum Abschlus gab es ein großes interkulturelles Fest und einen ökumenischen Gottesdienst in einer befreundeten Kirchengemeinde. Für die EIRENE-Geschäftsführerin Angela König war die Tagung wichtig, um die Beziehungen zu den Partnern zu stärken. „Eine echte Partnerschaft braucht gegenseitigen Respekt und die Bereitschaft sich aufeinander einzulassen. Dazu hat diese Tagung beigetragen”. Darüber hinaus hob sie das Engagement ehemaliger EIRENEFreiwilliger hervor, die während der Tagung für die Logistik und das Wohl der Gäste sorgten. Mehrere TeilnehmerInnen blieben auch nach Ende der Tagung noch weitere Tage in Neuwied und nutzten die Gelegenheit verschiedene Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit im Rheinland zu besichtigen. Gemeinsam mit VertreterInnen der Geschäftsstelle besuchten sie am 21. September, dem UN-Weltfriedenstag, den Oberbürgermeister der Stadt Neuwied Nikolaus Roth. Sie überreichten ihm ein Kunstwerk aus Mosambik in Form einer Tischlampe, hergestellt aus einer Maschinenpistole. Die Lampe ist Produkt der Aktion „Schwerter zu Pflugscharen" des mosambikanischen Kirchenrates. Ziel des Besuches war es, den Weltfriedenstag in der Öffentlichkeit bekannter zu machen und auf die Problematik der Verbreitung von Kleinwaffen hinzuweisen. n Die internationalen Gäste präsentieren ihr selbst gemaltes Plakat zum Weltfriedenstag im Beisein von Oberbürgermeister Nikolaus Roth (hintere Reihe, rechts) auf dem Dach des Neuwieder Rathauses. EIRENE-Rundbrief 3/2010 13 Internes Niemals geht man so ganz… Nach fast zwanzigjähriger Mitarbeit hat Gisela Kurth zum 1. Oktober ihre Aufgabe als Finanzreferentin und stellvertretende Geschäftsführerin bei EIRENE beendet. In dieser langen Zeit hat sie EIRENE in vielerlei Hinsicht nach innen und außen mit geprägt. Für Gisela Kurth war die Arbeit bei EIRENE weniger Beruf als Berufung. Als promovierte Mathematikerin war ihr Weg in die Geschäftsstelle nach Neuwied nicht vorgezeichnet, aber erschien folgerichtig, wenn man sie in ihrem Engagement für Gerechtigkeit und Frieden erlebt hat. Es war ihr ein großes Anliegen, ihre berufliche Existenz mit einer Arbeit zu verbinden, hinter der sie mit ihren Überzeugungen voll stehen konnte. "Wie können wir durch unser Leben und durch unsere Arbeit dazu beitragen, dass die Verheißung Jesu, das Reich Gottes, schon jetzt beginnt?" Mit dieser Frage hat sie uns bei EIRENE und das Umfeld der christlichen Friedendienste immer wieder herausgefordert und mit großer Energie und Leidenschaft und gleichzeitig analytischem Sachverstand nach Antworten gesucht. Als stellvertretende Vorsitzende der „Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden“ (AGDF) hat sie sich für verbesserte rechtliche Voraussetzungen für Freiwilligendienste eingesetzt, in den Gremien zur Friedensarbeit innerhalb der Evangelischen Kirche mitgearbeitet und zusammen mit anderen Organisationen um eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Nicht-Regierungsorganisationen gekämpft. Gisela Kurth hat das gemeinschaftliche Arbeiten im EIRENE-Haus sehr genossen und stark mitbefördert. Ihre Präsenz, ihre Diskussionsfreude, ihr Querdenken, ihre tiefe Spiritualität, ihre Gestaltungskraft - all das wird uns fehlen. Mit ihr geht eine sehr beliebte und geschätzte Kollegin, die sich nach einem Sabbatjahr neuen Aufgaben zuwenden wird. Aber Gisela, wir sind zuversichtlich: Niemals geht man so ganz… n Frieden stiften und Zukunft gestalten Johannes und Ursula Wiemker, geb. 1938 und 1940, Lehrer und Lehrerin im Ruhestand: „Als langjährige PAX CHRISTI-Mitglieder möchten wir - auch über unsere Lehrer-Lebenszeit hinaus eine Brücke schlagen zu jungen Menschen, die sich mutig auf die Friedensarbeit von EIRENE einlassen. Daher unterstützen wir die EIRENE-Stiftung mit einem zinslosen Darlehen“. Auch Sie können Ihr Engagement für Frieden und Gerechtigkeit langfristig ausrichten. Mit einer Zustiftung, einem zinslosen Dahrlehen oder einem Testament an die EIRENE-Stiftung. Stiftung 14 EIRENE-Rundbrief 3/2010 Wechsel der Multiplikatorin im Freiwilligenprogramm Bitte sprechen Sie uns an: Anne Dähling Tel: 02631-8379-18 Informationen finden Sie auch unter: www.eirene.org/foerdern/stiftung/ Die langjährige Multiplikatorin im Freiwilligenprogramm, Charlotte Eisenberg (Bild, links) hat im Juli ihre Tätigkeit beendet. Zu ihren Aufgaben gehörte die Planung und Durchführung von Informationsständen zum Freiwilligendienst auf Messen sowie die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Helfern. Übernommen hat das Amt die ehemalige EIRENE-Freiwillige Anne Vogt (Bild, rechts). Nötig wurde der Wechsel, da sich Charlotte Eisenberg nun nach erfolgreicher Beendigung ihres Theologiestudiums sich nochmals entschieden hat, mit EIRENE ein Jahr ins Ausland zu gehen. Seit August ist sie in einem Projekt, das sich um HIV/Aids betroffene Familien im ländlichen Raum im Südwesten Ugandas kümmert. n Kurzmeldungen Neue Fachkräfte Ba Mamadou ist seit April 2010 Fachkraft im Niger. Er arbeitet im Projekt PADEC zur Unterstützung der Koranschulen in der Region Maradi. Ralph Buss arbeitet seit November 2009 als Fachkraft im Projekt CPICH, Stärkung der indigenen Bevölkerung in Nicaragua. Emilie Courtabessie ist seit März 2010 Friedensfachkraft im Projekt GENOVICO im Niger. Lisa Tschörner arbeitet seit November 2009 als Juniorfachkraft des Zivilen Friedensdienstes im Projekt PADET, Friedensförderung im Niger. Margrit Ihle arbeitet seit Mai 2010 als Fachkraft im Niger im Projekt APTE, das sich für die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Viehhalterfamilien einsetzt. Julia Keller arbeitet seit Januar 2010 als Fachkraft in Nicaragua im Projekt ADIC und im Projekt SOPPEXCCA. Neue Finanzreferentin und stellvertretende Geschäftsführerin in Neuwied Mitte September hat Dr. Anthea Bethge die Nachfolge von Dr. Gisela Kurth angetreten und ist nun neue Finanzreferentin und stellvertretende Geschäftsführerin von EIRENE. Die promovierte Physikerin ließ sich 1997 beim Oekumenischen Dienst Schalomdiakonat zur Friedensfachberaterin ausbilden und arbeitete dann freiberuflich als Trainerin und Beraterin in Deutschland und auf dem Balkan. Die letzten sechs Jahre baute sie im Region der Großen Seen (Afrika) eine kirchliche Arbeitsstelle für Menschenrechte und ein internationales Netzwerk von Friedensfachkräften auf. n Neuer EIRENE-Kalender - jetzt bestellen! Rufen Sie uns an: 02631-83790, oder per email: [email protected] Preis: 8,50 Euro zzgl. Porto. Der Zwei-Jahreskalender 2011/2012 im DIN A4-Format zeigt wunderschöne Eindrücke aus unseren Projekten aus Lateinamerika, Afrika und Europa. Der Erlös der Einnahmen fließt in unsere Friedensprojekte. Lieferung ab 1. November. Katharina Werlen unterstützt seit November 2009 als Friedensfachkraft das Projekt Amahoro in Burundi. Eva Horz arbeitet seit April 2010 als Fachkraft im Projekt CENDEROS in Costa Rica, das MigrantInnen aus Nicaragua unterstützt. EIRENE-Rundbrief 3/2010 15 Kurzmeldungen Ärzte gegen Atomwaffen machten Station bei EIRENE Vierzig junge Mediziner der Friedensorganisation IPPNW (Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Friedensnobelpreisträger 1985) besuchten Mitte August im Rahmen ihrer internationalen Radtour BAN (Biking against nuclear weapons) die EIRENE-Geschäftsstelle. Die TeilnehmerInnen kamen unter anderem aus Russland, den USA, Indien, Ägypten, Nigeria, Ecuador, Nicaragua, Portugal, den Philippinen, Australien und vielen anderen Ländern. Aufenthalts nutzten beide Seiten die Chance, sich über ihre Arbeit auszutauschen. Die MitarbeiterInnen von EIRENE wünschten den Aktivisten von IPPNW für ihren Weg nach Basel und den Kampf gegen Atomwaffen viel Erfolg. Mit ihrer zehntägigen Fahrradtour von Düsseldorf nach Basel wollten die junge Mediziner darauf aufmerksam machen, dass 20 Jahre nach Ende des kalten Krieges immer noch Atomwaffen in Europa -unter anderem in Deutschland- stationiert sind. „Die Gefahr, die durch die Stationierung der Atomwaffen ausgeht können und wollen wir als Mediziner nicht hinnehmen“, betonte Alex Rosen, Kinderarzt und Organisator der Fahrradtour Auf den letzten Metern hin zur Geschäftsstelle begleiteten hauptamtliche und ehrenamtliche MitarbeiterInnen von EIRENE die junge Ärzte. Nach einer Begrüßung stärkten sich die Radler mit Kuchen und Getränken. Während des eineinhalbstündigen Die Teilnehmer der Radtour BAN unterstützt von EIRENE Mitarbeitenden auf dem Weg in die Geschäftsstelle. Foto:EIRENE Ihre Spende ermöglicht unsere unsere Arbeit! IhreSpende Spende ermöglicht Arbeit! Ihre unsere Arbeit! Ihre Spenden sind steuerlich absetzbar. Das DZI-Spendensiegel ist Zeichen sorgfältig geprüfter Seriosität und Spendenwürdigkeit. Es wurde EIRENE erstmals im Mai 1995 zuerkannt und seither jährlich erneuert. Spendenkonto: KD-Bank BLZ 350 601 90 Konto-Nr. 10 11 380 014 Spendenstand des Vereins 700.000 EIRENE-Stiftung 0.00 1.800.000 0.00 1.600.000 600.000 200.000 100.000 400.000 1.400.000 200.000 500.000 6 600.000 1.200.000 412.501 400.000 300.000 Zielsetzung für 2010 700.000 Euro (in EUR) Bis zum 15.09.2010 konnten wir Spendeneingänge von 412.501 Euro verzeichnen. Spendenstand 15.09.2010 Für das Jahr 2010 haben wir uns zum Ziel gesetzt, das Spendenaufkommen von 700.000 Euro wieder zu erreichen, um unsere Projekte finanzieren zu können. 1.000.000 Zielsetzung für 2010 (in EUR) Stand der Zustiftungen 15.09.2010 Stiftungskapital am 7.6.2000 800.000 Das Stiftungskapital lag zum 15.09.2010 bei 1.581.260 Euro. Sollten Sie Interesse an einer Zustiftung oder einem zinslosen Darlehen haben, sprechen Sie uns an: Anne Dähling: 02631/8379-18, [email protected]. Herzlichen Dank allen unseren Spenderinnen und Spendern!