und Nachbereitung in der Schulklasse Cyrano
Transcrição
und Nachbereitung in der Schulklasse Cyrano
Theater Kanton Zürich Arbeitsmaterial für die Vor- und Nachbereitung in der Schulklasse Cyrano – Poet und Haudegen nach Edmond Rostand Premiere: 24. März 2009 Regie: Hardy Hoosman Theater Kanton Zürich Scheideggstrasse 37 Postfach 8401 Winterthur Telefon 052 212 14 42 Telefax 052 212 88 19 E-Mail [email protected] Homepage www.theaterkantonzuerich.ch Inhalt Teil 1 Informationen und Anregungen Vorwort Personen Vorbereiten Nachbereiten Vertiefen - Cyrano de Bergerac und seine Zeit - Reime reimen - Was ist schön? Quellen Teil 2 Kopiervorlagen K1 K2 K3 K4 K5 K6 K7 K8 K9 K10 K11 K12 K13 Zum Stück Aus dem Stück Ein Theatercomic Cyrano de Bergerac Cyrano original und modern Was gab es schon im 17. Jahrhundert? Spottverse Dreizeiler Poetry Slam Wahre Liebe? Schön und erfolgreich? Schönheit kaufen Die Sehnsucht nach der schönen Hülle Vorwort Cyrano Meinen Degen packe ich im Nu, denn beim letzten Vers, da stoss ich zu. Liebe Lehrerin, lieber Lehrer «Cyrano», basierend auf Edmond Rostands Cyrano de Bergerac, ist eine Bearbeitung eines klassischen Stoffes, die es erlaubt, ein Stück von 1897 in einer leicht zugänglichen Sprache zu erleben. Die Sätze sind gegenüber dem Original einfacher, dennoch ist die gereimte Form erhalten geblieben. Deshalb werden Sie in diesem Material auch ein Kapitel zum Reimen finden. Die Geschichte von Cyrano handelt in erster Linie von Liebe und (Ent)-Täuschung, aber auch davon, was einen Menschen liebenswert macht. Cyrano gesteht seiner Cousine Roxane seine Liebe nie, weil er sich selber hässlich findet – die Nase ist zu gross. Sie verliebt sich in Christian, aber vor allem in dessen schöne Sprache und seine Briefe, ohne zu ahnen, dass Cyrano der Autor und Stichwortgeber ist. Der eine Mann ist schön, findet jedoch keine Worte, der andere hat einen äusserlichen Makel, ist aber ein Sprachkünstler und versteht es, Gefühle in wunderbare Worte zu bringen. Ein Teil des Materials widmet sich der Frage «Was ist schön?». Dabei geht es selbstredend nicht nur um äusserliche Schönheit. Zudem enthält das Material Hintergrundinformationen zu Stück, Autor und Besetzung und enthält ein paar Gedanken zur Vor- und Nachbereitung eines Theaterbesuches, die eher grundsätzlich sind. Eine Besonderheit der bearbeiteten Theaterfassung ist, dass alle Rollen von nur zwei Schauspielern und einer Schauspielerin gespielt werden, welche die Rollen laufend wechseln. Im Original von Edmond Rostand gab es etwa 50 Rollen. Die Rollenwechsel erlauben, zu sehen, wie Theater funktioniert. Mit wenigen Zeichen kann die Fantasie des Zuschauers geweckt werden. Rein formal finden sich im ersten Teil Informationen und Anregungen, im zweiten Teil Kopiervorlagen ( K1, K2…) Unseres Erachtens ist bei diesem Stück die Nachbereitung wichtiger als die Vorbereitung. Rechnen Sie dafür Zeit ein. Theater Kanton Zürich Barbara Schüpbach Theaterpädagogin Marie-Louise Michel Dramaturgin Personen Besetzung Antonio da Silva Cornelia Pollak Silvio Caha Regie Bühne und Kostüme Musik Bühnenbau Gewandmeisterinnen Maske Licht und Fotos Dramaturgie Regieassistenz Theaterpädagogik Cyrano Roxane, Duenna, Soldat Christian, De Guiche, Le Bret, Ragueneau, De Lignière, Mönch, Soldat Hardy Hoosman Elke Scheuermann Willi Häne Stefan Schwarzbach Graziella Galli und Franziska Lehmann Doris Lohmann Li Sanli Marie-Louise Michel Dalilah König Barbara Schüpbach Edmond Rostands «Cyrano de Bergerac» Die Vorlage des Jugendstücks «Cyrano» stammt aus der Feder von Edmond Rostand, der mit der romantischen Komödie Cyrano de Bergerac Ende des 19. Jahrhunderts einen grossen Publikumserfolg schrieb und mit Cyrano eine legendäre Theaterfigur schuf. Edmond Rostand wurde 1868 in Marseille geboren. Sein erstes Bühnenwerk «Die Romantischen» (Les romanesques), eine zarte Liebesgeschichte, wurde 1894 in Paris aufgeführt. Internationale Anerkennung fand Rostand mit seiner romantischen Verskomödie «Cyrano de Bergerac», dessen Held dem gleichnamigen geistreichen Degenfechter aus dem beginnenden 17. Jahrhundert nachempfunden ist. Cyranos schriftliches Vermächtnis war fast vergessen, als Rostand ihn zum Protagonisten seiner tragischen Komödie und damit auch zu einem französischen Nationalhelden machte. Die Premiere des Stückes am 28. Dezember 1897 in Paris wurde zu einem triumphalen Erfolg. 1918 starb Edmond Rostand in Paris. Jo Roets und Greet Vissers «Cyrano» Jo Roets hat für das belgische Kinder- und Jugendtheater «Blauw Vier» in Antwerpen aus dem Stoff eine frische, romantische Version für Jugendliche und Erwachsene gemacht und dafür die riesige Besetzung auf drei Schauspieler reduziert, die – im flinken Wechsel der Rollen – die Liebesgeschichte spielen. Der Regisseur und Autor Jo Roets, geboren 1961, bildete mit Greet Vissers den künstlerischen Kern von «Blauw Vier», deren Credo hiess: «erwachsenes Theater für Kinder und Jugendliche». Die Uraufführung von Cyrano fand 1996 in Antwerpen statt und war ein grosser Erfolg. Das Stück erfuhr bald auch internationale Aufmerksamkeit und wurde bereits häufig nachgespielt. Vorbereiten Grundsätzliches zum Vorbereiten Theater ist kein Medium, das die Jugendlichen in ihrer Freizeit «konsumieren». Sie sind es nicht gewohnt. Obwohl sich Theater an und für sich aus sich selber heraus erklärt (oder erklären sollte), lässt sich das Hinschauen und Hinhören doch trainieren. Bei «Cyrano» empfehlen wir eine Vorbereitung, die auf das Medium Theater an sich vorbereitet und eventuell das Thema Rollenwechsel aufgreift sowie kurz über den Inhalt informiert. Verraten Sie nicht zuviel! Genau hinschauen Theater arbeitet mit Zeichen. Jede Geste, jeder Gang bekommt auf der Bühne eine Bedeutung. Die Schülerinnen und Schüler notieren Figuren auf kleine Zettel. Pro Zettel ein Begriff. Zum Beispiel Pilot/in, Polizist/-in und so weiter. Die Begriffe mischen und alle einen Zettel ziehen lassen. Aufstellung im Kreis. A beginnt und geht als Figur durch den Kreis zu einer nächsten Person. Diese macht weiter. Das Spiel dauert solange, bis alle einmal dran waren. Danach raten, wer was verkörpert hat. Woran genau konnte man die Figur erkennen? Genau hinhören Den Stückbeschrieb vorlesen. Zwei SchülerInnen sitzen einander gegenüber. Die erste Person liest die erste Hälfte des Textes vor. Dann dreht sie das Blatt um. Die andere Person gibt die Sätze und deren Inhalt so genau wie möglich wieder. Wechseln. Dasselbe mit dem zweiten Abschnitt. Was bedeutet das Gehörte? Worum geht es genau? K1 Rollen wechseln Alle Menschen haben verschiedene Rollen im Leben. Welche Rollen habe ich? (Schülerin, Tochter, Schwester…). Rollenwechsel im Theater erlauben, dass es weniger Schauspieler als Figuren braucht. Damit das Publikum alles versteht, brauchen die Theaterleute verschiedene Mittel. Das einfachste und Naheliegendste ist das Wechseln des Kostüms oder von Teilen des Kostüms. Das allein ist aber nicht ausreichend. Es braucht eine andere Körperhaltung, eine andere Art des Sprechens. Dazu folgende Übung. Spielt zu zweit eine einfache Szene. Während der Szene geht eine Person raus und kommt als jemand anderes wieder hinein. Beispiel für eine einfache Szene: A stürzt. B kommt dazu, schaut, was passiert ist und holt Hilfe. Dann kommt B als neue Person herein (Polizist, Sanitäter, Dieb). Die Klasse rät, welche Person B als zweites gespielt hat. Es können alle von der gleichen Grundsituation ausgehen. Nachbereiten Grundsätzliches zum Nachbereiten Cyrano bietet enorm viel Material, um in der Klasse weiter zu arbeiten. Wir empfehlen eine Nachbereitung auf zwei Ebenen. Zum einen über die persönliche Wahrnehmung; Was habe ich erlebt, was hat mich berührt, was hat mir gar nicht gefallen? Zum anderen über die Vertiefung eines Themas aus dem Stück. Unsere Vorschläge finden Sie in diesem Material. Gespräch nach dem Theaterbesuch Jede Schülerin, jeder Schüler notiert sich zuerst einen positiven und einen negativen Eindruck des Stücks. Eine Runde machen, in der alle zuerst unkommentiert das Positive, dann das Negative sagen. Mögliche weitere Fragen: Welche Figuren kamen im Stück vor? Wenn du den Namen nicht weisst, beschreibe sie oder spiel sie kurz vor. Wie findest du es, dass Cyrano Roxane seine Liebe nicht gestanden hat? Begründe. Szenen nachspielen Zu zweit einen Moment des Stücks auswählen, an den ihr euch besonders gut erinnert, der euch Eindruck gemacht hat. Abmachen, wo ihr anfangen und wie ihr aufhören wollt. Den Text der Spur nach wiederholen. Dann die Szene der Klasse vorspielen. Warum habt ihr genau diesen Ausschnitt gewählt? Eine Szene aus dem Stück Die Szene lesen. Worum geht es genau? Immer drei Personen zusammen. Es spielt keine Rolle, wer Männer- oder Frauenrollen übernimmt. Die Szene anlernen. Versuchen, die Stimmung der jeweiligen Figur auszudrücken. Wie geht die Szene weiter? Schreibt das Gespräch. K2 Ein Theatercomic Das Arbeitsblatt zeigt einen kurzen Ausschnitt des Stücks, und zwar, als Cyrano Christian Worte einflüstert unter dem Balkon. Gebt den Figuren eure Worte, erfindet einen lustigen Text. Die wolkigen Sprechblasen sind Gedankenblasen. Erinnert euch an eine Szene des Stücks. Was ist da genau passiert? Erzählt das in einfachen Worten. Dann erarbeitet dazu drei bis vier Standbilder (Standbilder sind eigentlich dreidimensionale Fotos mit Menschen). K3 Vertiefen Cyrano – von Rostand bis heute Cyrano de Bergerac Den Edelmann gab es wirklich. Auf dem Blatt finden sich eine Zusammenfassung seines Lebens sowie einen Textauszug aus dem Roman „Die Reise zum Mond“. K4 Cyrano original und modern Zwei Varianten von Szenen aus dem Stück. Das Original von Edmond Rostand und die Spielfassung des Theater Kanton Zürich, basierend auf der Bearbeitung von Jo Roets und Greet Vissers. Was kommt in beiden Texten vor? Wie unterscheiden Sie sich in der Form? Welchen liest du lieber und warum? Beide Texte laut und rollenverteilt lesen. K5 Was gab es schon im 17. Jahrhundert? Die Geschichte um Cyrano spielt im 17.Jh. Auf dem Arbeitsblatt sind verschiedene Errungenschaften der Menschheit aufgeführt. Die SchülerInnen kreuzen an, was es ihrer Meinung nach damals schon gab und schätzen, wann etwas erfunden/eingeführt wurde. Ev. verteilen, wer was im Internet genauer recherchiert. Auflösung: Postleitzahlen, 1964 / Autos, 1886 / Waschmaschinen, 1947 / Brillengläser, 1250 / Bücher um 1450 / Fotoapparat, 1839 (Camera Obscura schon früher, seit der Antike) / Telefon, 1876 / Nylonstrümpfe, 1939 / Blitzableiter, 1752 / die Schweiz, 1848 / elektrisches Licht, 1808 / Degen, 16. Jh. / Fahrrad, 1839 / Dosenöffner, 1855 / Bleistift, 1565 / Staubsauger, 1901 / Reissverschluss, 1914 / Antibiotika (Penicillin), 1928. K6 Reime reimen Spottverse In Cyrano finden sich an einer Stelle sprachliche Bilder für die Nase. Sie sind von Cyrano selber erfunden und beschreiben diese spöttisch. Auf dem Arbeitsblatt finden sich ein paar Beispiele. Die SchülerInnen Schönheitsfehler sammeln und dazu Eigenheiten aufschreiben lassen. Zum Beispiel: grosse, abstehende, angewachsene… Ohren. Dann in Zweiergruppen ein Körperteil auswählen und dazu Spottverse verfassen. Spielregel ist, dass es Zweizeiler sein müssen, die sich reimen. K7 Dreizeiler Die Beispiele von Ernst Jandl sollen die SchülerInnen dazu anspornen, eigene „Mini-Gedichte“ zu verfassen. Die Dreizeiler unterscheiden sich in der Form. Mal reimen sich alle drei Zeilen, mal keine. Entscheidend ist der Fluss der Sprache und ein klares Bild, das beschrieben wird. K8 Poetry Slam Worum geht es? «Poetry Slam – das Paris Dakar unter den Literaturveranstaltungen. Schnell und geschmeidig, hart und laut, poetisch und präzise – auf den deutschsprachigen Slambühnen haben sich neue, urbane Literaturformen entwickelt.» Die Poetry Slammer arbeiten vor allem mit dem Rhythmus in der Sprache. Manchmal reimt sich der Text, manchmal nicht. Wichtig ist, dass die Texte gesprochen funktionieren. Meist werden sie sehr schnell und dynamisch vorgetragen, die Art und Weise der Präsentation ist genauso wichtig wie der Inhalt der Texte. Beispiele von Auftritten finden sich auf Youtube, etwa von Lara Stoll oder Gabriel Vetter. Auf dem Arbeitsblatt ist ein Textbeispiel des Schweizer Autors Ralf Schlatter. Den Text in Zweiergruppen lesen. Eine Strophe auswählen und üben. Eine Präsentation erarbeiten. Festlegen, wo der Text schnell, wo langsam gelesen wird, wo laut und wo leise. Kür ist, wenn auch verschiedene Emotionen eingebracht werden können. K9 Was ist schön ? Wahre Liebe In der Szene aus dem Stück geht es darum, ob Roxane Christian auch lieben würde, wenn er hässlich wäre. Die Szene rollenverteilt lesen. Diskussion: Glaubst du Roxanne? Warum ja, warum nein? Begründe. Was ist denn schön und was hässlich? Wer legt die Normen fest? Kennt ihr kulturell unterschiedliche Definitionen von Schönheit? K10 Schön und erfolgreich? Haben schöne Menschen mehr Erfolg? Viele erfolgreiche Menschen sind nicht „schön“. Dafür haben sie andere Talente und sind genauso liebenswert wie die Schönen. Ergänze die Bildersammlung mit Prominenten, die nicht nach üblichen Normen schön sind. Was haben sie für andere schöne Seiten? K11 Schönheit kaufen Ein Interview mit und ein Text über Enrique Steiger, einen Schönheits- und Kriegschirurgen aus Zürich, kann als Grundlage für ein Gespräch darüber genommen werden, wie wichtig Schönheit überhaupt ist. Sollen wir uns Verschönerungen kaufen können? Wo sind die Grenzen des Machbaren? K12 / K13 Quellen Cyrano de Bergerac: Die Reise zum Mond. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1991. Edmond Rostand: Cyrano de Bergerac. Verlag Philipp Reclam jun., Stuttgart 1977. Jo Roets, Greet Vissers: Cyrano. Theaterstückverlag, München 1999. Ernst Jandl: Peter und die Kuh. Gedichte. Luchterhand Literaturverlag GmbH, München 1996. Hartmut Popsiech und Tina Uebel (Hrsg.): Poetry Slam 2002/2003. Rotbuch Verlag, Hamburg 2002. reformiert. Kirchenbote Kanton Zürich. Nr. 3.2., 13. März 2009. story.ch dasmagazin.ch Zum Stück K1 Cyrano von Bergerac ist ein stolzer Edelmann, der mit dem Degen ebenso mutig und virtuos ficht, wie mit seinen Versen. Sein einziger Makel ist seine Nase, die auffällig gross und spitz aus seinem Gesicht ragt und ihn zum Gespött aller macht. Für ihn selbst ist sein Äusseres weitaus mehr als nur ein Makel, wagt er es doch deswegen nicht, der schönen Roxane seine Liebe zu gestehen. Nie würde sie ihn, Cyrano mit der hässlichen Nase, lieben können. Als sie ihm zudem gesteht, sich in den attraktiven aber einfältigen Soldaten Christian verliebt zu haben, sieht Cyrano die Chance, seine Liebe zu Roxane wenigstens in Ansätzen auszuleben: Er leiht seinem Rivalen seine Worte, Verse und in der berühmten Balkonszene auch seine Stimme. Der zuerst harmlose Scherz beginnt schon bald eine Eigendynamik zu entwickeln, die die Figuren im Verlaufe des Stückes überrollt… Aus dem Stück K2 10. Szene Christian zerrt Cyrano zu Roxane. CHRISTIAN Roxane! Cyrano hat dir etwas Wichtiges zu erzählen. (geht ab) ROXANE Warum läuft er weg? Was hat er gesagt? Vielleicht glaubt er mir nicht. CYRANO Haben Sie die Wahrheit gesagt? ROXANE Natürlich. Ich liebe ihn, selbst wenn er… CYRANO Sagen Sie, was Sie zu sagen haben. Mich verletzen Sie nicht damit. Selbst wenn er hässlich wär? ROXANE Ja. Ein Theatercomic K3 Cyrano de Bergerac K4 Cyrano de Bergerac hiess eigentlich Hector-Savinien de Cyrano. Seinen Künstlernamen gab er sich nach einem Stück Land seines Vaters. Er wurde im März 1619 in Paris als Sohn einer reichen Bürgerfamilie geboren. Er war ein Zeitgenosse von Molière, mit dem er gemeinsam Philosophie studierte. 1638 trat er bei den sogenannten Gascogner Kadetten ein, eine militärische Einrichtung zur Ausbildung von Berufsoffizieren. 1639 wurde Cyrano in einem Feldzug gegen Deutschland schwer verwundet. Im Jahr darauf erlitt er nochmals eine schwere Verletzung und verliess darauf die Kompanie. Er kehrte nach Paris zurück. Danach lebte er eine zeitlang als unabhängiger Dichter, bis er dann 1653 in den Dienst eines Herzogs trat. Cyrano de Bergerac starb im Juli 1655 in Paris, entweder an den Folgen einer Kopfverletzung oder an einer Geschlechtskrankheit. Cyrano de Bergeracs schriftstellerische Werke sind kaum mehr bekannt. Heute kennt man vor allem seine Prosatexte «Die Reise zum Mond» und «Die Reise zur Sonne», zwei fantastische Romane von Reisen zu den Mond- und Sonnenbewohnern. Die Reise zum Mond (Ausschnitt) Und damit Sie wissen, warum hierzulande alle Leute grosse Nasen haben, so hören Sie, dass, sobald eine Frau niedergekommen ist, die Patin das Kind zum Prior des Seminars bringt. Und genau nach einem Jahr versammeln sich die Sachverständigen, wenn dann seine Nase kürzer befunden wird als ein bestimmtes Mass, das der Syndikus hat, so wird es für stumpfnasig erklärt und in die Hände der Priester gegeben, die es entmannen. Sie fragen möglicherweise nach dem Grund dieser Grausamkeit; wie es geschehen kann, dass wir, bei denen Jungfräulichkeit ein Verbrechen ist, Leute mit Gewalt enthaltsam machen? So erfahren Sie, dass wir es tun, nachdem wir seit dreissighundert Jahren beobachtet haben, dass eine grosse Nase als Aushängeschild ein Merkmal ist, das sagt: hier wohnt ein geistvoller, kluger, höflicher, freundlicher, hochherziger Mensch mit feinem Sinn; und dass die kleine das Wahrzeichen der gegenteiligen Laster ist. Daher macht man aus den Stumpfnasen Eunuchen, weil der Staat lieber keine Kinder von ihnen will als Kinder, die ihnen ähnlich sind.. Cyrano original und modern Das Original von Edmond Rostand Cyrano Warum betrachten Sie denn meine Nase? Missvergnügter (eingeschüchtert) Ich… Cyrano (auf ihn losgehend) Was erstaunt Sie dran? Missvergnügter (zurückweichend) Nichts! Cyrano Ist sie weich wie’n Rüssel, schlenkert wie ein Perpendikel? (*) Missvergnügter (wie oben) Nein! Cyrano Oder sieht ’nem Reiherschnabel gleich? Missvergnügter Ich habe… Cyrano Sind auf ihrer Spitze Pickel? Missvergnügter Wenn doch… Cyrano Läuft eine Fliege darauf herum? Ist’s ein Mirakel? (**) Missvergnügter Ich… Cyrano Ein Unikum?(***) Missvergnügter Ich sah sie gar nicht an, versichr’ ich Ihnen! Cyrano Nicht? Sagen Sie, weshalb Sie das nicht taten! Missvergnügter Ich… Cyrano Ekelt Sie’s davor? Missvergnügter Herr! Cyrano Weil zu kränklich die Farbe? Missvergnügter Herr! Cyrano Die Formen zu bedenklich? Missvergnügter Durchaus nicht! Cyrano Doch ich les in Ihren Mienen, dass Ihnen scheint, sie sei zu gross geraten! Missvergnügter (stotternd) Ich finde sie ganz klein, ganz winzig klein. Cyrano Was?! Eine Missgeburt soll ich gar sein? Klein meine Nase?! Missvergnügter Gott! (*) Perpendikel = Pendel einer Uhr (**) Mirakel = Wunder (***) Unikum = das EInzigartige K5 Die Spielfassung Cyrano (zum Publikum) Sagen Sie mal, warum fixieren Sie meine Nase? Stimmt etwas nicht? Sitzt sie nicht fest? Wackelt sie? Sind auf ihrer Spitze Pickel? Läuft eine Fliege darauf herum? Ist sie krumm? Nicht? Und warum nicht? Ekelt Sie’s davor? Die Farbe kränklich? Die Form bedenklich? Doch, ich seh’ es in Ihrem Gesicht, dass Ihnen scheint, sie sei zu gross geraten. Eine Missgeburt? Klein, meine Nase? Was gab es schon im 17. Jahrhundert? K6 Postleitzahlen ja nein Gibt es seit _______________ Autos ja nein Gibt es seit _______________ Waschmaschinen ja nein Gibt es seit _______________ Brillengläser ja nein Gibt es seit _______________ Bücher ja nein Gibt es seit _______________ Fotoapparat ja nein Gibt es seit _______________ Die Schweiz ja nein Gibt es seit _______________ Elektrisches Licht ja nein Gibt es seit _______________ Degen ja nein Gibt es seit _______________ Fahrrad ja nein Gibt es seit _______________ Dosenöffner ja nein Gibt es seit _______________ Bleistift ja nein Gibt es seit _______________ Staubsauger ja nein Gibt es seit _______________ Reissverschluss ja nein Gibt es seit _______________ Penicillin ja nein Gibt es seit _______________ Spottverse K7 CYRANOS Reime über seine Nase: Hätte ich einen solchen Zinken, würd’ an Amputation ich denken. Ein Berg! Wetterfest, felsenfest, die Silhouette vom Mount Everest. Pass’ er bloss auf und halte Gleichgewicht, sonst fällt er noch kopfüber aufs Gesicht. Weil sie das Gleichmass im Gesicht getötet, ist sie voll Schuldbewusstsein und errötet. Eigene Texte zu Schönheitsfehlern: Spiegelblank poliertes Parkett, so glänzt die Glatze wirklich nett. Dreizeiler K8 dreizeiler ernst jandl der sprecher schweigt kopfschüttelnd bleibt sein publikum nicht lange die rache der sprache vor dem fernseher ist das gedicht unentschuldigt vergeht die nacht Poetry Slam komm katharina von Ralf Schlatter komm katharina, diese nacht, da stehlen wir uns davon wir verlassen grosshöchstetten auf leisen sohlen sagen allen, wir gingen bloss rasch zigaretten holen und schon sind wir zum haus hinaus, raus und weg auf dem einzigen ausweg, der uns einfällt und uns ein für allemal zusammenhält, ganz egal, was das schicksal noch bereithält die lichter werden kleiner und die schatten dichter, und zum glück schaut keiner von uns zwein zurück komm katharina, nur noch dieses kleine stück komm katharina, diese nacht, da suchen wir zu zweit das weite fahrn seite an seite grad um grad in richtung südliche breite lassen die berge hinter uns stehn, lassen die namen der fahrstrassen auf der zunge zergehn, wir lassen die sonne untergehn, wir machen das licht an, halt dich dicht an mich ran, denn diese nacht lang da halten wir nicht an, wir fahren südwestwärts und unser herz setzt erst dann wieder ein, wenn wir das meer sehn und zum glück schaut keiner von uns zwein zurück komm katharina, nur noch dieses kleine stück komm katharina, heut nacht, da machen wir, dass wir fortkommen, verschaffen uns falsche papiere, heuern an als blinde passagiere, lassen uns dann ganz cool auf der kommandobrücke blicken schicken dem rest der welt ein sms vom deck der ms atlantik widmen und dann ganz der seemannsromantik den drink in der hand an der reling stehn welle um welle im gegenlicht zergehen sehn in der koje dann ganz in uns gehen, im takt der bordkapelle und zum glück schaut keiner von uns zwein zurück komm katharina, nur noch dieses kleine stück komm katharina, heut nacht, da verduften wir, da verschwinden wir von hier, werden die nase in den wind stecken den benzinstand checken und dann endgültig auschecken – es ist schon spät, komm katharina, nur noch dieses kleine stück wenn wir heute nacht beginnen, dann reicht es noch bis kurz vor konolfingen. K9 Wahre Liebe? K10 8. Szene CHRISTIAN (nimmt Roxane zur Seite) Roxane, warum bist du hier? Wegen ein paar Liebesbriefen? ROXANE Es waren viele. Und sie waren wunderbar. Mein Gott. Ich liebe dich, seit du deine Seele, damals unter meinem Balkon, offen legtest. Und in deinen Briefen sprach fortwährend deine Stimme. Ich las und las die Briefe immer wieder. Deine Liebe brannte in mir. Vergib mir, dass ich zuerst nur dein Äusseres geliebt. CHRISTIAN Und jetzt? ROXANE Jetzt liebe ich dein tiefes Wesen. Ich lieb‘ allein noch deinen Geist. Dein Äusseres ist unwichtig geworden. Ich werd’ dich auch noch lieben, wenn du dein Äusseres verlierst. CHRISTIAN Auch wenn ich … hässlich wär’? ROXANE Ja. Das schwöre ich. Schön und erfolgreich? K11 Schönheit kaufen K12 Das Doppelleben des Doktor Steiger Alles ist weiss in der Zürcher Welt des Arztes Dr. Enrique Steiger. Weiss und schön wie die Lilien in seinem Sprechzimmer. Wer seine Praxis am Utoquai betritt, trifft selten jemanden an. Das ist so gewollt. Die Patientinnen stehen zwar monatelang Schlange für einen Termin, um sich bei ihm verschönern zu lassen, aber Dr. Steigers Assistentin vollbringt das tägliche Kunststück, dass sich die Frauen nie in der Praxis begegnen. Enrique Steiger, 50, sitzt mit offenem weissen Kittel in seinem Sprechzimmer und sieht aus, als gäbe George Clooney einen KinoChirurgen. Der Mann hat Charme, und seine Erscheinung war schon filmreif, bevor er sich die ersten Fältchen aus dem eigenen Gesicht zu spritzen begann. Dass er dies tut, bringt ihn nicht in geringste Verlegenheit, warum auch? Sein Beruf ist das Verschönern von Menschen, und gut 20 Prozent seiner Kundschaft sind mittlerweile Männer. Steiger, ein begabter Zeichner, hat allerdings nicht nur ein scharfes Auge und eine geschickte Hand, sondern offenbar auch die Gabe, Patientinnen von Eingriffen abzubringen, die er für übertrieben hält. Den perfekt Gelifteten, sagt er, sehe man das Lifting eben gerade nicht an. Sein Ruf ist bis nach Hollywood gedrungen, wo er zwei bis drei Wochen im Jahr Leute operiert, die man in Zürich nur auf der Leinwand sieht. Wen, verrate er nicht einmal seiner Frau. In den Schlachthäusern Längst ist auch bei seinen Patientinnen durchgesickert, warum Enrique Steiger jedes Jahr für einen oder, schlimmer noch, gar für mehrere Monate ausfällt. In dieser Zeit liftet er in seiner Praxis «Utoplast» weder Busen noch strafft er Bäuche. Es gibt Frauen, die wählen ihn gerade deshalb aus, weil sie ihren Schönheits- und Kriegschirurgen für einen kleinen Helden halten – was Steiger weit von sich weist. Umgekehrt ist er froh, dass sich nur wenige genieren, ihre Tränensäcke von einem Arzt wegoperieren zu lassen, der eben aus einem Gemetzel in Liberia oder Bosnien zurückgekehrt ist. Doch wer es wissen will, für den wirft Enrique Steiger gern den Mac im Sprechzimmer an, wo er seine Einsätze in den Schlachthäusern der Welt fotografisch archiviert hat. Steiger ist einer von 45 Chirurgen, die dem Internationalen Roten Kreuz gelegentlich und für zeitlich befristete Einsätze zur Verfügung stehen. (Ein weiteres Dutzend arbeitet fix für das IKRK.) Sein bislang letzter Einsatz war im Herbst 2007 in Kandahar, Südafghanistan. Zwei Monate lang half der gelernte Unfallchirurg, ein Provinzspital wieder auf die Beine zu bringen, das nach der Herrschaft der Taliban zu einem Geisterhaus verkommen war. Heute hat es wieder 500 Betten, 150 davon auf der chirurgischen Abteilung, und die sind bereits wieder übervoll. Manchmal liegen operierte Kinder zu zweit auf einem Schragen oder Neugeborene in einem Tuch am Boden. Halb weggeschossene Köpfe starren einem aus Steigers Computer entgegen, abgerissene Beine, verkohlte Gesichter, Jungen mit einem tief in der Stirn steckenden Messer, grausige Fleischwunden von Minen oder Spinnengift – Spitalalltag in Kandahar. Text: Martin Beglinger, Fotos: Yann Gross © 2009 DAS MAGAZIN Die Sehnsucht nach der schönen Hülle K13 Illustration: Brigita Garcia Lopez Interview: Daniela Schwegler, Delf Bucher Interviewauszug aus einem Gespräch mit Enrique Steiger, Schönheitschirurg «Der Mensch hat Freude am Tanz, an Kunst und an schönen Körpern. Die Schönheit gehört zum Leben genauso wie die Luft zum Atmen.» Und da helfen die Schönheitschirurgen nach? Das Bedürfnis nach Schönheitsoperationen ist heute grösser geworden. Das hat verschiedene Gründe. Wir altern langsamer dank der medizinischen und zivilisatorischen Errungenschaften. Im Mittelalter wäre ich mit fünfzig bereits ein alter Mann und am Lebensende gewesen. Aber heute werden wir achtzig. Nur die äussere Hülle hält nicht mit, so dass wir nachhelfen müssen. Und jetzt kommen Sie und versprechen einem sechzigjährigen Menschen, dass er aussehen kann wie ein Dreissigjähriger? Ich verwandle nicht eine Sechzigjährige zu einer Dreissigjährigen. Das würde lächerlich wirken. Ich korrigiere nur sanft. Nur weil man es könnte, muss man nicht alles machen. Meine Sechzigjährigen hier in der Schweiz wollen lediglich aussehen wie mit fünfzig. Meine amerikanischen Patientinnen und Patienten dagegen wollen oft mehr. Da bin dann ich der, der bremst. Denn ich muss ganz hinter meinem Werk stehen. Ich bin ja der Maler, der das Bild malt. Und das muss ich verantworten können. Kommen Kundinnen zu Ihnen, die sagen: Machen Sie aus mir eine Angelina Jolie? Wenn jemand aussehen will wie Angelina Jolie und nicht Angelina Jolie ist, dann hat diese Person ein Problem, und zwar ein heftiges. Solche Menschen muss ich enttäuschen. Solche Operationen lehne ich ab und schicke die Kundinnen, die das wollen, zum Psychiater. Sie verpassen auch keinem Mafioso, der um sein Leben fürchtet, eine neue Identität? Nein, diese Figur existiert nur in der Fantasie der Leute. 99 Prozent der Patientinnen und Patienten kommen mit klaren Vorstellungen zu mir. Sie wollen ihre zu grosse Nase verkleinert haben, die Augenlider korrigiert oder Fettpolster am Bauch loswerden. Steigt der gesellschaftliche Druck, sich chirurgisch verschönern zu lassen? Ich fürchte, der Druck wird zunehmen. Übrigens auch bei den Männern. Allerdings existierte der Druck, dem Schönheitsideal einer Gesellschaft zu genügen, schon immer. Keiner will ein hässliches Entlein sein. Was aber steckt hinter dem gesellschaftlichen Drang, sich zu verjüngen? Ich vermute, dass sich dahinter die tief sitzende Angst vor dem Tod verbirgt. Und wir Schönheitschirurgen sind die, die das ein bisschen verwedeln.