Mädchen und Jungen gerecht werden

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Mädchen und Jungen gerecht werden
Mädchen und Jungen gerecht werden
30.09.2011
Workshop „Mädchen und Jungen gerecht werden“
anlässlich des 1. Eichstätter Lehrertags „Heterogenität“
Hintergründe zum Thema können Sie erfahren unter:
Fachtagung: Prima Mädchen-Klasse Jungs. Beste Chancen für Mädchen UND Buben
http://www.primamaedchen-klassejungs.de/
Petra Hiebl, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und –didaktik
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Mädchen und Jungen gerecht werden
30.09.2011
Jungen sind die neuen Sorgenkinder des Bildungssystems (ZEIT)
Die Krise der kleinen Männer (ZEIT)
Mädchen auf der Überholspur (FRANKFURTER RUNDSCHAU)
Männliche Bildungsverlierer (SZ)
Die Alpha Mädchen (DER SPIEGEL)
Mädchen schlauer, Jungen reicher (STUDIE HANDELSKAMMER)
•
Der Grundschule wird der Vorwurf gemacht, weiblich dominiert zu sein und damit Jungen zu
benachteiligen. (Bildungsbeteiligung der Jungen s. Schulleistungsstudien IGLU und PISA)
Mädchen liegen heute in den Schulleistungen im Durchschnitt vor den Jungen. Mädchen sind
häufiger an den Gymnasien und erreichen höhere Abschlüsse.
•
Dagegen sind Jungen häufiger an Hauptschulen zu finden und wiederholen öfters eine Klasse.
•
Das schlechtere Bildungsabschneiden der Jungen wird auch häufig mit der „Feminisierung
des Lehrerberufs“ in Verbindung gebracht. Empirisch nachgewiesen werden konnte die
Annahme, dass das Geschlecht der Lehrkraft den Bildungserfolg von Jungen und Mädchen
beeinflusst, jedoch nicht.
Die Veranstaltung soll
für die unterschiedlichen Bedürfnisse von Mädchen und Jungen sensibilisieren
die Notwendigkeit einer geschlechterspezifischen, individualisierenden Erziehung durch
Wissen über Geschlecht und Reflexionsübungen verdeutlichen
Handlungsansätze aufzeigen
Obwohl die Jungen seit einiger Zeit in den Medien als "Verlierer" unseres Bildungssystems verhandelt
werden, sollen beide Geschlechter in den Blick genommen werden.
Petra Hiebl, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und –didaktik
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Mädchen und Jungen gerecht werden
30.09.2011
1 Geschlecht
Kulturelles System der Zweigeschlechtlichkeit
Erklärung der Geschlechtsunterschiede:
Geschlechtertheorien: Sex & Gender – Modell (biologisches & soziales Geschlecht)
Doing Gender (Geschlecht ist etwas, was getan wird.)
Die Konstruktion des Geschlechts wird als rein soziale Interaktion gesehen.
Geschlecht ist keine Eigenschaft, die einer Person zugeschrieben wird, sondern etwas, was in der
sozialen Situation entsteht.
2 Geschlecht und Schule
Wo taucht Geschlecht in der alltäglichen Arbeit mit den Kindern auf?
Wie gehen Sie damit um?
Jungenforschung
Geringere Leistungserwartungen an männliche Schüler
Schlechte Leistungen der Mädchen finden weniger Aufmerksamkeit
Geschlechtstypische Ursachenzuschreibungen:
Jungen: unmotiviert, negatives Verhalten
Mädchen: mangelndes Selbstvertrauen
Jungen werden als Problemschüler wahrgenommen
Beschreibungen des idealen Schülers sind mädchentypisch
(vgl. u.a. Elwood 2005, Jones/Myhill 2004, Osier et al. 2002, Plummer 2000)
Lehrerinnen bewerten positiver und wohlwollender
Lehrer werden stärker durch externe Faktoren (Geschlecht, eigene Erfahrung, Disziplin, …) beeinflusst
Unterschiede in Bezug auf Bildungsziele von Jungen und Mädchen (Mädchen sind ehrgeiziger)
Schüler profitieren nicht von einem Lehrer gleichen Geschlechts (Leseleistung von Jungen leidet sogar)
Jungen lernen in der Schule fürs Leben: Selbstbewusstsein, Humor, Durchsetzungsvermögen,
Konkurrenzverhalten (Budde)
Jungen sind oft „Underachiever“, wollen durch Leistung nicht auffallen
(vgl. u.a. Carrington 2008, Younger/Warrington/Williams 1999, Klein 2004)
Weiterführende Literatur zur „Jungenforschung“ siehe unten
Erfolg von Schülerinnen und Schülern ist keine Frage des Geschlechts, sondern eine Frage der
Qualität des Unterrichts. Qualitativ guter Unterricht bezieht jedoch stets das Kriterium des
Geschlechts mit ein.
Petra Hiebl, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und –didaktik
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Mädchen und Jungen gerecht werden
30.09.2011
3 Handlungsansätze
Bereich1 : Professionalität der Lehrerin bzw. des Lehrers
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Sensiblisierung für das eigene (biografische) Konzept von Gender: z.B.:
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Paarinterview - Biografische Fragen (vgl. genderloops.eu)
•
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Thema: Angenehme Erinnerungen
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• Gab es Situationen, in denen ich es gut fand, ein Mädchen/Junge zu sein?
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• Für welche Tätigkeiten und Charaktereigenschaften wurde ich gelobt?
•
Gab es Unterschiede zu Brüdern und Schwestern?
•
• Hatte ich Privilegien als Mädchen/Junge? Wenn ja, welche?
•
•
Thema: Unangenehme Erinnerungen
•
• Gab es in meiner Kindheit andere Kinder oder Erwachsene, die mir Spiele oder andere Tätigkeiten nicht
erlauben wollten, weil ich ein Mädchen/Junge
Mäd
war?
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• Welche Aufgaben und Pflichten hatte ich als Mädchen/Junge? Was wurde von mir erwartet?
• Gab es gering schätzende Bemerkungen oder Anforderungen an mich als Mädchen/Junge, die mich verletzt
oder wütend gemacht haben?
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Thema: Geschlechtertausch
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• Wäre ich gerne mal das „andere“ Geschlecht gewesen? Wenn ja, in welchen Situationen?
Petra Hiebl, wissenschaftliche
senschaftliche Mitarbeiterin
Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und –didaktik
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Eichstätt
Mädchen und Jungen gerecht werden
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30.09.2011
Reflexion des eigenen Denken und Handelns z.B.:
BEOBACHTUNG UND DOKUMENTATION DES UNTERRICHTSALLTAGS (vgl. genderloops.eu)
Fragen:
• Bevorzugen Mädchen und Jungen unterschiedliche Themen, zeigen unterschiedliche Interessen, sind unterschiedlich
motiviert?
• Denken Sie, dass Mädchen wie Jungen gleichermaßen mit den pädagogischen Angeboten zufrieden sind?
• Drücken Mädchen und Jungen bestimmte Gefühle wie Wut, Trauer oder Freude unterschiedlich aus?
• Verweigern Kinder anderen Kindern unter ausdrücklichem Hinweis auf ihr Geschlecht die Teilnahme an einer Arbeit/ an
einem Spiel?
• Ist für die Kinder Ihrer Klassen das Thema „Mädchen- und Jungesein“ ein (Bildungs-)Thema?
• Wie bringen sich Mädchen und Jungen ein? (Partizipation)
• Gibt es eine andere Frage, die Ihnen auf den Nägeln brennt und die Sie gerne überprüfen möchten?
…
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Auseinandersetzung mit dem „Ideal eines Schülers / einer Schülerin“
Aufbau von Genderkompetenz (Budde/ Venth) (Wissen, Können, Wollen)
Bereich2 : Erzieherisches Wirken
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Klassenzimmergestaltung und Sitzordnung
Disziplinarische Strukturen
Selbstpräsentation der Lehrerin bzw. des Lehrers vor der Klasse
Gendersensible Sprache
Bereich3 : Pädagogisch-didaktische Prinzipien im Unterricht
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Auseinandersetzung mit Geschlechterstereotypen „Typisch Mädchen – typisch Junge?“ (vgl.
Michalik 2009, 20-22) (s.Anhang)
Förderung der Selbst- und Sozialkompetenz
Differenzierende Angebote, welche die beide Geschlechter ansprechen
Vermeidung der Festigung von Geschlechterdifferenzen
Koedukation mit monoedukativen Phasen
Beteiligung von Mädchen und Jungen an der Auswahl von Unterrichtsthemen
Bereich4 : Klassenübergreifende Prinzipien im Schulleben
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Beachtung geschlechtsspezifischer Anliegen in allen Bereichen
Partizipation von Schülerinnen und Schülern an der Gestaltung des Schullebens (z.B.:
Pausenhofgestaltung, Spielgeräte)
Angebot von Wahlkursen
Elternarbeit (Angebot thematischer Elternabende; z.B.: „Mädchen“; „Jungen“;
„Sexualerziehung“ etc.)
Petra Hiebl, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und –didaktik
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Mädchen und Jungen gerecht werden
30.09.2011
Damit lernen gelingt, ist es wichtig, an die Lebenswirklichkeit der Kinder anzuknüpfen. Diese
Wirklichkeit wird auch von ihrer Geschlechtszugehörigkeit geprägt. Da Kinder ebenso den Einflüssen
anderer Zugehörigkeiten unterliegen (Ethnie, Milieu, körperliche Beeinträchtigung, Religion) und
unterschiedliche biografische Erfahrungen machen (Familienverhältnisse, Geschwister, krisenhafte
Erfahrungen, Freundschaften, Stadt Land) sind diese Konsequenzen (im Sinne von Vorwissen,
Vorerfahrungen) vielfältiger und unterschiedlicher als es unsere Vorstellungen von „typisch Mädchen
und typisch Jungen“ entsprechen.
Geschlechtergerechte, individualisierende und fördernde Erziehung bedeutet, immer wieder die
eigenen Verhaltensgewohnheiten und Erwartungen zu reflektieren und eigene Grenzen zu erkennen,
um dann vielfältige Angebote zu machen.
Literatur:
Budde, J. & Venth, A. (2010): Genderkompetenz für lebenslanges Lernen. Bielefeld
Cremers, M. & Budde J. (2009): Jungen fördern. Was wissen wir über die Situation von Jungen in der Schule und über die
Möglichkeiten der Förderung? In: Pädagogik. H. 6, 36-39
Hannover, B. & Kessels, U. (2011): Sind Jungen die neuen Bildungsverlierer? Empirische Evidenz für
Geschlechterdisparitäten zuungunsten von Jungen und Erklärungsansätze. In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 25
(2), 89-103
Michalik, K. (2009): Typisch Mädchen – typisch Junge? In: Grundschule. Magazin für Aus- und Weiterbildung. H. 9, 20-22
Schultheis, K. & Fuhr, T. (2006): Grundlagen der Jungenforschung. In: Schultheis, K., Strobel-Eisele, G. & Fuhr, T. (Hg.):
Kinder: Geschlecht männlich. Beiträge zur pädagogischen Jungenforschung. Stuttgart, S. 12-73
Schultheis, K. (2008): Jungenforschung. Aktuelle Ergebnisse, Desiderate, Probleme. In: Matzner, M. & Tischner, W. (Hg.):
Handbuch Jungen-Pädagogik. Weinheim und München, S. 366-380.
Links:
http://www.genderloops.eu/ (Praxishandbuch Gender Loops)
http://www.primamaedchen-klassejungs.de
Petra Hiebl, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und –didaktik
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Mädchen und Jungen gerecht werden
30.09.2011
Anhang:
Typisch Mädchen – typisch Junge! Typisch Mädchen – typisch Junge?
•
Kinder setzen sich mit Geschlechterstereotypen auseinander
1 Produktive Irritation:
• Sich eigener Rollenbilder
bewusst werden
• Geschlechterstereotype
hinterfragen
Spielsachen von den Kindern mitbringen lassen
• Diese sollen zu mädchentypischen und
jungentypischen Spielsachen geordnet werden
• sicherlich werden Überschneidungen
auftauchen und es gibt viele Spielsachen, die
beide Geschlechter nutzen
Kinder schreiben Eigenschaften von Mädchen und Jungen
in eine Tabelle ohne aber die Spalten zu benennen
• Die Tabellen werden weiter gegeben und andere
Kinder sollen entscheiden, welche Spalte „jungenoder mädchentypisch“ ist.
• Gemeinsamkeiten/Unterschiede feststellen
lassen
2 Konstruktion von Geschlecht
• Gesellschaftliche Grundlagen
von Geschlechterrollen
untersuchen lassen
Kleidung von Mädchen und Jungen untersuchen
• Warum gibt es unterschiedliche Kleidung für
Mädchen und Jungen?
• Warum tragen Jungen keine Röcke?
• Woher weiß man ob jemand ein Mädchen/Junge
ist?
Alternative: Hobbys, Schriftproben, Freizeit von Mädchen
und Jungen untersuchen
Männer- und Frauenbilder in der Werbung untersuchen
• Wie werden Männer oder Frauen dargestellt?
• Kann man sie in der jeweiligen Werbung
austauschen?
3 Historischer Wandel von Geschlecht
• Veränderungen der
Geschlechterrollen im Laufe der
Zeit wahrnehmen
Eltern- und Großeltern befragen
• Wie hat sich das Frau-/Mannsein im Laufe der Zeit
verändert?
Fotos und Abbildungen von früher diskutieren
• Veränderungen aufzeigen; Wie wird die Zukunft
für die Männer- und Frauenrolle bringen?
Petra Hiebl, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und –didaktik
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Mädchen und Jungen gerecht werden
4 Alternativen denken
• Verfestigte Rollenbilder
reflektieren
30.09.2011
Philosophieren mit Kindern
•
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5 Sexualerziehung
Was wäre, wenn du plötzlich ein Mädchen/ ein
Junge wärst?
Wärst du schonmal lieber ein Junge/ ein Mädchen
gewesen?
Was wäre, wenn Mädchen und Jungen die gleiche
Kleidung tragen würden, könnte man sie trotzdem
unterscheiden?
Ist es egal, Junge oder Mädchen zu sein?
Siehe Lehrplan
Vgl.: Michalik, K. (2009): Typisch Mädchen – typisch Junge? In: Grundschule. Magazin für Aus- und
Weiterbildung. H. 9, 20-22.
Petra Hiebl, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und –didaktik
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

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