Ersticken, Ertrinken, Strangulation
Transcrição
Ersticken, Ertrinken, Strangulation
Institut für Rechtsmedizin der Julius-Maximilians-Universität Vorstand: Prof. Dr. med. Michael Bohnert Ersticken, Ertrinken, Strangulation Prof. Dr. Michael Bohnert Institut für Rechtsmedizin Erstickung • Jede Unterbrechung der Bereitstellung oder des Transportes von O2 zwischen Umgebung und Körperzellen • Primär todesursächliches Geschehen Institut für Rechtsmedizin äußeres Ersticken atmosphärisch O2 restriktiv mechanisch inneres Ersticken obstruktiv z. B. Höhentod, Silo, Rückatmung z. B. Thoraxkompression, instabiler Thorax, Hämatothorax z. B. Bedeckung der Atemöffnungen, Knebelung, Strangulation, Aspiration z. B. Störung der O2-Bindung des Hb: CO-Intoxikation z. B. gestörte O2-Verwertung: Cyanide Institut für Rechtsmedizin Atmosphärisches Ersticken • Ersticken ohne Anreicherung von CO2 im Blut • O2-Mangel vorherrschend • Symptome – Keine Atemnot – Evtl. Euphorie • Beispiele – Große Höhen – Silos, Gärkeller, Bergwerken – Übergestülpte Plastiktüte – Abgeschlossene, enge Räume Institut für Rechtsmedizin Kein Tier kann in einer Atmosphäre leben, in der eine Flamme nicht brennt. Leonardo da Vinci, 1500 n. Chr. Institut für Rechtsmedizin Hyperkapnisches Ersticken • Ersticken mit Anreicherung von CO2 im Blut • Dauer mindestens 3-5 Minuten • Phasenhafter Verlauf – Atemnot • Atemtätigkeit é, Dyspnoe, Zyanose, Bewusstseinsverlust – Erstickungskrämpfe • Puls é, RR é; unwillkürlicher Abgang von Urin und Kot – Präterminale Atempause (1-2 min) • Atemstillstand, RR ê, Tachykardie – Terminale Atembewegungen • Schnappende Atembewegungen, endgültiger Atemstillstand Institut für Rechtsmedizin Der Beweis des Erstickungstodes steht und fällt mit dem Nachweis des erstickenden Agens. E. v. Hofmann, 1878 Institut für Rechtsmedizin Eduard Ritter von Hofmann * 27.01.1837 in Prag + 27.08.1897 in Opatija Ordiniarius für Gerichtliche Medizin an der Universität Wien ab 1875 Begründer der Wiener Schule Lehrbuch und Atlas der Gerichtlichen Medizin Institut für Rechtsmedizin Erstickungsbefunde - generell • • • • • Intensive, blauviolette Totenflecken Blutreichtum der inneren Organe Schlaffe, blutarme Milz Tardieu‘sche Blutungen Flüssiges Leichenblut Institut für Rechtsmedizin Auguste Ambroise Tardieu * 10.03.1818 + 12.01.1879 Pathologe, Rechtsmediziner, Toxikologe Universität Paris Institut für Rechtsmedizin Erstickungsbefunde Hyperkapnie • Evtl. Zyanose und Dunsung des Gesichts • Punktförmige Blutungen der Lider und Bindehäute • Punktförmige Blutungen der Gesichtshaut und der Schleimhäute • Akute Lungenblähung Institut für Rechtsmedizin Beispiele hyperkapnisches Ersticken • • • • • • Bedeckung der Atemöffnungen Knebelung Bolustod Aspiration Strangulation Thoraxkompression Institut für Rechtsmedizin Bedeckung der Atemöffnungen • Ältere Menschen, Säuglinge • Schürfungen und Hautvertrocknungen an Atemöffnungen • Quetschungen der Lippenschleimhäute • Erstickungsbefunde Institut für Rechtsmedizin Knebelung • Tamponade der Mundhöhle durch Fremdmaterial • Selbst- und Fremdbeibringung • In der Regel weiche Gegenstände (Textilien) • Mit der Zeit Aufquellen des Knebels durch Speichel • Gefahr der Verlegung des Rachens => Ersticken Institut für Rechtsmedizin Bolustod • Verlegung des Rachens und Kehlkopfs durch große Speisebrocken • Opfer: Kinder, Alkoholisierte, Personen mit Hirnschädigung • Kombination aus Ersticken und Vagusreizinduzierter Bradykardie bis hin zum Herzstillstand Institut für Rechtsmedizin Aspiration • Einatmung von Fremdmaterial • Voraussetzung: Bewußtseinstrübung • Bei größeren Mengen Verlegung der Atemwege => Todesursache • Häufig agonal • Zeichen der Vitalität • Sonderfall: Ertrinken Institut für Rechtsmedizin Thoraxkompression • Verschüttung – Lawinen – Nicht gesicherte Baugruben • Einklemmung des Oberkörpers • Erdrücken im Gedränge – Panik bei Massenveranstaltungen • Tötungsdelikte („Burking“) Institut für Rechtsmedizin „Burking“ • Spurenarme Tötungsmethode • Benannt nach William Burke – In Partnerschaft mit William Hare 16 Tötungsdelikte in Edinburgh (1827-1828) an alkoholisierten Männern und Frauen begangen, um Leichen an Anatomie zu verkaufen – Opfer zu Fall gebracht, anschließend auf Brustkorb gesetzt, Mund und Nase zugehalten Institut für Rechtsmedizin Perthes‘sche Druckstauung • Fixierung des Thorax führt zu Behinderung der Atmung und des venösen Blutrückstromes zum Herzen • Befunde „masque ekchymotique“ – Dunsung des Gesichtes – Petechiale Blutungen von Gesicht, Hals und oberem Brustkorb – Petechiale Blutungen in Lidern, Bindehäuten, Wangen- und Mundschleimhaut Institut für Rechtsmedizin TOD IM WASSER Institut für Rechtsmedizin Todesarten und -ursachen • Ertrinken • Badetod • Natürlicher Tod im Wasser (plötzlicher, krankheitsbedingter Tod, der nur zufällig beim Schwimmen oder Baden eintritt) • Todeseintritt außerhalb des Wassers und Verbringung der Leiche ins Wasser Institut für Rechtsmedizin Definition Ertrinken ist eine Form des Erstickens aufgrund einer Flüssigkeitsaspiration (zumeist Wasser), wobei das Individuum während der Aspiration zumindest mit dem Gesicht in die Flüssigkeit eingetaucht war. Institut für Rechtsmedizin Ertrinken - Stadien • Reflektorische Inspiration • Apnoe: Willkürliches Anhalten der Atmung • Dyspnoe: Wiedereinsetzen der Atmung aufgrund des Anstieges des pCO2 • Krampfstadium: tonisch-klonische Krämpfe infolge cerebraler Hypoxie • Atemlähmung: präterminale Atempause, finale Schnappatmung, Atemstillstand Institut für Rechtsmedizin Ertrinken / Pathophysiologie Süßwasser Salzwasser Hohe Aspirationsvolumina Niedrige Aspirationsvolumina (experimentell: 80 ml/kg KG) (experimentell: 10 ml/kg KG) Hypotone Hyperhydratation Hypertone Hypohydratation Kurze Überlebenszeit Längere Überlebenszeit (experimentell: 4 min) Emphysema aquosum (experimentell: 8 min) Oedema aquosum Institut für Rechtsmedizin Ertrinken - Obduktionsbefunde • Ausprägung abhängig vom Durchlaufen der Stadien, insbesondere des Dyspnoe-Stadiums • Abkürzung des Dyspnoe-Stadiums z.B. bei - Intoxikationen: Alkohol, Betäubungsmittel - Vorschädigung innerer Organe Institut für Rechtsmedizin Obduktionsbefunde • Schaumpilz / weißlicher Schaum in den Atemwegen • Akutes Lungenemphysem (Emphysema aquosum) • Paltauf-Flecke: hämolysierte petechiale Blutungen • Elastizitätsverlust des Lungengewebes Atemwege/Lungen Institut für Rechtsmedizin Obduktionsbefunde • Schaumpilz / weißlicher Schaum in den Atemwegen • Akutes Lungenemphysem (Emphysema aquosum) • Paltauf-Flecke: hämolysierte petechiale Blutungen • Elastizitätsverlust des Lungengewebes Atemwege/Lungen Institut für Rechtsmedizin Obduktionsbefunde • Schaumpilz / weißlicher Schaum in den Atemwegen • Akutes Lungenemphysem (Emphysema aquosum) • Paltauf-Flecke: hämolysierte petechiale Blutungen • Elastizitätsverlust des Lungengewebes Atemwege/Lungen Institut für Rechtsmedizin Obduktionsbefunde • Schaumpilz / weißlicher Schaum in den Atemwegen • Akutes Lungenemphysem (Emphysema aquosum) • Paltauf-Flecke: hämolysierte petechiale Blutungen • Elastizitätsverlust des Lungengewebes Atemwege/Lungen Institut für Rechtsmedizin Obduktionsbefunde • Wässriger Mageninhalt (sog. Wydler-Zeichen) Magen-Darm-Trakt Institut für Rechtsmedizin Obduktionsbefunde • Wässriger Mageninhalt (sog. Wydler-Zeichen) Schaum Wässrige Flüssigkeit Nahrungsbestandteile Magen-Darm-Trakt Institut für Rechtsmedizin Obduktionsbefunde • Wässriger Mageninhalt (sog. Wydler-Zeichen) • Schleimhautrisse am Mageneingang (Sehrt`sche Risse) Magen-Darm-Trakt Institut für Rechtsmedizin Obduktionsbefunde Gefäßsystem Vermehrte Hämolyse (v. a. im großen Kreislauf) A. pulmonalis Aorta Institut für Rechtsmedizin Obduktionsbefunde • Ertrinkungsflüssigkeit in den Keilbeinhöhlen (sog. Svechnikov-Zeichen) Schädel Institut für Rechtsmedizin Beweiswert Befund hoch Feinblasiger Schaumpilz vor Mund und Nase Weißlicher Schaum in den Bronchien Akutes Lungenemphysem (Emphysema aquosum) Trockenes, knisterndes Lungengewebe Elastizitätsverlust des Lungengewebes Paltauf-Flecken Verwässerter Mageninhalt mit Dreischichtung (WydlerZeichen) Vermehrte Hämolyse im großen Kreislauf Sehrt-Magenschleimhautrisse Ertrinkungsflüssigkeit in Keilbeinhöhlen (SvechnikovZeichen) niedrig Entspeicherte Milz bei Blutfülle der übrigen Organe Institut für Rechtsmedizin Badetod Unter Badetod versteht man ein plötzliches Untertauchen im Wasser, dessen Ursache vor allem durch im Wasser ausgelöste Reflexe erklärt wird. Typische Ertrinkungsbefunde werden nicht oder nur in geringer Intensität beobachtet. Institut für Rechtsmedizin Badetod - Reflexmechanismen Vagale Synkopen durch • Ebbecke-Reflex (Reiz des N. trigeminus durch kaltes Wasser) • Aschner-Bulbusdruckreflex (okulo-kardialer Reflex) • Nasenschleimhautreflex • Schmerzschock (Plexus solaris à intestinale Vasodilatation) • Kehlkopfschock (N. laryngeus superior à Stimmritzenkrampf) Institut für Rechtsmedizin Leichenveränderungen im Wasser • • • • • • • Fäulnis und Autolyse Waschhautbildung Ablösung der Oberhaut Ablösung von Haaren und Nägeln Algenrasen Fettwachsbildung Postmortale Verletzungen: – Treibverletzungen – Schiffsschrauben-verletzungen Institut für Rechtsmedizin Wasserliegezeit • 3 Stunden: Waschhaut an Fingerspitzen • 3 weitere Stunden: Hohlhand „Waschfrauenhand“ • 3 Tage: Hohlhand weiß • 3 weitere Tage: Beginn der Ablösung • 3 Wochen: Haut handschuhartig mit Nägeln abziehbar (in sehr kaltem Wasser 1-2 Monate) Institut für Rechtsmedizin STRANGULATION Institut für Rechtsmedizin Formen • Hängen – Kompression der Halsweichteile durch Strangwerkzeug mittels Zug durch Körpergewicht des Opfers • Drosseln – Kompression der Halsweichteile durch Drosselwerkzeug mittels manueller Krafteinwirkung • Würgen – Manuelle Kompression der Halsweichteile Institut für Rechtsmedizin Pathophysiologie • Obstruktion der Atemwege – Zungengrund nach hinten oben verlagert – Kompression der Trachea • Arterielle Obstruktion – Aa. carotides – Aa. vertebrales • Venöse Stauung – Kompression der Vv. jugulares • Karotissinus-/Vagusreflex – Bei Vagusreizung Bradykardie und Hypotonie – Erregbarkeit nimmt mit Alter zu Institut für Rechtsmedizin Todesursache • O2-Mangelversorgung des Gehirns infolge Unterbrechung der Blutzufuhr zum Gehirn • Hyperkapnisches Ersticken durch Verlegung der Atemwege • „Genickbruch“ nur beim Erhängen und hier nur in Ausnahmefällen: – Typisches Erhängen – Große Fallhöhe Institut für Rechtsmedizin Todesarten • Hängen – Suizidal – Akzidentell – Homizidal • Drosseln – Homizidal – Suizidal • Würgen – Homizidal Institut für Rechtsmedizin Erhängen • Typisches Erhängen – Symmetrischer Schlingenverlauf – Aufhängepunkt im Nacken – Körper frei suspendiert selten • Atypisches Erhängen – Asymmetrischer Schlingenverlauf – Aufhängepunkt nicht im Nacken – Körper nicht frei suspendiert häufig Institut für Rechtsmedizin Erhängen: Kriminalistik • Befestigung des Strangwerkzeuges – Rinnenförmige Vertiefung (Zugrille) an Aufhängepunkt? – Aufstiegshilfe vorhanden? – Knoten • Hautschüppchen an Strangwerkzeug • Faserprobe der Hände nach Frei-Sulzer Institut für Rechtsmedizin Erhängen: Äußere Befunde • Blasses oder blutgestautes Gesicht • Spiegelbildung der Totenflecken oberhalb des Strangwerkzeugs • Hervorquellen der Zunge • Speichelabrinnspur • Evtl. petechiale Blutungen • Evtl. Blutaustritt aus äußeren Gehörgängen • Selten „Tambour“-Verletzungen Institut für Rechtsmedizin Strangmarke • • • • • • • • Rinnenförmige Hautvertrocknung Ansteigender Verlauf Oberhalb Adamsapfel Unregelmäßige Tiefe Schürfung Oberhaut Raffung der Halshaut Evtl. Zwischenkammblutungen Evtl. Flüssigkeitsblasen Institut für Rechtsmedizin Erhängen: Innere Befunde • Strangmarke – Kompression des Unterhautfettgewebes – Evtl. Einrisse der Muskulatur – Vertrocknung, Braunverfärbung – Keine Unterblutungen • Frakturen der Schildknorpelhörner und der großen Zungenbeinhörner • Blutungen der Halsmuskulatur (Ursprünge an Sternum, Clavicula) Institut für Rechtsmedizin Erhängen: Innere Befunde • Zungengrundblutungen • Quere Einrisse der Intima der Aa. carotides • Punktförmige Blutungen der Vv. jugulares internae • Blutungen der Disci intervertebrales/Lig. longitudinale anterior (SIMON‘sche Blutungen) • Lungenödem Institut für Rechtsmedizin Drosseln • Verschluß der Aa. carotides und Vv. jugulares, kein Verschluß der Aa. vertebrales • Intensive Dunsung des Gesichts • Intensive Stauungsblutungen • Blutstauung des Zungengrunds • Fraktur des Ringknorpels Institut für Rechtsmedizin Drosselmarke • Zirkulär • Horizontal verlaufend • Gleichmäßige Tiefe Institut für Rechtsmedizin Würgen • Fleckige Hämatomverfärbungen und diskrete kratzerartige Epidermisläsionen an Hals und Unterkiefer • CAVE: Unterarmwürgegriff ohne lokale Verletzungen • Dunsung des Gesichts, Stauungsblutungen Institut für Rechtsmedizin V. a. Halskompression • Petechiale Blutungen – – – – Lider und Bindehäute Gesichtshaut Retroaurikulär Nasen- und Mundschleimhäute • Schürfungen, Hämatome, intrakutane Blutungen an Hals, Unterkiefer und Nacken • Schluckschmerzen • Heiserkeit • Nasenbluten • Bewußtlosigkeit • Kot- und/oder Urinabgang