iran und der westen

Transcrição

iran und der westen
OPIUM FÜR DAS VOLK
DROGEN UND MACHT IN ZENTRALASIEN
NOVEMBER / DEZEMBER 2013
URAN
BONANZA IM NIGER
SEX UND SEEFAHRER
DIE BÜCHER DES JAHRES
WWW.ZENITHONLINE.DE
Online Special
Die Wirtschaftsseiten
der neuen zenith
IRAN
UND DER
WESTEN
SCHON MAL PROBIERT?
DEUTSCHLAND EURO 8,20 | ÖSTERREICH EURO 8,90 | BENELUX EURO 8,90 | SCHWEIZ SFR 13,50
ISSN 1439 9660
CHRISTIANE
F.
MEIN ZWEITES LEBEN
Die Kultfigur und Antiheldin einer Generation
ist zurück: Christiane Felscherinow alias
»Christiane F.« erzählt erstmals und
schonungslos ihre ganze Geschichte.
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ZENITH 05/2013 · EDITORIAL
Foto: Marcel Mettelsiefen
ZENITH
1999 als Zeitschrift für den Orient gegründet, ist ein unabhängiges Magazin zum Nahen Osten, Afrika, Asien und der muslimischen Welt. zenith berichtet zweimonatlich über Politik, Wirtschaft und Kultur in
einer Welt, die vielen in Europa fremd ist,
aber immer näher rückt.
Das Wort »zenith« (auch »Zenit«) ist das
Ergebnis eines Orient-Imports: Es stammt
von »samt«, einem in der arabischen Astro­
nomie des Mittelalters geläufigen Begriff,
der die »Richtung des Kopfes« bezeichnet.
Wenn die Sonne im zenith steht, werden
Schatten kürzer und es fällt Licht dorthin,
wo es sonst eher dunkel ist – ein Leitmotiv
für die Berichterstattung dieses Magazins.
3
enn man verliebt ist, kann es schon mal passieren,
dass man ziemlichen Unsinn redet. Für manche
lassen sich einige der jüngsten Ereignisse der internationalen Politik nur auf diesem Wege erklären:
Der amerikanische und der iranische Präsident,
turtelnd am Telefon? »Have a Nice Day!«, habe er
Barack Obama gewünscht, tippte ein vermutlich
leicht verschwitzter Hassan Ruhani nur Stunden
nach dem fernmündlichen Tête-à-tête in seinen
Twitter-Account. Obama, gluckste er, habe sich dafür glatt auf Persisch revanchiert: »Khodahafez!«
Aus der Gegenrichtung kamen nicht minder rosarote Töne: »Präsident Ruhani hat erklärt, dass Iran
niemals Atomwaffen entwickeln werde«, flötete
Obama der Presse über das Telefonat vom 27. September zu. Na, dann ist ja alles gut.
Ach, die Liebe ... Kann man es den beiden Präsidenten übelnehmen, dass sie darüber, dass das Heydu-bist-mir-schon-den-ganzen-Abend-aufgefallenwollen-wir-nicht-mal-zusammen-was-trinken-gehen kurz vor Ende der großen UN-Party doch noch
gelungen war, ein wenig ins Schwärmen geraten
sind? Stinkig in der Ecke saßen nur die von Barack
verschmähten Israelis, die ihren Blumenstrauß
(der gleiche wie letztes Jahr übrigens) unbeachtet
wieder einpacken konnten, sowie ein paar Jungs aus Hassans Clique, die immer noch finden, Amerika ist irgendwie pfui.
zenith dagegen ist der Ansicht, etwas mehr Gefühl im Verhältnis zwischen Iran und dem Westen könne nicht schaden – siehe unser Titelmotiv
und unser Iran-Dossier in dieser Ausgabe. Der Iran-Experte Walter Posch
analysiert für uns die innenpolitischen und geostrategischen Herausforderungen, denen Irans neuer Präsident sich gegenübersieht. Er glaubt: Hassan
Ruhani bringt die Voraussetzungen mit, um mit den westlichen Mächten und
insbesondere den USA auf politischer Ebene eine gemeinsame Sprache zu finden – nicht zuletzt beim Thema Syrien. Poschs Text sowie die weiteren Beiträge: ab Seite 16.
Im ungünstigen Fall kann Verliebtheit übrigens dazu führen, dass man
Ja sagt, ohne allzu genau hingesehen zu haben. Dies scheint rund zwei Dutzend jungen Tunesiern passiert zu sein, die sich vor etwa einem Jahr hoffnungsvoll auf den Weg nach Deutschland machten. Unterstützt von der öffentlichen Hand, sollten sie in Hamburg zu Krankenpflegern ausgebildet
werden – zenith informierte bereits im Frühjahr über die Initiative. Nun
scheint das Projekt im Eklat zu enden: Details ab Seite 74.
Zuvor berichtet haben wir auch über einen Fall, der das deutsche Gesundheitswesen vermutlich Millionen Euro kosten wird: Libysche Kriegsverletzte wurden in hiesigen Krankenhäusern behandelt – nun bleiben die Kliniken auf einem Gutteil ihrer Rechnungen sitzen. Wer trägt die Verantwortung für den Skandal, und wer hat davon profitiert? Wie sich inzwischen
herausgestellt hat, handelte vor allem ein deutsches Ministerium nachlässig.
Kristina Milz berichtet ab Seite 62.
INHALT
NOVEMBER/
DEZEMBER
2013
Titel: Marcel Mettelsiefen
Foto links: Marcel Mettelsiefen
Foto links unten: Philip Reynaers/Greenpeace
Foto rechts: Ali Tajik/Iranian Living Room
RUBRIKEN
Neue Liebe: Alle Hoffnungen auf eine Annäherung zwischen Iran
und dem Westen ruhen derzeit auf einer Person. Zu Unrecht?
16
POLITIK
DOSSIER: IRAN
16Der Krieg ist abgeblasen
Mit ein wenig Glück wird Irans neuer Präsident Hassan Ruhani für
Entspannung zwischen Teheran und Washington sorgen
22Bad news is good news
Erfolgskonzept Desillusionierung: Die Enttäuschung der Iraner könnte
der entscheidende Trumpf Ruhanis sein
24Europa kann Dampf machen
Wie die Atomgespräche zum Erfolg geführt werden können
26»Ich wünschte, du wärst nie gegangen«
Teheraner Versprechen und Enttäuschungen
42Freudenschüsse und Raketen
Briefing: Die Hizbullah zieht den Libanon immer tiefer ins syrische Chaos
44Ein Stuhl bleibt leer
Die Belaïds versuchen nach der Ermordung des tunesischen Politikers
irgendwie weiterzuleben. Porträt einer traumatisierten Familie
4818 auf einen Streich
Wird Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika 2014 wieder antreten?
03Editorial
06 Unser Bild vom Orient
12 Profile
14 Interview
52 Meinung
54 Netzgeflüster
56 Bilanz
77 Almanach der Energien
82 Der Sekretär
84 Basar
106 Neue Bücher
108 Neue Musik
112 Momentaufnahme
114 Kalender/Ausblick/Impressum
70
Alte Verbundenheit: Seit Kolonialzeiten ist Frankreich im Niger im
Uranabbau aktiv. Mit verheerenden Folgen für Mensch und Natur.
KULTUR
86Die bunteste Grauzone im Königreich
Marokkos Zukunft wird in einem ehemaligen Schlachthof von Künstlern erprobt
90Doppelte Diaspora
Angesichts des Bürgerkrieges finden immer mehr armenische Syrer Zuflucht in
der alten Heimat – die vielen von ihnen fremd ist
102Die besten Seiten des Jahres 2013
Neun Literaturempfehlungen zum Jahresende
106Die verpasste Chance
Eshkol Nevo flüchtet sich in seinem Roman »Neuland« ins Beliebige
108Liebeserklärung an eine verlorene Stadt
Die Band »Mostar Sevdah Reunion« erinnert die Bosnier an bessere Zeiten
110Muhammad und die Juden
Ließ der Prophet die Juden von Medina vertreiben? Die Quellen sprechen so
wirr, dass man sie besser schweigen lässt
Geschlossene Gesellschaft: Intime Einblicke in den einzigen
privaten Ort, den die Iraner haben: ihr Wohnzimmer.
26
WIRTSCHAFT
60Ice Ice Cairo
Adam Molyneux-Berry bastelt in Kairo an der grünen Zukunft Ägyptens
62Nur noch gegen Vorkasse
Peinlich für Minister und Botschaft: Noch immer warten deutsche
Krankenhäuser auf Geld aus Libyen
66Benzin statt Bildung
Das Subventionssystem in Ägypten ist widersprüchlich und ineffektiv
70Der Fluch des »strahlenden Goldes«
Das Unternehmen Areva schadet im Niger erheblich der Umwelt – und sahnt
dabei ordentlich ab
74Große Namen und geplatzte Träume
Das Prestigeprojekt, junge Tunesier in Deutschland zu Pflegefachkräften
auszubilden, ist vorerst gründlich gescheitert
78Der unsichtbare Fluss
Ein kleiner afghanisch-tadschikischer Grenzfluss gerät im Zuge des
Truppenabzugs aus Afghanistan zum Drogenumschlagsplatz
78
Offene Grenzen: Über Tadschikistan gelangen jährlich bis zu
hundert Tonnen Heroin nach Russland.
Nach
der Wahl
ist in
der taz.
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Medien- und Präsentationscoaching für Führungskräfte
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Angela Michael ist TV-Journalistin, Medien- und Mentalcoach für Interviews
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56
WIRTSCHAFT · BILANZ
EISENERZMINE SIMANDOU IN GUINEA
TV-RECHTE FÜR DIE FUSSBALL-WM 2022 IN KATAR
DIE LIZENZ ZUM SCHÜRFEN
WEDER SOMMER- NOCH WINTERMÄRCHEN
Alpha Condé, seit Oktober wiedergewählter Präsident Guineas, rüstet sich für den
Showdown mit den Rohstoffkonzernen,
die von der dubiosen Vergabepraxis seines
Vorgängerregimes profitierten – und hat
gute Aussichten auf Erfolg. Im Zentrum
des Disputs steht das Eisenerzdepot in Simandou im Südosten des Landes. In den
Wirren vor und nach dem Tod des Langzeitdiktators Lassane Conté 2008 hatte
die Hälfte der Explorations- und Schürfrechte an der wohl größten Erzlagerstätte Afrikas den Besitzer gewechselt. Zur
Überraschung der Branche erhielt der Diamantenkonzern Beny Steinmetz Group
Resources (BSGR) den Zuschlag – und
streckte dafür gerade einmal 165 Millionen US-Dollar vor. Noch erstaunlicher:
Nur zwei Jahre später verkaufte BSGR 51
Prozent seines Anteils an der Mine an den
brasilianischen Bergbauriesen Vale für
2,5 Milliarden US-Dollar.
Doch ein Deal unter Wert allein ist
noch kein Straftatbestand. Umso wichtiger ist für Condé die Schützenhilfe aus
Übersee: Das FBI registrierte verdächtige
Transaktionen auf amerikanische Konten
– und verfolgte die Spur auf Contés geflohene Witwe und einen französischen BSGR-Vertreter in Guinea zurück, der sich
nun ab Dezember in den USA vor Gericht
verantworten muss. Der jetzige Präsident
Condé verlangt von BSGR die Abtretung
der Lizenz sowie die Auszahlung des geschätzten verbliebenen Wertanteils von
2,5 Milliarden Dollar. BSGR weist jegliche
Korruptionsvorwürfe zurück, doch der
Druck auf den medienscheuen Firmeninhaber Beny Steinmetz wächst: Der Israeli
mit Wohnsitz in Genf bekam im September Besuch von Schweizern Ermittlern;
dazu steht der Verdacht im Raum, dass inkriminierende Dokumente zum Guinea-Geschäft vernichtet oder Richtung
Firmensitz auf die Kanalinsel Guernsey
verschafft wurden. Zudem weigert sich
Vale, verbliebene Tranchen in Höhe von 2
Milliarden Dollar an BSGR auszuzahlen.
Die Explorationsarbeiten in Simandou ruhen indes. Wohl frühestens ab 2017 wird
in Guinea im großen Stil Eisenerz geschürft.
Für seine WM-Vorbereitung musste Katar
schon viel Kritik über sich ergehen lassen:
der miserable Umgang mit Fremdarbeitern,
der in einigen Fällen tödlich ausging, gekaufte Stimmen bei der Vergabeentscheidung oder die umweltfeindliche Stadionkühlung, um bei 50
Grad im Schatten kein
Gesundheitsrisiko der
Spieler in Kauf zu nehmen. Die mögliche Verlegung der Weltmeisterschaft in die Wintermonate, um sowohl Sommerhitze als auch Klimakiller
zu verhindern, könnte jedoch ein Finanzierungsproblem für das ganze
Vorhaben bedeuten und
ruft zahlreiche Lobbyisten auf den Plan.
Grund dafür sind die
Übertragungsrechte, die
bereits vergeben wurden
und der FIFA den stolzen
Betrag von 1,1 Milliarden
US-Dollar einbringen –
aber nur für eine WM im
Sommer. Der Termin der
Spiele würde andernfalls nämlich mit anderen Sport-Highlights kollidieren – zum Beispiel mit der englischen Premier League
und weiteren europäischen Fußball-Meisterschaften, aber auch mit anderen Sportarten wie den Olympischen Winterspielen
oder der nordamerikanischen Football-Li-
ga NFL. Der US-Sender Fox Sports ist daher
alles andere als begeistern von den Plänen,
die WM zu verschieben. 425 Millionen
US-Dollar zahlt der Sender für die Rechte
an den Spielen der Weltmeisterschaften
2018 und 2022 – viermal so viel, wie der nationale Konkurrent ESPN
für die Spiele in Südafrika
und Brasilien aufgebracht
hat. »Fox Sports hat die
Rechte unter der Voraussetzung gekauft, dass sie wie
jedes Mal seit den 1930er
Jahren im Sommer stattfinden«, ließ der Sportkanal
verkünden.
Auch NBC Universal
dürfte diese Meinung teilen, sollte es zur Klage kommen: Die NBC-Tochter Telemundo hat 600 Millionen
Dollar für die spanischsprachigen Rechte in den USA
gezahlt. Die Lobby für eine
Sommer-WM ist also groß
und könnte sich bald in einer Koalition aus Clubs,
Rechteinhabern und Sponsoren bündeln – und damit
einer Boykott-Drohung entscheidendes Gewicht verleihen. Wenn aber weder Klima
noch Spieler geschädigt werden sollen und
das Event nicht verschoben werden kann,
ist die erste Fußballweltmeisterschaft im
Nahen Osten möglicherweise schon Geschichte, bevor sie stattgefunden hat.
FERNSEHRECHTE (IN MIO. EURO)
69
WM 1990
78
WM 1994
102
WM 1998
(STAND OKTOBER 2013, NOCH SIND NICHT ALLE RECHTE VERK AUFT)
803
WM 2002
1.302
WM 2006
2.408
WM 2010
2.200*
WM 2014
57
WIRTSCHAFT · BILANZ
LUFTSCHLOSS DES QUARTALS
KASSENSTURZ
EKO ATLANTIC CITY (NIGERIA)
Fotos: Eko Atlantic Sales Office
Der Apostel der guten Regierungsführung
trägt einen Namen: Babatunde Fashoda.
Der Gouverneur des nigerianischen Bundesstaats Lagos hat ein Herz für reiche
Menschen. Deshalb soll an der Küste mit
»Eko Atlantic« eine neun Quadratkilometer große Wohlfühloase für die gestresste
Seele entstehen – mit Yachthafen, teuren
Boutiquen und luxuriösen Wolkenkratzern; für läppische 300.000 Naira (circa
1.380 Euro) pro Quadratmeter und grob
veranschlagten 6 Milliarden US-Dollar
Baukosten. Mit derart hohen Summen hat
der libanesischstämmige Bauherr Gilbert
Chagoury übrigens einige Erfahrung: Nach
dem Tod des Diktators Sani Abacha 1998
half er, etwa 4 Milliarden Dollar auf Schweizer Konten zu sichern.
Trotz Verurteilung wegen Geldwäsche
verpasst sich Chagoury aber ein Saubermann-Image und ist Fashodas Geschäftspartner erster Wahl. Sauberen Strom und
Trinkwasser werden die 250.000 Auserwählten von »Eko Atlantic City« den 15 Millionen restlichen Bewohnern von Lagos voraus haben. Die Insel der Glückseligkeit wird
buchstäblich auf Wasser gebaut: 140 Millionen Tonnen Sand werden dafür aus dem
Grund des Atlantischen Ozeans hervorgeholt – und eine acht Meter hohe Wand gebaut, die den Bürger der Zukunft vor den
neugierigen Blicken der lästigen Verlierer der
Gegenwart beschützt. Die Mauer soll eintausend Jahre halten – das dürfte reichen, um
die Wut der Armen erst einmal abzuhalten.
ZUFRIEDENHEIT
10
FIRMENÜBERNAHME IN DEUTSCHLAND
PROZENT
MILLIARDEN $
Anteil der Arbeitnehmer im Nahen Osten,
die sich ihrem Job oder ihrer Firma verbunden fühlen. Das ergab die Studie »State of
the Global Workplace« des amerikanischen
Meinungsforschungsinstituts Gallup, die in
19 nahöstlichen Ländern durchgeführt
wurde.
ließ sich die Oman Oil Company die erste
Firmenübernahme in Deutschland kosten.
Im Oktober 2013 erwarb die staatliche omanische Ölagentur 100 Prozent der Anteile
am Spezialchemiehersteller Oxea und ist
damit neuer Arbeitgeber der 1.400 Beschäftigten im Oberhausener Hauptwerk.
3
☝
TOP
☝
FADI MALAS
Fastfood mit Facebook:
Der CEO des Imbissbetreibers Just Falafel vergab
per Ausschreibung in sozialen Netzwerken allein
2012 über 700 FranchiseLizenzen für seine Kichererbsen-Kreationen. Den
nächsten, durchaus riskanten Schritt in der Expansionsstrategie vollzog
Malas mit dem Börsengang im Oktober 2013, die
erste Neulistung am darbenden »Dubai Nasdaq«
seit 2008 – und die erste
einer Restaurantkette am
Finanzplatz Dubai überhaupt.
☝
FLOP
☝
ABDULBARI AL-ARUSI
Libyens Ölminister hätte
das Jahr 2013 am liebsten
damit verbracht, die Produktion weiter hochzuschrauben und zu professionalisieren. Stattdessen
muss der gelernte Ingenieur Al-Arusi seit seinem
Amtsantritt im November
2012 zwischen Stämmen,
Milizen und Zentralgewalt
verhandeln – und hilflos
mitansehen, wie Libyens
Öl-Output unter die Hälfte des Vorkriegsniveaus
abstürzt.
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WIRTSCHAFT · BILANZ
DER SCHEICH IST REICH
PREISVERGLEICH
EIN KILO TOMATEN KOSTET:
Berlin2,29 Euro
Dubai1,60 Euro
Tel Aviv1,25 Euro
Riad1,18 Euro
Istanbul1,18 Euro
Beirut0,99 Euro
Teheran0,82 Euro
Amman0,72 Euro
Tunis0,70 Euro
MOHAMMED IBRAHIM
Kairo0,51 Euro
Algier0,41 Euro
Quelle: Expatistan
VERMÖGEN 812 MIO. EURO
RANG AUF DER FORBES-LISTE 1.268
FANS AUF FACEBOOK428
FRAUEN 1
LÄNGE DER YACHT -
EHRENDOKTORTITEL 2
Nach eigenen Worten ist der Selfmademan
Mohammed »Mo« Ibrahim ein wahrer
Glücksritter. Selbst die Tatsache, dass er
einst mehr als doppelt so reich war wie jetzt,
STEUERVERLUST DURCH BESATZUNG
35%
könnte das palästinensische Bruttoinlands­
produkt steigen. Zu diesem Schluss kommt
die Weltbank in einem neuen Bericht über
die Kosten der israelischen Kontrolle der so
genannten C-Gebiete im Westjordanland.
Insgesamt entgehen den Palästinensern
durch die Besatzung 3,4 Milliarden US-Dollar jährlich, zuzüglich 800 Millionen Dollar
an zusätzlichen Steuereinnahmen.
ändert für den bescheidenen Sudanesen
nichts daran. Sein Vermögen baute der in
Großbritannien ausgebildete Elektroingenieur mit Celtel auf, dem ersten Mobilfunkanbieter auf dem afrikanischen Kontinent. Als
er das Unternehmen 2005 verkaufte, gründete der umtriebige Philantrop die Mo-Ibrahim-Stiftung. Mehr als die Hälfte seines Vermögens stiftete er bereits zur Förderung
von good governance auf seinem Heimatkontinent. Ibrahim steht kurz davor, von der
Forbes-Liste zu rutschen. Ein Platz im Kreise von »The Giving Pledge« – Bill Gates’ Appell an Milliardäre, die Hälfte des eigenen
Vermögens zu spenden – ist ihm jedoch auf
ewig sicher.
*Quellen: Forbes
Foto: World Economic Forum, lizenziert gemäß Creative
Commons (CC 2.0)
⅖
ÖLVERTRÄGE
aller neu abgeschlossenen Verträge zur
Ölförderung im Nahen Osten entfallen einer
Untersuchung des Wirtschaftsmagazins
MEED vom Mai 2013 zufolge auf den Irak,
dicht gefolgt von Kuwait. Das Gesamtvolumen der Öl-Projektverträge für den Zeitraum von Juni 2013 bis Mai 2014 beläuft sich
auf 123,1 Milliarden US-Dollar. Auf Libyen
entfallen dabei nur 1,6 Prozent.
ÖL UND GAS
AUF LAGER
48 Milliarden Fass Erdöl und 292 Billionen Kubikfuß Erdgas lagern im Kaspischen Becken, nur ein geringer Teil ist
bislang erschlossen. Die geologische
Formation umfasst sowohl unterseeische Lagerstätten (offshore) als auch
am Küstengebiet (onshore) von fünf
Ländern – bis auf Iran alle Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Vor 1991 besaßen lediglich die Ölfördergebiete in
Aserbaidschan größere Bedeutung,
doch auch zwei Jahrzehnte später
schreitet die Erschließung der Rohstofflager nur schleppend voran.
In der nördlichen Hälfte des Meeres,
in denen die meisten Ölreserven vermutet werden, treiben klimatische Bedingungen die Erkundungskosten in die
Höhe, da das Gewässer halbjährlich zufriert. Dafür haben Kasachstan und
Russland sich auf ihre jeweiligen Förderclaims geeinigt. In der Südhälfte hingegen, in der die meisten Gasvorkommen liegen, streiten Aserbaidschan und
Turkmenistan über den Grenzverlauf
und damit die Zugehörigkeit entdeckter
und vermuteter Gasfelder. Iran wiederum konzentriert sich auf die Gas-Lagerstätten am Persischen Golf, bietet dafür
aber seine Raffineriekapazitäten am Kaspischen Meer an, um turkmenisches
und usbekisches Öl zu verarbeiten.
Auch die unterschiedlichen Besitzverhältnisse erschweren eine effiziente
Ressourcennutzung im Kaspischen Becken: Während Aserbaidschan Joint
Ventures zulässt und Kasachstan Anteilsbeteiligungen transnationaler Konzerne, dominieren in Russland halbstaatliche Öl- und Gas-Multis. In Turkmenistan und Usbekistan ist der Sektor
sogar vollständig in staatlicher Hand.
Ausschlaggebend für die noch immer
relativ unbedeutende Rolle der kaspischen Ressourcen ist aber die mangelnde Raffinerie- und Transportinfrastruktur: Die sowjetischen Leitungen sind oft
veraltet und entsprechen auch nicht
mehr unbedingt der Exportrichtung,
während konkurrierende Pipeline-Projekte gen Europa und Asien sich bisher
gegenseitig ausstechen.
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Quelle: U.S. Energy Information Administration, U.S. Geological Survey, IHS EDIN
SHAH-DENIZ-FELD
ÖLFELDER
GASFELDER
60
Ice Ice Cairo
In einer offenen Kairoer Werkstatt bastelt Adam
Molyneux-Berry mit jungen Tüftlern an einer grünen
Zukunft für Ägypten. Denn Herausforderungen
lassen sich am besten gemeinsam meistern
VON SOFIAN PHILIP NACEUR
• Innovation, Zusammenarbeit und Unternehmertum – dafür steht icecairo, und
zwar ganz wörtlich: »innovation, collaboration, entrepreneurship«. Das Prinzip des
Projekts in Ägyptens Hauptstadt sei einfach, erklärt Mitbegründer Adam Molyneux-Berry: »Wir suchen Herausforderungen im alltäglichen Leben in Ägypten, zum
Beispiel beim Zugang zu Strom oder sauberem Wasser. Wir sehen uns nach umweltfreundlichen und nachhaltigen Lösungen
aus anderen Ländern um, aber auch bei Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft oder Universitäten. Aus diesen Ideen wollen wir grüne Produkte entwickeln.« Die Initiative, gefördert von der deutschen Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ), versteht sich als Non-Profit-Netzwerk, das
grünen Industrien Starthilfe geben möchte. Damit sollen neue Jobs vor allem für
junge Ägypter geschaffen werden.
Herzstück des Projekts icecairo ist eine mit Computern, 3D-Drucker, Laser-Cutter und herkömmlichen Werkzeugen ausgestattete Werkstatt in Kairos Innenstadt. »Hier können wir fast alles herstellen«, sagt Molyneux-Berry: »Hast du
eine Idee, komm' zu uns und bau' einen
Prototyp!« Der britisch-ägyptische Social
Entrepreneur betont, seine Funktion als
Manager langfristig überflüssig machen zu
wollen: »Die Idee hinter icecairo ist der
Austausch von Wissen in einem nichthierarchischen Umfeld. Unser Traum ist, dass
Menschen hierherkommen und sich gegenseitig helfen und weiterbilden, ohne Bezahlung. Teile dein Wissen und organisier' einen Workshop, und du kannst kostenlos
unsere Werkstatt und unsere Kontakte
nutzen.«
Die icecairo-Werkstatt ist
eine Bastelstube für
ägyptische MacGyvers.
Hier sollen Ideen für
grüne Industrien
entstehen
Der offizielle Startschuss fiel im September.
Rund ein Jahr lang hatte sich im Vorfeld die
Aufbauphase der Werkstatt und des breiten
Netzwerkes aus NGOs, Privatwirtschaft,
Ministerien und Bildungsinstitutionen
hingezogen. »99 Prozent aller universitären Projekte in Ägypten werden nie verwirklicht«, betont Molyneux-Berry. »Den
Unis fehlt es schlicht an Kapazität und Ausstattung. Einige private Hochschulen sind
besser ausgerüstet, aber auch deren Studenten kommen zu uns, um in unserer
Werkstatt an ihren Ideen zu basteln. Wenn
diese Realität werden, ist das ein großer Erfolg.« Neben der Werkstatt als Begegnungsort für erfinderische Menschen bietet die
Website von icecairo (www.icecairo.com)
Möglichkeiten zum Austausch von Erfahrungen und Schaffen von Synergien, wie eine E-Learning-Plattform und ein Wiki.
»Mechaniker in Ägypten können dein
Auto mit Zahnpasta und Plastiktüten reparieren. Gib ihnen eine richtige Werkstatt
wie unsere, und du wirst sehen, wie viel Potenzial in Ägyptens Gesellschaft steckt«,
sagt Molyneux-Berry. Ein Beispiel für ein
grünes Produkt, wie es dem icecairo-Team
vorschwebt, ist ein umweltfreundlicher
Wassererhitzer. Der Prototyp eines solchen
Modells steht im Empfangsraum des Büros.
»Wir waren in Marsa Alam in Südägypten
am Strand. Im Camp ist der Stromgenerator in Flammen aufgegangen. Zurück in
Kairo haben wir das Problem einer unabhängigen Stromerzeugung diskutiert,
Workshops durchgeführt und angefangen
zu basteln. Das Ergebnis ist ein komplett
autarker Wassererhitzer. Etwas Holz, Stahl
und herkömmliche Haushaltswaren sind
alles, was wir brauchen.« Für 120 Euro entstand so ein Prototyp eines thermochemischen Wärmespeichers für das Camp in
Marsa Alam. Trotz harter Witterungsbedingungen – Hitze, Sonne, Wind und Sand
– funktioniere er immer noch problemlos.
»Und das gesamte Camp ist mit Warmwasser versorgt.«
Icecairo ist nicht das erste Projekt dieser Art, aber das einzige mit einem expliziten Green-Tech-Ansatz. Angefangen hatte
die GIZ mit einem ähnlichen Projekt in
Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba und
mit dem »icebauhaus« in Weimar. Inzwischen gibt es ein weiteres ice-Projekt in
Alexan­dria – und ein drittes steht schon in
den Startlöchern: In Assuan, nahe der
Grenze zum Sudan, hat jüngst die Aufbauphase begonnen.
•
Foto: Sofian Philip Naceur
WIRTSCHAFT · ÄGYPTEN · PORTRAIT
Hier wächst was.
Der Erfolg von internationalen Kooperationen ist in hohem Maße von dem Verständ-
• „Integrated Water Resources Management (IWRM)“, an der Fachhochschule Köln
nis der Interessen, des Potenzials und des kulturellen Kontextes der jeweiligen Partner abhängig. Auch in der deutsch-arabischen Entwicklungszusammenarbeit haben
und der University of Jordan, Jordanien
www.iwrm-master.info
sich in den letzten Jahren die Inhalte zunehmend von der fachlich-technischen Ebene hin zu übergreifenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Fragestellungen
erweitert.
Deshalb unterstützen GIZ und der DAAD den Aufbau von bikulturellen Masterprogrammen mit arabischen Ländern. Deutsche und arabische Studierende erwerben
hier nicht nur aktuelles Fachwissen, sondern auch regionales Wissen und interkulturelle Kommunikationsfähigkeit.
Folgende bikulturelle Masterstudiengänge werden im Rahmen dieses Programms
bisher gefördert:
• „Economics of the Middle East (EMEA)“ an der Universität Marburg und der
Lebanese American University Beirut, Libanon
www.uni-marburg.de/fb02/emea
• „Renewable Energy and Energy Efficiency for the MENA Region
(REMENA)“, an der Universität Kassel und der Cairo University, Ägypten
www.uni-kassel.de/remena
• „International Education Management (INEMA)“, an der Pädagogischen
Hochschule Ludwigsburg und der Helwan University, Ägypten
www.inema-master.com
WIRTSCHAFT · LIBYEN · HEALTHCARE
Nur noch
gegen Vorkasse
Illustration: zcool.com.cn
62
WIRTSCHAFT · LIBYEN · HEALTHCARE
63
ten libyschen Patienten von der Bundeswehr nach Deutschland ausgeflogen wurden. Als humanitäre Geste verpackt, sah
die Politik in der Kooperation in erster Linie eine Chance, die diplomatischen Beziehungen zum postrevolutionären Libyen zu
verbessern und damit die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat bei der Frage eines militärischen Eingreifens vergessen zu
machen.
Zudem versprachen die zusätzlichen
Patienten ein lukratives Geschäft: Die BeIm Streit um die Behandlungskosten für Kriegs­
handlungskosten wollte der libysche Staat,
dessen Gesundheitswesen nach dem Krieg
verletzte aus Libyen warten einige Krankenhäuser
zwar am Boden lag, aber mit umfangreibis heute auf ihr Geld. Die Causa offenbart peinliche
chen Finanzmitteln ausgestattet war,
Versäumnisse eines scheidenden deutschen
selbst tragen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) förderte das Vorhaben mit
Ministers – und die Überforderung einer Botschaft in
einem 100-Millionen-Euro-Kredit, das
den Wirren des Arabischen Frühlings
Auswärtige Amt half mit einer »unbürokratischen Visavergabe« nach.
Im April 2012 waren die Libyer den
deutschen
Kliniken und Reha-EinrichtunVON KRISTINA MILZ
gen, die mehr als tausend Kriegsverletzte
behandelt hatten, nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) noch
rund 32 Millionen Euro schuldig. Die libysche Botschaft hatte damals, zunächst ohne Angabe von Gründen, ihre Zahlungen
eingestellt. »Bis Ende Januar 2013 werden
alle Schulden beglichen«, kündigte ein Mitüber unbezahlte Rechnungen – Geld, das arbeiter damals an (siehe zenith 1/2013).
Wie viele Kliniken ihr Geld mittlerweidas nordafrikanische Land ihnen für die
Behandlung von Kriegsverletzten schuldet. le auf dem Konto haben, kann oder will keiKwideer legt fünf Papiere sorgfältig neben- ne der Parteien beantworten. »Wir haben
einander auf den Tisch – auf jedem steht schon sehr viel geschafft. Das meiste haben
der Name eines Krankenhauses, das an die- wir bezahlt«, sagt der neue Botschafter
sem Tag endlich das
Kwideer.
heiß ersehnte Geld erFest steht aber
halten wird. Die Tinte,
auch: Einige Kliniken
die mit feinen Linien
warten bis heute auf
Die Ministerien fühlen sich
sei ne Untersch r i f t
die Erstattung der Benicht zuständig, die Kliniken
handlungskosten. Und
zeich net , i st no ch
sich im Stich gelassen und die die Beträge sind zum
nicht ganz getrocknet.
libysche Botschaft sich betro- Teil empfindlich hoch.
Als Ruhmesblatt
der deutsch-libyschen gen – ­gewonnen haben ­Juristen »Plötzlich h ieß es:
Sorry, wir zahlen nicht
Beziehungen wird der
und Wirtschaftsprüfer
Deal wohl niemandem
mehr. Da lagen die Libyer noch in den Betim Gedächtnis bleiben. Denn noch immer
ten«, erzählt der Verenussi A. Y. Kwideer sitzt hinter seinem fehlen deutschen Krankenhäusern Millio- treter einer betroffenen Einrichtung, die
großen Schreibtisch und kramt in einem nenbeträge. Ohne unternehmerisches Ri- nach wie vor auf einen sechsstelligen Betrag
Stapel Unterlagen. Akten, Rechnungen, siko Gutes tun – das versprachen Bundes- aus Libyen wartet. Aus Sorge, dass sich die
Verträge – alle sorgsam zusammengeheftet regierung und die Deutsche Krankenhaus- Kostenerstattung noch weiter verzögern
und abgelegt. Seit seiner Berufung zum gesellschaft (DKG) den heimischen Klini- könnte, möchte er lieber anonym bleiben.
Botschafter Libyens in Deutschland im Ju- ken, a ls kurz nach dem Besuch des Rechtlich könne man gegen almeda, die Heli lässt den Diplomaten ein Thema nicht damaligen Gesundheitsministers Philipp althcare-Dienstleistungstochter des Versimehr los: der Ärger deutscher Kliniken Rösler in Tripolis im Oktober 2011 die ers- cherungskonzerns Munich RE, die die Pati-
S
WIRTSCHAFT · LIBYEN · HEALTHCARE
enten vermittelt hatte, nichts ausrichten. Krankenhäuser auf ihre Richtigkeit hin zu
Dennoch fühlt sich die Klinik betrogen: überprüfen – die libysche Seite ging von
»Das ist eine anerkannte Firma, mit der es unrechtmäßig hohen Kalkulationen aus.
bis dato reibungslos geklappt hat – natür- »Wir sind aufgefordert worden, Zahlen zu
lich sind wir davon
liefern«, heißt es aus
ausgegangen, dass das
der betroffenen Einrichtung. Innerhalb
Hand und Fuß hat«,
von zwei Wochen habe
sagt der Vertreter und
Selbst die eigens vom Gesund- man darauf geantworfügt verärgert hinzu:
tet und für Transpa»Wir haben Schwerheitsminister eingesetzte
verletzte binnen kür­Vermittlungskommission hat renz gesorgt – und denzester Frist aufgenomnoch: »Seitdem haben
wenig Verständnis für die
men. Wenn es um Lewir von PwC nichts
­Verschwiegenheitsklausel
ben und Tod geht,
mehr gehört und auch
kann man nicht lange
kein Geld gesehen.«
fragen, sondern verAus dem Umf eld
lässt sich auf Zusagen.«
der l ibyschen Botschaft verlautet:
Im Februar 2013
habe dann die Wirtschaftsprüfungsgesell- »Eine Akte nach der anderen wurde geschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) erst- schlossen, aber einige Krankenhäuser vermals den Kontakt gesucht. Das Unterneh- halten sich noch immer nicht kooperativ«,
men war vom libyschen Finanzministeri- sagt er über die offenen Fälle. Und auch
um beauftragt worden, die Rechnungen der Kwideer ist überzeugt: »Wer mit uns zu-
sammenarbeitet, der bekommt auch das
Geld, das ihm zusteht.«
Im Ministerium ist man bemüht, die
Fortschritte zu betonen: »Nach anfänglichen Problemen« wachse »die Kooperationsbereitschaft der libyschen Seite«, teilte
das Bundesgesund heitsministerium
(BMG) auf Nachfrage von zenith mit. PwC
habe »betroffenen Kliniken Vergleichsangebote unterbreitet«, die von einigen bereits angenommen worden seien. Die Gesamthöhe der Forderungen und der Anteil
der geleisteten Teilzahlungen seien der
Bundesregierung »nicht bekannt«. Als Begründung heißt es: »Es handelt sich um Geschäftsgeheimnisse der Kliniken.«
Die meisten Einrichtungen halten sich
auf Nachfrage denn auch bedeckt – den genauen Grund für die Zurückhaltung kennt
Rolf Dieter Müller, Vorsitzender einer externen Kommission, die im Auftrag des
BMG zwischen Kliniken und libyscher Seite als Mediator vermitteln sollte: »Bevor
Verhandlungen mit PwC aufgenommen
wurden, mussten die Krankenhäuser eine
Erklärung unterschreiben, die Stillschweigen vereinbart.« Müller findet, dass dies
»für unsere Verhältnisse eine unvorstellbare Situation« sei: Dritten dürfe schlicht keine Auskunft erteilt werden.
Zu diesen zählen nicht nur interessierte Journalisten, sondern auch das BMG sowie die Vermittlungskommission selbst.
Wie das Gremium, das von Müller geleitet
wird, unter diesen Umständen seiner Aufgabe gerecht werden soll, bleibt wohl das
Geheimnis des ehemaligen Gesundheitsministers und Rösler-Nachfolgers Daniel
Bahr, der über die Einsetzung der ausschließlich externen Vermittler persönlich
verfügte. Der Abschlussbericht der Kommission, der erst nach Rücksprache mit der
libyschen Seite veröffentlicht werden soll,
verspricht daher wenig Erkenntnisse. Derzeit prüfe die Botschaft, ob nach Zustimmung des libyschen Gesundheitsministeriums der Bericht in einer gemeinsamen Gesprächsrunde mit der deutschen Kommission erörtert werden soll, so Müller.
Botschafter Kwideer berichtet von einem
Treffen am 26. August 2013, auf dem er mit
Vertretern des BMG die Einrichtung eines
solchen Gremiums verabredet habe. Bisher
blieb es bei dieser Absichtserklärung.
Obwohl das BMG 2011 gemeinsam mit
Auswärtigem Amt und Finanzministerium
noch nachdrücklich bei den Kliniken dafür
warb, sich der libyschen Patienten anzu-
Foto: Kristina Milz
64
WIRTSCHAFT · LIBYEN · HEALTHCARE
nehmen, fühlte es sich bereits nach kurzer
Zeit für den reibungslosen Ablauf nicht
mehr verantwortlich. Ministerialrat Ortwin Schulte betont auf Nachfrage von zenith, dass das BMG im »Streitfall einzelner
Kliniken nicht zuständig« sei.
Auf Seiten der betroffenen Kliniken
könnte die Einschätzung kaum gegensätzlicher sein: »Das ist doch nur Rhetorik. Man
versucht, die Wogen zu glätten«, heißt es aus
einem Krankenhaus. Manche Kliniken haben vor der Situation längst kapituliert. Der
Anwalt einer dieser Einrichtungen sagt,
dass sein Mandant nur 80 Prozent der Behandlungskosten erhalten habe, obgleich
eine schriftliche Bestätigung von PwC vorgelegen habe, dass die ursprüngliche Rechnung korrekt war. Auch er bestätigt die vertraglich festgelegte Schweigepflicht – weshalb auch diese Klinik anonym bleiben will.
Der Jurist wirft dem Unternehmen
PwC Verzögerungs- und Erpressungstaktik vor. Der Klinik sei nichts anderes übriggeblieben, als sich auf den dreisten Vorschlag einzulassen: Die Banken hätten bereits eine weitere Finanzierung verweigert.
Von Seiten der Wirtschaftsprüfer habe
man zu hören bekommen, dass man den
Verhandlungsprozess durchaus noch in die
Länge ziehen könne. Mehr als drei Millionen Euro standen in diesem Fall aus – ein
Defizit, das sich die Klinik schlicht nicht
weiter leisten konnte. PwC möchte zu den
Vorwürfen auf Nachfrage von zenith »vertragsbedingt« keine Stellung nehmen.
65
Betrugsversuche wittert jedoch auch die Von den finanziellen Streitigkeiten sind
Gegenseite: Der libysche Botschafter er- auch die libyschen Patienten betroffen:
zählt von Fällen, in denen Kliniken nur et- Kwideer berichtet von einer Klinik, die eiwas mehr als ein Viertel der veranschlagten nen Millionenbetrag gefordert habe – anKosten auch nachweisen konnten – und dernfalls wollte sie die Behandlung der Patrotzdem monatelang mit PwC stritten und tienten, die zu diesem Zeitpunkt noch in
nur widerwillig von ihden Betten lagen, soren Forderungen abgefort beenden.
rückt seien. Hinzu käKeine der Einrichtungen will bestätigen,
men Krankenhäuser,
»Wenn es um Leben und Tod
womit auch Jens Juszdie libysche Patienten
aufgenommen hätten,
geht, fragt man nicht lange« – czak – der als Experte
für Auslands­patienten
ohne den Weg über die
bald könnten Patienten aus
a n der Hochschu le
Botschaft zu gehen,
­Libyen dagegen kategorisch
Bonn-Rhein-Sieg eiund nun von dieser
­abgewiesen werden
nem inoffiziellen ArGeld einfordern. »Das
beitskreis von 35 Kliist absurd«, entrüstet
niken und Gesundsich Kwideer.
heitsunternehmen anDreist finden die
gehört – Ende 2012
Ver treter mehrerer
Kliniken dagegen Korruptionsfälle auf li- drohte: dass Patienten aus Libyen von den
byscher Seite, die sie für die Verzögerung Kliniken künftig kategorisch abgewiesen
verantwortlich machen: Die neue libysche würden.
Regierung habe die eigene Botschaft in BerDies sei angesichts der Situation ein
lin – bevor Kwideer sich der Sache annahm »legitimes Vorgehen«, so Juszczak. Dass
– ins Visier genommen, heißt es im vertrau- viele deutsche Krankenhäuser mittlerweilichen Gespräch. Der neue Botschafter je- le zumindest auf Vorkasse bestehen, wenn
denfalls bestätigt den Verdacht: Er habe als es um libysche Patienten geht, haben jeeine seiner ersten Amtshandlungen perso- doch zahlreiche der Kliniken bestätigt. Die
nelle Konsequenzen aus der Affäre gezogen tatsächlichen Kosten der humanitären Hil– das Gesundheitsbüro, eine Abteilung der fe »ohne unternehmerisches Risiko« werlibyschen Botschaft, trage Schuld am Ver- den in Zukunft wohl genauer kalkuliert.
schwinden enormer Summen. Die Verant- Aus dem geplanten Gewinn für alle Beteiwortlichen seien mittlerweile versetzt, die ligten wurde vor allem ein Coup der Juristen und Wirtschaftsprüfer.
•
Stellen neu besetzt worden.
66
WIRTSCHAFT · ÄGYPTEN · LÄNDERREPORT
Benzin statt Bildung
Wer auch immer Ägypten in den nächsten Jahren regieren wird, muss ein
Kernproblem in den Griff bekommen: Das Subventionssystem schröpft
den Haushalt – und hilft noch nicht einmal den wirklich Bedürftigen
VON RAGNAR WEILANDT
W
er auf Kairos Straßen unterwegs ist,
braucht starke Nerven. Die schiere
Masse der Autos, die Abgase und der
Lärm überbeanspruchen alle fünf Sinne gleichzeitig. Selbst elementare Verkehrsregeln werden ignoriert, Autounfälle kosten jährlich rund tausend
Menschen das Leben. Durch Zeitverlust und unnötig verbranntes Benzin
verursacht der chronische Stau nach
Schätzungen der Weltbank einen volkswirtschaftlichen Schaden
von rund 8 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Der tägliche Verkehrsinfarkt lässt sich teilweise auf die verkehrspolitische Fehlplanung der vergangenen Jahrzehnte zurückführen. Aber er ist auch das Ergebnis eines strukturellen Problems
der ägyptischen Wirtschaftsordnung. Denn bei einem Benzinpreis
von umgerechnet rund 20 Cent pro Liter ist es kaum verwunder-
lich, dass das Auto das bevorzugte Fortbewegungsmittel ist. Das
Entwicklungsland Ägypten gönnt sich einen der weltweit niedrigsten Benzinpreise und setzt damit die falschen Anreize. Und der
günstige Sprit wirkt sich nicht nur negativ auf den Verkehr aus.
Auch für die ägyptische Volkswirtschaft hat er verheerende Folgen.
Je nach Tankstelle kostet Benzin in Deutschland bis zu acht
Mal so viel wie in Ägypten. Auch wenn man die Steuern und Abgaben herausrechnet, hat der deutsche Autofahrer für eine Tankfüllung nach wie vor knapp das Vierfache zu berappen. Doch auf dem
Weltmarkt zahlen beide Länder in der Regel ungefähr die gleichen
Ölpreise. Die Differenz gleicht Ägypten durch Subventionen aus –
und verwendet dafür rund 21 Prozent des Staatshaushalts. Auch
andere Güter werden verbilligt, insgesamt gibt der Staat rund 28
Prozent seines Budgets für Subventionen aus – Tendenz steigend.
Subventionen wurden in Ägypten während des Zweiten Weltkriegs eingeführt, waren damals aber noch sehr gering. Nach dem
Putsch der Freien Offiziere um Oberst Gamal Abdel Nasser wurden
WIRTSCHAFT · ÄGYPTEN · LÄNDERREPORT
67
sie ausgeweitet – um das Verunter der Herrschaft der Mussprechen eines sozial gerechlimbrüder und Präsident Morteren Ägyptens einzulösen.
sis – zu indirekten KriegsdroMehr als ein Viertel seines Staatshaushalts
hungen hinreißen lassen (siehe
Als Preise für Öl und andere
wendet Ägypten für Subventionen auf. Das
zenith 3/2013).
Güter in den 1970er Jahren
anzogen, stiegen auch die SubEinen Großteil des NilwasSystem ist unfair, ineffizient und fördert
ventionen weiter an. Anwar
sers wird von der LandwirtMissbrauch – es muss dringend reformiert
Al-Sadats Versuch, sie einzuschaft verbraucht – »verwerden
dämmen, führte 1977 zu den
schwendet« wäre aufgrund
teilweise archaischer Bewässe»Brotunruhen« – ein abschrerungsmethoden aber wohl eine
ckendes Beispiel für seinen
passendere Bezeichnung. DenNachfolger Hosni Mubarak.
Unter dessen Herrschaft schossen die staatlichen Zuschüsse weiter noch muss Ägypten einen Großteil seiner landwirtschaftlichen
in die Höhe.
Produkte importieren und – um sie bezahlbar zu machen – ebenIn den vergangenen Jahrzehnten wurden Subventionen in falls subventionieren. Die Subventionen kurbeln also nicht einmal
Ägypten mehr und mehr als Teil eines Gesellschaftsvertrags zwi- primär eigene Wirtschaftszweige an, sondern fördern zum Beispiel
schen dem Staat und seinen Bürgern wahrgenommen – ein Aus- Äpfel aus Südtirol oder Getreide aus Osteuropa und Russland. Und
gleich für fehlende Mitbestimmung und mangelnde sonstige staat- so wichtig erschwingliche Lebensmittel auch sind: Die künstliche
liche Leistungen. Doch auch wenn einige Subventionen mittelfris- Verbilligung hat absurde Nebenwirkungen. Während frisch getig unabdingbar sind, um den Angehörigen unterer Schichten presste Obstsäfte in Europa ein Luxusgut sind, können sie auf
Zugang zu Basislebensmitteln zu ermöglichen – in seiner Gesamt- Kairos Straßen mitunter billiger sein als abgefülltes Wasser.
heit ist das System unfair, ineffizient und fördert Missbrauch. SubDie ägyptischen Subventionen erfüllen ihre Ziele also nur in
ventionen machen keinen Unterschied zwischen Reich und Arm. Ansätzen und haben verschiedene negative Auswirkungen, weil sie
Und weil Wohlhabende öfter Auto fahren und mehr konsumieren, falsche Anreize setzen und zu Missbrauch einladen. Aber ihr größprofitieren sie insgesamt deutlich mehr von den Subventionen als tes Problem ist fiskalischer Natur: Sie sind nicht finanzierbar.
jene Ägypter, die eigentlich auf sie angewiesen sind. Und da Ägyp- Ägypten weist ein Staatsdefizit von rund zehn Prozent des Bruttoten die regional niedrigsten Benzinpreise hat, floriert beispielswei- inlandsprodukts auf, die Staatsverschuldung liegt bei rund 80 Prose der Treibstoffschmuggel in die Nachbarstaaten.
zent. Mit dem Tourismus ist dem Land zum zweiten Mal innerhalb
Auch andere Bereiche sind anfällig für Betrug. Jeder Ägypter von drei Jahren eine wichtige Säule der Wirtschaft nahezu vollhat ein Anrecht auf drei Laibe des subventionierten »Beladi«-Brots ständig weggebrochen. Investoren halten sich weiterhin fern, die
pro Tag. Doch in der Praxis kann man in den staatlichen Bäckerei- Arbeitslosigkeit schnellt unaufhörlich in die Höhe.
en 20 Brote auf einmal kaufen oder sogar noch mehr, wenn man
Die für die Verbilligung von Benzin und weiterer Güter verwillens ist, sich abermals anzustellen. Subventioniert werden aller- wendeten Gelder fehlen anderswo. Zum Beispiel im Bereich Bildings nicht die verkauften Brote – sondern das Mehl. Folglich lan- dung. Der erhält rund elf Prozent des Staatshaushalts – weniger als
det ein beträchtlicher Teil des subventionierten Mehls auf dem die Hälfte dessen, was in Subventionen fließt. Die Folge: Ein vollSchwarzmarkt und wird an normale Bäckereien verkauft, die es für kommen unzureichendes staatliches Bildungssystem. Aber auch in
luxuriösere Backwaren verwenden.
anderen Bereichen wie Infrastruktur oder Krankenversorgung
Die Subventionen führen außerdem zu einem verantwortungs- fehlen öffentliche Gelder. Ägyptens Eisenbahn gehört zu den
losen Umgang mit knappen Gütern. So sollten in einem Land, das unfall­anfälligsten der Welt und wer sich keine Behandlung in prizu 96 Prozent aus Wüste besteht, Wasser und wasserintensive Pro- vaten Krankenhäusern leisten kann, sollte besser nicht ernsthaft
dukte besonders sparsam verwendet werden. Doch dank der Sub- krank werden.
ventionen gehören auch die ägyptischen Wasserpreise zu den weltAn einer Reform des Subventionssystems führt mittelfristig
weit niedrigsten. Dementsprechend wird das nasse Gut massiv kein Weg vorbei. Die massiven Finanzhilfen aus den Golfstaaten
verschwendet. Staub und Luftverschmutzung in der Hauptstadt haben der ägyptischen Regierung zwar kurzfristig etwas Luft verKairo etwa sorgen dafür, dass es immer einen Grund zum Putzen schafft. Dennoch böte sich gerade jetzt eine einmalige Gelegenheit,
gibt. Und egal ob Autos, Treppenhäuser oder Straßen – wenn in das Thema endlich anzupacken. Dank der Absetzung der MuslimKairo geputzt wird, ereignen sich regelmäßig mittlere Überflutun- brüder genießen das Militär und die Übergangsregierung derzeit
gen. Um Staubaufwirbelungen zu vermeiden, werden Straßen und die weitgehend kritiklose Unterstützung weiter Teile der BevölkeWege oft auch einfach so befeuchtet. Ein beträchtlicher Teil des rung. Und da die führenden Mitglieder der Übergangsregierung
Frisch­wassers geht überdies in Ägyptens marodem Leitungssys- angeblich keine langfristigen Ambitionen in der ägyptischen Politem verloren. Und von den niedrigen Wasserpreisen profitieren ne- tik verfolgen, könnten sie es sich leisten, harte und unangenehme
ben Ottonormalverbrauchern auch die Betreiber von künstlich be- Entscheidungen zu treffen.
wässerten Golfplätzen, Privatgärten und begrünten Hotelanlagen.
Die Herausforderung besteht darin, die mit dem SubventionsÄgypten bezieht 95 Prozent seines Frischwassers aus dem Nil. abbau verbundenen Preissteigerungen durchzusetzen, ohne den
Und auch wenn es im Zuge der jüngsten Entwicklungen etwas aus sozialen Frieden zu gefährden. Denn viele Ägypter sind am 30. Juni
dem Fokus geraten ist – die Verteilung des Nilwassers hat hohe po- vor allem aus materiellen Gründen gegen Mohammed Morsi auf die
litische Sprengkraft. Weil Ägypten sich von einem gigantischen Straße gegangen – sie erwarten nun Ent- und keine weiteren Belasäthiopischen Dammprojekt bedroht fühlt, hat es sich bereits – noch tungen. Die Subventionen werden sich wohl auch vorerst nicht völ-
68
WIRTSCHAFT · ÄGYPTEN · LÄNDERREPORT
lig abschaffen lassen, denn zumindest Lebensmittel müssen
auch für untere Bevölkerungsschichten weiter erschwinglich
bleiben. Die Regierung wird also schrittweise vorgehen müssen, kann sich aber wegen der desolaten Finanzlage auch nicht
zu viel Zeit lassen.
Die ersten Einschnitte sollten bei den Benzinsubventionen
ansetzen, da diese den Haushalt mit Abstand am meisten belasten. Durch direkte Geldtransfers an arme Familien ließen sich
ÄGYPTENS STAATSHAUSHALT 2011/2012 IN MRD. EGP
Gehälter Öffentlicher Dienst
Anteil am Budget
110,5
23,3%
Waren und Dienstleistungen
29,2
6,2%
Zinsen
105,3
22,2%
Subventionen*
Von den niedrigen Wasserpreisen profitieren
Betreiber von künstlich bewässerten Golfplätzen,
Privatgärten und begrünten Hotelanlagen
28,1%
1 33,1
Beihilfen und Zuschüsse
4,5%
21,4
Investitionen
9,3%
43,9
Sonstige Ausgaben
die steigenden Preise abfedern und sozial akzeptabler gestalten.
Ägypten könnte dabei dem iranischen Beispiel folgen: Auch Iran
sah sich 2010 gezwungen, Benzinsubventionen zu kürzen. Um
die Akzeptanz und das Verständnis der Bevölkerung zu gewinnen, organisierte die Regierung zunächst eine ausführliche Aufklärungskampagne. Die Kürzungen wurden dann bereits Monate vorher angekündigt und mit direkten Finanzhilfen an Familien kombiniert, für die sich rund 80 Prozent der Bevölkerung
bewerben konnten.
Mittelfristig müssen Ägyptens Behörden gewährleisten,
dass subventionierte Güter nur von jenen erworben werden, die
sie wirklich benötigen und dann auch nur zum Eigenverbrauch.
Mit der Einrichtung einer zentralen Datenbank und der geplanten Herausgabe von »Smart Cards« an die Verbraucher werden
derzeit erste Schritte in die richtige Richtung beschritten. Die
Datenbank soll erfassen, welchen Verbrauchern welche Mengen an subventioniertem Benzin zustehen. Mittels der »Smart
Cards« soll gewährleistet werden, dass einzelne Verbraucher ab
einer festgelegten Abnahmeobergrenze das Benzin zu Marktpreisen zahlen müssen. Zumindest dem Schmuggel, der nach
Angaben der Behörden rund 20 Prozent der Benzinsubventionen absorbiert, würde so ein Ende gesetzt.
6,6%
31,1
SUBVENTIONEN
Öl
% Subventionen
95,5
% Budget
71,8%
20,1%
14,2%
4,0%
3,8%
1,1%
3,2%
0,9%
1,9%
0,5%
1,1%
0,3%
0,7%
0,2%
0,6%
0,2%
2,8%
0,8%
Lebensmittel
18,1
Strom
5,0
Landwirtschaft
4,3
Exporthilfen
2,5
Sozialwohnungen
1,5
Transport
0,9
Wasser
0,8
Sonstige Subventionen
3,7
Gesamt
Wie man sinnvoll Subventionen abbaut, ohne
soziale Unruhen hervorzurufen, könnte Ägypten
vom iranischen Beispiel lernen
133,1
SOZIALAUSGABEN
% Budget
Bildung
51,3
10,8%
Gesundheit
Doch langfristig sollten die Subventionen für Benzin und andere Güter weitgehend abgeschafft und Familien eher bei ihren
Ausgaben für Bildung und Krankenversorgung entlastet werden. Solange Ägypten fast doppelt soviel Geld für Benzinsubventionen wie für Bildung ausgibt, wird die erhoffte ökonomische Renaissance ausbleiben. Und der Verkehr von Kairo bleibt
weiter eine Gefahr für Leib, Leben und Verstand.
•
24,2
5,1%
Pension und Sozialversicherung
50,5
10,6%
Sonstige Sozialleistungen
4,3
Quelle: Ägyptisches Finanzministerium
5,9%
TRAINING – MADE IN GERMANY
70
WIRTSCHAFT · NIGER · BERGBAU
Der Fluch des »strahlenden Goldes«
Der französische Großkonzern Areva baut im bitterarmen Niger im
großen Stil Uran ab. Dabei schadet das Unternehmen den Menschen
und der Natur gleichermaßen. Das Land profitiert kaum von seinem
Ressourcenreichtum – sondern besitzt eines der verseuchtesten Abbaugebiete der Erde
VON MARVIN KUMETAT
M
usa lächelt breit. »Gut, dass du aus
Deutschland kommst.« Elegant steuert er
seinen rostigen Toyota Starlet, Baujahr
1993, durch einen Hindernisparcours aus
Schlaglöchern und dem Getümmel der
übrigen Verkehrsteilnehmer. Bei jeder
kleinsten Erschütterung ächzt der rostige
Kleinwagen bedrohlich unter dem Gewicht von insgesamt vier Insassen. Wir
fahren mit Musa durch die Straßen von
Niamey, der quirligen Hauptstadt des Niger.
Der westafrikanische Staat ist hierzulande vor allem bekannt, weil er auf der Liste der ärmsten Länder der Welt einen
unrühmlichen zweiten Platz belegt. Dabei sitzt das Land auf einem riesigen Vorkommen eines heiß begehrten Bodenschatzes:
Uran – sein mit Abstand wichtigstes Handelsgut. 2010 machte es
über 60 Prozent der Gesamtexporte aus. Doch während Europa
in den Genuss allzeit verfügbarer, vermeintlich »sauberer« Kernenergie kommt, gehen im Niger trotz alledem immer wieder die
Lichter aus. Mehr noch: Niger profitiert nicht nur kaum – oder gar
nicht – von seinem Rohstoffreichtum. Es bleibt auch noch auf Altlasten sitzen.
»Wärst du Franzose, hätte ich dich nicht in mein Auto gelassen«, erklärt Musa. Er lacht zwar dabei verschmitzt, erntet mit
seinem Kommentar aber zustimmendes Gemurmel von der Rückbank. Auch vierzig Jahre nach der Unabhängigkeit sitzt der Groll
gegenüber den ehemaligen Kolonialherren tief. Musas Antipathie
gegenüber Franzosen speist sich auch aus seiner eigenen Lebensgeschichte. »Frankreich, damit verbinde ich vor allem eines: Areva. Die reißen sich unser Uran unter den Nagel, lassen aber im
Gegenzug nur Armut, Krankheit und Konflikt zurück.«
Seit mehr als 40 Jahren betreibt der Großkonzern Areva nun
schon Uranabbau im kargen Norden des Landes. Der französische
Staat, vertreten durch die das Commissariat à l’énergie atomique
Foto: Greenpeace/Philip Reynaers
WIRTSCHAFT · NIGER · BERGBAU
71
Es ist nicht sehr schwer, die Ursache
et aux énergies alternatives (CEA), ist
Hauptaktionär. Denn der Hunger von insfür die starken Belastungen zu finden.
gesamt 58 Atomkraftwerken in der
Bei der Produktion von nur einem Kilo»Grande Nation« will gestillt werden.
gramm Uran fallen etwa 335 Kilogramm
Kein anderes Land der Welt setzt so sehr
Abraum an, der immerhin noch 85 Prozent der Radioaktivität des reinen Erzes
auf Atomstrom wie Frankreich. Seinen
enthält. Während dieser beim Abbau ungroßen Bedarf an radioaktivem Ausgangsmaterial deckt das Land zu einem
ter Tage in nicht mehr benutzte Stollen
Viertel aus nigrischem Uran.
verfüllt wird, lädt Areva im Tagebau das
Mit einer Jahresproduktion von etwa
verseuchte Schutt-Geröll-Gemisch ein5.000 Tonnen liegt Areva auf Platz zwei
fach unter freiem Himmel ab. Über einen
Zeitraum von über 40 Jahren hat sich so
der uranfördernden Unternehmen weltein gigantischer Berg aus über 35 Millioweit und zählt damit schon heute zu den
wichtigsten Lieferanten der europäischen
nen Tonnen radioaktivem Schutt und
Atomindustrie. Zwei Minen ringen dem
Chemikalien angesammelt.
nigrischen Boden das kostbare Gut ab; eiMindestens genauso erschreckend
ne dritte ist bereits im Bau. Nach ihrer voist: Niemand klärt die Bevölkerung wirkraussichtlichen Inbetriebnahme im Jahr
lich über die Gefährlichkeit kontaminierter Materialien auf. Und so verwenden
2015 soll dort die gewaltige Menge von
viele Anwohner radioaktiven Abraum für
5.000 Tonnen Uran im Jahr abgebaut
den Bau von Straßen und Häusern. Auch
werden. Areva würde damit das kasachische Unternehmen KazAtomProm – den
für die Abbautätigkeiten nicht mehr bederzeitigen Spitzenreiter im profitablen
nötigte Werkzeuge werden weiterverarUran-Geschäft – endgültig vom Thron
beitet. Kontaminierte Metalle finden so
stoßen.
über die lokalen Märkte Verbreitung und
werden
von der ansässigen Bevölkerung
Die Freude darüber hält sich in Arlit
Die Strahlung in Arlit ist fast
zu Gebrauchsgegenständen umfunktioin Grenzen, denn die Folgen radioaktiver
allgegenwärtig. Sie verbirgt sich
niert. Selbst ein Kochtopf kann zum
Belastung sind in Nigers Hauptabbaugein der Erde, in der Luft und im
biet bereits spürbar. Arlit ist die Geburtsstrahlenden Risikofaktor werden.
stadt von Musa, der größte Teil seiner FaMusa glaubt, dass die Strahlung seiWasser, in den Hauswänden,
nen
Vater,
der ebenfalls für Areva gearbeimilie lebt noch immer dort. Fast alle sind
sogar im Kochgeschirr
tet hatte, das Leben gekostet hat. »Erst
sie bei Areva beschäftigt. Die Bergbauswar da der Husten«, erklärt er, »dann
tadt ist umgeben von Wüste. Gäbe es hier
kein Uran, wäre sie in dieser unwirtlichen Gegend wohl nie ent- wurde er zusehends schwächer. Er wirkte abgeschlafft. Zuletzt
standen. Nachdem Anwohner und Beschäftigte über Jahrzehnte wollte er kaum noch etwas essen. Mit 45 Jahren ist er dann gestorimmer eindringlicher ihre Bedenken geäußert hatten, untersuch- ben.« Uran als Feinstaubpartikel in der Luft und Radon als radite im Jahr 2003 die französische »Kommission für unabhängige oaktives Gas und Nebenprodukt der Urangewinnung können
Forschung und Information über Radioaktivität« (CRIIRAD) die nachweislich unter anderem Lungen-, Magen-, Leber-, Nieren- und
Lage vor Ort. Auch Greenpeace widmete sich 2009 der Angele- Hautkrebs sowie Leukämie verursachen.
genheit. Beide Organisationen kommen zu einem verheerenden
Areva würde Musas Verdacht wohl bestreiten. Genauso wie
Ergebnis: Die Strahlung ist fast allgegenwärtig. Sie verbirgt sich Areva auch in Dutzenden ähnlicher Krankheitsfälle jeglichen Zuin der Erde, in der Luft und im Wasser, in den Hauswänden, ja so- sammenhang mit der Beschäftigung im Uranabbau leugnet. Da
gar im Kochgeschirr.
Arlit, umgangssprachlich als »Areva-Stadt« bekannt, der größte
So lag laut Greenpeace-Bericht der Strahlenwert bei vier von Arbeitgeber der Region ist, sind auch die örtlichen Krankenhäufünf getesteten Wasserproben über der von der Weltgesundheits- ser in der Hand des Großunternehmens.
behörde WHO empfohlenen Höchstdosis für Trinkwasser. Denn
Der Konzern rühmt sich zwar der Bereitstellung kostenloser
Areva deckt den gewaltigen Wasserbedarf für den Uranabbau aus ärztlicher Versorgung und Nachsorge, doch die Ärzte im Dienste
dem Grundwasser und leitet die kontaminierten Abwässer an- Arevas wollen keinen einzigen Fall von arbeitsbedingter Krebserkrankungen festgestellt haben. Dies verwundert insbesondere, da
schließend einfach in nahegelegene Seen und Flüsse ab.
Als CRIIRAD auf die Verseuchung von Trink- und Brauch- doch erst ab Mitte der 1980er Jahre – immerhin 15 Jahre nach
wasser hinwies, reagierte Areva zwar und versiegelte hastig einige Beginn des Abbaus – überhaupt eine Schutzkleidung, wie beinachweislich verseuchte Brunnen – ein Schuldeingeständnis blieb spielsweise ein Mundschutz, an Minenarbeiter verteilt wurde.
jedoch aus. Niemand wollte so recht zugeben, dass die Kontamina- Tatsächlich aber ist etwa die Rate der durch Erkrankung der
tion dem Uranabbau geschuldet war. Auch die Untersuchung von Atemwege verursachten Todesfälle in der Region Arlit fast dopBodenproben im Umfeld der Minen lieferte bedenkliche Ergeb- pelt so hoch wie im Rest des Landes. Greenpeace will mit Patiennisse. Hier war die Konzentration von Uran und anderen radioak- ten gesprochen haben, bei denen statt Krebserkrankungen sogar
tiven Substanzen etwa hundertmal höher als der Normalwert und vorsätzlich andere Krankheiten wie AIDS als Ursache der Beüberstieg damit deutlich internationale Grenzwerte.
schwerden diagnostiziert wurden.
WIRTSCHAFT · NIGER · BERGBAU
sentiments, die ein Großteil der BevölkeWer nicht vom Krebs zerfressen
rung gegenüber der ehemaligen Kolonialwird, den plagt die Ungewissheit. Welchen Risiken war ich wirklich ausgesetzt
macht ohnehin teilt.
und wie lange dauert es, bis sich SymptoAls 2010 in Arlit fünf französische
me bemerkbar machen? Musa hat seine
Staatsbürger entführt wurden, die im
Schlüsse gezogen und ist mit seiner Frau
Dienste von Areva standen, nahm Frankund seinen fünf Kindern aus Arlit weggereich dies zum Anlass, seine militärische
zogen. Er hofft, dass die Strahlung ihn
Präsenz in der Region zu verstärken. Abgesehen von dem Schutz von Handelsschifoder seine Familie nicht irgendwann
fen vor Piratenangriffen, beschützt das
einmal einholen wird.
französische Militär nirgendwo sonst so
Die Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung ist mitnichten die einzige,
exklusiv die Interessen von Wirtschaftsunternehmen wie im Falle der Uranminen
hässliche Folge des Uranreichtums. Der
von Areva. Der neuerliche SelbstmordRaubbau bedeutet auch einen massiven
schlag bewegte Präsident François HolEingriff in das Ökosystem – mit schwerlande dazu, noch einmal zu beteuern, dass
wiegenden Konsequenzen.
er alles daran setzen werde, französische
So entstammen die mittlerweile
Interessen im Niger zu wahren und den
mehr als 270 Milliarden Liter Wasser,
Schulterschluss mit der nigrischen Regiedie für den Abbauprozess verbraucht
rung im »Kampf gegen den Terrorismus«
worden sind, dem Grundwasser, dessen
zu suchen.
Pegel sich dadurch gefährlich abgesenkt
Doch wie ist es möglich, dass der Niger
hat. Der gigantische Bedarf ist umso
derart schamlos ausgebeutet werden
mehr ein Problem, als Wasser in der Rekann? Jedes Mal, wenn Musas Auto durch
gion ein äußerst rares Gut ist. Der Verein Schlagloch saust, weil es entweder zu
brauch verstärkt den ohnehin schon ragroß
ist, um es zu umfahren, oder einfach
santen Fortschritt der Desertifikation,
Nirgendwo auf der Welt bedie schiere Menge an Schlaglöchern ein
schadet damit Flora und Fauna und fällt
schützt Frankreichs Militär die
letztlich auf die lokale Bevölkerung zuAusweichen unmöglich macht, dringen
Interessen von Wirtschaftsunrück.
diese Fragen schmerzlich ins Bewusstsein.
Warum versetzen die immensen UranreDie Böden, die nicht ohnehin schon
ternehmen so exklusiv wie im
durch die flächen­­in­tensiven Bergbauaktiserven, die immerhin acht Prozent des
Fall der Uranminen von Areva
vitäten als Nutzland wegfallen, veröden
weltweiten Vorkommens ausmachen, das
nach und nach und werden als saisonale
bitterarme Land nicht in eine komfortable
Weidefläche zunehmend unbrauchbar.
Machtposition? Warum lassen sie den Niger nicht so florieren, wie es beispielsweise
Dagegen regt sich zunehmend Widerstand. Die Vergabe von Schürfrechten an ausländische Kon- die Ölvorkommen in den arabischen Ländern vermögen?
zerne – bis 2007 hatte Frankreich sogar ein Monopol auf den
Vor allem die geografische Abgeschiedenheit und der Platz
Uranabbau im Niger – ist immer wieder Anlass für lokal agieren- des Niger fernab der Weltbühne spielen Areva in die Hände. Dank
de Milizen, den bewaffneten Kampf fortzuführen. So ist die ge- alter kolonialer Seilschaften trifft der Konzern auf praktisch keirechtere Verteilung der Einnahmen des Uranbergbaus auch eine ne bürokratischen Hürden und »Störenfriede«, die in Gesundder Forderungen der bewaffneten Miliz Mouvement des Nigéri- heits- und Umweltfragen den Finger in die Wunde legen. Denn
ens pour la justice (MNJ).
auch in medialer Hinsicht ist das Land relativ abgeschieden: Der
Das Uranvorkommen und sein Abbau erhöhen somit das ohne- Niger gerät – wie die meisten Sahel-Staaten – nur dann in die
hin hohe Konfliktpotential. Aufgrund ihrer Instabilität und Kom- Schlagzeilen, wenn dort mal wieder eine Hungersnot herrscht
plexität firmiert die Großregion unter Sicherheitsexperten unter oder europäische Staatsbürger entführt werden.
Trotz der widrigen Standortfaktoren bleiben die Nigrer jdoch
dem Spitznamen »Sahelistan«. »Al-Qaida im Islamischen
Maghreb« (AQMI), die USA, Frankreich und zahlreiche weitere Ak- nicht vollends untätig. Einige, wie Musa und seine Familie, verteure tummeln sich hier und verfolgen verschiedenste Interessen.
lassen die direkt betroffenen Regionen. Andere nehmen den
Zuletzt erregte ein Selbstmordschlag im Mai 2013 auf die Mi- Kampf vor Ort auf – auch wenn die Auseinandersetzung ausne in Arlit internationale Aufmerksamkeit. Dabei wurden ein sichtslos anmutet. Aufklärung und auch internationale BerichtAreva-Mitarbeiter getötet und 15 weitere verletzt. Wahrschein- erstattung über das schmutzige Geschäft des Uranabbaus haben
lich geht auch dieser Angriff auf das Konto des ehemaligen AQ- zur Gründung vieler Nichtregierungsorganisationen geführt, die
MI-Kommandeurs Mokhtar Belmokhtar, der mit seiner Gruppe sich der Problematik annehmen und sich nicht von der scheinbaAl-Mouthalimin (zu Deutsch etwa »Die mit dem Blut unterzeich- ren Allmacht des Großkonzerns einschüchtern lassen. Im Mai
nen«) Anfang 2013 schon einen ähnlichen Anschlag auf das Gas- 2006 wagten sich sogar mehr als 5.000 Demonstranten auf die
werk In Amenas in Algerien verübt hatte. Zwar galten die Angriffe Straße und protestierten gegen die Machenschaften von Areva.
mehr den zum Schutz stationierten französischen Truppen denn Dies hat auch die nigrische Regierung dazu bewogen, die Konditidem Konzern selbst, doch der rücksichtslose Abbau schürt Res- onen des Abbaus neu auszuhandeln. Ziel ist, ein größeres Stück
Foto: Greenpeace/Philip Reynaers
72
73
WIRTSCHAFT · NIGER · BERGBAU
des kostbaren »Urankuchens« (in der Branche heißt die erste Verarbeitungsstufe des Erzes »Yellow Cake«) zu sichern und die Erlöse in die Armutsbekämpfung zu investieren. Wirkliche Fortschritte oder gar neue Konzessionen kann die Regierung von Präsident Mahamdou Issoufou, selbst erst nach einem Militärputsch
seit 2011 im Amt, bislang allerdings nicht vorweisen.
Und Areva? Der Großkonzern überschüttet sich in Unternehmenskommuniqués mit Eigenlob. Die dort gemachten Aussagen
stehen der Darstellung der Konzerngegner diametral entgegen.
Areva streitet die Vorwürfe rundweg ab und sieht sich vielmehr
als wichtigen Förderer der nigrischen Wirtschaft, preist die gezielte Unternehmensstrategie in den Bereichen Risikoprävention
und Umweltschutz und rühmt sich nicht zuletzt dessen, dass Dialog und Transparenz wichtige Schlüsselelemente von Arevas
industriellen Aktivitäten seien. Gerade diese Behauptung muss
den Bergbaugegnern sauer aufstoßen. In einer Erklärung der lokalen Organisation »Aghirinman« heißt es: »Es scheint, als seien
Kameras im Rahmen der von Areva inszenierten Medienoffensive
willkommen – nicht aber Messgeräte, die radioaktive Strahlung
nachweisen könnten.«
•
1.289.000.000
EURO EINNAHMEN ERZIELTE AREVA AUS DER URANPRODUKTION 2011
DIE WICHTIGSTEN URANFÖRDERNDEN UNTERNEHMEN
1
2
3
4
5
6
7
8
MALAWI 1.101
CHINA 1.500
USA 1.596
USBEKISTAN 2.400
RUSSLAND 2.872
NAMIBIA 4.495
NIGER 4.667
AUSTRALIEN 6.991
KANADA 8.999
KASACHSTAN 21.317
URANFÖRDERUNG NACH LÄNDERN
KAZATOMPROM KASACHSTAN
8.863 / 15%
AREVA FRANKREICH
8.641 / 15%
CAMECO KANADA
8.437 / 14%
ARMZ RUSSLAND, KANADA
7.629 / 13%
RIO TINTO AUSTRALIEN, GROSSBRITANNIEN
5.435 / 9%
BHP BILLITON AUSTRALIEN, GROSSBRITANNIEN
3.386 / 6%
PALADIN AUSTRALIEN
3.065 / 5%
NAVOI USBEKISTAN
2.400 / 4%
*in Tonnen im Jahr 2012, Anteil an der weltweiten Gesamtfördermenge
*in Tonnen im Jahr 2012, Quelle: World Nuclear Association
Quelle: World Nuclear Association
ANTEIL DER KERNENERGIE AM GESAMTENERGIEMIX NACH LÄNDERN
74,8%
53,8%
51,0%
46,2%
45,9%
38,1%
36,0%
35,9%
35,3%
32,6%
16,1%
FRANKREICH
SLOWAKEI
BELGIEN
UKRAINE
UNGARN
SCHWEDEN
SLOWENIEN
SCHWEIZ
TESCHECHIEN
FINNLAND
DEUTSCHLAND
*im Jahr 2012, Quelle: International Atomic Energy Agency (IAEA)
74
WIRTSCHAFT · TUNESIEN · GESUNDHEITSWESEN
Große Namen
und geplatzte Träume
Es klang vielversprechend: Der Klinikkonzern Asklepios bildet junge
­Tunesier in Deutschland zu Pflegefachkräften aus. Ein Pilotprojekt,
das die Arbeitslosigkeit in Tunesien ebenso bekämpfen sollte wie den
deutschen Fachkräftemangel – aber vorerst im Eklat endete.
Was ist passiert?
E
VON KATHARINA PFANNKUCH
s ist stickig in dem kleinen Zimmer
in einem Hamburger Studentenwohnheim direkt hinter dem
Hauptbahnhof. Dicht gedrängt
sitzt ein Dutzend junger Tunesier
auf dem Fußboden, der Fensterbank, dem schmalen Bett. Sie alle
wollen Stellung beziehen. Zu den
Vorwürfen ihres ehemaligen Arbeitgebers Asklepios, zu den Methoden ihrer Betreuer, zu ihrem
eigenen Verhalten. In einem Mix
aus Arabisch, Französisch und
Deutsch schildern sie ihre Situation.
»Unsere Lage ist völlig ungewiss«, sagt die 21-jährige Zohra
und schüttelt ratlos den Kopf. Neben ihr sitzt Hanen. Auch sie ist
verunsichert: »Wir wissen nicht, wie lange wir noch bleiben können.« Für einen Moment kämpft die 24-Jährige mit den Tränen,
es wird still im Raum. »Deutschland war ein Traum für uns«, sagt
Hanen leise.
Hanen ist ausgebildete Anästhesistin. Wie 24 andere Tunesier wollte sie im Sommer 2013 im Rahmen der 2012 gegründeten
»Transformationspartnerschaft im Gesundheitswesen«, kurz
TA PiG, eine Ausbildung zur Krankenpflegerin in einer
Asklepios-Klinik machen. Die Idee: In Deutschland herrscht
Fachkräftemangel, gerade in der Krankenpflege fehlt der Nachwuchs. Tunesien kämpft mit einer Arbeitslosenquote von 16 Prozent. Also holt man qualifizierte Tunesier nach Deutschland und
bekämpft gleichzeitig den eigenen Personalmangel (siehe zenith
2/2013).
Für eine sechsmonatige Vorbereitungsphase kam die Gruppe
um Hanen und Zohra im Februar nach Hamburg. Im Gepäck hatten sie große Hoffnungen – geblieben sind ihnen eine Kündigung,
ein Rechtsstreit und ein unsicherer Aufenthaltsstatus.
Denn bevor die Ausbildung am 15. August 2013 überhaupt begann, kündigte Asklepios die meisten Verträge nach wochenlan-
75
gem Streit. Nur zwei Tunesier traten die Ausbildung an, 21 von ihnen
reichten eine Kündigungsschutzklage ein. Noch geben sie ihren
Traum von der Arbeit in einem deutschen Krankenhaus nicht auf.
»Wir wollen die Ausbildung machen, aber nicht zu den Bedingungen,
die TAPiG stellte«, sagt der 25-jährige Physiotherapeut Nidhal.
Ärger und Verzweiflung bei den Auszubildenden aus
­Tunesien: »Deutschland war ein Traum für uns« – ­
nun haben sie weder Job noch Aufenthaltserlaubnis
Zu diesen Bedingungen gehört nach dem Verständnis der Tunesier
ein Ausbildungsförderdarlehen, das sie bei der Hamburger Investitions- und Förderbank (IFB) beantragen und nach Abschluss ihrer
Ausbildung mit einer monatlichen Rate von rund 337 Euro abbezahlen sollten. Die Zinsen wären bereits während der Ausbildung mit
monatlich rund 46 Euro fällig geworden. Denn die Teilnahme am
TAPiG-Programm kostet die angehenden Auszubildenden jeweils
19.000 Euro. So steht es im »Integrations- und Berufsvorbereitungsvertrag« zwischen den Teilnehmern und TAPiG. Und genau hier beginnt das Problem.
Die Tunesier beharren darauf, dass TAPiG-Mitarbeiter ihnen
während des Bewerbungsverfahrens im November 2012 in Tunesien
mündlich zugesagt hätten, dass die Summe von 19.000 Euro die Kosten für Sprachkurs, Unterkunft und Lebensmittel während der Integrationsphase und der anschließenden Ausbildung absichere. Erst in
Deutschland sei ihnen klar geworden, dass lediglich die ersten sechs
Monate durch die Summe gedeckt werden. Die Lebenshaltungskosten während der dreijährigen Ausbildung sollten die Teilnehmer also von ihrem tarifgemäßen Ausbildungsgehalt bestreiten.
Im TAPiG-Büro weist man zurück, dies erst in Deutschland
klargestellt zu haben: »Diese Aussage einzelner Teilnehmer entspricht nicht der Wahrheit«, so TAPiG-Sprecher Klaus-Karl Becker.
In dem Vertrag sei eindeutig geregelt, dass sich der Eigenanteil auf
die ersten sechs Monate des Projekts beziehe, fügt Becker hinzu.
Tatsächlich geht dies aus dem Vertrag hervor – zumindest aus der
deutschen Version.
Als die Teilnehmer die Verträge im Januar unterzeichneten,
konnten sie kaum Deutsch, also erhielten sie eine französische
Übersetzung. Meriem erinnert sich: »Wie eine offizielle Übersetzung wirkte das nicht, sie enthielt viele Flüchtigkeitsfehler.« Auch
hier widerspricht TAPiG: Man habe ein zertifiziertes Übersetzungsbüro beauftragt. Die Tunesier unterschrieben schließlich den
deutschsprachigen Vertrag – offenbar ohne ihn genau verstanden zu
haben. »Das war ein Fehler«, räumt Hanen heute ein. »Aber wir vertrauten einfach darauf, dass es sich um ein seriöses Projekt handelt.«
»Ich bin eine erwachsene Frau mit abgeschlossener
­Ausbildung«, sagt die 24-jährige Hanen – der
Asklepios-Sprecher nennt die Tunesier derweil uner­
müdlich »die Jugendlichen«
Als die Teilnehmer erfuhren, dass sich auch das Auswärtige Amt an
den Kosten der Integrationsphase beteiligt, zweifelten sie an der Seriosität des Projektes. Aus der Antwort des Hamburger Senats auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion vom 15. August geht hervor,
dass das Auswärtige Amt der Asklepios Medical School GmbH Förd-
76
WIRTSCHAFT · TUNESIEN · GESUNDHEITSWESEN
ergelder für die Integrationsphase zahlte (siehe Infobox).
Die Summe von 19.000 Euro für sechs Monate erschloss sich
den Teilnehmern immer weniger. Eine Übersicht über die Kosten,
die TAPiG schließlich präsentierte, überzeugte sie nicht – so
wuchs ihr Widerwille, den Antrag auf das Darlehen zu unterschreiben. Sie fühlten sich unter Druck gesetzt: »Ohne Darlehensantrag keine Ausbildung, antwortete man schließlich auf unsere
Fragen«, erzählt Nidhal. Eine dieser Fragen lautet, warum ausschließlich die IFB als Vertragspartner für das Darlehen zur Debatte stand.
Für TAPiG-Sprecher Becker ist diese Wahl aufgrund des hohen Ausfallrisikos nur logisch: »Migranten haben in Deutschland
keinen Anspruch auf BAföG und die angesprochenen Geschäftsbanken waren nicht bereit, das Ausfallrisiko zu übernehmen.«
Die IFB aber biete über Kreditausfallversicherungen abgesicherte Darlehen an. Diese Erklärung klingt logisch – doch offensichtlich drang sie nicht zu den tunesischen Teilnehmern durch.
Je länger Nidhal, Meriem und die anderen erzählen, desto
spürbarer ist ihre Enttäuschung über die Umgangsformen der
TAPiG-Mitarbeiter. »Sie behandelten uns wie Kinder: Es gab Taschengeldentzug, wenn man sein Zimmer nicht aufräumte, und
Zimmerkontrollen ohne unser Wissen.« Hanen, die Anästhesistin, atmet tief durch: »Ich bin 24 Jahre alt und komme aus einer
traditionellen muslimischen Familie, aber selbst zu Hause geht
man respektvoller mit mir um.« Eindringlich fügt sie hinzu: »Ich
bin eine erwachsene Frau mit abgeschlossener Ausbildung.«
Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz spricht derweil unermüdlich von »den Jugendlichen«, wenn es um die Tunesier geht.
Damit nicht genug: »Wir wurden als dumm bezeichnet, weil
wir in der Kantine kein Schweinfleisch aßen«, erinnert sich Meriem. Den Kommentar einer TAPiG-Mitarbeiterin habe sie als
extrem respektlos empfunden. Besagte Mitarbeiterin bestreitet
die Äußerung vehement. Auch jenseits der Kantine soll es im Klinikalltag zu interkulturellen Konflikten gekommen sein.
Asklepios-Sprecher Eberenz nennt die »mangelnde Akzeptanz
einiger Jugendlicher bezüglich der Hygienevorschriften« als Beispiel. »Auch die Einstellung, nur gleichgeschlechtliche Patienten
zu waschen, hätte unweigerlich zu Problemen im Stationsalltag
geführt«, fügt er hinzu.
Ein Vorzeigeprojekt endet in einer Schlammschlacht:
Die Medienoffensive von TAPiG wirkt wie ein Relikt
der missglückten Kommunikation mit den Tunesiern
Diesen Vorwurf weisen die Tunesier wiederum zurück. »Das ist
absurd«, sagt Hanen, »in tunesischen Kliniken herrscht auch keine Geschlechtertrennung.« Weshalb derartige Konflikte bei der
ersten Gruppe tunesischer Auszubildender nicht auftraten, bleibt
offen. Ein eigenwillig anmutender Erklärungsversuch von TAPiG
lautet, dass »der erste Kurs in seiner Zusammensetzung wohl homogener« gewesen sei.
Eigenwillig muten auch die Erklärungen an, die TAPiG in sozialen Netzwerken im Internet bietet: Als sich die Medienberichte über das gescheiterte Projekt häuften, veröffentlichte TAPiG
auf der Facebook-Projektseite E-Mail-Korrespondenzen zwischen Mitarbeitern und Teilnehmern, die beweisen sollten, dass
die vertraglichen Bedingungen von Anfang an klar waren – ein
Beleg für die Transparenz des Projektes, der die Grenzen der
Transparenz überschreitet, selbst wenn die Namen geschwärzt
waren. Trotz Protest wurden die Screen­shots nicht entfernt. Sie
wirken wie Relikte einer missglückten Kommunikation.
TAPiG teilte den Tunesiern im August per Email mit, dass
man nicht mehr für Fragen zur Verfügung stehe. Um zwischen
den verhärteten Fronten zu vermitteln, kam im September eine
tunesische Delegation nach Hamburg, auch Mitarbeiter des tunesischen Gesundheitsministeriums sollen dabei gewesen sein. Ihr
Versuch, die Teilnehmer in letzter Minute davon zu überzeugen,
die Darlehensanträge zu unterzeichnen, scheiterte jedoch. »Ich
will arbeiten, aber ich akzeptiere diese Bedingungen nicht«, sagt
der 26-jährige Wael.
Mitte Oktober fanden die ersten Gütetermine im Rahmen
der Kündigungsschutzklage vor dem Hamburger Arbeitsgericht
statt. Die Aufenthaltstitel der Tunesier waren an die Ausbildung
bei Asklepios gebunden – und galten nur bis Anfang November.
Eine Bewerbung bei einem anderen Ausbilder hätte sich negativ
auf ihre Klage auswirken können. Doch kurz vor Ablauf der Visa
gab es einen Hoffnungsschimmer am Hamburger Horizont:
Asklepios bewegt sich wieder zögerlich auf die angehenden Krankenpfleger aus Tunesien zu, man traf sich zu vertraulichen Gesprächen. Die Ergebnisse sind zu Redaktionsschluss noch nicht
•
bekannt.
Deutsch-Tunesische Transformationspartnerschaft
2012 beschlossen die deutsche und die tunesische Regierung eine Transformationspartnerschaft. Mit über 50 Millionen Euro und mehr als 100 Projekten unterstützt
Deutschland den demokratischen Wandel in Tunesien. Die
geförderten Projekte stammen unter anderem aus den
Bereichen Berufsbildung, Beschäftigungsförderung, Bildungs- und Kulturkooperation; 40 Prozent des Budgets
gehen in den Bildungs- und Wissenschaftsbereich.
Vor diesem Hintergrund entstand im Auftrag der
Asklepios Kliniken GmbH und der Asklepios Medical
School GmbH 2012 das Projekt TAPiG (Transformationspartnerschaft im Gesundheitswesen). Die Tristan Beratungsgesellschaft mbH und deren Geschäftsführer JanStephan Hillebrand wurden mit der Entwicklung, Durchführung und Organisation des Projekts beauftragt. Das
Auswärtige Amt unterstützte das Vorhaben mit finanziellen Mitteln, die es der Asklepios Medical School GmbH
zweckgebunden für die Deutschkurse und das Willkommensprogramm in der sechsmonatigen Integrationsphase auszahlte. Für die Jahre 2012/2013 waren nach Auskunft des Hamburger Senats Fördermittel von rund einer
Million Euro für das TAPiG-Projekt vorgesehen.
Im September 2012 kamen die ersten 25 Tunesier
nach Hamburg, sie traten ihre Ausbildung in verschiedenen Asklepios-Kliniken im April 2013 an. Am 20. August
2013 gab Asklepios bekannt, dass sich das Unternehmen
aus dem Projekt als Arbeitgeber zurückzieht.
WIRTSCHAFT · KOLUMNE
ALMANACH DER ENERGIEN
Ernten, ohne je zu säen
Aus holprigen Straßen und lautem
Geschrei wird in Zukunft Strom
­erzeugt. Alles kein Hexenwerk! Denn
Mikrogeneratoren ernten Energie
dort, wo sie entsteht
Illustration: Matthias Töpfer
VON ACHMED A. W. KHAMMAS
• Die Aussage »alles ist Energie« hat wohl jeder Mensch
schon einmal gehört, sei es in Verbindung mit physikalischen Theorien zu Quantenzuständen oder im esoterischen Kontext. Von einer Umsetzung dieser Erkenntnis war lange Zeit nichts zu spüren. Dank Micro Energy
Harvesting lassen sich in Zukunft jedoch zahlreiche erneuerbare Energiereservoirs »abernten«.
Ende der 1990er Jahre erfolgte die Initialzündung
mit dem inzwischen legendären Joggingschuh von Joe
Paradiso, Forscher am Massachusetts Institute of
Technology. In die Sohle eingearbeitete Elemente geben bei jedem Schritt einen schwachen elektrischen
Impuls ab – genügend Energie, um zum Beispiel einen
kleinen GPS-Navigationssender zu betreiben oder das
Handy aufzuladen. Daraufhin wurde für mehrere
zehntausend Dollar eine komplizierte mechanische
Schuhmontur entwickelt. Nur wenige Jahre später zog
Ashok Sharma nach, ein Chemielehrer an einer kleinen Schule im indischen Mandi. Einziger Unterschied:
Seine Entwicklung kostet gerade mal vier Dollar. Bei
einer Verbreitung des entsprechenden Schuhwerks in
der arabischen Welt – man denke nur an die ständigen
Großdemonstrationen – würden leere Akkus endgültig der Vergangenheit angehören.
Dieser piezoelektrische Effekt, bei dem sich ein
mechanischer Impuls in elektrischer Spannung entlädt, wird mittlerweile für vielerlei Anwendungsbereiche erforscht. Die so genannte »Flexoelectricity« soll
taschengroße Miniaturwindmühlen und in Textilien
eingebettete Mikroenergiewandler möglich machen.
Und was auch orientalischen »Diwan Potatoes« gefallen würde: eine Fernbedienung, die sich ihre Energie
aus dem Druck auf die Tasten beschafft, und nie wieder eines Batteriewechsels bedarf.
Ein weiteres Energiereservoir ist die Differenz des
pH-Wertes zwischen dem Wurzelholz von Bäumen und
dem sie umgebenden Erdreich. Sie reicht aus, um ein
kostengünstiges Netz aus winzigen Funksensoren
über Jahrzehnte völlig autonom zu betreiben – sei es
als Frühwarnsystem für Waldbrände, wie sie im Mittelmeerraum immer häufiger auftreten, oder um die
Bodenfeuchte zu melden und Dürreschäden vorzubeugen, was insbesondere in Ländern entlang der südlich
und östlich gelegenen Küsten sinnvoll wäre.
Intensiv wird am Energieernten aus Vibrationsquellen gearbeitet. Dafür werden verschiedene Technologien genutzt, noch vielfältiger sind allerdings die
Quellen: Biomasse, Elektrostatik, Funkwellen sowie
Licht, Schall und Wärme – um nur die wichtigsten zu
nennen. Die ersten Mikrogeneratoren, die aus den Vibrationen einer Maschine Energie gewinnen, liefert
das britische Unternehmen Perpetuum Ltd. Die auf
mehrere Jahrzehnte Lebensdauer ausgelegten elek­
tromechanischen Sensoren werden am Gehäuse einer
Maschine befestigt und schlagen über Funk Alarm,
wenn diese nicht rund läuft. Andere Einsatzgebiete
sind Brücken – um ihre Stabilität zu überwachen – oder
Herzschrittmacher. Angesichts der Beschaffenheit der
Straßen in vielen nahöstlichen Regionen halte ich eine
Entwicklung für besonders empfehlenswert: einen Generator, der aus den Bewegungen der Stoßdämpfer
Energie gewinnt und in die Autobatterie einspeist.
Ebenso vielversprechend klingt es, durch den Piezoeffekt Lärm zu absorbieren. Unter anderem arbeitet
Devavrat Madhavi aus Bangalore an solch einer Technologie. 2008 beteiligte er sich mit einer verglasten,
schallabsorbierenden Fliese an einem NASA-Wettbewerb. Oder nehmen wir Professor Tahir Çağın von der
Texas A&M University, der ein Material vorstellte, das
die beim Sprechen ausgesendeten Schallwellen so effektiv in Strom umwandelt, dass damit ein Mobiltelefon betrieben werden kann. Ist für die arabische Welt
etwas noch Sinnvolleres vorstellbar?!
zenith-Kolumnist Achmed A.W. Khammas ist Dolmetscher
und Science-Fiction-Autor. In seinem Internet-Archiv unter
buch-­der-synergie.de informiert er über Geschichte und
Gegenwart der Erneuerbaren Energien.
77
78
WIRTSCHAFT · TADSCHIKISTAN · DROGEN
Der unsichtbare Fluss
Die Planungen für den Truppenabzug aus Afghanistan rücken einen kleinen
Grenzfluss in Zentralasien ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Ungehindert
gelangen hier Drogen in den Norden –Moskau sieht das als Chance, seine
geostrategische Position in der Region auszubauen
VON LEONIE SONTHEIMER
A
n seinem nordöstlichen Ende besitzt Afghanistan eine
schmale Landzunge, die bis
an die chinesische Grenze
reicht. Der so genannte
Wakhan-Korridor ist rund
300 Kilometer lang und
zwischen 17 und 60 Kilometer breit. Im Süden liegt Pakistan, im Norden – eingeklemmt zwischen Pamirgebirge und Hindukusch – trennt der Grenzfluss Pjandsch Afghanistan vom Nachbarn Tadschikistan.
In flachen Mäandern befördert der Pjandsch die Wassermassen zweier Gebirgsflüsse Richtung Westen. Auf beiden Seiten des
Tals schmiegen sich kleine Dörfer an die Füße hoher Berge. Die
Menschen auf der tadschikischen Seite des Flusses haben Familienangehörige auf der afghanischen Seite. Sie lassen ihre Kinder
im Flussbett Fußball spielen und treiben ihre Ziegen ans Wasser.
Eine kleine, weitgehend unbefestigte Straße wird im Sommer
durch vereinzelte Rucksacktouristen belebt, ein Kurort lockt tadschikische Senioren mit heißen Quellen. In der Nähe des Dorfes
Langar steht ein Grenzwachturm. Er sieht völlig verlassen aus.
Ginge es nach den Politikern im über 4.000 Kilometer entfernten Moskau, würde sich das bald wieder ändern. Denn eine bessere Überwachung des schmalen Grenzflusses könnte dem Drogentransport von Afghanistan über Tadschikistan nach Russland erheblichen Einhalt gebieten.
Afghanistan ist der weltweit größte Produzent von Heroin. Unter den Taliban war der Anbau von Schlafmohn, aus dessen Kapselsaft der Grundstoff Rohopium hergestellt wird, zeitweise zurückgegangen. Seit 2001 wachsen die Anbauflächen jedoch wieder
WIRTSCHAFT · TADSCHIKISTAN · DROGEN
stark. Dieses Jahr erwartet die russische Drogenkontrollbehörde
FSKN eine Rekordernte von mehr als 7.000 Tonnen Rohopium.
Aus zehn Tonnen davon lässt sich etwa eine Tonne Heroin herstellen. Vor allem Russland befürchtet nun, dass mit dem Abzug der
Nato-geführten ISAF aus Afghanistan bis Ende 2014 der Drogenzufluss ins eigene Land vollends unkontrollierbar wird. Schon jetzt
konsumieren mehr als zwei Millionen russische Drogenabhängige Heroin aus Afghanistan, viele sterben an den Folgen.
Bevor die Drogen in Russland ankommen, müssen sie jedoch
Zentralasien durchqueren – und den Pjandsch überqueren. Der
knapp tausend Kilometer lange Fluss und seine Fortsetzung Amudarja – der antike Oxus – markieren die Grenze zwischen Afghanistan und seinen nördlichen Nachbarländern Usbekistan und
Tadschikistan. Und mittelbar auch zur russischen Föderation.
Schon Russlands erster Präsident Boris Jelzin sagte in den 1990er
Jahren: »Die tadschikische Grenze ist im Grunde die russische
Grenze.«
Fotos: Leonie Sontheimer
Schon Boris Jelzin befand: »Die tadschikische Grenze
ist im Grunde die russische Grenze«
Seit Russland sich am 1. Juli 2010 mit Kasachstan zu einer
Zollunion zusammengeschlossen hat und die Südgrenze Russlands nach Zentralasien nur noch schwach bewacht wird, rückt
der Grenzfluss erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Es ist
noch gar nicht so lange her, dass hier – während des tadschikischen Bürgerkriegs von 1991 bis 1997 und dann noch neun weitere
Jahre lang – über 10.000 russische Soldaten stationiert gewesen
waren. Moskau unterstützte damals das postkommunistische
79
Auf rund tausend Kilometern
trennt der Pjandsch Afghanistan
von seinen nördlichen Nachbarn. Der Strom wirkt verlassen
– und doch werden hier jedes
Jahr bis zu hundert Tonnen
­Heroin geschmuggelt
Regime um Emomali Rachmon gegen die demokratische und die
islamische Opposition. Mit Erfolg: Der autokratische Präsident
– der in der Wahl am 6. November in seinem Amt bestätigt worden sein dürfte – regiert bis heute.
Den Kampf gegen die Drogen sieht Moskau nun als Chance,
seine Machtposition in Zentralasien auszubauen. Seit 2008 verhandelten Russland und Tadschikistan intensiv über die Laufzeitverlängerung der russischen Militärstützpunkte in dem zen­
tralasiatischen Land. Die Regierung in Duschanbe forderte ursprünglich angeblich eine Pacht von jährlich 300 Millionen
US-Dollar. Im Oktober 2012 gab Duschanbe allerdings klein bei:
Bis 2042 darf die russische 201. Motorisierte Schützendivision nun
ihre drei Basen in dem Land unterhalten – mit rund 7.000 Mann
handelt es sich um Russlands größte Militärpräsenz im Ausland.
Im Gegenzug wird die tadschikische Armee mit Waffen und
Kriegstechnik versorgt. Während die russische Duma den vor ei-
80
WIRTSCHAFT · TADSCHIKISTAN · DROGEN
BESCHLAGNAHME VON HEROIN UND MORPHIUM IM JAHR 2011 (IN TONNEN)
AFGHANISTAN
IRAN
61,03
29,91
PAKISTAN
TÜRKEI
USA
RUSSLAND
TADSCHIKISTAN
OPIUM
VERK AUFSPREIS
(IN US-$ / GR.)
EUROPA
11,95 7,33 7,28 6,01 3,91 2,02 0,52
HEROIN
HANDELPREIS
CHINA
(IN US-$ / GR.)
HANDELPREIS
VERK AUFSPREIS
(IN US-$ / GR.)
(IN US-$ / GR.)
2,32,4
AFGHANISTAN
0,070,1
3,620,2
IRAN
1,51,0
4,07,4
PAKISTAN
0,70,9
3,05,6
TÜRKEI
K.A.K.A.
47,6108,4
CHINA
21,01,8
35,559,2
DEUTSCHLAND
K.A.K.A.
44,898,8
RUSSLAND
37,465,5
7,5K.A.
0,64,0
TADSCHIKISTAN
Quelle: United Nations Office on Drugs and Crime
AFGHANISTAN
IRAN
PAKISTAN
TÜRKEI
CHINA
DEUTSCHLAND
RUSSLAND
TADSCHIKISTAN
81
nem Jahr unterschriebenen Vertrag bereits im Mai ratifizierte, ließ das
Parlament in Duschanbe sich Zeit: Erst Anfang Oktober wurde der Vertrag von den Parlamentariern abgesegnet.
Für die Kontrolle der Grenze bleiben allerdings auch zukünftig allein Afghanistan und Tadschikistan verantwortlich; die USA und die
EU leisten Unterstützung. Insgesamt sechs Brücken verbinden die beiden Länder. Die letzte wurde mit Geld aus Nordamerika und Norwegen
gebaut und 2007 eröffnet. Momentan sind vier der sechs Brücken passierbar.
»Das größte Problem an der Grenze ist die Korruption«, sagt William Lawrence, der ein Projekt der EU zur Überwachung der afghanischen Nordgrenze leitet. Theoretisch müssten alle Passanten auf beiden Seiten ein gültiges Visum vorzeigen und vom Zoll kontrolliert werden. Doch sowohl die Zöllner als auch die Grenzpolizisten würden sich
bestechen lassen. »Ich sehe für die nächsten 30 bis 50 Jahre keine Veränderung. Zu viele Interessen sind mit dem Drogenhandel verwoben«,
sagt Lawrence. Dabei sei es außer im Wakhan-Korridor kaum möglich,
den Grenzfluss anders als über die Brücken zu überqueren: »Der Fluss
ist sehr kalt, fließt sehr schnell und es gibt gefährliche Felsen.«
Bestechliche Zöllner und Grenzpolizisten:
»Das wird sich in den nächsten 50 Jahren
nicht ändern«
Westlich von Ishkashim nimmt der Pjandsch eine steile Kurve gen Norden. Bevor er zum Amudarja wird, strömt er immer schneller durch eine enge Furche zwischen den tadschikischen und den afghanischen
Bergen. Die einzige Straße, die Tadschikistans Osten mit der Hauptstadt Duschanbe verbindet, führt viele Reisestunden lang direkt am
Pjandsch entlang. Afghanische Dörfer liegen in Weite eines Steinwurfs.
Boote sieht man hier nicht. Grenzpolizisten nur sehr selten.
Bis zu hundert Tonnen Heroin werden pro Jahr durch Tadschikistan in Richtung Russland befördert, schätzt das United Nations Development Programme (UNDP). Die Tadschikische Agentur für Drogenkontrolle beschlagnahmt überall in dem kleinen Land immer wieder Heroin oder Rohopium. Laut der CIA ist Tadschikistan das Land mit
der drittgrößten Menge beschlagnahmten Opiums weltweit.
Dabei wird gemutmaßt, dass die Regierung von Präsident Rachmon
Interesse am Drogenfluss durchs eigene Land hat. ZwischenTonnen
30 und 50
Prozent seines Bruttoinlandprodukts soll das arme Tadschikistan nach
manchen Schätzungen mit Drogengeschäften erwirtschaften. Viele der
kostspielig anmutenden Geländewägen, die auf den Straßen des Landes
verkehren, ließen sich mit Einnahmen aus dem Rauschgifthandel gut
erklären.
Doch Heroin wird in Tadschikistan nicht nur transportiert. Es wird
dort auch konsumiert. Laut Tadschikistans Drogenkontrollagentur
konsumieren mehr als 50.000 der 7,6 Millionen Tadschiken regelmäßig Heroin. Der im weltweiten Vergleich spottbillige Preis von weniger
als zwei US-Dollar pro Dosis macht es Abhängigen schwer, von der Droge wegzukommen.
Die USA und die EU führen viele Programme zur Eindämmung des
Drogenschmuggels an der afghanisch-tadschikischen Grenze durch.
»Wir stellen Ausrüstung, Geräte und Trainings zur Verfügung«, sagt
William Lawrence. »Die Ressourcen sind da. Aber es wird sich nichts
über Nacht ändern.« Es scheint, als ob angesichts der Lukrativität des
Drogentransports für Tadschikistan selbst die Initiativen Russlands,
der EU und der USA machtlos sind.
•
Grenzenlose Erfolge
Rödl & Partner ist an 91 eigenen Standorten
in 40 Ländern vertreten. Die integrierte
Beratungs- und Prüfungsgesellschaft für
Recht, Steuern, Unternehmensberatung
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dynamischen Erfolg 3.500 unternehmerisch
denkenden Mitarbeitern. Im engen Schulterschluss mit ihren Mandanten erarbeiten sie
Informationen für fundierte – häufig grenzüberschreitende – Entscheidungen aus den
Bereichen Wirtschaft, Steuern, Recht und IT
und setzen sie gemeinsam mit ihnen um.
Von Dubai aus steuern wir die Geschäfte
unserer Mandanten in der arabischen Welt.
Diese betreuen wir umfassend aus einer
Hand – ganz gleich, ob ein Markteintritt in
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soll.
Ihre Ansprechpartner für den
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Sabine Reindel
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Dr. Marcus Felsner
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WIRTSCHAFT · SEKRETÄR
BERICHT AN DEN VORSTAND
Fahndung
nach dem CEO
Wenn Bekhzod Akhmedov bald seinen 40. Geburtstag feiert, wird
es nicht viele Gäste geben: Von dem Ex-Vorstandschef der russisch-usbekischen Mobilfunkfirma MTS-Uzbunrobita fehlt jede
Spur. Einige vermuten: Er lebt inkognito in Russland. Andere: Er
lebt gar nicht mehr.
Akhmedov könnte Zeuge für internationale Geldwäsche-Ermittlungen sein und Hinweise geben, die das Scheitern eines an der
New Yorker Börse notierten Konzerns in Usbekistan erklären
könnten: 2004 kaufte MTS aus Moskau die usbekische Uzbunrobita; sie brachte es zuletzt auf angeblich 9 Millionen Anschlüsse. Im
Juni 2012 entzogen die Behörden dem Unternehmen jedoch fristlos die Lizenz. Den Schaden schätzt MTS auf »Milliarden Dollar«.
Erst gab man sich optimistisch, den Fall vor einem Schiedsgericht
zu klären. Inzwischen klingt es nicht mehr so. Aber was hatte MTS
eigentlich ausgefressen?
Der Ärger begann mit Akhmedovs Verschwinden: Der Mann,
der 20 Jahre für Uzbunrobita tätig war und zuletzt für MTS die Geschäfte in Usbekistan führte, galt als gute Partie – ein Vertrauensmann der Präsidententochter Gulnara Karimova (41). Die wegen
ihrer Gier gefürchtete Unternehmerin, Schauspielerin und
UN-Botschafterin nutzte Akhmedov offenbar als Strohmann für
Konten und Geschäfte. Aber im Juni 2012 muss er in Ungnade gefallen sein. Kurz darauf verschwand er.
In Schweden und der Schweiz laufen derzeit Ermittlungen gegen Handlanger und Partner Karimovas – auch Akh­medov taucht
in den Akten auf. Ausgerechnet er soll, obwohl bei MTS unter Vertrag, einem Konkurrenten beim Markteinstieg geholfen haben:
Über ein Joint-Venture mit einer Off­shore-Firma, hinter der offenbar Karimova steckte, kaufte sich die schwedische TeliaSonera 2007
in Usbekistan ein: Der geringste Vorwurf gegen sie lautet heute, die
Schweden hätten für das angeblich 846 Millionen US-Dollar schwere Unternehmen keine saubere Bewertung vorgenommen. Der
schwerwiegendste: Korruption. Ein Spitzenmanager, der Finne
Tero Kivisaari, nahm Anfang Oktober 2013 seinen Hut.
Akhmedovs Abgang verlief weniger behäbig: Usbekistan
schrieb ihn bei Interpol zur Fahndung aus – kein schlechter Trick,
falls man vertuschen wollte, dass er längst unter der Erde liegt.
Sein auffällig detaillierter, aus usbekischen Quellen bestückter Wikipedia-Eintrag liest sich wie ein Anklageregister: Steuerbetrug,
illegale Geschäfte, Urkundenfälschung und »Missbrauch des Namens Gulnara Karimova«. Meldungen, wonach Akhmedov in Moskau verhaftet und ausgeliefert worden sei, haben die Russen nie bestätigt. Warum er Karimovas Gnade verlor, fragen sich viele. »Ich
glaube nicht, dass er etwas gegen Karimova unternommen hat«,
sagt ein Ex-Kollege Akhmedovs zu zenith, »eher, dass er sich weigerte, etwas zu tun, was sie verlangte.«
Eine Genugtuung haben Karimovas Feinde: Als sie Akhmedov
bei Interpol anzeigte, wurden internationale Konten unter seinem
Namen eingefroren. Auch diejenigen, die er anscheinend als Strohmann für sie betrieb.
dge
Der Sekretär
IHRE TERMINE
Jubiläumsveranstaltung:
25. Afrika-Kreis Bayern
13. November 2013
Schrobenhausen, Deutschland
»Afrika verdankt seinen Aufschwung
vor allem seinen Rohstoffen« – freilich
sollte da ein ordentlicher Gewinn auch
für den Freistaat drin sein. Bei der Jubiläumsveranstaltung des Afrika-Kreises Bayern werden interessierte Unternehmer über ihre Geschäftschancen im afri­k anischen Bergbau
aufgeklärt. Die stehen nicht allzu
schlecht, schließlich sei »generell die
deutsche Technologie bei nationalen
und inter­n ationalen Rohstofffirmen
hoch geschätzt«. In diesem Sinne:
Back ma’s o, Freind!
www.afrikaverein.de
Internationale Tagung zu
»Nachhaltiger Sanitärversorgung«
12. bis 14. November 2013
Cotonou, Benin
Das Problem ist allgemein bekannt: Im
Bereich von Sanitäreinrichtungen
herrscht von Afrika bis Zentralasien
Handlungsbedarf. Auf dieser Tagung
im westafrikanischen Benin kommen
Vertreter aus Forschung, Politik und
Medien mit potenziellen Geldgebern
zusammen. Das langfristige Ziel lautet, Gemeinden zur Errichtung ihrer eigenen Sanitäranlagen zu verhelfen.
Hoffen wir auf schnelle Ergebnisse,
statt langes Aussitzen. Schließlich hat
die UN den 19. November zum Welttoilettentag ausgerufen.
www.susana.org
Salon International des Travaux
21. bis 25. November 2013
Algier, Algerien
Nach dem grandiosen Scheitern des
C e n t rot h e r m - Ko n s o r ti u m s a l s
Leuchtturmprojekt der deutschen
Wirtschaft in Algerien scheint die
Baubranche wieder große Hoffnung
in den Standort zu legen. Jedenfalls
hat das Bundeswirtschaftsministerium die internationale Fachmesse für
Baumaschinen und Infrastruktur in
Algier wieder ins Auslandsmesseprogramm aufgenommen und fördert
die Teilnahme deutscher Firmen mit
attraktiven Sonderkonditionen. Vielleicht kommen die zukünftigen Partner dort ausnahmsweise schon vorab
ins Gespräch und einigen sich darauf,
nicht mit hochgiftigen Chemikalien in
einem Erdbebengebiet zu hantieren.
Wäre ein Fortschritt.
www.salontp.com
Saudi International Motor Show
24. bis 28. Dezember 2013
Dschiddah, Saudi-Arabien
Hier heißt es Gas geben: Der saudische Automarkt – bereits jetzt der
fünftgrößte weltweit – wuchs auch im
vergangenen Jahr mit 14 Prozent stetig weiter. Mit über 100.000 Besuchern handelt es sich um die größte
Automesse der Region. Gefragt sind
vor allem stattlich repräsentative Karossen vom Typ SUV. Da Benzin auf
der arabischen Halbinsel bekanntlich
erschwinglicher ist als Wasser, sieht
die Branche hier auch für die Zukunft
einen »boomenden Markt« voraus.
www.sims-arabia.com
»Trans4 2013«: Qatar International
Exhibition and Conference for Transport & Logistics
26. bis 28. November 2013, Doha
Exhibition Center, Katar
Mit dem neuen Flughafen, der Metro,
dem Hafen und mehreren Megastädten beweist die Regierung von Katar
der deutsch-arabischen Handelskammer Ghorfa zufolge ihr ambitioniertes
Engagement im Verkehrs- und Infrastruktursektor. Wer die Fortschritte
sehen will, ist auf der Transportmesse
2013 ganz sicher richtig.
www.trans4qatar.com
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ISSN 1439 9660