Automotive Entwicklungsdienstleistung

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Automotive Entwicklungsdienstleistung
48 Materialien zur Automobilindustrie
Automotive
Entwicklungsdienstleistung
Zukunftsstandort Deutschland
Eine Studie des Verbands der Automobilindustrie e. V. (VDA)
in Zusammenarbeit mit Berylls Strategy Advisors GmbH
Herausgeber:
Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA)
Behrenstraße 35
10117 Berlin
Tel.: 030-897842-0
Internet: www.vda.de
Leitung der Studie:
Christian Kleinhans
Berylls Strategy Advisors GmbH
München
IMPRESSUM
Studienautoren: Christian Kleinhans, Tobias Neidl,
Andreas Radics (Berylls Strategy Advisors)
Gestaltung und Gesamtherstellung:
Grützmacher GmbH
Agentur für Digital- und Printmedien
Rudolfstraße 13 –17
60327 Frankfurt
Titelbild:
IStock „sketch supercar“ © pagadesign
März 2015
48 Materialien zur Automobilindustrie
Automotive
Entwicklungsdienstleistung
Zukunftsstandort Deutschland
Eine Studie des Verbands der Automobilindustrie e. V. (VDA)
in Zusammenarbeit mit Berylls Strategy Advisors GmbH
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
7
1.Zusammenfassung
8
2.Deutsche Automobilindustrie – Erfolgsfaktor
Innovation und Engineering „Made in Germany“
10
3.Automotive Entwicklungsdienstleister (EDL) –
Die „Hidden Champions“ in der
Entwicklungs-Wertschöpfungskette 12
3.1
Die Automotive Entwicklungs-Wertschöpfungskette
12
3.2
Entwicklungsdienstleister (EDL) – Beitrag zur FuE-Wettbewerbsfähigkeit
14
3.3
EDL Anbieterlandschaft – Die Hidden Champions in FuE
16
4.Automotive EDL –
Die Markt- und Kundenperspektive 18
4.1
Markt für Automotive EDL – Ein Wachstums- und Zukunftsmarkt
18
4.2
Entwicklungsdienstleistung – Zukünftige Kundenanforderungen
21
5.Automotive EDL –
Etablierte Zusammenarbeitsmodelle
23
5.1
Zusammenarbeitsmodelle – Die arbeitsrechtliche Perspektive
5.2Zusammenarbeitsmodelle für Entwicklungsdienstleistung –
Von Arbeitnehmerüberlassung bis Werkvertrag
6.Diskussion ANÜ/Werkverträge –
Die Perspektive des Entwicklungsstandorts
Deutschland: Chancen & Risiken
23
24
28
6.1
Die gesetzgebende Perspektive – Das Reformvorhaben der Großen Koalition im Arbeitsrecht
28
6.2
Die operative Perspektive – Zusammenarbeit auf dem Prüfstand
29
6.3
Die strategische Perspektive – Nachfrage- und Angebotsverschiebung
31
6.4
Konsequenzen für den Automotive Entwicklungsstandort Deutschland – Chancen & Risiken
32
5
7.Empfehlungen – Zukünftige Erfolgsfaktoren
und notwendige arbeitsmarkt-politische
­Rahmenbedingungen
34
7.1
Ableitung I: Zukünftige Erfolgsfaktoren für EDL
34
7.2
Ableitung II: Notwendige arbeitsmarkt-politische Rahmenbedingungen
35
Danksagung und Autoren
38
VDA Schriftenreihe
„Materialien zur Automobilindustrie“
39
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: FuE-Aufwand der deutschen Automobilhersteller im
internationalen Wettbewerbervergleich
11
Abbildung 2: Die automobile FuE-Wertschöpfungskette entlang des Fahrzeug-Lebenszyklus
12
Abbildung 3: Die automobile FuE-Wertschöpfungskette – Wesentliche Entwicklungsaktivitäten
13
Abbildung 4: FuE-Wertschöpfung der Automobilindustrie – Wertschöpfungsanteile
15
Abbildung 5: Markt für Entwicklungsdienstleistung – Marktentwicklung und Marktabgrenzung
18
Abbildung 6: Markt für Automotive Entwicklungsdienstleistung – Markttreiber
19
Abbildung 7: Marktentwicklung Automotive Entwicklungsdienstleistung – nach Gewerken
20
Abbildung 8: Marktentwicklung Automotive Entwicklungsdienstleistung – nach Regionen
21
Abbildung 9: Kurzbeschreibung der Zusammenarbeitsmodelle für Entwicklungsdienstleistung
23
Abbildung 10: Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag aus Kunden- und aus EDL-Sicht – Vorteile
25
Abbildung 11: Anteile der Zusammenarbeitsmodelle an der EDL-Beschäftigung
27
Abbildung 12: Wesentliche Leitplanken des Koalitionsvertrags CDU/CSU/SPD
zum Fremdpersonaleinsatz
28
Abbildung 13: Strategische Maßnahmenbündel – Strukturelle Optimierung der Entwicklungsvergaben
31
Tabelle 1: Top 25 Übersicht der EDL (Ranking nach Umsatz Automotive Engineering 2013)
16
Tabelle 2: Merkmale zur rechtssicheren Gestaltung von Werkverträgen
30
6
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7
Vorwort
Klaus Bräunig
Christian Kleinhans
Die deutsche Automobilindustrie leistet einen wichtigen Beitrag für Wohlstand und
­Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes. Der VDA eint die Kräfte der Automobilindustrie und
verleiht ihr eine starke Stimme, um Mobilitätsanforderungen von morgen gemeinsam zu
meistern. Dabei vertritt der VDA Automobilhersteller und -zulieferer aller Größenklassen,
unter diesen auch die Entwicklungsdienstleister (EDL), vielfach mittelständisch geprägte
Unternehmen. Diese engagieren sich im Auftrag ihrer Kunden, Hersteller und Zulieferer
bei der Entwicklung neuer Produkte. Mit rund 50.000 Ingenieuren und Technikern leisten
die EDL einen wesentlichen Innovationsbeitrag für die Automobilindustrie. Kaum ein
­anderes Automobilland weist eine solch breit aufgestellte und wettbewerbsfähige Struktur
von EDL-Anbietern auf.
Noch ist das Industriesegment der EDL in der breiten Öffentlichkeit nicht sehr bekannt.
Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Auftraggebern bedingt, dass EDL
ihre Entwicklungsbeiträge zu neuen Fahrzeugen oder Antrieben meist nicht veröffentlichen.
Die vorliegende Studie, erstellt durch Berylls Strategy Advisors, einer auf die Automobilindustrie spezialisierten Top-Managementberatung, verschafft hier einen umfassenden
Markteinblick. Die Studie skizziert zudem Wertschöpfungsstrukturen in Forschung und
­Entwicklung (FuE) der deutschen Automobilindustrie mit besonderem Schwerpunkt
auf Entwicklungsdienstleistung. Deutlich wird dabei, dass die Zusammenarbeit zwischen
Herstellern, Zulieferern und Entwicklungsdienstleistern über Jahre gewachsen ist und
sich heute als sehr effizient darstellt.
Die aktuelle und kontroverse öffentliche Debatte über Leiharbeit und Werkverträge zieht
jedoch erprobte Vergabe- und Zusammenarbeitsmodelle in der Automobilentwicklung in
Zweifel. Hinzu kommt, dass das Reformvorhaben der Bundesregierung im Arbeitsrecht die
tägliche Zusammenarbeit der Entwicklungsabteilungen erheblich behindern, Innovationsprozesse bremsen und verteuern sowie Risiken erhöhen würde. Niemand kann jedoch ein
Interesse daran haben, den Entwicklungsstandort Deutschland auch aus strategischer Sicht
zunehmend in Frage zu stellen. Das wäre mit Beschäftigungsrisiken verbunden, die schon
heute sichtbar werden. Dieses bestätigen auch hochrangige Führungskräfte von Automobilherstellern und -zulieferern, die im Rahmen dieser Studie Ende 2014 befragt wurden.
Passende arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen bleiben notwendige Bedingung für den
Zukunftsstandort Deutschland. Eine mögliche Überregulierung schafft keine neuen Arbeitsplätze. Sie wäre vielmehr auch hier kontraproduktiv. Die vorliegende Studie will daher einen
Beitrag zur Versachlichung der Debatte leisten und die arbeitsteilige Automobilentwicklung
mit ihrer hohen Bedeutung für Innovation und Beschäftigung in Deutschland für ein breites
Publikum erläutern.
Klaus Bräunig
Verband der Automobilindustrie
Christian Kleinhans
Berylls Strategy Advisors
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1.Zusammenfassung
Seit Jahren ist die deutsche Automobilindustrie die wichtigste
Industriebranche in Deutschland: 13 Prozent des bundesdeutschen Brutto-Inlandsprodukt (BIP) entfallen in 2013 auf
die Automobilindustrie. Erfolgsfaktor Nr. 1 der deutschen
Automobilindustrie ist deren ungebrochene Innovationskraft –
die deutsche Automobilindustrie investiert mit Euro 29,6 Mrd.
(2013) durchschnittlich etwa 6 Prozent vom Umsatz in Forschung und Entwicklung (FuE)1. Die Fokussierung der Automobilhersteller auf ihre eigenen Kernkompetenzen in der
Wertschöpfungskette führte nicht nur in der Produktion zur
Verlagerung von Produktionswertschöpfung zu Automobilzulieferern. Der Strukturwandel betraf auch die Automobilentwicklung: in den letzten 15 Jahren haben sich die Entwicklungsdienstleister (EDL) besonders dynamisch entwickelt.
Durch diese Arbeitsteilung in FuE und deren fortwährende
Optimierung ließen sich signifikante Innovationspotenziale
und Effizienzsteigerungen schaffen. So entfallen heute etwa
Euro 8,8 Mrd. beziehungsweise knapp 7 Prozent der weltweiten
FuE-Wertschöpfung auf EDL; allein in Deutschland beläuft
sich der EDL-Markt für Automotive Engineering auf etwa
Euro 3,5 Mrd. (2014).
Die EDL besitzen auch mit Blick auf „Engineering Made in
Germany“ und den zukünftigen Ingenieursnachwuchs eine
hohe Attraktivität. Automotive Entwicklungsdienstleistung ist
ein vergleichsweise starker Wachstumsmarkt: Wächst der
weltweite EDL-Markt für Automotive Engineering um durchschnittlich 5,8 Prozent p.a. auf etwa Euro 12,3 Mrd. im Jahr
2020, so nimmt auch der EDL-Markt in Deutschland um
nahezu 30 Prozent zu. Gerade die deutsche Automobilindustrie
kann hier auf eine auch im Vergleich zu anderen Automobilnationen führende Anbieterlandschaft und ein praxisbewährtes,
effizientes Zusammenarbeitsgeflecht mit Entwicklungsdienstleistern zurückgreifen.
Entwicklungsdienstleistungen werden in Deutschland in
Form von Werkverträgen, Dienstverträgen oder Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) erbracht. Einige der EDL fokussieren
sich auf die Gestellung von Entwicklungspersonal in Form von
ANÜ, das dann vor-Ort in direkter Weisung durch den auftraggebenden Automobilhersteller oder -zulieferer arbeitet. EDL
übernehmen auch größere Entwicklungspakete in Form von
Projekten als Werkvertrag und erbringen so eigenständig und
eigenverantwortlich Entwicklungsergebnisse. Der Großteil der
fest angestellten EDL-Beschäftigten in Deutschland arbeitet
bereits heute in Werkverträgen: etwa 36.500 Beschäftigte
beziehungsweise knapp drei Viertel der in Summe in Deutschland etwas mehr als 50.000 EDL-Beschäftigten im Automotive
Engineering. Mit etwa 12.500 ANÜ Beschäftigungsverhältnissen
sind diese jedoch ebenfalls von Bedeutung, gerade wenn es
um arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen geht.
1 DA
Pressedienst, 21. 12. 2014 (Stifterverband der Deutschen Wissenschaft):
Deutsche Automobilindustrie bei Forschung und Entwicklung vorn
Die Große Koalition hat ein Reformvorhaben im Arbeitsrecht
angekündigt: Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und
SPD (2013) sieht vor, dass Missbrauch von Werkverträgen
verhindert und ANÜ weiterentwickelt werden sollen. Hinzu
kommt die gegenwärtige öffentliche Diskussion um vermeintliches „Lohn-Dumping“, und vereinzelte Missbrauchsfälle
bei ANÜ und Werkverträgen werden medial verallgemeinert.
An der Arbeitsrealität der Automobilentwicklung und der gut
bezahlten Entwickler geht das vorbei, ganz im Gegenteil: Die
im Koalitionsvertrag manifestierten Eckpunkte an Änderungen
hinsichtlich Rechtskonformität von Werkverträgen erschweren
die Zusammenarbeit und bergen deutliche Effizienz- und
Effektivitätsrisiken für alle Beteiligten. Zudem verliert Arbeitnehmerüberlassung immer mehr an Effektivität und Attraktivität: eine avisierte Verkürzung der Überlassungshöchstdauer
lässt dieses Zusammenarbeitsmodell zu einem Auslaufmodell
werden, da nicht passend für automobile Entwicklungszyklen
und -zeiten von bis zu vier Jahren. Solche Änderungen im
Arbeitsrecht implizieren für die deutsche Automobilindustrie
Zusatzkosten, die kein Automobilkäufer bezahlt und die die
Wettbewerbsfähigkeit des Entwicklungsstandorts Deutschland
ohne Not gefährden.
Schon jetzt wird bei Automobilherstellern und -zulieferern
vermehrt die Frage gestellt, wie die Zusammenarbeit mit EDL
am Entwicklungsstandort Deutschland noch zukunftsfähig
bleiben kann. Potenziell unattraktive arbeitsrechtliche Regelungen zur Fremdvergabe und Zusammenarbeit mit Externen
führen bereits zu einer reduzierten Nachfrage; bisher extern
vergebene Entwicklungsaufgaben entfallen in Deutschland
oder werden international allokiert. Das schwächt die FuEWertschöpfungsstrukturen in Deutschland – ein Anpassungsprozess, der spätestens seit Beginn des Jahres 2014 läuft.
Geschätzt sind bis 2017 etwa 5.500 ANÜ Beschäftigungsverhältnisse bei Automotive Entwicklungsdienstleistern von
Personalabbau betroffen2; ANÜ wird so mehr oder weniger
obsolet. Sollten auch Abgrenzungskriterien für Werkverträge
arbeitsrechtlich manifestiert und Mitbestimmungsrechte
erweitert werden, so wird der negative Effekt in einer Größenordnung von in Summe etwa Euro 650 Mio. oder 8.000
EDL-Beschäftigte prognostiziert: Automotive EDL-Beschäftigte,
die heute an innovativen und hochbezahlten Entwicklungen
arbeiten – und deren Leistung dann zukünftig nicht mal mehr
im europäischen Ausland erbracht wird.
Demnach hat das Reformvorhaben der Großen Koalition einen
maßgeblichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der ­
Automobilindustrie am Entwicklungsstandort Deutschland.
Das über Jahrzehnte gewachsene Zusammenspiel von
Automobilherstellern und -zulieferern mit Entwicklungsdienstleistern ist einzigartig im internationalen FuE-Wettbewerb.
2 Basis der Prognosen/Schätzungen: Ende 2014 durchgeführte Expertengespräche
im Markt (Auftraggeber, Auftragnehmer), Automotive und EDL Industrieexpertise
Berylls Strategy Advisors
9
Diese Zusammenarbeit ist wesentlicher Erfolgsgarant für
eine auch zukünftig nachhaltig wettbewerbsfähige, weil
­innovative deutsche Automobilindustrie. Eine arbeitsteilige
Automobilentwicklung schafft bei den Auftraggebern gerade
die Möglichkeit, unternehmensintern die hochwertigsten und
wettbewerbsdifferenzierenden Entwicklungsaufgaben zu
übernehmen, d. h. auch die Zukunftsthemen personell mit
Stammpersonal aufzubauen. Über ergänzende Entwicklungsdienstleistung lassen sich diese Themen zudem schneller und
zielgerichteter adressieren. Diese Form der personellen
Flexibilität im Zusammenspiel mit EDL trägt wesentlich zur
Attraktivität der Automobilindustrie für den Ingenieurs- und
Fachkräftenachwuchs bei und ist zwingend aufrechtzuerhalten.
Der Gesetzgeber sollte den Automobilunternehmen individuelle, für die Automobilentwicklung passende Betriebsvereinbarungen ermöglichen. Mit dem heutigen deutschen Betriebsverfassungsgesetz hat der Gesetzgeber eine ausgewogene
Balance zwischen Mitbestimmungsrechten auf der einen und
der Unternehmerfreiheit auf der anderen Seite geschaffen.
Dieses Betriebsverfassungsgesetz ist im internationalen
Wettbewerb der Automobilnationen ein klarer Wettbewerbsvorteil, den ein neues, einschränkendes Arbeitsrecht nicht
aushebeln sollte. Die unternehmerische Gestaltungsfreiheit hat
hier unangetastet zu bleiben, gerade für hoch qualifizierte und
hoch entlohnte Entwicklungstätigkeiten in der deutschen
Automobilindustrie.
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2.Deutsche Automobilindustrie – Erfolgsfaktor
­Innovation und Engineering „Made in Germany“
Individuelle Mobilität stützt sich in der industrialisierten Welt
vor allem auf Automobile: weltweit fahren etwa 1 Milliarde
Personenkraftwagen (PKW) und Transporter auf den Straßen,
und in den traditionellen Märkten kommen auf 1.000 Einwohner
bereits zwischen 600 und 800 PKW. Automobile haben sich in
den letzten 125 Jahren nicht nur zu einem bedeutenden
Wirtschaftsfaktor entwickelt, sondern haben auch die wirtschaftliche Prosperität mobiler Gesellschaften maßgeblich
ermöglicht. Mobilität und Wohlstand sind eng miteinander
verknüpft. Immer noch bleiben Automobile heute vielfach
Ausdruck der Persönlichkeit der Kunden und sind Statussymbol. Die Individualisierung des Produkts Automobil schreitet
immer weiter voran.
Die deutsche Automobilindustrie nimmt seit vielen Jahren eine
führende Rolle im weltweiten Wettbewerb der Automobil- und
Industrienationen ein. Mit 14,7 Millionen produzierten PKW in
2014 liegt die deutsche Automobilindustrie im weltweiten
Maßstab nach der japanischen Automobilindustrie auf Rang 2,
gefolgt von der nordamerikanischen Automobilindustrie3.
Unter den größten Fahrzeugproduzenten findet sich für das
Jahr 2014 mit 10,14 Mio. produzierten Fahrzeugen der Volks­
wagen Konzern auf Rang 2, nur knapp hinter Toyota (10,23 Mio.
Fahrzeuge) und vor General Motors (9,92 Mio. Fahrzeuge). Und
das Segment der Premiumfahrzeuge wird dominiert durch die
deutschen Premiummarken Audi, BMW, Mercedes-Benz und
Porsche – auf diese entfallen etwa zwei Drittel des weltweiten
Premiummarktes.
Neben den deutschen Automobilherstellern sind es die
deutschen Automobilzulieferer, die sowohl zu den größten
als auch zu den erfolgreichsten der Welt zählen, die mittelständischen Familienunternehmen unter ihnen eingeschlossen:
so nehmen die Zuliefererkonzerne Continental AG, Robert
Bosch GmbH und ZF Friedrichshafen AG im internationalen
Vergleich der umsatzstärksten Automobilzulieferer die Ränge 1
(Continental AG – 2013: Euro 33,3 Mrd.), 2 (Robert Bosch
GmbH – 2013: Euro 30,7 Mrd.) und 11 (ZF Friedrichshafen AG
– 2013: Euro 17,2 Mrd.) ein4.
Seit Jahren ist die deutsche Automobilindustrie auch die
wichtigste Industriebranche in Deutschland: Euro 2.809,5 Mrd.5
beziehungsweise 13 Prozent des bundesdeutschen BruttoInlandsprodukts (BIP) entfallen in 2013 auf die Automobilindustrie6, zu der neben den Fahrzeugherstellern – ob Personenkraftwagen (PKW) oder Nutzfahrzeuge (NFZ) – auch die
Hersteller von Anhängern, Aufbauten und Zubehör sowie
Zulieferer und Entwicklungsdienstleister gehören. Die deutsche
Automobilindustrie zählt zudem zu den großen Wachstums-
branchen: allein seit dem Jahr 2003 hat sich das BIP der
deutschen Automobilindustrie nahezu verdoppelt, ein Wachstum um durchschnittlich 6 Prozent pro Jahr bis 20137. Damit
war und ist die deutsche Automobilindustrie auch bedeutender
Arbeitgeber und Motor für steigende Beschäftigung. Allein in
Deutschland beschäftigt die deutsche Automobilindustrie über
760.000 Mitarbeiter8.
Erfolgsfaktor Nr. 1 der deutschen Automobilindustrie ist deren
ungebrochene Innovationskraft: Nicht nur mit Erfindung des
Automobils im Jahre 1886 durch Carl Benz ist Deutschland
führender Innovator, sondern die deutsche Automobilindustrie
investiert mit Euro 29,6 Mrd. (2013) auch durchschnittlich etwa
6 Prozent vom Umsatz in Forschung und Entwicklung (FuE).
Damit entfallen rund ein Drittel der gesamten Forschungs- und
Entwicklungsaufwendungen der deutschen Industrie auf die
Automobilindustrie9. Die deutschen Automobilhersteller und
-zulieferer geben im internationalen Wettbewerbervergleich
nicht nur mehr Geld für FuE aus (Abbildung 1): sie investieren
pro produziertem Fahrzeug auch signifikant mehr in FuE, allen
voran die deutschen Premium-Automobilhersteller.
Dabei hat die deutsche Automobilindustrie ihre Innovationsanstrengungen in den letzten Jahren weiter erhöht: allein
die drei großen deutschen Automobilkonzerne BMW AG,
Daimler AG und Volkswagen AG haben seit dem Jahr 2003 ihre
FuE-Aufwendungen von in Summe Euro 12,1 Mrd. (2003) auf
Euro 21,9 Mrd. (2013) gesteigert. So arbeiteten im Jahr 2013
etwa 93.000 Mitarbeiter in den Forschungs- und Entwicklungsbereichen allein der deutschen Automobilhersteller und
-zulieferer – jeder vierte FuE-Mitarbeiter der deutschen
Wirtschaft10.
Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass eine Vielzahl der
bahnbrechenden Innovationen der letzten fünfzig Jahre auf
das Konto der deutschen Automobilindustrie gehen, vielfach
„Hand in Hand“ der deutschen Automobilhersteller mit
deutschen Automobilzulieferern.
•Bereits 1951 patentierte Daimler-Benz die Fahrgastsicherheitszelle, die auch heute noch die Basis für überlegenen Insassenschutz im Rahmen der passiven Fahrzeugsicherheit ist. Sicherheitssysteme wie der automatische
Gurt, Gurtstraffer, Airbag, Antiblockiersystem (ABS) oder
Fahrstabilitätssystem (ESP – Electronic Stability Program)
sind Innovationen „Made in Germany“ – von Automobilherstellern wie auch -zulieferern.
7 VDA Jahresberichte
3OICA
4 Berylls Top100 Supplier Studie, 2014
5 Statistisches Bundesamt
6 VDA Jahresbericht
8 VDA Jahresbericht
9VDA Pressedienst, 21.12.2014 (Stifterverband der Deutschen Wissenschaft):
Deutsche Automobilindustrie bei Forschung und Entwicklung vorn
10VDA Pressedienst, 21.12.2014 (Stifterverband der Deutschen Wissenschaft):
Deutsche Automobilindustrie bei Forschung und Entwicklung vorn
11
Abb. 1 – FuE-Aufwand der deutschen Automobilhersteller im internationalen Wettbewerbervergleich
FuE-Aufwand 2013 der Top 10 OEM
FuE- 8
Aufwand
Total
(Mrd. €)
2.200 FuE-
2.055
7,5
Aufwand je
2.000 Fahrzeug
6,7
1.711
1.800
6
4,9
4
764
1.600
1.414
1.400
4,8
4,3
1.099
797
4,1
produziert (€)
1.200
4,1
1.000
1.019
2,8
2,7
800
2,0
2
503
448
600
400
200
0
0
PKW
Quelle: Geschäftsberichte, Berylls Strategy Advisors
•Elektronische Motorsteuerung, Diesel-Aufladung mit
Direkteinspritzung (TDI – Turbo Diesel Injection), geregelter
Abgaskatalysator (G-KAT), Harnstoffeinspritzung, mehrstufige Wandlerautomaten oder Doppelkupplungsgetriebe
– allesamt entwickelt in Deutschland – senken signifikant
den Kraftstoffverbrauch, reduzieren den CO2-Ausstoß und
verringern schädliche Abgase.
•Mit Aluminium-Leichtbau war Audi (ASF – Audi Space
Frame) bereits 1994 Vorreiter für leichte Karosserien,
und BMW hat mit dem BMW i3 erstmalig 2013 eine
CFK-Karosserie (CFK – Carbonfaserverstärkter Kunststoff)
in Serienfertigung realisiert. So tragen Materialinnovationen
in Verbindung mit neuen Formgebungs-, Füge- und
Verbindungstechniken zu niedrigerem Kraftstoffverbrauch
bei gleichzeitig erhöhter Fahrzeugsicherheit und Fahrdynamik bei.
•Das „vernetzte Fahrzeug“ kommt aus Deutschland, und bei
modernen aktiven Fahrerassistenz-Systemen wie adaptivem
Abstandsradar, (teil-)automatisiertem Fahren bis hin zum
Auto-Pilot sind deutsche Automobilhersteller und -zulieferer führend. Und neue moderne Mobilitätskonzepte wie
Car2Go (Daimler AG) oder DriveNow (BMW Group)
schaffen gänzlich neue Möglichkeiten des ortsungebundenen Car Sharing, verknüpft durch innovative IT-Lösungen.
Neben diesen Innovationen in der Funktionalität von Automobilen – den sogenannten Funktionsinnovationen – ist gerade
die deutsche Automobilindustrie seit Jahren Vorreiter in der
Individualisierung ihrer Produkte: neue Fahrzeugmodelle, die
weitere Ausdifferenzierung der Produktportfolien beziehungs-
weise immer breiter gefächerte Produktprogramme in Verbindung mit umfangreichsten Ausstattungsangeboten sind
Ergebnis der kontinuierlich ausgebauten Entwicklungsaktivitäten. Diese Innovationen sind für den Kunden „erlebbar“,
„erfahrbar“; hinzu kommen Innovationen zur fortwährenden
Senkung der Produktkosten und einer effizienten Wertschöpfungskette: die Kostensenkung in der laufenden Serienproduktion oder von einer Fahrzeuggeneration zur Nächsten ist heute
zwingend erforderlich und seit vielen Jahren Kernkompetenz
aller an der Fahrzeugentwicklung und -produktion Beteiligter.
Diese sogenannten Kosteninnovationen – also die weitere
Optimierung der Produkte mit dem Ziel einer Senkung der
Herstellkosten – sind immanenter Bestandteil der Entwicklungsaufgabe.
Damit wird klar: die Innovationskraft der deutschen Automobilindustrie ist nicht nur entscheidender Erfolgsfaktor, sondern
Garant für eine auch zukünftig nachhaltig profitable Automobilindustrie. Innovation und „deutsche Ingenieurskunst“ waren
und sind somit entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Automobilindustrie – und damit auch äußerst
bedeutend für Beschäftigung und Wohlstand am Standort
Deutschland.
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3.Automotive Entwicklungsdienstleister (EDL) –
Die „Hidden Champions“ in der EntwicklungsWertschöpfungskette
3.1Die Automotive EntwicklungsWertschöpfungskette
Das Produkt „Automobil“ ist heute ein sehr komplexes:
Unterschiedlichste Fahrzeugfunktionen, -komponenten und
-technologien sind perfekt miteinander zu integrieren und
aufeinander abzustimmen. Kraftstoffeffizienz, Insassenkomfort,
Fahrdynamik, aktive Fahrzeugsicherheit oder Crashsicherheit
eines Automobils – all dieses sind Fahrzeugfunktionen, die
entsprechend den Markt- und Kundenanforderungen zu einem
überlegenen Ganzen zu realisieren sind. Dabei sind beispielsweise bei einem Mittelklasse-Fahrzeug etwa 7.500 Bauteile zu
integrieren, die wiederum entwickelt, gefertigt und montiert
werden müssen.
Die seit vielen Jahren zunehmenden Individualisierungsmöglichkeiten für den Kunden – nicht mehr nur bei PremiumFahrzeugen, sondern mittlerweile auch weit verbreitet im
traditionellen Volumensegment – treiben die Variantenvielfalt
der Fahrzeuge. Neue Technologien, von Material bis Car IT,
halten Einzug ins Automobil und sind Voraussetzung für ein
differenzierendes Kundenerlebnis, neue Nutzungsmöglichkeiten des Automobils, dessen hohe Umweltfreundlichkeit
sowie für nachhaltige Wirtschaftlichkeit der Automobilhersteller
und -zulieferer.
Diese Komplexität des Produkts „Automobil“ zeigt sich auch
in dessen Wertschöpfungskette, mit Blick auf Entwicklung,
Einkauf, Logistik, Fertigung und Montage. Eine Vielzahl an
Beteiligten – vom Automobilhersteller über Automobilzulieferer bis hin zu verschiedensten Dienstleistern – sind
an der Wertschöpfungskette beteiligt und prozessual zu
integrieren. Dieses beginnt nicht erst mit Aufnahme der
eigentlichen Fahrzeugproduktion (SOP – Start of Production),
sondern bereits viel früher im Rahmen der Fahrzeug- und ­
Komponentenentwicklung – und damit üblicherweise etwa
36 bis 48 Monate vor SOP (Abbildung 2).
Abb. 2 – Die automobile FuE-Wertschöpfungskette entlang des Fahrzeug-Lebenszyklus
FuE Wertschöpfungsschritte nach Monaten vor/nach SOP (idealtypisch)
-60
-48
Forschung &
Vorentwicklung
SOP
0
-36
Konzept &
Design
Serienentwicklung
Technologien
(Produkt/Prozess)
Designstudien/
-entwürfe
Konstruktion
Anwendungen
Konzepte
Berechnung &
Stimulation
Lastenhefte/
Spezifikationen
Integration &
Applikationen
Prototyping &
Testing
36
EOP
84+
Serienbetreuung
Produkt-/Prozessänderungen, u.a.
– Konstruktionsänderungen
– Software Updates/Releases
– Garantie & Kulanz
Roll-out Antriebsvarianten
Produktaufwertungen
Modellpflege/Facelift
Homologation/
Zertifizierung
Serienanlauf
SOP = Start of Production
EOP = End of Product
Quelle: Berylls Strategy Advisors
13
Die Entwicklungs-Wertschöpfungskette umfasst aber nicht nur
die Zeit der Serienentwicklung, sondern auch vorgelagerte
Phasen für Vorentwicklung von neuen Produkt- und Produktionstechnologien, deren möglichen Anwendungen oder von
neuen Fahrzeugarchitekturen und -konzepten. Zudem endet
die Entwickleraufgabe nicht mit Produktionsstart beziehungsweise dem SOP des Fahrzeugs: Produktanläufe sind zu
begleiten, und während der Serienproduktion entstehen
fortlaufend Produktänderungen, um das Produkt funktional,
qualitativ oder auch kostenseitig weiter zu verbessern. Hinzu
kommen immer umfangreichere Modellpflegen oder Produktaufwertungen, die nach drei bis vier Jahren Produktionszeit
eine anhaltende Produktattraktivität sicherstellen sollen. Auf
diese sogenannte Serienbetreuung während der typischerweise
sieben bis acht Jahre Produktionslaufzeit können so bis zu
20 Prozent der gesamten Entwicklungsaufwendungen eines
Automobils entfallen.
Entlang der Automotive FuE-Wertschöpfungskette entstehen
vielfältige Entwicklungsaufgaben, die ein äußerst breites
Spektrum an Wissen, Kompetenzen und praktischem Know-how
erfordern (Abbildung 3).
Vorentwicklung
In der Vorentwicklung werden neue Produkt- und Prozesstechnologien entwickelt, unabhängig von einem konkreten
Serieneinsatz in einem definierten Fahrzeug. Hier werden neue
Technologiekonzepte mit dem Ziel ihrer Anwendbarkeit für das
Automobil entwickelt, auch in Form von alternativen Konzeptstudien. Die vorentwickelten Technologiekonzepte werden
zudem grundsätzlich auf ihre Eignung für einen späteren
Serieneinsatz hin validiert und bewertet.
Konzeptentwicklung und Systemspezifikation
In einer frühen Phase – als Startpunkt für eine konkrete
Fahrzeugentwicklung – wird das Produktkonzept erstellt: dieses
beinhaltet eine Beschreibung der wesentlichen Anforderungen
und Eigenschaften des zu entwickelnden Automobils, inklusive
der Zielmärkte und -kunden sowie geplanter Stückzahlen, Erlöse
und Aufwendungen. In einem Lastenheft wird das Produkt hinsichtlich aller relevanten Fahrzeugfunktionen und technischer
Systeme näher spezifiziert, um daraus konkrete Anforderungen
für die Entwicklung aller Subsysteme abzuleiten.
Design (Exterieur, Interieur)
Parallel dazu wird bereits mit Designstudien und -entwürfen
begonnen, um das Exterieur wie auch das Interieur des
Automobils zu entwerfen. Proportionen, wesentliche
Außen-abmessungen und Innenmaße bis hin zu allen Detaillösungen sind in einem integralen Prozess mit verschiedenen
Fachbereichen abzustimmen. So werden Exterieur- und
Interieur-Design mit den funktionalen Anforderungen wie
beispielweise Aerodynamik, Raumgefühl, Bedienkomfort
etc. abgeglichen.
Abb 3: Die automobile FuE-Wertschöpfungskette – Wesentliche Entwicklungsaktivitäten
SOP
Vorentwicklung
Konzeptentwicklung &
Systemspezifikation
Design
( Exterior, Interior)
Komponentenkonstruktion
und -absicherung
Systemintegration und
-applikation
Simulation und Testing
Produktionsabsicherung und -begleitung
Unterstützende Entwicklungsfunktionen
Quelle: Berylls Strategy Advisors
14
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Komponentenkonstruktion und -absicherung
Alle Subsysteme sind auf Komponentenebene zu entwickeln,
d. h. zu konstruieren und über Berechnung, Simulation und
Tests abzusichern. Dieses geht unter anderem einher mit einer
entsprechenden Dokumentation in Form von Konstruktionsund Testdaten.
Systemintegration und -applikation
Komponenten und Subsysteme sind zu einem System „Fahrzeug“ zu integrieren, geometrisch wie auch funktional. Der
geometrischen Systemintegration dient unter anderem das
sogenannte „Packaging“, beispielsweise in Form des „Digital
Mock-up“. Die funktionale Systemintegration und -applikation
zielt auf eine anforderungsgerechte Realisierung definierter
Fahrzeugfunktionen, beispielsweise Fahrkomfort, Fahrdynamik,
NVH (NVH – Noise Vibration Harshness). Diese Systemapplikation findet mit Hilfe computergestützter Werkzeuge statt,
oder mit Prototypen auf Prüfstand oder Straße.
der Werkstätten wie auch der Erprobungsbereiche. Das
Projektmanagement übernimmt Projektleitung und -steuerung
der Entwicklungsprojekte, auch über die Funktionsbereichsund Unternehmensgrenzen hinweg.
Die deutsche Automobilindustrie kann dabei auf einen
Wissens- und Erfahrungsschatz aus mehr als 100 Jahren
Automobilentwicklung und -bau zurückgreifen. Gleichwohl
erfordern neue Technologien und das fortwährende Streben
nach Innovation eine kontinuierliche Weiter- und Höherqualifizierung der Mitarbeiter, sei es in Konstruktionsbereichen,
in Berechnungsabteilungen, im Versuch bis hin zu Entwicklungswerkstätten. Schnell wird klar, dass hier „Spezialisten
am Werk sind“, mit höchstem Anspruch an Entwicklungskompetenz und -ergebnis. So entstanden Anfang der 1970er
Jahre vermehrt externe Ingenieurbüros, die Automobilhersteller
und -zulieferer unterstützten, indem sie zusätzliche Entwicklungskompetenzen und -kapazitäten bereitstellten. Viele dieser
Ingenieurbüros sind dann zu größeren Entwicklungsdienstleistern gewachsen, als akzeptierte und voll integrierte
Entwicklungspartner in der Automotive FuE-Wertschöpfungskette.
Simulation und Testing
Über Simulation und Testing wird validiert, ob das Fahrzeug die
mit dem Lastenheft spezifizierten Anforderungen erfüllt. Dazu
finden umfangreiche computergestützte Berechnungen und
Simulationen statt. Zudem wird in der Elektrik und Elektronik
die Funktionsfähigkeit von Software und Hardware über
dedizierte Testaufbauten (u. a. HIL – Hardware-in-the-Loop)
verifiziert. Fahrzeug und Antrieb werden dann auf Prüfständen
wie auch auf der Straße erprobt.
Produktionsabsicherung und -begleitung
Im Sinne des sogenannten „Simultaneous Engineering“ werden
parallel und integriert mit der Produktentwicklung auch die
zugehörigen Fertigungs- und Montageprozesse entwickelt.
Im Rahmen des Produktionsanlaufs sind vielfach noch
Produktänderungen umzusetzen, die entsprechend prozessual
mit allen beteiligten Fachbereichen zu steuern sind. Nach
SOP (SOP – Start-of-Production) ist im Rahmen der Serienbetreuung die Produktion weiter zu begleiten: Konstruktionsänderungen sind notwendig, beispielsweise bei Gewährleistungs- und Kulanzfällen, und Software-Updates werden
notwendig. Nach drei bis vier Jahren findet dann üblicherweise
ein sogenanntes „Facelift“ statt, mit umfangreicheren Maßnahmen zur Produktaufwertung.
Unterstützende Entwicklungsfunktionen
Eine Reihe an unterstützenden Funktionen stellt quasi das
„Rückgrat“ der Produktentwicklung dar, hier beispielhaft
aufgeführt: Die Produktdokumentation kümmert sich unter
anderem um eine gesetzeskonforme Speicherung von Produktdaten und der zugehörigen Testdokumente mit Blick auf
Produkthaftung. Entwicklungswerkstätten bauen Teilsysteme
oder komplette Prototypen für Fahrzeuge oder Antriebe auf. Die
Teile- und Fahrzeuglogistik kümmert sich um die Versorgung
3.2Entwicklungsdienstleister
(EDL) – Beitrag zur
FuE-Wettbewerbsfähigkeit
Für die Automobilindustrie ist Entwicklungsdienstleistung zu
einer tragenden Säule der automobilen Entwicklungsaktivitäten
geworden, insbesondere bei Automobilherstellern, aber auch
bei Automobilzulieferern. Aufgrund der hohen Vielfalt an
Entwicklungsaufgaben und den dazu benötigten Entwicklungskompetenzen und -kapazitäten greift die Automobilindustrie in
hohem Maße auf EDL zurück (Abbildung 4).
Knapp ein Viertel der FuE-Wertschöpfung – in Summe der
Automobilindustrie weltweit gut Euro 132 Mrd. – erbringen die
eigenen Entwickler der Automobilhersteller. Den Löwenanteil
der FuE-Wertschöpfung leisten jedoch die Automobilzulieferer:
nahezu 70 Prozent, die vielfach über den Teilepreis umgelegt
beziehungsweise über die zugelieferten Komponenten, Module
und Systeme an die Automobilhersteller weiter verrechnet
werden. Knapp 7 Prozent der gesamten FuE-Wertschöpfung
entfällt auf EDL, die zu etwa drei Viertel für Automobilhersteller
arbeiten.
Mit Blick auf Deutschland liegt der Anteil der EDL an der
FuE-Wertschöpfung der deutschen Automobilindustrie weitaus
höher, bei rund 12 Prozent. Die EDL leisten damit einen maßgeblichen Beitrag für die effiziente Entwicklungswertschöpfung
der deutschen Automobilindustrie – und auch für die Beschäftigung am Entwicklungsstandort Deutschland. Die EDL entwickeln serienreife Komponenten, Module und Systeme bis hin
zu kompletten Fahrzeugen; dabei übernehmen sie mehr und
mehr Verantwortung und tragen auch entsprechende Entwicklungsrisiken. Neben diesem Beitrag im Rahmen der Produktentwicklung sind EDL auch in der Prozessentwicklung
tätig und entwickeln hier Produktionsprozesse oder übernehmen beispielsweise die Werkzeugkonstruktion.
15
Abb. 4 – FuE-Wertschöpfung der Automobilindustrie – Wertschöpfungsanteile
Automotive FuE Wertschöpfung: Wertfluss OEMs – Zulieferer – EDL (2014)
Mrd. , PKW-Entwicklung, Welt
Wertzufluss
(verkauft)
Wertabfluss
(bezahlt)
61,5
93,7
23,5
OEMs
0
Zulieferer
30,0
23,5
31,5
1,9
68,3
8,8
Primäre
Wertschöpfung
1,9
EDL
6,5
8,4
0
0,4
Quelle: Berylls Strategy Advisors
Zudem erbringen die EDL produkt- und prozessentwicklungsbegleitende Dienstleistungen wie beispielsweise Kostenkalkulation, technische Dokumentation, Projektmanagement
oder den Betrieb von Prüfständen. Bei Bedarf werden Prototypteile und Kleinstserien gefertigt – die eigentliche Serienproduktion obliegt dann dem Automobilhersteller selbst oder
dessen Zulieferern. Entsprechend verstehen sich viele EDL
auch als Innovationsgeber, Problemlöser und Systemintegrator.
Vielfach stehen die EDL dann auch als Bindeglied zwischen
Automobilhersteller und Automobilzulieferern, als Integrator
und Netzwerkmanager verschiedener Zulieferer im Auftrag des
Automobilherstellers.
Die Automobilhersteller und -zulieferer profitieren in vielfacher
Weise, wenn sie die Dienste der EDL nutzen und diese in ihre
automobile Entwicklungs-Wertschöpfungskette integrieren:
EDL Entwicklungs-Know-how
Die EDL verfügen in den von ihnen angebotenen Leistungsfeldern über leistungsspezifisches Know-how und die Expertise
aus einer Vielzahl an Projekten für verschiedene Auftraggeber.
Zudem sind sie teilweise auch in anderen Industrien tätig und
verschaffen der Automobilindustrie so Zugang zu branchenfremdem Wissen und Kompetenzen – gerade mit Blick auf
elektrifizierte Antriebe, Multimedia oder das Vernetzte Fahrzeug
zunehmend unverzichtbar.
EDL Entwicklungskapazität
Die EDL stellen ein Kapazitätsreservoir an Ingenieuren,
Technikern und Werkstätten dar, mit dem ihre Auftraggeber bei
Bedarfsschwankungen durch Arbeitnehmerüberlassung oder
Vergabe von Gewerken flexibel „atmen“ können. So lassen sich
Bedarfsspitzen aufgrund paralleler Entwicklungsprojekte
zeitnah abdecken. Die EDL sind hier weitaus flexibler am
Personalbeschaffungsmarkt, als dieses ihre Auftraggeber je
wären, da das Personalmanagement Kernkompetenz und
Kernprozess eines jeden EDL ist. Dieses spielt bei neuen
Produktplanungen und der dann notwendigen Entwicklungskapazitäten eine wichtige Rolle. Externe Entwicklungsstrukturen ermöglichen es den Auftraggeber zudem, bei
vorübergehenden Kapazitätsbedarfsschwankungen den
variablen Entwicklungsaufwand zu reduzieren. Ein solchermaßen reduzierter Break-even eines Automobilherstellers
oder -zulieferers lässt diesen dann auch in Krisenzeiten noch
profitabel arbeiten. Und ein EDL kann seine Entwickler bei
Nachfrageschwankungen flexibel von einem Kunden zum
nächsten bringen.
EDL Kostenvorteile
Die EDL weisen vielfach deutlich günstigere Kostenstrukturen
als ihre Auftraggeber auf. Kleinere Unternehmensgrößen,
ein geringerer Overhead, schlankere Entwicklungsprozesse
mit flexibleren Arbeitszeitmodellen, die zusätzliche Nutzung
von Engineering Ressourcen in Niedriglohnländern und eine
ausgeprägte Dienstleistungsperspektive führen zu einer
vergleichsweise günstigen EDL Kostenposition. Außerdem
übernehmen EDL vielfach Entwicklungsrisiken und senken
16
A U TO M OT I V E E N T W I C K L U N G S D I E N S T L E I S T U N G – Z U K U N F T S S TA N D O R T D E U T S C H L A N D
damit den Entwicklungsaufwand der Auftraggeber zusätzlich.
Davon profitieren Automobilhersteller und -zulieferer, die
trotz des Ergebnisziels der Entwicklungsdienstleister zu
wettbewerbsfähigen Einkaufskonditionen zukaufen können –
und so profiziert nicht zuletzt auch der Autokäufer selbst.
Automobilhersteller wie -zulieferer sind demnach darauf
angewiesen, dass EDL die notwendigen Entwicklungskapazitäten – von Personal bis Infrastruktur – in der angemessenen Qualität und Quantität zeitgerecht zur Verfügung
stellen. Dieses entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit
der EDL, aber auch ihrer Auftraggeber. Die deutsche Automobilindustrie schöpft aus der Zusammenarbeit mit den EDL
einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen
Automobilnationen: die EDL-Strukturen in Deutschland sind
einzigartig, nur hier hat sich über die letzten 15 Jahre eine
solch kompetente und kompetitive Anbieterlandschaft etabliert.
Das Kompetenz- und Leistungsspektrum sowie die Berufs­
einstiegsmöglichkeiten bei Automobilherstellern und Auto­
mobilzulieferern ergänzen sich symbiotisch mit denen der
Entwicklungsdienstleister. ­Automobilindustrie, Arbeitsmarkt
und der Entwicklungsstandort Deutschland profitieren hier
gleichermaßen.
3.3EDL Anbieterlandschaft –
Die Hidden Champions in FuE
In den letzten 15 Jahren haben sich einige EDL entwickelt, die
in Umsatzgröße, Personalstärke, Standortnetzwerk und
Selbstverständnis so manchem mittelständischen Automobilzulieferer in nichts nachstehen. Teilweise inhabergeführt,
in privater Hand oder börsennotiert: die EDL sind zu einer
veritablen Größe geworden, die auch mit Blick auf „Engineering
Made in Germany“ und den zukünftigen Ingenieursnachwuchs
in Deutschland eine hohe Attraktivität besitzen. Gleichwohl
sind die EDL in der breiteren öffentlichen Wahrnehmung wenig
präsent und meist nur Fachexperten aus FuE bekannt. Dieses
liegt an dem einzigartigen Geschäftsmodell der EDL, in dem
das geistige Eigentum an den Entwicklungsergebnissen in der
Regel an den Auftraggeber übertragen wird. Damit lässt sich
der FuE-Beitrag der EDL häufig nicht kommunizieren und muss
vertragsgemäß im Verborgenen bleiben.
Tabelle 1: Top 25 Übersicht der EDL (Ranking nach Umsatz Automotive Engineering 2013)
Rang
Unternehmen
Hauptsitz
Umsatz
Gesamt
2013
(Mio. Euro)
… davon
Automotive
Engineering
(Mio. Euro)
Mitarbeiter
Gesamt
2013
1
Bertrandt AG
782
704
11.000
2
IAV GmbH Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr
595
565
5.000
3
AVL List GmbH
1.015
457
6.200
4
EDAG GmbH & Co. KGaA
383
383
4.355
5
Brunel International N.V.
1.283
372
13.073
6
Altran/lndustrieHansa
1.633
360
21.000
7
AKKA/MBtech Group
878
360
10.785
8
FEV Group
305
265
2.800
9
Alten Group
1.216
213
16.000
10
Semcon Holding
290
189
3.000
11
Bosch Engineering GmbH
190
171
1.850
12
Rücker AG
170
170
2.160
13
MAGNA STEYR Engineering AG & Co KG (Engineering Center Austria)
150
150
900
14
APL Group
150
150
950
15
MVI Group
150
135
1.400
16
Applus IDIADA
134
134
1.690
17
Assystem Group
871
126
11.000
18
Mahle Powertrain GmbH
124
124
628
19
Italdesign Giugaro S.p.A
120
120
743
20
Continental Engineering Services GmbH
120
114
1.000
21
ESG Elektroniksystem- und Logistik GmbH
258
107
1.600
22
FERCHAU Engineering GmbH
460
100
6.000
23
Ricardo plc
242
91
350
24
RLE INTERNATIONAL Produktentwicklungsgesellschaft mbH
90
81
1.974
25
GIGATRONIK-Gruppe
82
78
1.350
Quelle: Geschäftsberichte, Bundesanzeiger, Berylls Schätzung
17
Die größten EDL erzielen ihren Umsatz nicht ausschließlich mit
Automotive Entwicklungsdienstleistungen, sondern sind auch
in anderen Branchen als Dienstleister tätig – so beispielsweise
mit Entwicklungsleistungen im Aerospace Sektor oder im
Maschinen- und Anlagenbau. Hinzu kommt bei manchen EDL
ein deutlich erweitertes Dienstleistungsspektrum, das neben
Entwicklungsleistungen auch Qualitätsmanagement, IT-Entwicklung und -Service oder Logistik bis hin zu Administration
Services (z. B. Assistenzfunktionen) umfasst. Darüber hinaus
bieten einige EDL auch Software-Tools oder maßgeschneiderte
Mess- und Prüftechnik an.
Bleiben branchenfremde Umsätze unberücksichtigt, dann
werden die Top 25 der Automotive EDL angeführt von
der börsennotierten Bertrandt AG aus Deutschland, an
der auch Porsche und der Automobilzulieferer Boysen ­
Unternehmensanteile halten (29,0 Prozent beziehungsweise
14,9 Prozent) – Tabelle 1.
In Summe belaufen sich die Automotive Engineering
Umsätze der Top 25 Automotive EDL auf geschätzt etwa
Euro 5,7 Mrd. (2013). Der Gesamtumsatz mit Automotive
Entwicklungsdienstleistung wird auf weltweit rund Euro
8,8 Mrd. geschätzt – davon entfallen etwa Euro 5,0 Mrd.
beziehungsweise 55 Prozent auf EDL mit Stammsitz Deutschland: Automotive Entwicklungsdienstleistung ist damit vor allem
ein Geschäftsmodell der deutschen Automobilindustrie. Die Top
25 Automotive EDL beschäftigen insgesamt, d. h. über alle
Geschäftssegmente – und damit nicht nur Automotive –, rund
127.000 Mitarbeiter (2013); der Umsatz pro Mitarbeiter beläuft
sich durchschnittlich auf etwa Euro 92.000. In Deutschland
beschäftigt die EDL-Branche mehr als 50.000 Mitarbeiter allein
im Automotive Engineering und trägt damit auch am Entwicklungsstandort Deutschland einen wesentlichen Teil zur
Beschäftigung in der Automobilindustrie bei. Zum Vergleich:
die drei großen deutschen Automobilkonzerne BMW Group,
Daimler AG und Volkswagen AG (inklusive Audi AG, Dr. Ing.
h.c. F. Porsche AG) beschäftigen in Deutschland rund 40.000
eigene FuE-Mitarbeiter.
Das Produkt- und Leistungsspektrum der EDL zeichnet sich
durch eine äußerst hohe Vielfalt aus und reicht von singulären
Konstruktionstätigkeiten bis hin zur Übernahme von Gesamtfahrzeugentwicklungen: EDL wie Bertrandt, EDAG, MAGNA
STEYR oder MBtech übernehmen heute nicht nur die Entwicklung von Karosserieumfängen, Exterieur- oder Interieur-Baugruppen, sondern können Fahrzeug-derivate komplett entwickeln – von einer Langversion einer bestehenden Limousine
bis hin zu einem Cabriolet. Einige der EDL sind zudem sehr
spezialisiert auf definierte Module des Fahrzeugs. Insbesondere
auf den Antrieb – sprich Motor, Getriebe, Antriebsstrang –
­haben sich manche EDL spezialisiert, beispielsweise AVL, FEV
oder IAV; diese decken das breite Spektrum von verbrennungsmotorischen Antrieben bis hin zu batterieelektrischen Antrieben ab und investieren zudem in eigene Technologieentwicklung bis hin zu Entwicklungs-Werkzeugen (u. a. Simulations ,
Mess- und Prüftechnik).
Ihren Umsatz erwirtschaften die EDL größtenteils aus der
Erbringung von Entwicklungsdienstleistungen in Form von
Werkverträgen, Dienstverträgen oder Arbeitnehmerüberlassung
(ANÜ). Diesbezüglich lassen sich auch die Geschäftsmodelle
der EDL unterscheiden: Einige der EDL fokussieren sich auf die
Gestellung von Entwicklungspersonal in Form von ANÜ, das
dann vor Ort in direkter Weisung durch den auftraggebenden
Automobilhersteller oder -zulieferer arbeitet. EDL übernehmen
aber auch größere Entwicklungspakete in Form von Projekten
bis hin zu Fahrzeugderivaten als Werkvertrag, einhergehend mit
entsprechend eigenständiger Verantwortung für das Entwicklungsergebnis. So lassen sich auch Differenzierungspotenziale
schaffen, insbesondere über Entwicklungskompetenzen und
-kapazitäten in Zukunftsthemen. Das bedeutet: das Management der Personalressourcen ist zwingend Kernkompetenz
jedes EDL.
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4.Automotive EDL –
Die Markt- und Kundenperspektive
4.1Markt für Automotive EDL –
Ein Wachstums- und Zukunftsmarkt
Bis zum Jahr 2020 wird ein Marktwachstum für Automotive
Entwicklungsdienstleistung von durchschnittlich 5,8 Prozent
p. a. auf weltweit Euro 12,3 Mrd. prognostiziert. Damit wächst
der Markt für Automotive EDL in den nächsten sechs Jahren
um etwa 40 Prozent (Abbildung 5).
In den letzten 30 Jahren hat die Automobilindustrie einen
Strukturwandel vollzogen: Die Fokussierung der Automobilhersteller auf ihre eigenen Kernkompetenzen in der Wertschöpfungskette führte zu einer zunehmenden Verlagerung von
Produktionswertschöpfung zu Automobilzulieferern; diese
tragen heute etwa 75 Prozent der automobilen Wertschöpfung.
In diesem Strukturwandel haben sich in den letzten 15 Jahren
die EDL besonders dynamisch entwickelt. Vielfach Anfang
der 1970er Jahre als kleine Ingenieurbüros an der Fahrzeugentwicklung beteiligt, ist ihr inzwischen überproportionales
Wachstum gleichsam Sinnbild für einen Strukturwandel auch
in FuE, der durch Optimierung der Arbeitsteilung weitere
Innovationspotenziale und Effizienzsteigerungen schafft.
Gleichwohl zeichnet sich der EDL-Markt auch durch eine
vergleichsweise hohe Volatilität aus, da sich Krisenzeiten – wie
die Automobilindustrie diese zuletzt in den Jahren 2003 und
2009 durchlebte – besonders stark auf den Zukauf externer
Dienstleistungen niederschlagen. Zwar hängt das Geschäft der
EDL, anders als das der klassischen Automobilzulieferer, nicht
direkt an den Produktionsstückzahlen der Automobilhersteller;
sinkende Profitabilitäten bei Auftraggebern erfordern aber
vielfach auch eine Reduzierung des FuE-Aufwands: Projektkürzungen, Projektverschiebungen oder gar Projektstreichungen sowie Nachverhandlung laufender Entwicklungsaufträge
sind dann an der Tagesordnung.
Der weltweite Markt für Automotive Entwicklungsdienstleistung
ist heute etwa Euro 8,8 Mrd. groß, Tendenz weiter steigend.
Mit einer jährlichen durchschnittlichen Wachstumsrate von
6,4 Prozent (Jahre 2000 bis 2014) hat sich der EDL-Markt in
den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt und das Wachstum
der globalen Zuliefererindustrie im Automobilbau um etwa
die Hälfte übertroffen. Zum Vergleich: die Automobilzulieferer
weltweit sind in diesem Zeitraum durchschnittlich etwa
70 Prozent beziehungsweise 4,2 Prozent p. a. gewachsen.
Der EDL-Marktentwicklung zugrunde liegt eine Reihe an
Markttreibern, die den EDL-Markt entweder positiv oder
negativ beeinflussen (Abbildung 6).
Dabei wirken zum einen sogenannte Mengentreiber, die das
am externen EDL-Markt platzierte FuE-Volumen beziehungsweise die externen Entwicklungsstunden bestimmen.
Zum anderen wirken sogenannte Preistreiber, die das Marktpreisniveau widerspiegeln, konkret die erzielbaren Preise
je Entwicklerstunde beziehungsweise die Stundensätze.
Abb. 5 – Markt für Entwicklungsdienstleistung – Marktentwicklung und Marktabgrenzung
Marktentwicklung Automotive Entwicklungsdienstleistung – Weltweiter Markt
Mrd. Euro, PKW-Entwicklung, Welt
CAGR +5,8%
12,3
Produkt- und Prozessentwicklung
… von Forschung & Vorentwicklung bis
Serienbetreuung,
8,8
… ohne
– Administration (u.a. Projektassistenz)
– Prototypteilelieferung
– Mess- und Prüftechnik für die Entwicklung
– IT-Tools und -Management
– Anlagen- und Produktionsplanung
– Auftragsfertigung (Kleinserien)
– Qualitätsmanagement (Produktion)
– Logistikmanagement (Produktion)
– Technisches Prüfwesen im Feld (u.a. TÜV)
2014
2020
Quelle: Berylls Strategy Advisors
19
Erweiterung der Entwicklungsprogramme der
­Automobilhersteller
Auch wenn in den letzten 20 Jahren eine beispiellose Erweiterung der Fahrzeug- und der Antriebsprogramme bei nahezu
allen Automobilherstellern stattgefunden hat: diese PortfolioErweiterung hält auch die nächsten Jahre an und beschleunigt
sich. Bis zum Jahr 2020 nimmt beispielsweise die Anzahl der
im Markt angebotenen Fahrzeugmodelle um fast 20 Prozent
auf dann mehr als 2.000 Fahrzeugmodelle zu. Insbesondere
Nischenmodelle und Derivate mit Produktionsstückzahlen
zwischen 25.000 und 50.000 Einheiten p. a. wachsen überproportional auf fast 500 Fahrzeugmodelle. Modulbaukästen
und hochflexible Produktionssysteme schaffen die wirtschaftliche Basis dafür.
Zudem ist das Spektrum der Antriebstechnologien heute weit
gefächert, von traditionellen Verbrennungsmotoren über
Hybride in verschiedensten Ausprägungen bis hin zu batterieelektrischen Antrieben und der Brennstoffzelle. Diese PortfolioErweiterungen schlagen sich massiv in den Entwicklungsabteilungen der Automobilhersteller und -zulieferer nieder:
zusätzliche Entwicklungskapazitäten werden benötigt, die
unternehmensintern nur begrenzt bereitgestellt werden können
und deshalb auch das EDL-Vergabevolumen ansteigen lassen.
Hinzu kommt die Innovationsdynamik, insbesondere im Antrieb
und in Elektrik und Elektronik (E/E): Die mittlerweile in Fahrt
kommende Elektrifizierung des Antriebsstrangs und die seit
vielen Jahren zunehmende Durchdringung der Fahrzeuge mit
Elektrik und Elektronik erfordern neue Entwicklungskompetenzen. Bei allen Beteiligten – Automobilherstellern, -zulieferern
und Entwicklungsdienstleistern – wächst entsprechend stark
der Bedarf für Entwicklungsleistungen rund um Software,
Vernetzung, Sensorik, E/E-Integration, etc. Zudem fokussieren
die Automobilhersteller ihre Entwicklungskapazitäten zunehmend auf innovative Fahrzeugfunktionen und -systeme, die
insbesondere über E/E getrieben werden. Dieses führt auch
zu steigenden Fremdvergabevolumina von Engineering in
eher traditionellen Leistungsfeldern wie Karosserie, Exterieur,
Interieur oder selbst bei konventionellen Antrieben.
Effizienzsteigerung in der Automobilentwicklung
Allerdings verfolgen die Automobilhersteller eine Reihe von
Maßnahmen, um den Anstieg des FuE-Aufwands zu begrenzen, d. h. pro Fahrzeug- oder Aggregateprojekt weniger
FuE-Aufwand betreiben zu müssen: Dazu dienen unter
anderem Modulbaukästen und Kooperationen, die mittlerweile
bei allen Automobilherstellern weit vorangeschritten sind und
in den nächsten Jahren konsequent im Produktportfolio
ausgerollt werden. Auch die verstärkte Berechnung und
Simulation, verbunden mit neuen IT-gestützten Entwicklungsmethoden, dient diesem Zweck, statt einer aufwendigen,
prototypengestützten System- oder Fahrzeugerprobung.
Mittlerweile haben viele Automobilhersteller und -zulieferer
auch größere Effizienzprogramme in ihren Entwicklungsabteilungen gestartet, um den bedarfsgetriebenen Anstieg der
FuE-Aufwendungen zumindest etwas zu begrenzen.
Zunehmendes Outsourcing von Entwicklungsleistung
Über die letzten Jahren haben die Automobilhersteller wie auch
die Automobilzulieferer sukzessive zusätzliche Ingenieure und
Techniker eingestellt: Allein die deutschen Automobilhersteller
haben so ihre Entwicklungsabteilungen seit dem Jahr 2000
um etwa 10.000 FuE-Beschäftigte in Summe ausgebaut. Mit
durchschnittlichen Wachstumsraten des Stammpersonals von
2 – 4 Prozent p. a. waren und sind die zusätzlichen Projektbedarfe jedoch nicht zu bewältigen. Dieses führt zwangsläufig
zu zusätzlichem Outsourcing beziehungsweise einem höheren
Vergabeanteil im Automotive Engineering, selbst vor dem
Abb. 6 – Markt für Automotive Entwicklungsdienstleistung – Markttreiber
Automotive Entwicklungsdienstleistung – Wesentliche Markttreiber
Mrd. Euro, PKW-Entwicklung, Welt
CAGR +5,8%
–1,6
4,7
8,8
Entwicklungsprogramme
Fahrzeugportfolio
Aggregateportfolio
Technologie &
Innovation
2014
Entwicklungseffizienz
Baukästen
& Standards
Berechnung
& Simulation
Prozessoptimierung
0,8
Outsourcing
Kernkompetenzen
(Entwicklung/
Produktion)
Zusammenarbeitsmodelle
12,3
–0,4
Preisdruck
Leistungsdifferenzierung
Wettbewerb
(lokal, global)
Kostenniveau
2020
Quelle: Berylls Strategy Advisors
20
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Hintergrund der hohen Effizienzanstrengungen. So sind die
EDL gerade in den letzten 15 Jahren überproportional stark
gewachsen und zu etablierten, gewichtigen FuE-Wertschöpfungspartnern geworden.
Perspektivisch kommt es bei Auftraggebern aber in einzelnen
Leistungsfeldern auch wieder zu Insourcing, um Kernkompetenzen zu sicher, vor allem in der Elektrik und Elektronik.
Insbesondere aber die aktuellen Diskussionen rund um weiterhin praktikable Zusammenarbeitsmodelle lassen vereinzelt
ein Insourcing von bisher fremdvergebenen Prozessschritten
erwarten. In Summe wird für den EDL-Markt ein leicht positiver
Mengeneffekt zunehmender Fremdvergabeanteile erwartet,
der jedoch weit hinter dem der Entwicklungsprogramme
zurückbleibt.
Preisdruck für Automotive Entwicklungsdienstleistung
Preisbildend ist zum einen die weitere Veränderung von
Entwicklungsleistungen zu einem „Massenartikel“, d. h.
bestimmte Entwicklungsleistungen sind bei vielen EDL
verfügbar und weitestgehend „Stand der Technik“. Entsprechend lassen sich auch keine weiteren Preissteigerungen am
Markt durchsetzen, ganz im Gegenteil. Zum anderen herrscht
in der EDL-Branche ein sich weiter verschärfender Wettbewerb, der vor allem in Jahren mit nur geringem oder keinem
Marktwachstum zu einem entsprechenden Preisdruck am
EDL-Markt führt. Gleichwohl ist eine sehr unterschiedliche
Preisentwicklung im Markt für Automotive Entwicklungsdienstleistung zu erwarten: diese ist abhängig von Leistungsfeldern
beziehungsweise Gewerken; auch regionale Unterschiede sind
zu erwarten, insbesondere zwischen traditionellen EDL-Märkten wie Deutschland und Wachstumsmärkten wie China.
Viele Marktteilnehmer erwarten darüber hinaus mit Blick auf
die Verdrängung der ANÜ-Beschäftigungsverhältnisse durch
Werkverträge einen erhöhten Wettbewerbs- und Preisdruck:
die Auftraggeber werden in die Lage versetzt, konsequenter als
in der Vergangenheit größere Entwicklungspakete am Markt zu
Wettbewerbskonditionen auszuschreiben und zu verhandeln.
Marktposition und die Adressierung innovativer, Differenzierungspotenzial bietender Leistungsfelder bieten den EDL
Möglichkeiten, diesem Preisdruck zu begegnen.
Die einzelnen Marktsegmente für Automotive Entwicklungsdienstleistung entwickeln sich durchaus unterschiedlich.
Dieses zeigt vor allem die Unterscheidung nach Leistungsfeldern beziehungsweise Gewerken im Engineering (Abbildung 7).
Überproportional, d. h. über dem Marktdurchschnitt von
5,8 Prozent p. a. (Jahre 2014 bis 2020) wachsen Entwicklungsdienstleistungen in der Elektrik und Elektronik (E/E) sowie im
Powertrain. Die weitere Durchdringung der Fahrzeuge mit E/E
in Verbindung mit neuen, E/E-gestützten Fahrzeugfunktionen
wie beispielsweise dem automatisierten Fahren sowie die
zunehmende Fahrzeugvernetzung erfordern hohe zusätzliche
Entwicklungsanstrengungen. Im Powertrain werden in den
nächsten Jahren neue Antriebstechnologien, insbesondere
elektrifizierte Antriebe, breit in den Antriebsprogrammen der
Automobilhersteller ausgerollt. Aufgrund der weiter wachsenden Zahl an Fahrzeugderivaten steigt zudem der Bedarf an
Entwicklungsdienstleistung für Gesamtfahrzeugintegration,
-applikation und -erprobung deutlich. In den nächsten Jahren
ist zudem eine weitere Aufwertung und Funktionserweiterung
im Interieur zu erwarten, auch durch neue Konnektivitätslösungen und automatisierte Fahrfunktionen. Dem gegenüber steht
ein vergleichsweise geringes Wachstum von fremdvergebenen
Entwicklungsleistungen in Karosserie und Exterieur, da
Abb. 7 – Marktentwicklung Automotive Entwicklungsdienstleistung – nach Gewerken
Marktentwicklung Automotive Entwicklungsdienstleistung nach Gewerken
Mrd. Euro, PKW-Entwicklung, Welt
CAGR +5,8%
CAGR
‘14-‘20
12,3
4,0
Gesamtfahrzeug 1
+5,3%
1,8
1,3
Elektrik/Elektronik
Chassis
Interieur
Karosserie/Exterieur
+8,8%
+1,5%
+4,9%
+2,6%
4,1
Powertrain
+6,7%
8,8
2,9
0,4
1,1
0,3
0,5
1,1
2,8
2014
1
0,7
2020
Gesamtfahrzeugintegration, -applikation und -erprobung sowie querschnittliche Leistungen (Projektmanagement, Werkstatt, etc.)
Quelle: Berylls Strategy Advisors
21
insbesondere die Karosserieentwicklung einem weiter
­zunehmenden Preis- und Kostendruck ausgesetzt ist.
­Begrenzte Innovationspotenziale im Fahrwerk und die starke
FuE-Rolle der Zuliefererindustrie lassen ein nur äußerst
geringes Wachstum für Chassis Entwicklungsdienstleistung
erwarten.
Mit Blick auf die verschiedenen Kernmärkte für Automotive
Entwicklungsdienstleistung zeigt sich ebenfalls ein sehr
differenziertes Bild (Abbildung 8).
Deutschland ist und bleibt weltweit der Kernmarkt für Automotive Entwicklungsdienstleistung: mit 4,4 Prozent p.a. wächst
der deutsche EDL-Markt zwar unterdurchschnittlich, legt aber
bis zum Jahr 2020 um etwa Euro 1 Mrd. auf dann Euro 4,5 Mrd.
zu. Die Wachstumsperspektiven der deutschen Automobilindustrie sind hier der Hauptmotor für weiteres Marktwachstum
auch von Entwicklungsdienstleistung. Die zunehmend wirtschaftliche Erholung der nordamerikanischen Automobilindustrie und deren zunehmender Innovationsfokus in
­Verbindung mit verstärkten Aktivitäten internationaler Automobilhersteller in Mexiko lassen auch für den NAFTA Raum ein
moderates EDL-Marktwachstum erwarten. Hauptwachstumsregion ist jedoch China: die lokale chinesische Automobilindustrie erstarkt weiter und muss sich schrittweise aber
nachhaltig dem Technologieniveau der etablierten Automobilhersteller und -zulieferer annähern und entsprechend deutlich aufholen. Zudem bauen die internationalen Automobilhersteller und -zulieferer auch ihre lokale Entwicklungspräsenz
deutlich aus, um auf dem Kern- und Zukunftsmarkt China die
„richtigen“ Produkte anbieten zu können.
Bei aller Wachstumsdynamik der EDL, auch der letzten
15 Jahre: die letzten zwei Jahre, 2013 und insbesondere 2014,
waren in Deutschland von einer hohen Unsicherheit auf
Auftraggeberseite gekennzeichnet, insbesondere bei Automobilherstellern. Die Vergabe von Entwicklungsdienstleistungen wurde durch die aufkommende, teilweise massiv geführte
öffentliche Diskussion um Leiharbeit zunehmend gestört.
Entwicklungs- wie auch Einkaufsbereiche der OEM stellten
effiziente Vergabemodelle auf den Prüfstand, sind mitten in der
Anpassung von Arbeitsorganisationen. Vielfach sind nun
etablierte, seit Jahren erfolgreiche Zusammenarbeitsmodelle
nur mehr eingeschränkt praktizierbar, auch wenn eine
­missbräuchliche Inanspruchnahme der arbeitsrechtlichen
Vertragsformen nicht vorliegen mag. Die aus der öffentlichen
Diskussion entstandene Verunsicherung führt zu einer
durchaus zurückhaltenden Dienstleistungsvergabe. Die
eigentlich vorhandenen Bedarfe für Entwicklungsdienstleistung
lassen sich nicht zeitnah und vollumfänglich am Markt
platzieren und adressieren.
4.2Entwicklungsdienstleistung –
Zukünftige Kunden­
anforderungen
Vor diesem Hintergrund verändern sich auch die Anforderungen, die Automobilhersteller und -zulieferer an Entwicklungsdienstleistungen und die EDL stellen. Wesentlich wird
eine noch engere Verzahnung mit den Auftraggebern,
­insbesondere mit den Automobilherstellern; in diesem
­Zusammenspiel sind EDL gefordert, weitaus mehr Verantwortung für Entwicklungsergebnisse und damit für das Produkt
Automobil zu übernehmen – dieses reicht bis hin zu Haftungsund Gewährleistungsfragen.
Abb. 8 – Marktentwicklung Automotive Entwicklungsdienstleistung – nach Regionen
Marktentwicklung Automotive Entwicklungsdienstleistung nach Regionen
Mrd. Euro, PKW-Entwicklung, Welt
CAGR
‘14-‘20
CAGR +5,8%
12,3
2,7
RoW
+4,1%
2,1
3,0
China
+12,4%
1,5
0,8
NAFTA
+4,8%
0,6
1,1
1,3
RoE
+3,6%
4,5
Deutschland
+4,4%
8,8
3,5
2,8
2014
2020
Quelle: Berylls Strategy Advisors
22
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Die zukünftigen Kundenanforderungen lassen sich im
­Wesentlichen auf sechs Themenkreise zusammenführen:
Projektverantwortung
Den EDL wird zukünftig weitaus mehr Verantwortung für
komplette Prozessketten und (Teil-)Projekte übertragen. Damit
einher geht eine eigenständige Erbringung der Entwicklungsleistungen, und der EDL wird am Entwicklungsergebnis
beziehungsweise -erfolg gemessen – und für diesen honoriert.
Während ein EDL in der Vergangenheit einzelne Entwicklungsaufgaben bis hin zur Integration von Systemen übernommen
hat, so verantworten EDL zukünftig ganze Derivate oder
­Varianten eigenverantwortlich, ohne direkte Steuerung durch
den Auftraggeber: Nachdem der Automobilhersteller beispielsweise eine neue Motorengeneration entwickelt hat, übernehmen EDL dann sehr effizient die Adaption und Applikation von
Ländervarianten oder Abgasvarianten. Oder der EDL entwickelt
Ableitungen, sogenannte Derivate eines Basisfahrzeugs,
beispielsweise aus der Limousine einen Kombi, ein Coupé oder
ein Cabriolet. Damit können sich die OEM Entwickler selbst
dann um weitere Neuentwicklungen kümmern. Erweitertes
Produkt-Know-how, Systemverständnis und Projektmanagement-Kompetenz sind dann entscheidende Erfolgsfaktoren für
EDL, um solche Projekte erfolgreich ins Ziel zu bringen – für
den Auftraggeber wie für den EDL.
Prozess-Know-how
Mit einer weiter zunehmenden Projektverantwortung steigen
die Anforderungen hinsichtlich der detaillierten Kenntnis der je
Auftraggeber – ob Automobilhersteller oder -zulieferer – sehr
spezifischen Entwicklungsprozesse, -methoden und -werkzeuge.
Diese Kenntnisse betreffen die formalen, standardisierten
Entwicklungssysteme eines Auftraggebers, aber auch dessen
informelle Kommunikationswege und Entscheidungsprozesse.
EDL müssen sich weit mehr als in der Vergangenheit in der
Kundenorganisation „bewegen“ können, um hier abgeschlossene Entwicklungsergebnisse eigenverantwortlich und
selbständig erbringen zu können. Dieses erfordert beispielsweise, dass EDL im Rahmen einer Modulentwicklung das
Änderungsmanagement vollumfänglich übernehmen und die
dazu notwendigen, kundenindividuellen Konstruktionsänderungsprozesse, organisatorischen Schnittstellen und IT-Tools
bedienen.
Know-how-Spezialisierung
EDL werden bei ihren Auftraggebern nur dann als gleichgewichtige Partner „auf Augenhöhe“ gesehen, wenn sie
spezielles Know-how auch in Kernkompetenzfeldern ihrer
Kunden besitzen. Dazu ist vielfach eine Spezialisierung
notwendig, um entsprechend fundiertes und tiefes Know-how
aufbauen und weiterentwickeln zu können. Diese Know-howSpezialisierung gilt umso mehr, je mittelständischer die
Unternehmensgrößen und -strukturen der EDL geprägt sind.
Eine solche Spezialisierung kann sich beispielsweise auf
Material- und Konzeptleichtbau in der Karosserie beziehen,
in Verbindung mit der dazu notwendigen Umform-, Füge- und
Verbindungstechnik. Oder ein EDL leistet spezielle Beiträge
in der Elektrifizierung des Antriebsstrangs, beispielsweise
durch Komponentenentwicklung bis hin zu Integration und
Applikation elektrischer Antriebe. Know-how-Spezialisierung
kann sich aber auch auf konventionelle Antriebe beziehen,
beispielsweise das Thermomanagement für erhöhte Kraftstoffeffizienz. Software-Entwicklung bietet darüber hinaus vielfältige
Ansätze zur Spezialisierung, sei es in ausgewählten Domainen –
beispielsweise Antrieb, Karosserie, Infotainment, Vernetzung –,
in speziellen Entwicklungsmethoden oder -werkzeugen.
Internationalisierung
Getreu dem Motto „Follow the Customer“ sind EDL gefordert,
ihren internationalen FuE „Foot-print“ auszubauen, um insbesondere die Automobilhersteller an deren internationalen
FuE-Standorten zu unterstützen. Zunehmend bauen die
Automobilhersteller in Wachstumsmärkten wie China, aber
auch in Indien, Brasilien oder Mexiko, ihre FuE-Kapazitäten
aus. Damit wird die weitere Lokalisierung und Anpassung der
Fahrzeuge an lokale Markt- und Kundenanforderungen
vorangetrieben. Diese Entwicklungsaufgaben werden zukünftig
nicht mehr ausschließlich von den FuE-Stammhäusern
verantwortet, sondern an die lokalen FuE-Einheiten übertragen.
EDL, die beispielsweise in die Interieur-Entwicklung eines Fahrzeuges involviert sind, sind dann auch aufgefordert, spezifische
Interieur-Anpassungen für lokale Märkte vor Ort in diesen
Märkten vorzunehmen. Ein internationales Standortnetzwerk
wird damit ebenfalls für EDL zu einem wettbewerbsdifferenzierenden Faktor, auch für Vergaben der Kunden in den traditionellen Märkten.
Kompetenz in Elektrik/Elektronik und Car IT
Während die Anforderungen der Automobilhersteller und
-zulieferer an die Elektrik- und Elektronik-Kompetenz der EDL
in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gestiegen sind,
steigen nun die Anforderungen mit Blick auf Car IT weiter.
System- und Vernetzungs-Know-how werden entscheidend für
die Integration neuer Technologien, von Multimedia über
Konnektivität bis hinzu automatisiertem oder gar autonomem
Fahren. Den EDL bieten sich hier entsprechende Marktchancen; gleichwohl bedarf es eines signifikanten Kompetenzausbaus, auch über die Systemgrenze „Fahrzeug“ hinaus mit
Blick auf sogenannte Backend IT-Systeme, Big Data Lösungen,
Netzwerktechnologie und Consumer Electronics.
Kosteneffizienz
EDL sind wie alle Beteiligten der automobilen Wertschöpfungskette aufgefordert, auch die Kosteneffizienz der Entwicklungsprozesse weiter zu optimieren. Die EDL leisten schon heute
einen wesentlichen Beitrag zu einer wettbewerbsfähigen
Automobilentwicklung, indem sie fortlaufend ihre Kostenpositionen optimieren. Ähnlich allen deutschen Automobilzulieferern,
die seit vielen Jahren Kostensenkung im Produkt und im
Prozess zu ihrer Kernkompetenz gemacht haben, wird die
fortwährende Optimierung der Kostenposition zu einem
kritischen Erfolgsfaktor für EDL. Dem dienen Spezialisierung,
eine „kritische Größe“ und schlanke Organisationsstrukturen
bis hin zu einer ausgeprägten Dienstleistungsorientierung.
So wandeln sich auch etablierte FuE-Wertschöpfungsstrukturen: EDL werden – mehr noch als in der Vergangenheit – zu
wirklichen „Partnern auf Augenhöhe“. Für viele EDL, die als
„verlängerte Werkbank“ arbeiten, stellt sich damit die Frage, ob
sie den neuen Vergabe- und Zusammenarbeitsstrategien ihrer
Auftraggeber dann noch gerecht werden.
23
5.Automotive EDL –
Etablierte Zusammenarbeitsmodelle
5.1Zusammenarbeitsmodelle –
Die arbeitsrechtliche
Perspektive
Entsprechend lässt sich der Einsatz von Fremdpersonal
arbeitsrechtlich unterschiedlich ausgestalten:
Je nach Form der Zusammenarbeit kommen auch für Entwicklungsdienstleistungen die in der Industrie bekannten drei
Zusammenarbeitsformen beziehungsweise Vertragsmodelle zur
Anwendung: (i) Arbeitnehmerüberlassung, (ii) Dienstvertrag,
und (iii) Werkvertrag (Abbildung 9).
Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn – zeitlich begrenzt
beziehungsweise vorübergehend – ein Arbeitnehmer zur Arbeit
in dem Betrieb eines Dritten, des Entleihers, verliehen wird.
Bei der Arbeitnehmerüberlassung fallen Arbeitsvertrag und
Arbeitsleistung auseinander: Der Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers besteht mit dem Verleiher, die Arbeitsleistung erfolgt
beim Entleiher. Der Entleiher gliedert den Leiharbeitnehmer in
seinen Betrieb wie seine eigenen Arbeitnehmer ein und lässt
diesen nach Weisungen der betrieblichen Vorgesetzten
arbeiten11. Neben dem Weisungsrecht geht auch das unternehmerische Risiko auf den Entleiher über; der Verleiher ist nur
für die Bereitstellung entsprechend qualifizierter Mitarbeiter
verantwortlich. Die Vergütung erfolgt nach geleisteter Arbeitszeit: in einsatzfreien Zeiten trägt der Verleiher das Beschäftigungsrisiko. Damit ein Unternehmen Arbeitnehmer verleihen
kann, muss es nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG die erforderliche
behördliche Erlaubnis besitzen. Der Betriebsrat des Entleihers
ist an den personellen Entscheidungen zum Einsatz von
Leiharbeitnehmern zu beteiligen.
Arbeitnehmerüberlassung
Diese Zusammenarbeitsmodelle gründen sich in Deutschland
auf umfangreiche Regelungen im Arbeitsrecht zum Schutz von
Fremdpersonal. Der Einsatz von Fremdpersonal kommt in
folgenden Erscheinungsformen in Betracht:
•Entleihen von fremden Arbeitnehmern zur Arbeitsleistung
nach Weisung des Auftraggebers – in diesem Fall wird von
Arbeitnehmerüberlassung gesprochen und es finden die
Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG)
Anwendung.
•Beauftragung eines fremden Unternehmens im Rahmen
eines Werk- beziehungsweise Werklieferungsvertrages oder
eines selbstständigen Dienstvertrages mit von diesem
gestellten Personal – rechtliche Grundlage für die jeweiligen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien sind dann
die jeweiligen Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch
(BGB).
11BAG, Urt. v. 14.08.1985 – 5 AZR 225/84
Abb. 9 – Kurzbeschreibung der Zusammenarbeitsmodelle für Entwicklungsdienstleistung
Arbeitnehmerüberlassung
(ANÜ)
Dienstvertrag
(DV)
Werkvertrag
(WV)
„Traditionelle“ Zeit- bzw. Leiharbeit:
Arbeitnehmer wird zur Arbeit in dem
Betrieb eines Dritten, des Entleihers,
verliehen
Auftragnehmer bzw. Dienstleister
erbringt selbstständig eine
Dienstleistung unter eigener
Verantwortung/ nach eigenem Plan
Auftragnehmer bzw. Werkunternehmer erbringt selbstständig
ein vorher definiertes Werk oder
einen Werkteil
Wesentliche Merkmale sind:
Wesentliche Merkmale sind:
Wesentliche Merkmale sind:
– Verleih ist „vorübergehend“ bzw.
zeitlich begrenzt (Metall- und
Elektroindustrie: max. 24 Monate)
– Auftragnehmer schuldet dem
Auftraggeber die Tätigkeit – nicht
aber den „Erfolg“
– Auftragnehmer schuldet dem
Auftraggeber den Erfolg bzw. ein
spezifiziertes Arbeitsergebnis
– Eingliederung Leiharbeitnehmer in
Betrieb wie Stammmitarbeiter, inkl.
Weisungsrecht Entleiher
– Keine Eingliederung in Betrieb des
Auftraggebers, keine
Weisungsbefugnisse
– Kein Weisungsrecht des
Auftraggebers bzgl. Art, Ort und
Zeit der Leistungserbringung
Metall- und Elektroindustrie: Entgelt
des Leiharbeitnehmers nach
Tarifvertrag der Zeitarbeit (inkl. M+E
Branchenzuschlägen, gestaffelt)
Freier Ermessensspielraum der
Vertragsparteien zur Vergütung des
Dienstvertrags ( zivilrechtl. Vertrag
– allgemeine Vertragsfreiheit)
Freier Ermessensspielraum der
Vertragsparteien zur Vergütung des
Werkvertrags ( zivilrechtl. Vertrag –
allgemeine Vertragsfreiheit)
Quelle: Berylls Strategy Advisors
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Derzeit gibt es keine gesetzlich fixierte Überlassungshöchstdauer für Leiharbeitnehmer. In § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ist
lediglich normiert, dass Arbeitnehmerüberlassung nur
­„vorübergehend“ erfolgen darf. Die Tarifvertragsparteien der
Metall- und Elektroindustrie haben sich darauf verständigt,
dass als „vorübergehend“ eine Arbeitnehmerüberlassung von
24 Monaten gewertet werden kann. Geht die Überlassungsdauer über den Zeitraum von 24 Monaten hinaus, dann soll
dieses zu einem Arbeitsplatzangebot beim Entleiher führen,
soweit kein Sachgrund nach dem Teilzeitbeschäftigungsgesetz
(TzBfG) eine längere Einsatzzeit rechtfertigt.
Darüber hinaus gilt im Rahmen des AÜG der Gleichstellungsgrundsatz („Equal Pay“ oder „Equal Treatment“): Verleiher
müssen ihren Leiharbeitnehmern vom ersten Einsatztag an die
für einen vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers
geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des
Arbeitsentgelts gewähren (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 9 Nr. 2, 10 Abs. 4
AÜG). Dieser kommt nur dann nicht zur Anwendung, wenn (i)
ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulässt, (ii) dieser
Tarifvertrag die in § 2 Abs. 2 LohnUGAÜV festgesetzten
Mindestentgelte nicht unterschreitet, oder (iii) der Verleiher an
diesen Tarifvertrag gebunden ist oder unter dessen Geltungsbereich fällt und mit dem Leiharbeitnehmer dessen Anwendung vertraglich vereinbart hat.
Werkvertrag
Ein Werkvertrag beziehungsweise ein Werklieferungsvertrag12
liegt vor, wenn ein anderer Unternehmer mit Hilfe seiner
Arbeitnehmer selbstständig für den Auftraggeber ein Arbeits­
ergebnis, also ein definiertes Werkteil oder ein ganzes Werk,
herbeiführen soll; gesetzliche Grundlage für den Werkvertrag
sind §§ 631 ff. BGB. Gegenstand eines solchen Werkvertrages
muss entweder die teilweise oder komplette Herstellung oder
Veränderung einer Sache oder ein anderer herbeizuführender
Erfolg, also ein konkretes Arbeitsergebnis sein (§§ 631, 651
BGB). Dementsprechend verbleibt das Weisungsrecht hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Leistungserbringung beim Werkunternehmer, der auch das unternehmerische Risiko trägt.
Werkvertragsleistungen werden in der Regel auf Basis der
Werkherstellung vergütet. Ein solcher Werkvertrag ist ein
zivilrechtlicher Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftraggeber, dessen Vergütung frei zwischen den Vertragspartnern
verhandelt wird und die entsprechend keinem Tarifvertrag
unterliegt. Der Werkunternehmer beziehungsweise dessen
Mitarbeiter werden zudem nicht in die betrieblichen Arbeitsprozesse des Auftraggebers eingegliedert. Werkverträge
unterliegen der betrieblichen Mitbestimmung nur insoweit,
als das der Betriebsrat des auftraggebenden Unternehmens
Informations- und teilweise auch Beratungsrechte hinsichtlich
Werkvertragsvergabe im Allgemeinen besitzt.
12Der Werklieferungsvertrag ist als Sonderform des Werkvertrages dadurch gekennzeichnet,
dass der Unternehmer sich verpflichtet, das Werk aus eigenen oder von ihm zu beschaffenden Stoffen herzustellen
Dienstvertrag
Ein Dienstvertrag liegt vor, wenn ein anderer Unternehmer
selbstständig mit Hilfe seiner Arbeitnehmer eine Dienstleistung
unter eigener Verantwortung und nach eigenem Plan gegen
eine Vergütung erbringen soll13. Dabei schuldet der Auftragnehmer allein die Tätigkeit als solche; anders als beim Werkvertrag übernimmt der Auftragnehmer keine Garantie für den
Eintritt eines bestimmten Erfolgs: stattdessen muss er sich nur
im Rahmen seiner subjektiven Möglichkeiten darum bemühen.
Die Arbeitnehmer des Dienstleisters werden auch nicht in die
betrieblichen Arbeitsprozesse des Auftraggebers integriert.
Zudem unterliegen sie keinerlei Weisungsbefugnissen des
Auftraggebers. Üblicherweise werden Dienstverträge nach
Aufwand beziehungsweise nach „Zeit und Material“ vergütet.
Die Anwendung dieser drei Vertragsmodelle ist heute gelebte
Praxis auch in der Automobilindustrie. Gerade in jüngster
Vergangenheit wurden zudem die rechtssichere Abgrenzung
und Anwendung dieser drei Vertragsmodelle nochmals durch
das Bundesarbeitsgericht14 konkretisiert.
5.2Zusammenarbeitsmodelle
für Entwicklungsdienst­leistung
– Von Arbeitnehmer­
überlassung bis Werkvertrag
Das Geschäftsmodell eines Automotive EDL hat vielfach
direkten Einfluss auf die Zusammenarbeit zwischen dem EDL
als Auftragnehmer und dem Kunden als Auftraggeber, seien es
Automobilhersteller oder -zulieferer. Während Angestellte eines
Personaldienstleisters direkt als Leiharbeitnehmer in die
Kundenorganisation eingebunden sind, so arbeiten EDL, die
beispielsweise komplette Module oder Systeme entwickeln,
sehr eigenständig, mit definierter punktueller Kundeninteraktion und eigener Projektführungsorganisation.
Die drei genannten Zusammenarbeitsmodelle sind demnach
auch je Geschäftsmodell eines EDL von unterschiedlicher
Bedeutung: Arbeitnehmerüberlassung spielt beispielsweise
für EDL, die komplette Module oder Systeme entwickeln,
eine untergeordnete bis gar keine Rolle; Werkverträge kennzeichnen hier die Projekt- und Ergebnisverantwortung des
EDL. Dem gegenüber bieten die EDL, die sich auch als
Personaldienstleister positionieren, Leiharbeitnehmer in Form
der Arbeitnehmerüberlassung an. Und EDL, die Technologieund Konzeptberatung anbieten, schließen dazu vor allem
Dienstverträge.
Wenngleich alle drei Zusammenarbeitsmodelle grundsätzlich
für Entwicklungsdienstleistung ihre Berechtigung haben: in der
betrieblichen Praxis der Automobilentwicklung ist der Dienst-
13BAG, Urt. v. 14.08.1985 – 5 AZR 225/84
14BAG, Urt. v. 15.04.2014 – 3 AZR 395/11; BAG, Urt. v. 18.01.2012 – 7 AZR 723/10
25
vertrag jedoch weitestgehend verschwunden. Dem Wesen des
Dienstvertrages entsprechend schuldet der EDL einen Dienst
in Form einer konkreten Arbeit, die sich – anders als beim
Werkvertrag – nicht nach deren Ergebnis beziehungsweise dem
„Erfolg“ bemisst, sondern nach der Arbeitsleistung; der
Auftragnehmer schuldet einen Dienst, kein Gewerk. Demnach
rückt der Dienstvertrag vielfach in die Nähe der Leiharbeit und
damit der Arbeitnehmerüberlassung. Auftraggeber laufen so
Gefahr, dass die Grenzen zwischen Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung in der operativen Praxis hier fließend sind.
Vor diesem Hintergrund hat insbesondere in jüngster Vergangenheit die Diskussion um Arbeitnehmerüberlassung bei vielen
Automobilherstellern und -zulieferern dazu geführt, dass
Dienstverträge aus einer arbeitsrechtlichen Perspektive als zu
risikobehaftet angesehen werden. In der Konsequenz setzen
die meisten Auftraggeber mittlerweile nur noch auf Arbeitnehmerüberlassung und auf Werkverträge. Dienstverträge
kommen dann nur noch für Beratungsleistungen zum Einsatz,
wie beispielsweise Managementberatung, Wirtschaftsprüfung
etc., nicht mehr für Entwicklungsdienstleistung.
Aus der Gegenüberstellung von Arbeitnehmerüberlassung und
Werkvertrag wird offensichtlich, dass beide Vertragsmodelle
einen wesentlichen Beitrag zu effizienten, wettbewerbsfähigen
FuE-Wertschöpfungsstrukturen in der deutschen Automobilindustrie leisten und auch weiter leisten sollten (Abbildung 10).
Arbeitnehmerüberlassung aus Kundensicht –
­Vergabemotivation:
Arbeitnehmerüberlassung kommt häufig dann zum Einsatz,
wenn ein Gewerk nicht eindeutig durch den Auftraggeber in
Form eines Lastenheftes spezifizierbar und damit auch der
„Erfolg“ des Auftragnehmers nicht durch den Auftraggeber
abnehmbar ist. Vielfach sind zudem Entwicklungsaktivitäten
nur in enger Interaktion mit der Kundenorganisation zu
verrichten und die Entwicklungsbeiträge des EDL damit nicht
klar abgrenzbar. Beispiele dazu sind unternehmensexterne
Modulmanager, Bauteilverantwortliche oder Projektmanagementunterstützer, die vielfältige Steuerungsaufgaben übernehmen und in einen kontinuierlichen Kommunikations- und
Informationsfluss im Projekt eingebunden sind. Zudem
unterliegen diese dann auch der Weisungsbefugnis durch
Mitarbeiter des Auftraggebers. Auch die Nutzung von Infrastruktur im Eigentum und auf der Fläche des Auftraggebers,
beispielsweise von Entwicklungsprüfständen, verlangt nach
Beschäftigung des EDL in Form von Arbeitnehmerüberlassung
– insbesondere dann, wenn keine klare räumliche Trennung
und kein eigenständiges Arbeiten möglich sind.
Daneben ist Arbeitnehmerüberlassung ein wichtiges mittelstandspolitisches Instrument, um auch kleinere EDL mit
spezifischen Fachkompetenzen in die Entwicklungsarbeit
einzubinden: gerade kleinere EDL verfügen oftmals nicht über
hinreichende Projektkompetenz, um Projekt- und Ergebnisverantwortung vollumfänglich zu übernehmen. Letztendlich
schafft Arbeitnehmerüberlassung für die Auftraggeber die
flexibelste Möglichkeit, auf kurzfristige Kapazitätsbedarfe und
-schwankungen in der Automobilentwicklung zeitnah zu
reagieren. Gerade aufgrund der Komplexität des Produkts
Automobil, der eng verzahnten Entwicklungsprozesse und der
äußerst engen Entwicklungszeit ist diese Möglichkeit des
externen Kapazitätszugangs von hoher Bedeutung. Nicht
unerwähnt sollte bleiben, dass Arbeitnehmerüberlassung
vielfach durch die Auftraggeber als probates Mittel
zur Personalrekrutierung genutzt wird, um qualifiziertes
EDL-Personal, das bereits über Praxiserfahrung aus der
Zusammenarbeit in Kundenorganisation und -prozessen
verfügt, in Festanstellung zu übernehmen.
Abb. 10 – Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag aus Kunden- und aus EDL-Sicht – Vorteile
Motivation
aus Auftraggeber-/
Kundensicht
Gewerk bzw. abnehmbare(r) Entwicklungsleistung/
-erfolg nicht spezifizierbar/abgrenzbar (Lastenheft)
Enge Interaktion inkl. Einbindung in
Kundenorganisation/-prozesse zwingend notwendig
(inkl. Weisungsbefugnis)
Technische Infrastruktur (Prüfstände, Tools, …) bei AG
(on-campus) zu nutzen, keine räumliche Trennung
Enge fachliche Weisung des AG notwendig, ggf. auch
keine Projektkompetenz beim AN
Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ)
Motivation
aus Auftragnehmer-/
EDL-Sicht
Fokussierung Kernmannschaft auf Kernkompetenzen
Effizienzpotenziale durch Vergabe größerer
Prozessketten (schlankere Prozesse, Wettbewerb AN)
Übertragung Ergebnisverantwortung an AN, inkl.
Kostenrisiko und ggf. Haftung/Gewährleistung
Erschließung Innovationsbeiträge des AN über Gewerk
Nachhaltigere Zusammenarbeit (über 18/24 Monate
hinaus) – projekthaft und entsprechend Entw.zyklen
Werkvertrag (WV)
„Auslastungsgarantie“ über definierten (längeren)
Zeitraum (u.a. auch Jahresverträge)
Hohe Attraktivität für Mitarbeiter/-entwicklung,
bezogen auf Inhalte, Projekt-/Ergebnisverantwortung
Kurzfristige Pufferfunktion für Auslastungslücken
Eigenständige Planbarkeit des Ressourceneinsatzes
Sehr hohe Planbarkeit von Kosten und Erlösen
Generierung von Synergien über mehrere Kunden/
Kundenprojekte ( Economies of Scope )
Engste Verzahnung und Vor-Ort-Präsenz in
Kundenorganisation bietet „Cross-Selling-Potenzial“
Kenntnis der Kundenorganisation/-prozesse/-Tools
etc.
Chance zur Höherpositionierung/Differenzierung im
Markt über entsprechend „sichtbare“ Wertbeiträge
Quelle: Berylls Strategy Advisors
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Arbeitnehmerüberlassung aus EDL-Sicht –
­Auftragsmotivation
EDL, die gleich den Personaldienstleistern eine Verleiherlaubnis
zur Arbeitnehmerüberlassung besitzen, können Entwicklungspersonal – von Ingenieuren bis zu Kaufleuten – als Leiharbeitnehmer anbieten. Dieses bietet den EDL die Möglichkeit eines
vergleichsweise gut planbaren Geschäfts: die Mitarbeiter
werden qualifikationsbezogen und persönlich entliehen, und
dem Auftraggeber wird ein definiertes Stundenhonorar
verrechnet. Arbeitnehmerüberlassung übernimmt zudem eine
Art Pufferfunktion zur Kapazitätsauslastung des EDL, indem
solche Zusammenarbeiten kurzfristiger und auch ad-hoc je
nach Personalverfügbarkeit möglich sind. Gleichwohl laufen
ANÜ-Verträge vielfach auch über einen längeren Zeitraum,
beispielsweise über ein oder zwei Jahre. Das verschafft dem
EDL eine hohe Auslastungssicherheit über einen längeren,
vertraglich vereinbarten Zeitraum. Für viele Automotive EDL ist
Arbeitnehmerüberlassung damit auch ein wichtiger Profithebel,
da Kosten und Erlöse längerfristig kalkulierbar sind.
Das „Wesen“ der Arbeitnehmerüberlassung, die Vor-Ort-Präsenz
des EDL beziehungsweise dessen Mitarbeiter in der Kundenorganisation, bietet darüber hinaus exzellente Möglichkeiten
zum „Cross Selling“ von Entwicklungsleistungen: eng eingebunden in die Entwicklungsaktivitäten des Auftraggebers
lassen sich frühzeitig neue Auftragspotenziale identifizieren
und erschließen. Arbeitnehmerüberlassung verschafft dem EDL
zudem eine äußerst gute Kenntnis der individuellen Entwicklungsprozesse, -methoden und -Tools des Auftraggebers.
Vielfach ist das die Basis, um seitens des ADL dann auch
größere Entwicklungspakete und damit auch mehr Projektverantwortung für den Auftraggeber übernehmen zu können.
Damit leistet Arbeitnehmerüberlassung durchaus einen Beitrag
zur Weiterentwicklung der EDL in Richtung Projektkompetenz
und Verantwortungsübernahme in Werkverträgen.
Werkverträge aus Kundensicht – Vergabemotivation
Werkverträge bieten den Auftraggebern die Möglichkeit, nicht
nur einzelne Entwicklungsaufgaben zu vergeben, sondern
größere Entwicklungsumfänge zu bündeln und als Projektaufgabe durch einen EDL übernehmen zu lassen – zu einem
definierten Preis und in Verantwortung des EDL für ein
eindeutig spezifiziertes Entwicklungsergebnis. Damit lässt sich
die kundeninterne Entwicklungsmannschaft auf Kernkompetenzen fokussieren. EDL übernehmen dann vollumfänglicher
vielfältige Entwicklungsumfänge, die nicht oder nicht mehr
Kernkompetenz des Auftraggebers sind. Der Auftraggeber
vergibt demnach größere, in sich geschlossene Prozessketten,
die dem EDL ein hohes Maß an Eigenverantwortung abverlangen. Der EDL wiederum verfügt oftmals über schlankere
Entwicklungsprozesse und kann so zusätzliche Effizienz- und
Kostenpotenziale für den Auftraggeber heben. Über eindeutig
spezifizierte Beauftragungen lassen sich Kostenrisiken,
gegebenenfalls auch Gewährleistungs- und Haftungsrisiken,
auf die Auftragnehmer übertragen. Werkverträge sind zudem
auch ein probates Mittel, um über Wettbewerb unter den EDL
weitere Prozesseffizienzen zu adressieren: gerade Werkverträge
fördern die fortwährende Optimierung der Prozesskosten bei
den beteiligten EDL und sind so auch ein wichtiger Treiber
für eine wettbewerbsfähige Kostenposition der FuE im internationalen Wettbewerb der Automobilnationen.
Wird die Verantwortung für das Entwicklungsergebnis an den
EDL übertragen, so partizipieren die Auftraggeber auch an
dessen spezifischer Gewerke- und Systemexpertise, bis hin
zum Management von Integrations- und Applikationsprozessen. So lassen sich auch zusätzliche Innovationspotenziale bei
Dienstleistern erschließen: im Produkt Automobil beziehungsweise den Fahrzeugmodulen und -systemen wie auch im
Entwicklungsprozess, beispielsweise durch Einsatz von
Simulationsmethoden und -Tools.
Gerade für die Automobilentwicklung bieten sich Werkverträge
als wichtiges Mittel für arbeitsteilige Entwicklungs- und
Wertschöpfungsstrukturen an: Entwicklungsverantwortung und
damit auch Ressourcenverantwortung wird für einen längeren
Zeitraum an EDL übertragen und damit eine nachhaltige,
partnerschaftliche Zusammenarbeit ermöglicht. Die vergleichsweise langen Entwicklungszeiten von 36 bis 48 Monaten für ein
neues Fahrzeug erfordern eine eher längere als kürze Zusammenarbeit im Entwicklungsprojekt. Arbeitnehmerüberlassung
mit Überlassungszeiten von 24 Monaten oder gar weniger passt
hier vielfach nicht, wenn über Projektlaufzeit dann zwei oder
gar drei EDL-Mitarbeiter nacheinander als ANÜ für ein und
denselben Entwicklungsumfang tätig werden müssen.
Werkverträge aus EDL-Sicht – Auftragsmotivation
Mit Werkverträgen und der damit einher gehenden Verantwortungsübernahme können sich EDL stärker am Markt differenzieren, da der Anspruch an Entwicklungs- und Projektmanagement-Kompetenz deutlich steigt. Die EDL leisten in
Werkverträgen „sichtbar“ Wert- und Ergebnisbeiträge, und eine
solche Projektverantwortung bietet entsprechend eine hohe
Attraktivität für EDL-Mitarbeiter und deren persönliche und
fachliche Weiterentwicklung. Wenngleich das Projektgeschäft
auch unternehmerische Risiken birgt, seien es Kostenrisiken
oder gar Gewährleistungs- und Haftungsrisiken, so bieten
Werkverträge durchaus Chancen für profitables Geschäft der
EDL: Über mehrere Kundenprojekte und Kunden lassen sich
inhaltlich und vor allem kostenseitig Synergien generieren, und
der Ressourceneinsatz ist eigenständig planbar und steuerbar.
Während Arbeitnehmerüberlassung nach Zeiteinheiten
abgerechnet wird – also konkret dem Stundensatz eines
CAD-Konstrukteurs (CAD – Computer Aided Design), eines
CAE-Berechners (CAE – Computer Aided Engineering), etc. –
so bietet der Werkvertrag dem anbietenden EDL Möglichkeiten
für eine eigene Gewerkekalkulation im Angebot. Summa
summarum besitzen Werkverträge so durchaus eine hohe
Attraktivität für EDL auch aus wirtschaftlicher Sicht – solange
projekthaftes Arbeiten in Verbindung mit weit reichender
Projektverantwortung in der verlangten Breite und Tiefe an
Entwicklungsumfängen wirklich durch den EDL beherrscht
werden.
27
Entsprechend ihrer individuellen Vorteile spielen diese ­
Zusammenarbeitsmodelle, ergänzt um Dienstverträge, eine
wichtige Rolle in der automobilen FuE-Wertschöpfungskette
(Abbildung 11):
Abb. 11 – Anteile der Zusammenarbeitsmodelle an
der EDL-Beschäftigung
Automotive EDL – Zusammenarbeitsmodelle: Perspektive 2014–2017
Automotive Entwicklungsdienstleistung, Deutschland
100%
72%
86%
Werkvertrag
1%
Dienstvertrag
13%
ANÜ
4%
24%
2014
2017
Quelle: Berylls Strategy Advisors
Der Großteil der fest angestellten EDL-Beschäftigten in
Deutschland arbeitet bereits heute in Werkverträgen:
etwa 36.500 Beschäftigte – beziehungsweise knapp drei Viertel
der in Summe in Deutschland etwas mehr als 50.000 EDLBeschäftigten im Automotive Engineering – sind heute über
Werkverträge in der Automotive FuE-Wertschöpfungskette
tätig. Arbeitnehmerüberlassung spielt jedoch mit etwa 12.500
Beschäftigungsverhältnissen ebenfalls eine wichtige Rolle mit
Blick auf arbeitsmarktpolitische Entscheidungen oder entsprechend geänderte Rahmenbedingungen. Perspektivisch
wird von den EDL ein weiterer Rückgang der Arbeitnehmerüberlassung erwartet, insbesondere mit Blick auf die aktuell im
Markt bereits sichtbaren Veränderungen auf der Kundenseite,
insbesondere bei Automobilherstellern.
Die Vorteilhaftigkeit von Arbeitnehmerüberlassung als auch von
Werkverträgen für Auftraggeber und Auftragnehmer machen
es für die Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland
erforderlich, dass diese Zusammenarbeitsmodelle weiter ihre
Berechtigung behalten, auch längerfristig. Dabei ist den
­spezifischen Belangen der Automobilindustrie Rechnung zu
tragen: ansonsten sind diese Zusammenarbeitsmodelle wenig
praxistauglich und nicht geeignet, den Anforderungen verteilter
FuE-Wertschöpfungsstrukturen gerecht zu werden. Moderne,
sich an der automobilen Entwicklungspraxis orientierende
Zusammenarbeitsmodelle und entsprechende arbeitsrechtliche
Regelungen sind notwendige Rahmenbedingungen. Nur so
lässt sich der für die Wettbewerbsfähigkeit des Automotive
Entwicklungsstandorts Deutschland mitentscheidende Faktor
auch künftig gewährleisten.
28
A U TO M OT I V E E N T W I C K L U N G S D I E N S T L E I S T U N G – Z U K U N F T S S TA N D O R T D E U T S C H L A N D
6.Diskussion ANÜ/Werkverträge –
Die Perspektive des Entwicklungsstandorts
Deutschland: Chancen & Risiken
6.1Die gesetzgebende ­Perspektive
– Das Reformvorhaben
der Großen Koalition im
­Arbeitsrecht
Ausgangspunkt der gegenwärtigen politischen und medialen
Diskussionen ist das Reformvorhaben der Großen Koalition im
Arbeitsrecht. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD
(2013) sieht vor, dass der Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen verhindert und die Arbeitnehmerüberlassung
weiterentwickelt werden sollen. Dazu dient eine Reihe an
Leitplanken, die der Koalitionsvertrag setzt (Abbildung 12).
Diese im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Leitplanken für
die Novellierung des Arbeitsrechts hinsichtlich Werkverträgen
und Arbeitnehmerüberlassung werden voraussichtlich im
Frühjahr 2015 in eine Gesetzesvorlage münden. Es ist zu
befürchten, dass diese Gesetzesvorlage unter dem medialen
Druck und der Interessenpolitik zustande kommen wird:
vielfach wird in der öffentlichen Diskussion verallgemeinernd
nur noch von „Leiharbeit“ gesprochen und diese zugleich mit
„Lohn-Dumping“ gleichgesetzt, als „prekäres Arbeitsverhältnis“
bezeichnet und entsprechend an den Pranger gestellt. Missbrauchsfälle werden herangezogen und ganzen Branchen
undifferenziert ein missbräuchlicher Fremdpersonaleinsatz
vorgeworfen. Mit der Arbeitsrealität – gerade in der Automobilindustrie und deren Entwicklungsbereichen – haben diese
Vorwürfe jedoch nichts zu tun, werden hier doch gut bezahlte
Ingenieure und Techniker eingesetzt.
Abb. 12 – Wesentliche Leitplanken des Koalitionsvertrags CDU/CSU/SPD zum Fremdpersonaleinsatz
„Arbeitnehmerüberlassung
weiterentwickeln“
Überlassungsdauer
Überlassungshöchstdauer 18 Monate
(gesetzlich)
Tarifvertrag (Einsatzbranche) oder
Betriebs-/Dienstvereinbarung mit
Öffnungsklausel
„Missbrauch
von Werkvertragsgestaltungen“
Einbindung Betriebsrat
Informations- und
Unterrichtungsrechte
des Betriebsrats
sicherstellen/
konkretisieren
Arbeitsentgelt
Spätestens nach
9 Monaten gleich
gestellt mit
Stammmitarbeiter
Abgrenzungskriterien
Gesetzliche
Festlegung der
Abgrenzungskriterien
… bisher von
Rechtsprechung
„entwickelt“
„Streikbrecher“
Kein Einsatz der
Leiharbeiter als
Streikbrecher
Schwellenwerte
Leiharbeiter
grundsätzlich bei
betriebsverfassungsrechtlichen
Schwellenwerten zu
berücksichtigen
Kontroll-/ Prüfinstanzen Sanktionierung
Finanzkontrolle
Schwarzarbeit
… organisatorisch
effektiver und
entsprechend zu
personalisieren
Verdeckte
Arbeitnehmerüberlassung
sanktionieren
Keine Besserstellung
trotz Vorlage einer
Verleiherlaubnis
Quelle: Koalitionsvertrag, Berylls Strategy Advisors
29
Im Koalitionsvertrag werden die folgenden A
­ usführungen gemacht:
„•Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen
•Arbeitnehmerüberlassung weiterentwickeln
Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen
zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
müssen verhindert werden. Dafür ist es erforderlich, die
Prüftätigkeit der Kontroll- und Prüfinstanzen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu konzentrieren, organisatorisch
effektiver zu gestalten, zu erleichtern und im ausreichenden Umfang zu personalisieren, die Informations- und
Unterrichtungsrechte des Betriebsrats sicherzustellen,
zu konkretisieren und verdeckte Arbeitnehmerüberlassung
zu sanktionieren. Der vermeintliche Werkunternehmer
und sein Auftraggeber dürfen auch bei Vorlage einer
Verleiherlaubnis nicht bessergestellt sein, als derjenige, der
unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Der gesetzliche Arbeitsschutz für Werkvertragsarbeitnehmerinnen
und -arbeitnehmer muss sichergestellt werden.
Wir präzisieren im AÜG die Maßgabe, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher vorübergehend
erfolgt, indem wir eine Überlassungshöchstdauer von
18 Monaten gesetzlich festlegen. Durch einen Tarifvertrag
der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche oder aufgrund
eines solchen Tarifvertrags in einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung können unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Stammbelegschaften abweichende
Lösungen vereinbart werden. Wir entwickeln die statistische Berichterstattung zur Arbeitnehmerüberlassung
bedarfsgerecht fort.
Zur Erleichterung der Prüftätigkeit von Behörden werden
die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten
Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßen und
missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz gesetzlich
niedergelegt.
Die Koalitionspartner sind sich darüber einig, dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer künftig spätestens nach neun Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts
mit den Stammarbeitnehmern gleichgestellt werden.
Die Koalition will die Leiharbeit auf ihre Kernfunktionen hin
orientieren. Das AÜG wird daher an die aktuelle Entwicklung angepasst und novelliert:
Kein Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern als Streikbrecher.
15Koalitionsvertrag CDU, CSU und SPD, Deutschlands Zukunft gestalten, 18. Legislaturperiode, S. 69
Zur Erleichterung der Arbeit der Betriebsräte wird gesetzlich klargestellt, dass Leiharbeitnehmer bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten grundsätzlich zu
berücksichtigen sind, sofern dies der Zielrichtung der
jeweiligen Norm nicht widerspricht.“ 15
6.2Die operative Perspektive –
Zusammenarbeit
auf dem Prüfstand
Die Zusammenarbeit mit Externen steht heute in den Entwicklungsbereichen der Automobilhersteller und -zulieferer mehr
denn je auf dem Prüfstand. Bereits durch die letzte Novellierung der ANÜ Gesetzgebung ist Arbeitnehmerüberlassung
zunehmend unattraktiv geworden, da die arbeitsrechtlichen
Risiken immer weniger überschaubar bleiben; entsprechend
setzen einige Automobilhersteller und auch -zulieferer
mittlerweile voll auf Werkverträge. Hinzu kommt, dass auch
Betriebs- oder Dienstvereinbarungen in den Unternehmen
bestehen, die es einzelnen Unternehmen erschweren oder
diesen nicht mehr erlauben, externe Mitarbeiter in den
Entwicklungsabteilungen in Form von Arbeitnehmerüberlassung zu beschäftigen. Hier schränken die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Arbeitnehmerüberlassung eine
diesbezügliche Arbeitsteilung zwischen unternehmensintern
Festangestellten und externen Leiharbeitnehmern in der
Automobilentwicklung ein – so wie bei einigen deutschen
Automobilherstellern der Fall.
Gleichwohl steht auch der Werkvertrag zur Diskussion:
vermeintlich schlechter bezahlte Beschäftigte in Werkverträgen
bis hin zu einer missbräuchlichen Anwendung von Werkverträgen zur verdeckten Arbeitnehmerüberlassung. Werkverträge, die seit Jahren ein praxisbewährtes Zusammenarbeitsmodell gerade für die Entwicklungsabteilungen in der
Automobilindustrie kennzeichnen, geraten jetzt in den Fokus.
Die aktuelle Rechtsprechung der letzten Jahre, insbesondere
der Arbeitsgerichte, zu Abgrenzungskriterien einer werkvertragskonformen Zusammenarbeit in der „gelebten Praxis“
erfordert nun einen weitaus kritischeren Blick auf Werkverträge
und deren Umsetzung in der Praxis. Die zunehmend enge
Auslegung der Werkvertragskonformität durch die Arbeitsgerichte führt bei Automobilherstellern, -zulieferern und EDL
zu einem vielfach überzogenen Handlungsdruck, um die
bestehenden Arbeitsorganisationen beziehungsweise die
Arbeitsteiligkeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer
daran anzupassen und wieder Rechtssicherheit zu schaffen.
30
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Wesentlich für eine demnach rechtssichere Gestaltung
zukünftiger Werkverträge in Automotive FuE und in Zusammenarbeit mit EDL sind folgende Merkmale (Tabelle 2).
Werden diese Merkmale in der operativen Praxis der Automobilentwicklung so vollumfänglich angewendet, so führt dieses
zu deutlichen Verwerfungen in der Zusammenarbeit zwischen
Auftraggebern und Auftragnehmern. Dieses gilt insbesondere
hinsichtlich dem notwendigen Informationsaustausch und der
Kommunikation im Entwicklungsprozess:
•Die Vereinbarung von konkreten Leistungsgegenständen
ist nicht durchgängig möglich: Aufgrund der weiter
zunehmenden Komplexität der Fahrzeugfunktionen und
entsprechender Entwicklungsaufgaben sind neben der
formalen Arbeitsorganisation insbesondere die praktischen
Zusammenarbeits- und Entscheidungsprozesse von hoher
Bedeutung. Diese lassen sich nicht immer im Rahmen von
Lastenheften spezifizieren, da diese nicht in den üblichen
Standardentwicklungsplänen der Automobilhersteller und
-zulieferer dokumentiert sind. Das birgt Risiken für den EDL,
der ohne Kenntnis dieser informellen Zusammenarbeitsund Entscheidungsprozesse einen Leistungsgegenstand
erbringen soll. Zudem zieht dieses dann gegebenenfalls
Ineffizienzen in der Leistungserbringung und -abnahme mit
sich, wenn die Kundenorganisation nicht zielgerichtet
bedient werden kann.
•Räumliche Separierung ist nicht immer praktikabel:
Entwicklungsarbeiten erfordern vielfach eine Nutzung von
Werkstatt- und Prüfstandsinfrastruktur, die beim Auftraggeber – Automobilhersteller oder -zulieferer – bereits
vorhanden ist. Insbesondere Prüfstände, beispielsweise
Motorenprüfstände, sind sehr kundenspezifisch und
teilweise auch Sonderanfertigungen; diese lassen sich nicht
ohne weiteres beim EDL duplizieren, und auch aus
wirtschaftlichen Aspekten ist eine Neuinvestition üblicher-
weise nicht sinnvoll. So sind EDL vielfach darauf angewiesen, unter Nutzung der Infrastruktur des Auftraggebers
Entwicklungsleistungen zu erbringen. Eine dedizierte, nur
für den EDL verfügbare und räumlich getrennte Infrastruktur, verbunden mit einer Zugangsbeschränkung für
Kundenmitarbeiter, ist in der betrieblichen Praxis vielfach
nicht realisierbar oder prozessual ineffektiv. So scheitert
dann eine werkvertragskonforme Vergabe größerer
Entwicklungsprojekte, die auch auf Nutzung bestehender
Kundeninfrastruktur angewiesen sind – denn Zusatzinvestitionen, die nicht dem eigentlichen Entwicklungsziel
dienen, können sich weder Auftraggeber noch EDL leisten.
•Eine ausschließlich zentrale Steuerung über ein Repräsentantenmodell ist wenig zweckdienlich: Wesensmerkmal
für Entwicklungsprozesse ist die enge Vernetzung der
Entwicklungsaufgaben untereinander. Heutige Automobile
zeichnen sich durch eine hohe Komplexität aus, und
entsprechend komplex sind auch die Entwicklungsaufgaben. Diese erfordern aufgrund weiter verkürzter
Entwicklungszeiten umso mehr eine parallele und enge,
koordinierte Zusammenarbeit aller intern und extern
Beteiligten. Entwickler sind demnach während des
gesamten Entwicklungsprozesses fortwährend auf Daten
und Informationen anderer Entwicklungsumfänge oder
anderer Entwicklungsabteilungen angewiesen. Es lassen
sich zwar werkvertragskonform Informations- und Datenübergabepunkte definieren und prozessual verankern; die
informelle, für den Entwicklungsfortschritt vielfach wichtige
Kommunikation zwischen den Entwicklungsbeteiligten auf
Arbeitsebene wird jedoch unterbunden. Schon jetzt zeigt
sich, dass beispielsweise Bauteilverantwortliche oder
SE Teamleiter (SE – Simultaneous Engineering) so eng
verzahnt in der Kundenorganisation tätig sind, dass diese
Tätigkeiten nicht als Werkvertrag abbildbar sind – und
viele dieser externen Mitarbeiter deshalb aktuell ihre
Beschäftigung verlieren.
Tabelle 2: Merkmale zur rechtssicheren Gestaltung von Werkverträgen
Abgrenzungskriterium
Beschreibung
Vereinbarung von konkreten Leistungsgegenständen für den EDL
Spezifizierung eines abgrenzbaren und durch den EDL unabhängig zu erbringenden
Erfolgs b
­ eziehungsweise des Entwicklungsergebnisses – üblicherweise definiert in Form
eines sogenannten Lastenhefts
Eindeutige räumliche
Separierung des EDL
Leistungserbringung des EDL möglichst „off-campus“, d. h. außerhalb des Entwicklungs­
geländes des Auftraggebers, oder zumindest deutliche räumliche Trennung der EDL-Mit­
arbeiter von denen des Auftraggebers – beispielsweise durch separierte Büro-, Werkstattoder Prüfstandsräume des EDL inklusive Zutrittsbeschränkungen etc.
Strikte Unabhängigkeit des
EDL von Weisungen des
Auftraggebers
Keine häufige Kommunikation und Interaktion auf Mitarbeiterebene zwischen Kunden- und
EDL-Mitarbeitern, sondern Ausrichtung sämtlicher Arbeitsabläufe für Auftragsklärung und
(Teil-) Ergebnisübergabe auf zentrale Steuerung über Repräsentantenmodell – in Verbindung
mit konkreten Informations- und Datenübergabepunkten
Volle Dispositionsfreiheit
des EDL
Eigenständige Organisation der Entwicklungsarbeiten durch den EDL, insbesondere
hinsichtlich Ressourcen- und Personaleinsatz mit Blick auf Projektbesetzung, Arbeitszeiten
etc. – d. h. keine Nennung und Verpflichtung zum Einsatz konkreter, namentlich bekannter
EDL-Mitarbeiter
Unternehmerisches Risiko
beim EDL
Vergütungsmodell für das vom EDL erstellte Gewerk mit Risikokomponenten, d. h. unter­
nehme-rische Risiken übernimmt der EDL als Auftragnehmer, nicht der Auftraggeber –
beispielsweise über Festpreise, EDL-eigene Investitionen in Prüfstände, Messtechnik,
Mitarbeiterschulungen etc.
Quelle: Berylls Strategy Advisors
31
•Unternehmerische Risiken sind durch EDL nur bedingt
tragbar: Mit Projektverantwortung und der Vereinbarung
eines konkreten Leistungsgegenstands, des „Erfolgs“,
übernehmen EDL eindeutig die entsprechenden Projektrisiken. Diese Projektrisiken bestehen beispielsweise in
einer unzureichenden Ressourcenkalkulation mit entsprechenden Mehrbedarfen seitens des EDL; oder das Entwicklungsergebnis ist qualitativ unzureichend und es entsteht
Nacharbeit beim EDL. Zudem sind gegebenenfalls auch die
Lastenhefte des Auftraggebers nicht eindeutig und das
angestrebte Gewerk nicht hinreichend spezifiziert – mit der
Folge von Änderungsbedarfen seitens des Auftraggebers
während der Projektlaufzeit, vielfach zu Lasten des
Auftragnehmers. Kommen dann noch Gewährleistungsund Haftungsrisiken dazu, deren Übernahme die Auftraggeber in Verbindung mit EDL Werkverträgen zunehmend
fordern, so wird ein gutes Gleichgewicht aus unternehmerischen Chancen und Risiken der EDL nachhaltig gestört.
Werkverträge, wie diese derzeit hinsichtlich Rechtskonformität
diskutiert werden, führen demnach nicht nur zu einem in
weiten Teilen komplexeren Miteinander, sondern bergen auch
deutliche Effizienz- und Effektivitätsrisiken für Auftraggeber wie
Auftragnehmer. Zudem verliert die Alternative zu werkvertragskonformer externer Vergabe, eine Zusammenarbeit in Form der
Arbeitnehmerüberlassung, immer mehr an Effektivität und
Attraktivität: insbesondere die aktuellen Diskussionen zu einer
verkürzten Überlassungshöchstdauer lassen dieses Zusammenarbeitsmodell zu einem Auslauflaufmodell werden. Eine
weitere Verkürzung passt nicht zu den Entwicklungszyklen und
-zeiten der Automobilentwicklung von bis zu vier Jahren. In der
Folge können aus dieser arbeitsrechtlichen Diskussion für
die deutsche Automobilindustrie Zusatzkosten entstehen,
die kein Automobilkäufer bezahlt. Schlussendlich wird die
Wettbewerbsfähigkeit des Entwicklungsstandorts Deutschland
im harten internationalen Vergleich ohne Not gefährdet.
6.3Die strategische
Perspektive – Nachfrage- und
Angebotsverschiebung
Die rein operative Diskussion zu Zusammenarbeitsmodellen mit
EDL wird mittlerweile bei einigen Automobilherstellern und
-zulieferern durch eine strategische Perspektive ergänzt: mit
Blick auf Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit wird vermehrt die
Frage gestellt, wie die Zusammenarbeit mit EDL am Entwicklungsstandort Deutschland noch zukunftsfähig bleiben kann.
Potenziell unattraktive arbeitsrechtliche Regelungen zur
Fremdvergabe und Zusammenarbeit mit Externen führen
aktuell bereits zu einer reduzierten Nachfrage nach Entwicklungsdienstleistung bei einigen Auftraggebern der EDL.
Kunden nutzen dazu vier wesentliche Maßnahmenbündel,
die sich in Summe deutlich negativ auf den EDL-Markt in
Deutschland auswirken (Abbildung 13):
Entfall von Entwicklungsaufgaben
Auftraggeber hinterfragen konsequenter die heute fremdvergebenen Entwicklungsaufgaben hinsichtlich tatsächlicher
Bedarfe und Notwendigkeit. So wird insbesondere potenziell
externe Beschäftigung bereits im Ansatz eliminiert – gerade
Arbeitnehmerüberlassung ist hiervon betroffen, da diese
vielfach als Zusatzkapazität betrachtet wird, die dann auch
mehr oder weniger ad-hoc nicht mehr beschäftigt wird.
Effizienzsteigerung im Entwicklungsprozess
Wirksames Mittel zur Reduzierung externer Beschäftigung ist
für viele Auftraggeber die weitere Effizienzsteigerung in den
Entwicklungsprozessen. Aktuell steht bei vielen Automobilherstellern und -zulieferern mehr denn je die Effizienz der eigenen
Abb. 13 – Strategische Maßnahmenbündel – Strukturelle Optimierung der Entwicklungsvergaben
Nachfrageverschiebung am Entwicklungsstandort Deutschland – Implikationen der arbeitsrechtlichen Diskussion
Fremdvergabevolumen aus Kundensicht, illustrativ
Entfall von
Entwicklungsaufgaben
Heute
Effizienzsteigerung im
Entwicklungsprozess
Internationalisierung von
Entwicklungsaufgaben
Insourcing von
Entwicklungsaufgaben
Zukünftig
Quelle: Berylls Strategy Advisors
32
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Entwicklungsorganisation im Fokus; Effizienzpotenziale in
den Entwicklungsprozessen werden dann üblicherweise über
externe Beschäftigungseffekte – sei es durch reduzierte
ANÜ-Beschäftigung oder kostenoptimierte Werkverträge –
­gehoben.
Internationalisierung von Entwicklungsaufgaben
Wenngleich die Internationalisierung auch der FuE voranschreitet, um markt- und kundennah zu entwickeln: die aktuelle
politische Diskussion um Zusammenarbeitsmodelle in
Deutschland entwickelt sich zu einem weiteren Treiber für
verstärkte Internationalisierungsanstrengungen in der Automobilentwicklung über die Marktrelevanz hinaus. Die Internationalisierung der FuE führt bereits jetzt zu einem konkreten
Ausbau internationaler FuE-Standorte der Automobilhersteller
und -zulieferer – insbesondere in China (beispielsweise
Daimler, Mahle), aber auch in Südkorea (BMW), Singapur
(Continental), Indien (Daimler) oder USA (Volkswagen). Mit
Blick auf die ANÜ- und Werkvertragsthematik und den hier
diskutierten arbeitsrechtlichen Einschränkungen für die
betriebliche Zusammenarbeitspraxis wandern dann auch
anspruchsvolle und gut bezahlte Entwicklungsthemen grundlos
aus Deutschland ab, die in arbeitsteiliger, aber eng vernetzter
Zusammenarbeit bearbeitet werden müssen.
Insourcing von Entwicklungsaufgaben
Entwicklungsaufgaben, die nicht mehr über Arbeitnehmerüberlassung und auch nicht per Werkvertrag rechtssicher
durch externe Beschäftigung erbracht werden können, werden
zu einem begrenzten Teil wieder unternehmensintern durch
Festangestellte übernommen. Dieses bietet bisher als ANÜ
beschäftigten Mitarbeitern eine gewisse Chance einer Festanstellung beim derzeitigen Auftraggeber. Die aktuellen
Insourcing-Überlegungen in den Entwicklungsabteilungen
vieler Auftraggeber werden allerdings zumeist mit entsprechenden Anspannungsgraden für den Personalstand verbunden –
der Personalaufbau in den Entwicklungsabteilungen findet
demnach nur vorübergehend statt und muss über interne
Prozesseffizienzen wieder zurückgeführt werden, zumindest
teilweise. Zudem wird die zuvor beschriebene Verlagerung
von Entwicklungsleistungen aus Deutschland an internationale
Entwicklungsstandorte sowohl beschleunigt als auch
­intensiviert.
In Summe bedeutet dieses eine deutliche Nachfrageverschiebung für Entwicklungsdienstleistung: bisher extern vergebene
Entwicklungsaufgaben entfallen in Deutschland, werden
gegebenenfalls international allokiert oder werden – jedoch
keineswegs vollumfänglich – unternehmensintern durch
interne, festangestellte FuE-Mitarbeiter übernommen. Das führt
zu einem Anpassungsprozess und geschwächter FuE-Wertschöpfungsstrukturen am Entwicklungsstandort Deutschland.
In diesem Anpassungsprozess befindet sich die deutsche
Automobilindustrie – allen voran die Automobilhersteller –
spätestens seit Beginn des Jahres 2014.
Dieses bleibt dann auch nicht ohne Konsequenzen für die
Anbieterseite beziehungsweise für die EDL in Deutschland: die
Verunsicherung bei vielen Auftraggebern und die genannten
Maßnahmenbündel setzen den EDL-Markt und die Beschäftigung weiter unter Druck. Doch nicht nur das Vergabevolumen
sinkt, sondern auch strukturell verlangt die Marktnachfrage
nach Anpassungen auf der Anbieterseite. Für kleinere EDL,
­insbesondere wenn diese in Arbeitnehmerüberlassung tätig
sind, schrumpft der Markt bei einigen Auftraggebern dramatisch und bringt diese EDL schon jetzt an die Grenze ihrer
Existenz. Andere EDL sind gezwungen, ihr Leistungsspektrum
falls möglich weiter zu ergänzen und in neue Kompetenzfelder
zu investieren, um vollumfänglicher Projektverantwortung
übernehmen zu können. Werden Entwickler durch die Auftraggeber abgeworben, so wird gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und steigenden Wettbewerbs um Ressourcen das
Nachbesetzen von Stellen immer herausfordernder, insbesondere für kleinere EDL.
6.4Konsequenzen für den
­Automotive Entwicklungs­
standort Deutschland –
Chancen & Risiken
Die aktuellen Diskussionen rund um Arbeitsteiligkeit in der
operativen Praxis und die dadurch beeinflussten strategischen
Perspektiven bergen demnach erhebliche Risiken. Chancen für
den Automotive Entwicklungsstandort Deutschland können
sich nur dann ergeben, wenn sich die FuE-Wertschöpfungsstrukturen unter Wettbewerbsbedingungen weiterentwickeln
können. Eine strategische Überprüfung des Eigen-FremdMixes wie auch der Zusammenarbeit mit Externen kann weitere
Innovations- und Effizienzpotenziale adressieren, wenn die
bestehenden Wertschöpfungsstrukturen in FuE noch wettbewerbsfähiger werden können – beispielsweise durch
marktnähere Entwicklung, fokussierte Kernkompetenzen,
gestärkte große EDL als nachhaltige Partner mit Projektverantwortung, etc. Das setzt auch voraus, dass das deutsche
Arbeitsrecht weiter effiziente Zusammenarbeitsmodelle zur
Verfügung stellt.
Eher treibt die aktuelle Diskussion aber die weitere Ausrichtung
auf internationale FuE-Standortnetzwerke an. Deutschland
tut gut daran, sich auf seine Stärken als Innovationsstandort im
internationalen Standortwettbewerb zu besinnen statt sie zu
gefährden. Eine arbeitsteilige FuE-Wertschöpfung von Automobilhersteller, Automobilzulieferern und EDL ist dazu
notwendige Bedingung – mit entsprechenden auch arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen, die wirtschaftliches
­Entwickeln, Freiräume für Innovation und eine hohe Flexibilität
aller Beteiligten fördern.
Dabei sind es wie geschildert gerade die aktuellen arbeitsrechtlichen Diskussionen im Markt, die signifikante Risiken für
die Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern und
-zulieferern auf Kundenseite und den EDL auf Anbieterseite
schaffen. Die aktuelle Rechtsprechung hat hier Präzedenzfälle geschaffen, die das Fundament einer im internationalen
Kontext wettbewerbsfähigen Automobilentwicklung in
Deutschland untergraben, indem Werkverträge einem Kriterienkatalog unterworfen werden, der der operativen Praxis von
Automobilentwicklungsprozessen nur bedingt Rechnung trägt.
Sollten diese Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßem und missbräuchlichem Fremdpersonaleinsatz
gesetzlich fixiert werden, so führt das zudem zu einem starren
System mit eher mehr Rechtsunsicherheit. Wenn dann
Arbeitnehmerüberlassung weder von den Arbeitnehmer-
33
vertretern akzeptiert noch praxistauglich gestaltet werden
kann, so werden die über Jahre gewachsenen und erfolgsbestimmenden FuE-Wertschöpfungsstrukturen nicht nur in
Frage gestellt, sondern grundlegend verändert – mit allen
möglichen negativen Konsequenzen für Innovationskraft,
wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung am
Entwicklungsstandort Deutschland.
Die Diskussionen in öffentlichen Medien wie auch auf politischer Entscheiderebene in Deutschland lassen viele EDL
bereits erwarten, dass Arbeitnehmerüberlassung in weiten
Teilen kein praxistaugliches Zusammenarbeitsmodell mehr für
die Automobilentwicklung sein wird. Eine aktuelle Befragung
ausgewählter Top 25 Automotive EDL weist hier den Weg: diese
Marktteilnehmer erwarten vor dem Hintergrund der aktuellen
Diskussionen eine deutliche Reduzierung von Leiharbeit in der
Automobilentwicklung. Geschätzt sind hier bis 2017 etwa 5.500
Beschäftigungsverhältnisse in Arbeitnehmerüberlassung von
Personalabbau betroffen16; mit einer Reduzierung um etwa
80 Prozent spielt dann zumindest bei Automobilherstellern die
Arbeitnehmerüberlassung keine Rolle mehr. Sollten auch
die Abgrenzungskriterien für Werkverträge arbeitsrechtlich
manifestiert und Mitbestimmungsrechte erweitert werden,
so wird der negative Effekt auf den deutschen EDL-Markt für
Automotive Engineering in einer Größenordnung von in Summe
etwa Euro 650 Mio. oder 8.000 EDL-Beschäftigte prognostiziert.
Dieser negative Beschäftigungseffekt wird keineswegs in
gleichem Maße durch einen möglichen Beschäftigungsaufbau
bei den Auftraggebern kompensiert. Dieses Insourcing findet
allenfalls teilweise bei den Automobilherstellern statt, die
bereits in 2014 angefangen haben, wegen des öffentlichen
undifferenzierten Drucks in der arbeitsrechtlichen Diskussion
extern vergebene Entwicklungsaufgaben wieder in-house mit
eigenen Entwicklern zu übernehmen. In Summe wird so ein
Personalaufbau in 2014 und 2015 von insgesamt etwa 3.500
Mitarbeitern bei Automobilherstellern erwartet, nur vor dem
Hintergrund der arbeitsrechtlichen Vergabediskussion in den
Entwicklungsabteilungen. Das ist aber nur scheinbar ein Erfolg:
vielfach ist dieses nur ein temporärer Personalaufbau, der
durch zusätzliche Effizienzanstrengungen und eine weitere
Verlagerung von Entwicklungstätigkeiten ins Ausland wieder
kompensiert wird. Bereits jetzt zeigen sich in vielen Entwicklungsabteilungen der Automobilhersteller entsprechende
Anstrengungen, um über Effizienzprogramme und verstärkte
FuE-Internationalisierung den dauerhaften Aufbau von
Stammpersonal in Deutschland zu begrenzen.
Im Ergebnis bliebe ein Nettoeffekt eines möglichen Beschäftigungsverlustes am Entwicklungsstandort Deutschland von
geschätzt etwa 6.000 Beschäftigten – mehr als 10 Prozent der
heute bei EDL beschäftigten Mitarbeiter im Automotive
Engineering: Beschäftigte, die heute an innovativen, ingenieursgetriebenen und hochbezahlten Entwicklungsthemen arbeiten.
Dabei kann sich Deutschland den Beschäftigungsabbau nicht
eines einzigen Ingenieurs oder Entwicklungsmitarbeiters
leisten!
16Basis der Prognosen/Schätzungen: Ende 2014 durchgeführte Expertengespräche im Markt
(Auftraggeber, Auftragnehmer), Automotive und EDL Industrieexpertise Berylls Strategy
Advisors
Negative Beschäftigungseffekte zeigen sich bereits jetzt und
deutlich im Geschäft vieler EDL. EDL-Mitarbeiter werden mit
dem Ziel des Insourcing von Entwicklungsaufgaben von den
Auftraggebern abgeworben. Dabei handelt es sich bereits
heute nicht nur um Einzelfälle, sondern vielfach wird in großem
Stil und mit System abgeworben. Für manche EDL ändern sich
aufgrund der zumeist dezentralen Standorte nahe bei den
Auftraggebern ganze Standortstrukturen, wenn in das EDL
Personal vor Ort dermaßen eingegriffen wird. Im Saldo geht
Beschäftigung verloren: Kleinere EDL mit hohem oder ausschließlich ANÜ Geschäft werden gar obsolet und ANÜ
Beschäftigte verlieren ihren Arbeitsplatz. Nicht alle dieser ANÜ
Beschäftigten finden eine Festanstellung beim vormaligen
Auftraggeber – und selbst wenn, dann ist dieser Kapazitätsaufbau vielfach nur temporär.
Negative Effekte sind nicht nur auf Anbieterseite zu finden,
sondern auch bei Auftraggebern selbst: In vielen Fällen waren
und sind die EDL in Kompetenzfeldern beschäftigt, die explizit
nicht als Kernkompetenz des Automobilherstellers oder
-zulieferers definiert sind. Ein Insourcing betrifft damit oftmals
Entwicklungsaufgaben, die gar nicht im Interesse der eigenen
Entwicklungsabteilungen stehen. Wenn dann die Personalund Stellenziele weitestgehend gedeckelt sind, sind im
Gegenzug bisherige Kernkompetenzfelder wiederum von
Outsourcing betroffen. Entsprechend fragwürdig sind die
Effekte dieser politischen Vorhaben im Koalitionsvertrag mit
Blick auf Innovationskraft, Wettbewerbsdifferenzierung und
auch Kostenposition der Entwicklungsabteilungen.
Diese Perspektiven zeigen, dass die arbeitsrechtlichen
­Rahmenbedingungen in Deutschland und die dazu aktuell
geführten Diskussionen einen maßgeblichen Einfluss auf die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie am
Entwicklungsstandort Deutschland haben. Die Existenz einer
vollständigen automobilen Wertschöpfungskompetenz in
Deutschland unterscheidet das Land von seinen Wettbewerbern ebenso wie das über Jahrzehnte gewachsene Zusammenspiel von Automobilherstellern und -zulieferern mit den EDL.
Dieses ist einzigartig im internationalen FuE-Wettbewerb und
ein wesentlicher Erfolgsgarant für eine auch zukünftig nachhaltig wettbewerbsfähige, weil innovative deutsche Automobilindustrie.
Die arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen sind in einer
modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft so zu
setzen, dass der Automotive Entwicklungsstandort Deutschland
seine hohe Attraktivität für alle Beteiligten sichert. Die deutsche
Automobilindustrie hat alle Chancen in einem sich zukünftig
sicherlich weiter verschärfenden Wettbewerb der Automobilnationen – arbeitsteilige und effiziente Wertschöpfungsstrukturen für die Automobilentwicklung am Standort Deutschland leisten einen notwendigen Schlüsselbeitrag dazu!
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7.Empfehlungen – Zukünftige Erfolgsfaktoren
und notwendige arbeitsmarkt-politische
Rahmenbedingungen
7. 1Ableitung I: Zukünftige
­Erfolgsfaktoren für EDL
Das Geschäft der EDL wird in den nächsten Jahren sicherlich
anspruchsvoller, auch vor dem Hintergrund einer sich weiter
verändernden Zusammenarbeit mit den Auftraggebern. Die
zukünftigen Erfolgsfaktoren für EDL lassen sich entlang dreier
Dimensionen strukturieren: (i) Positionierung und Differenzierung, (ii) Geschäftssystem, (iii) Befähigung.
EDL – Positionierung und Differenzierung
Mit Blick auf die weiter zunehmende Bedeutung von Werkverträgen und die damit einher gehende Übernahme von
Projektverantwortung beziehungsweise die Erbringung eines
konkreten Leistungsgegenstands sind EDL aufgefordert, sich
weitaus stärker als Projektpartner zu positionieren – durchaus
in den klassischen EDL-Leistungsfeldern wie Karosserie,
Exterieur, Interieur und Antrieb. Entsprechende Integrationsund Applikationsaufgaben gehen mit einem umfangreicheren
Produkt- und Systemverständnis einher, das über definierte,
werkvertragskonforme Dienstleistungsprodukte am Markt zu
platzieren ist.
Hinzu kommen gezielte eigene Innovationsanstrengungen,
insbesondere in den Zukunftsthemen und -technologien – von
Karosserieleichtbau über alternative Antriebe bis hin zu
Fahrerassistenzsystemen –, um sich entsprechend höher und
möglichst auf Augenhöhe mit den Kunden in der Automobilentwicklung positionieren zu können. Eine mögliche Erweiterung des Non-Automotive Geschäfts dient dann zum einen der
Diversifizierung und damit Reduzierung der Abhängigkeit von
einer Industrie; zum anderen bieten andere Industrien zukünftig
durchaus Chancen des Technologie- und Know-how-Transfers
in die Automobilindustrie – Beispiel Consumer Electronics, IT
und Car IT.
EDL – Geschäftssystem
Vollumfänglicheres, eigenverantwortliches Produktentwicklungsgeschäft verlangt nach einer weitaus höheren Projektkompetenz: Dieses betrifft zum einen das Management
größerer Entwicklungsprojekte beziehungsweise entsprechender Projektumfänge mit einem breiteren Leistungsspektrum,
auch inklusive der Lieferantensteuerung für den Auftraggeber.
Zum anderen erfordert dieses aber auch eine äußerst gute
Kenntnis der Kundenorganisation sowie der formellen und
informellen Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse. Nur so
lassen sich selbständig die individuellen Prozessketten des
Auftraggebers bedienen. Zur Abdeckung des von den Auftraggebern projektspezifisch geforderten Leistungsspektrum sind
zunehmend auch Partnerschaften unter den EDL notwendig –
entsprechend bilden sich EDL-Tier-1 und Tier-2 Strukturen
heraus, wie sich diese in der Zuliefererindustrie schon lange
bewährt haben.
Als „echter“ Projektpartner werden EDL dann auch stärker in
ein internationales FuE-Standortnetzwerk und entsprechend
internationale Ressourcen – von Personal bis Infrastruktur
– investieren müssen. Auch wenn der Entwicklungsstandort
Deutschland für viele Auftraggeber, ob Automobilhersteller
oder -zulieferer, weiterhin Kern der Automobilentwicklung
bleiben wird: alle Kunden der EDL entwickeln zunehmend
marktnah, um die Automobile auf marktspezifische Anforderungen abzustimmen und eine weitere Lokalisierung der
Produktion voran zu treiben. Wer als EDL der Projektpartner in
Deutschland ist, der wird auch die lokalen Märkte und deren
spezifische Adaptionen mit bedienen müssen. Zudem wird es
immer wichtiger, insbesondere in den kapazitätsintensiven
Entwicklungsaufgaben wie beispielsweise Modellerstellung
oder Dokumentation auf EDL-eigene Niedriglohnstandorte
zurückgreifen zu können, um eine wettbewerbsfähige Kostenposition darstellen zu können.
EDL – Befähigung
Der Kostendruck beziehungsweise eine wettbewerbsfähige
Kostenposition ist auch für die EDL geschäftsimmanent.
Zukünftig sind vor allem sogenannte „Economies of Scope“ zu
heben, d. h. Kostenvorteile durch Leistungsbreite oder -tiefe.
Solche Kostenvorteile können EDL einerseits über Unternehmens- und Standortgröße erzielen; für viele mittelständisch
geprägte EDL verlangt dieses nach einem Größensprung auf
mindestens Euro 150 – 200 Millionen Umsatz, um über viele
Auftraggeber und Projekte hinweg effizienter zu entwickeln.
Zum anderen lassen sich diese Kostenvorteile auch durch eine
absolute Spezialisierung auf definierte Leistungsfelder und
Dienstleistungsprodukte erzielen. Insbesondere Spezialisten in
Zukunftstechnologien, in der Software-Entwicklung oder in der
Vernetzung bieten sich hier Chancen. Unter diesen Aspekten
wird auch die Kompetenz für M&A (Mergers & Acquisitions)
zunehmend wichtiger, um im andauernden Konzentrationsprozess der EDL-Branche eine aktive Rolle zu spielen.
Essenziell für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der EDL
bleibt das Personalmanagement, von Personalbedarfsplanung
über Recruiting bis hin zu Personaleinsatz und -weiterentwicklung. Mit Lohndumping wären EDL in Deutschland nicht
wettbewerbsfähig im Kampf um kluge Köpfe. Die nachhaltige
Attraktivität als Arbeitgeber, auch im Wettbewerb zu den
Auftraggebern der EDL, ist Schlüsselerfolgsfaktor, gerade mit
Blick auf Ingenieursnachwuchs und Zukunftsthemen wie
Elektromobilität, Autonomes Fahren, Car IT oder Big Data.
Neben diese inhaltliche Kompetenz tritt zukünftig vor allem das
35
Know-how für eine rechtskonforme Zusammenarbeit des EDL
mit seinen Auftraggebern; neue, durchaus auch standardisierte
Dienstleistungslösungen für größere werkvertragskonforme
Vergabekonzepte schaffen hier zusätzliches Differenzierungspotenzial.
Vor diesem Hintergrund geht es für viele EDL derzeit um
strategische Weichenstellungen: Ausbau des Projektgeschäfts
mit Werkverträgen, Erweiterung des Leistungsspektrums,
Partnerschaften mit anderen EDL, Internationalisierung,
Unternehmensakquisitionen, Zukunftstechnologien, um nur
einige der strategischen Fragestellungen zu nennen. Hinzu
kommt die aktuelle Marktlage für Automotive Entwicklungsdienstleistung in Deutschland, insbesondere auch die aktuellen
Verwerfungen am Markt: ausgelöst durch die Diskussionen und
Maßnahmen mit Blick auf arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen führt dieses zu weiterer Verunsicherung vieler Marktteilnehmer.
7.2Ableitung II: Notwendige
­arbeitsmarkt-politische
Rahmenbedingungen
Der EDL Markt befindet sich in einem Umbruch, wie ihn die
EDL noch nicht kannten. Vor dem Hintergrund der hohen
Beschäftigtenzahl in Automotive Entwicklungsdienstleistung –
mehr als 50.000 EDL-Mitarbeiter allein in Deutschland –
sind Neuregelungen der arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen immer mit Bedacht zu treffen. Diese Rahmenbedingungen müssen sich zwingend an der operativen Praxis
der Automobilentwicklung orientieren, ansonsten verliert die
deutsche Automobilindustrie einen ihrer wesentlichen Wettbewerbsvorteile: gewachsene, höchst innovative und effiziente
Wertschöpfungsstrukturen für FuE – weil arbeitsteilig über
Jahre erfolgreich gelebt und fortwährend optimiert. Diese Form
der Arbeitsteiligkeit beziehungsweise der Zusammenarbeit
in der deutschen Automobilindustrie und der Automobilentwicklung ist einzigartig unter den Automobilnationen: keine
andere Automobilnation kann eine solch breit aufgestellte und
kompetitive EDL Anbieterlandschaft aufweisen.
Insbesondere die aktuelle Rechtsprechung zu Werkverträgen
zeigt, dass in Deutschland Handlungsbedarf besteht: Handlungsbedarf bezüglich einer modernen, auch den Anforderungen einer arbeitsteiligen Automobilentwicklung gerecht
werdenden arbeitsrechtlichen Grundlage. Auch das Zusammenarbeitsmodell der Arbeitnehmerüberlassung muss
diesbezüglich weiterentwickelt werden. Veränderte oder
neue gesetzliche Regelungen sollten dazu eine Reihe an
Kernpunkten berücksichtigen.
Arbeitnehmerüberlassung – Überlassungshöchstdauer
Eine Einschränkung der Überlassungshöchstdauer auf
gesetzlich geregelte 18 Monate wird den Anforderungen der
Automobilentwicklung nicht gerecht, liegen der Fahrzeugentwicklung doch üblicherweise Projektlaufzeiten von 36 bis 48
Monaten zugrunde. Projektteams würden ansonsten künstlich
auseinandergerissen, Qualitätsprobleme sowie ein hoher
Rekrutierungs- und Einarbeitungsaufwand wären vorprogrammiert. Die Möglichkeit zur Erweiterung der Überlassungs-
höchstdauer auf die Projektlaufzeit muss deshalb hier das
Ziel sein. Entsprechend bedarf es einer direkten Öffnung des
AÜG (AÜG – Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) für befristeten,
nachweisbaren und vorübergehenden Mehrbedarf, der über
die 24 Monate hinausgeht – entweder über eine allgemein
formulierte Ausnahmeklausel oder das Hinterlegen von
Sachgründen. Zudem bedarf es weiterhin einer Öffnungsklausel, sodass auf betrieblicher Ebene vom Tarifvertrag
abweichende Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und
Betriebsleitung getroffen werden können. Ansonsten ist
Arbeitnehmerüberlassung in der Automobilentwicklung
in Deutschland nicht mehr praktikabel, mit allen negativen
Beschäftigungs-effekten bei Automobilherstellern und
-zulieferern.
Eine Einschränkung kann deshalb auch nicht im Interesse der
EDL Beschäftigten sein: eine solche Einschränkung reduziert
die Planbarkeit, schafft Arbeitsplatzunsicherheit und hat
gegebenenfalls auch Gehaltsverlust zur Folge. Die Einarbeitung
eines neuen Beschäftigten in kürzeren Zeitabständen ist für
den Auftraggeber mit Zusatzaufwand verbunden ist, der den
Kostendruck unnötig erhöht. Im Gegensatz dazu lässt sich für
längerfristige Beschäftigung auch ein höheres Entgelt erzielen,
wenn Entwicklungsaufgaben und -prozesse des Auftraggebers
vollumfänglich und nachweislich beherrscht werden.
Arbeitnehmerüberlassung – Arbeitsentgelt
Eine Gleichstellung des ANÜ Beschäftigten hinsichtlich Arbeitsund Entgeltbedingungen (Stichworte „Equal Pay“ und „Equal
Treatment“) nach spätestens neun Monaten ist wenig zweckdienlich und schadet der automobilen Wertschöpfungskette
am Standort Deutschland. Zum einen wird heute bereits vielen
Spezialisten extern bei den EDL mehr bezahlt als bei den
Auftraggebern, die vielfach an ein engeres Korsett an Entgelttarifen gebunden sind. Zum anderen muss die Flexibilisierung
der Personalkapazität über Leiharbeit auch kostenseitig noch
tragfähig bleiben, insbesondere in personalintensiven Entwicklungstätigkeiten; Leiharbeit ist schon heute vielfach teurer als
die Beschäftigung von eigenen Stammentwicklern. Auch vor
diesem Hintergrund werden diese Entwicklungstätigkeiten in
Werkverträge gebündelt und im Wettbewerb vergeben, oder
diese wandern ins Ausland ab. Kurzfristig positive Entgelteffekte
für ANÜ Beschäftigte kehren sich dann um in eine Arbeitsplatzverlagerung und Arbeitsplatzverlust beim Auftraggeber.
Die Gehaltsunterschiede zwischen Stammentwicklern der
Auftraggeber und den ANÜ Beschäftigten der EDL sind im
Übrigen weit geringer als vielfach angenommen. Dieses liegt
allein schon daran, dass hochqualifizierte Ingenieure und
Techniker vergleichsweise mobil sind und ein Entgelt unter
Marktniveau deshalb nicht durchsetzbar ist. Es kann auch nicht
in der Verantwortung des Auftraggebers oder gar des Gesetzgebers liegen, mögliche begrenzte Entgeltdifferenzen in einem
Hochlohnbereich wie dem der Automobilentwicklung zu
überwinden. Eine mögliche Besserstellung der ANÜ Beschäftigten gegenüber den Werkvertragsbeschäftigten eines EDL
kann ebenfalls nicht im Interesse der beteiligten Unternehmen
sein. Statt des Gesetzgebers bedarf es hier weiterhin des
wirksamen Wettbewerbs und der Tarifpartner, die – gegebenenfalls über Öffnungsklauseln im Tarifvertrag – adäquate
Arbeits- und Entgeltbedingungen für Leiharbeitnehmer in
Entwicklungsbereichen schaffen, beispielsweise auch über
Branchenzuschläge.
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Werkvertrag – Mitbestimmung
Werkverträge bedürfen keiner Ausweitung der betriebliche
Mitbestimmung: Werkverträge sind heute der Kern der
Entwicklungsvergaben insbesondere der Automobilhersteller.
Jedwede Beschränkung oder Bedingung dieser Fremdvergaben
schränkt die unternehmerische Freiheit grundlegend ein,
verzögert die Vergabeprozesse und reduziert damit die für den
Standort existenzielle arbeitsteilige Flexibilität. Im Einzelfall
führen Mitspracherechte des Betriebsrats zu sub-optimalen
Vergaben, wenn der Betriebsrat – nachvollziehbar – seine
eigene Agenda verfolgt, mit Mitbestimmungsthemen ganz
anderer Art und gegebenenfalls von weit höherer Bedeutung.
Die Vergabe von Werkverträgen muss flexibel bleiben, um
Reaktionsfähigkeit für die Automobilentwicklung zu sichern,
insbesondere in dem schnelllebigen und dauerhaft volatilen
Marktumfeld der Automobilindustrie.
Vor dem Hintergrund der weiter zunehmenden Bedeutung der
Einbeziehung von EDL in die FuE-Wertschöpfungskette scheint
auf der Auftraggeberseite ein Informations- und Unterrichtungsrecht des Betriebsrats zu Werkverträgen geraten. In diese
Richtung orientiert sich auch der Koalitionsvertrag der Großen
Koalition. Diese Information kann aber nicht über ein jährliches
Planungsgespräch zur Werkvertragsvergabe hinausgehen,
beispielsweise anhand einer Projektübersicht über die internen
und externen Kapazitätsanteile – gegebenenfalls ergänzt
um einen jährlichen Review des abgelaufenen Geschäftsjahres
im Gesamtkontext. Dieses ergänzt dann das bereits heute
bestehende Beratungsrecht des Betriebsrats bei der Personalplanung. Eine potenzielle Meldepflicht seitens des Auftraggebers, wie viele Arbeitnehmer in Werkverträgen bei
EDL-Partnern beschäftigt sind, verstößt jedoch grundlos
gegen das Wesen des Werkvertrags.
Werkvertrag – Abgrenzung
Durch die Rechtsprechung wurden über die letzten Jahre
Abgrenzungskriterien „entwickelt“, um zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz zu
unterscheiden. Ein gar gesetzlich niedergelegter Vermutungskatalog für Scheinwerkverträge schafft nicht mehr Rechtssicherheit, ganz im Gegenteil: Nur eine Gesamtbetrachtung aller
Umstände beziehungsweise der Umsetzung eines Werkvertrags
in der betrieblichen Praxis kann zu einer Bewertung dessen
Rechtskonformität führen. Kein Vermutungskatalog kann
vollumfänglich die in der betrieblichen Praxis real anzutreffenden Zusammenarbeitsmodelle charakterisieren noch ein
zielführendes Set an Abgrenzungskriterien liefern. Dieses
schafft wiederum Auslegungsspielräume, die zu erheblicher
Rechtsunsicherheit beitragen.
Stattdessen haben alle Automobilhersteller wie auch größere
Automobilzulieferer mittlerweile – ganz im Sinne einer Selbstverpflichtung – bereits umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um
die Rechtskonformität aller Werkverträge sicherzustellen: seit
2013 werden Vergabeprozesse für Werkverträge um entsprechende arbeitsrechtliche Bewertungen und juristische Prüfungen ergänzt. Führungskräfte aller Führungsebenen werden
umfangreich hinsichtlich werkvertragskonformer Leitplanken
geschult. Während der Durchführung der Werkvertragsarbeiten
werden diese stichprobenartig über Begehungen und externe
Audits auf Vertrags- und Rechtskonformität überprüft.
Gerade in der Automobilentwicklung müssen Werkverträge
einer Gesamtbetrachtung der Zusammenarbeit zwischen
Auftraggeber und EDL unterliegen. So geht beispielsweise eine
strikte Regelung der räumlichen und organisatorischen
Separierung an den prozessualen Notwendigkeiten der
Automobilentwicklung vorbei: es muss auch weiterhin für den
EDL möglich sein, bestehende Infrastruktur des Auftraggebers,
beispielsweise Entwicklungsprüfstände, on-campus auf der
Kundenfläche uneingeschränkt zu nutzen. Neu- oder Doppelinvestitionen sind unwirtschaftlich und durch die eher mittelständisch geprägten EDL nicht finanzierbar. Ansonsten fördert
das den weiteren Konzentrationsprozess in der EDL Branche,
und viele kleinere EDL überleben nicht.
Mögliche Scheinwerkverträge sind auf Basis der bestehenden
gesetzlichen Regelungen selbstverständlich zu sanktionieren.
Weder praktikabel noch zweckdienlich ist es jedoch, die
Verantwortung für Werkvertragskonformität bei Subbeauftragungen seitens des EDL auch beim auftraggebenden
­Automobilhersteller oder -zulieferer zu verankern. Ähnlich
kann es auch kein Organisationsverschulden geben, wenn
nachweislich umfassende organisatorische Vorkehrungen
gegen einzelfallbezogenen, individuellen Missbrauch eines
Werkvertrags getroffen wurden.
Fazit
Gerade Werkverträge müssen auch zukünftig ein wirksames
Mittel zur arbeitsteiligen und effizienten Automobilentwicklung
bleiben. Sie dienen insbesondere auch der Beschäftigung in
strukturschwächeren Regionen Deutschlands, wenn eine
vor-Ort-Präsenz in Nähe des Auftraggebers nicht durchgängig
erforderlich ist. Dieses wird umso wichtiger, wenn an den
Entwicklungsstandorten der Automobilhersteller – ob Ingolstadt, Köln, München, Rüsselsheim, Stuttgart oder Wolfsburg
– und vieler Automobilzulieferer weiterhin eine solch hohe
Ingenieursknappheit herrscht wie aktuell.
Daneben muss Arbeitnehmerüberlassung als zweckdienliches
Mittel des Kompetenz- und Kapazitätszugangs praxistauglich
erhalten bleiben. Das Vertragsmodell der Arbeitnehmerüberlassung bedarf statt weiterer Einschränkungen – wie
beispielsweise einer Begrenzung der Überlassungshöchstdauer
auf 18 Monate –, moderner Regelungen, die sich auch an
den zukünftigen Herausforderungen und Anforderungen der
Automobilentwicklung ausrichten. Nur so lässt sich die Attraktivität der Arbeitnehmerüberlassung als wichtiges Flexibilisierungsinstrument in arbeitsteilig zu organisierenden Entwicklungsprojekten der Automobilindustrie wieder steigern. Der
Weg in Richtung Werkverträge und weg von Arbeitnehmerüberlassung vernichtet EDL Arbeitsplätze schon jetzt. Statt die
„Daumenschrauben“ weiter anzuziehen, ist der Gesetzgeber
hier aufgefordert, wieder attraktive Rahmenbedingungen für
Arbeitnehmerüberlassung zu schaffen, die die Tarifpartner
wie auch die Sozialpartner in den Betrieben individuell nutzen
können.
Der Gesetzgeber muss hier sicherstellen, dass Automobilunternehmen über individuelle, für die Automobilentwicklung
passende Betriebsvereinbarungen ein eigener Weg ermöglicht
wird. Mit dem heute geltenden deutschen Betriebsverfassungsgesetz hat der Gesetzgeber eine sorgfältig abgewogene
Balance zwischen Mitbestimmungsrechten auf der einen Seite
37
und der Unternehmerfreiheit auf der anderen Seite gefunden.
Dieses Betriebsverfassungsgesetz ist im internationalen
Wettbewerb der Automobilnationen ein klarer Wettbewerbsvorteil, der nicht durch neue, einschränkende Gesetzgebung
ausgehebelt werden darf. Die unternehmerische Gestaltungsfreiheit muss deshalb unangetastet bleiben, gerade in einem
Bereich hoch qualifizierter und hoch entlohnter Entwicklungstätigkeiten.
Eine arbeitsteilige Automobilentwicklung schafft bei den
Auftraggebern gerade die Möglichkeit, unternehmensintern die
hochwertigsten und wettbewerbsdifferenzierenden Entwicklungsaufgaben zu übernehmen, d. h. auch die Zukunftsthemen
personell mit Stammpersonal aufzubauen. Über ergänzende
Entwicklungsdienstleistung lassen sich diese Themen zudem
schneller und zielgerichteter adressieren. Diese Form der
personellen Flexibilität im Zusammenspiel mit EDL trägt
wesentlich zur Attraktivität der Automobilindustrie für den
Ingenieurs- und Fachkräftenachwuchs bei.
Einer Diskriminierung oder gar Kriminalisierung von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung, wie sich diese in der
politischen und öffentlichen Diskussion immer wieder zeigt, ist
deshalb eine klare Absage zu erteilen. Ganz im Gegenteil:
insbesondere in den Jahren der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise, 2008 und 2009, war diese arbeitsteilige Zusammenarbeit ein wesentlicher Garant dafür, dass in den Entwicklungsabteilungen der Automobilhersteller und -zulieferer kein
Stammpersonal entlassen werden musste. Die Automotive EDL
waren hier weit besser in der Lage, die bestehenden Personalkapazitäten wirksam zu steuern. Werkvertragsbeschäftigte wie
auch ANÜ Beschäftigte sind nicht Arbeitnehmer zweiter oder
gar dritter Klasse; sie sind sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, haben dieselben Rechte und genießen den gleichen
Schutz wie andere Arbeitnehmer auch.
Die deutsche Automobilindustrie bekennt sich zum Entwicklungsstandort Deutschland: auch in Zukunft wird Deutschland
einen gewichtigen Beitrag zur Innovationsfähigkeit als führende
Automobilnation leisten. Die passenden arbeitsrechtlichen
Rahmenbedingungen sind hier notwendige Bedingung, und
diese gilt es mit Blick auf die Bedeutung der Automotive FuE in
Deutschland zielgerichtet und im Interesse aller Beteiligten
konstruktiv weiterzuentwickeln. Eine mögliche Überregulierung
durch den Gesetzgeber schafft keine neuen Arbeitsplätze,
sondern beschädigt die arbeitsteilig organisierte Automobilentwicklung nachhaltig, wenn damit Arbeitnehmerüberlassung
wie Werkvertrag für die überbetriebliche Zusammenarbeitspraxis obsolet werden.
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Danksagung
Der Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) und Berylls
Strategy Advisors bedanken sich bei den Gesprächspartnern
aus dem Top Management führender deutscher Automobilhersteller und Automobilzulieferer, die durch die fachlichinhaltliche Diskussion der Automotive Engineering- und
Fremdleistungs-Perspektiven wesentliche Impulse für diese
Studie gegeben haben.
Die Autoren bedanken sich zudem bei den an dieser Studie
beteiligten Entwicklungsdienstleistern, namentlich:
•AVL List GmbH
•Benteler Engineering Services GmbH
•Bertrandt AG
•EDAG Engineering AG
Diese Automobilhersteller und Automobilzulieferer sind:
•FEV Group
•Adam Opel AG
•IAV GmbH
•Audi AG
•MAGNA STEYR Engineering AG & Co. KG
•BMW AG
•MAHLE Powertrain Ltd.
•Continental AG
•MBtech Group
•Daimler AG
•M Plan
•GETRAG Getriebe- und Zahnradfabrik
Hermann Hagenmeyer GmbH & Cie KG
•MVI Group
•Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
•Schaeffler Engineering GmbH
•Robert Bosch GmbH
•Semcon Deutschland
•R LE INTERNATIONAL Produktentwicklungsgesellschaft mbH
•Schaeffler AG
•ZF Friedrichshafen AG
Studienautoren
Christian Kleinhans
Partner und Co-Founder
Berylls Strategy Advisors GmbH
München.
Tobias Neidl
Leiter Information Research
Berylls Strategy Advisors GmbH
München.
Andreas Radics
Partner und Co-Founder
Berylls Strategy Advisors GmbH
München
Ansprechpartner:
Christian Kleinhans
Maximilianstraße 34
80539 München
[email protected]
tel.: +49 (0) 89 710 410 400
Berylls Strategy Advisors GmbH
Berylls Strategy Advisors ist eine auf die Automobilindustrie
spezialisierte Top-Managementberatung, die von erfahrenen
Automotive Partnern im Mai 2011 gegründet wurde.
Gemeinsam mit Kunden – Automobilherstellern,
Automobilzulieferern, Engineering-Dienstleistern, Ausrüstern
sowie Investoren – arbeiten die Strategieberater an Antworten
zu den zentralen Herausforderungen der Automobilindustrie
bei Strategie, Mergers & Acquisitions und PerformanceSteigerung. Berylls‘ Beratungsteams zeichnen sich durch
langjährige Erfahrung, fundiertes Wissen sowie innovative,
umsetzungsstarke Lösungen aus. Durch strategische und
projektbezogene Kooperationen mit führenden Mobilitäts- und
Engineering-Dienstleistern erzielt Berylls weitere Vorteile bei
Technologie-Kompetenz, Automobil-Marktverständnis und
Kundennetzwerken.
39
VDA-Schriftenreihe
„Materialien zur Automobilindustrie“
Die Ausgaben Nr. 01 bis Nr. 36 sind leider vergriffen
Nr. 01 Logistischer Prozess in der Automobil-Zulieferindustrie
Reinhard Hansen, 1993
Nr. 02 Kooperation zwischen deutschen und chinesischen
Automobilzulieferunternehmen
Ralf Herkenhoff / Günter Poser, 1994
Nr. 03 China eine Chance für die deutsche Automobilindustrie
Dokumentation der VDA-Veranstaltung am 9.5.1994
Nr. 04 Wirtschaftsverkehr in Städten
Quantifizierung und Rationalisierungsmöglichkeiten unter
besonderer Berücksichtigung des Handels
Lars Reinkemeyer, 1994 Nr. 05 Just in Time in der Automobilindustrie
Anwenderhandbuch, 1995 Nr. 06 Das Potenzial der Lean-Techniken in der Kraftfahrzeugwirtschaft
Aktuelle Entwicklungen der Material-Logistik in Theorie und Praxis
G. Bot, T. Christ, B. Suchanek (Hrsg.), 1995 Nr. 07 Das Verkehrswesen in der Volksrepublik China
Günter Poser, Marcus Reeg, 1995 Nr. 08 Transitverkehre auf Fernstraßen in der Bundesrepublik Deutschland
Hans-Paul Kienzier, Thomas Selz, Wolfgang Schuler,
Alexandra Kessel, 1996 Nr. 09 Tag der Zulieferer / China-Tag auf der 56. Internationalen
Automobil-Ausstellung (IAA) Personenkraftwagen am 20.9.1995
Dokumentation, 1996 Nr. 10 Koordinationsstrategien in der Nahverkehrslogistik
Stefan Pfeiffer, 1996 Nr. 11 Wegerechnung für in- und ausländische Fahrzeuge des
Straßenverkehrs in Deutschland 1994
Gerd Aberle, Andreas Brenner, 1997 Nr. 12 Innovationen am Nutzfahrzeug-Beiträge der deutschen
Zulieferindustrie
Tag der Zulieferer auf der 56. Internationalen Automobil-Ausstellung
Nutzfahrzeuge am 26.9.1996
Dokumentation, 1997 Nr. 13 Vorbereitungen der deutschen Automobilindustrie auf dem Weg
zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion
Dokumentation einer Informationstagung des VDA am
20.2.1997 in Frankfurt am Main Nr. 14 Zur Wettbewerbssituation der ostdeutschen Automobilzulieferunternehmen
Dr. Helmut Becker, 1998 40
A U TO M OT I V E E N T W I C K L U N G S D I E N S T L E I S T U N G – Z U K U N F T S S TA N D O R T D E U T S C H L A N D
Nr. 15 Vorbereitungen der deutschen Automobilindustrie auf dem
Weg zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion
Dokumentation der VDA-Euro-Tagung ’98 am 28.5.1998
Nr. 16 Kapazitätsauslastung und Leerfahrten im Gütertransport
Kessel + Partner, Transport Consultants, 1998 Nr. 17 Vorausschätzung der Transport- und der Fahrleistung
des Straßengüterverkehrs in Deutschland bis zum Jahr 2015
ifo Institut Nr. 18 Innovations in the Commercial Vehicle Industry
Technical Congress at the 57th IAA Commercial Vehicles Nr. 19 Bewertung des selektiven Vertriebssystems in der
Automobilindustrie aus gesamtwirtschaftlicher Sicht
Fakten und Argumente
Dr. Helmut Becker, 1998 Nr. 20 Profitable Wachstumsstrategien in der Automobilzulieferindustrie
McKinsey & Company, Inc /Institut für Kraftfahrwesen Aachen (ika) Nr. 21 Entwicklung der Fahrleistungen und Emissionen des
Straßengüterverkehrs 1990 bis 2015
ifeu Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg Nr. 22 Auswirkungen der globalen Marktveränderungen auf die
Unternehmensgrößenstruktur in der Automobilzulieferindustrie
IWK Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation
Dr. Helmut Becker Nr. 23 Unternehmerische Chancen und Herausforderungen
durch die Mechatronik in der Automobilzulieferindustrie Nr. 24 Das Nutzfahrzeug im 21. Jahrhundert
Internationaler Presse-Workshop, 5. Juli 2000 in Frankfurt/Main
im Vorfeld der 58. IAA Nutzfahrzeuge 2000
Redebeiträge Nr. 25 Marketing und E-Commerce
Ein neues Bild der Automobilzulieferer entsteht Nr. 26 Erfolgsstrategien in der mittelständischen Automobilzulieferindustrie
RölfsPartner Management Consultants
Center of Automotive Research Fachhochschule Gelsenkirchen Nr. 27 Zukunft des Automobil-Standorts Deutschland
CAR Center of Automotive Research
PricewaterhouseCoopers Nr. 28 Ladungssicherung zwischen Innovation und Praxis
59. IM Nutzfahrzeuge 2002 Hannover, Donnerstag, 19. September
2002. Gemeinschaftsveranstaltung von: Bundesverband
Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. und
Verband der Automobilindustrie (VDA) 41
Nr. 29 Entwicklung der Aufbauarbeiten von Lkw und Anhängern
in Deutschland Nr. 30 HAWK 2015 Wissensbasierte Veränderung der automobilen
Wertschöpfungskette
McKinsey & Company Nr. 31 Die transaktionsbasierte Veränderung der Automobilindustrie
Status und Ausblick
PricewaterhouseCoopers Nr. 32 Future Automotive Industry Structure (FAST) 2015 – Die neue
Arbeitsteilung in der Automobilindustrie
Mercer Management Consulting in Zusammenarbeit mit dem
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
und dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik Nr. 33 Nutzfahrzeuge: Mobile Zukunft
Dokumentation der IAA-Fachsymposien zur 60. IAA
Nutzfahrzeuge in Hannover Nr. 34 Entwicklungspotenziale der Financial Services im Automobilgeschäft
Dokumentation der IAA-Veranstaltung zur 61. IAA PKW
in Frankfurt am Main Nr. 35 Die Zukunft des Verkehrs
Dokumentation der IAA-Symposien „Mobilität 2030“ sowie
„Zukünftige Finanzierung des Verkehrs“
Nr. 36 Financial Services in der Automobilwirtschaft
Eine Studie im Auftrag des Verbandes der
Automobilindustrie (VDA) Nr. 37 Neue Wege der Mittelstandsfinanzierung
Dokumentation des VDA-Workshops am 14. Juni 2006 in
Frankfurt am Main 35,–
Nr. 38 Financial Services im Nutzfahrzeuggeschäft
Dokumentation der IAA-Veranstaltung zur 61. IAA
Nutzfahrzeuge in Hannover 21,–
Nr. 39 Deutsche Automobilzulieferer 2018: Unverändert mittelständisch
Studie der IKB Deutsche Industriebank AG 35,–
Nr. 40 Innovationsstrategien erfolgreicher Automobilzulieferer
Studie der Forschungsgemeinschaft für Außenwirtschaft, Strukturund Technologiepolitik (FAST) 40,–
Nr. 41 Perspektiven für die Automobilindustrie in den ASEAN-Staaten
Gemeinschaftsstudie von VDA und MANAGEMENT ENGINEERS
35,–
42
A U TO M OT I V E E N T W I C K L U N G S D I E N S T L E I S T U N G – Z U K U N F T S S TA N D O R T D E U T S C H L A N D
Nr. 42 Money vs. Technology
Wie die Finanz- und Absatzkrise sowie der technologische Wandel
die Zulieferwirtschaft verändern wird
Studie von Deloitte und IHS Global Insight 60,–
Nr. 43 Automobilindustrie und Mobilität in China:
Plan, Wunsch und Realität
Strategien und Perspektiven für den größten
Automobilmarkt der Welt
Studie von PricewaterhouseCoopers 60,–
Nr. 44 Zukunft der Automobilzulieferer
Zukunft der Automobilindustrie
Was bringt der Strukturwandel für die Automobilzulieferer?
Bericht der IW Consult GmbH Köln und des Instituts der
deutschen Wirtschaft 35,–
Nr. 45 FAST 2025
Future Automotive Industry Structure
Eine Studie von Oliver Wyman
60,–
Nr. 46 Better Together
Zusammenarbeit in der Nutzfahrzeugbranche
Eine Studie der MBtech
50,–
Nr. 47 Global Truck Industry
Perspectives towards 2030
Eine Studie der A. T. Kearney study
50,–
Nr. 48 Automotive Entwicklungsdienstleistung
Zukunftsstandort Deutschland
Eine Studie des Verbands der Automobilindustrie e. V. (VDA)
in Zusammenarbeit mit Berylls Strategy Advisors GmbH
30,–
VDA
Verband der Automobilindustrie e.V.
Behrenstraße 35
10117 Berlin
Tel. 030 89 78 42-0
Fax030 89 78 42-600
[email protected]
www.vda.de

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