Baustelle DB-Schenker - VerkehrsRundschau.de

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Baustelle DB-Schenker - VerkehrsRundschau.de
Von acht auf sechs: der neue Vorstand der DB (von links) mit Berthold Huber (zuständig unter
anderem für DB Schenker Rail), Volker Kefer, Richard Lutz (zuständig unter anderem für DB
Schenker Logistics), Rüdiger Grube, Ulrich Weber und Ronald Pofalla
Baustelle DB-Schenker
Noch sind nur die Veränderungen an der Spitze bekannt: Aber
DB Schenker steht vor dem
größten Umbruch, seit die DB
2002 von Veba Stinnes und
damit Schenker gekauft hat.
R
üdiger Grube hat angesichts der
schlechten Ergebnisse bei der Deutschen Bahn (DB) offenbar kräftig
mit der Faust auf den Tisch gehauen. Jedenfalls lässt dies die Neustrukturierung
des Vorstands vermuten, die Grube Ende
Juli auf der Halbjahres-Pressekonferenz
verkündete: Gleich vier Mitglieder hat er
aus dem Gremium geschmissen.
Stark davon betroffen sind die beiden Gütersparten: der Schienengüterverkehr (DB
Schenker Rail) und die Logistik (DB Schen-
Mehr finden Sie im Dossier
„Schienengüterverkehr“
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32-33/2015 VerkehrsRUNDSCHAU
ker Logistics) mit dem Landverkehr, Seeund Luftfracht sowie die Kontraktlogistik.
Grube zeigte sich mit der Entwicklung in
beiden Segmenten nicht zufrieden. Das größere Sorgenkind dürfte DB Schenker Rail
sein. Dort ist die Verkehrsleistung im ersten
Halbjahr 2015 um 6 Prozent gegenüber dem
Vorjahreszeitraum rückläufig gewesen. Die
„rote Güterbahn“, wie sie in Anspielung auf
die Lackierung ihrer Loks genannt wird, hat
ihrem Ruf alle Ehre gemacht und fährt rote
Zahlen ein: 74 Millionen Euro beträgt ihr
Verlust (nach einem Ebit von plus 9 Millionen im ersten Halbjahr 2014).
Wer wird neuer Güterbahnchef?
Grund für diesen Einbruch waren sicher
nicht nur die Streiks der Lokführer und die
Orkane im ersten Halbjahr, weshalb der
bisherige Chef von DB Schenker Rail, Alexander Hedderich, auch zum 31. August
seinen Hut nehmen muss. Wer der neue
Vorstandsvorsitzende der Güterbahn wird,
stand zum Zeitpunkt der Bilanzpressekonferenz noch nicht fest. Grube versprach
aber: „Die Nachfolge für diese Funktion
werden wir kurzfristig bekannt geben.“
Aber dem DB-Chef kann nicht gefallen,
dass er mit diesen Zahlen hinter Wett-
DATEN UND FAKTEN
DB-Zahlen für das 1. Halbjahr 2015 (in Klammern: Wert für das 1. Halbjahr 2014 und Veränderung in Prozent)
DB Schenker Rail:
᪺ Umsatz: 2391 Millionen (Mio.) Euro
(1. Halbjahr 2014: 2452, -2,5 Prozent)
᪺ Ebit: - 74 Mio. Euro (+9 Mio. Euro)
᪺ Tonnage: 150,9 Mio. Tonnen (166,7 Mio.
Tonnen, -9,5 Prozent)
᪺ Verkehrsleistung: 48.912 Mio. Tonnenkilometer (52.019 Mio. tkm, -6,0 Prozent)
DB Schenker Logistics:
᪺ Umsatz, Ebit: siehe Tabelle oben
᪺ Sendungen im europäischen Landverkehr:
50,86 Mio. (48,99 Mio., +3,8 Prozent)
᪺ Luftfrachtvolumen: 545.800 Tonnen
(540.000 Tonnen, +1,1 Prozent)
᪺ Seefrachtvolumen: 953.800 TEU
(988.100 TEU, -3,5 Prozent) cd
bewerbern in Europa wie SBB Cargo, Rail
Cargo Group und selbst der PKP Cargo
zurückfällt, die laut eigenen Angaben zumindest im letzten Jahr allesamt schwarze
Zahlen abgeliefert haben. Deshalb hat er
die Reißleine gezogen.
DB AG/Oliver Lang
Transport + Logistik DB Schenker
DB Schenker Transport + Logistik
Künftig wird sich im Vorstand das neue
Mitglied Berthold Huber um DB Schenker
Rail kümmern. Keine einfache Aufgabe für
„den Eisenbahner aus dem Bilderbuch“,
wie Grube Huber ankündigte angesichts
seiner 18-jährigen Zugehörigkeit zum
Bahn-Konzern. Allerdings hat Huber keinerlei Erfahrungen im Schienengüterverkehr. Karriere hat er bei der DB ausschließlich im Personenverkehr gemacht.
DB AG/Wolfgang Klee
Das Motto von Huber: „Angriffslust“
Auf die Frage der VerkehrsRundschau, welche Maßnahmen Huber als der neue Verantwortliche im Vorstand denn ergreifen
wolle, erwiderte Huber: „Hier gilt sicher
auch mein Motto ‚Angriffslust‘“. Sprich: Er
will neue Kunden von den Vorteilen des
Gütertransports auf der Schiene überzeugen. Zu möglichen weiteren Maßnahmen
blieb Huber vage: „Ich habe dazu sicher
viele Ideen im Kopf. Aber dazu muss man
erst mal anfangen, die gut gemeinten von
den guten zu unterscheiden. Und ich wäre
dankbar, wenn Sie mir für diesen Prozess
noch etwas Zeit geben.“ Zusammen mit
Infrastruktur-Vorstand Volker Kefer soll er
ein Konzernprogramm zur Steigerung der
Wettbewerbsfähigkeit der Eisenbahn in
Deutschland auf den Weg bringen.
Besser als bei Schenker Rail sehen die Zahlen von Schenker Logistics aus. Doch besser
heißt noch lange nicht gut oder zufriedenstellend, im Gegenteil: „In der Logistik
haben wir nicht die Performance, mit der
wir zufrieden sind im Vergleich zum Wettbewerb“, sagte Grube. Immerhin, sowohl
beim Umsatz als auch im Ergebnis konnte
DB Schenker Logistics im Vergleich zum
Vorjahreshalbjahr und zum Wettbewerb
zulegen (siehe Tabelle oben). Aber: Sowohl
Kühne + Nagel als auch Panalpina können
für sich reklamieren, dass sie unter dem
Rote Loks, rote Zahlen: DB Schenker Rail ist
eines der Sorgenkinder im DB-Konzern
V E RG L E I C H G RO S S E R S P E D I T I O N S KO N Z E R N E
Gesamtumsatz1
in Mio. Euro2/
Schweizer Franken3
EBIT in Mio. Euro2/
Schweizer Franken3
1
DB Schenker Logistics Kühne + Nagel
Panalpina
2015 2014 Verän- 2015 2014 Verän- 2015
2014
derung
derung
Veränderung
7756
7407
+4,7 %
8225
8500 -3,2% 2941,4 3230,5
-8,9 %
165
148
+11,5%
410
396
+0,4 %
2
+3,5 %
60,4
60,1
3
Kühne + Nagel, Panalpina: jeweils Nettoumsatz DB Schenker Logistics Kühne + Nagel, Panalpina; Quelle: Unternehmensberichte
starken Schweizer Franken gelitten haben.
Und setzt man das Ebit ins Verhältnis zum
Umsatz, wird deutlich, dass zumindest
Kühne + Nagel deutlich profitabler arbeitet
und beim Ergebnis mehr als doppelt so gut
abschneidet wie DB Schenker Logistics.
Grube bestätigte auf der Pressekonferenz,
dass Jochen Thewes zum 1. September die
Leitung des Geschäftsfeldes übernimmt
und damit Vorgänger Thomas Lieb beerbt.
Thewes hatte bislang als CEO die AsienPazifik-Region von DB Schenker betreut.
Doch das ist nicht die einzige Änderung:
Denn es gibt im Vorstand kein Ressort
Transport + Logistik mehr. Für DB Schenker Logistics ist im obersten Führungsgremium ab sofort der Finanzvorstand Richard Lutz zuständig – wie Huber ohne
jegliche Erfahrung in der Logistik. Dass DB
Die Deutsche Bahn spielt mit
dem Gedanken, Anteile an DB
Schenker Logistics zu verkaufen
Schenker Logistics beim Finanzexperten
Lutz angesiedelt wird, ist insofern sinnvoll,
als Grube auf der Pressekonferenz bestätigte, was die VerkehrsRundschau online bereits vorab gemeldet hatte: Die DB spielt mit
dem Gedanken, Anteile von DB Schenker
Logistics (und auch der Personenverkehrstochter Arriva) zu verkaufen. Lutz soll dazu
ein Konzept erarbeiten und dieses am 16.
Dezember dem Aufsichtsrat vorlegen. Hintergrund ist die hohe Verschuldung der DB,
die derzeit bei 17,6 Milliarden Euro liegt
und alleine im ersten Halbjahr 2015 um 1,4
Milliarden Euro gestiegen ist.
Logistics und Rail im Vorstand getrennt
Diese Schulden will Grube jedoch eigentlich
abbauen, nicht weiter anhäufen. Dazu benötigt er Geld, welches durch den Verkauf
von Anteilen eingesammelt werden könnte.
„Wir werden auf jeden Fall in der unternehmerischen Führungsrolle bleiben. An einen
Verkauf von Arriva oder DB Schenker Logistics ist nicht gedacht“, sagte Grube.
Mit dieser Neuaufteilung sind der Schienengüterverkehr und die Logistik (und
damit der Landverkehr) im Vorstand getrennt worden. Ursprünglich sollten mit
dem Kauf von Schenker 2002 beide in
Form von zusätzlichen Mengen profitieren. Diese Zusammenarbeit, so ist vor
allem aus Kreisen von Schenker Logistics
immer wieder zu hören, funktioniere nicht
oder nur sehr bedingt.
Hat sich also der Vorstand von diesem Verlagerungsgedanken verabschiedet? „Nein“,
antwortete Grube auf eine entsprechende
Frage der VerkehrsRundschau. Er belegte
mit Zahlen die bereits bestehenden Verflechtungen: „DB Schenker Logistics kauft
für 230 Millionen pro Jahr bei DB Schenker Rail ein und Schenker Rail beauftragt
Logistics mit etwa 30 Millionen Euro.“
Nach außen werde man auch weiterhin
gemeinsam auftreten. „Daher wird es auch
weiterhin drei gemeinsame Sales-Teams
geben: Automotive, Chemie und Industrie“, sagte der Bahn-Chef. Und begründete die interne Trennung so: „Wir haben
auch gelernt, dass sich das Wettbewerbsumfeld der internationalen Logistik und
des eher europäisch geprägten Schienengüterverkehrs sehr unterscheiden.“ ᆙᆚᆚ
Michael Cordes
VerkehrsRUNDSCHAU 32-33/2015
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