Freiheitsbote Nr. 30
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Freiheitsbote Nr. 30
Nr. 30 Foto: Rainer Wollenschneider Freiheitsbote Rastatter Juli 2013 Liebe Vereinsmitglieder, liebe Freunde des Fördervereins, Sie werden es bemerkt haben, die dreißigste Ausgabe des Rastatter Freiheitsboten erscheint äußerlich verändert. Nach vielen kleinen Veränderungen in den letzten Jahren im Inneren zugunsten von Lesbarkeit und Attraktivität haben wir nun mit der Titelseite einen zeitgemäßen Blickfang geschaffen. Wir hoffen, damit auch bei Ihnen Zustimmung zu finden. Seine Aufgaben wird der Bote aus Rastatt selbstverständlich nach wie vor beibehalten. Er informiert Sie über das Geschehen vor Ort und wir rechnen weiter mit Ihrer Unterstützung für die Erinnerungsstätte in Rastatt. Unsere Carl-Schurz-Vorlesung am 23. Juli, die wir gemeinsam mit dem Bundesarchiv und der Stadt Rastatt durchführen, hat sich als attraktive Veranstaltung etabliert. Wir freuen uns, dass diesmal Generalbundesanwalt Harald Range unser Gastredner sein wird. Über die Veranstaltung informieren wir Sie ausführlich im nächsten Freiheitsboten. Über eine Personalie dürfen wir uns freuen: Frau Dr. Elisabeth Thalhofer steht inzwischen wieder ausschließlich für die Erinnerungsstätte zur Ver- fügung. Damit wurden auch unsere Bemühungen für einen Einsatz mit „voller Kraft“ in Rastatt bestätigt. Bei den Vorstandswahlen im April wurde Frau Dr. Irmgard Stamm als Nachfolgerin für den aus Altersgründen ausscheidenden Herrn Schiwek, dem wir herzlich für sein Engagement danken, neu gewählt. Alle anderen Vorstandsmitglieder wurden bestätigt, für das Vertrauen danken wir Ihnen recht herzlich. Wir werden weiterhin der satzungsgemäßen Aufgabe gerecht, indem wir uns bei fast allen Veranstaltungen im „Freiheitsmuseum“ aktiv einbringen. In diesem Sinne werden wir weiter an die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte erinnern – auch als Beitrag für die aktuellen politischen Diskussionen. Gunter Kaufmann, Prof. i.R., Vorsitzender des Fördervereins Dr. Clemens Rehm, ehrenamtlicher Geschäftsführer 1 Roland Jahn in der Erinnerungsstätte Zwischen Anpassung und Widerspruch in der DDR Im vollbesetzten Ahnensaal des Rastatter Residenzschlosses begrüßte der Präsident des Bundesarchivs, Dr. Michael Hollmann, den Bundesbeauftragten Foto: Rainer Wollenschneider für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn. Groß war am 17. April der Andrang im Ahnensaal der Barockresidenz beim Vortrag des „Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR“ (BStU), der titulierten „Gauck-Behörde“, Roland Jahn. Er machte deutlich: „Mein Beispiel steht für viele in der DDR, die Ähnliches erlebt haben.“ An der Stelle des kurzfristig verhinderten Oberbürgermeisters Hans Jürgen Pütsch, sorgte der Präsident des Bundesarchivs, Dr. Michael Hollmann, für die Begrüßung. Er wies auf die ständige Zusammenarbeit mit der BStU und seiner Dienststelle hin. Außerdem müsse man wohl zwischendurch in Rastatt gewesen sein, um Bundespräsident zu werden, was hinterher auch vom ehemaligen Jenaer Bürgerrechtler Roland Jahn scherzhaft bekräftigt wurde. Dieser staunte nicht schlecht, als Elisabeth Thalhofer ihm in der Dauerausstellung zu den DDR-Freiheitsbewegungen in Rastatt einen Brief präsentierte, den er 1982 aus der Haft als Protest an Erich Honecker geschrieben hatte. Dazu Jahn: „Der gute Ruf der Rastatter Erinnerungsstätte, mit einer Einrichtung von republikweiter Bedeutung, ist bis Berlin vorgedrungen.“ Die Dokumentationen passen zum authentischen Ort, zum Beispiel während der badischen Revolution von 1849. Jahn weiter: „Rastatt mit der Erinnerungsstätte ist eine Lernstätte der Demokratie.“ Was dann von Roland Jahn folgte, war ein autobiografischer Rückblick auf sein Leben in der DDR. Man frage sich heute: Warum konnte eine solche Diktatur so lange funktionieren? Im Leben zwischen der Anpassung und dem unterdrückten Widerspruch läge Antwort. Jahn berichtete von seinen persönlichen Erlebnissen während 2 der Studienzeit. Zunächst: „Ich machte mir keine Gedanken und marschierte mit.“ Gerade mit Rücksicht auf seine Familie ließ er sich im Automatismus des Regimes fangen. „Das System der Angst hat funktioniert“, betonte Roland Jahn, der dann keine faulen Kompromisse mehr eingehen wollte, als sein Freund Matthias Domaschk in der Haft der Staatssicherheit ums Leben kam. Zudem wäre sein Vater nun Rentner gewesen, was die In der Dauerausstellung wird der Protestbrief gezeigt, den Roland Jahn 1982 aus der Stasi-Haft an Erich Honecker schrieb (siehe Freiheitskolumne). Foto: Rainer Wollenschneider zu erwartenden Repressalien bei Protesten beträfe. In Folge seiner Solidaritätsbekundung mit der polnischen Freiheitsbewegung – er befestigte an seinem Fahrrad eine polnische Fahne mit der Aufschrift „Solidarnośź“ – wurde Roland Jahn verhaftet. Nach monatelanger Einzelhaft und Repressalien gegen den Vater folgte durch Druck aus dem Westen die Ausbürgerung aus der DDR. Roland Jahn fügte dann an, dass er bei den Tätern in der DDR das Bekenntnis zur Biografie vermisse. Dabei sorgten die 111 Kilometer langen Aktenstraßen der BStU in Berlin für Transparenz und Aufklärung. Exemplarisch könne ein Überwachungs- und Unterdrückungsstaat vor Augen geführt werden. Dabei sind die ermittelten Täter auch Teil des Rechtsstaates und müssten so trotz allen Unrechts behandelt werden. Aktuell sind es Vertreter arabischer Umbruchstaaten, die sich in Berlin bei der BStU über das Vorgehen erkundigen würden. Im März 1983 nimmt Roland Jahn als Mitglied der Friedensgemeinschaft Jena mit eigenem Plakat an einer offiziellen Kundgebung teil. Die Staatssicherheit schreitet brutal ein und zerreißt die Transparente. Im Anschluss an den Vortrag leitete der Vorsitzende des Fördervereins, Gunter Kaufmann, eine Fragerunde. Deutlich wurde dabei, nur, wenn man eine Diktatur wie die in der DDR begreifen kann, Foto: Robert-Havemann-Gesellschaft, MDA Fo 11515a, Stephan Zigan ist eine echte Demokratie zu gestalten. Roland Jahn ist ein überzeugter und engagierter Kämpfer dafür. Rainer Wollenschneider Aus dem Inhalt Roland Jahn in der Erinnerungsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Sonderausstellung „Besondere Bemühungen – Schlaglichter auf die deutsch-deutschen Beziehungen 1952 – 1972“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Herbert Fraß ausgezeichnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bericht von der Jahreshauptversammlung . . . . . . . . . 6 Klaus Schiwek scheidet aus dem Vorstand aus . . . . 7 Nachruf – Erwin Dürrschnabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Eine Demokratie braucht starke Demokraten . . . . . 9 Carl Schurz reloaded . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Jahresausflug am 19. Oktober 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Landesminister Peter Friedrich besucht die Erinnerungsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Dr. Wolfgang Gerhardt zu Gast in der Erinnerungsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Schlosserlebnistag 2013 – mit Hilfe des Fördervereins ein voller Erfolg! . . . . . . 12 „Wir wollen freie Menschen sein!“ Ausstellung zum 17. Juni 1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 165 Jahre Provisorische Zentralgewalt . . . . . . . . . . . . . . . 14 Freiheitskolumne Bewirken Sie meine Freilassung! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Dr. Michael Hollmann, Dr. Elisabeth Thalhofer, Roland Jahn und Foto: Rainer Wollenschneider Gunter Kaufmann. Terminhinweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3 Sonderausstellung „Besondere Bemühungen – Schlaglichter auf die deutsch-deutschen Beziehungen 1952 – 1972“ Elke-Ursel Hammer im Gespräch mit Barbara und Wolfgang Lange (v.l.n.r.). Vom 14. März bis zum 30. April wurde in der Erinnerungsstätte die Sonderausstellung „Besondere Bemühungen – Schlaglichter auf die deutsch-deutschen Beziehungen 1952 – 1972“ gezeigt. Die beiden Jahrzehnte waren davon gekennzeichnet, dass es im Miteinander der beiden deutschen Staaten keine Normalität gab: Es bestanden keine amtlichen Beziehungen, es gab keine politische Arbeitsebene. Die Tagesordnung war bestimmt durch „besondere Bemühungen“, die eben der „besonderen“ staatlichen Konstellation geschuldet waren. Anlässlich der Eröffnung der Sonderausstellung beleuchtete Dr. Elke-Ursel Hammer aus dem Bundesarchiv in Koblenz einen Aspekt dieser „besonderen Bemühungen“, über den immer noch wenig bekannt ist: der Freikauf von Gefangenen, die aus politischen Gründen in DDR-Gefängnissen saßen. Für den Band „Besondere Bemühungen“ in der Editionsreihe „Dokumente zur Deutschlandpolitik“ befasste sie sich intensiv mit den Themen Häftlingsfreikauf, Familienzusammenführung und Agentenaustausch zwischen 1962 und 1969. In dem Sonderband sind über 400 bislang geheimgehaltene Dokumente zusammengetragen, die meisten stammen aus dem Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen. Im Ausstellungsteil zu den Freiheitsbewegungen in der DDR werden mehrere Schicksale freigekaufter Häftlinge geschildert. Doch wie kam es zu ihrer Freilassung? Wer waren die Akteure, die diese 4 Foto: Rainer Wollenschneider bewirkten? Um dies zu erfahren, muss man zurückblicken ins Jahr 1963. Der Mauerbau liegt erst zwei Jahre zurück. Es gibt keine offiziellen Verbindungen zwischen den beiden deutschen Staaten; die Bundesrepublik erkennt die DDR nicht an. Trotzdem gelingt es damals, acht Häftlinge für eine Summe von 320.000 D-Mark freizukaufen. Diese acht Menschen bildeten nur den Anfang: Bis zum Jahr 1989 wuchs die Zahl der freigekauften Häftlinge auf 33.750, hinzu kamen rund 250.000 Familienzusammenführungen sowie 2.000 Kinder, die zu ihren Eltern in den Westen übersiedeln durften. Als Gegenleistung lieferte die Bundesrepublik Waren im Wert von 3,5 Milliarden D-Mark. Von der ersten Stunde an beteiligt war Ludwig Rehlinger, damals Ministerialbeamter im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen. Bei der ersten Freikaufsaktion gehörte zu seinen Aufgaben, die acht Häftlinge auszusuchen, die im Westen in die Freiheit entlassen werden sollten. „Es war das schrecklichste Geschäft meines Lebens“, sagte er Jahrzehnte später in einem Interview. „Ich habe versucht, jeden Kontakt mit den Freigelassenen zu vermeiden, denn ich wollte mich nicht seelisch belasten. Mir war ja klar, dass ich gleichzeitig vielen anderen nicht helfen konnte.“ „Das war schon ein deutsch-deutscher Krimi, der sich da abspielte“, resümierte auch Hammer in ihrem Vortrag und berichtete von Bussen, die in James-Bond-Manier für den Häftlingstransfer in die Bun- Im Anschluss an den Vortrag erläuterte Gisela Müller aus dem Bundesarchiv in Koblenz die Sonderausstellung „Besondere Bemühungen“, die aus Foto: Rainer Wollenschneider ihrer Feder stammte. desrepublik mit Drehnummernschildern ausgerüstet waren. Das meiste spielte sich im Schutz der Dunkelheit ab und nur wenige waren in die Austausche eingeweiht. Nach Elke-Ursel Hammer handelte es sich durchaus um einen „Menschenhandel“, weswegen beide Seiten höchste Geheimhaltung wahrten. Selbst der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte kaum Einblick in die Transfers, die man als Kulturzuwendungen tarnte. Aus der Kenntnis der Quellenlage heraus, schilderte die Referentin das Hinund-Her-Gehandle, bei dem die DDR nicht nur politische sondern auch kriminelle Gefangene bzw. Spione in die Bundesrepublik schickte. „Wir wurden erpressbar“, schilderte Dr. Hammer, denn die DDR schraubte den Erlös pro Häftling ständig höher. „Letztendlich hat die finanzielle Spritze zur Stützung der maroden DDR- Wirtschaft beigetragen und der Häftlingsfreikauf war bis 1989 ein dauerhafter Ausnahmezustand und solides Dauergeschäft“, stellte Elke-Ursel Hammer fest. Barbara und Wolfgang Lange, die aus Baden-Baden zu dem Vortrag gekommen waren, bestätigten und ergänzten ihren Bericht. Beide waren Mitte der achtziger Jahre freigekauft worden. Sie hatten ihre Originalausweise mitgebracht und schilderten den Ablauf beim Transfer von Freigekauften. Das Thema war auf so viel Interesse gestoßen, dass der Vortragssaal der Erinnerungsstätte dem Andrang der Besucherinnen und Besucher kaum gewachsen war. Und so kam es auch hinterher beim vom „Förderverein Erinnerungsstätte“ arrangierten Empfang zu einem lebhaften Austausch über das Gehörte – und selbst Erfahrene. Elisabeth Thalhofer und Rainer Wollenschneider Herbert Fraß mit Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet Der seinerzeitige Staatssekretär im Kultusministerium und heutige Oberbürgermeister von Karlsruhe Dr. Frank Mentrup zeichnete im Januar Herbert Fraß mit dem Bundesverdienstkreuz aus. Herbert Fraß, der auch 20 Jahre dem Rastatter Stadtrat angehörte, wurde für sein vielfältiges ehrenamtliches Engagement in zahlreichen Rastatter Vereinen geehrt. Dazu zählt auch die Mitgliedschaft im Förderverein der Erinnerungsstätte, dem er seit seiner Gründung im Jahre 1995 angehört. Gunter Kaufmann betonte in seiner Würdigung anlässlich des Ehrungsabends vor den zahlreichen Gästen in der Badner-Halle, dass Fraß nicht nur Gründungsmitglied sei, sondern zunächst als Schatzmeister und derzeit als 2.Vorsitzender immer aktiv im Vorstand mitgearbeitet habe. Er gehöre zu den Menschen, die es als eine Selbstverständlichkeit ansehen, ihre Fähigkeiten auch in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Mit einem Buchgeschenk bedankten sich Frau Dr. Thalhofer und Herr Kaufmann bei Herrn Fraß, verbunden mit dem Wunsch auf eine weitere gute Zusammenarbeit. Gunter Kaufmann und Elisabeth Thalhofer gratulierten Herrn und Frau Foto: Miriam Fischer, Stadt Rastatt Fraß (Mitte) zu der besonderen Ehrung. 5 Bericht von der Jahreshauptversammlung Neuwahl des Vorstandes Der neue Vorstand des Fördervereins (v.l.n.r.): Dr. Irmgard Stamm, Dr. Elisabeth Thalhofer, Dr. Clemens Rehm, Herbert Fraß, Martina Schinke, Rainer Wollenschneider, Dr. Dietmar Greiser, Maik Pippig und Gunter Kaufmann. Auf dem Bild fehlen: Judith Benke und Prof. Foto: Bundesarchiv, Alexander Danner Dr. Wolfgang Hochbruck. Am 24. April fand die diesjährige Mitgliederversammlung des Fördervereins der Erinnerungsstätte mit Neuwahl der Vorstandsmitglieder statt. Gleich zu Beginn der Versammlung gedachten die anwesenden Mitglieder ihres im Januar verstorbenen langjährigen Vorstandsmitgliedes Erwin Dürrschnabel. Geschäftsführer Dr. Clemens Rehm zog für die Arbeit des Vereins eine durchweg positive Bilanz. Die Zahl der Mitglieder konnte nicht nur stabilisiert, sondern sogar leicht erhöht werden – 259 Freunde und Förderer zählte der Verein der Erinnerungsstätte zum Zeitpunkt der Jahreshauptversammlung. Höhepunkte des Vereinslebens im vergangenen Geschäftsjahr waren die traditionelle Carl-SchurzLesung mit Prof. Dr. Rudolf Geiger am 23. Juli, der Jahresausflug des Fördervereins in die Pfalz und der Besuch des Bundespräsidenten in der Erinnerungsstätte am 18. Oktober. Erfreulich auch: Der Verein konnte im Geschäftsjahr 2012 kostendeckend arbeiten und bei den Druckkosten für die Vereinszeitschrift „Freiheitsbote“ sogar einsparen. Bei der sich anschließenden Neuwahl des Vorstandes wurden Gunter Kaufmann als Vorsitzender und Herbert Fraß als sein Stellvertreter im Amt bestätigt. Judith Benke (Beisitzerin), Martina Schinke (Schriftführerin), Dr. Dietmar Greiser (Beisitzer), Prof. Dr. Wolfgang Hochbruck (Beisitzer), Maik Pippig (Schatzmeister) sowie Rainer Wollenschneider (Beisitzer) wurden einstimmig wieder in den Vorstand gewählt. Für Klaus Schiwek, der nicht mehr für den Vorstand kandidierte, rückte Dr. Irmgard Stamm (Beisitzerin) nach. 6 Clemens Rehm stellte den Flyer über Gustav Heinemann und die ErinFoto: Bundesarchiv, Alexander Danner nerungsstätte vor. Dr. Clemens Rehm als ehrenamtlicher Geschäftsführer und Axel Wafzig als Kassenprüfer wurden ebenfalls in ihren Ämtern bestätigt. Für eine Überraschung sorgte die Leiterin der Erinnerungsstätte, Dr. Elisabeth Thalhofer, in ihrem Bericht. Ab 1. Mai 2013 leitet sie das „Freiheitsmuseum“ wieder in Vollzeit. „Lebens- und Arbeitsmittelpunkt befinden sich nun wieder im Einklang“, gab sie ihrer Freude darüber Ausdruck. Nach der Mitgliederversammlung stellte Vorstandsmitglied Wolfgang Hochbruck zusammen mit Aynur Erdogan die vom Förderverein mitfinanzierte Broschüre „Carl Schurz“ vor, die in der Erinnerungsstätte erworben werden kann. Martina Schinke Klaus Schiwek scheidet aus dem Vorstand des Fördervereins aus Foto: Bundesarchiv, Alexander Danner Er war einer der maßgeblichen Personen zusammen mit Christof Müller-Wirth, was die Gründung des „Fördervereins Erinnerungsstätte“ betrifft. Nun verließ Klaus Schiwek nach vielen Jahren den Vorstand, der seine Erfahrung und seinen Rat zu schätzen gelernt hatte. Schiwek fungierte zehn Jahre als Schriftführer, war Beisitzer und wirkte fruchtbar auch nach außen. Der gelernte Diplom-Verwaltungswirt hatte bei der Stadt Rastatt verschiedene Ämter inne und war zehn Jahre Pressesprecher von Oberbürgermeister Rothenbiller. Wichtig, sein Wirken als Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung und Fremdenverkehr. Dabei kam es auch zur Einrichtung eines Rastatter „Carl-Schurz-Hauses“ an der Kaiserstraße. Insgesamt wirkte Klaus Schiwek 38 Jahre bei der Stadt Rastatt und konnte seine wertvollen Erfahrungen in die Arbeit des „Fördervereins Erinnerungsstätte“ mit einbringen. Weiterhin will Klaus Schiwek nun das Geschehen in der „Erinnerungsstätte“ konstruktiv verfolgen, wie auch das der Stadt Rastatt und des Historischen Vereins. Klaus Schiwek (Mitte) bleibt der Erinnerungsstätte verbunden. Nachruf Dürrschnabel Im Alter von 83 Jahren verstarb am 28. Januar Erwin Dürrschnabel aus Bietigheim. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Fördervereins und war viele Jahre im Vorstand aktiv. Foto: privat Förderverein trauert um Erwin Der leitendende Regierungsbaudirektor bei der Oberfinanzdirektion war in den 1990er Jahren maßgeblich an der konzeptionellen Neugestaltung der Ausstellung zu den Freiheitsbewegungen im 19. Jahrhundert beteiligt. Der Freiheitsbaum im Innenhof der Erinnerungsstätte entstand auf seine Initiative. Bei der Jahreshauptversammlung gedachten die anwesenden Mitglieder ihres langjährigen Mitstreiters. Unverzichtbar war Erwin Dürrschnabels fachlicher Rat etwa bei der Aufstellung eines Stückes Berliner Mauer in der Dauerausstellung im Jahre 2001. Foto: Bundesarchiv Erwin Dürrschnabel engagierte sich als Bietigheimer Gemeinderat und Mitglied des Kreistages viele Jahre ehrenamtlich in der Kommunalpolitik. 1992 wurde er ob seiner Verdienste mit der Ehrenmedaille des Gemeindetages gewürdigt. 1995 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Der Förderverein wird ihm ein ehrendes Angedenken bewahren. 7 Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Erinnerungsstätte Türkan Karakurt von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Ellen Esen und Elisabeth Thalhofer (v.l.n.r.). Foto: Rainer Wollenschneider „Es gibt in Baden-Württemberg ein rechtsextremes Netzwerk, das aus Parteien, Kameradschaften, Cliquen besteht“, schloss die Karlsruher Politikwissenschaftlerin Ellen Esen ihren fast zweistündigen Vortrag, anlässlich der Eröffnung der Sonderausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“ am 7. Mai. Die Präsentation mit 15 informativen, grafisch gestalteten Tafeln, die vom 6. bis 26. Mai in der Erinnerungsstätte gezeigt wurde, war dem Fritz-Erler-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung zu verdanken. Für diese sprach Türkan Karakurt, man wolle sich gegen die Verharmlosung rechter Aktivitäten wenden und schätze 2.700 rechte Aktivisten allein in Baden-Württemberg. Dabei soll der Forderung der Rechten, die parlamentarische Demokratie abzuschaffen, entgegengetreten werden. Die Leiterin der „Erinnerungsstätte“, Elisabeth Thalhofer, verwies durch den laufenden NSU-Prozess auf die traurige Aktualität und Brisanz des angegangenen Themas. Die Aufgabe der „Erinnerungsstätte“ als „Lernort der Demokratie“ sei auch, auf deren Gefährdung hinzuweisen und diese durch Aufklärung zu schützen. Als engagierte, kompetente und furchtlose Streiterin gegen rechtsextreme Aktivitäten präsentierte sich Ellen Esen, die umfassend auf Kameradschaften, Skinheads, Autonome Nationalisten und den rechten Lifestyle hinwies, welche durch „Braune Verbindungen“, Internet-Netzwerke, miteinander verbunden sind. Dabei wurde mit dem Klischee aufgeräumt, Rechte hätten typische Erscheinungsformen, wie Glatzen und Springerstiefel. Buttons an den Mützen würden als Identifikation bei Aufmärschen genügen. 8 Eine mutige Streiterin gegen Rechtsextreme: Ellen Esen betreut auch Foto: Rainer Wollenschneider Aussteiger aus der Szene. Neben den Aktivitäten von Gruppen in Baden-Württemberg, nahm Ellen Esen gerade die Region Rastatt ins Visier. Hier seien die Rastatter und die Karlsruher Kameradschaft überregional vernetzt. „Die Rastatter und Karlsruher Kameradschaft sind in ihren Aktivitäten nicht weit auseinander“, merkte Ellen Esen an. Hier würden nationalsozialistische Traditionen fortgesetzt. Optisch seien die „Rechten 2013“ oft „Leute, wie du und ich“, fügte die Referentin an. Im Vordergrund stünde die „Volksgemeinschaftsideologie“ und die titulierte „BRD“ werde als Unrechtsstaat verunglimpft. hätten. Unter der Überschrift: „Braune Verbindungen: Vereint über soziale Netzwerke“ wurden auch mit Augenstreifen Personen mit lokalem Bezug gezeigt. „Auf öffentlichen Druck“ hätte ein Rastatter Anwalt die rechts-belastete Nicole Schneiders aus seiner Kanzlei entlassen. Warum sich das Ausschlussverfahren verzögere, könne Ellen Esen nicht verstehen. Was den NSU-Prozess beträfe, so müsse auch in Baden-Württemberg ein Untersuchungsausschuss eingerichtet werden, um die letzten 20 Jahre rechte Szene aufzuarbeiten, gerade, was die Unterstützer betrifft. Was den Wahlkreis 32 „Rastatt“ beträfe, so lägen nach Esen rechte Hochburgen auf niederem Niveau vor. Dabei seien Rheinmünster, Lichtenau, Hügelsheim, Forbach, Iffezheim, Loffenau und Ötigheim Orte bei der Wahl 2011 gewesen, die rechte Sympathisanten An den Vortrag schloss sich eine Fragerunde an, die wertvolle Ergänzungen lieferte. Als positive Initiative wurde das „Bündnis Rastatt/Murgtal gegen Faschismus und Rassismus“ von Esen empfohlen. Rainer Wollenschneider Eine Demokratie braucht starke Demokraten – Stephan Braun berichtet über neue Strategien der extremen Rechten „Eine Demokratie braucht starke Demokraten“, mahnte der ehemalige Landtagsabgeordnete Stephan Braun in seinem Vortrag über „Neue Strategien der extremen Rechten“ in der Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte am 16. Mai. Kreisrat Jan Ernest Rassek rief die Zuhörerinnen und Zuhörer in seinem Grußwort dazu auf, wachsam zu sein und Neonazis entschieden entgegen zu treten. „Rechtes Gedankengut ist auf dem Vormarsch“, sagte Braun, „man findet rechtsextreme Vorstellungen in allen sozialen Schichten, Altersgruppen und politischen Strömungen.“ Braun, dem schon mehrfach Morddrohungen aus der rechten Szene entgegengebracht wurden, überraschte die Zuhörerinnen und Zuhörer mit Beispielen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen, mit Musikeinspielungen und Videoausschnitten. Deutlich wurde: Das Themenspektrum der Rechten hat sich in den letzten Jahren enorm erweitert. Es reicht vom antiislamischen Rechtspopulismus bis zur rechtsextremen Esoterik, die durch „neue germanische Medizin“ Anhänger gewinnen will; es umfasst die „braune Ökobewegung“, bei der Rechtsextreme versuchen, Umweltthemen aufzugreifen („Umweltschutz ist Heimatschutz“), ebenso wie die Besetzung sozialpolitischer Themenfelder, mit der Protestwähler gewonnen werden sollen. Nicht zufällig, so Stephan Braun, fordere die NPD als Mindestlohn 8,80 Euro – in rechtsextremen Kreisen wird die Zahl „88“ als Code verwendet: die 8 steht für den achten Buchstaben im Alphabet, und die 88 markiert als „HH“ den Gruß „Heil Hitler“. Bedenklich sei zudem, dass die „Generation Hoyerswerda“ immer gewaltbereiter werde und ein Übergang vom Rechtsextremismus zum Rechtsterrorismus zu bemerken sei. „Wir müssen die Bildungsarbeit stärken und Programme gegen Rechtsextremismus verstetigen“ appellierte Braun am Ende seiner Ausführungen. Wachsam sein, aufklären und die Grundlagen unseres Menschenbildes und Demokratieverständnisses deutlich machen – dazu rief auch Gunter Kaufmann als Vorsitzender des Fördervereins der Erinnerungsstätte auf, der im Anschluss an die Veranstaltung zu einem kleinen Empfang lud. Elisabeth Thalhofer Der Vorsitzende des Fördervereins, Gunter Kaufmann, überreicht seinem ehemaligen Landtagskollegen eine Flasche „Tyrannenblut“, rechts die Leiterin der Erinnerungsstätte, Elisabeth Thalhofer. Foto: Bundesarchiv, Alexander Danner 9 Carl Schurz reloaded Förderverein stellt neue Broschüre über den Freiheitskämpfer vor “Jetzt krachten die Kanonen, deren Knall sich an den verschiedenen größeren Gebäuden und Gassenbiegungen in der Stadt auf das Sonderbarste im Widerhall brach, wieder nach Herzenslust, aber ich vermisste das maliziöse Schnurren der Granaten, die in der vorigen Nacht in meiner nächsten Umgebung reichlich geplatzt waren, ja, in dem Dach meines Hauses schlechte Wirtschaft gemacht hatten.” setzung des Nachrufs von Mark Twain sowie zwei Texte von Schurz komplettieren diesen außergewöhnlichen Band. Aynur Erdogan und Wolfgang Hochbruck So beschreibt Carl Schurz seine letzten Tage in Rastatt in einem Zeitungsartikel, der ein Jahr nach der Kapitulation der Festung in der Neuen Bonner Zeitung erschien. Als 19-jähriger Philologiestudent hatte sich Schurz zum Studentenführer entwickelt und wurde als Delegierter im September 1848 zum zweiten Eisenacher Studentenkongress geschickt. Die Erfahrungen, die er aus der Revolutionsphase mitnahm, sollten ihn sein gesamtes Leben begleiten. 1849 nur knapp aus der Rastatter Festung geflohen, lebte er in Zürich, Paris und London, bevor er sich in den Vereinigten Staaten niederließ. Schurz wurde der bekannteste Vertreter der deutschen Einwanderergruppe in den Vereinigten Staaten. Er war Revolutionär, Wahlkämpfer, Diplomat, General, Zeitungsredakteur, Politiker, zeitweise Senator sowie Innenminister der USA und ein geachteter wie gefürchteter politischer Kolumnist, aber auch Ehemann und Vater von fünf Kindern. In Deutschland erinnerten für Jahrzehnte hauptsächlich Straßen und Schulen an den großen Deutsch-Amerikaner, aber es gibt Anzeichen einer Wiederbelebung: Mark Twain hat er in politischen Fragen als Lotse gedient und auch heute kann Carl Schurz mit seinen Überzeugungen und Zielen inspirieren. Die Broschüre, die in Kooperation zwischen dem Förderverein und dem Carl-Schurz-Haus in Freiburg entstanden ist, gewährt neue Einblicke für interessierte Laien wie für Spezialisten: Zahlreiche noch nie erschienene Fotos der Familie Schurz, eine deutsche Über- Wolfgang Hochbruck, Aynur Erdogan und Gunter Kaufmann (v.l.n.r.) Foto: Bundesarchiv, Alexander Danner nach der Vorstellung der Broschüre. Hambacher Schloss / Neustadt Jahresausflug am 19. Oktober 2013 Unser diesjähriger Ausflug wird uns am 19. Oktober zum Hambacher Schloss führen, von dem mit seinem Freiheitsfest im Mai 1832 ein wichtiges Signal für die Freiheitsbewegung in Deutschland ausging. Der damals von den Rednern beschworene europäische Gedanke ist bis heute aktuell. Nach den in den letzten Jahren durchgeführten Renovierungen im Schloss und um das Schloss herum, erstrahlt dieser Ort in neuem Glanz. Vorgesehen sind – bei genügend Anmeldungen – zwei verschiedene Führungen, eine inszenierte und eine „klassische“. Nach dem Mittagessen mit Blick vom Schlossberg in die Rheinebene steht eine Besichtigung von Neustadt a.d.W. auf dem Programm, einer Stadt mit wechselvollem Schicksal und einer gemütlichen Altstadt. Da Neustadt auch als deutsche „Weinhauptstadt“ gilt, ist eine Weinprobe mit „unserem Winzer“ Ludwik Adamé Haass vorgesehen, dessen Weine „Freiheitsbote“ und „Tyrannenblut“ bei Veranstaltungen in Rastatt ausgeschenkt werden. Weitere Details finden Sie rechtzeitig auf unserer Internetseite. Die Mitglieder des Fördervereins werden zusätzlich in unseren Rundbriefen informiert. Clemens Rehm 10 Vereinsmitglied und Winzer Ludwik Adamé Haass (l.). Foto: Bundesarchiv, Ulrich Lang Landesminister Peter Friedrich besucht die Erinnerungsstätte Am Tisch der Provisorischen Zentralgewalt von 1848/49 trägt sich der Landesminister ins Gästebuch der Erinnerungsstätte ein. Fotos: Rainer Wollenschneider Am 18. Januar 2013 war der Landesminister für den Bundesrat, für Europa und Internationale Angelegenheiten, Peter Friedrich, in Rastatt zu Gast. Nachdem der Minister seine Gesprächstermine im Landratsamt absolviert hatte, besuchte er die „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte” im Rastatter Schloss. Begleitet vom Fördervereinsvorsitzenden Gunter Kaufmann führte die Leiterin der Bundesarchiv-Außenstelle, Dr. Elisabeth Thalhofer, durch die Präsentation. „Ich war schon als Schüler hier, aber abfragen dürfen Sie mich nicht“, scherzte Friedrich. Beim Rundgang stellte sich dann aber schnell heraus, dass der gebürtige Karlsruher zu tief gestapelt hatte – Peter Friedrich outete sich als Hecker-Fan und beeindruckte mit fundiertem Wissen über den badischen Revolutionär. Zum Abschluss seines Besuches ließ es sich der Landesminister nicht nehmen, trotz eisiger Kälte durch den Schnee zu stapfen und das Denkmal für die standrechtlich Erschossenen von 1849 zu besuchen. Der Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Dr. Wolfgang Gerhardt zu Gast in der Erinnerungsstätte Am 29. Juni 2013 hatten die Bezirke Mittelbaden und Nordbaden der FDP zum Zwei-Bezirke-Forum in die Erinnerungsstätte eingeladen. Bei einer Führung mit der Leiterin, Dr. Elisabeth Thalhofer, begaben sich die Liberalen auf Spurensuche im Ausstellungsteil „Freiheitsbewegungen im 19. Jahrhundert“. Anschließend sprach der langjährige Bundes- und Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten, Dr. Wolfgang Gerhardt, der heute der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit vorsteht, „Zum normativen Profil liberaler Politik“. Eine lebhafte Diskussion zum Thema „Quo vadis, Liberalismus“ hinterließ bei Gerhardt den Eindruck: „Ein unvergessliches Erlebnis an diesem geschichtsträchtigen Ort!“ „Quo vadis Liberalismus?“ fragten Prof. Dr. Erich Schweickert MdB, Lutz Jäckel, Dr. Wolfgang Gerhardt MdB und Dr. Hans-Ulrich Rülke MdL (v.l.n.r.) in der Erinnerungsstätte. Foto: Volker Rehfeld 11 Schlosserlebnistag 2013 – mit Hilfe des Fördervereins ein voller Erfolg! Vereinsmitglieder Hans-Jürgen Dick und Wolfgang Hochbruck als Revolutionäre in Aktion. „Die Gedanken sind frei!“ sangen Darsteller und Zuschauer gemeinsam zum Abschluss der gelungenen Vorstellung. Der „Schlosserlebnistag“ am 16. Juni lockte auch in diesem Jahr wieder viele hundert Kinder und Erwachsene in die Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte. Dank der Fördervereinsmitglieder Prof. Dr. Wolfgang Hochbruck und Dr. Hans-Jürgen Dick konnte den zahlreichen Besuchern ein buntes Programm geboten werden! Als Mitglieder der Geschichtstheatergesellschaft e.V. schlüpften Hochbruck und Dick in die Rollen von Carl Schurz und Friedrich Hecker und nahmen die Zuschauer mit ihrem Stück „1849/1861“ im Innenhof der Erinnerungsstätte mit auf eine Zeitreise von der Badischen Revolution bis zum Amerikanischen Bürgerkrieg. 12 Die Stadtmaus-Geschichten aus der Revolutionszeit machten nicht nur Fotos: Bundesarchiv, Elisabeth Thalhofer den kleinen Besuchern Freude. Und als im Innern der Erinnerungsstätte der Rastatter Autor Hans Peter Faller aus seinem im Oktober erscheinenden Buch „Ludwig die Stadtmaus“ Geschichten aus der Revolution vorlas, lauschten nicht nur die Kleinen mucksmäuschenstill. Schließlich durfte das Gehörte anschließend gemalt werden! Elisabeth Thalhofer „Wir wollen freie Menschen sein!“ Ausstellung zum 17. Juni 1953 in der Erinnerungsstätte Bis 1990 war der 17. Juni Feier- und Gedenktag, wobei die Erinnerung an den zeitlichen Hintergrund mehr und mehr verloren ging. Der Volksaufstand in der damaligen DDR 1953 hat aber immer noch eine Botschaft, die es der „Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ wert war, eine Wanderausstellung zu kreieren. Unter dem Titel „Wir wollen freie Menschen sein! Der DDRVolksaufstand vom 17. Juni 1953“ sind 20 informative und bebilderte Tafeln bis zum 13. Oktober in der Erinnerungsstätte in der Rastatter Barockresidenz zu betrachten. Die Leiterin der Außenstelle des Bundesarchivs, Dr. Elisabeth Thalhofer, wies bei der Eröffnung auf die wertvolle Ergänzung zur Dauerausstellung hin. Sie führte auch in den ergänzenden 45-minütigen Dokumentarfilm mit Spielszenen zum 17. Juni 1953 von Freya Klier ein. „Darin wird der Flächenbrand in der DDR eindrucksvoll optisch belegt“, bemerkte Elisabeth Thalhofer. Die Besucher zeigten sich vom Film zum 17. Juni beeindruckt, zumal nicht nur Berlin sondern die Ereignisse in Leipzig im Mittelpunkt stehen. Dabei werden zwei Einzelschicksale in den Mittelpunkt gerückt: Der zehnjährige Peter Schmidt überlebte einen Bauchschuss aus der Stasizentrale und Paul Ochsenbauer (15) wurde unter bis heute ungeklärten Umständen von den Sowjets erschossen. Elisabeth Thalhofer im Gespräch mit Jens Friesicke. Foto: Rainer Wollenschneider Unter den Besuchern der Ausstellungseröffnung war auch Jens Friesicke, der die Ereignisse in Leipzig 1953 erlebt hatte und ein Jahr später mit seinen Eltern aus der DDR floh. Rainer Wollenschneider 13 165 Jahre Provisorische Zentralgewalt Dr. Elisabeth Thalhofer mit den Referenten Dr. Thomas Stockinger und Tobias Hirschmüller sowie dem Geschäftsführer des Fördervereins, Dr. Foto: Rainer Wollenschneider Clemens Rehm. Mit Einblicken in aktuelle Forschungsprojekte gedachte die Erinnerungsstätte am 27. Juni der Einberufung der ersten demokratisch legitimierten gesamtdeutschen Regierung: Vor 165 Jahren, am 28. Juni 1848, verabschiedeten die Abgeordneten der Nationalversammlung in der Paulskirche nach intensiven Debatten ein Gesetz zur Einsetzung einer Exekutive für den deutsche Bundesstaat – auch wenn dieser zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht real existierte. Damals bestimmte erstmals ein durch freie Wahlen legitimiertes Parlament eine deutsche Regierung. Sie sollte die Regierungsgeschäfte bis zum Inkrafttreten des Verfassungswerkes, das auszuarbeiten sich die Abgeordneten der Paulskirche auf die Fahnen geschrieben hatten, führen. Deshalb sollte diese Regierung auch nur vorläufigen Charakter haben, sollte eine Provisorische Zentralgewalt sein. Thomas Stockinger erläuterte kenntnisreich und amüsant, welchen Herausforderungen sich die Mitglieder der Zentralgewalt zu stellen hatten und welchen Widrigkeiten sie sich ausgesetzt sahen: So bestand die erste Amtshandlung der neu berufenen Minister nicht selten darin, Papier und Siegellack zu kaufen, denn sie konnten bei den gleichsam „aus dem Nichts“ gegründeten Ministerien kaum auf vorhandene Infrastrukturen zurückgreifen. Geeignetes Personal musste rekrutiert werden, einheitliche Regularien für die Aktenführung und den Geschäftsgang erst festgelegt werden. Auch die Umsetzung der Beschlüsse und Erlasse gestaltete sich schwierig, fehlte es doch an nachgeordneten Behörden und Ämtern. In seinem Vortrag über Erzherzog Johann lenkte Tobias Hirschmüller das Augenmerk schließlich auf das erste von einem Parlament gewählte Staatsoberhaupt für Deutschland. Nach anfänglicher Euphorie musste der Reichsverweser sich bald schon Spottnamen wie „Reichsvermoderer“ oder „Johann ohne Land“ gefallen lassen. Tief verwurzelt in der vorrevolutionären Vorstellung vom „guten Fürsten“ blieb die Amtsführung des Erzherzogs glücklos. Ihre Bezeichnung mutet heute ebenso sperrig an wie der Titel des ersten gewählten Staatsoberhauptes in Deutschland: Als so genannter Reichsverweser stand der österreichische Erzherzog Johann der Provisorischen Zentralgewalt vor. „Der eine wollte nicht und die anderen konnten In ihren Vorträgen „Ministerien aus dem Nichts“ nicht“, resümierte Clemens Rehm die Regieund „Erzherzog Johann als Reichsverweser“ berungszeit von Reichsverweser und Provisorischer richteten Dr. Thomas Stockinger und Tobias Zentralgewalt. Aber: „Dass die MinisterialbehörIn der Dauerausstellung kann der Hirschmüller aus ihren laufenden Forschungsden der Zentralgewalt überhaupt ins Leben treten Kabinettstisch der Provisorischen projekten. Beide sind Mitarbeiter des von der und eine geregelte Tätigkeit entfalten konnten, Deutschen Forschungsgesellschaft geförderten Zentralgewalt besichtigt werden. ist bereits eine beträchtliche Leistung“, meinte Projektes „Edition der Akten der Provisorischen Thomas Stockinger. Zentralgewalt von 1848/49“ an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Die Überlieferung der ProvisoriDas Editionsprojekt wird vermutlich im nächsten Jahr abgeschlossen schen Zentralgewalt wird im Bundesarchiv in Berlin aufbewahrt werden und lässt noch viele interessante Einblicke in die fast in und gibt Auskunft über die ersten Versuche einer parlamentarischen Vergessenheit geratene erste parlamentarische Regierung für ganz Demokratie in Deutschland. Deutschland erwarten. Elisabeth Thalhofer Foto: Bundesarchiv 14 FREIHEITSKOLUMNE Bewirken Sie meine Freilassung! Schreiben Roland Jahns an Erich Honecker vom 8. Oktober 1982. BArch DP 3/348 „Es war zutiefst erschütternd – und trotzdem ein Gewinn“, resümiert Roland Jahn die Lektüre seiner eigenen Stasi-Akte. Er konnte darin lesen, dass mehr als hundert Stasi-Mitarbeiter daran beteiligt waren, seine Ausbürgerung aus der DDR im Jahre 1983 zu bewerkstelligen. Der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, persönlich hatte angeordnet, den widerständigen jungen Mann aus der DDR wegzubringen. Die Diktatur duldet jedoch keinen Widerspruch: Als Jahn sich 1982 öffentlich für die polnische Solidarnośź-Bewegung einsetzt, bringt ihn die Staatssicherheit wegen oppositioneller Aktivitäten hinter Gitter. In einem Brief an Erich Honecker wiederholt Jahn mutig seine Sympathie für die Solidarnośź und fordert seine Freilassung – wenige Monate später wird er aus der DDR zwangsausgebürgert. Jahns Weg zwischen Anpassung und Widerspruch beginnt viele Jahre zuvor: Die Zeit in der DDR sei „schön und furchtbar zugleich“ gewesen, erinnert er sich. „Als die Nachteile für meine Eltern eintraten, habe ich gespürt, was Diktatur heißt.“ Aber: als Jugendlicher hatte der 1953 geborene Jahn noch die Hoffnung, dass man die DDR reformieren könne. Jener Brief befindet sich heute in den Beständen des Bundesarchivs. In der Außenstelle in Rastatt wird er als Faksimile im Rahmen der Dauerausstellung „Freiheitsbewegungen in der DDR“ als wichtiges Zeugnis für den Kampf um Freiheitsrechte gezeigt. Elisabeth Thalhofer 15 TERMINHINWEISE: 19. September 2013, 18:30 Uhr Vortrag Dr. Christoph Bittel (Bad Mergentheim) „Die außerordentliche Erregung der Gemüter“: Die Calwer in der Revolution 1848/49 19. Oktober 2013 Jahresausflug zum Hambacher Schloss und nach Neustadt „Tradition.” Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt. Wir machen den Weg frei. 20. Oktober – 15. Dezember 2013 Sonderausstellung Das Frauengefängnis Hoheneck – Portraits ehemaliger politischer Häftlinge 21. Oktober 2013, 19 Uhr Zeitzeuginnengespräch, Ahnensaal im Residenzschloss Rastatt Der dunkle Ort – Schicksale aus dem DDR-Frauengefängnis Hoheneck 6. November 2013, 18:30 Uhr Szenische Lesung mit Gesang Prof. Dr. Peter Reichel und Erich Schaffner Novembergeschichten. Tage deutscher Geschichte – wie sonst keine Wir wünschen dem Förderverein „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte“ weiterhin viel Erfolg bei seinem Bestreben, unsere Vergangenheit für die Zukunft zu bewahren. Kompetent · Persönlich · Nah www.vb-babara.de/stiftung Änderungen vorbehalten! Aktuelle Hinweise unter http://www.bundesarchiv.de/ erinnerungsstaette/aktuelles ✁ IMPRESSUM Ich unterstütze die Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte und trete dem Förderverein bei: ____________________________________________________________________ V.i.d.P. 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