Die Deutschen tragen zum Teil noch immer billige
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Die Deutschen tragen zum Teil noch immer billige
Der Strumpf zum Lifestyle: Die Deutschen tragen zum Teil noch immer billige Supermarkt-Ware zum Edelanzug. Zeit für eine Kulturrevolution, meint Paul Falke Management Best Practice Herz ist Strumpf Mit Leidenschaft und guten Ideen haben Paul Falke und sein Cousin Franz-Peter Falke das Schmallenberger Familienunternehmen von einer traditionellen Sockenfabrik zum erfolgreichen Lifestyle-Anbieter umgebaut. Ihre wichtigsten Rezepte: globales Design, lokales Know-how, Topqualität Thesen uPremiumstrategie: Falke setzt konsequent auf Spitzenqualität. So kann das Unternehmen fünfmal so hohe Preise nehmen wie die Billigkonkurrenz aus Fernost. S uImagetransfer: Falke öffnet die eigene Marke geschickt für neue Produkte – Sportsocken für spezielle Anforderungen, aber auch ergonomische Sportbekleidung, Yoga-Ausrüstung, Herrenmode. FOTO: CATRIN MORITZ uHeimattreue: Falke hat Tochterfirmen in Portugal, der Slowakei und Südafrika, baut aber vor allem auf das Know-how am Standort Schmallenberg. ocken, Pullover, Bodys. Fünf Meter breit ist die strahlend weiße Pinnwand, und sie steckt voller Entwürfe für Farben, Muster und Formen. Hier und da sind Notizzettel an die Skizzen geheftet, mit Zahlenkodes für die jeweils vorgesehenen Garnsorten. „Das ist aus der neuen Kollektion“, sagt Paul Falke und zieht eines der Blätter von der Wand. „Für das Frühjahr 2011.“ Der Unternehmer ist sichtlich stolz auf das Atelier. Erst vor zwei Jahren haben die Falkes das weiträumige Dachgeschoss der Firmenzentrale im sauerländischen Schmallenberg sanieren lassen. Wo einst Aktenordner und Mappen unter den Schindeln verstaubten, lassen jetzt metergroße Dachflächenfenster Licht in den Raum. Zwischen offenem Gebälk stehen Zeichentische und Flachbildschirme. „Ich wollte den Designern die richtige Atmosphäre bieten“, sagt Falke. Schließlich sollen die Kreativen – manche von ihnen pendeln jeden Montag aus Paris ins Sauerland und am Wochenende zurück – nicht 08/15-Strümpfe entwerfen. Sondern international wettbewerbsfähige Mode. Falke, 115 Jahre alter Hersteller von Strickstrümpfen im kleinen Sauerland-Städtchen Schmallenberg, macht längst nicht nur in Socken, sondern auch in Sport und YogaBekleidung. Gerade hat das Unternehmen außerdem die erste komplette Burlington- Herrenmode-Kollektion auf den Markt gebracht – die Marke, vorher von Wettbewerber Kunert in Lizenz produziert, hatte Falke 2008 vom amerikanischen Besitzer gekauft. Um die Häutungen des Mittelständlers zu verstehen, muss man wissen, dass die Falkes „Qualitätsfanatiker“ sind, wie es Franz-Peter Falke (59) ausdrückt, der die Firma seit 1990 gemeinsam mit seinem jüngeren Vetter Paul (52) führt. Wer für den Kunden immer nur das Beste will, der kommt eben irgendwann auch auf die Idee, auf seinen Rundstrickmaschinen Funktionskleidung für Sportler zu produzieren, ohne störende Nähte. FA LK E S P R E MI U M A N S P R U C H ist leicht am Preis zu erkennen: Strümpfe und Strumpfhosen, die immer noch den Großteil des Geschäfts ausmachen, kosten bei Falke auf dem deutschen Markt im Schnitt zehn Euro das Paar. Billige Massenware gerade einmal zwei. So hat das Unternehmen auch in der Krise exzellente Zahlen geschrieben. Selbst wenn sie nichts zu Gewinn und Marktanteilen sagen wollen: Man darf getrost davon ausgehen, dass Falke in der kränkelnden deutschen Strumpfindustrie, in der von einstmals 130 Betrieben gerade mal gut 20 übriggeblieben sind, inzwischen die Spitzenposition einnimmt. Falke beschäftigt mehr als 2800 Menschen weltweit, hat Tochterfirmen R results Deutsche Bank 15 FOTOS: CATRIN MORITZ Management Best Practice Sechs Garne statt drei: Auch der richtige Materialmix macht den Unterschied der Edelsocke aus Design aus Paris, Handwerk aus Schmallenberg R in Portugal, der Slowakei und Südafrika. Dass FOTO: DPA/PICTURE ALLIANCE der Familienbetrieb in den vergangenen Jahren das Kunststück geschafft hat, vom Sockenstricker zur Lifestyle-Marke aufzusteigen, hat viel mit den Herren an seiner Spitze zu tun. Paul, in vielem extrovertierter als sein Cousin, hat fünf Jahre in New York gelebt. Ein Mann von Gardemaß, im Maßanzug, mit handgenähten englischen Schuhen und einem Apple iPad unter dem Arm. Franz-Peter, seines Zeichens Präsident des Markenverbandes, lebt am Wochenende mit seiner Familie in Paris. Erfolgreiche Vettern: Franz-Peter (links) und Paul Falke führen das Schmallenberger Familienunternehmen gemeinsam 16 results Deutsche Bank STUNDENL ANG K ANN FALKE über die Qualitäten von Herrensocken als Accessoire philosophieren, darüber, warum er und sein Cousin sich den Großteil ihrer Zeit in den Metropolen der Welt herumtreiben statt im Sauerland. „Wir müssen ein Gespür dafür entwickeln, wohin der Zeitgeist sich entwickelt“, sagt Paul Falke. „Das geht – bei aller Liebe – nicht in Schmallenberg.“ Aus demselben Grund haben die Cousins auch den Briten James Buckley als Chefdesigner und Leiter der Modesparte verpflichtet, einen Mann, der zuvor bei Calvin Klein, Escada und Esprit gearbeitet hat. „James wohnt mit seiner Familie am Wochenende in Köln. Und hier im Sauerland hat er sich direkt eine Blockhütte gekauft.“ Auch dieser Spagat macht die Firma Falke besonders. Natürlich haben schon die Väter von Paul und Franz-Peter Falke Stars wie F. C. Gundlach für ihre Kampagnen verpflichtet, den Hausfotografen der Frauenzeitschrift „Brigitte“ in den 60er und 70er Jahren. Der Korridor zwischen Verwaltung und Produktion in Schmallenberg hängt noch heute voller Gundlach-Motive. Auch Ellen von Unwerth und Albert Watson haben Models in FalkeStrümpfen abgelichtet, in den 80er Jahren nahmen die Sauerländer unter anderem das spätere Supermodel Tyra Banks für ihre Werbung unter Vertrag. Auf diese Weise an der Marke zu arbeiten, war für alle Falkes selbstverständlich. Sie gaben ihren Socken bereits Anfang der 60er Markennamen wie „Bristol“, „Airport“ oder „Seidenglatt“. Aber gleichzeitig ist Falke auch eine technisch exzellente Manufaktur, mit „handwerklich verbürgtem Ursprung“, wie es Paul Falke formuliert. „Ein guter Handwerker lässt nicht locker, bis er die perfekte Lösung gefunden hat.“ So kam Falke zur Sportbekleidung: In den 70er Jahren hatte man zwar Sportsocken gestrickt, vor allem Tennissocken. Doch als Boris Becker und Steffi Graf in Deutschland einen Boom des Weißen Sports auslösten, überlegten die Tüftler bei Falke, ob man nicht den Sportstrumpf neu erfinden könne. „Irgendwann fragte einer der Kollegen: Wir haben doch rechte und linke Füße, wieso haben wir eigentlich keine rechten und linken Besser denken unterm Dach: In der Kreativzentrale in Schmallenberg entstehen auch Ideen für Yoga-Tops, Sportpullover und Funktionsunterwäsche. Viele Sockendesigns wurden inzwischen zu Klassikern – das Unternehmen bietet Modelle wie „Airport“, „Milano“ oder „ Bristol“ inzwischen sogar im Abonnement an Socken?“, erinnert sich Paul Falke. Also tüftelten die Falkes gemeinsam mit Experten der Deutschen Sporthochschule Köln an Strümpfen, die an die Fußform angepasst waren. Es kamen ausgefeilte Polstersysteme hinzu – das Geschäft mit dem „Ergonomic Sport System“ war geboren. Die Falkes wären nicht die Falkes, würden sie sich allein auf die perfekte Technik verlassen. „Sport hat heute viel mit Lifestyle zu tun“, ist Paul Falke überzeugt. Da war es nur konsequent, dass die Schmallenberger mit der Zeit eine „äußerst differenzierte Sportwelt“ entwickelten: Rund gestrickte Funktionspullover gehören inzwischen zum Sortiment, nahtlos und nicht aus Einzelstücken zusammengesetzt wie bei der Konkurrenz. Und weil Falke-Bodys und Feinstrümpfe bei der Damenwelt sowieso schon einen Ruf als unverwüstlich und schick hatten, stieg das Unternehmen zuletzt auch in den Markt für Yoga-Bekleidung ein. die Manufaktur. Dann stellt er sich vor eine seiner 35 Jahre alten Bentley-Rundstrickmaschinen, zeigt einen Strumpf her und erklärt, warum nur diese Geräte, die inzwischen gar nicht mehr hergestellt werden, die perfekte „Plüschsohle“ hinbekommen, die er sich unter der Ferse vorstellt. In solchen Momenten bekommt man eine Ahnung davon, was der Bestens aufgestellt QUELLE: UNTERNEHMEN/GESAMTVERBAND TEXTIL + MODE PAUL FALKE FÜHRT BESUCHER gern durch Mann meint, wenn er von den vielen kleinen Stellschrauben spricht, die ein Produkt perfekt machen. Er lässt auf der ganzen Welt nach den besten Garnen suchen, produziert immer noch in der sauerländischen Heimat, weil er überzeugt ist, dass man das Know-how und den Geist von Schmallenberg nicht verpflanzen kann. Er strickt fünf oder sechs verschiedenfarbige Garne in einem Strumpf zusammen und eben nicht nur zwei oder drei. Und er lässt die Spitze von Hand zusammenketteln, damit Kunden mit ihren Zehen nicht an eine dicke Nahtwulst stoßen. Die Bekleidungsbranche steckt in der Rezession, Falke wächst um fast zehn Prozent und erweist sich dank seines Premiumangebots auch im schwierigen Jahr 2009 als krisenfest. (IN MIO. EURO) Falke Textilbranche insgesamt davon Bekleidung Umsatz Umsatz Veränderung 2009 2008 187* 205* + 9,63% 19 257 16 382 –14,93% 8141 7122 –12,52% * OHNE LEINEFELDER TEXTILWERKE GMBH (VERKAUFT ENDE 2009) Es ist wohl kein Zufall, dass Familie Falke seit Jahrzehnten mit dem Miele-Clan befreundet ist. Der Waschmaschinenhersteller, sagt Falke, habe nämlich ein ähnliches Qualitätsverständnis. Und er wird ebenfalls von zwei Familien geführt. Miele-Chef Reinhard Zinkann junior steht dem Falke-Aufsichtsrat vor. „Eines ist ganz wichtig, sowohl für uns als auch für Miele“, sagt Paul Falke: „Es geht nicht darum, teuer zu verkaufen. Wir wollen ein gutes PreisLeistungs-Verhältnis bieten.“ Das Produkt soll halten, was die Marke verspricht. Ein Ziel hat Paul Falke trotz aller Mühen aber noch nicht erreicht: „In Sachen Herrenstrümpfe ist in Deutschland mal eine kleine Kulturrevolution fällig.“ Während in Italien kein Maurer ohne ordentliche Kniestrümpfe aus dem Haus ginge, zögen hierzulande selbst Manager und Politiker unter ihren feinen Anzügen teilweise billige, kurze Baumwollsocken aus dem Supermarkt an. „Sogar in Talkshows blitzen einem diese weißen Männerwaden entgegen“, ärgert sich Falke. Und es geht noch schlimmer: Als Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz 2007 eine Moschee in der Türkei besuchte und dafür seine Schuhe ausziehen musste, entblößte er zwei völlig durchlöcherte Socken. Die Weltpresse machte sich genüsslich über den Fauxpas her. Und Paul Falke ließ Wolfowitz rasch eine Kiste Strümpfe schicken. Marketing ist eben die halbe Miete. O DAVID SELBACH results Deutsche Bank 17