Blockbildung 06/07 Festival contre le racisme
Transcrição
Blockbildung 06/07 Festival contre le racisme
Das Beispiel unserer und anderer engagierten Gruppen zeigt jedoch, dass auch beim Fussball das Bewusstsein für solche Probleme gegeben ist. Und dies vor allem aus eigenem Antrieb und nicht nur durch vorgegebene Aktionen von Verbands- oder Vereinsseite. Deren Engagement findet leider immer nur dann statt, wenn es gerade mal wieder einen öffentlichen Aufschrei gibt. Unsere Arbeit bedient nicht nur einen kurzfristigen oberflächlichen Aspekt sondern ist vor allem langfristig angelegt um das Bewusstsein der Menschen zu verändern. Insgesamt betrachtet sind wir aber mit der aktuellen Situation zufrieden. Nazis haben in unserem Stadion keinen Platz, sich zu entfalten. Wir fühlen uns für unsere Kurve verantwortlich und werden auch in Zukunft alles daran setzen Rassismus in unserem Stadion nicht nur zu verhindern, sondern auch aktiv entgegenzutreten. Festival contre le racisme Unsere Kurve - Kein Platz für Rassismus! Ultraszene Mainz, Juni 2007 Aktuelle Situation Weitere Informationen über uns findet ihr im Internet unter www.szene-mainz.de Für Fragen, Anregungen und Kritik stehen wir euch per E-Mail an [email protected] gerne zur Verfügung Fussball als Volksport Nummer 1 erfreut sich schon seit langem hoher Beliebtheit. Im Stadion kommen Wochenende für Wochenende Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zusammen. Auch Rassismus hat in dieser Masse an Leuten die Möglichkeit sich zu entwickeln. In manchen Fankurven setzen sich rassistische Schmähgesänge immer wieder durch. Dadurch, dass oftmals eine große Masse mitgröhlt, besteht die Gefahr, dass die rassistische Bedeutung der Gesänge ausgehöhlt wird und Beschimpfungen als Zigeuner, Jude oder Kanake plötzlich als normal angesehen werden. Nach dem Prinzip "Wenn es alle singen, dann singe ich es auch mit" wird so unterbewusst, teilweise sicher auch bewusst, Rassismus geschürt. In den meisten deutschen Fankurven ist es auf die Organisation der Ultragruppen, die eine Führungsposition der Kurve beanspruchen, zurückzuführen, dass solche Gesänge keine Entfaltungsmöglichkeiten mehr finden. Viele Gruppen sind inhaltlich mittlerweile sehr aufgeklärt und achten darauf, Rassismus in ihrer Fankurve zu verhindern. Das Engagement vieler Gruppen geht mittlerweile auch über ein reines Verhindern hinaus, Rassismus wird offensiv entgegenwirkt. Leider sind aber längst nicht alle Gruppen antirassistisch eingestellt. So gehen teilweise leider auch rassistische Aktionen gezielt von Gruppen aus. In den neuen Bundesländern gibt es im Speziellen bei Lok Leipzig und Energie Cottbus Ultragruppen, die sich diesbezüglich in Szene gesetzt haben (siehe auch unsere Ausstellung). Rassismus ist also in Deutschlands Stadien ein nicht weg zudiskutierendes Problem und nicht aus jeder Fankurve alleine mit Vernunft zu vertreiben. Innerhalb Westeuropas ist durch eine sich immer weiter verbessernde Vernetzung antirassistischer Gruppen ein sehr großer Gegenpol geschaffen worden. In Osteuropa sieht es leider ganz anders aus, hier beschränkt es sich nicht nur auf Gesänge. In sehr vielen Kurven werden auch rassistische Symbole regelmäßig offen präsentiert. Der Rassismus ist fest in der dortigen Fankultur verankert. In Polen, auf dem Balkan oder in vielen anderen Ostblockstaaten stellt der Fussball einen der wichtigsten sozialen Anlaufpunkte dar. Dementsprechend beeinflusst eine rassistische geprägte Fankurve auch den gesellschaftlichen Alltag in starkem Maße. Ein weiterer Brennpunkt sind die Fankurven in Italien. Vor einigen Jahren noch für ihren Idealismus hoch gelobt, haben mittlerweile mafiöse Strukturen Einfluss in den Kurven gewonnen. Kontakte zur Halbwelt, Korruption und Drogengeschäfte nehmen überhand und auch rechtsgerichtete Parteien werben offen Fans an. Manchem Gruppenvorstand scheint es nur noch um die eigene Bereicherung zu gehen und die eigentlichen Ideale der Ultrakultur rücken vielerorts in den Hintergrund. Auch hier sind offen zur Schau gestellte rechte Symbole an der Tagesordnung. Vor ca. 2 Jahren grüsste Lazio Rom's Spieler Paolo di Canio die Fankurve sogar per faschistischem Gruß. Schon vorher war er innerhalb der allgemein als rechts gerichtet bekannten Fankurve von Lazio Rom die Symbolfigur überhaupt. Danach vergrößerte sich seine Popularität nur noch mehr. Aber auch in Italien stellen sich viele Kurven gegen die rassistischen Ausfälle einiger Fangruppen. Die Werte und Ideale der Ultrakultur schließen Rassismus grundsätzlich aus. Es zählt die Liebe zum Verein und nicht die Herkunft oder Nationalität. Eine Fankurve lebt von Gemeinschaft und Zusammenhalt und kann nicht funktionieren, wenn man einzelne aufgrund rassistischer Motive aus dieser Gemeinschaft ausschließt. Situation in Mainz Vor Ort in Mainz hatten wir lange Zeit keine Probleme mit Rassismus. Etwaige Gesänge wurden stets direkt unterbunden, so dass sie sich gar nicht erst im Bewusstsein der meisten Fans festsetzen konnten. Man ist sich sehr bewusst über die davon ausgehende Gefahr, da im speziellen das Fanprojekt Mainz e.V. in der Vergangenheit gute Aufklärungsarbeit geleistet hat. 2005 wurden beim Auswärtsspiel in Freiburg plötzlich eine Gruppe Neonazis im Block gesichtet, die ihre Gesinnung auch deutlich zur Schau stellten. Nach mehrmaligen Aufforderungen den Block zu verlassen und auch der Bitte an die Polizei, diese Leute aus dem Block zu entfernen, ergriff unsere Gruppe dann die Initiative und trat den Nazis aktiv entgegen. Die daraus resultierende Rangelei endete für über 10 Personen unserer Gruppe im Polizeigewahrsam inklusive anschließenden Stadionverboten, die teilweise noch heute bestehen. Nachdem in der vergangenen Saison die "Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen" Präsenz durch Aufkleber und wohl auch einigen Personen aus diesem Spektrum in und um unser Stadion zeigten, schellten bei uns die Alarmglocken. Wir organisierten einen Antirassismustag unter dem Motto "Unsere Kurve - kein Platz für Rassismus", bestehend aus mehreren Infoständen und einer Choreographie mit rund 400 Fahnen fast aller Länder dieser Welt. Die Mannschaft lief mit dem Aktionsbanner ein, anschließend hing dieses zentral vor der Fankurve. Die meisten Stadionbesucher zeigten sich sehr interessiert und kamen teilweise extra früher ins Stadion, um sich zu informieren. Im Nachhinein kann diese Aktion als voller Erfolg verbucht werden und auch die "NaSo" fühlten sich wohl angesprochen und reagierten mit einer Erklärung. Der betroffene Hund bellt :-). Momentan scheint Rassismus in unserer Fankurve kein Thema zu sein, aber auch weiterhin sind Augen und Ohren offen. Die antirassistische Grundeinstellung wird von weiten Teilen der Kurve getragen und soll auch in Zukunft möglichst vielen Leuten vermittelt werden. Unsere Rolle im Stadion In der aktiven Fanszene sind wir die führende Gruppe von der Gesänge, Choreographien, Proteste und anderweitige Aktionen ausgehen. Deshalb müssen wir auch eine breite Informationspolitik für den Rest der Fankurvenbesucher anbieten. Zu diesem Zweck gibt es einen regelmäßigen Kurvenflyer, einen Infostand im Stadion und auch Mitteilungen auf unserer Homepage oder anderen Fanforen. Auf diese Art und Weise geben wir unsere Standpunkte an den Rest der Fans weiter und tragen so erheblich zur Meinungsbildung bei. Der antirassistische Grundsatz wird dabei auch immer mal wieder thematisiert, im Speziellen bei unseren Bemühung, die Fankurve zu einer starken Einheit zusammenzuführen. Als führende Gruppe der Mainzer Fanszene haben wir auch unsere soziale Verantwortung erkannt und wollen uns dieser stellen. Im Stadion trifft man ein großes Potential an jungen Menschen, von denen viele noch recht orientierungslos sind und dadurch leicht beeinflussbar. Gerade hier ist die Gefahr groß, dass Nazigruppen den Fussball nutzen könnten, um Nachwuchs zu werben. Durch Frust und fehlende Bezugspunkte können gerade Jugendliche leicht in die Fänge solcher Gruppen geraten. Deshalb gilt bei uns die Devise: Jeder, den wir von unserer Sache begeistern können, ist nicht erreichbar für rechten Populismus. Die Gruppe bietet soziale Kontakte und vielfältige Möglichkeiten die Freizeit kreativ und mit Freunden zu verbringen. Ältere Mitglieder versuchen ihre Ideale an die Jüngeren weiterzugeben, Antirassismus natürlich eingeschlossen. Ganz gezielt fand wie schon erwähnt beim Auswärtsspiel im Freiburg und beim diesjährigen Antirassismustag direkter bzw. aufklärender Widerstand gegen Rassismus aus unseren Reihen statt. Dieses Engagement werden wir in Zukunft je nach Bedarf weiter betreiben und eventuell sogar ausbauen. Dabei wollen wir vor allem auf einen kreativen Umgang mit dem Problem setzen und so etwaige Tendenzen schon im Keim zu ersticken. Das Festival "contre le racisme" sehen wir als gute Möglichkeit in Mainz und Umgebung ein wenig Aufklärungsarbeit zu leisten und widmen uns dabei natürlich in erster Linie dem Fussball. Gerade durch die öffentlichen Medien entsteht oftmals der Eindruck, dass in den Stadien ein Sumpf an rassistischem Gedankengut vorherrscht.