Die heiligen Berge Jerusalems. Erinnerungsträger

Transcrição

Die heiligen Berge Jerusalems. Erinnerungsträger
Technische Universität Berlin
D83
Die heiligen Berge Jerusalems.
Erinnerungsträger dreier Weltreligionen
vorgelegt von
Kerstin Zevallos Padilla
von der Fakultät I Geisteswissenschaften
der Technischen Universität Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Dr. phil.
genehmigte Dissertation
Promotionsausschuss:
Vorsitzende: Professor Dr. Dagmar Thorau
Gutachter:
Professor Dr. Werner Dahlheim
Professor Dr. Wolfgang Radtke
Datum der wissenschaftlichen Aussprache: 10. Juni 2008
Berlin 2008
Abstract
Die heiligen Berge Jerusalems dienen als zentrale Erinnerungsträger der drei
großen monotheistischen Weltreligionen. Judentum, Christentum und Islam
belegen sie bis heute mit einer großen symbolischen Sinndichte. Die heiligen
Berge sind nicht nur Zeugen der Präsenz und des Wirkens Gottes, liturgische
und kultisch bedeutsame Stätten, identitätsstiftende Symbole, sondern gleichzeitig auch Kulisse und Ereignisort unzähliger historischer Begebenheiten.
Die Geschichte des jüdischen Volkes ist untrennbar mit dem Tempelberg
und Zion verbunden. So ist in der jüdischen Tradition der Zion nicht nur der
Wohnsitz Gottes und der Ort des jüngsten Gerichts, sondern er steht für die
Idee einer eigenen Staatlichkeit. Der Tempelberg, auf dem einst das Allerheiligste beheimatet war, ist das zentrale Heiligtum jüdischen Glaubens. Die
Christen begreifen die Wirkstätten Jesu als heilige Orte in Jerusalem und ehren
deswegen die Kreuzigungsstätte Golgatha und den Ölberg als erfahrbaren
Raum in der Topographie der heiligen Stadt. Während sie die Zionstheologie in
vielfältiger Weise übernahmen und der Berg Zion im Stadtbild als Erinnerungsort der Urgemeinde neu verortet wurde, galt ihnen der Tempelberg nach der
Zerstörung des Heiligtums als Mahnmal der Worte des Gekreuzigten. Anders
als das Christentum eignete sich der Islam nach der Eroberung Jerusalems nur
einen Ort als heilige Stätte an und fand, trotz der Übernahme einer Vielfalt
jüdischer und christlicher Traditionen, einen eigenen Zugriff auf den Berg, den
einst der Tempel gekrönt hatte: die Himmelfahrt des Propheten.
Die Arbeit untersucht die Anfänge der symbolischen Belegung der heiligen
Berge in Jerusalem; die Erinnerungsorte des frühen Christentums stehen dabei
im Mittelpunkt. Eine Betrachtung der jüdischen Überlieferung wird als Grundlage vorangestellt, und ein Ausblick auf die islamische Vereinnahmung eines
den drei Religionen gemeinsamen Erinnerungsortes dient in einem abschließenden Teil als Vergleich.
2
Schlagworte: Jerusalem, Erinnerungsort, Erinnerungen, religiöses Erinnern, Erinnerungsträger, Antike, Religionen, altes Israel, frühes Christentum, Ausbreitung des Islam,
Altes Testament, Neues Testament, Evangelien, Koran, Pilger, Pilgerberichte, heilige
Berge, heilige Stätten, Zion, Golgatha, Ölberg, Tempelberg,, Tempel, Grabeskirche, Felsendom, Al-Aqsa Moschee, David, Salomo, Josija, Abraham, Jesus, Paulus, Konstantin,
Helena, Pilger von Bordeaux, Egeria, Omar, Abd al-Malik, Al-Walid
3
Abstract
To this day, the holy mountains of Jerusalem are the most important sacred
places for the three monotheistic world religions. For varying reasons, Jews,
Christians and Muslims view them as places, which play an important role in
their belief. In the Jewish tradition, Zion is not only home to Jahwe and the
setting for the Last Judgement, but also symbolizes the idea of a Jewish statehood. The Temple Mount, on which the edifices of worship, housing the Holiest of Holies, once stood, is the central most sacred place of the Jewish faith.
Christianity, seeing not only the Temple Mount but also the locations of Jesus‘s activities as holy places and therefore especially honouring Golgotha as a
space to be experienced in the topography of the holy city, has also taken in the
theology of Zion in various ways. The written tradition of the Jewish religion,
and the idea of the heavenly Jerusalem with a judging God enthroned on mount
Zion, is at the same time established and transcended in Christian belief. Zion
became a concept which, when no longer bound to a real place, could be transferred to groups of believers and their respective countries.
The Islamic religion also incorporated the holy sites of the older religions
after conquering Jerusalem. Although the youngest of the abrahamitic religions
borrowed many legends and characters from the Jewish tradition, it nevertheless created its own myth concerning the mountain which had once been
crowned with the Temple: the ascent of Mohammed to the heavens.
The holy mountains of Jerusalem unite many meanings in themselves. To
this day they survive as spiritual, religious and cultural centres of three religions; to this day the conflicts survive as well, which result from the diversity of
overlapping traditions of the sacred spaces. This work aims at an examination
of the beginnings of the symbolic charging of the holy mountains in Jerusalem.
While the Christian places of memory are the center point of this study, an
analysis of the Jewish Tradition as religious and historical background will be
put first and a comparison with the Islamic concept of Jerusalm will conclude
it.
4
Keywords: Jerusalem, places of memory, memories, religious memory, carrier of memory, antiquity, religions, ancient Israel, early Christians, Islam, Old Testament, New Testament, Gospels, Koran, pilgrims, pilgrim itinerary, holy mountains, holy places, Zion,
Golgotha, Mount of Olives, Templemount, Temple, Church of the Holy Sepulchre,
Dome of the Rock, Al-Aqsa Mosque, David, Solomon, Josiah, Abraham, Jesus, Paul,
Constantine, Helena, Bordeaux Pilgrim, Egeria, Omar, Abd al-Malik, Al-Walid
5
Danksagung
Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. W. Dahlheim für die Bereitschaft, mich den
Weg zu den Ursprüngen der heiligen Berge Jerusalems gehen zu lassen und die
Geduld und Strenge, mit der er jeden Ausflug meines Geistes wieder auf das
Wesentliche zu lenken wusste.
Für die Übernahme des Zweitgutachtens danke ich Herrn Prof. Dr. W. Radtke,
dessen Zuspruch mir Selbstvertrauen geschenkt hat.
Ein besonderer Dank gilt meiner Korrektorin Sabine Freund, die mit viel Geduld und Feingefühl den Entstehungsprozess dieser Arbeit begleitet hat und
meinem Mann Alejandro, ohne dessen Zuspruch, Anteilnahme und Liebe diese
Dissertation nicht entstanden wäre.
Berlin, November 2008
6
„Die auf den HERRN hoffen, werden nicht fallen, sondern ewig bleiben wie der Berg
Zion. Wie um Jerusalem Berge sind, so ist der HERR um sein Volk her von nun an bis
in Ewigkeit.“ Ps 125,1-2
7
Inhalt
Abstract ...............................................................................................................2
Abstract ...............................................................................................................4
Danksagung.........................................................................................................6
Inhalt ...................................................................................................................8
Einleitung ..........................................................................................................10
A.
Zion ...........................................................................................................15
I.
1.
Gründer. David und Salomo.................................................................. 19
Davids Aufstieg.................................................................................23
2.
Die Burg Zion – Davids Stadt...........................................................27
3.
Die Sesshaftwerdung Gottes .............................................................31
Die Bundeslade .....................................................................................31
Der Weltenschöpfer auf dem Gottesberg..............................................33
4.
Das Haus David.................................................................................35
Die Natanverheißung ............................................................................35
Zion und David .....................................................................................39
5.
Salomo ..............................................................................................39
6.
Der Tempel........................................................................................42
Der Bau des Tempels ............................................................................42
Das Allerheiligste..................................................................................46
Zion und Salomo ...................................................................................48
7.
Zion – heiliger Berg der Könige .......................................................49
1.
Theologen und Visionäre ...................................................................... 51
Abraham. Der Patriarch ....................................................................52
2.
Jesaja. Der Prophet............................................................................56
3.
Josija. Der König...............................................................................64
4.
Zion in den Psalmen..........................................................................68
II.
B.
III. Conclusio............................................................................................... 71
Zwischen Tempelberg und Schädelstätte..................................................74
I.
Die Ausweitung des Heiligen. Jerusalem im Neuen Testament ........... 76
1. Der Messias im Tempel ....................................................................81
2.
Tempelreinigung und Tempelwort....................................................85
3.
Golgatha ............................................................................................90
8
Die Kreuzigung .....................................................................................90
Das leere Grab.......................................................................................94
4.
Der christliche Zion und das himmlische Jerusalem.........................96
5.
Die heiligen Berge der Christen......................................................102
1.
Die Entstehung des christlichen Jerusalems........................................ 105
Die Zeit der Verfolgung ..................................................................110
2.
Der christliche Siegeszug................................................................119
II.
Konstantin und das Christentum .........................................................119
Die Grabeskirche.................................................................................122
3.
Die Legende vom Kreuz und der Aufstieg Golgathas ....................129
4.
Die christliche Topographie der heiligen Stadt...............................136
Die Etablierung der heiligen Stätten ...................................................136
Der Ölberg...........................................................................................140
Der christliche Zion.............................................................................142
5.
Pilger, Kirchenväter und die heilige Stadt ......................................145
Die christliche Wallfahrt .....................................................................145
Der Pilger von Bordeaux.....................................................................146
Egeria ..................................................................................................148
Die Frömmigkeit der Pilger und die Kritik der Kirchenväter .............152
C.
III. Conclusio............................................................................................. 156
Al-Quds ...................................................................................................160
Anhang ............................................................................................................174
Quellenverzeichnis..........................................................................................174
Literaturverzeichnis.........................................................................................176
Abbildungsnachweise .....................................................................................193
9
Einleitung
„Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte. Meine Zunge soll an
meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse
Jerusalem meine höchste Freude sein.“ Ps 137,5-6
Jerusalem gilt drei Weltreligionen als heiliger Ort und die Berge der im judäischen Hochland gelegenen Stadt bestimmen nicht nur ihren Anblick, sondern
sie dienen Judentum, Christentum und Islam als bedeutungsvolle Kristallisationspunkte religiösen Gedenkens. Zion und Tempelberg, Ölberg und Golgtha,
die heiligen Berge Jerusalems, wurden in der Geschichte dieser besonderen
Stätte zu mächtigen Erinnerungsorten, deren Kraft bis heute anhält.
Erinnerungsorte sind Zeugen und Kulissen vergangener Wirklichkeiten, Orte der individuellen Erinnerung einzelner Personen, Orte des kollektiven Gedenkens einer Familie, einer Glaubensgemeinschaft oder Nation. Jenseits der
seit der Antike überlieferten mnemotechnischen Wirksamkeit des räumlichen
Erinnerns ist es eine rein menschliche Erfahrung, bedeutende Ereignisse der
Vergangenheit mit der Stätte ihres Geschehens zu verbinden.1 Dem Ort kommt
dabei eine zweifache Funktion zu: Er verkörpert die irdische Realität, die der
vergangenen Wirklichkeit sinnliche Erfahrbarkeit verleiht, und hält durch seine
bloße physische Anwesenheit das zu Erinnernde präsent.
Das religiöse Empfinden des Menschen vermag einzelnen Erinnerungsorten
eine Fülle von Bedeutungen zuzuweisen. Heilige Stätten gelten als Orte göttlicher Präsenz, erinnern an Wunder und Offenbarungen oder verweisen auf die
Versprechen einer zukünftigen Heilszeit. Sie werden zu Räumen andächtiger
Anbetung und kultischer Verehrung, zu liturgischen Zentren oder Werkzeugen
in den Händen der Mächtigen, die sich des Heiligen zu bedienen wissen. Dabei
ist es in der alten Welt oft die Natur, sind es Quellen, Haine und besonders
Berge, die den Glauben an Göttliches inspirieren, die Existenz des Jenseitigen
1
Vgl. dazu u.a. Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische
Identität in frühen Hochkulturen, 5. Aufl., München 2005, S. 29ff.
10
nahe legen und an denen eine Verbindung zu den himmlischen Sphären wie der
Unterwelt verortet wird.2
So kennt auch die biblische Überlieferung den Berg als Ort entscheidender
Ereignisse des Heilsgeschehens, und sowohl die jüdische als auch die christliche und islamische Tradition etablierten besonders die Berge Jerusalems als
zentrale, heilige Erinnerungsorte.3 Diese heiligen Berge und das Zustandekommen ihrer Wirkmacht als religiöse Erinnerungsorte mit einer außergewöhnlichen, bis heute andauernden Präsenz in den Gedächtnisgemeinschaften
des jüdischen, christlichen und islamischen Glaubens sind der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit.
Seit Beginn der Erforschung des kollektiven Gedächtnisses ist immer wieder die Kraft einzelner Orte für das menschliche Erinnern untersucht worden.
Schon in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts galt dem französischen Soziologen Maurice Halbwachs, dessen Thesen über die soziale Bedingtheit des menschlichen Gedenkens Grundlage der späteren Forschung wurden, die christliche Überlieferung zu den heiligen Stätten Israels als beispielhaft für das kollektive Erinnern und dessen Funktionsweisen.4 Seitdem ist über das kollektive
Gedächtnis viel geschrieben worden,5 den Begriff des Erinnerungsortes prägte
2
Vgl. etwa Richard J. Clifford: The Cosmic Mountain in Canaan and the Old Testament, Cambridge, Mass. 1972, S. 12ff. Paul Huber: Heilige Berge. Sinai, Athos, Golgota – Ikonen, Fresken, Miniaturen, Zürich/Einsiedeln/Köln 1980, S. 9. Mircea Eliade: Das Heilige und das Profane. Vom Wesen des Religiösen, aus d. Franz. v. Eva Moldenhauer, Frankfurt a.M./Leipzig
1998, S. 36f.
3
Horst und Ingrid Daemmrich: s.v. Berg, in: Themen und Motive in der Literatur. Ein Handbuch, 2. erw. u. überarb. Aufl., Tübingen/Basel 1995, S. 72-74; hier S. 72f., bemerken dazu:
„In der hebräisch-christlichen Überlieferung ist der Berg der Ort der Begegnung mit dem Göttlichen. Auf dem Berg wird der Wunsch nach transzendenter Erleuchtung erfüllt. Hier enthüllt
sich Gott seinem Volk; hier wird Jesus versucht und schließlich verklärt (Sinai, Ararat, Berg
Gottes, Ölberg, Kalvarienberg).“
4
Maurice Halbwachs: Das kollektive Gedächtnis, aus d. Franz. übers. v. Holde LhoestOffermann, Stuttgart 1967. Ders.: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, aus d.
Franz. übers. v. Lutz Geldsetzer, Frankfurt a.M. 1985. Ders.: Stätten der Verkündigung im
heiligen Land. Eine Studie zum kollektiven Gedächtnis, hg. u. aus d. Franz. übers. v. Stephan
Egger, Konstanz 2003.
5
Jan und Aleida Assmann griffen Ende der 80er Jahre die Thesen von Halbwachs zu der kollektiven und kulturellen Bedingtheit des Gedächtnisses auf und entwickelten diese weiter. Vgl.
etwa Jan Assmann: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Kultur und Gedächtnis,
hg. v. Jan Assmann und Tonio Hölscher, Frankfurt a.M. 1988, S. 9-19. Ders.: Religion und
kulturelles Gedächtnis. Zehn Studien, 2. Aufl., München 2004. Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 1999. Seitdem ist in
den verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen viel Literatur zu den Themen Erinnerung, kollektives Gedächtnis, Gedenken und Vergessen erschienen. Einen umfassenden Über-
11
jedoch erst der französische Historiker Pierre Nora, der in den Jahren 1984 bis
1993 ein siebenbändiges Werk mit dem Titel Les Lieux de mémoire zu den
Gedächtnisorten Frankreichs herausgab.6 Nora transzendiert darin den herkömmlichen Ortsbegriff, indem er den Gedächtnisort als Objekt definiert, an
dem sich das Gedächtnis einer Gruppe in besonderer Weise herausbilde. Er
benennt neben topographischen Orten auch Embleme und Gedenkfeiern, Devisen und Rituale, „... Texte, die Neues schufen und eine Tradition begründeten
wie die Erklärung der Menschenrechte oder der napoleonische Code civil, ...“7
Erinnerungsorte, seien sie realer oder symbolischer Natur, wirken als Anhaltspunkte des kollektiven Gedächtnisses.8 Betrachtet man dieses Phänomen
bei heiligen Stätten, erkennt man, dass ein ursprünglich topographischer Ort
durch semantische Aufladung zum Gedächtnisort werden kann, der auch gelöst
vom tatsächlichen Raum weiterbesteht.9 Erinnerungsorte dienen einer Gemeinschaft als Medien des Gedächtnisses. Zwar bleibt ein topographischer Ort still
ohne Geschichte, braucht er Texte, Mythen, Rituale, um Erinnerung zu transportieren, doch stehen ihm diese zur Seite, überträgt sich seine materielle
Langlebigkeit, die schiere Dauer seiner Präsenz auf die mit ihm verbundenen
Gedächtnisinhalte.10
Ein realer Ort mit einer starken Geschichte ist deshalb ein guter Zeuge.
Wird er zum Erinnerungsort, entfaltet er seine Wirkung auch jenseits seiner
blick über Themen, Schwerpunkte, Forschungsrichtungen und die in den letzten Jahren erschienene Literatur gibt Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine
Einführung, Stuttgart/Weimar 2005. Vgl. außerdem zu der kulturwissenschaftlichen Wende
des spatial turn Doris Bachmann-Medick: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Hamburg 2006, S. 284-328.
6
Pierre Nora (Hg.): Les Lieux de mémoire, 7 Bde., Paris 1984-1993.
7
Pierre Nora: Zwischen Geschichte und Gedächtnis, aus d. Franz. übers. v. Wolfgang Kaiser,
Frankfurt a.M. 1998, S. 7.
8
Vgl. dazu auch Etienne François/Hagen Schulze (Hgg.): Deutsche Erinnerungsorte, Bd. I,
München 2001, S. 18: „Erinnerungsorte sind sie nicht dank ihrer materiellen Gegenständlichkeit, sondern wegen ihrer symbolischen Funktion. Es handelt sich um langlebige, Generationen
überdauernde Kristallisationspunkte kollektiver Erinnerung und Identität, die in gesellschaftliche, kulturelle und politische Üblichkeiten eingebunden sind und die sich in dem Maße verändern, in dem sich die Weise ihrer Wahrnehmung, Aneignung, Anwendung und Übertragung
verändert.“
9
Vgl. dazu J. Assmann, 2005, S. 39: „Das Gedächtnis braucht Orte, tendiert zur Verräumlichung. … Gruppe und Raum gehen eine symbolische Wesensgemeinschaft ein, an der die
Gruppe auch festhält, wenn sie von ihrem Raum getrennt ist, indem sie die heiligen Stätten
symbolisch reproduziert.“
10
A. Assmann, 1999, S. 21; 299f.
12
materiellen Existenz und gerade die Verbindung mit dem Göttlichen erschafft
Orte, deren Macht für das kollektive Gedächtnis sich weit über rein räumliche
oder zeitliche Einflussbereiche hinaus erstreckt. Die unterschiedlichen Bedeutungsebenen heiliger Stätten können dabei von verschiedenen Medien transportiert werden. Die heiligen Berge Jerusalems als Erinnerungsorte überdauern als
tatsächliche Orte, als Orte des Heilsgeschehens, als Kulisse desselben, als
Schauplätze weltlichen Geschehens und als Zeugen des historischen, sie überdauern in kanonisierten Schriften, als Idee, Konzept, durch Texte und Theologie. Sie bestehen fort in Ritualen, in denen das an ihnen Geschehene liturgisch
wiederholt wird, es stets erneut vorgetragen, vorgelesen und gemeinsam erinnert wird.
Die Entstehung der heiligen Berge Jerusalems als Erinnerungsorte verweist
immer wieder auf die Ereignisgeschichte der Stadt und der sie umgebenden
Völker und Staaten. Doch eine historische Rekonstruktion der Entwicklung
heiliger Stätten folgt nicht zwangsläufig der ereignisgeschichtlichen Chronologie, sondern bemüht sich um eine Darstellung derjenigen Faktoren und Ereignisse, die dazu führten, dass bestimmten Orten eine Fülle religiöser Bedeutungen zugesprochen wurden. Die heiligen Berge dienen dabei der vorliegenden
Untersuchung sowohl innerhalb der Geschichte als auch innerhalb der Topographie Jerusalems als Anhaltspunkte der Betrachtung.
Zion, der dem Judentum zum identitätsstiftenden Symbol erwachsen sollte,
steht dabei am Anfang der Untersuchung. Der heilige Berg erweist sich dem
religiösen Gedenken als machtvoller Erinnerungsort, der auch nach dem Verlust der architektonischen Repräsentation durch den Tempel Jahwes weiter
besteht. Desweiteren werden die heiligen Berge der Christen in Jerusalem betrachtet, die sich durch ihre Vielzahl auszeichnen. Auf den Spuren Jesu etabliert die christliche Erinnerung eine Fülle heiliger Stätten in Jerusalem, die
Berge dienen während dieses Prozesses als natürliche Kristallisationspunkte in
der Topographie der Stadt. Einzig der Tempelberg bleibt von der christlichen
Gestaltung ausgeschlossen, auch dies ist dem religiösen Gedächtnis geschuldet.
Dem Islam dient schließlich – im Rückgriff auf die jüdische Tradition und in
der Verbindung mit eigenen Legenden – eben dieser von den Christen unge13
staltete Raum als Standort eines Komplexes sakraler Architektur, der bis heute
das Stadtbild Jerusalems prägt. In einem abschließenden Kapitel wird die Entstehung dieser heiligen Stätten des Islams auf dem Tempelberg zu einer vergleichenden Perspektive herangezogen.
14
A. Zion
Die Kraft jüdischer Erinnerung
„Denn der HERR hat Zion erwählt, und es gefällt ihm, dort zu wohnen.“
Ps 132,13
Das Alte Testament kennt viele heilige Berge. Die fünf Bücher Mose, die den
Kanon der jüdischen Schriften begründeten, enthalten eine Fülle von Erzählungen, die das Wirken Gottes und das Erleben seiner besonderen Präsenz eng mit
bestimmten Bergen verbinden.11 Die mosaischen Gründungsmythen, der Bund
Gottes mit seinem Volk, die Gesetzgebung, ist in engster Weise mit der Vorstellung eines heiligen Berges verbunden, der die Präsenz Jahwes repräsentiert
– Sinai. Doch ist dies der Name, den eine spätere Zeit dem Ort der Theophanie
geben sollte, während das Konzept des Gottesberges von der Zionstheologie in
die Frühzeit projiziert wurde.12 Denn Zion, der heilige Berg Jahwes in Jerusalem, erfuhr in der Geschichte des Volkes Israel einen beispiellosen Bedeutungszuwachs, nicht nur als zentrales Heiligtum des einen Gottes, sondern als
einzigartiges identitätsstiftendes Symbol des auserwählten Volkes. Die Vorstellung des Gottesberges, in der alten Welt weit verbreitet, fand in der Deutung
Zions eine besondere Ausprägung, in der sich in vielfacher Weise die Entwicklung religiöser Erinnerung spiegelt.
Eine Betrachtung der Geschichte Zions beginnt mit König David. Dieser eroberte um 1000 v. Chr. die Jebusiterstadt Jerusalem, machte sie zu seiner
Hauptstadt und überführte die Bundeslade, den Thron Jahwes, in das neue
Zentrum eines vereinigten israelitischen Großreiches. Damit brachte er den
einzigen Gegenstand, der die Gegenwart seines unsichtbaren Gottes repräsentierte, an den Ort, der in der Folge unauflöslich mit dem Glauben, der Religion
und der kulturellen Erinnerung der Volkes Israel verbunden werden sollte: den
Berg Zion.
11
Vgl. dazu Clifford, 1972.
Thomas B. Dozeman: God on the Mountain. A Study of Redaction, Theology and Canon in
Exodus 19-24, Atlanta 1989, S. 29ff.; 152f.
12
15
Unter Davids Herrschaft und der seiner Nachfolger wurde der Berg Zion zu
einer heiligen Stätte. Als Standort der heiligen Lade und seit Salomos Zeiten
des Tempels, als Wohnsitz Gottes und dessen Thron, als Ort einer apokalyptischen Endzeit, des Weltengerichts, als Name für die Stadt Jerusalem und ihre
Bevölkerung, als Synonym für das Volk Israel wurde aus dem Berg nicht nur
ein Erinnerungsort, ein Heiligtum, sondern ein Symbol, das schließlich die
Kraft besitzen sollte, im kulturellen Gedächtnis einer weltweit verstreuten Religionsgemeinschaft Jahrtausende zu überleben.
Die Könige dieser ehemaligen Stammesgesellschaft festigten ihren Anspruch auf die alleinige Herrschaft über das Volk Jahwes religiös. Sie verwoben den neuen Sitz ihres Gottes mit den Gründungsmythen, den mündlichen
Erzählkränzen von den Erzvätern der Stämme Israels. Verheißungen für das
sich etablierende Königtum schlossen an die Tradition der Vorväter an. Die
Priester und Theologen des königlichen Jerusalems belegten Jahwe außerdem
mit den Attributen des jebusitischen Gottes El, dem Weltenherrscher und Beherrscher des Urchaos, dem Schöpfergott, der seit jeher auf dem Gottesberg
thronend über Himmel und Erde regierte. Und während der Gott Israels so zum
Schöpfergott wurde, erkannte die ansässige Bevölkerung ihren Glauben in dem
Gott der Eroberer wieder.
Jahwe, sein Wohnsitz Zion und das davidische Königshaus bildeten lange
eine politische, religiöse, kulturelle Einheit, gefestigt durch den Tempel und
den schließlich von König Josija zentralisierten Kult in Jerusalem, gestärkt
durch die zunehmende Verschriftlichung historischer und liturgischer Inhalte.13
Erst in Zeiten äußerer Bedrohung durch die Großmächte des Zweistromlandes
seit dem achten Jahrhundert v. Chr., in Zeiten wachsender Spannungen innerhalb der hebräischen Gesellschaft, löste sich die Zionstheologie durch die
Stimmen der Propheten von dem Zugriff des Königtums der Davididen, boten
endzeitliche Vorstellungen und messianische Hoffnungen eine Alternative zu
einer immer hoffnungsloser werdenden politischen und sozialen Gegenwart.
13
Vgl. etwa David Biale: Das Wort geht aus von Zion. Die religiös-biblischen Grundlagen der
jüdischen Geschichte Jerusalems, in: Die Reise nach Jerusalem. Eine kulturhistorische Exkursion in die Stadt der Städte, Ausstellungskatalog, hg. v. Hendrik Budde u. Andreas Nachama,
Berlin 1996, S. 2-11; hier S. 4f.
16
Der Glaube an eine Frieden bringende Endzeit, gewährleistet von einem allmächtigen auf dem Zion thronenden Gott, wurde zu einem so mächtigen Deutungsmodell der eigenen Geschichte, dass selbst die Exilserfahrung und der
Verlust der eigenen Staatlichkeit die Macht Zions und seines Gottes nur bestätigen und verstärken konnten.
Die Schriften des Propheten Jesaja, die die Zionstheologie in besonderem
Maße neu bestimmten, sollten von den Nachfolgenden fortgeschrieben werden
und schließlich eine Auslegung der eigenen Vergangenheit enthalten, die selbst
den wiederholten Verlust des Tempels zu transzendieren vermochte und den
heiligen Berg mitsamt der an ihn gebundenen Erwartungen jenseits politischer
Gegebenheiten bestätigte. Der Zerstörung des salomonischen Tempels 586 v.
Chr. und dem babylonischen Exil folgte der Bau des zweiten Tempels, der 516
v. Chr. vollendet war. Auch dieser, von Herodes um die Zeitenwende herrlich
ausgebaut, sollte schließlich 70 n. Chr. der Vernichtung anheim fallen. Die
Bedeutung Zions, des heiligen Berges Jahwes, bestand jedoch fort.
Der heilige Berg sollte im Laufe der Geschichte an verschiedenen Stellen in
der Topographie Jerusalems verortet werden. Zion benannte zunächst die von
König David eroberte Siedlung südlich des Tempelberges, dann, mit dem Bau
des Tempels, weitete sich die Bezeichnung auf den gesamten Südosthügel der
Stadt aus.14 Während sich der Name des Gottesberges mit der Zeit auch auf die
Gesamtheit der Stadt und ihrer Bevölkerung beziehen konnte, wusste im ersten
Jahrhundert n. Chr. der jüdische Historiker Josephus den Berg auf dem obersten Punkt der herodianischen Oberstadt, westlich des Tempels zu lokalisieren.15 Schließlich sollten es die Nachfolger des Gekreuzigten sein, die im vierten Jahrhundert n. Chr. dem Zion, den sie als Schauplatz eines endzeitlichen
Gerichtes übernahmen, seinen bis heute überlieferten Ort im Südwesten der
Stadt zuwiesen.16 Doch der Aufstieg des heiligen Berges, dessen Lokalisierung
in der Stadt so wandelbar war und dessen Name zum Symbol der Vergangen-
14
Vgl. dazu Yaron Z. Eliav: God’s Mountain. The Temple Mount in Time, Place, and Memory, Baltimore 2005, S. 7. Corinna Körting: Zion in den Psalmen, Tübingen 2006, S. 173.
15
Ios.bell.Iud. I,39; 5,137,143; Ios.ant.Iud. 7,62-6. Vgl. Joan E. Taylor: Christians and the
Holy Places. The Myth of Jewish-Christian Origins, Oxford 1993, S. 208.
16
Vgl. Kap. B.I.4. Der christliche Zion und das himmlische Jerusalem.
17
heit und der Zukunft der Volkes Israel werden sollte, begann mit dem taktischen Geschick eines einzelnen Mannes.
18
I. Gründer. David und Salomo
Die Geschichte Zions beginnt mit David. Der Gründer der davidischen Dynastie und sein Sohn Salomo gehören zu den ersten historisch greifbaren Personen
des Alten Testaments, auch wenn sich in den Büchern, die über ihr Leben berichten, nur Spuren zeitgenössischer Quellen finden.17 Wie alle biblischen
Schriften erhielten diejenigen, die über die frühe Königszeit berichten, die Samuel- und Königsbücher, die Chroniken und die Psalmen, erst nach vielen redaktionellen Eingriffen und Fortschreibungen ihre endgültige Form. Sie können der Rekonstruktion der Lebensgeschichten Davids und Salomos ebenso
dienen wie der Rekonstruktion des Bildes, das sich nachfolgende Generationen
von ihnen und ihrer Zeit schufen.
In diesen Schriften lassen sich drei große Abschnitte unterscheiden: Die Erzählungen und Liturgien aus der Zeit der davidischen Monarchie, die Redaktion und Ausarbeitung vorliegender Schriften aus der Zeit des babylonischen
Exils und schließlich die historiographisch gestalteten Büchern der Chroniken,
die in spätpersischer Zeit idealisierend an die nicht wieder erreichte Größe der
Davididen erinnern.18
Die ältesten Schichten mögen noch aus der Zeit Davids und seines Nachfolgers auf dem Thron stammen; sie berichten von den wundersamen Begebenheiten um den jungen David, seiner Erwählung, seiner Schönheit und seinem
musikalischen Talent. Sie wissen von der Weisheit seines Sohnes Salomo zu
künden, dessen Reichtum und der Vielzahl seiner Frauen. Es wird von Verfolgung und Errettung, von glücklichen Umständen, Sünden, Reue und Vergebung gesprochen und von den Versprechen, die Jahwe seinem Erwählten und
dessen Haus zuteil werden lässt. Doch finden sich auch Berichte von einer Dy-
17
Zu den wenigen aus dieser frühen Zeit in Jerusalem zu findenden archäologischen Befunden
vgl. etwa Klaus Bieberstein/Hanswulf Bloedhorn: Jerusalem. Grundzüge der Baugeschichte
vom Chalkolithikum bis zur Frühzeit der osmanischen Herrschaft, 2 Bde., Wiesbaden 1994;
hier Bd. 1, S. 63f.
18
Zur Datierung und Einordnung der Schriften des Alten Testaments vgl. u.a: Erich Zenger
u.a.: Einleitung in das Alte Testament, 5. überarb. u. erw. Aufl., Stuttgart 2004. Die Datierung
der Quellen zur frühen Königszeit folgt weitgehend Walter Dietrich: Die frühe Königszeit in
Israel. 10. Jahrhundert v. Chr., Stuttgart 1997.
19
nastie, deren Aufstieg fragwürdig bleibt, deren Herrschaft von Aufständen und
der Unzufriedenheit ganzer Stämme bedroht ist und deren Erwählung durch
Jahwe mehr mit der Machtgier skrupelloser Männer zu tun hat als mit frommer
Gesinnung.19
Es finden sich Spuren verschiedener Erinnerungsinteressen in diesen frühen
Schichten. Der apologetische Ton der Jerusalemer Hoftheologen vermischt
sich mit den nicht zu unterdrückenden Stimmen politischer Gegner, den nicht
verstummenden Geschichten über den großen König David, der aus der Stammesgesellschaft seiner Vorfahren ein großes Reich erschafft, der ein neues
Zentrum erobert und dessen sagenhaften Sohn Salomo, der den Gott seines
Volkes schließlich Wohnung nehmen lässt auf dem heiligen Berg in der neuen
Davidstadt. In den Legenden vermischen sich Kritik und Idealisierung; einig
sind sie sich in einem Punkt. Ob aus Kalkül oder göttlicher Eingebung, David
erobert mit Jerusalem mehr als nur eine neue Hauptstadt. Mit der Verbringung
der heiligen Lade in die neue Hauptstadt und dem Bau des Tempels unter Salomo entsteht ein Zentrum, ein Heiligtum, das in den folgenden Jahrhunderten
zum alleinigen Kultort des einen Gottes aufsteigt und im kollektiven Gedächtnis des Volkes Israel fester verankert wird als jeder andere Ort.
Die Jahrhunderte seit der Zeit Davids erlebten einen tiefgreifenden Wandel
des Volkes Israel. Die unter dem großen König und seinem Nachfolger vereinigten Stämme des Nordens und des Südens sollten schon bald nach Salomos
Tod in zwei Staaten zerfallen. Die alten, noch aus der vorstaatlichen Zeit
stammenden Jahweheiligtümer wie Bethel und Dan existierten parallel zu dem
im Südreich entstehenden Kult in Jerusalem und dem Tempel auf dem Zion.
Die Vielfalt der diplomatischen Beziehungen, die ein Staat, ein König pflegte,
spiegelte sich in den Tempeln der vielen Götter, die in den Städten verehrt
wurden. Während Jahwe mit El, dem Weltenherrscher, verschmolz, wurde
19
Vgl. dazu auch die literarische Verarbeitung der Thematik verschiedener Erinnerungsinteressen und -hoheiten in dem Roman von Stefan Heym: Der König David Bericht, 26. Aufl.,
Frankfurt a.M. 2002.
20
Baal, der alte Gott Kanaans zu einer Konkurrenz, die die Anhänger Jahwes im
Norden wie im Süden immer wieder zu gewalttätigen Mitteln greifen ließ.20
Die Theologie des einen Gottes, der keinen anderen neben sich duldet, radikalisierte im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Teile des Volkes Israel.
Dazu kam die Vorstellung von dem einen Ort, dem Gottesberg, von dem aus
Jahwe über die Welt herrscht. Nach dem Untergang des Nordreiches im Jahr
722 v. Chr. wurden Jerusalem und das Heiligtum auf dem Zion zur unbestrittenen Heimstatt Jahwes. Die Schriften des Deuteronomiums, des dem Mose zugeschriebenen Gesetzeswerkes, entstanden in den Jahrzehnten, die auf den Untergang Israels folgten, waren, geprägt von der Katastrophe des Nordens, auf
politische wie religiöse Einheit bedacht. Mit den in der Patriarchenzeit verankerten Forderungen – ein Gott, ein Kult21 – sollte die Erwählung des Jerusalemer Tempels bestätigt, seine zentrale Stellung betont werden. Damit bekamen
die Eroberung der Stadt durch David, sein Entschluss, die heilige Lade dorthin
zu verbringen und der Bau der Kultstätte durch Salomo ein neues Gewicht.
Wurden fortan die Taten aller Könige an den deuteronomistischen Grundsätzen
gemessen, so fiel David die Rolle des Erwählten, des Gottgläubigen zu, dessen
Regierungszeit in der Erinnerung seines Volkes eine nie wieder gesehene Größe repräsentierte. Seinem Sohn aber wurde der Ruhm zuteil, den Tempel Jahwes auf dem Zion erbaut zu haben, in einem goldenen Zeitalter des Friedens.
Auch die große Katastrophe, die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar
im Jahr 586 v. Chr., die Zeit des babylonischen Exils, führte zu einer Idealisierung der Begründer des untergegangenen Staates. Im Exil musste die Eroberung Jerusalems und die Zerstörung des Tempels theologisch verarbeitet werden, und die unter persischer Herrschaft Zurückgekehrten mussten schließlich
trotz Wiederaufbau des Tempels auf dem Zion erkennen, dass in dem Land
zwischen den Großmächten kein davidisches Reich mehr erstarken würde. Ihre
Hoffnungen richteten sich auf die von den Propheten angekündigte Endzeit, in
der ihr Gott die Völker von seinem heiligen Berg aus richten würde. Ihr Erinnern verklärte die Zeit Davids und Salomos und maß ähnlich der deuterono20
Vgl. dazu etwa Rainer Albertz: Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, Teil 1:
Von den Anfängen bis zum Ende der Königszeit, Göttingen 1992, S. 220ff.
21
Dtn 6,4; 12,1-14.
21
mistischen Redaktion der Exilszeit die Monarchen der Königszeit an ihrem
Gehorsam gegenüber Gottes Gesetzen. Das in spätpersischer Zeit verfasste
Geschichtswerk der Chroniken, das sich aus den älteren Quellen speist, präsentiert eine theologisch und historisch geglättete Darstellung der ersten Könige
eines vereinigten Reiches.
Die Biographien Davids und Salomos werden hier in idealisierter Form erzählt. Ihre Bedeutung für den Tempel und den Kult werden gegenüber den älteren Schriften der Samuel- und Königsbücher stark hervorgehoben.22 Die schon
vorliegenden Erzählungen, die über die ersten Davididen nicht nur Gutes zu
berichten wissen, die auch von Raub, Mord und Ehebruch künden, werden von
den Chronisten nicht berücksichtigt, obwohl sie im kulturellen Gedächtnis des
Volkes Israel fest verankert sind. Von den Geschichten um den machthungrigen und skrupellosen David wird allein die Erzählung über den Erwerb des
Tempelberges, den heiligen Berg Jahwes, übernommen, eine Erzählung, die in
der Darstellung des Königs, den die Chroniken als geistigen Erbauer des Tempels und Gründer des Kultes auf dem Zion feiern, nicht fehlen kann, die aber in
idealisierter Form wiedergegeben wird und die Schattenseiten des großen
Mannes mit dem Eingreifen Satans zu erklären weiß.23 Auf Salomon fällt in
diesem Bericht kein Schatten, der erste Thronfolger ist hier mit der Unterstützung seines Volkes unermüdlich um das Erbe seines Vaters, den Tempel
und den Kult, bemüht.24
Deutlich zeigen diese späten Schriften, wie sich das Bild einer Person, einer
Epoche je nach Erinnerungsinteresse einer Zeit wandeln kann. Aus den anfänglich umstrittenen Herrschern eines vereinten Israels sind die beispielhaften,
großen Könige einer Identität stiftenden Vergangenheit geworden. Erinnerten
die Zeugnisse der frühen Königszeit noch an Menschen, deren Aufstieg viel
Glanz und viel Elend mit sich brachte, wissen die spätpersischen Verfasser von
Monarchen zu berichten, deren Wirken nur Segen brachte – sie erinnern ein
Ideal, das Maßstab für gegenwärtiges Geschehen ist und exemplarisch als Vor22
Vgl. dazu u.a. Thomas Willi: Das davididische Königtum in der Chronik, in: Ideales Königtum. Studien zu David und Salomo, hg. v. Rüdiger Lux, Leipzig 2005, S. 71-87; hier S. 72f.
23
1 Chr 21-22,1. Vgl. 2 Sam 24. Vgl. Kap. A.I.4. Das Haus David.
24
2 Chr 1-9. Zu den ersten neun Kapitel des zweiten Buches der Chroniken vgl. Roddy L.
Braun: Solomonic Apologetic in Chronicles, in: JBL 92 (1973), S. 503-516.
22
bild dient; sie erinnern die Auswirkungen, die Davids und Salomos Handlungen auf die Geschichte ihres Volkes hatten und schreiben diese ihrer Zeit zu –
die Erwählung Zions und den Bau des ersten Tempels sehen sie in der Erwählung Davids und seines Hauses schon erfüllt.
Die Zentralisierung des Kultes, des Glaubens, der Religion auf den Zion und
den Tempel in Jerusalem war längst abgeschlossen als diese Texte entstanden,
und die Vorstellungswelt der Nachkommen wurde durch die Erzählungen der
älteren Schriften ebenso geprägt wie durch Liturgien und Lieder. Die Psalmen
und Proverbien, gedichtet in den Jahrhunderten seit David, priesen nicht nur
die Erwählung Zions durch Jahwe den Weltenherrscher in besonderer Weise,
sondern auch das davidische Königtum.25 Viele der tiefreligiösen Lieder wurden dem ersten König zugeschrieben, die Weisheitsschriften seinem Sohn, so
dass die Nachwelt sie nicht nur als große Herrscher, sondern auch als Sänger
und Dichter erinnerte – und als die Erwählten, durch die Jahwe seine Erwählung des einen heiligen Ortes manifestierte.
1. Davids Aufstieg
„Ich habe dich von der Weide und von der Herde weggeholt, damit du Fürst über
mein Volk Israel wirst.“ 2 Sam 7,8
Der Aufstieg Davids in den Büchern des Alten Testaments ist sagenhaft. Er
beginnt mit dem Auftrag Jahwes an den Propheten Samuel, nach Bethlehem zu
reisen, um dort den von Gott erwählten jüngsten Sohn des Isai, David, zum
zukünftigen König über Israel zu salben.26 So geschieht es, und kurz darauf
wird der junge Mann aufgrund der Empfehlung eines Höflings von den Herden
seines Vaters weggeholt, um die Leiden König Sauls, der von Gottes Segen
verlassen und von bösen Geistern geplagt ist, mit seinem Harfenspiel zu lin-
25
Vgl. Kap. A.II.4. Zion in den Psalmen.
Stefan Ark Nitsche: König David. Eine Gestalt im Umbruch, Zürich 1994, S. 77f.; 94f.,
beschreibt die Bedeutung von Salbungsritualen.
26
23
dern. König Saul gefällt der junge Musiker, der schön von Gestalt und von
angenehmen Wesen ist, er behält ihn nicht nur bei sich, sondern macht ihn zu
seinem Waffenträger (1 Sam 16,1-23).
Doch die Samuelbücher überliefern nicht nur diesen Bericht über den Sohn
Isais. Sie kennen noch eine zweite Erzählung, die den jungen David am Hofe
seines Vorgängers Saul einführt, die Geschichte des Zweikampfes gegen den
Philister Goliath (1 Sam 17). In dieser berühmt gewordenen Begebenheit tritt
der unbekannte Hirtenjunge, nur mit einer Steinschleuder und seinem Glauben
an den Gott Israels bewaffnet, gegen den hünenhaften Goliath aus Gat an, von
dem es heißt:
„Der hatte einen ehernen Helm auf seinem Haupt und einen Schuppenpanzer an, und
das Gewicht seinen Panzers war fünftausend Lot Erz, und hatte eherne Schienen an
seinen Beinen und einen ehernen Wurfspieß auf seiner Schulter. Und der Schaft seines
Spießes war wie ein Weberbaum …“ 1 Sam 17,5-7
Der Ausgang der Geschichte ist bekannt. David besiegt den Riesen, die Philister27 fliehen und Saul nimmt den jungen Mann, dessen Mut eine Schlacht für
Israel entschieden hat, zu sich. Die beiden Geschichten haben gemein, dass der
zukünftige König als Hirtenjunge vorgestellt wird, der die Herden seines Vaters weidet. Dieses Motiv ist es, das die Geschichten in den Bereich der Legende verweist, ist dies doch ein weit verbreiteter Topos der antiken Vorstellungswelt: der König als guter Hirte, das Volk seine Herde, über die er sorgsam
wacht.28
Sagenhaft beginnt die Geschichte von Davids Aufstieg, historisch glaubhaft
wird sie erst, wenn sie von seinem Erfolg im Heere Sauls berichtet, wir erfahren, dass der militärisch viel versprechende Truppenführer vor dem Neid seines
Königs fliehen muss (1 Sam 18-21) und in den Bergwelten und Wüsten Judäas
27
Die Staatenbildung Israels ist ohne den Druck der philistäischen Seevölker, die seit dem 14.
Jh. v. Chr. über das Mittelmeer in die Küstengebiete der Levante einströmten, nicht zu denken.
In den Schriften des Alten Testaments werden die Philister auch als Krethi und Plethi bezeichnet – ein möglicher Hinweis auf ihre Herkunft. Unter David, der sie schließlich besiegte und
seinem Großreich eingliederte, dienten sie Israel als Söldner.
28
Vgl. dazu Steven L. McKenzie: König David. Eine Biographie, übers. v. Christian Wiese,
Berlin/New York 2002, S. 59ff.
24
eine Gruppe Gesetzloser um sich schart (1 Sam 22), sich durch Schutzgelderpressungen ernährt (1 Sam 25) und schließlich als Söldner bei den Philistern
anheuert (1 Sam 27-31). Dieser Teil der Biographie Davids enthält trotz starker
apologetischer Tendenzen viel Material, das den später idealisierten König in
ein sehr fragwürdiges Licht rückt. Zwar finden sich auch hier die Spuren der
deuteronomistischen Redaktoren, doch der Weg zu den zwei Kronen, die nach
David nur noch sein Sohn Salomon auf einem Haupt vereinen sollte, forderte
viele Opfer, sah den Untergang der saulidischen Dynastie und den künftigen
König auf der Seite des Feindes.
Davids Vorgehen seit der Flucht kommt einer von langer Hand geplanten
Machtübernahme gleich: Er verschafft sich in den Gebieten der Südstämme
eine Machtbasis, durch Raub und Erpressung, Eheschließungen und Zahlungen
an die Ältesten, und von den Philistern erhält er ein eigenes Lehen (1 Sam
27,6).29 Als seine neuen Verbündeten ohne ihn gegen Saul in die Schlacht ziehen – um die Loyalität des ehemaligen königlichen Waffenträgers nicht auf die
Probe stellen – kann er aus der Ferne den Untergang seines Rivalen abwarten
(1 Sam 29-31).30 Nach der Niederlage Sauls stellte David mit seinen Männern
eine starke militärische Macht dar und es ist fraglich, ob die Stammesältesten
Judas tatsächlich eine Wahl hatten, als der Söldnerführer, der geraubt, gemordet und sich später als großzügiger Sieger gezeigt hatte, mit seiner kampferprobten Truppe in Hebron einrückte.
Die Schilderung von Davids Trauer um den gefallenen König, den Gesalbten des Herrn, zu dem die späteren Bearbeiter auch ihn machten, überstrahlt in
der bewusst tradierten Geschichte den Weg zu der eigenen Krönung, und fast
unbemerkt lassen die Redaktoren einfließen, dass David nur auf Geheiß Gottes
nach Hebron zieht, der Stadt, die seinen Griff nach der Macht erlebte:
29
Die wirtschaftliche Grundlage – der Besitz Nabals und das Lehen in Ziklag – für die Erlangung des Königtums betont u.a. Volkmar Fritz: Die Stadt im alten Israel, München 1990, S.
132.
30
Nitsche, 1994, S. 158f., folgt der Erzählung der Samuelbücher und spricht von fortune als
David der Schlacht gegen Saul in den Reihen des Feindes entgeht. McKenzie, 2002, S. 123f.,
geht derweil davon aus, dass David direkt oder indirekt auf ein Zustandekommen der Schlacht
hingearbeitet hat, um Sauls Sturz herbeizuführen, möglicherweise sogar an der Schlacht selbst
teilnahm.
25
„Bald danach befragte David den Herrn und sprach: Soll ich hinauf in eine der Städte
Judas ziehen? Und der Herr sprach zu ihm: Zieh hinauf! David sprach: Wohin? Er
sprach: Nach Hebron. … Und die Männer Judas kamen und salbten dort David zum
König über das Haus Juda.“ 2 Sam 2,1-4
Waren die Stämme Israels und Judas unter Saul, der seine Hausmacht im Norden des Landes hatte, teilweise nur nominell vereint, führte doch erst Davids
Krönung zum König von Juda zu einem offenen Bruch zwischen dem Norden
und dem Süden.31 Denn Abner, Heerführer Sauls und nach dessen Tod mächtigster Mann in Israel, erhob nach der Niederlage gegen die Philister einen
Sohn des gefallenen Königs auf den Thron Israels (2 Sam 2,8-10). Damit war
der Verbund der Stämme in zwei Staaten getrennt und Davids Reaktion ließ an
seinen politischen Zielen keinen Zweifel mehr: Er führte Krieg gegen den Erben Sauls (2 Sam 2,12-3,1).
Zwei Jahre herrschte Ishbaal, der letzte Saulide auf dem Königsthron, über
Israel, bevor er und sein Heerführer Abner einen gewalttätigen Tod fanden.
Wieder wissen die Autoren und Redaktoren der Samuelbücher von Davids Unschuld zu berichten, werden die aufrichtige Trauer und das Fasten, das Klagen
und Singen des Königs beschrieben (2 Sam 3,22-4). Auch hier weist die ausführliche Entschuldigung Davids auf eine Mittäterschaft hin, sind Bearbeitungsspuren zu erkennen, die in immer deutlicheren Worten allen Anklagen
widersprechen, ein Bild prägen, dass erinnert werden soll: Der Weg Davids zu
den beiden Kronen seines Volkes sei das Werk Jahwes, das Werk der Erwählung und nicht das eines skrupellosen, machtgierigen Söldners – wie es die
31
Die Stämme Israels waren geographisch in ein nördliches und ein südliches Gebiet unterteilt,
es bestanden kulturelle und religiöse Unterschiede, obwohl man sich als gemeinsamen Stämmeverbund verstand. War Saul König des gesamten Stämmeverbundes, erlangte David zuerst
die Königskrone über den südlichen Teil, einen Zusammenschluss mehrerer Stämme, nach
dem führenden Stamm Juda genannt, und erst nach Ishbaals Tod erhielt David auch die Krone
über den nördlichen Stämmeverbund, Israel genannt. Nur David und sein direkter Nachfolger
Salomo vermochten die Herrschaft über das gesamte Gebiet aufrechtzuerhalten. Nach Salomos
Tod zerfiel das Reich in ein Nord- und ein Südreich, Israel und Juda. Verwirrend an der Benennung ist, dass Israel auch nach der Reichstrennung als Bezeichnung für das gesamte Volk
benutzt wird. Dies ist aus der Herleitung des Namens aus der Jakobsgeschichte zu erklären.
Dieser, Urvater der Stämme, erhielt den Beinamen Israel, nachdem er eine Nacht lang mit
einem Engel des Herrn an den Furten des Jabbok gerungen hatte (Gen 32,23-33). Die Stämme,
die aus seinen Söhnen hervorgingen, führten sich alle auf ihn zurück, so dass Israel wie auch
die Bezeichnung das Haus Jakob immer die Gesamtheit des Volkes meinen kann.
26
Struktur und der Verlauf der Geschichte trotz oder gerade wegen der vielfachen Bearbeitung offenbaren.32
Nach der Ermordung Abners und Ishbaals erlangt David die Herrschaft über
das gesamte Gebiet der Stämme. Die Ältesten Israels kommen nach Hebron
und salben ihn zum König über die Stämme des Nordens:
„Und es kamen alle Stämme Israels zu David nach Hebron und sprachen: Siehe, wir
sind von deinem Gebein und deinem Fleisch. Schon früher, als Saul über uns König
war, führtest du Israel ins Feld und wieder heim. Dazu hat der HERR dir gesagt: Du
sollst mein Volk Israel weiden und sollst Fürst sein über Israel. Und es kamen alle
Ältesten in Israel zum König nach Hebron. Und der König David schloß mit ihnen
einen Bund in Hebron vor dem HERRN, und sie salbten David zum König über
Israel.“ 2 Sam 5,1-3
David erhält die zweite Salbung, verbindet seine Herrschaft über Juda mit der
über Israel und garantiert damit die Einheit der Stämme, die er durch seine
Machtergreifung im Süden selbst in Frage gestellt hatte. Der junge Waffenträger im Heere Sauls, der unter zweifelhaften Umständen zum König über die
Stämme aufgestiegen war, sollte in den Jahren seiner Herrschaft die Geschichte
seines Volkes prägen wie kaum ein anderer – er stiftete seinem Volk die Symbole, die es für alle Zeit einen sollte: Jerusalem und Zion. Dem Zion aber sollte
schließlich die Macht zuwachsen, die Einheit des Volkes Israel immer und
überall zu repräsentieren.
2. Die Burg Zion – Davids Stadt
„David aber eroberte die Burg Zion, das ist Davids Stadt.“ 2 Sam 5,7
Die Schriften des Alten Testaments nennen die Eroberung Jerusalems als erste
Tat des neuen Königs über Israel und Juda, sollte David doch mit der Ein32
McKenzie, 2002, S. 54f.
27
nahme der Burg Zion in die Geschichte des Glaubens seines Volkes eintreten.
Hier begegnet zum ersten Mal der Name Zion. Er bezeichnet die Burg der
Stadt Jerusalem und in der Folgezeit sollte er den Gottesberg in der neuen
Hauptstadt des davidischen Reiches bezeichnen, die Stadt selbst und später
auch deren Bevölkerung.33 Untrennbar ist dieser Name mit David verbunden,
der das zukünftige Heiligtum dem Land seines Volkes hinzufügte – jedoch erst,
nachdem er seine Herrschsaft gegen die Philister gesichert hatte.
Seine ehemaligen Verbündeten wurden wieder zu Feinden als er die Königswürde Israels entgegennahm; hatte er ihnen gegen Saul genützt, wurde er
zur Bedrohung, als er dessen Krone nahm.34 So heißt es im zweiten Buch Samuel nach der Schilderung der Einnahme Jerusalems: „Als die Philister hörten,
daß man David zum König über Israel gesalbt hatte, zogen sie alle herauf, um
sich Davids zu bemächtigen.“ (2 Sam 5,17) Dies ist die Situation unmittelbar
nach der Krönung in Hebron. Die Philister warten nicht ab, was ihr ehemaliger
Vasall planen mag, sie greifen an. David besiegt sie in zwei Schlachten, die
den taktischen Vorstoß seiner Gegner verständlich machen. Sie versuchen, die
Nord-Südverbindung der Reichsteile Israel und Juda voneinander zu trennen –
auf der Höhe einer jebusitischen Enklave: Jerusalem.
Die hochgebaute Stadt der Jebusiter auf dem Zion galt als uneinnehmbar,
und tatsächlich hatte sie die Landnahme der Stämme überstanden, wenn auch
ihr Einflussgebiet durch die Stämme Juda im Süden und Benjamin im Norden
immer weiter begrenzt wurde.35 Durch den Angriff der Philister wurde die
Schwachstelle in der Verbindung des Nord- und des Südreiches in dem Gebiet
um Jerusalem deutlich sichtbar – und David handelte. Nachdem er die Philister
zurückgeschlagen hatte, eroberte er die Stadt, die keinem der Stämme angehörte, sicherte die Verbindung zwischen Israel und Juda, schuf sich eine Machtbasis, seinem Reich eine Hauptstadt und dem Glauben seiner Väter ein neues
Zentrum. Damit begann der Aufstieg einer Stadt, die weder die Geschichten
der Erzväter noch die Exodustradition kannte, die Sitz eines fremden Gottes
war und keinem der Stämme als heiliger Ort galt. Ihre Eroberung war politisch
33
Vgl. etwa Eliav, 2005, S. 7ff.
McKenzie, 2000, S. 131. Nitsche, 1994, S. 188f.
35
Karen Armstrong: Jerusalem. One City, Three Faiths, London 1996, S. 37ff.
34
28
Abb. 1
29
und militärisch motiviert, wie auch ihr Ausbau und die Verbindung mit der
Religion Jahwes; und erst mit König David begann um 1000 v. Chr. der Aufstieg dieses Ortes, des heiligen Berges Zion, zum wichtigsten Heiligtum des
Volkes Israel.
„Und der König zog mit seinen Männern vor Jerusalem gegen die Jebusiter, die im
Lande wohnten. Sie aber sprachen zu David: Du wirst hier nicht hereinkommen,
sondern Blinde und Lahme werden dich abwehren. Damit meinten sie, daß David
nicht dort hereinkommen könnte. … Da sprach David an diesem Tage: Wer die
Jebusiter schlägt und durch den Schacht hinaufsteigt und die Lahmen und Blinden
erschlägt, die David verhaßt sind, der soll Hauptmann und Oberster sein.“
2 Sam 5,6-8
Die Eroberung Jerusalems war strategisch begründet, ihre Durchführung ein
taktischer Geniestreich. David nahm die Stadt mit seinen Männern ein, mit
einer Truppe, die nur ihm verpflichtet war – damit ging die Stadt in seinen persönlichen Besitz über. Innerhalb der weiteren Darstellung ist das Sprichwort
von den Lahmen und Blinden weitestgehend unverständlich, bis auf den ersten
Satz: „Du wirst hier nicht hereinkommen, sondern Lahme und Blinde werden
dich abwehren.“ Die Jebusiter waren sich der Verteidigungsanlagen ihrer Stadt
so sicher, dass sie davon ausgingen, selbst die Schwächsten in ihrer Mitte
könnten die Angreifer zurückschlagen. Sie hatten sich getäuscht. Die Stadt
Jerusalem war nahezu uneinnehmbar, das hatte die Vergangenheit bezeugt,
doch David fand in der Stärke der jebusitischen Verteidigung eine Schwachstelle: Die Wasserversorgung.
Die Herren Jerusalems hatten die Gihon-Quelle außerhalb der Stadtmauern
durch ein Tunnelsystem mit der Stadt verbinden lassen. Selbst während einer
Belagerung konnte so die Bevölkerung mit Wasser versorgt werden.36 Durch
dieses Schachtsystem ließ David seine Männer in die Stadt eindringen, die
kampfbewährten Krieger sorgten vermutlich dafür, dass die Tore der Stadt von
36
Diese Wasserversorgung wurde immer wieder ausgebaut, die Reste konnten von Charles
Warren 1867 archäologisch nachgewiesen werden. Vgl. dazu etwa Eckart Otto: Jerusalem – die
Geschichte der Heiligen Stadt. Von den Anfängen bis zur Kreuzfahrerzeit, Stuttgart 1980, S.
42ff.
30
innen geöffnet wurden. Jerusalem musste sich dem König über die Stämme
ergeben.
Die jebusitischen Machthaber über den Zion trugen seit jeher einen Königstitel und so fügte David den beiden Kronen seines Volkes noch eine dritte hinzu – er wurde König von Jerusalem, das künftig die Stadt Davids heißen sollte.
Die Stadt zwischen den Stämmen wurde das neue Zentrum des Reiches, die
Hauptstadt eines Königs, dessen Herrschaft mit dem charismatischen Heerkönigtum seines Vorgängers nicht mehr viel gemein hatte. War Saul Zeit seines
Lebens abhängig vom Wohlwollen der Stämme, deren Heerbann die Truppen
stellte, die er gegen den gemeinsamen Feind in die Schlacht führte, begann
David seine Laufbahn mit einer Söldnertruppe, die ihm bis in das Lager der
Philister gefolgt war. Die Folgezeit zeigte, dass der neue König auch weiterhin
unabhängig vom Wohlwollen der Stämme bleiben wollte, deren Einfluss er
durch die Verwendung von Söldnertruppen in seinen Eroberungskriegen einschränkte,37 denen er aber mit Jerusalem zugleich ein nie gekanntes staatliches
und bald auch religiöses Zentrum schuf.38 Denn der Eroberung folgte ein weiterer kluger Schachzug: David holte die Bundeslade in die neue Hauptstadt und
ließ Jahwe auf dem Zion Wohnung nehmen.
3. Die Sesshaftwerdung Gottes
Die Bundeslade
Die Lade Jahwes war ein Kultobjekt der Stämme Israels. Sie repräsentierte die
Gegenwart eines unsichtbaren Gottes, barg als mächtiges Artefakt Heil und
Unheil, diente als Kriegspalladium, Wanderheiligtum und Unterpfand für den
Bund Gottes mit seinem Volk.39 David ließ die Lade aus Kirjat-Jearim holen,
wo sie nach dem Raub und der Rückgabe durch die Philister ihren Ruheplatz
37
Die Krethi und Plethi der Davidsgeschichte waren Kontingente der von ihm geschlagenen
Philister, die der neue Herrscher als königliche Leibwache in seinen Dienst nahm. Er schuf
damit eine gewisse Unabhängigkeit vom Heerbann der Stämme. Vgl. Albertz, 1992, S. 167.
38
McKenzie, 2000, S. 132.
39
Georg Steins: s.v. Bundeslade, in: LThK, Bd. 2, 3. völlig neu bearb. Aufl., Freiburg i.Br.
1994, Sp. 794f.
31
gefunden hatte (1 Sam 4-7). Ausführlich berichtet das zweite Buch Samuel von
der Verbringung des heiligen Artefakts in die neue Hauptstadt. Gottes Macht
findet ihren direkten Ausdruck in dem Tod eines Mannes, der die Lade berührt
– um sie zu schützen. Die feierliche Prozession muss abgebrochen werden und
erst drei Monate später, so die Überlieferung, kann David den Thron Jahwes
nach Jerusalem bringen.
„Und David tanzte mit aller Macht vor dem HERRN und war umgürtet mit einem
leinenen Priesterschurz. Und David mit dem ganzen Hause Israel führte die Lade des
HERRN herauf mit Jauchzen und Posaunenschall. … Als sie die Lade des HERRN
hineinbrachten, stellten sie sie an ihren Platz mitten in dem Zelt, das David für sie
aufgestellt hatte. Und David opferte Brandopfer und Dankopfer vor dem HERRN. Und
als David die Brandopfer und Dankopfer beendet hatte, segnete er das Volk im Namen
des HERRN Zebaoth, ...“ 2 Sam 6,14-18
Es war eine kluge Entscheidung, die Lade Jahwes in die Stadt Davids zu holen.
Seit dem Verlust an die Philister hatte die Bundeslade an Bedeutung verloren,
aber sie barg das Potential – als Manifestation der Präsenz des unsichtbaren
Gottes – für ein zentrales Heiligtum in der neuen Hauptstadt. Durch die traditionelle Verbundenheit der nördlichen Stämme zu der heiligen Lade war ihre
Verbringung nach Jerusalem durch David auch eine Geste der Anerkennung,
ein Signal an den Norden.40 Die feierliche Prozession des Königs „mit dem
ganzen Hause Israel“ sollte eine Einigkeit zwischen König und Volk herstellen
und demonstrieren, während die führende Rolle Davids dabei in jedem Schritt
ihren Ausdruck fand. Er leitete in der Funktion eines Priesters die Feierlichkeiten, bestimmte und stattete den Ort aus, an dem die Lade ihren Platz finden
sollte, er verrichtete die Opfer und spendete schließlich dem Volk den Segen
des Herrn. Die Geste war perfekt durchdacht, die Darstellung lässt keinen
Zweifel an der Funktion Davids in der Geschichte Israels – er ist der ideale
König, Mittler zwischen Gott und dessen auserwähltem Volk.
40
Vgl. dazu u.a. Herbert Donner: Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen, Göttingen 1987, S. 197f.
32
Der politische Erfolg von Davids Versuchen, den Norden an sein Königtum
zu binden, sollte ausbleiben, aber die Verbringung der Lade nach Jerusalem
war der Beginn einer Entwicklung, die den umstrittenen König unsterblich
machen sollte. Jahwe, der Gott ehemaliger Nomaden, die sich im Lande Kanaan allmählich angesiedelt hatten, nahm auf dem heiligen Berg Zion in Jerusalem Wohnung. Zwar wurde erst unter Salomon aus dem Zelt ein Haus aus
Stein, der Tempel die Manifestation der Sesshaftwerdung Gottes auf dem Zion,
doch David hatte die Stadt erobert, er hatte die heilige Lade, den Thron Jahwes,
zu sich geholt, die Tradition des nomadischen Gottes in die Mauern des hochgebauten Jerusalem verbracht.
Der Weltenschöpfer auf dem Gottesberg
Jahwe, der Gott der Stämme Israels, gewann mit dem Einzug in Jerusalem
mehr als einen weiteren Ort, an dem seine Gläubigen ihre Opfer darbringen
konnten. In der Jebusiterstadt hatten Priesterkönige geherrscht, in deren Vorstellung das Pantheon der Götter von El beherrscht wurde, dem Schöpfer von
Himmel und Erde, dem Bezwinger des Chaos’, Vernichter aller Feinde und
Herr über die Fruchtbarkeit des Landes. Sein Wohnsitz war der Zion, Urberg
der Schöpfung, Verbindung zwischen irdischer und himmlischer Welt, Nabel
und Mittelpunkt der Welt – Allerheiligstes.
Der Zion wurde, seit König David die Bundeslade in die neue Hauptstadt
geholt hatte, der Wohnsitz Jahwes, und die Vorstellungen von El wurden auf
den Gott der Stämme übertragen. El und Jahwe verschmolzen, und Jahwe ging
als Weltenschöpfer auf dem Zion daraus hervor.41 Es war ein theologisches
Meisterstück, das die Handschrift der davidischen Monarchie trägt.42 So wie
die Verbringung der Lade eine Annäherung an die Stämme Israels war und
eine Demonstration der Macht und Bedeutung des Königs, war die Verbindung
41
Albertz, 1992, S. 117ff. Albertz weist darauf hin, dass die Jahwereligion schon in der Zeit
der Stämme Elemente der Verehrung Els übernommen habe; die theologische Verschmelzung
von El und Jahwe nach der Eroberung Jerusalems sei dadurch wesentlich erleichtert worden.
42
Jimmy J. M. Roberts: The Davidic Origin of the Zion Tradition, in: JBL 92 (1973), S. 329344. Roberts argumentiert für die Entstehung der Zionstradition in der Zeit Davids und Salomos, die Herkunft aus jebusitischen Wurzeln lehnt er ab.
33
Jahwes mit dem Schöpfergott El eine Weiterentwicklung der eigenen Religion
und eine machtpolitische Entscheidung. Unsere Quellen schweigen zu diesem
Vorgang. Doch die seit der frühen Königszeit entstandenen Schriften setzen die
Allmacht des Schöpfergottes voraus – und seine Unterstützung für die Monarchie Davids.43
David war unter zweifelhaften Umständen König über Israel und Juda geworden. Die Geschichte seines Aufstiegs liest sich wie die Apologie für einen
Mann, dessen Erfolg nicht nur die Geschichtsschreibung seiner Regierung,
sondern die seines Volkes prägen sollte. Entscheidend für den neuen König,
dessen Herrschaft Zeit seines Lebens umstritten bleiben sollte, und seine Nachfolger war die Legitimation durch Jahwe, den Gott der Vorfahren und der
Stämme. Dessen Anwesenheit in Jerusalem wurde durch die heilige Lade repräsentiert, die zunächst in einem traditionellen Zeltheiligtum aufgestellt wurde. Jahwe war mit David, diese Botschaft wurde durch die Anwesenheit der
Lade und den Opferbetrieb an dem neuen Heiligtum manifestiert. Der Gott der
Väter ließ sich in der Stadt Davids nieder und sein Machtzuwachs war der
Machtzuwachs der Monarchie, die sich durch ihn legitimierte.
Ebenso entscheidend für die Monarchie der Davididen war die Unterstützung durch die Eliten: Priester, Beamte, Militär. War David zunächst noch
auf die Zustimmung der Stämme angewiesen, sollte sich schnell zeigen, dass
der Träger dreier Kronen seine Macht auf Königstreue zu gründen gedachte.
Söldner ersetzten den Heerbann der Stämme, eine unter Saul ungekannte Schar
von Beamten diente dem Hof und dem Heer; dem Kult in Jerusalem standen
Ahimelech aus Nob, der den König schon seit dessen Flucht vor Saul begleitete, Zadok, ein Jebusiter, und die Söhne Davids vor (2 Sam 8,15-18). Die Auswahl zeigt, dass der Monarch Loyalität belohnte, die Stellung seiner Familie
stärkte und auf die bestehenden Strukturen der städtischen Gesellschaft zurückgriff. Das eroberte Jerusalem wurde nicht zerstört, sondern erhalten, hohe
Funktionsträger der jebusitischen Oberschicht in ihren Ämtern bestätigt.44 Die
43
Vgl. dazu besonders die Psalmendichtung, in der die Konzeption Jahwes als Schöpfergott
auf dem Zion, als Schutz und Vernichter der Feinde, deutlich hervortritt. Siehe u.a. Pss 46; 47;
48; 104.
44
Vgl. etwa Otto, 1980, S. 47.
34
Verschmelzung von Jahwe und El erfüllte auch hier ihren Zweck. Der Glaube
an den Weltenschöpfer auf dem Zion blieb bestehen, die entscheidenden Elemente der Theologie Els wurden auf Jahwe übertragen und die Loyalität der
städtischen Bevölkerung für den Eroberer sichergestellt. Sowohl Jahwe als
auch David profitierten von dieser Entwicklung. Während jener zum Schöpfergott und Weltenherrscher wurde, dessen heiliger Berg Zion Mittelpunkt der
Erde und Nabel der Welt war, wurde jener Gründer einer Dynastie, die von der
Größe ihres Gottes getragen in die Unsterblichkeit der religiösen Gedächtnisse
dreier Weltreligionen einging.
4. Das Haus David
Die Natanverheißung
„Und der HERR verkündigt dir, daß der HERR dir ein Haus bauen will. Wenn nun
deine Zeit um ist und du dich zu deinen Vätern schlafen legst, will ich dir einen
Nachkommen erwecken, der von deinem Leibe kommen wird; dem will ich sein
Königtum bestätigen. Der soll meinem Namen ein Haus bauen, und ich will seinen
Königsthron bestätigen ewiglich. Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein.“
2 Sam 7,11-14
Die davidische Dynastie sollte in Jerusalem bis zur Eroberung der Stadt durch
die Babylonier im Jahr 587 v. Chr. herrschen und selbst im Exil, in der Fremde,
verloren weder das Königtum Davids noch der heilige Wohnsitz Jahwes auf
dem Zion ihre Kraft und ihren Zauber. Diese Macht war den vielen Geschichten zu verdanken, die seit der frühen Königszeit in immer ausgefeilteren Versionen Biographien mit Theologie, Ereignisse mit Wundern und den Gottesberg
in Jerusalem mit der göttlichen Präsenz Jahwes zu verbinden wussten. Ausgangspunkt war der Legitimationsbedarf der davidischen Herrschaft. Hatte
schon Davids Aufstieg der vielfachen Überarbeitung bedurft, erforderte die
Erhebung Salomos zum Erben der drei Kronen zusätzliche Anstrengungen der
35
Schreiber und Redaktoren.45 Im Stil antiker Monarchien wurde David und seinen Nachfolgern auf dem Thron die Gottessohnschaft zugeschrieben, und eine
Verheißung Jahwes für den ewigen Bestand des Hauses fand ihren Weg in die
Schriften – ein Vorgehen, dessen Nachwirkungen kaum zu unterschätzen
sind.46
Die Versprechungen, die Jahwe David geben sollte, dem Hofpropheten Natan in den Mund gelegt, greifen einerseits legendäre Verheißungen an den Patriarchen Abraham auf (Gen 12,2-3), dessen Geschichte die Schreiber des Alten Testaments auch mit dem Gottesberg zu verbinden wussten (Gen 22,1-19),
und stellen die Davididen damit in eine Traditionslinie mit den Erzvätern.47
Andererseits wird hier eine neue Tradition begründet, die später allen messianischen Vorstellungen zugrunde liegt. Die Prophetien der Königszeit, der unerschütterliche Glaube der Exilierten an ein kommendes Friedensreich und
schließlich die Geschichte eines Mannes, der in den Zeiten der römischen Besatzung den Kreuzestod starb, beruhen auf der Vorstellung der Gottessohnschaft der Könige aus dem Hause Davids, gewährt von einem allmächtigen
Gott, der in den Psalmen verkündet:
„Ich aber habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berg Zion. … Du bist
mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. Bitte mich, so will ich dir Völker zum Erbe
geben und der Welt Enden zum Eigentum.“ Ps 2,6-8
Die Natanverheißung, religiöse Legitimation der davidischen Dynastie, erfüllt
innerhalb der Geschichten über den legendären ersten König noch einen weiteren Zweck. Sie enthält die Erklärung, warum David, der Auserwählte Jahwes,
nicht auch derjenige war, der den Tempel auf dem heiligen Berg Zion erbauen
ließ. Es war für die Nachfolgenden schwer einzusehen, dass der Mann, der den
Gott der Stämme in seine Stadt geholt hatte, der tanzend und frohlockend die
heilige Lade heimgeführt hatte, nicht auch die steinernen Mauern errichten
45
Zur Thronfolge Salomos vgl. Kap. A.I.5. Salomo.
Zur Textgeschichte der Natanverheißung siehe: Albertz, 1992, S. 177ff. Vgl. außerdem
Reinhard G. Kratz: Die Propheten Israels, München 2003, S. 34, der in der Natanverheißung
die nachexilische Hoffnung auf einen ewigen Bestand des Königshauses sieht.
47
Zur Verknüpfung Abrahams mit dem Gottesberg vgl. Kap. A.II.1. Abraham. Der Patriarch.
46
36
ließ, die für Jahrhunderte die Präsenz Gottes auf Erden manifestierten.48 Für
die Bearbeiter der Samuelbücher gab es dafür nur eine Erklärung: Es lag nicht
an David, dessen Angebot, Jahwe ein Haus zu bauen dieser mit der berühmten
Verheißung beantwortete, sondern Gottes Ratschluss selbst bestimmte den
Sohn und Erben des Königs, Salomo, zum Erbauer des Heiligtums (2 Sam 7,114).49 Den Grund für den göttlichen Entschluss bleiben die Samuelbücher
schuldig, spätere Generationen aber gestehen dem großen König die besondere
Ehre zu, den Tempelplatz gekauft zu haben.50
Das zweite Buch Samuel kennt die Erzählung einer von David durchgeführten und als sündhaft empfundenen Volkszählung, der als göttliche Strafe eine
Pestepidemie folgt, die ihr heilvolles Ende in Jerusalem findet, wo ein Engel
des Herrn bei der Tenne des Jebusiters Arauna der Seuche Einhalt gebietet.
Auf Geheiß des Sehers Gad will David seinem Gott an dieser Stelle einen Altar
errichten und erwirbt dazu das Land für fünfzig Lot Silber; erst nach dem Kauf
der Tenne baut David den Altar und bringt dem Gott seines Volkes Brand- und
Dankopfer dar (2 Sam 24). Die Chroniken wissen diese Geschichte im Nachhinein zu nutzen, um den großen König mit dem Bau des Tempels zu verbinden und ergänzen die Schilderung der Samuelbücher:
„Damals, als David sah, daß ihn der HERR erhört hatte auf der Tenne Araunas,
des Jebusiters, und er dort Opfer darbrachte ... da sprach David: Hier soll das Haus
Gottes, des HERRN, sein, und dies der Altar für die Brandopfer Israels.“
1 Chr 21,28-22,1
Die Chronisten, die David auch über die Natanverheißung mit dem Heiligtum
verbunden wussten, stellen den berühmten König als Bereiter des Tempelbaus
dar.51 Der Erwerb von Grundbesitz implizierte in der altorientalischen Vorstel-
48
McKenzie, 2002, S. 149f.
So auch Hartmut Geese: Der Davidsbund und die Zionserwählung, in: Vom Sinai zum Zion.
Alttestamentliche Beiträge zur biblischen Theologie, München 1984, S. 113-129; hier S. 127f.
50
Eliav, 2005, S. 3f.
51
Die wesentlich später entstandenen Chroniken, die den Text der Natanverheißung wörtlich
übernahmen (1 Chr 17,1-14), gaben sich mit der Erklärung der Samuelbücher nicht zufrieden.
Sie fügen der Geschichte Davids eine weitere Erklärung hinzu und lassen ihn selbst den Bau
des Tempels an seinen Sohn übergeben: „Und er rief seinen Sohn Salomo und gebot ihm, dem
49
37
lungswelt eine enge Bindung zwischen der besitzenden Familie und der Bedeutung des Ortes. Der Baugrund des Tempels auf dem Zion, der zu der heiligsten
Stätte des Volkes Israel werden sollte, war durch diese Geschichte als Besitz
Davids und seiner Nachfahren gekennzeichnet; und dies bestätigte die Bedeutung seines Hauses und dessen Erwählung durch Gott.
HERRN, dem Gott Israels, ein Haus zu bauen, und sprach zu ihm: Mein Sohn, ich hatte im
Sinn, dem Namen des HERRN, meines Gottes, ein Haus zu bauen, aber das Wort des HERRN
kam zu mir: Du hast viel Blut vergossen und große Kriege geführt; darum sollst du meinem
Namen nicht ein Haus bauen, weil du vor mir so viel Blut auf die Erde vergossen hast.“ (1 Chr
22,6-8) Auch die Vorbereitung und Planung des Tempelbaus sowie die Bestellung der Priester,
Sänger bis hin zur den Torhütern wissen die Chronisten von Davids Hand geordnet (1 Chr 2229).
38
Zion und David
Die Geschichte Zions beginnt mit David. Als König über Israel und Juda eroberte er Jerusalem und übernahm die Krone der jebusitischen Priesterkönige.
Er legitimierte seine Herrschaft religiös, inszenierte sich als Auserwählter Jahwes und brachte mit der heiligen Lade ein Artefakt in seine neue Hauptstadt,
das die Präsenz des unsichtbaren Gottes der Stämme manifestierte. Er ließ
Jahwe auf dem Zion Wohnung nehmen, dem heiligen Berg Els, des Weltenschöpfers, mit dem der Gott der Stämme in den kommenden Jahren zu einem
Gott verschmolz, dessen Macht die ganze Welt umspannte und dessen Wohnsitz Himmel und Erde verband. Doch das war nur der Anfang.
Der Aufstieg Zions zum wichtigsten und einzigen Heiligtum der Jahwereligion vollzog sich über Jahrhunderte und mit der zunehmenden Bedeutung
Jerusalems, der Stadt Davids, gewann auch die Geschichte des ersten Königs
an Gewicht im kollektiven Gedächtnis seines Volkes. Die vielfältigen Bedeutungen, die der heilige Berg Zion in sich vereinte, machten auch Davids Namen
unsterblich. Die Zionstheologie späterer Jahrhunderte fand ihren Eingang in die
Schriften, die den Aufstieg Davids betrachteten und sah in der Aufstiegsgeschichte des jungen Bethlehemiters das Werk Jahwes. In der Natanverheißung findet sich die endgültige Verbindung von Jahwe mit dem Hause Davids:
der Bau des Tempels, dem Sohn Davids vorausgesagt, besiegelt die Wahl Gottes für seinen Wohnsitz auf Erden – Zion.
5. Salomo
„Und Salomo saß auf dem Thron seines Vaters David, und seine Herrschaft hatte
festen Bestand.“ 1 Kön 2,12
Salomo ist der Erbauer des ersten Tempels. Sein Name ist untrennbar mit Jerusalem verbunden – und dem Haus Gottes auf dem Zion. Wie seinen Vater verklärten ihn die Nachfolgenden zur Legende, die Darstellung seiner Weisheit
39
und seines Reichtums, seiner Bauten und der Größe seines Harems beflügeln
bis heute die Phantasie. Unter Salomos Herrschaft erlebte Israel eine Zeit des
Friedens und des Wohlstandes, was unter David Kriege und Eroberungen waren, wandelte sich unter seinem Erben in Glanz und Kultur. Doch der Frieden,
der den Bau des Tempels ermöglichte, hatte eine Kehrseite: Er wurde durch die
Ehen mit ausländischen Frauen, das Abtreten ganzer Landschaften des gelobten Landes an fremde Könige und dem Frondienst der Bevölkerung erkauft.
Salomos Geschichte, überliefert im ersten Buch der Könige, ist das Ergebnis
sorgfältiger Bearbeitung. Der Nachfolger Davids wird an den theologischen
Grundätzen gemessen, die durch sein Lebenswerk erst entstehen konnten: Ein
Gott – ein Kult. Der Tempel auf dem Zion wurde zum Wohnsitz Gottes auf
Erden, und die Theologen des Jerusalemer Heiligtums verwoben die Erwählung des Ortes und die Erwählung der davidischen Dynastie so eng miteinander, dass schließlich die Geschichte Israels eine Geschichte des Glaubens seiner Könige wurde. Salomo, Erbauer des Tempels, des einen Heiligtums, gebührten einerseits der Ruhm und das Lob seines Volkes, doch war er gleichzeitig der König, dessen Widersacher das Reich spalten sollte, der Herrscher,
dessen ausländische Frauen die Reinheit des Kultes und das Herz des Monarchen gefährdeten, der Davidide, dessen Königtum trotz alles Glanzes zur Negativfolie aller kommenden Könige wurde.52
Die Bücher der Könige, Teil des deuteronomistischen Geschichtswerkes,
verbinden Quellenschichten unterschiedlicher Herkunft unter theologischen
Gesichtspunkten; die Geschichte Salomos stellte die Redaktoren dabei vor
schwierige Aufgaben. Hervorgegangen aus der zweifelhaften Verbindung Davids mit Bathseba (2 Sam 11-12) und als einem der jüngeren Söhne des Königs
war dem späteren Erbauer des Tempels die Thronfolge keineswegs gewiss.53
52
Deut 17,16f. Das sogenannte Königsgesetz des Deuteronomiums spricht Warnungen aus, die
das Volk Israel beachten soll, wenn es sich einen König nimmt; diese negativ konnotierte Beschreibung einer Königsgestalt entspricht vielen der Salomo zugeschriebenen Eigenschaften im
ersten Buch der Könige. Vgl. etwa Walter, 1997, S. 30f.
53
Die Samuelbücher lassen den Leser glauben, der Sohn aus dem Ehebruch Davids mit Bathseba sei verstorben und Salomo erst nach der vollzogenen Heirat der beiden gezeugt worden (2
Sam 11-12), die Frage, ob Salomo tatsächlich der unehelich gezeugte Sohn gewesen sei, ist in
der Forschung nach wie vor umstritten. Vgl. dazu u.a. Georg Hentschel: Auf der Suche nach
40
Seine Abstammung, sein Aufstieg, der Griff nach dem Thron seines Vaters und
die blutige Sicherung seiner Herrschaft bedurften der Erklärung, und so wurden kritische Stimmen der Überlieferung gemildert und apologetische Konzepte sorgsam eingearbeitet.54 Die positive Darstellung Salomos umrahmt die
Schilderung des Tempelbaus, für alle Redaktoren der größte Verdienst des
weisen Königs. Die Zeit des Friedens und Wohlstandes für das Volk, die
Weisheit des gottgefälligen Monarchen und seine Vorbereitungen für den Bau
des Tempels zeichnen das Bild eines goldenen Zeitalters.55
Doch das Porträt Salomos in dem ersten Buch Könige trägt neben den
glanzvollen auch dunkle Züge, denn nach seinem Tod zerbricht das Reich und
die Angst der Redaktoren der Geschichte Israels vor religiöser Überfremdung,
die Angst vor der Rache eines eifersüchtigen Gottes, dessen zerstörerischer
Macht die Theologen des Exils die Vernichtung Jerusalems zuschrieben, ließ
sie in dem Leben des großen Weisen nach Verfehlungen suchen, nach Gründen
für den Abfall der Stämme Israels von dem davidischen Großreich mit der
Hauptstadt Jerusalem und dem Zion als kultischen Mittelpunkt. Fündig wurden
sie bei den ausländischen Frauen des Königs, deren Zahl legendenhaft ausgeschmückt wurde und die das Herz des alternden Herrschers fremden Göttern
zuneigten (1 Kön 11,1-13).
Die Chroniken sahen in Salomo nur den Erbauer des Tempels. Alle kritischen Töne verstummen in den Schriften, die aus der nachexilischen Perspektive auf die Gründer der Zionstradition – David und Salomo – zurückblicken.
Die göttliche Erwählung des Vaters gilt hier auch dem Sohn, die Zustimmung
des Volkes für den neuen König ist einmütig und dessen Hingabe an die Vollendung des Tempels und die Errichtung des Kultes ist unermüdlich.56 Kein
Schatten trübt das Bild des weisen Herrschers und in dieser Darstellung trifft
ihn keine Schuld am Zerbrechen des Reiches nach seinem Tod.
dem geschichtlichen Salomo, in: Ideales Königtum. Studien zu David und Salomo, hg. v. Rüdiger Lux, Leipzig 2005, S. 91-105; hier S. 92f.
54
Vgl. dazu Hentschel, 2005, S. 92f.
55
So heißt es etwa: “Juda aber und Israel waren zahlreich wie der Sand am Meer, und aßen und
tranken und waren fröhlich.” 1 Kön 4,20.
56
Vgl. Braun, 1973, S. 503-516.
41
Der Blick der Verfasser des chronistischen Werkes auf die Zeit der ersten
Könige führte nicht nur zu einer Idealisierung des Erben Davids, sondern erlaubte auch die Verbindung verschiedener Erzähltraditionen in einem Werk. So
berichten die Chroniken von dem Baubeginn des Tempels unter Salomo auf
dem Berge Morija, der von David erworbenen Stätte für das Heiligtum Jahwes.57 Es ist derselbe Berg, auf dem die Theologen der Königszeit den Stammvater Abraham seinen Sohn Isaak zum Opfer binden ließen, der Berg, auf dem
spätere Generationen das Grab Adams sahen – der heilige Berg Gottes – Zion.
Doch nicht nur als Erbauer des Tempels wird Salomo erinnert, die Schriften
der Königs- und Chronikbücher wissen auch von seiner Weisheit zu berichten
und nachfolgende Generationen sahen ihn als großen Gelehrten, der in der Tradition antiker Weisheitsschulen Wissen sammelte.58 Wie David viele der Psalmen werden seinem Sohn die Weisheitsdichtungen der Proverbien und des
Buches Kohelet zugeschrieben, sahen die Nachkommenden in Salomon den
Dichter des Hoheliedes. Der Erbauer des Tempels wuchs in der Erinnerung
über jedes menschliche Maß hinaus, galt späteren Zeiten als unglaublich weise
und unermesslich reich.59 Die Bedeutung seiner Gestalt wuchs mit der zunehmenden Bedeutung des Tempels, der Ruf des Gottesberges erhöhte den Ruhm
des Königs, unter dessen Herrschaft Jahwe in die steinernen Mauern auf dem
Zion einzog.
6. Der Tempel
Der Bau des Tempels
Unter Salomos Herrschaft entsteht der erste Tempel auf dem Zion, doch seinem Vater David sollte der Erwerb des Tempelplatzes zugesprochen werden.
Die Tenne des Jebusiters Arauna diente diesem als Standort für einen Altar, auf
57
2 Chr 3,1. Vgl. auch Kap. A.II.1. Abraham. Der Patriarch.
Vgl. etwa Donner, 1987, S. 220.
59
Stefan Wälchli: Der weise König Salomo. Eine Studie zu den Erzählungen von der Weisheit
Salomos in ihrem alttestamentlichen und altorientalischen Kontext, Stuttgart/Berlin/Köln 1999,
S. 208ff.
58
42
dem Jahwe Brand- und Dankopfer dargebracht wurden (2 Sam 24; 1 Chr
21.22). Der Bericht in den Samuelbüchern und später in den Chroniken legt
großen Wert auf den ordnungsgemäßen Kauf dieses Ortes. Der Grund und Boden auf dem das steinerne Haus Gottes stehen sollte, war im Besitz der Davididen, eine in der antiken Vorstellungswelt entscheidende Verbindung zwischen Gott und der königlichen Familie.60 Nach den Schilderungen der Samuel- und Königsbücher war das Zelt mit der Lade Jahwes zunächst im alten
Stadtkern untergebracht, der Tempelbauplatz bis zu dessen Errichtung nicht
bebaut – ein traditionsfreier Ort, den kein Götzenbild geziert, kein Gott vor
Jahwe für sich beansprucht hatte. Erst die Chroniken wissen diese Bergeskuppe, die unter dem Namen Zion in die Geschichte Israels eingehen sollte,
zusätzlich mit dem Berg Morija gleichzusetzen, ziehen eine Verbindungslinie
zu den Gründungsmythen der Erzväter (2 Chr 3,1).61
Doch anfangs folgte die göttliche Erwählung des Ortes nur der Erwählung
der davidischen Dynastie. Die Beschreibung des Tempelbaus, dessen Vorbereitung und Einweihung umrahmen den Bau der königlichen Paläste (1 Kön 5,158), Tempel und Palast bilden eine bauliche Einheit, Gott und König wohnen
von nun an Wand an Wand.62
„Im vierten Jahr, im Monat Siw, wurde der Grund gelegt zum Hause des HERRN, und
im elften Jahr, im Monat Bul, das ist der achte Monat, wurde das Haus vollendet, wie
es sein sollte, so daß sie sieben Jahre daran bauten. … Aber an seinen Königshäusern
baute Salommo dreizehn Jahre, bis er sie ganz vollendet hatte.“ 1 Kön 6,37- 7,1
Der Bau des Tempels wird ausführlich beschrieben: Fronarbeiter bringen Holz
aus dem Libanon und bearbeiten Steine (1 Kön 5,15-32), kostbare Schnitzereien und Vergoldungen schmücken das Haus Gottes (1 Kön 6).63 Die rituellen
Reinigungsbecken werden aus Kupfer gegossen und zwei prächtige
60
Volkmar Fritz: s.v. Tempel II, in: TRE, Bd. 33, hg. v. Gerhard Müller, Berlin/New York
2002, S. 46-54; hier S. 48.
61
Vgl. Kap. A.II.1. Abraham. Der Patriarch.
62
Albertz, 1992, S. 193.
63
Zum Bau des salomonischen Tempels und archäologischen Vergleichen siehe John M. Monson: The Temple of Solomon: Heart of Jerusalem, in: Zion, City of Our God, hg. v. Richard S.
Hess u. Gordon J. Wenham, Cambridge 1999, S. 1-22.
43
Abb. 2
44
Säulen säumen die Vorhalle des Tempels (1 Kön 7,13-47). Der König lässt den
Altar, den Tisch für die Schaubrote, Leuchter und die heiligen Geräte aus reinem Gold anfertigen, spendet dem Tempelschatz aus den Reichtümern Davids
(1 Kön 7,48-51) und der Bau des Tempels wird schneller vollendet als der Bau
der königlichen Paläste.
Der Tempelbau ist das Kernstück von Salomos Wirken. Seine Weisheit,
sein Reichtum und der außenpolitische Frieden sind Vorbedingungen für die
Errichtung des Heiligtums. Dabei ist umstritten, ob der salomonische Tempel
tatsächlich ein Neubau war, wie es die biblischen Schriften berichten, oder der
Umbau eines schon vorhandenen jebusitischen Heiligtums.64 Auch der beschworene Frieden ist zweifelhaft, erfahren wir doch nach dem Baubericht,
dass Salomo an Hiram, den König von Tyrus – derselbe, der den König Israels
und Judas so großzügig mit Holz aus dem Libanon und Handwerkern versorgt
hat – zwanzig Städte in Galiläa abtritt (1 Kön 9,10-12).65 Von weiteren Gebietsverlusten berichten die letzten Kapitel der Salomoerzählung im ersten
Buch der Könige; Feinde erwachsen dem König in dem Edomiter Hadad, der
zum König Edoms wird und einem gewissen Reson, der die Krone des Stadtkönigs von Damaskus zu erlangen weiß (1 Kön 11,14-25).
Der außenpolitische Frieden Salomos war ein verlustreiches Geschäft. Das
von David geschaffene Großreich begann unter seinem Nachfolger auf dem
Thron zu zerfallen. Die Anordnung innerhalb der Geschichte des Erben spiegelt die theologische Notwendigkeit, diesen Zerfall erst zum Ende von dessen
Regierungszeit hin sichtbar werden zu lassen. War David nicht der Erbauer des
Tempels, so erklärten sich das die Nachfolgenden als Entschluss Jahwes –
nicht des großen Königs. Diesem wird immerhin die Idee für das Gotteshaus
zugeschrieben und er wird dafür mit einer Dynastieverheißung bedacht. Aber
der Tempelbau wird erst der nächsten Generation zugestanden, die in einer
gesicherten Herrschaft das Haus Gottes errichten soll (2 Sam 7). In der Bear-
64
Albertz, 1992, S. 195f. Hentschel, 2005, S. 97f.
Der Verlust bleibt nahezu unkommentiert; eine negative Bemerkung Hirams über das armselige Geschenk hinterlässt allerdings das Gefühl, dass dieser außenpolitisch die Oberhand
hatte. Der Bericht der Chroniken wollte diesen Verlust nicht hinnehmen und drehte die Sachlage kurzerhand um. Hier erhält Salomon die Städte zum Geschenk – von Hiram (2 Chr 8,2).
65
45
beitung der Geschichte Salomos ist dieses Konzept weiter ausgearbeitet worden. Hier heißt es:
„Und Salomo sandte zu Hiram und ließ ihm sagen: Du weißt, daß mein Vater David
nicht ein Haus bauen konnte dem Namen des HERRN, seines Gottes, um des Krieges
willen, der um ihn her war, bis der HERR seine Feinde unter seine Füße gab. …
Nun aber hat mir der HERR, mein Gott, Ruhe gegeben ringsum, so daß weder ein
Widersacher noch ein böses Hindernis mehr da ist. Siehe, so habe ich gedacht, dem
Namen des HERRN, meines Gottes, ein Haus zu bauen, wie der HERR zu meinem
Vater David gesagt hat: Dein Sohn, den ich an deiner Statt auf deinen Thron setzen
werde, er soll meinem Namen ein Haus bauen.“ 1 Kön 5,16-19
Der Frieden wird zu einer Vorraussetzung für den Bau des Tempels und bestätigt gleichzeitig die Erwählung der davidischen Dynastie durch Jahwe – Gottes
Macht zeigt sich in dem Frieden, den er dem Herrscher über sein Volk gewährt, und der König bestätigt seine Erwähltheit durch den Bau des Heiligtums. Religion und Monarchie gehen hier eine Bindung ein, die für Jahrhunderte halten und nach dem Verlust der eigenen Staatlichkeit als Erinnerung an
ein goldenes Zeitalter und Ideal einer endzeitlichen Hoffnung überdauern sollte, dem Ort des neuen Tempels – Zion – aber sollte eine Bedeutungsvielfalt
zugeschrieben werden, die den Ruhm der Davididen schließlich transzendierte.
Das Allerheiligste
„So brachten die Priester die Lade des Bundes des HERRN an ihren Platz in den
Chorraum des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Cherubim.“
1 Kön 8,6
Zwar hatte David die heilige Lade in die neue Königsstadt geholt, doch es war
sein Sohn Salomo, der dem Symbol für die unsichtbare Präsenz Jahwes die
steinernen Mauern auf dem Zion baute. Das erste Buch der Könige beschreibt
wie der Herrscher, die Ältesten Israels und die Priester des Jerusalemer Kultes
die Bundeslade in einer feierlichen Prozession in das Allerheiligste des neuen
46
Tempels geleiten (1 Kön 8,1-6). Hier sollte sie ihren Ruhplatz finden, unter den
Flügeln der hölzernen Cherubim, deren Flügel den Thron des unsichtbaren
Gottes symbolisierten.66
Die Lade entstammte der Tradition des Nordens, als solche hatte David sie
nach Jerusalem verbracht und als solche ließ Salomo sie feierlich in den Tempel überführen. Politisch war dies ein Akt der Anerkennung, ein Versuch, die
Stämme Israels an das davidische Königtum zu binden. Religiös war es die
Übernahme eines Symbols, dessen Bedeutung – die bildlose Vergegenwärtigung Jahwes – die der Cheruben ergänzte: Mit der Überführung der Lade in
das Allerheiligste des Jerusalemer Tempels enthielt dieses zwei Symbole der
Gegenwart Gottes. 67
Mit der Lade zog Jahwe selbst in das steinerne Haus, das ihm der König
über sein Volk erbaut hatte. Anders als bei der Verbringung der Lade nach Jerusalem, bei der sich die Zustimmung Gottes nur indirekt – durch seinen Segen
und sein Schweigen – gezeigt hatte,68 wird die Einweihung des Tempels als
Theophanie beschrieben:
„Als aber die Priester aus dem Heiligen gingen, erfüllte die Wolke das Haus des
HERRN, so daß die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke;
denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus des HERRN.“ 1 Kön 8,10-11
Mit dem sichtbaren Einziehen der göttlichen Gegenwart in den Tempel, vor
den Augen des versammelten Volkes, der Priesterschaft und des Königs, wird
die Erwählung des Heiligtums in Jerusalem gültig – und permanent. Die Redaktoren des Berichtes unterstreichen mit diesem Einschub die Bedeutung der
Tempelweihe, geben der Erzählung den dramatischen Höhepunkt, den das Ereignis für nachfolgende Generationen im Rückblick hatte. Jahwe, der unsicht-
66
Bernd Janowski: Keruben und Zion. Thesen zur Entstehung der Zionstradition, in: Ernten,
was man sät. Festschrift für Klaus Koch zu seinem 65. Geburtstag, hg. v. Dwight R. Daniels,
Uwe Gleßmer u. Martin Rösel, Neukirchen-Vluyn 1991, S. 231-264; hier S. 249. Vgl. dazu
auch Albertz, 1992, S. 198 mit Fußnote 20.
67
Janowski, 1991, S. 254, weist darauf hin, „daß die Keruben nach Gestaltung und Funktion
für den Tempel konzipiert waren (vgl. 1 Kön 6,23-28), die Lade aber aus einem anderen historischen und religiösen Kontext nachträglich eingebracht wurde; …“ Vgl. auch ebd., S. 260.
68
2 Sam 6,10-19.
47
bare Gott Israels, der auch in der Stadt Davids zunächst noch in einem Zelt
gewohnt hatte – Erinnerung an die Herkunft seines Volkes, seiner Gegenwart
unter ihnen – zog in die steinernen Mauern des Tempels. Damit endete die Beweglichkeit des Zeltheiligtums, wurde die heilige Lade in das Symbolsystem
des salomonischen Tempels eingefügt und gewann der Ort die Gegenwart Gottes.69
Das davidische Königtum erschuf sich mit dem Heiligtum auf dem Zion einen Staatskult, der die Tradition der Stämme in sich aufnahm und gleichzeitig
nach Vorbildern der jebusitischen Stadtkönige und der phönizisch-syrischen
Umwelt gestaltet war. So wie Jahwe die Eigenschaften Els, des Weltenherrschers, zugeschrieben wurden, so wurde der von ihm erwählte Ort zum Weltenberg, zum Übergang zwischen Himmel und Erde. Die Heiligkeit des Tempels und der Lade sollten sich mit der Zeit auf den Ort übertragen: den Berg
Zion und die Stadt Jerusalem. Der Zion wird zum Wohnsitz Gottes und Jerusalem zur heiligen Stadt. Der heilige Raum wird durch die Präsenz Jahwes unabhängig von dem Symbol der ehemaligen Stammesgesellschaft, und als dieses
bei der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar zerstört wird, verliert der
Ort nichts von seiner Heiligkeit. Die Lade bringt Jahwes Gegenwart sichtbar
nach Jerusalem, in den salomonischen Tempel; die göttliche Gegenwart selbst
aber heiligt den Ort. Zion bleibt bestehen, auch nach Verlust der Lade und des
Tempels, und erhält die Funktion, Symbol für die Gegenwart des unsichtbaren
Gottes zu sein.70
Zion und Salomo
Salomo ist der Erbauer des ersten Tempels. Unter seiner Herrschaft entsteht
das Heiligtum auf dem Zion, das im Verlauf der Königszeit zum zentralen Kultort seines Volkes werden sollte. Für die Errichtung der steinernen Mauern, die
zum Wohnsitz des unsichtbaren Gottes werden, wird er zur Legende verklärt,
werden sein Leben, sein Reichtum und seine Weisheit zu Idealen, die seinen
69
Josef Schreiner: Sion-Jerusalem. Jahwes Königssitz. Theologie der Heiligen Stadt im Alten
Testament, München 1963, S. 146f. Kaiser, 1998, S. 183.
70
Vgl. Schreiner, 1963, S. 155f.
48
Namen weit über die Grenzen des heiligen Landes und die Erinnerung des
Volkes Israel hinaus bekannt machen.71
Doch Frieden und Reichtum, Kennzeichen der Herrschaft Salomos und
Voraussetzungen für den Bau des Tempels, sind teuer erkauft. Anders als sein
Vater David hinterlässt er ein zerbrechendes Reich, und die kurz nach seinem
Tod vollzogene Spaltung zwischen Nord und Süd, Israel und Juda, sollte bis
zum Untergang des Nordreiches 722 v. Chr. nicht überwunden werden. Die
religiös gedeutete Geschichtsschreibung der späten Königszeit und des Exils
konnte sich das nur als Strafe Gottes erklären und fügte dem Ideal Salomos
Schatten hinzu: die Vielgötterei. So ist die Bewertung Salomos zwiespältig,
wenn auch ein Verdienst unbestritten bleibt: Der salomonische Tempel ermöglichte den Aufstieg Zions zum heiligen Berg Gottes.72
7. Zion – heiliger Berg der Könige
„Ich aber habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berg Zion.“ Ps 2,6
David erschafft ein Großreich aus der Stammesgesellschaft seiner Vorfahren,
das in der Erinnerung zum Ideal verklärt wurde. Er erobert die Stadt Jerusalem
und macht sie zu seiner Hauptstadt, er bringt die heilige Lade, Symbol der Gegenwart seines Gottes, in das neue Zentrum und weiß seine göttliche Erwählung und die seines Hauses, geschickt zu inszenieren. Sein Name wird unsterblich und seine Stadt zum größten Heiligtum des Volkes Israel.
Salomo, Erbe und Nachfolger auf dem Thron seines Vaters, wirkt in einer
Zeit des Friedens. Er erbaut dem Gott seiner Vorfahren einen Tempel in Jerusalem. Die heilige Lade findet dort im Allerheiligsten ihren Ruheplatz unter
einem Cherubenthron – Symbole für die Gegenwart des unsichtbaren Gottes,
71
Susanne Gillmayr-Bucher: Salomo in all seiner Pracht, in: Ideales Königtum. Studien zu
David und Salomo, hg. v. Rüdiger Lux, Leipzig 2005, S. 128-152; hier S. 148f. Über die Rezeption der Figur Salomos in der christlichen und islamischen Literatur vgl. Miron Grindea
(Hg.): Jerusalem. The Holy City in Literature, 2. Aufl., London 1996, S. 16ff.
72
Vgl. Monson, 1999, S. 6f. Schreiner, 1963, S. 156.
49
für die Bindung Jahwes an einen Ort, den Berg Zion. Zwar kann Salomo weder
das Großreich seines Vaters sichern noch kann er verhindern, dass die Stämme
des Nordens in die Unabhängigkeit streben – das Reich zerbricht nach seinem
Tod – aber das Haus David herrscht weiter über Juda, den südlichen Teil des
Reiches, und der Tempel auf dem Zion übertrifft schließlich alle anderen Jahweheiligtümer an Bedeutung.73
Die Stadt und der Gottesberg werden mit dem Bau des Tempels zu Manifestationen der Gegenwart Gottes, erhalten neben der irdischen eine himmlische Dimension, die schließlich den realen Ort transzendiert.74 Jerusalem, das
Zentrum der davidischen Dynastie, wird zum Symbol der Erwählung durch
Gott, steigt auf zum einzig wahren Kultort des einzig wahren Gottes, erwählt
und erhalten von Jahwe und seinem von ihm eingesetzten König auf dem Zion.
73
Wälchli, 1999, S. 202f.
Dozeman, 1989, S. 34, schreibt dazu: „… the concept of unity so central to Zion is that the
temple is the location where spatial dimensions are transcended – where heaven and earth
become one in the sacred space of the sanctuary.“
74
50
II. Theologen und Visionäre
Für den Aufstieg Zions zum identitätsstiftenden Symbol des Volkes Israel, zum
Mittelpunkt des Glaubens und der Hoffnung auch jenseits staatlicher Macht
und dynastischer Erwählung waren David und Salomo nur der Beginn. Nach
dem Tode Salomos zerfiel das Großreich Israel-Juda in zwei Staaten, und das
Heiligtum auf dem Zion war nur eines unter vielen, in denen die Opfer für die
Verehrung Jahwes vollzogen wurden; mit Bethel und Dan lagen inmitten des
Nordreiches Israel heilige Stätten, deren Entstehung schon lange mit den Geschichten der Erzväter und den Traditionen des Landes verbunden waren.75
Zunächst zeichnete nur die Verbindung zum Hause David den heiligen Berg
in Jerusalem vor anderen Heiligtümern aus, ein Vorteil, der erst mit dem Bestehen der davidischen Dynastie durch die Jahrhunderte und der theologischen
Verbindung des königlichen Hauses mit einer endzeitlichen Erwartung zum
Tragen kommen sollte. Ältere Stränge des gemeinsamen Erinnerns waren gefragt, um dem prachtvollen Tempel Salomos nach der Reichsteilung Geltung
zu verschaffen. So fand etwa in die Erzähltraditionen um den Stammvater Abraham eine Begegnung mit dem mythischen Priesterkönig von Jerusalem ihren
Eingang, während das Konzept des Gottesberges von der Zionstheologie in die
Frühzeit projiziert wurde, Horeb und Sinai als Gottesberge, Orte der Gegenwart Jahwes, Gestalt und Bedeutung erhielten.76
Seit dem achten Jahrhundert v. Chr., in Zeiten innerer Unruhe und äußerer
Bedrohung, erhielt das Heiligtum auf dem Zion aus den Worten und Schriften
der großen Propheten und ihrer Nachfolger neue Kraft und neuen Gehalt. Abseits der bestehenden Ordnung wurde dem heiligen Berg Jahwes eine endzeitliche Komponente hinzugefügt sowie dem Königtum des Hauses David die
Herrschaft in einer unbestimmten Zukunft zugesichert. Zudem zog der Untergang des Nordreiches um 722 v. Chr. eine Aufwertung des bestehenden Heiligtums auf dem Zion nach sich und die Könige Judas wussten diesen Vorteil zu
75
76
Vgl. etwa Gen 12,6-8; 1 Kön 12,25-13,32.
Dozeman, 1989, S. 29ff.
51
nutzen. Unter der Herrschaft des Königs Josija erlebte das Volk Israel eine
Kultreform nie gesehenen Ausmaßes; Höhen und Tempel außerhalb Jerusalems, die Fremdkulte innerhalb der heiligen Stadt wurden vernichtet, deren
Priesterschaft zerstreut, um die Herzen und Augen der Menschen ausschließlich auf den Zion zu richten. Ein neuer Bund wurde vor den Augen des Herrn
geschlossen, der das durch die nachfolgenden Generationen idealisierte Gesetz
des Mose zum Maßstab persönlicher und kultischer Frömmigkeit machte und
so das Überleben einer Religion nach dem Verlust der eigenen Staatlichkeit
erlaubte, dessen Zentrum auch in der Fremde der Berg Gottes blieb: Zion.
Ausdruck der vielgestaltigen Deutungsebenen Zions seit den Zeiten Davids
bis in die Zeit nach dem babylonischen Exil ist die Liedsammlung des Psalters.
Entstanden über Jahrhunderte sind die Psalmen Zeugen der Bedeutungsfülle
eines Symbols, dem die Macht zukam, verschiedenste Elemente des Glaubens
und der Hoffnung, Ebenen der Transzendierung erlebter und erhoffter Wirklichkeit, in sich zu vereinen.
1. Abraham. Der Patriarch
Die Zeit der davidischen Monarchie erlebte den Aufstieg Zions zum wichtigsten Heiligtum des Volkes Israel. Dabei wurde die Bedeutung des Gottesberges,
der vor der Eroberung durch David Wohnsitz des jebusitischen Gottes El gewesen war, durch die Verknüpfung mit den Mythen der eigenen Geschichte
immer weiter in die Vergangenheit projiziert. So schufen die Theologen der
Königszeit Verbindungen zwischen dem neuen Sitz des mit El verschmolzenen
Jahwes und dem Erzvater Abraham, dessen Wanderungen ihn auf Geheiß seines Gottes in das gelobte Land geführt hatten (Gen 12,1.6-8), dessen Grab in
Hebron lag (Gen 23;25), der Krönungsstadt Davids, und aus dessen Linie sich
die zwölf Stämme Israels ableiteten, die Vorfahren der Davididen wie ihres
Volkes.
Die Sagen um den ersten Patriarchen stammten aus den mündlichen Erzähltraditionen der Stämme und erinnerten an die nomadische Vergangenheit der
eigenen Vorfahren, an die Begegnungen mit dem Gott der Väter und die Ver52
heißungen, die dieser Abraham und seinen Nachkommen gegeben hatte.77 Die
Theologen des Jerusalemer Tempelkultes, bemüht, dem Heiligtum auf dem
Zion eine Legitimation vor den wesentlich älteren Kultstätten der Erzvätertradition wie Sichem oder Bethel zu verschaffen – seit der Reichsteilung in offener Konkurrenz zu Jerusalem und dem Tempel – fügten den Geschichten über
den Erzvater eine weitere Begebenheit hinzu, in der Abraham dem Heiligtum
auf dem Gottesberg seinen Respekt erweist, lange vor der Eroberung der jebusitischen Enklave durch David.78
In der Erzählung von Genesis 14 kehrt Abraham nach einer siegreichen
Schlacht gegen vier feindliche Könige zurück, als ihm unvermittelt Melchisedek entgegen tritt, der Priesterkönig von Salem – Jerusalem.79 Während die
Schlachtgeschichte, in die der Erzvater nachträglich eingefügt wurde, aus diesem einen militärischen Helden macht, wird der Herr über Jerusalem als König
und Priester benannt, der dem siegreichen Feldherrn den Segen eines höchsten
Gottes anbietet.80
„Aber Melchisedek, der König von Salem, trug Brot und Wein heraus. Und er war ein
Priester Gottes des Höchsten und segnete ihn und sprach: Gesegnet seist du, Abram,
vom höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; und gelobt sei Gott der
Höchste, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat. Und Abram gab ihm den
Zehnten von allem.“ Gen 14,18-20
Die wenigen Verse vereinen entscheidende Elemente der davidischen Zionstheologie. Anstatt eines Gründungsmythos’ wird Jerusalem mit dem Besuch
eines Helden bedacht; nachträgliche Legitimation für einen heiligen Ort, der
77
Vgl. Gen 12,1-3; 13; 15,5; 18,18; 22,17. Zur Verschriftlichung mündlicher Stoffe in der
frühen Königszeit vgl. etwa Otto Kaiser: Studien zur Literaturgeschichte des Alten Testamentes, Würzburg 2000, S. 13ff. Reinhard G. Kratz: Die Komposition der erzählenden Bücher des
Alten Testaments. Grundwissen der Bibelkritik, Göttingen 2000, S. 315f.
78
Das erste Buch Mose. Genesis, übers. u. erkl. v. Gerhard von Rad (ATD, Teilbd. 2/4), 11.
Aufl., Göttingen 1981, S. 139.
79
Psalm 76,3 enthält eine Gleichsetzung des Namens Salem mit Zion, mit Salem ist also ohne
Zweifel Jerusalem gemeint: „So erstand in Salem sein Zelt und seine Wohnung in Zion.“ Ps
76,3.
80
Von Rad, 1981, S. 137.
53
erst seit Beginn der Königszeit im Besitz Israels war.81 Der Priesterkönig Melchisedek, in dessen Nachfolge sich die davidischen Könige verstanden, bietet
dem Patriarchen ein rituelles Willkommensmahl in Anerkennung des militärischen Erfolges und den Segen eines Gottes, dessen Namen ungenannt bleibt,
der aber als der höchste Gott, „der Himmel und Erde geschaffen hat“ bezeichnet und damit als El, der Weltenherrscher auf dem Gottesberg erkennbar wird –
derselbe Gott, mit dem Jahwe seit der Zeit Davids verschmelzen sollte.82 Abraham nimmt den Segen nicht nur entgegen, sondern er gibt dem Herrn über Jerusalem den Zehnt seiner Beute. Damit beugt er sich vor dem Gott, der auf dem
Zion thront und dem König, der dem Kult in der heiligen Stadt vorsteht, eine
Anerkennung, die der große Patriarch dem Vorfahren der davidischen Könige
zollt.83
Die Verbindung Abrahams mit der Geschichte Jerusalems diente der Legitimation des Heiligtums auf dem Zion ebenso wie der Bestätigung der davidischen Monarchie. Der Heiligung des Ortes diente auch die Verknüpfung mit
einer weiteren Erzählung, wenn auch weniger offensichtlich.
„Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham!
Und er antwortete: Hier bin ich. Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn,
den du liebhast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer
auf einem Berge, den ich dir sagen werde.“ Gen 22,1-2
Die Opferung Isaaks, eine der eindringlichsten Geschichten aus dem Leben des
Erzvaters, ist erst sehr spät und nur indirekt mit dem Gottesberg in Jerusalem
verbunden worden. Der Berg in dem Land Morija, zu dem Gott Abraham sendet, um dort seinen Sohn zu opfern, wird über den Namen Morija als Zion er-
81
Thomas M. Bolin: The Making of the Holy City: On the Foundations of Jerusalem in the
Hebrew Bible, in: Jerusalem in Ancient History and Tradition, hg v. Thomas L. Thompson,
London/New York 2003, S. 171-196; hier S. 183: „At work in Genesis 14 is a founder tradition
that portrays the great hero visiting a city.”
82
Von Rad, 1981, S. 138f. In Psalm 110 heißt es über den davidischen Priesterkönig: „Der
Herr hat geschworen, und es wird ihn nicht gereuen: ‚Du bist ein Priester ewiglich nach der
Weise Melchisedeks.’ ” Ps 110,4. Vgl. dazu Kap. A.II.4. Zion in den Psalmen.
83
Vgl. Nitsche, 1994, S. 202f. Albertz, 1992, S. 204.
54
kennbar, benennen doch die Chroniken den von David erworbenen Opferplatz,
auf dem sein Sohn Salomon den Tempel erbaut, mit eben diesem Namen:
„Und Salomo fing an, das Haus des HERRN zu bauen in Jerusalem auf dem Berge
Morija, wo der HERR seinem Vater David erschienen war, an der Stätte, die David
auf der Tenne Araunas, des Jebusiters, zubereitet hatte.“ 2 Chr 3,1
Vermutlich hat der Name erst von den Chroniken her seinen Weg in die Patriarchenerzählung gefunden, die als Kultlegende eines anderen Heiligtums schon
Teil des Erzählkranzes war.84 Warum dann aber die Chroniken selbst keinen
Bezug auf den Erzvater nehmen, sondern auf David, erklärt sich aus der nachexilischen Abfassungszeit, in der Schreiber und Redaktoren des Jerusalemer
Kultes bemüht waren, die davidische Tradition des Zions gegenüber dem Heiligtum der Samaritaner auf dem Berg Garizim hervorzuheben, dessen Kult sich
auf weit ältere Wurzeln aus der Tradition der Patriarchen berufen konnte, aber
nicht auf eine Gründung aus der erwählten Dynastie des großen Königs.85
So schmal die Spur zwischen Morija und Zion, zwischen Abraham und David in der Geschichte von der Opferung Isaaks auch sein mag, in der jüdischen
Tradition ist die Verbindung der heiligen Stätte aus der Erzvätergeschichte mit
dem Gottesberg in Jerusalem fest verankert.86 Dagegen versteht die christliche
Auslegung des nicht vollzogenen Sohnesopfers den Ort der Bindung Isaaks als
den Ort der Kreuzigung – Golgatha – nicht Zion.87 Der Koran indessen kennt
84
Von Rad, 1981, S. 190.
Yair Zakovith: The First Stages of Jerusalem’s Sanctification under David: A Literary and
Ideological Analysis, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and
Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 16-35; hier S. 31f. Die Samaritaner, deren Name auf die Hauptstadt des Nordreiches – Samaria – zurückgeht, waren nach der Zerstörung
Israels im 8. Jh. aus den verbleibenden Israeliten hervorgegangen. Nach dem babylonischen
Exil, als der Tempel in Jerusalem wieder errichtet werden sollte, kam es zu religiösen Konflikten zwischen den Rückkehrern und den Zurückgebliebenen. Die Samaritaner errichteten
schließlich einen eigenen Tempel auf dem Berg Garizim, der um 129 v. Chr. von dem Hasmonäer Johannes Hyrkanos I. zerstört werden sollte.
86
Michael Krupp: Den Sohn opfern? Die Isaak-Überlieferung bei Juden, Christen und Muslimen, Gütersloh 1995. So wird beispielsweise die Benennung der heiligen Stätte durch Abraham in Gen 22,14 auf vielfältige Weise mit Jerusalem in Verbindung gebracht. Vgl. ebd., S.
50.
87
Krupp, 1995, S. 71ff. Das Christentum überträgt auch das Motiv eines Melchisedek auf
Jesus, und sieht in ihm sowohl die Funktion eines göttlich eingesetzten Priesterkönigs, wie in
85
55
zwar die Geschichte des Abraham befohlenen Opfers, nennt aber den Ort nicht
beim Namen; und die islamische Tradition verbindet das Ereignis mit der Kaaba in Mekka, deren Errichtung eben jenem Stammvater und seinem Sohn Ismael zugerechnet wird.88 Gemeinsam ist den drei abrahamitischen Religionen,
dass sie in der Geschichte von dem geforderten Sohnesopfer eine Weihe der
später bedeutendsten Heiligtümer ihres Glaubens sehen: Zion – Golgatha –
Kaaba. Doch der heilige Berg Zion sollte noch weitere Zuschreibungen erfahren, so dass seine Bedeutung für die Gläubigen sich schließlich nicht mehr nur
aus der Verbindung zu den Vorfahren einer legendären Vergangenheit ergab,
sondern sich bis an das Ende aller Zeiten erstreckte.
2. Jesaja. Der Prophet
„Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort.“ Jes 2,3a
Das Buch des Propheten Jesaja, entstanden seit dem achten Jahrhundert v. Chr,
bezeugt die Entwicklung des Glaubens an die Macht Jahwes und die zentrale
Stellung des heiligen Berges in Jerusalem jenseits davidischer Hoftheologie.
Die über Jahrhunderte fortgeschriebene Sammlung prophetischer Schriften löst
den Weltenherrscher auf dem Zion von der Monarchie, erkennt in ihm den
Herrscher nicht nur über sein Volk, sondern über alle Völker und erlaubt damit
eine theologische Deutung der Ereignisse, die seit der Zeit Jesajas das politische Gefüge der Levante erschütterten.89
Ps 110,4 als auch eine dem alten Bund vorgeordnete Macht, die wie von Abraham von allen
anerkannt werden müsse. Vgl. Hebr 5,6 u.ö.
88
Annemarie Schimmel: s.v. Abraham IV. Im Islam, in: LThK, Bd. 1, Freiburg u.a. 1993, Sp.
64. Krupp, 1995, S. 75ff.
89
Kratz, 2003, S. 46ff. Zur Fortschreibung der Jesajabücher schreibt Kratz: „Das Buch Jesaja
zerfällt deutlich in zwei Teile, Jes 1-39 und Jes 40-66. Sie unterscheiden sich in Sprache und
Stil und gehen von verschiedenen historischen Voraussetzungen aus. Während der erste Teil
Material enthält, das vom 8. bis ins 2. Jahrhundert reicht, setzt der zweite Teil überall bereits
das Ende Judas im 6. Jahrhundert und die sich anschließende exilisch-nachexilische Epoche
voraus.“ Ebd., S. 92. Innerhalb des zweiten Teils wird weiterhin zwischen Deuterojesaja (Jes
40-55) und Tritojesaja (56-66) unterschieden.
56
Der Prophet, dessen Wirken Ausgangspunkt dieser Entwicklung war, lebte
in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts in Jerusalem und verlieh, wie die
anderen Propheten seiner Zeit, den Worten Jahwes eine Stimme, die abseits des
staatlichen Kultes das soziale Unrecht einer im Inneren gespaltenen Gesellschaft kritisierte und vor dem drohenden Unheil einer zerfallenden Staatenwelt
warnte. Während der soziale Frieden von einer zunehmenden Verarmung der
Kleinbauern bedroht war, deren Abhängigkeit von reichen Großgrundbesitzern
oft in der Schuldknechtschaft endete, war das Wohl der beiden Reiche Israel
und Juda durch die Politik der Großmächte Assur und Ägypten gefährdet, zwischen denen die Kleinstaaten Palästinas verzweifelt ihre Unabhängigkeit zu
wahren suchten. Unter der Herrschaft des assyrischen Königs Tiglatpileser III.
(745-727) und seiner Nachfolger begann eine Eroberungswelle in Richtung
Westen, die schließlich den Untergang des Reiches Israel im Jahr 722 v. Chr.
herbeiführte und das davidische Königshaus als Vasall Assurs zurückließ.90
Die dramatischen Ereignisse jener Zeit brachten eine gesellschaftliche Opposition hervor, die ihren deutlichsten Ausdruck in den Worten des Propheten
Jesajas fand. Dieser empfing im Todesjahr des judäischen Königs Usija (739 v.
Chr.) seine Berufung, die in einem bewegendem Bild überliefert wurde:
„In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen
und erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel.“ Jes 6,1
Seine Sprache und Bildung, sein Umgang mit den Großen des Staates (Jes
8,2;22,15) bis hin zu den Königen Judas (Jes 7,3.12f.) und der Umstand, dass
er, obwohl des Hochverrats verdächtigt (Jes 8,12), nie verfolgt wurde, weisen
den Propheten als Mitglied der Oberschicht Jerusalems aus, jener Stadt, deren
Schicksal sein Wirken, das bis in die letzen Jahre des achten Jahrhunderts fortdauerte, bestimmend beherrschte.91
Jerusalem, die Stadt Davids und seit dem Bau des Tempels auf dem Zion
Wohnsitz Jahwes, war der Verwaltungssitz der davidischen Monarchie und das
90
Kratz, 2003, S. 52f.
Vgl. etwa Albertz, 1992, S. 255f. oder Antoon Schoors: Die Königreiche Israel und Juda im
8. und 7. Jahrhundert v. Chr. Die assyrische Krise, Stuttgart 1998, S. 105f.
91
57
Zentrum des königlichen Kultes; seit der Zeit Salomos war der Gott der Stämme in den steinernen Mauern seines Hauses sesshaft geworden – in unmittelbarer Nähe zu den Herrschern Judas, doch unerreichbar für sein Volk, das von
der zunehmenden Heiligkeit im Innern des Tempels ausgeschlossen war.92 Erst
in der Stimme des Berufenen und seiner Nachfolger löste sich Jahwe aus der
Vereinnahmung durch die Theologen des Königshofes, wurde zum Schutzherrn der Armen und Schwachen und zum Richter über die Ungerechten und
Bestechlichen in einer aus der Balance geratenen Gesellschaft (Jes 10,1-4).
Drohend richtet sich die Kritik des Propheten gegen die herrschende Oberschicht des Staates, jene, die Gesetze und Vorschriften zu eigenen Gunsten
erlassen und deren Rechtsprechung käuflich ist (Jes 1,23; 5,20.23). Die Fürsorge des zürnenden Gottes gilt nach Jesaja den Schutzlosen, Witwen und Waisen,
die, selber nicht rechtsfähig, zu ohnmächtigen Opfern des ungerechten Tuns
werden.93 Er stellt die Armen, die am Rande der Gesellschaft Stehenden, in den
besonderen Schutz Jahwes. Ganz im Gegensatz zu der verbreiteten Vorstellung, wirtschaftliche Prosperität sei ein Ausdruck göttlichen Segens, wird der
Religion des einen Gottes hier ein Element hinzugefügt, das zu einem festen
Bestandteil nicht nur des jüdischen, sondern auch des christlichen und islamischen Glaubens werden sollte: Die Armenfürsorge als Werk im Namen Gottes.
Die Ungerechten aber müssen nicht nur den Zorn Jahwes fürchten, der mit
der Vernichtung des Staates droht (Jes 3; 10,4) – eine Drohung, die in der Zerstörung Israels für die Zeitgenossen Jesajas ein erschreckendes Beispiel für die
Macht und den strafenden Willen ihres Gottes fand – sondern auch ein Weltgericht am Ende der Zeiten, bei dem alle Völker sich vor dem auf dem Zion
thronenden göttlichen Richter verantworten müssen (Jes 2,1-5). Durch den
Propheten verkündet der Gott der Stämme sein Urteil und seine Bereitschaft,
seine Anhänger dem Ansturm der Völker preiszugeben, über deren Schicksal
er ebenso Herr ist wie über das seines Volkes (Jes 5,25-30). In der Vision eines
letzten Gerichtes werden dann die Taten des Einzelnen berücksichtigt, findet
die Gerechtigkeit ihren Lohn und das Unrecht seine Strafe (Jes 1,27f.; 4,2-6).
92
Albertz, 1992, S. 199.
Das Buch des Propheten Jesaja. Kapitel 1-12, übers. u. erkl. v. Otto Kaiser, (ATD, Teilbd.
17), 5. völlig neubearb. Aufl., Göttingen 1981, S. 56; 217.
93
58
Der Ort der verkündeten Ereignisse ist aber in jedem Fall der Berg Gottes.
Zion ist in den Schriften des Buches Jesaja der soziale, politische und kosmische Mittelpunkt des Volkes Israel.94 Als Synonym für die Stadt Jerusalem und
ihre Bewohner, als Mutter und Frau, Witwe und Königin,95 Ziel des Völkersturms, den der zürnende Gott gegen sein Volk entfesselt, und Ort eines Gerechtigkeit versprechenden Weltgerichtes, dem nicht nur der Einzelne, sondern
alle Völker unterstehen, erfährt der Berg Zion eine die Theologie der frühen
Königzeit weit überragende Bedeutung für den Glauben und die Vorstellungswelt der Anhänger Jahwes.
Die Macht Gottes richtete sich in der Stimme Jesajas auch gegen die davidische Dynastie, die seit den Tagen Davids den Thron der Könige Judas innehatte. Inmitten der zwischen den Großmächten gefangenen Staatenwelt Palästinas bemühten sich die Herrscher Jerusalems vergeblich um die Verteidigungsanlagen ihrer Stadt und die Wahl der richtigen Bündnispartner. Es spricht
für die politische Weitsicht des Propheten, wenn er König Ahas (735-715) im
syrisch-ephraimitischen Krieg, den Israel und Damaskus gegen Juda führten,
davor warnte, Tiglatpileser III. um Schutz zu bitten (Jes 7,4-9; 8,5-8); in seinen
Prophezeiungen sieht er den Untergang der gegnerischen Staaten und die Gefährdung Judas durch das Herannahen Assurs.96 Der Prophet behält recht: 732
v. Chr. fällt Damaskus, 722 v. Chr. Samaria, die Hauptstadt Israels, in die Hände der Assyrer, und König Ahas von Juda kann sein Reich nur durch hohe Tributzahlungen aus dem Tempelschatz und religiöse Unterwerfungsgesten vor
dem Vernichtungswillen der Großmacht retten (2 Kön 16).
Die seit David erwählte Dynastie sieht Jesaja in einer Zeit der inneren Unruhe und äußeren Bedrohung vor Gott auf dem Prüfstand und er fordert von
den Herrschern Jerusalems unbedingtes Vertrauen in die Macht Gottes.
„Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!“ Jes 7,9
94
Michael Tilly: Jerusalem – Nabel der Welt. Überlieferung und Funktionen von Heiligtumstraditionen im antiken Judentum, Stuttgart 2002, S. 160f.
95
Odil Hannes Steck: Zion als Gelände und Gestalt. Überlegungen zur Wahrnehmung Jerusalems als Stadt und Frau im Alten Testament, in: Gottesknecht und Zion. Gesammelte Aufsätze
zu Deuterojesaja, Tübingen 1992, S. 126-145.
96
Kaiser, 1981, S. 145f.
59
„Rüstet nur! Ihr werdet doch zerschmettert. … Macht nur Pläne! Sie werden vereitelt!“ Jes 8,9f
So lauten die schärfsten Formulierungen dieses Grundsatzes und offenbaren
zugleich die Vergeblichkeit der königlichen Politik im Angesicht göttlicher
Pläne. Zwar überlebte das Königreich Juda das achte Jahrhundert – als Vasall
Assurs und mit einem kleiner werdenden Einflussgebiet – doch der exklusive
Zugriff der davidischen Monarchie auf den Gott Zions war gebrochen. Dieser
herrschte nun über alle Völker und drohte in den Reden seiner Propheten auch
dem Hause Davids unverhohlen mit dem Untergang, sollten die Könige Jerusalems seinen Forderungen nach Glauben und Gerechtigkeit nicht genügen.
Die jesajanische Kritik an König und gesellschaftlichen Missständen verband sich mit Untergangsdrohungen in einer Zeit, die den Fall Samarias und
die Belagerung Jerusalems erleben sollte. Die Nachfahren sahen damit die
Worte des Propheten bestätigt und fanden in der darin enthaltenen Theologie
des strafenden, über die Geschicke der Völker entscheidenden Gottes auf dem
Zion Deutungsmuster für die Schicksalsschläge der kommenden Jahrhunderte.97 Die Monarchie- und Gesellschaftskritik, geeignet, sogar den Untergang
der Davididen 587 v. Chr., den Verlust der eigenen Staatlichkeit und die Verschleppung in das babylonische Exil zu erklären, ohne die Allmacht Jahwes in
Frage zu stellen, wurde als Erklärung für die hereinbrechenden Katastrophen
fortgeschrieben. Seit der Zeit des Propheten bis in das zweite Jahrhundert v.
Chr. ergänzten Schreiber und Redaktoren das Buch Jesaja, bis es schließlich
die Geschichte des Volkes Israel vom Ende des achten Jahrhunderts bis zum
babylonischen Exil als prophetisches Wort beinhaltete.98
Zion war dabei sowohl das Ziel des göttlichen Zornes als auch der Ort einer
neuen Heilserwartung, verbunden mit der Vorstellung eines Weltgerichtes am
Ende aller Tage und dem Erstehen einer neuen Königsherrschaft aus dem Hau-
97
Kaiser, 2003, S. 92ff.
Vgl. etwa Kratz, 2003, S. 92. Otto Kaiser: s.v. Jesaja/Jesajabuch, in: TRE, Bd. 16,
Berlin/New York 1987, S. 636-658; hier S. 636. Norman W. Porteous: Jerusalem-Zion. The
Growth of a Symbol, in: Verbannung und Heimkehr. Beiträge zur Geschichte und Theologie
Israels im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr., Wilhelm Rudolph zum 70. Geburtstag, hg. v. Arnulf
Kuschke, Tübingen 1961, S. 235-252.
98
60
se David. Diente die Befreiung Jahwes von dem exklusiven Zugriff königlicher
Legitimation der Deutung göttlichen Handelns in Zeiten äußerer Bedrohung, so
wurde den Davididen der Anspruch auf die Königsherrschaft in den Schriften
des Buches Jesaja doch nicht ganz abgesprochen.
„Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner
Wurzel Frucht bringen. … Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen,
noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, sondern wird mit
Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande,
… Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge;
denn das Land wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie Wasser das Meer bedeckt.“
Jes 11,1-9
In einer unbestimmten Zukunft würde aus dem Stamme Isais, des davidischen
Ahnherrn, ein neuer König hervorgehen, dessen Herrschaft einen innenpolitischen Frieden bedeute, der in der Gegenwart der Verfasser dieser messianischen Vorstellung längst verloren war.99 Wie auch in den Immanuelworten (Jes
7,10-17; 9,1-6) findet sich hier die Hoffnung auf eine zukünftige Heilszeit,
garantiert durch einen Abkömmling der seit David von Jahwe erwählten königlichen Familie. Geprägt von Gerechtigkeit über alle sozialen Grenzen hinweg
umreißt die Beschreibung das königliche Ideal eines göttlich inspirierten Gerichtsherrn, ein allgemein bekannter Topos der antiken Vorstellungswelt, aber
einzigartig in der Hoffnung auf das Wiedererstehen einer unter-gegangenen
Dynastie.100 Der Ort dieses zukünftigen Friedens ist Jerusalems heiliger Berg
Zion, der in seiner vielfältigen Symbolik als Volk Israel und Präsenz des Göttlichen zum Zeugen und Garant der messianischen Herrschaft wird. Folgerichtig
übertrugen die Christen, die den Glauben an einen Messias aus den prophetischen Schriften kannten und teilten, die Zeugenschaft des heiligen Berges für
das Erscheinen des Gesalbten nach dem Tode Jesu auf den Berg Golgatha, der
99
Sowohl die Immanuel-Worte als auch die messianischen Erwartungen setzen das Ende der
davidischen Königsherrschaft voraus, sind also frühestens exilische oder nachexilische Fortschreibungen des Prophetenbuches. Vgl. dazu etwa Kaiser, 1981, S. 152-161; S. 239ff. Ders.,
1987, S. 649.
100
Kaiser, 1981, S. 244f.
61
in ihrer Vorstellung das Wunder der Auferstehung bezeugte. Doch Zion blieb
auch in der Auffassung der Christen der Ort des letzten Gerichtes am Ende
aller Tage.101
Das Bild eines Weltengerichtes in den prophetischen Schriften des Buches
Jesaja beschreibt die Macht des nicht nur über sein Volk, sondern über alle
Völker richtenden allmächtigen Jahwes, dessen heiliger Berg Zion zum Mittelpunkt eines endzeitlichen Friedensreiches wird (Jes 24-27; 34). War der Zion
zunächst Ziel des Völkersturms, den der strafende Gott gegen sein sündiges
Volk richten, dann aber scheitern lassen sollte, um so zum Richter über die
Völker zu werden (Jes 13-23), erwuchs dem Heiligtum in Jerusalem in den
Fortschreibungen der jesajanischen Theologie eine zunehmende Bedeutung als
erwählter Ort des an seinen Wohnsitz zurückkehrenden Weltenrichters zu (Jes
40,1-5.9-11), dessen Macht Himmel und Erde umfasst und der am Ende der
Tage allem menschlichen Leid ein Ende setzen wird (Jes 24,21-23; 25,6-8).102
Zion wird damit zum alle anderen überragenden Gottesberg, Ziel und Zentrum
einer endzeitlichen Völkerwallfahrt und Ausgangspunkt der Durchsetzung universal gültigen, göttlichen Rechts (Jes 2,2-4).103
Die Zionstheologie erfuhr in den Fortschreibungen des Buches Jesaja, die
über Jahrhunderte immer wieder den historischen Gegebenheiten angepasst
wurden, die Hoffnung auf Rettung, Gerechtigkeit und einen zukünftigen Frieden gaben, eine zunehmende Transzendierung.104 So, wie die Monarchiekritik
der prophetischen Schriften Jahwe von dem Zugriff des weltlichen Königtums
löste und das Kommen eines gerechten davidischen Herrschers in eine unbe-
101
Etwa Röm 11,26; Hebr 12,22; Offb 14,1. Vgl. dazu Kap. B.I.4. Der christliche Zion und das
himmlische Jerusalem.
102
Otto Kaiser: Der Gott des Alten Testaments. Wesen und Wirken. Theologie des Alten Testaments, 3 Bde., Teil 1: Grundlegung, Göttingen 1993, Teil 2: Jahwe, der Gott Israels, Schöpfer der Welt und des Menschen, Göttingen 1998, Teil 3: Jahwes Gerechtigkeit, Göttingen 2003.
Ebd., 1993, S. 131-138.
103
Siehe dazu auch die Parallelstelle Mi 4,1-3. Vgl. dazu Ludger Schwienhorst-Schönberger:
Zion – Ort der Tora. Überlegungen zu Mi 4,1-3, in: Zion. Ort der Begegnung, Festschrift für
Laurentius Klein zur Vollendung des 65. Lebensjahres, hg. v. Ferdinand Hahn u.a., Bodenheim
1993, S. 107-125; hier S. 109f.
104
Vgl. dazu Ulrich Berges: Gottesgarten und Tempel: Die neue Schöpfung im Jesajabuch, in:
Gottesstadt und Gottesgarten. Zu Geschichte und Theologie des Jerusalemer Tempels, hg. v.
Othmar Keel u. Erich Zenger, Freiburg i.Br. 2002, S. 69-98. Zu Fortschreibungen und ideologischem Zusammenhang innerhalb des gesamten Buches Jesaja vgl. Antti Laato: „About Zion I
will not be silent“. The Book of Isiah as an Ideological Unity, Stockholm 1998.
62
stimmte aber gewisse Zukunft verlegte, so löste sie das weltliche vom himmlischen Jerusalem, erfuhr der heilige Berg Zion eine Befreiung von den realpolitischen Zuständen einer als Strafe empfundenen Wirklichkeit und wurde zum
Sinnbild zu erwartenden Heils.105 Als Ort einer nicht genau zu datierenden
Endzeit ist Zion Identität stiftendes Symbol und wird zum Garant der Hoffnung
für das auserwählte Volk des einen Gottes.
105
Vgl. Porteous, 1961, S. 240ff; 250ff., zu Bildern von Frieden und Gerechtigkeit in den Fortschreibungen des Jesajabuches, über die Ecksteinsymbolik, Jerusalem als Zentrum und Nabel
der Welt im Buch Ezechiel und das Neue Jerusalem in den späten jesajanischen, den apokryphen jüdischen Schriften und dem Neuen Testament.
63
3. Josija. Der König
Sollten Propheten wie Jesaja die Befreiung Jahwes und seines heiligen Berges
von der dem Untergang geweihten Monarchie des Hauses David einleiten, so
waren es letztlich doch die Könige eben dieser Dynastie, die in der Erinnerung
ihres Volkes das Überleben des Glaubens an den einen Gott und dessen erwählte Stadt garantierten. Mit Hiskia und Josija nennt das Buch der Könige
gleich zwei Herrscher, deren Regierungszeit von dem Bemühen um die Reinheit und die Zentralisierung des Jahwekultes geprägt war (2 Kön 18,1-7; 2223,30).106 Doch es sollte Josija sein, in dessen Herrschaft die Schreiber und
Redaktoren der alttestamentlichen Schriften die Auffindung des mosaischen
Gesetzes mit der Autorität des davidischen Königtums verbunden sahen.
König Josija von Juda (ca. 640-609) folgte mit nur acht Jahren seinem Vater
Amon, der einer Hofintrige zum Opfer gefallen war, mit Hilfe des Volkes auf
den Thron (2 Kön 21,23-26). Im achtzehnten Jahr seiner Regierung wurde bei
Renovierungsarbeiten im Tempel ein Gesetzesbuch wiederentdeckt, das die
moderne Forschung, auf Grund der sich an den Fund anschließenden ehrgeizigen Reformbemühungen Josijas, für eine Urfassung des Buches Deuteronomium hält.107 Der Auffindung folgte eine umfassende Reinigung des Kultes, die
Zentralisierung des Kultes auf das Jerusalemer Heiligtum auf dem Zion und ein
neuer Bundesschluss (2 Kön 23,1-24).108 Der König stirbt, als er sich dem Pharao Necho bei Megiddo in den Weg stellt (2 Kön 23,29), die Darstellung seines
Todes im zweiten Buch der Könige bleibt rätselhaft, nicht jedoch die Bewertung seiner Person:
106
Zur Bedeutung der Reformen Hiskias vgl.: Albertz, 1992, S. 282. Schoors, 1998, S. 34;
siehe auch S. 46 zur chronistischen Deutung. Ernst Baltrusch: Die Juden und das Römische
Reich. Geschichte einer konfliktreichen Beziehung, Darmstadt 2002, S. 22ff.
107
Marvin A. Sweeney: King Josiah of Judah. The Lost Messiah of Israel, Oxford/New York
2001, S. 3ff.
108
Es folgt eine Pessachfeier nach den Geboten des wieder gefundenen Gesetzes (2 Kön 23,2123), die in der chronistischen Darstellung der Zeit Josijas im Zentrum der Erzählung steht (2
Chr 35). Vgl. dazu Louis C. Jonker: Reflections of King Josiah in Chroniclers. Late stages of
the Josiah reception in II Chr. 34f., Gütersloh 2003, S. 34ff.; 83ff.
64
„Seinesgleichen war vor ihm kein König gewesen, der so von ganzem Herzen, von
ganzer Seele, von allen Kräften sich zum HERRN bekehrte, ganz nach dem Gesetz des
Mose, und nach ihm kam seinesgleichen nicht auf.“ 2 Kön 23,25
Innerhalb des deuteronomistischen Geschichtswerkes ist Josija der Höhepunkt
davidischer Herrschaft, vollkommener als David selbst, ein neuer Mose, eine
messianische Gestalt, die zwar schließlich an den historischen Umständen
scheitern sollte, aber in ihrem Wesen das neue Ideal eines gesetzestreuen Menschen verkörpert.109 Das kurze Aufblühen Judas in der Zeit des assyrischen
Niedergangs, in einem Machtvakuum, welches das babylonische Reich nur zu
schnell wieder füllen sollte, und die Hoffnung auf ein Wiedererstarken des
Großreiches eines Davids oder Salomos verbanden sich in der theologischen
Deutung der eigenen Geschichte mit der Erinnerung an einen letzten großen
König aus der davidischen Dynastie, dem die Ehre zuerkannt wurde, den mosaischen Bund mit Jahwe erneuert zu haben. Allerdings stammten die theologischen Konzepte der so genannten josijanischen Reform nicht aus der Zeit eines
Moses und sie sprachen auch nicht die Sprache des königlichen Hofes. Die
Vereinigung vorstaatlicher Ideale mit einer konstitutionellen Monarchie, die
Zentralisierung der Verehrung des einen Gottes an seinem erwählten Heiligtum
auf dem Zion, das Gesetz, das den Einzelnen befähigte, ohne staatlichen Kult
und königliche Vermittlung den Glauben an Jahwe zu praktizieren, verkündeten die Interessen vieler gesellschaftlicher Gruppen – und garantierten das
Überleben einer Religion, die sich in der Nachfolge der Propheten von dem
Schicksal der Könige Judas löste.110
So wogen in den Augen der deuteronomistischen Verfasser und Redaktoren
der Königsbücher die Sünden der davidischen Herrscher und des Volkes
schwerer als die Reformen des einen Königs, wurde das mosaische Gesetz zum
109
Christof Hardmeier: König Joschija in der Klimax des DtrG (2Reg 22f.) und das vordtr
Dokument einer Kultreform am Residenzort (23,4-15*). Quellenkritik, Vorstufenrekonstruktion und Geschichtstheologie in 2Reg 22f, in: Erzählte Geschichte. Beiträge zur narrativen
Kultur im alten Israel, hg. v. Rüdiger Lux, Neukirchen-Vluyn 2000, S. 81-145; hier S. 93ff.
110
Die Historizität der Reformen Josijas ist in der Forschung nach wie vor sehr umstritten, zur
Vielfalt der Forschungsmeinungen vgl. etwa Bernd Gieselmann: Die sogenannte josianische
Reform in der gegenwärtigen Forschung, in: ZAW 106 (1994), S. 223-242; und den Sammelband: Good Kings and Bad Kings, hg. v. Lester L. Grabbe, London/New York 2005.
65
Maßstab für das Urteil Jahwes über seine heilige Stadt und deren Bewohner,
die er nur wenige Jahrzehnte nach dem Tode Josijas dem Untergang preisgab.
„Und der HERR sprach: Ich will auch Juda von meinem Angesicht tun, wie ich Israel
weggetan habe, und ich will diese Stadt verwerfen, die ich erwählt hatte, Jerusalem,
und das Haus, von dem ich gesagt hatte: Mein Name soll dort sein.“ 2 Kön 23,27
Doch die Reformen Josijas wirkten fort. Nach der Zerstörung Jerusalems und
des Tempels, in der Fremde des babylonischen Exils wurde das mosaische Gesetz, das schließlich als Buch Deuteronomium der Geschichte der Landnahme
vorangestellt werden sollte, zu einem Pfeiler der Identität des erwählten Volkes, und dem König, der die Reinheit des Kultes wiederhergestellt und den
Bund mit Jahwe erneuert hatte, gebührte die Ehre, die Erwählung des einen
Heiligtums auf dem Zion für die Verehrung Jahwes durchgesetzt zu haben.111
So wurden auf königlichen Befehl hin Stadt und Land nicht nur von den religiösen Elementen der assyrischen Fremdherrschaft befreit, Zeichen der neuen
Eigenständigkeit gegenüber der zerbrechenden Großmacht, sondern der König
ließ auch alle Jahweheiligtümer bis hin zu dem traditionsreichen Bethel zerstören und etablierte den salomonischen Tempel in Jerusalem als einzige Kultstätte, als erwählten Ort Jahwes, den das Deuteronomium zwar nicht namentlich benennt, aber antizipiert (2 Kön 23,4-20; Dtn 12f.). Unter der Herrschaft
Josijas vollzieht sich damit ein entscheidender Schritt: Die Zionstheologie
gründet ab jetzt nicht mehr in der Erwählung der davidischen Dynastie, sondern in der mosaischen Ordnung, dem in die vorstaatliche Zeit projizierten Gesetz, das die Erwählung des Volkes Israel und des einen Kultortes in der Exodustradition verankert.
111
Finkelstein und Silberman etwa bestreiten zwar die Historizität eines Großreiches von David und Salomo, aber Josias Kultreform akzeptieren sie als historische Begebenheit, da sie
sonst die Einheit Israels in und nach dem Exil nicht erklären können. Vgl. Israel Finkelstein/Neil A. Silberman: The Bible Unearthed: Archeology’s New View of Ancient Israel and
the Origin of Its Sacred Texts, New York 20012001 (dt. Ausg. unt. d. T.: Keine Posaunen vor
Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel, München 2002). Kommentar bei Rainer
Albertz: Why a Reform Like Josiah’s Must Have Happened, in: Good Kings and Bad Kings,
hg. v. Lester L. Grabbe, London/New York 2005, S. 27-46.
66
Das unter Josija gefundene Gesetzesbuch, der Kern des späteren Deuteronomiums, leistete für das Überleben Zions noch weit mehr als die Befreiung
vom Schicksal der Könige Judas und die Verbindung mit den Mythen der Vorzeit. Aus der uneingeschränkten Gegenwart Gottes auf seinem heiligen Berg
wurde nun die Anwesenheit seines Namens, und aus der Bundeslade, bisher
Symbol der göttlichen Präsenz, der Behälter des mosaischen Dekalogs.112 Die
Verbindung Jahwes mit dem Gottesberg in Jerusalem wurde durch diese Veränderungen überlebensfähig, konnte die Zerstörung des Tempels und die Zeit
des babylonischen Exils überstehen, weil sich in der Eroberung der Stadt nach
den Worten der Propheten der Wille Gottes offenbarte, während Tempel und
Lade, die der Gewalt des Feindes anheim fielen, als manifeste Anhaltspunkte
der kultischen Verehrung gelten konnten, nicht aber Gott selbst repräsentierten.
Die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar im Jahr 586 v. Chr. bedeutete das Ende der davidischen Herrschaft über das Königreich Juda, den Verlust des Tempels und des Kultes. Doch selbst im babylonischen Exil wirkte die
Kultzentralisation eines Josija fort, blieben die Augen und Herzen des Volkes
Israel auf den heiligen Berg Zion gerichtet, das transzendierte Symbol des einen Gottes.113
„An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten.
Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande. Denn die uns
gefangenhielten, hießen uns dort singen und in unserm Heulen fröhlich sein: ‚Singet
uns ein Lied vom Zion!’ Wie könnten wir des HERRN Lied singen in fremdem Lande?
Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte. Meine Zunge soll an meinem
Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse Jerusalem meine
höchste Freude sein.“ Ps 137,1-6
112
113
Albertz, 1992, S. 304ff.; 352ff.
Otto, 1980, S. 91f.
67
4. Zion in den Psalmen
„Der HERR liebt die Tore Zions mehr als alle Wohnungen in Jakob.“ Ps 87,2
Die vielfältige Bedeutung Zions als Kristallisationspunkt theologischer Konzepte und identitätsstiftender Mittelpunkt des Glaubens an den einen Gott Israels tritt in den Psalmen so deutlich hervor wie in keiner anderen Schrift des
Alten Testamentes.114 Entstanden seit dem neunten Jahrhundert v. Chr. und
spätestens im zweiten Jahrhundert v. Chr. abgeschlossen, gingen in die Liedsammlung des Psalters persönliche Klage- und Dankgebete ebenso ein wie die
liturgische Verherrlichung Jahwes und seines Heiligtums auf dem Zion. In ihrer meist nachexilischen Bearbeitung vorexilischer Stoffe zeigen die Psalmen
den Bedeutungswandel der Zionstheologie: Aus Thronbesteigungsgesängen
des über die Chaosmächte siegreichen Jahwe, der mit seinem wohl jährlich
gefeierten Einzug in den Tempel die Unbesiegbarkeit seines Weltenberges und
damit der Stätte seines Heiligtums bestätigte, wurde nach dem Fall Jerusalems
die Hoffnung auf den siegreichen Niederschlag der gegen den Zion an-brausenden Völker.115
„Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns
getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und
die Berge mitten ins Meer sänken, wenngleich das Meer wütete und wallte und von
seinem Ungestüm die Berge einfielen. Ein Strom erfreut die Gottesstadt, die heiligste
Wohnung des Höchsten. Gott ist in ihrer Mitte, daß sie nicht wankt, Gott hilft ihr beim
Anbruch des Morgens. Toben die Völker, wanken die Reiche, beginnt er zu donnern,
schwankt die Erde.“ Ps 46,2-7116
114
Körting, 2006, schreibt in ihrer Monographie über Zion in den Psalmen: „Schließlich erweist sich, daß Zion, einem magnetischen Kräftefeld gleich, Motive und Traditionen Israels
anzieht, um sie zu ordnen und auf diese Weise immer wieder neu und anders zu schaffen: Zion
ist das oszillierende Zentrum fortschreitender Theologiebildung in Psalmen und Psalter.“ Ebd.
S. 6.
115
Kaiser, 2003, S. 133ff.
116
Aus Gründen der Textklarheit wurde der Bibeltext der Lutherübersetzung in der revidierten
Fassung von 1984 hier mit der Übersetzung von Kaiser, 1998, S. 186 vereint.
68
In den Psalmen ist die Zionstheologie mit den Motiven des Gottesberges, des
Paradiesstromes, des Chaos- und Völkerkampfes verbunden, Jahwe ist König
und Schöpfergott, Bekämpfer des Chaos, wie vor ihm Baal und El, und sein
heiliger Berg Zion ist Els Weltenberg im Urmeer und Zaphon, der Berg Baals
hoch im Norden.117
„Groß ist der HERR und hoch zu rühmen in der Stadt unseres Gottes auf seinem
heiligen Berge. Schön ragt empor der Berg Zion, daran sich freut die ganze Welt,
der Gottesberg fern im Norden, die Stadt des großen Königs.“ Ps 48, 2-3
In den Zionsliedern wird das Königtum Gottes und seines auserwählten Herrschers beschrieben, die Herrlichkeit des Jerusalemer Heiligtums, die Freude
des Wallfahrers beim Anblick der heiligen Stadt und der Segen, der durch die
Anwesenheit Jahwes von Zion ausgeht.118 Die Erwählung der davidischen Könige verbunden mit der Erwählung Zions durch Jahwe findet in diesen und
anderen Psalmen ebenso ihren Ausdruck wie die Erwählung des Gottesberges
jenseits irdischer Herrschaft.119 Die Vielfalt der eingearbeiteten Konzepte erlaubte nicht nur den Frommen Israels in der Zeit nach dem babylonischen Exil
den Glauben an die Macht des von Zion ausgehenden Segens und die Zukunft
eines Königs aus dem Hause David zu bewahren, sondern sie ermöglichte auch
den frühen Christen in den Jahrhunderten nach dem Kreuzestod des Mannes,
den sie als den von den Propheten angekündigten Messias erkannt hatten, in
den Psalmen Trost und Bestätigung zu finden. So vereinigt sich etwa in der
Königstheologie des Psalters die Vorstellung des Gottesberges mit dem aus den
Erzvätergeschichten bekannten Priesterkönig Melchisedek – für das Volk Israel
eine Bestätigung der Erwählung der davidischen Dynastie, eine Ankündigung
siegreicher Herrschaft eines irdischen Königs durch die Macht Jahwes, für die
Christen eine Ankündigung des Gottessohnes, der zur Rechten Gottes thront
117
Vgl. dazu etwa Gunther Wanke: Die Zionstheologie der Korachiten in ihrem traditionsgeschichtlichen Zusammenhang, Berlin 1966. Clifford, 1972, S. 141ff. Ben C. Ollenburger: Zion.
The City of the Great King. A Theological Symbol of the Jerusalem Cult, Sheffield 1987, S.
49ff; 146ff. Kaiser, 1998, S. 183ff.
118
Zionslieder werden die Psalmen 46; 48; 76; 84; 87; 122; 125; 132; 134 genannt.
119
Geese, 1984, S. 118ff. Vgl. etwa Pss 2; 110; 132. Vgl. dazu auch Ollenburger, 1987, S. 59ff.
69
und seine Feinde nicht durch das Schwert, sondern durch die Verkündigung
des Evangeliums besiegt.120
„Der HERR sprach zu meinem Herrn: ‚Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine
Feinde zum Schemel deiner Füße mache.‘ Der HERR wird das Zepter deiner Macht
ausstrecken aus Zion. Herrsche mitten unter deinen Feinden! Wenn du dein Heer
aufbietest, wird dir dein Volk willig folgen in heiligem Schmuck. Deine Söhne werden
dir geboren wie der Tau aus der Morgenröte. Der HERR hat geschworen, und es wird
ihn nicht gereuen: ‚Du bist ein Priester ewiglich nach der Weise Melchisedeks.‘“
Ps 110,1-4
Zion ist in den Psalmen sakrale Topographie, Thron Jahwes und seines erwählten Königs, Ziel und Endpunkt des Völkersturms, Wallfahrtsort und Standort
des Tempels. Der heilige Berg ist Fluchtpunkt Jerusalems, Manifestation der
schützenden Präsenz Jahwes und Symbol der zu bewahrenden Stadt und ihrer
Bewohner.121 Im Psalter ist der Berg Zion für den Betenden als Ziel- und Identifikationspunkt, als Raum und Hoffnung in der Zeit erfahrbar.122 Seine Geschichte spiegelt die Geschichte des Volkes Israel, sein Heiligtum symbolisiert
den irdischen und himmlischen Palast Jahwes und er steht für die reale und
geglaubte Dimension der Macht des einen Gottes.123 In der über Jahrhunderte
entstandenen Liedsammlung enthält und vereint der Zion unterschiedliche Dimensionen, verbindet das Motiv des heiligen Berges die horizontale und räumliche Vorstellung irdischer Macht mit der vertikal gedachten Gegenwart Gottes
im Himmel und auf Erden, begegnet das Symbol Zion in historischer und zeitloser Perspektive als Ausgangspunkt göttlichen Wirkens.
120
Körting, 2006, S. 206ff.
Vgl. dazu Steck, 1992, S. 131f. Desweiteren John H. Hayes: The Tradition of Zion’s Inviolability, in: JBL 82 (1963), S. 419-426.
122
Körting, 2006, S. 84f.; 160f.; 217.
123
Kaiser, 1998, S. 187. Dozeman, 1989, S. 34.
121
70
III.
Conclusio
„Der Herr hat David einen Eid geschworen, davon wird er sich wahrlich nicht
wenden: Ich will dir auf deinen Thron setzen einen, der von deinem Leibe kommt.
Werden deine Söhne meinen Bund halten und mein Gebot, das ich sie lehren werde,
so sollen auch ihre Söhne auf deinem Thron sitzen ewiglich. Denn der HERR hat Zion
erwählt, und es gefällt ihm, dort zu wohnen.“ Ps 132,11-13
Zion, der heilige Berg Jahwes in Jerusalem, Schauplatz einer idealisierten Vergangenheit und einer gerechten Zukunft am Ende aller Zeiten, sollte als Identifikationssymbol des Volkes Israel die Jahrhunderte überdauern. Der Berg, dem
Königtum Davids ewig verbunden und doch von dessen irdischem Schicksal
befreit, war dem Glauben an den einen Gott gleich, dessen Macht sich in Sieg
und Niederlage seines auserwählten Volkes gleichermaßen auszudrücken vermochte. Zion – einst Bezeichnung für den Standort des Tempels in der heiligen
Stadt – erhielt im Laufe der Zeit eine Fülle von Bedeutungen, die über das Heiligtum selbst weit hinausgingen und die dessen zweifache Zerstörung – 586 v.
Chr. des salomonischen Tempels, 70 n. Chr. des herodianischen Tempels –
überstehen sollten.124
Die Identität stiftende Kraft des Berges Zion, dessen Name für die Präsenz
Gottes ebenso stehen kann wie für die Stadt Jerusalem und ihre Bewohner, der
mit den Anfängen der Geschichte Israels verbunden ist und mit dessen Endzeit,
sollte nicht nur den wiederholten Verlust des Tempels und der eigenen Staatlichkeit überdauern, sondern auch Jahrhunderte der Vertreibung und Verfolgung. Möglich wurde dies durch die theologische Verarbeitung des babylonischen Exils, die es den Anhängern Jahwes erlaubte, in der Katastrophe des eigenen Volkes das Wirken des allmächtigen Gottes zu erkennen, der das
Schicksal aller Völker und Staaten lenkt. Fern der Heimat und der Trümmer
124
Christian Frevel: Zerbrochene Zier. Tempel und Tempelzerstörung in den Klageliedern
(Threni), in: Gottesstadt und Gottesgarten. Zu Geschichte und Theologie des Jerusalemer
Tempels, hg. v. Othmar Keel u. Erich Zenger, Freiburg i.Br. 2002, S. 99-153. Die Klagelieder,
entstanden nach der Zerstörung Jerusalems, erkennen und verarbeiten Gottes Lösung von seinem Tempel als Teil der Zionstheologie. Ebd. S. 145.
71
des Heiligtums entwickelte sich eine vom Tempelkult unabhängige Form der
Glaubensausübung, die mit der Synagoge und der Kanonisierung der heiligen
Schriften den Wandel von einer Kultreligion zur Buchreligion vollzog.125
In den vielen Diasporagemeinden, die in den Jahrhunderten nach der babylonischen Eroberung entstanden, etablierte sich schon lange vor dem Verlust
des zweiten Tempels eine neue Form der Frömmigkeit, die Jerusalem und den
Zion auch aus der Ferne als Mittelpunkt des jüdischen Volkes und seines Glaubens empfand.126 Das zwischen den Großmächten gelegene Juda lebte in den
Jahrhunderten nach dem Exil in einem ständigen Ringen um staatliche Unabhängigkeit und der Angst vor religiöser und kultureller Überfremdung.127 In
einer zunehmend von der griechischen Sprache und Kultur geprägten Welt,
deren Einfluss sich weder die Bewohner Jerusalems noch die Gemeinden der
Diaspora verschließen konnten, wuchs die Notwendigkeit klarer Abgrenzung,
um die eigene Identität zu bewahren.128 Dem diente einerseits die seit dem Exil
begonnene Verschriftlichung der heiligen Texte und andererseits die Einhaltung des mosaischen Gesetzes, das seit Josija den Bundesschluss mit Jahwe
kennzeichnete.
In den Jahrhunderten des zweiten Tempels, als sich das Volk Israel zwar im
Besitz der heiligen Stätte wusste, jedoch wiederholt mit der eigenen Machtlosigkeit gegenüber den politischen Gegebenheiten konfrontiert sah, und nach
der Zerstörung der von Herodes prächtig ausgebauten Kultstätte, erfuhr sowohl
das Heiligtum Jahwes als auch der Berg Zion eine Fülle weiterer Zuschreibungen. Diese fanden nicht unbedingt ihren Weg in den entstehenden Kanon
heiliger Schriften, aber sie spiegeln die sich an der Symbolkraft Zions ent-
125
Vgl. etwa Donner, 1987, S. 439ff.
Gerhard Delling: Die Bewältigung der Diasporasituation durch das hellenistische Judentum,
Göttingen/Zürich 1987, S. 34ff.
127
Vgl. dazu etwa Peter Schäfer: Geschichte der Juden in der Antike. Die Juden Palästinas von
Alexander dem Großen bis zur arabischen Eroberung, Stuttgart 1983, S. 52ff. Lee I. Levine:
Second Temple Jerusalem. A Jewish City in the Greco Roman Orbit, in: Jerusalem. Its Sanctity
and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 5368.
128
Martin Hengel: Jerusalem als jüdische und hellenistische Stadt, in: Hellenismus. Beiträge
zur Erforschung von Akkulturation und politischer Ordnung in den Staaten des hellenistischen
Zeitalters, hg. v. Bernd Funck, Tübingen 1996, S. 269-306. Klaus Bringmann: Geschichte der
Juden im Altertum. Vom babylonischen Exil bis zur arabischen Eroberung, Stuttgart 2005, S.
89ff.
126
72
flammenden politischen und eschatologischen Hoffnungen ihrer Zeit.129 Der
Tempelberg gilt den Gläubigen nun als Ort der Erschaffung und Grab Adams,
Nabel der Welt, Gründungsstein der Schöpfung, des Tempels, und Tor zum
Himmel wie zur Unterwelt.130 Die Zionstheologie erfährt eine entscheidende
Erweiterung um die Vorstellung des himmlischen Jerusalems, das sich als
vollkommene Verwirklichung göttlicher Präsenz und religiöser Reinheit in
einer zu erhoffenden Zukunft auf die Erde herabsenken wird – ein Motiv, das
die an den Zion geknüpfte endzeitliche Hoffnung auch im Christentum verankern sollte.131 Die Bedeutung des heiligen Berges wird somit vielfältig transzendiert, ist den Gläubigen seit der Exilserfahrung als verlorener Ort der Hoffnung und einer gerechten Endzeit ebenso etabliert wie als gedachter topographischer Mittelpunkt eines zerstreuten Volkes.
Nach der Katastrophe des Jahres 70, der Zerstörung des Tempels durch die
Macht Roms, sollte das Heiligtum Jahwes kein drittes Mal erstehen. Doch der
Glaube an den allmächtigen Gott des alten Bundes, dessen Zentrum für Jahrhunderte der Tempel auf dem Zion gewesen war, wusste dessen Verlust zu
überleben. Ausgestattet mit der Kraft des mosaischen Gesetzes und der Synagoge als Möglichkeit des kultunabhängigen Gottesdienstes vermochte die
jüdische Religion, den Tempeldienst zu substituieren – wenn auch die Herzen
der Gläubigen für alle Zeiten auf Jerusalem und den Zion gerichtet blieben.132
129
Vgl. Kim Huat Tan: The Zion Traditions and the Aims of Jesus, Cambridge 1997. Siehe
etwa S. 31ff. zu der Bedeutung Zions als Identifikationssymbol und Hoffnungsträger in der
Zeit zwischen den Testamenten.
130
Jean Daniélou: s.v. Fels, übers. v. I. Opelt, in: RAC, Bd. 7, Stuttgart 1969, Sp. 723-732.
Herbert Donner: Der Felsen und der Tempel, in: ZDPV 93 (1977), S. 1-11; hier S. 9f. Taylor,
1993, S. 124ff. Tilly, 2002, S. 249ff. Rivka Gonen: Contested Holiness. Jewish, Muslim, and
Christian Perspectives on the Temple Mount in Jerusalem, Jersey City 2003, S. 116ff.
131
Vgl. dazu Peter Söllner: Jerusalem, die hochgebaute Stadt. Eschatologisches und Himmlisches Jerusalem im Frühjudentum und im frühen Christentum, Tübingen/Basel 1998. Klaus
Thraede: s.v. Jerusalem II (Sinnbild), in: RAC, Bd. 17, Stuttgart 1996, Sp. 718-764; hier Sp.
719-721. Otto Böcher: Die heilige Stadt im Völkerkrieg. Wandlungen eines apokalyptischen
Schemas, in: Kirche in Zeit und Endzeit. Aufsätze zur Offenbarung des Johannes, NeukirchenVluyn 1983, S. 113-132. Vgl. Kap. B.I.4. Der christliche Zion und das himmlische Jerusalem.
132
Entscheidend zu der Neuordnung der jüdischen Religion nach 70 n. Chr. beigetragen haben
etwa die Gelehrten von Javne, allen voran Jochanan ben Zakkai und Gamaliel II., die dort nach
der Zerstörung des Tempels ein Lehrhaus etablierten, das zum neuen Zentrum des palästinischen Judentums wurde. Vgl. dazu Schäfer, 1983, S. 159ff. Außerdem Eliav, 2005, S. 189ff.
Stefan Schreiner: Wo man Tora lernt, braucht man keinen Tempel. Einige Anmerkungen zum
Problem der Tempelsubstitution im rabbinischen Judentum, in: Gemeinde ohne Tempel –
Community Without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels
73
B. Zwischen Tempelberg und Schädelstätte
Die Vielfalt christlicher Erinnerung in der heiligen Stadt
Die christliche Erinnerung folgt seit jeher den Spuren Jesu, die sich in Jerusalem zu bedeutungsschweren Geschichten verdichten. Diese verkünden dem
Gläubigen vor der Kulisse der heiligen Stadt, des Tempels, des Ölberges und
schließlich der Schädelstätte Golgatha ein Heilsgeschehen, das in der Auferstehung seine Vollendung findet und die Wahrnehmung der Stadt Davids für die
Nachfolger des Gekreuzigten für alle Zeiten prägt. Waren die Augen und Herzen eines jeden Juden auch nach der Zerstörung des Tempels durch die Römer
im Jahre 70 n. Chr. auf den Zion gerichtet, sollten die Christen nach der Verwüstung der Stadt und in den Jahrhunderten der Verfolgung noch der Etablierung ihrer Erinnerungsorte bedürfen und auch die Pilger des zweiten und dritten Jahrhunderts auf Golgatha noch nach dem leeren Grab und auf dem Ölberg
nach der Stätte der Himmelfahrt suchen: Den Berg Zion lokalisierte die christliche Erinnerung schließlich außerhalb der alten Stadtmauern und fügte der
jüdischen Vorstellung von einem Weltengericht am Ende aller Tage die Überlieferung von den Aposteln und der Gottesmutter Maria hinzu, die von hier aus
ihrem Sohn in den Himmel gefolgt sei. Der Tempelberg aber diente ihnen als
Mahnmal für die Worte ihres Erlösers, von dem die Evangelisten berichteten,
er habe beim Anblick des herodianischen Tempels zu einem seiner Jünger gesagt: „Siehst du diese großen Bauten? Nicht ein Stein wird auf dem andern
bleiben, der nicht zerbrochen wird.“ (Mk 13,2)133
Die Spuren Jesu entstammen den Evangelien, die im Rückblick der Taten
und Zeichen des Gesalbten gedachten, die das Leben des Gottessohnes im
Licht von Kreuzigung und Auferstehung sahen und das Passionsgeschehen in
Jerusalem für die Nachfolger Christi verständlich machen wollten.134 Hier fin-
und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, hg. v. Beate
Ego u.a., Tübingen 1999, S. 371-392.
133
Vgl. dazu etwa Tilly, 2002, S. 27.
134
Der so genannte ‚Ostergraben‘, die Deutung und Darstellung Jesu als vom Ostergeschehen
grundlegend geprägt und nicht mehr historisch zuverlässig, wird in der Leben-Jesu-Forschung
eingehend diskutiert. Vgl. dazu etwa Jens Schröter: Von der Historizität der Evangelien. Ein
Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion um den historischen Jesus, in: Der historische Jesus.
74
den sich die Geschichten, die die Suche der christlichen Erinnerung nach heiligen Orten, nach steinernen Zeugen der Menschwerdung Gottes leiten sollten.
Eingebunden in die Worte des Alten Testamentes, das die Kinder des neuen
Bundes als Erbe ihres Herrn übernahmen, erhielten Tempelberg und Ölberg,
Golgatha und Zion neue Bedeutungen und neues Gewicht in der Topographie
der Stadt Davids. In der Nachfolge Christi verblieb die erste Gemeinde, die
Gemeinschaft der Apostel, in Jerusalem und bis zur Zerstörung der Stadt durch
die Römer war sie das räumliche und städtische Zentrum der frühen Christen;
und auch nachdem die Gemeinden Roms und anderer großer Städte wie Alexandria und Antiochia den Ort der Passion an Einfluss und Bedeutung längst
überholt hatten, gedachte man der heiligen Stätten als Zeugen des Heilsgeschehens, als ideelles Zentrum der Naherwartung und des Auferstehungsglaubens.135
Es waren die christlichen Pilger, die jenseits des ideellen auch den realen
Raum der Geschichte Jesu als Ort der Anbetung und Andacht erfahren wollten,
und seit Beginn des vierten Jahrhunderts strömten sie in immer größeren Scharen nach Jerusalem, um auf den Wegen des Herrn zu wandeln. Als Rom dann
unter der Herrschaft Konstantins des Großen das Christentum nicht nur als
erlaubte Religion anerkannte, sondern der Kaiser gar zum Förderer des neuen
Glaubens wurde, brach für die Stadt eine neue Zeit an. Prächtige Kirchenbauten kennzeichneten nun die Kuppen der heiligen Berge, die Grabeskirche
auf Golgatha wurde zum Zentrum der christlichen Topographie Jerusalems und
Jerusalem selbst die Mitte und der Nabel der Welt.
Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung, hg. v. Jens Schröter u. Ralph Brucker, Berlin/New York 2002, S. 163-212; hier S. 177ff. Für die Betrachtung der Erinnerung an
Jesus und die Entstehung von Erinnerungsorten auf den Bergen Jerusalems ist diese Differenzierung zwar wichtig, aber nicht entscheidend.
135
Christoph Markschies: Das antike Christentum: Frömmigkeit – Lebensformen – Institutionen, München 2006, S. 13f.
75
I. Die Ausweitung des Heiligen. Jerusalem im Neuen Testament
Die christliche Erinnerung folgt der Person Jesu und haftet an den Orten, die
dieser durch seine Gegenwart, durch besondere Zeichen und Taten hervorgehoben hat. Doch während er den Menschen den Anbruch des Gottesreiches
jenseits der sühnenden Funktion eines irdischen Tempels und der Opfergaben
verkündete und seine Jünger ein Ritual lehrte, das die ihm Nachfolgenden zu
jeder Zeit und an jedem beliebigen Ort in seinem Gedächtnis vollziehen konnten, gedachten die Schriften des Neuen Testamentes seiner Geschichte als der
Geschichte eines Menschen in Raum und Zeit, und sie benannten die entscheidenden Stätten, an denen sich diese erfüllt hatte: Tempel – Ölberg – Golgatha.
Das Neue Testament birgt die Erinnerung an Jesus, es ist das schriftliche
Gedächtnis der christlichen Religion und sein Kanon prägt das Bild des Gottessohnes, des heiligen Landes und der Stadt Jerusalem bis heute.136 Die Entstehung und Kanonisierung seiner 27 Schriften spiegelt die Geschichte des
frühen Christentums: die Prägung durch die griechische Sprache und Kultur,
die
Herkunft und die Trennungsprozesse von der jüdischen Religion, die Auseinandersetzungen mit der Weltmacht Rom und mit dem Verbleiben in einer
Welt, die durch die Hoffnung auf ein Jenseits zur Fremde geworden war.137
Gleichzeitig bewahrt es den Zugang zu einer vergangenen Wirklichkeit, in der
ein Prediger aus Galiläa nach Jerusalem zog, um dort seinem Schicksal zu begegnen.
Von den Schriften des Neuen Testamentes sind es besonders die vier Evangelien, die Auskunft über die Person Jesu geben. Entstanden seit der zweiten
Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr., aus älteren, mündlichen und schriftlichen Traditionen gespeist, berichten sie über das Wirken des Gottessohnes,
136
Helmut Merklein: Jerusalem – bleibendes Zentrum der Christenheit? Der neutestamentliche
Befund, in: Zion. Ort der Begegnung, Festschrift für Laurentius Klein zur Vollendung des 65.
Lebensjahres, hg. v. Ferdinand Hahn u.a., Bodenheim 1993, S. 47-61.
137
Vgl. dazu etwa Friedhelm Winkelmann: Geschichte des Frühen Christentums, 2. durchges.
u. aktual. Aufl., München 2001, S. 53ff. Werner Dahlheim: Geschichte der römischen Kaiserzeit, 3. überarb. u. erw. Aufl., München 2003, S. 118ff.
76
seine Predigt, seinen Kreuzestod und das Wunder der Auferstehung.138 Neben
den später kanonisierten Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes gab es in den Jahrhunderten nach dem Tode Jesu noch weitere Evangelien und andere Schriften, die so genannten Apokryphen, deren Entstehung
und Inhalt viel über das Bedürfnis der christlichen Gemeinden nach Erzählungen über das Leben des menschgewordenen Gottessohnes aussagen, doch an
deren apostolischer Herkunft und Zeugenschaft schon die Kirchenväter zweifelten.139 Ihr Wert für eine Betrachtung der auf den heiligen Bergen Jerusalems
entstehenden Erinnerungsorte ist gering, da sie weder Auskunft über den historischen Jesus geben noch den etablierten Glauben eines kollektiven christlichen
Gedächtnisses repräsentieren.140
Die wohl zum Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts vorliegende
Apostelgeschichte weiß wenig von Jesus zu berichten, doch kennt sie die Überlieferung der Himmelfahrt des Herrn vom Ölberg aus, mit der sie ihren Bericht
über die Urgemeinde und die Missionstätigkeit der Apostel beginnt (Apg 1,912). Es kommen jedoch weitere Spuren zum Vorschein, die ihren Weg in die
Tradition der heiligen Stätten finden sollten: Die Urgemeinde, Mutter aller
Gemeinden, versammelte sich in Jerusalem (Apg 2,41-47), hier kam der Heilige Geist auf die versammelten ersten Christen (Apg 2) und der Tempel war
sowohl der Ort des Gebetes als auch des Zeugnisses der Apostel (Apg 2,46; 3;
5,12). Stadt und Tempel erscheinen als Zentrum der Mission, die nicht nur von
hier ihren Ausgang nahm, sondern deren Bedingungen hier entschieden wurden.141
Neben der Apostelgeschichte sind es die Briefe des Paulus, die von der Bedeutung Jerusalems für den entstehenden christlichen Glauben künden. Unter
den neutestamentlichen Schriften gehören sie zu den frühesten Quellen, die
christliche Verfasser hinterlassen haben, und während der spätberufene Paulus
zwar keine Auskunft über die Person Jesu geben kann, belegen seine Briefe
138
Gerd Theißen/Annette Merz: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, 3. durchges. u. um Literaturnachträge erg. Aufl., Göttingen 2001, S. 40f.
139
Werner Georg Kümmel: s.v. Bibel - II. Neues Testament - B. Sammlung und Kanonisierung
des NT, in: RGG, hg. v. Kurt Galling, Berlin 2000, S. 3865-3885.
140
Vgl. dazu auch Theißen, 2001, S. 42; 70f.
141
Merklein, 1993, S. 51f.
77
doch die zentrale Stellung der heiligen Stadt in den Gedanken und Handlungen
der ersten Christen und den aus dem jüdischen Glauben übernommenen Zion
als Ort göttlicher Heilstat (Röm 9,33; 11,26). Auch in der Offenbarung des
Johannes ist Zion geographischer Zielpunkt zukünftigen Heils. Die in den
neunziger Jahren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts datierte apokalyptische Schrift, die mit der Vision eines sich auf die Erde herabsenkenden himmlischen Jerusalems endet (Offb 21), übernimmt und etabliert für die Vorstellungskraft der christlichen Welt den Berg Zion als Ort eines endzeitlichen Gerichtes.
Die Schriften des Neuen Testaments prägen die Sicht auf die heiligen Berge
Jerusalems bis heute. Ihren Worten folgen die Pilger, die Schritte der Mächtigen und die Vorstellungskraft der Gläubigen in aller Welt. Dabei gilt es auch
hier zwischen einer geschichtlichen Wirklichkeit und dem kollektiven Erinnern
zu unterscheiden. Zwar erscheint der historische Jesusnäher als ein König David,142 über dessen Leben nur die Schriften des Alten Testamentes Auskunft
geben, und seine Existenz ist durch außerbiblische Quellen belegt,143 doch
verweisen alle Fragen nach seiner Person und seiner Lehre auf die Schriften
derer, die ihm nachfolgten und sein Leben notwendigerweise im Licht der Passion deuteten. Der historische Jesus begegnet nur durch die Augen der Gläubigen und die Erinnerung an ihn erfolgte immer schon in Deutung dessen, was
geschehen war. Neben der Möglichkeit, aus den Büchern des Neuen Testamentes die Schritte des Predigers aus Galiläa in Jerusalem nach-zuzeichnen,
ermöglicht das kanonisierte Schriftgut also eine Rekonstruktion der Erinnerungsprozesse, die sich mit der Entstehung der Schriften vollzogen haben.
Die Bedeutung der Stadt Davids und des Tempels in der Lehre und für die
Person Jesu sind nur vor dem Hintergrund seiner jüdischen Herkunft zu begrei142
Zum Leben Jesu vgl. etwa: Jens Schröter: Jesus von Nazareth. Jude aus Galiläa – Retter der
Welt, Leipzig 2006. Martin Ebner: Jesus von Nazareth in seiner Zeit. Sozialgeschichtliche
Zugänge, Stuttgart 2003. Theißen, 2001. Herbert Leroy: Jesus. Überlieferung und Deutung,
Darmstadt 1999. Jürgen Becker: Jesus von Nazareth, Berlin/New York 1996. John Dominic
Crossan: Der historische Jesus, München 1994.
143
Nicht-christliche Belege für die Historizität Jesu finden sich bei Flavius Josephus – wobei
die Authentizität des ‚Testimonium Flavianum’ umstritten ist – (Ios.ant.Iud. 18,63f.), bei Tacitus (Tac.ann. 15,44,3) und Sueton (Suet.Claud. 25,4). Allerdings beschränkt sich die Aussagekraft dieser Quellen für den historischen Jesus auf den Nachweis, dass er gelebt hat und hingerichtet wurde. Vgl. Theißen, 2001, S. 73ff. mit weiteren, weniger bekannten Hinweisen.
78
fen.144 Das Haus Jahwes in Jerusalem, der von Herodes prächtig ausgebaute
zweite Tempel, war für ihn, wie für jeden anderen Juden seiner Zeit, Zentrum
des Glaubens und Ziel der großen Wallfahrtsfeste.145 Auch wenn Synagogen
als Stätten des Gottesdienstes und alltäglicher Frömmigkeit dem Wanderprediger Rahmen und Gelegenheit zur Unterweisung des Volkes boten (Mk
1,21.39; Mt 12,9 u.ö.), kam er schließlich in die Stadt Zions, um die anbrechende Gottesherrschaft zu verkündigen.
Weder Exil noch Fremdherrschaft hatten den Glauben an die Macht Jahwes
brechen können, und obwohl Jerusalem zur Zeit Jesu aller politischen Funktion
entblößt war, blieb die Stadt der Mittelpunkt des jüdischen Volkes und der
Tempel auf dem Zion religiöses Symbol nationaler Erwählung. Hatte die Herrschaft wechselnder Großmächte und die Angst vor der Überfremdung einer
zunehmend hellenisierten Welt innerhalb des Judentums immer wieder zu politischem Widerstand und religiösen Erneuerungsbewegungen geführt, so blieb
doch die heilige Stadt zentraler Ort des Volkes Israel.146 Auch die rege Bautätigkeit des umstrittenen Herodes I. (40-4 v. Chr.) in der Stadt, am Heiligtum
und im ganzen Land hatte daran nichts ändern können und die auf seinen Tod
folgenden Thronwirren sahen zwar sein Reich zerfallen und Judäa und Jerusalem schließlich der direkten Herrschaft Roms unterstellt, doch die Anziehungskraft des Tempels auf dem Zion blieb ungebrochen.147
Die Lehre Jesu jedoch, obwohl in den Tempel getragen, löste die Bindung
an diesen heiligen Ort. So überliefern die Evangelien zwar die enge Beziehung
144
Gerd Theißen: Jesus im Judentum. Drei Versuche einer Ortsbestimmung, in: Jesus als historische Gestalt. Beiträge zur Jesusforschung, zum 60. Geburtstag v. Gerd Theißen hg. v. Anette
Merz, Göttingen 2003, S. 35-56.
145
Vgl. etwa Joachim Jeremias: Jerusalem zur Zeit Jesu. Kulturgeschichtliche Untersuchung
zur neutestamentlichen Zeitgeschichte, 2. Aufl., Göttingen 1958, Teil I., S. 84ff.
146
Vgl. etwa Levine, 1999, S. 53-68.
147
Vgl. Ebner, 2003, S. 60-64. Die Schriften des Flavius Josephus, jüdischer Befehlshaber im
jüdisch-römischen Krieg und nach seiner Gefangennahme durch die Truppen Vespasians ein
Gefolgsmann des römischen Kaisers und Geschichtsschreiber der Geschichte seines Volkes,
sind als Quellen für die Zeit des Herodes, den Ausbau des zweiten Tempels und den historischen Kontext des Lebens Jesu von unschätzbarem Wert. Zur Bedeutung und dem Erscheinungsbild des herodianischen Tempels vgl. etwa: Ios.bell.Iud. 1,401; 5,184-247; Ios.ant.Iud.
15,358-391.
79
Abb. 3
80
des Gottessohnes zu dem Haus seines Vaters (Mk 11,15-18; Lk 2,41-49), und
Jerusalem ist natürliches Ziel einer von messianischen Hoffnungen getragenen
Zeit, doch wie in der jesuanischen Fassung anbrechenden Heils das Böse besiegt wird, aber nicht die Fremdherrschaft, zur Umkehr aufgerufen wird, um
Anteil an dem schon beginnenden Reich Gottes zu haben, aber nicht zum Aufstand gegen die Unterdrücker, ist die Erlösung zugleich an der Gegenwart und
der Zukunft orientiert – aber nicht räumlich.148 In jedem Einzelnen ist die Errettung durch die Gnade Gottes zu finden, aber nicht an einem Ort: dem Tempel auf dem Zion.
Jesu Worte lösten alte Bindungen, an die Familie, das Gesetz, den Kult und
den Ort, der für Jahrhunderte die Anwesenheit Gottes in der Mitte seines Volkes symbolisiert hatte. Gleichzeitig schuf seine Anwesenheit in Jerusalem für
die ihm Nachfolgenden neue heilige Orte, erfuhr der Stadtraum eine Ausweitung des Heiligen gekennzeichnet durch die Spuren der Person Jesu – und mit
dem Glauben an den Gekreuzigten verfestigte sich eine neue heilige Topographie.
1. Der Messias im Tempel
Die Evangelisten beschreiben das Leben Jesu, doch seine Kindheit, sein Heranwachsen werden nur gestreift. Zwar folgen die Schriften der Geschichte
eines Menschen, dessen Historizität unbestritten ist und dessen Handeln aus
seiner Zeit, seiner Umgebung und seinem Glauben verstanden werden kann,
doch dienen ihre Worte allein der Erinnerung an den Mann, in dem sie den
Messias erkannten und die Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeiungen.
So erklärt sich manche Widersprüchlichkeit der Überlieferung aus dem Umstand, dass theologische Konzepte und historische Wirklichkeit nur oberflächlich miteinander verbunden wurden.
Das davidische Königtum, untergegangen in den dramatischen Ereignissen
des babylonischen Exils, war in idealisierter Form zum Hoffnungsträger politi-
148
Theißen, 2001, S. 233ff.
81
scher und endzeitlicher Erwartungen geworden. Die Worte der Propheten und
die Gesänge des Psalters kündeten von der Gottessohnschaft eines gerechten
Königs aus dem Geschlecht Davids, von einer Jungfrauengeburt und dem
Menschensohn als Heilsmittler göttlicher Gerichtsbarkeit.149 Messianische
Hoffnungen wurden schon seit den Makkabäern mit Mächtigen und volksnahen Charismatikern verbunden, und die Verknüpfung des Lebens Jesu mit den
Motiven des erwarteten Retters entstammte der Vorstellungswelt seiner Zeit
und dem messianischen Vorverständnis der Evangelisten.150
Während etwa die Herkunft Jesu und seiner Familie aus Nazareth in Galiläa
zu den unbestrittenen Fakten der Geschichte des Gottessohnes gehört, ergänzten die Evangelisten Matthäus und Lukas die Geburtsgeschichte um die Herkunft aus dem Hause David, die Jungfrauengeburt und den Geburtsort Bethlehem (Mt 1.2; Lk 1,26-2,21), stammte doch der junge David, aus dessen Geschlecht der gerechte Herrscher einer anbrechenden Friedenszeit erwartet wurde, ebenfalls von dort.151 Das Evangelium nach Lukas weiß Jesus auch schon
früh mit Jerusalem und dem Tempel auf dem Zion in Verbindung zu bringen
(Lk 2,22- 52). Die Darstellung Jesu und der Zwölfjährige im Tempel können
als messianische Motive verstanden werden, die an prophetische Traditionen
und die Vorstellung von der Gottessohnschaft anknüpfen.
Der Schauplatz dieser lukanischen Erzählungen ist der Tempel, das zentrale
Heiligtum Jahwes und kultischer Mittelpunkt des jüdischen Glaubens.152 Hier
stellen die Eltern den Erstgeborenen nach den Geboten des mosaischen Gesetzes Gott dar, lösen ihn aus und werden Zeugen der wundersamen Prophetie
eines alten, frommen Mannes und einer uralten Prophetin, die in dem Säugling
den erwarteten Retter Israels und das Licht der Welt erblicken (Lk 2,22-38).
Der Tempel ist auch das Ziel der jährlichen Wallfahrt, die den Rahmen für die
149
Kaiser, 2003, S. 173f.
Der Begriff Messias bezeichnet zunächst den gesalbten König, Priester oder Propheten,
wird dann auf eine ideale zukünftige politische oder heilsgeschichtliche Rettergestalt übertragen und zur Zeit Jesu durchaus unterschiedlich verstanden und benutzt. Vgl. dazu Theißen,
2001, S. 462ff.
151
Ed Parish Sanders: The Historical Figure of Jesus, London 1993, S. 10ff. Vgl. außerdem
Ebner, 2003, S. 117ff.
152
Zum Tempel zur Zeit Jesu vgl. etwa Kurt Paesler: Das Tempelwort Jesu. Die Tradition von
Tempelzerstörung und Tempelerneuerung im Neuen Testament, Göttingen 1999, S. 136-149.
Jeremias, 1958, Teil I, S. 50ff.
150
82
Geschichte des zwölfjährigen Jesus schafft, der unabhängig von seinen besorgten Eltern in Jerusalem verweilt und den diese nach langem Suchen im Haus
Jahwes auf dem Zion finden:
„Und es begab sich nach drei Tagen, da fanden sie ihn im Tempel sitzen, mitten unter
den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. Und alle, die ihm zuhörten,
verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten. … Und seine Mutter
sprach zu ihm: Mein Sohn, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich
haben dich mit Schmerzen gesucht. Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich
gesucht? Wißt ihr nicht, daß ich sein muß in dem, was meines Vaters ist?“ Lk 2,46-49
Jenseits der jungfräulichen Geburt in Bethlehem wird so von Lukas schon in
der Kindheitsgeschichte die Gottessohnschaft und Erwählung Jesu bezeugt,
werden seine Wirkung und sein Selbstverständnis am Tempel in Jerusalem
sichtbar.153 Dabei weisen die Worte der Evangelisten auf der Suche nach der
Jugend und dem ersten Wirken des historischen Jesus nach Galiläa, einem
Landstrich nördlich Jerusalems, gelegen am Westufer des Sees Genezareth.
Die Taufe durch Johannes, die Lehrtätigkeit in den kleinen galiläischen Ortschaften, die Schüler, die er dort um sich scharte, sind in der Überlieferung der
Evangelien unbestritten und verweisen auf einen sozialen und religiösen Hintergrund des Gekreuzigten weitab von der heiligen Stadt.154 Doch gleich der
Passion, die der Predigt des Nazareners eine neue und tiefgreifendere Bedeutung zuweist, birgt Jerusalem die zentralen Erinnerungsorte der Christenheit,
die den ursprünglichen Wirkungsraum Jesu überstrahlen, und wird der Tempel
zum Ausgangspunkt der Heilsgeschichte.155
153
Vgl. dazu u.a. Gonen, 2003, S. 123f. Michael Bachmann: s.v. Tempel III. Neues Testament,
in: TRE, Bd. 33, Berlin/New York 2002, S. 57. Auch die Erzählung von der Versuchung Christi führt an den zentralen Ort jüdischen Glaubens: Neben der Wüste und einem hohen Berg ist
die Zinne des Tempels ein Ort der Herausforderung des Gottessohnes durch den Teufel
(Mt4,1-11; Lk 4,1-13).
154
Sanders, 1993, S. 10ff.
155
Halbwachs, 2003, S. 142.
83
Abb. 4
84
2. Tempelreinigung und Tempelwort
„‚Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf
einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.‘ Die Jünger gingen hin
und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und
legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. Aber eine sehr große Menge
breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie:
Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn!
Hosianna in der Höhe! Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt
und fragte: Wer ist der? Die Menge aber sprach: Das ist Jesus, der Prophet aus
Nazareth in Galiläa.“ Mt 21,5-11
Der Gang Jesu nach Jerusalem, der in der Passion, am Kreuz auf der Schädelstätte Golgatha enden sollte, wird in den Evangelien als triumphales Fest geschildert.156 Der Prediger aus Galiläa erscheint als messianische Gestalt, auf
einem Eselsfüllen reitend, wie in der Prophetie des Sacharja angekündigt (Sach
9,9). Die Menge des Volkes begrüßt ihn als Sohn Davids und benennt ihn als
Propheten aus Nazareth.
Der Einzug in die Stadt erinnert nicht nur an die antike Tradition der prunkvollen inszenierten Machtdemonstration von Herrschern und Statthaltern, sondern greift auch die jüdische Erinnerung an die Zeit der Makkabäer auf, deren
feierlicher Weg nach Jerusalem zweihundert Jahre vorher die Wiedereinweihung des Tempels und politische Unabhängigkeit bedeutet hatte.157 Doch neben den königlichen Anklängen stilisiert der Bericht Jesus als einfachen Festpilger, der unbewaffnet und ohne Streitmacht in die heilige Stadt zieht, und ruft
so das Bild des im Alten Testament beschriebenen Friedenskönigs wach, dessen Kommen ein neues Zeitalter einläutet. Die Historizität dieser Begebenheit
156
157
Vgl. die Parallelstellen Mk 11,1-10; Lk 19,29-38; Joh 12,12-19.
Ebner, 2003, S. 199ff.
85
ist umstritten.158 Sicher ist nur, dass Jesus mit seinen Jüngern zur Zeit des Pessach in die Stadt Davids zog und dort den Kreuzestod starb.159 In der christlichen Erinnerung beginnt dieser letzte Abschnitt im Leben des Mensch gewordenen Gottes mit einem triumphalen Einzug in die heilige Stadt, als messianischer Prophet und unter den Hochrufen des Volkes.
In Jerusalem angekommen, zeigen die synoptischen Evangelien Jesus im
Tempel. Sie berichten von der Tempelreinigung (Mt 21,12-13; Mk 11,15-17;
Lk 19,45-46),160 dem zornigen Auftreten des Gottessohnes im äußeren Vorhof
des Heiligtums, wo Pilger und Gläubige ihr Geld in die gängige Währung für
die Tempelsteuer umtauschen und ihre Opfergaben erwerben konnten.
„Und sie kamen nach Jerusalem. Und Jesus ging in den Tempel und fing an,
auszutreiben die Verkäufer und Käufer im Tempel; und die Tische der Geldwechsler
und die Stände der Taubenhändler stieß er um und ließ nicht zu, daß jemand etwas
durch den Tempel trage. Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben
(Jes 56,7): ‚Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker?‘ Ihr aber habt eine
Räuberhöhle daraus gemacht.“ Mk 11,15-17
Mit dieser Zeichenhandlung, deren Historizität umstritten ist, erinnern die
Evangelien Jesus als Propheten im Jerusalemer Tempel.161 Er wäre damit Teil
einer Reihe von Propheten des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, deren
Handlungen an heiligen Stätten als politische Gefahr wahrgenommen und stets
brutal niedergeschlagen wurden.162 Die symbolische Reinigung des Hauses
Jahwes von Käufern und Verkäufern, von Geldwechslern und Taubenhändlern
zur Zeit des großen Pilgerfestes hätte allerdings zu einer sofortigen Verhaftung
und Verurteilung führen können, da eine solche Aktion nur als Kritik am ge-
158
Ulrich Luz: Warum zog Jesus nach Jerusalem? in: Der historische Jesus. Tendenzen und
Perspektiven der gegenwärtigen Forschung, hg. v. Jens Schröter u. Ralph Brucker, Berlin/New
York 2002, S. 409-427.
159
Zur Datierung der Passion siehe etwa Theißen, 2001, S. 154.
160
Einzig das Johannesevangelium überliefert die Tempelreinigung losgelöst von der Passionsgeschichte (Joh 2,13-16).
161
Vgl. etwa Gottfried Schramm: Fünf Wegscheiden der Weltgeschichte. Ein Vergleich, Göttingen 2004, S. 119ff. Paesler, 1999, S. 233f. Mk 11,15-19 gilt als älteste Überlieferung dieser
Geschichte.
162
Vgl. dazu u.a. Luz, 2002, S. 414f.
86
samten Opferbetrieb und als Störung des Friedens verstanden werden konnte,
den zu bewahren sich sowohl die jüdischen als auch die römischen Amtsträger
verpflichtet sahen.163
Die Überlieferung ist sich einig, alle Evangelien berichten von der Tempelreinigung, in der christlichen Vorstellung ist dieses Motiv fest verankert und
hat seine Lesart als Kritik Jesu an der Form des Opferbetriebes, des profanisierten Tempelbezirkes oder der Geldgier der Verkäufer gefunden.164 Doch zu
der prophetischen Zeichenhandlung gehörte auch das sie deutende Wort und
hier findet sich ein schweres Erbe in der christlichen Überlieferung: das Tempelwort.
„Wir haben gehört, daß er gesagt hat: Ich will diesen Tempel, der mit Händen
gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen anderen bauen, der nicht mit Händen
gemacht ist.“ Mk 14,58
Diese Worte werden von Zeugen im Prozess gegen Jesus von Nazareth vor
dem Synhedrion, dem jüdischen Ältestenrat, gesprochen, und wenn der Evangelist die Zeugenaussagen auch als widersprüchlich entlarvt, bleibt die Anklage
der Drohung gegen den Tempel, das Zentrum jüdischer Identität. Die Anschuldigung findet sich durchgehend in allen Schriften der vier Evangelien, und sie
war äußerst problematisch für die frühen Christen.
Das Tempelwort war der Erinnerung an den Sohn Gottes aus zwei Gründen
abträglich: Die Bedrohung des Tempels auf dem Zion war eine strafbare Handlung. Ein Angriff gegen den religiösen Mittelpunkt des jüdischen Glaubens und
den letzten Anhaltspunkt politischer Autonomie – nicht nur der Priesterschaft,
sondern auch der Jerusalemer Aristokratie – wurde in jedem Fall strafrechtlich
163
Ebner, 2003, S. 60ff. Dagegen etwa Becker, 1996, S. 400-410, der weder Tempelreinigung
noch Tempelwort als Gründe für die Hinrichtung Jesu sieht.
164
Zu den möglichen Interpretationen der Tempelreinigung vgl. Sanders, 1985, S. 61ff. Siehe
außerdem Ders.: Jerusalem and its Temple in Early Christian Thought and Practice, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New
York 1999, S. 90-103; hier S. 93. Luz, 2002, S. 420f.
87
verfolgt und galt als todeswürdiges Verbrechen.165 Zusammen mit der Predigt
des Nazareners von der beginnenden Gottesherrschaft und seinem messianischen Auftreten, das immer an den Anspruch eines davidischen Königtums
erinnerte, musste dieser Mann außerdem auch den römischen Besatzern als
potentieller Unruhestifter auffallen, und tatsächlich starb er den Tod eines Aufrührers.166
Waren Tempelwort und prophetische Handlung gegen das Haus Gottes als
unrühmlicher Anlass für den gewaltsamen Tod des christlichen Messias schon
schwer zu bewältigen, so gab ihnen der Verlauf der Geschichte noch eine wietere Last hinzu: Die Prophezeiung erfüllte sich nicht. Erst als im Jahre 70 die
Römer den jüdischen Aufstand niederschlugen und der Tempel in Jerusalem in
Flammen aufging, sollte sich der erste Teil des Tempellogions bewahrheiten –
der zweite Teil blieb unerfüllt: weder das verkündete Gottesreich noch der
neue Tempel senkten sich auf die Erde herab und die Naherwartung der ersten
Christen verblasste.
Die Evangelien spiegeln den Umgang mit diesem problematischen und radikalen Ausspruch Jesu, der schon deswegen historisch wahrscheinlich ist, weil
er in vielen voneinander abweichenden Fassungen überliefert ist, also trotz
seiner Brisanz offenbar nicht zu verschweigen war. Eine ursprüngliche Fassung
ist aus den Quellen nicht mehr genau zu rekonstruieren, aber das Tempelwort
enthielt vermutlich die Androhung einer Tempelzerstörung und die Ankündigung der Errichtung eines andersgearteten Tempels in drei Tagen.167 Die
Evangelisten traten auf verschiedene Weise das schwierige Erbe des Tempellogions an. Während bei Markus und Matthäus nur die Zeugenaussagen im
Prozess (Mk 14,56-59; Mt 26,60-61) und die Verspottung des Gekreuzigten
(Mk 15,29; Mt 27,39-40) den gesamten Ausspruch enthalten, lassen sie den
Gottessohn selbst nur eine bereinigte Fassung sprechen:
165
Ebner, 2003, S. 183ff. Weitere Fälle von Prozessen, die wegen einer Drohung gegen den
Tempel geführt wurden, etwa ebd., S. 185f. Vgl. außerdem Theißen, 2001, S. 408f. Zur Tempelkritik im Judentum zur Zeit Jesu vgl. etwa Paesler, 1999, S. 150ff.
166
Karlheinz Müller: Möglichkeit und Vollzug jüdischer Kapitalgerichtsbarkeit im Prozeß
gegen Jesus von Nazareth, in: Der Prozeß gegen Jesus. Historische Rückfrage und theologische
Deutung, hg. v. Karl Kertelge, Freiburg/Basel/Wien 1988, S. 41-83; hier S. 58-62.
167
Vgl. Theißen, 2001, S. 381f., zu den verschiedenen Überlieferungen und einem möglichen
Bezug zum Abendmahl als Kultersatz und Tempelkritik.
88
„Und als er aus dem Tempel ging, sprach zu ihm einer seiner Jünger: Meister, siehe,
was für Steine und was für Bauten! Und Jesus sprach zu ihm: Siehst Du diese großen
Bauten? Nicht ein Stein wird auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.“
Mk 13,1-2 par Mt 24,1-2
Die Prophezeiung ist hier der historischen Wirklichkeit angepasst, nur die
Tempelzerstörung, nicht aber die Errichtung eines neuen, jenseitigen Gotteshauses wird den Jüngern angekündigt. Diese bereinigte Version hat auch Lukas
übernommen (Lk 21,5-6), der wie Johannes den Prozessverlauf ohne das belastende Tempellogion beschreibt.168 Der jüngste der Evangelisten, Johannes,
trennt gar Tempelreinigung und Tempelwort aus der Passionsgeschichte heraus, schildert sie unabhängig von der Leidensgeschichte und transzendiert die
schwierige Prophezeiung, indem er die drei-Tagesfrist auf die Auferstehung
hin deutet – und somit in Christus den neuen Tempel erkennt:
„Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen
will ich ihn aufrichten. Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig
Jahren erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? Er aber redete von
dem Tempel seines Leibes. Als er nun auferstanden war von den Toten, dachten seine
Jünger daran, daß er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und dem Wort, das
Jesus gesagt hatte.“ Joh 2,19-22
Das Tempellogion war noch aus einem anderen Grund für die ersten Christen
schwer zu integrieren, war doch die Urgemeinde am Tempel beheimatet, betete
und lehrte man dort wie es auch Jesus getan hatte, war das Haus Jahwes doch
das Zentrum religiösen Empfindens, Jerusalem das Zentrum der jungen Christenheit. Auch wenn die Lehre Jesu vom anbrechenden Gottesreich in letzter
Konsequenz den Tempel und den Opferkult ersetzen konnte, wenn mit dem
Abendmahl ein ortsunabhängiger Kultersatz geschaffen war, hatte der jüdische
Prediger aus Nazareth nicht auf eine Reform oder gewaltsame Vernichtung des
168
Müller, 1988, S. 78f. Lukas kennt zwar die belastenden Zeugen in Verbindung mit dem
Tempelwort, erwähnt diese jedoch erst in der Apostelgeschichte bei dem Prozess gegen Stephanus (Apg 6,13-14).
89
Heiligtums auf dem Zion gezielt.169 Der Tempel war der Mittelpunkt seines
Glaubens und die heilige Stadt der natürliche Ort der Verkündigung.170
Erst als das Bekenntnis an Jesus sich auszubreiten begann, als die Heidenmission die Regel wurde und die Lehre des Apostel Paulus in jedem Gläubigen
den Tempel verwirklicht sah (1Kor 3,16-17; 1Kor 6,19; 2Kor 6,16), löste sich
die Bindung des neuen Glaubens von dem Haus Gottes auf dem heiligen Berg
Zion.171 Nach ihrer Zerstörung verlor die Kultstätte alle Anziehungskraft für
die Nachfolger Christi, die in Zukunft ihre Erlösung in der Auferstehung des
gekreuzigten Gottes sehen sollten und anstatt des Tempels den Ort seiner Passion in ihrer Erinnerung zum Heiligtum erhoben.
3. Golgatha
Die Kreuzigung
„Und sie brachten ihn zu der Stätte Golgatha, das heißt übersetzt: Schädelstätte. Und
sie gaben ihm Myrrhe in Wein zu trinken; aber er nahm’s nicht. Und sie kreuzigten
ihn. Und sie teilten seine Kleider und warfen das Los, wer was bekommen sollte. Und
es war die dritte Stunde, als sie ihn kreuzigten. Und es stand über ihm geschrieben,
welche Schuld man ihm gab, nämlich: Der König der Juden. Und sie kreuzigten mit
ihm zwei Räuber, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken.“ Mk 15,22-27
169
Zur Loslösung sowohl des Christentums als auch des Judentums von der Tempelfrömmigkeit, die in der Entstehung der Synagogen- und Thorakultur begünstigt war, vgl. etwa Theißen,
2003, S. 50f.
170
Sanders, 1999, S. 91.
171
Einen Überblick über die Deutung der Tempelzerstörung durch die Christen gibt HeinzMartin Döpp: Die Deutung der Zerstörung Jerusalems und des zweiten Tempels im Jahre 70 in
den ersten drei Jahrhunderten n. Chr., Tübingen/Basel 1998. Zu den theologischen Ausdeutungen des Tempelkonzeptes in seinen verschiedenen Funktionen vgl. Gabriele Faßbeck: Der
Tempel der Christen. Traditionsgeschichtliche Untersuchung zur Aufnahme des Tempelkonzepts im frühen Christentum, Tübingen/Basel 2000. Vgl. außerdem die Beiträge in: Beate Ego
(Hg.): Gemeinde ohne Tempel – Community Without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum
und frühen Christentum, Tübingen 1999.
90
Jesus starb am Kreuz. Dies bezeugen sowohl die Schriften des Neuen Testamentes als auch die außerbiblischen Quellen. Sein Tod war der Tod eines Verbrechers, eine Demütigung in den Augen Roms, eine Schande in den Augen
Israels.172 Der Kreuzestod lastete schwer auf der christlichen Erinnerung173 und
die Schriften des Neuen Testamentes ringen um die theologische Verarbeitung
der historischen Umstände, interpretieren das Geschehen im Licht der Lehre
vom Gottessohn und erneuern die Hoffnung auf das Anbrechen der Gottesherrschaft in dem Glauben an die Auferstehung des Gekreuzigten. Den Leidensweg
Jesu beschreiben die Evangelien in der Passionserzählung, die mit dem triumphalen Einzug in Jerusalem beginnt und ihrem dramatischen Höhepunkt auf
Golgatha entgegen strebt.
Während eine historische Rekonstruktion der Geschichte Jesu in seinem
Vorgehen gegen den Tempel den wahrscheinlichsten Grund für seine Verurteilung zu sehen vermag – waren doch jüdische wie römische Autoritäten besonders zu den hohen Festtagen an Ruhe und Ordnung in der heiligen Stadt interessiert und verweist die Hinrichtung am Kreuz auf die Verurteilung eines Unruhestifters174 – erschaffen die Evangelien die Erinnerung an ein bewusst gewähltes Leiden, an ein nie gekanntes Opfer für das Heil aller Menschen. Die
Festnahme und das Verhör Jesu durch die jüdischen Würdenträger, die Verurteilung durch den Statthalter Roms, der allein die potestas gladii innehatte,175
die Kreuzigung auf der Schädelstätte und schließlich die Auferstehung bilden
die Koordinaten, innerhalb derer die vier Evangelisten der Geschichte ihres
Erlösers einen Sinn zu geben versuchen, Bedeutung, die einerseits durch den
Glauben an den auferstandenen Gottessohn den Opfertod begreiflich macht
172
Vgl. etwa Ebner, 2003, S. 204ff., zu der Hinrichtungsart Kreuzigung mit Verweisen auf
römische und jüdische Quellen. Den Juden galt ein rechtmäßig zum Tode verurteilt und Hingerichteter als von Gott verflucht (Dtn 21,22f.), den Römern ein Gekreuzigter als Aufrührer.
173
Vgl. etwa Hebr 12,2: „... und laßt uns ... aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender
des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande
gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten Gottes.“
174
Luz, 2002, S. 412f.
175
Vgl. dazu u.a. Joachim Gnilka: Der Prozeß Jesu nach den Berichten des Markus und Matthäus mit einer Rekonstruktion des historischen Verlaufs, in: Der Prozeß gegen Jesus. Historische Rückfrage und theologische Deutung, hg. v. Karl Kertelge, Freiburg/Basel/Wien 1988, S.
11-40; hier S. 28ff.
91
und andererseits die junge Christenheit als neue Kraft zwischen den bestehenden religiösen und staatlichen Einrichtungen verortet.
Die kanonischen Passionsberichte weichen in vielen Details voneinander ab,
doch lassen sich die Tendenzen der christlichen Interpretation recht klar von
dem historischen Geschehen unterscheiden: Im Jahr 30 n. Chr. hielt sich Jesus
mit seinen Jüngern zum Pessach in Jerusalem auf. Er wurde verhaftet und zunächst von einem jüdischen Gremium verhört, dann mit einer Klageschrift den
römischen Behörden übergeben. Der römische Statthalter, Pontius Pilatus, verurteilte den Prediger aus Nazareth zum Tode. Nach der Geißelung, die dieser
Art Hinrichtung vorausging, wurde der Galiläer außerhalb der Stadtmauern mit
anderen Verurteilten gekreuzigt.176 Diesen Rahmen kollektiven Erinnerns wissen die Evangelisten vielfältig zu nutzen. So wird die Rolle der römischen Obrigkeit zunehmend positiv dargestellt, die Schuld am Tode Jesu dagegen in
immer deutlicherer Weise den Juden angelastet. Besonders Pilatus erfährt eine
Aufwertung in den Erzählungen, die in den Jahrzehnten nach dem Tode Jesu
den historischen Fakten beigefügt werden, während Priester und Älteste,
schließlich auch das jüdische Volk, in einem negativen Licht gezeigt werden.177 Der wohl bekannteste Beleg dafür findet sich in der Barrabasperikope
bei Matthäus:
„Zum Fest aber hatte der Statthalter die Gewohnheit, dem Volk einen Gefangenen
loszugeben, welchen sie wollten. Sie hatten aber zu der Zeit einen berüchtigten
Gefangenen, der hieß Jesus Barrabas. Und als sie versammelt waren, sprach Pilatus
zu ihnen: … Wen soll ich euch losgeben, Jesus Barrabas oder Jesus, von dem gesagt
wird, er sei der Christus? Denn er wußte, daß sie ihn aus Neid überantwortet hatten.
… Aber die Hohenpriester und Ältesten überredeten das Volk, daß sie um Barrabas
bitten, Jesus aber umbringen sollten. Da fing der Statthalter an und sprach zu ihnen:
… Wen von beiden soll ich euch losgeben? Sie sprachen: Barrabas! Pilatus sprach zu
ihnen: Was soll ich denn machen mit Jesus, von dem gesagt wird, er sei Christus? Sie
176
Sanders, 1993, S. 10f; 249ff.
Vgl. Theißen, 2001, S. 394ff. Becker, 1996, S. 430ff. Zur christlichen Erinnerung der Person des Pontius Pilatus vgl. Werner Dahlheim: Sub Tiberio quies. Pontius Pilatus, Landpfleger
in Judäa, in: Gegenspieler, hg. v. Thomas Cramer u. Werner Dahlheim, München/Wien 1993,
S. 44-61.
177
92
sprachen alle: Laß ihn kreuzigen! … Als aber Pilatus sah, daß er nichts ausrichtete,
sondern das Getümmel immer größer wurde, nahm er Wasser und wusch sich die
Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin unschuldig an seinem Blut; seht ihr zu!
Da antwortete das ganze Volk und sprach: Sein Blut komme über uns und unsere
Kinder!“ Mt 27,15-25
Die Unschuld des Statthalters ist in dieser Darstellung offensichtlich und die
Schuld am Tod des Erlösers den Ältesten, den Hohepriestern und dem jüdischen Volk zugesprochen, eine Interpretation des Geschehens, die das Ver-hältnis zwischen Juden und Christen in den kommenden Jahrhunderten schwer
belasten sollte.178 Dabei war es die Staatsmacht Rom, die gnadenlos gegen Unruhestifter und Verbrecher vorging. Die Provinz Judäa, seit ihrer Einrichtung 6
n. Chr. ein ständiger Hort von Aufständen und Rebellion gegen die Fremdherrschaft, erfuhr die schnelle und entschlossene Bestrafung der Aufrührer durch
den Kreuzestod viele Male.179 Auch Jesus aus Nazareth ist diesem grausamen
Instrument der Unterdrückung zum Opfer gefallen. Trotzdem zeichnen die
Evangelien ein freundliches Bild der römischen Besatzer – erste Anzeichen der
Hinwendung christlichen Denkens zu einem diesseitigen Leben im Schutze des
Imperium Romanum, dessen Städte die ersten Zentren des neuen Glaubens
werden sollten, schon bevor Jerusalem und der Tempel Jahwes der Vernichtung anheim gefallen waren. Das Christentum überlebte, aber eben nicht an
dem Ort des Todes und der Auferstehung des gekreuzigten Gottes, nicht in der
Stadt Davids, der die Urgemeinde noch vor seiner Zerstörung den Rücken zukehrte, und anders als die jüdische Mutterreligion, deren Mittelpunkt immer
das Heiligtum auf dem Zion bleiben sollte, löste man die Erinnerung an den
Sohn Gottes nicht nur vom Tempel, sondern auch von dessen Opferkult, indem
man in der Kreuzigung Jesu ein einmaliges göttliches Opfer erkannte.180
Damit wird die Todeserfahrung auf Golgatha für den christlichen Glauben
zum sinnstiftenden Wendepunkt. Schon die frühesten Zeugnisse bekennen Tod
und Auferstehung des Gesalbten:
178
Chaim Cohn: Der Prozeß und Tod Jesu aus jüdischer Sicht, aus d. Engl. übers. v. Christian
Wiese u. Hannah Liron, Frankfurt a.M./Leipzig 2001, S. 11-27; 415-429.
179
Siehe hierzu etwa Müller, 1988, S. 62ff. Vgl. außerdem Cohn, 2001, S. 295f.
180
Theißen, 2001, S. 410.
93
„Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe:
Daß Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift; und daß er begraben
worden ist; und daß er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift …“
1 Kor 15,3-5
Der Weg zum Kreuz erscheint in diesem Licht als Triumphzug des leidenden
Gerechten,181 dessen Opfer schließlich sogar den Tod besiegt und die Tore des
Himmels für die Gläubigen öffnet. Zeuge ist wiederum Rom, in der Gestalt des
Hauptmannes unter dem Kreuz, (Mk, 15,39, Mt 27,54) der die Gottessohnschaft des Messias bekennt und der wegweisend für die Weltmacht steht, die
schließlich unter Konstantin dem Ort der Kreuzigung Geltung verschaffen sollte und dem Christentum den Weg in die Macht des Staates wies.
Das leere Grab
Den Tod Jesu, in seiner Endgültigkeit Bedingung für das Wunder der Auferstehung, erinnern die Evangelien in der Erzählung von der Grablegung. War
der Kreuzestod für die Jünger des Galiläers noch ein Schock, so wussten die
Nachfolgenden von dessen Bedeutung. Die Evangelisten waren sorgfältig darauf bedacht, das Geschehen von jedem Verdacht zu befreien, klang doch die
Geschichte eines als Mensch gekreuzigten Gottes, der nach drei Tagen aufersteht, für den antiken Zuhörer nicht sehr glaubwürdig. Zudem folgte der Kreuzigung ein langsames Sterben, von dem immer wieder Menschen gerettet wurden.182
Mit viel Umsicht berichten daher die vier Evangelisten von dem Kreuzestod
Jesu, der Bitte um den Leichnam durch einen Josef von Arimathäa vor dem
Statthalter Pontius Pilatus und schließlich der Grablegung in einem Felsengrab
(Mk 15,37-47; Mt 26,50-61; Lk 23,46-56), dessen Lage nur Johannes als einen
181
Becker, 1996, S. 435. Ebner, 2003, S. 204ff. Ebner interpretiert den Kreuzweg als Darstellung eines Triumphzuges.
182
Vgl. Ebner, 2003, S. 208. Ios.vita 420f. Der Auferstehungsglaube war in der jüdischen Vorstellungswelt beheimatet, er war ein Ausdruck an die Macht Gottes über den Tod hinaus. Vgl.
dazu Schröter, 2006, S. 303f.
94
Garten nahe der Kreuzigungsstätte kennzeichnet (Joh 19,41).183 Zweifel an
dem schnellen Tod des Gekreuzigten werden in der Überlieferung nach Markus
direkt angesprochen. So befragt Pilatus einen Hauptmann, ob der Tod des Delinquenten tatsächlich schon eingetreten sei, bevor er den Leichnam zur Bestattung freigibt und wird damit, wie sein Hauptmann, Zeuge des vollzogenen Opfers, die Staatsmacht Rom zum Bürgen des Heils (Mk15,42-46). Zweifel anderer Art überliefert das Matthäusevangelium. Das leere Grab am dritten Tag
wird hier von römischen Wachen bezeugt, doch als sie davon berichten, werden sie zum Schweigen gebracht mit der Anweisung, den Jüngern Jesu den
Diebstahl des Leichnams nachzusagen (Mt 27,62-66; 28,1-15). Es ist ein naheliegender Vorwurf, den die Schrift zu entkräften sucht, weil er das Zentrum des
neuen Glaubens angreift: das Wunder der Auferstehung.
„Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in
euren Sünden; … Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die
Elendsten unter allen Menschen.“ 1 Kor 15,17-19
Diese Worte des Apostels Paulus bezeichnen den Kernpunkt des neuen Bekenntnisses. Der auferstandene Christus bedeutet Heil und Erlösung, der Glaube an das leere Grab ist dafür notwendige Voraussetzung. Der Ort der Auferstehung bleibt zunächst bedeutungslos und weder die Briefe des Paulus noch
die Evangelien benennen den Schauplatz näher oder rufen zu einer Verehrung
dieser Stätte auf.184 Die Schilderung der Auffindung des leeren Grabes am dritten Tag ist allen Evangelien gemein, doch besteht keinerlei Einigkeit darüber,
wer von den Nachfolgern Christi das wundersame Ereignis bezeugt und auch
183
Josef Blank: Die Johannespassion. Intention und Hintergründe, in: Der Prozeß gegen Jesus.
Historische Rückfrage und theologische Deutung, hg. v. Karl Kertelge, Freiburg/Basel/Wien
1988, S. 148-182; hier S. 175ff. Vgl. außerdem Hubert Ritt: Plädoyer für Methodentreue. Thesen zur Topographie und Chronologie der Johannespassion, in: Der Prozeß gegen Jesus. Historische Rückfrage und theologische Deutung, hg. v. Karl Kertelge, Freiburg/Basel/Wien 1988,
S. 183-190; hier S. 187f.
184
Ebner, 2003, S. 214: „Gerade weil der Ort der Bestattung Jesu offensichtlich bekannt war,
ist es umso erstaunlicher, dass weder die frühe Briefliteratur noch die Evangelien am Ende des
ersten Jahrhunderts zur Wallfahrt oder Verehrung des Grabes aufrufen, sondern dort die Botschaft von der Auferweckung aussprechen lassen und die Jüngerinnen im gleichen Atemzug
vom Grab wegschicken: zur Weiterverkündigung der Botschaft. Das Ende des historischen
Jesus ist das Grab. Fluchtpunkt des Christentums ist es nicht.“
95
über die Erscheinungen des Auferstandenen konkurrieren parallele Überlieferungen. Die Evangelisten beenden ihre Berichte mit den Erscheinungen oder
der Himmelfahrt des Gottessohnes, auch hier ist die Überlieferung uneins.185
Sicher ist den schriftlichen Zeugnissen nur das leere Grab und die Auferstehung, sie bilden den Endpunkt der Geschichte Jesu und den Beginn einer beispiellosen Mission, sie bewahren das Andenken an die Geschichte des Gottessohnes und seines Todes, an das Wunder seines Opfers für das Heil aller Menschen und die Sendung seiner Jünger in alle Welt.
Die Orte dieses heiligen Geschehens – Golgatha und das Felsengrab – überlebten in der Erinnerung der Urgemeinde und durch die Schriften des ersten
nachchristlichen Jahrhunderts die Zerstörung der Stadt durch die Römer im
Jahre 70 und die Umgestaltung als Aelia Capitolina nach dem niedergeschlagenen Bar-Kochba-Aufstand 135 n. Chr. durch Hadrian. Zu Kultstätten wurden
sie jedoch erst, als die Religion des Gekreuzigten ihren Siegeszug durch das
Imperium Romanum vollendet hatte. Denn da die Lehre des Gottessohnes die
Gläubigen zunächst von den Bindungen dieser Welt befreite und ihren Blick
auf das kommende Gottesreich wendete, entfalteten die Stätten der Verkündigung ihre Wirkung erst mit dem Ausbleiben des himmlischen Reiches auf Erden und nachdem die Nachfolger Christi nicht nur auf den geistigen, sondern
auch auf den historischen Spuren ihres Erlösers zu wandeln begannen.
4. Der christliche Zion und das himmlische Jerusalem
„Und ich sah, und siehe, das Lamm stand auf dem Berg Zion und mit ihm
Hundertvierundvierzigtausend, die hatten seinen Namen und den Namen seines Vaters
geschrieben auf ihrer Stirn.“ Offb 14,1
185
Die Auffindung des leeren Grabes: Mk 16,1-8; Mt 28,1-8; Lk 24,1-12; Joh 20,1-10. Vgl.
dazu etwa Theißen, 2001, S. 416ff., mit einer Zusammenfassung der Forschungsmeinungen
zum leeren Grab und der Auferstehung Jesu und einer Kommentierung aller relevanten Stellen
des NT. Vgl. außerdem Schröter, 2006, S. 301ff. Die Erscheinungen des Auferstandenen: Mk
16,9-18; Mt 28,8-10.16-20; Lk 24,13-49; Joh 20,11-31.21,1-24. Vgl. dazu etwa Sanders, 1993,
S. 278ff. Schröter, 2006, S. 310ff. Die Himmelfahrt wird nur von Markus und Lukas berichtet
und kennzeichnet den Beginn der Apostelgeschichte: Mk 16,19; Lk 24,50-53; Apg 1,9-12.
96
Während Golgatha erst durch die Geschichte Jesu als heiliger Ort begründet
wurde, konnte das christliche Hoffen auf den Beginn des verkündeten Gottesreiches die endzeitlichen Szenarien der alttestamentlichen Propheten und die
apokalyptischen Schriften vergangener Jahrhunderte aufgreifen, deren topographisches wie theologisches Zentrum der heilige Berg Zion war. Der Gottesberg in Jerusalem sollte auch für die christliche Vorstellungskraft Mittelpunkt
eines Weltgerichtes am Ende aller Zeit werden und, verbunden mit der Idee
eines himmlischen Jerusalems, zum Fluchtpunkt eschatologischer Erwartungen
aufsteigen.
Sowohl die Verkündigung des Gekreuzigten als auch die Schriften des Neuen Testaments sind von den endzeitlichen Motiven der Zionstheologie durchdrungen.186 Am deutlichsten tritt dies in der Offenbarung des Johannes hervor,
einem in den 90er Jahren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts als Sendschreiben an sieben Gemeinden in Kleinasien verfassten apokalyptischen Visionsbericht.187 Die Schrift fand Eingang in den neutestamentlichen Kanon und
ihre bildgewaltige Sprache prägte für Jahrhunderte die Phantasie der Gläubigen.188
Inspiriert von jüdischen Apokalypsen beschreibt der christliche Prophet
nach seiner Entrückung in den Himmel und einer Thronsaalvision den Hergang
eines endzeitlichen Geschehens, das nach Plagen und Kämpfen gegen die
Mächte des Bösen auf dem Zion einem dramatischen Höhepunkt entgegen
strebt: Die Sammlung der Gerechten auf dem Gottesberg läutet ein göttliches
Gericht ein, dessen Wucht Mensch wie Stadt und Staat bedroht, dem aber ein
messianisches Friedensreich folgt, nach dessen tausendjährigem Bestehen ein
186
Tan, 1997, S. 229ff. Tan beschreibt Zion als bestimmenden Motivkomplex der Verkündigung und des Handelns Jesu. Vgl. außerdem Böcher, 1983, S. 114ff., zur Wirkung der von ihm
als ‚Zionsschema‘ benannten endzeitlichen Erwartungen, die sich in den alttestamentlichen
Schriften ebenso finden wie in den Texten der Zeit zwischen den Testamenten, im Neuen Testament und in jüdischen Schriften, die nach der Zerstörung des Tempels entstanden sind.
187
In der Forschung ist man sich über die Entstehungszeit weitgehend einig. Vgl. dazu etwa:
Die Offenbarung des Johannes, übers. u. erkl. v. Heinz Giesen, Regensburg 1997, S. 41.
188
Georg Kretschmar: Die Offenbarung des Johannes. Die Geschichte ihrer Auslegung im 1.
Jahrtausend, Stuttgart 1985, S. 69ff.
97
weiteres Gericht das Ende der Geschichte markiert.189 Erst danach mündet die
Offenbarung in der Schilderung eines aus einem neuen Himmel herabkommenden neuen Jerusalems, einer Erfüllung aller in der Zionstheologie enthaltenen Versprechen.
„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und
die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige
Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine
geschmückte Braut für ihren Mann.“ Offb 21,1-2
Während die Sendschreiben innerkirchliche Spannungen in den Gemeinden
ansprechen und die Unheils-Prophetie den heraufziehenden Konflikt des Christentums mit der Weltmacht Rom in einer symbolisch verschlüsselten Form
vorwegnimmt – die es den Gläubigen kommender Epochen erlauben sollte, die
Anfechtungen der eigenen Zeit als Teil göttlicher Endzeit zu begreifen – begründet die Vision des himmlischen Jerusalems die Vorstellung eines vollkommenen Ortes. Die wertvollen Baustoffe, die unglaublichen Ausmaße und
die perfekten Dimensionen der himmlischen Stadt, die erfüllt ist von Frieden,
Reinheit und dem Glanz der Herrlichkeit Gottes (Offb 21.22), werden zu einem
transzendierten Bild für die Gemeinschaft der christlichen Kirche und zugleich
zu einem idealen Raum, den spätere Generationen in heiligen Bauten zu verwirklichen suchten.190 Erbaut aus kostbaren Edelsteinen, mit hohen Mauern
und offenen Toren, erfüllt von Gerechten und dem Reichtum der Völker (Offb
21.22), verwirklicht die Offenbarung des Johannes den Traum von Zion, dem
heiligen Berg, der in der jüdischen Vorstellung sowohl für die Stadt und das
auserwählte Volk als auch für den Ort des letzten Gerichtes und den Mittelpunkt eines endzeitlichen Friedensreiches steht. Die Bedeutungsvielfalt Zions
geht so – unter dem Namen des himmlischen Jerusalems – in der christlichen
Vorstellungswelt auf.
189
Offb 1-20. Vgl. dazu Böcher, 1983, S. 113ff. Kretschmar, 1985, S. 29ff.
Jürgen Roloff: Irdisches und himmlisches Jerusalem nach der Johannesoffenbarung, in:
Zion. Ort der Begegnung, Festschrift für Laurentius Klein zur Vollendung des 65. Lebensjahres, hg. v. Ferdinand Hahn u.a., Bodenheim 1993, S. 85-106; hier S. 86.
190
98
„Sondern ihr seid gekommen zu dem Berg Zion und zu der Stadt des lebendigen
Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu den vielen tausend Engeln, und zu der
Versammlung und Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben sind,
und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten
und zu dem Mittler des neuen Bundes, Jesus, und zu dem Blut der Besprengung, das
besser redet als Abels Blut.“ Hebr 12,22-24
Auch in den frühchristlichen Briefen des Paulus und im Brief an die Hebräer
findet sich das neue Jerusalem als Symbol und visionärer Ort des neuen Bundes mit Gott, an dem die christliche Gemeinschaft durch den Opfertod Jesu
teilhat. Zion und das himmlische Jerusalem bezeichnen dabei sowohl eine gegenwärtige Heilszusage als auch einen Raum endzeitlicher Erlösung, verweisen gleichzeitig auf ein präsentisches Jenseits und eine zukünftige Welt.191 Die
irdische Stadt Jerusalem verliert in dieser Vorstellung an Bedeutung durch ihre
Diesseitigkeit.
„Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
Hebr 13,14
Noch deutlicher betont Paulus den Gegensatz zwischen dem himmlischen und
dem weltlichen Jerusalem. In seiner Auseinandersetzung mit judenchristlichen
Missionaren, die das Evangelium an das mosaische Gesetz gebunden sahen,
leitet er den neuen Bund von Abraham her, dem Stammvater Israels, den er
durch Gottes Verheißung gesegnet weiß noch bevor das Gesetz dem Mose offenbart wurde (Gal 3,16-19).192 In den beiden Frauen Abrahams, Hagar und
Sara, und deren Söhnen sieht er den alten und den neuen Bund symbolisiert
(Gal 4,21-31).193 Während Hagar für den Bundeschluss am Sinai, die Sklaverei
und das irdische Jerusalem steht, erkennt er dagegen in Sara den neuen Bund,
die Freiheit, das obere Jerusalem, das bei ihm zur Mutter aller Gläubigen wird
(Gal 4,26). Die gegenwärtige Stadt wird zum schroffen Gegenbild der jenseiti191
Söllner, 1998, S. 236f. Roloff, 1993, S. 93f.
Vgl. etwa Jürgen Becker: Paulus. Der Apostel der Völker, Tübingen 1989, S. 286ff.
193
Die Briefe an die Galater, Epheser und Kolosser, übers. u. erkl. v. Jürgen Becker und Ulrich
Luz, (NTD, Tbd. 8/1), 18. Aufl, 1. Aufl. dieser Bearb., Göttingen 1998, S. 70-74.
192
99
gen, der alte Bund zur Knechtschaft und der neue zur von Christus geschenkten
Freiheit.194
Der spätberufene Apostel predigt das Heil durch den Kreuzestod Jesu195 und
löst das christliche Bekenntnis von den Forderungen des Gesetzes, ein Konflikt
den das frühe Christentum zugunsten der Heidenchristen entscheiden sollte, die
fortan weder das Beschneidungs- noch etwa die Speisegebote zu befolgen hatten.196 Wie von den Gesetzen sieht Paulus den Gläubigen auch von der sühnenden Macht des Tempels auf dem Zion befreit, wenngleich er dem diesseitigen Jerusalem als Sitz der Urgemeinde, der ersten Kirche, weiterhin einen besonderen Rang zuspricht, was sich nicht zuletzt in den Kollekten für die Armen
der Stadt Davids zeigt, zu denen er seine Gemeinden verpflichtet (Gal 2,10; 1
Kor 16,1-3; 2 Kor 8f.).197 Irdischer Bezugspunkt und semantische Achse bleibt
so in der frühchristlichen Vorstellung die heilige Stadt Jahwes und der Gottesberg Zion, doch hinzu kommt die messianische Gestalt des Gottessohnes, dessen Kreuzestod den weltlichen Ort einerseits überwindet und die Gläubigen an
der Hoffnung auf das himmlische Jerusalem teilhaben lässt, dessen Geschichte
andererseits das irdische Jerusalem zum Erinnerungsort seiner Heilszusage
macht. 198
Ist der Zion in der Theologie des Alten Testamentes stets eng mit dem
Schicksal des Tempels, dem steinernen Haus Jahwes in der heiligen Stadt, verbunden, so findet sich in den Schriften des Neuen Testamentes wie auch in der
jüdischen Apokalyptik der nachkanonischen Zeit eine Spiritualisierung und
Auflösung der Bindung an das Heiligtum. Schon vor der Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Römer entstand die Vorstellung, die Gläubigen
selbst seien die Verwirklichung des wahren Tempels.199 In der Offenbarung
194
Roloff, 1993, S. 91f.
Karl Kertelge: Das Verständnis des Todes Jesu bei Paulus, in: Der Tod Jesu. Deutungen im
Neuen Testament, hg. v. Karl Kertelge, Freiburg i.Br. 1976, S. 114-136.
196
Vgl. Kap. B.II. Die Entstehung des christlichen Jerusalems.
197
Becker/Luz, 1998, S. 36f.
198
Vgl. Bianca Kühnel: From the Earthly to the Heavenly Jerusalem. Representations of the
Holy City in Christian Art of the First Millennium, Freiburg i.Br. 1987, S. 56. Merklein, 1993,
S. 56f.
199
Innerhalb der jüdischen Religionsgeschichte finden sich für diese Form der Spiritualisierung
einige Beispiele, so in den Schriften der Qumransekte (1 QS 8,1-10; 1 QM 2,3), oder auch in
individualisierter Form bei Philo von Alexandria (Philo Som 1,46.2,250). Im Neuen Testament
195
100
des Johannes bedarf das himmlische Jerusalem dann keines Tempels mehr, da
die Gegenwart Gottes und Jesu die ganze Stadt erfüllen:
„Und ich sah keinen Tempel darin; denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr
Tempel, er und das Lamm. Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes, daß
sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das
Lamm.“ Offb 21,22-23
Das neue Jerusalem ist Heiligtum, der gesamte Stadtraum ist zum Tempel geworden. Damit entfällt die Unterscheidung eines heiligen Ortes innerhalb der
Stadt, Zion verliert seine ursprüngliche Funktion des einzigen durch die Gegenwart Jahwes besonderen Raumes und verschmilzt in der Erfüllung der an
ihn geknüpften Hoffnungen mit Jerusalem zu einem paradiesähnlichen Ort
(Offb 22,1-2). In der 70 n. Chr. eroberten Stadt war der Tempel zerstört und die
christliche Vorstellung verband den heiligen Berg unabhängig von dem Heiligtum Jahwes einerseits mit den Visionen einer kommenden Endzeit und andererseits mit dem Leben Jesu und dem Wirken der Urgemeinde in Jerusalem.
Abseits des Tempelberges lokalisierte das frühe Christentum den Zion dort,
wo man die alte Davidstadt vermutete, auf dem Hügel südwestlich der mächtigen Ruinen des Tempels, der bis heute den Namen des heiligen Berges trägt.
Schon früh wurde der christliche Zion in die Topographie der heiligen Stadt
miteinbezogen, und viele Begebenheiten der Geschichte Jesu und der ersten
Gemeinde sollten im Laufe der Zeit an diesen Ort gebunden werden.200 Die
Stiftung der Eucharistie, der Raum der Fußwaschung, Jesu Ankündigung des
Verrates durch Judas und die Verleumdung durch Petrus (Mk 14,18,22-24,30;
Joh 13,1-10) werden hier ebenso erinnert wie das Pfingsterlebnis mit der Herabkunft des Heiligen Geistes (Apg 1,12-14.2,1-4). Hier weiß die Tradition den
sind es besonders die Briefe des Paulus, die diesem Gedanken folgen (1 Kor 3,16f. 6,19; 2 Kor
6,16; auch Hebr 3,6). Vgl. dazu auch Kap. B.I.2. Tempelreinigung und Tempelwort. Vgl.
außerdem Böcher, 1983, S. 117-121; 125-129. Lawrence H. Schiffman: Community Without
Temple. The Qumran Community’s Withdrawel from the Jerusalem Temple, in: Gemeinde
ohne Tempel – Community Without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, hg. v. Beate Ego u.a., Tübingen 1999, S. 267-284; hier S. 279ff.
200
Halbwachs, 2003, S. 88ff.
101
Standort der Mutter aller Kirchen, die erste Versammlungsstätte der apostolischen Gemeinschaft und die Todesstätte Marias, der Mutter Gottes, verortet.201
Die vielfältige Belegung Zions mag in die früheste Zeit nach dem Tod Jesu
zurückreichen, aber durch die Zerstörung Jerusalems und die Flucht der Urgemeinde aus der Stadt gibt es mindestens eine Brechung in der Entstehung dieser Erinnerungsorte.202 Die Schriften des Neuen Testamentes bleiben in ihrer
Beschreibung vieler Schauplätze unbestimmt – was sowohl ein Hinweis auf die
Selbstverständlichkeit einer historischen Erinnerung als auch auf den Verlust
derselben sein kann. Doch die Entstehung und Etablierung von Erinnerungsorten zeigt sich unabhängig von historischer Genauigkeit. Der von den Christen Zion genannte Berg, später auch der Ölberg, der etwa das Gedenken an die
Himmelfahrt und die Lehre des pater noster an sich zog, erhielten im christlichen Gedenken den Rang heiliger Stätten.203 Für die christliche Gemeinde Jerusalems sowie die über die Jahrhunderte stetig zunehmenden Pilgerströme
bewahrten diese Berge eine Vielzahl von Geschichten, die auf ihnen mit einer
einzigartigen Authentizität nachempfunden werden konnten. Was die Schrift
berichtet, wird hier lebendig, die Nachfolge Christi nähert sich an diesen Stätten dem Menschen Jesus, den Aposteln und der Mutter Gottes wie an keinem
anderen Ort.
5. Die heiligen Berge der Christen
Das Christentum kennt viele heilige Stätten in Jerusalem und oftmals dienen
die Berge, die Erhebungen des Stadtraumes, als Kristallisationspunkte des reli-
201
Yoram Tsafrir: Byzantine Jerusalem. The Configuration of a Christian City, in: Jerusalem.
Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York
1999, S. 133-150; hier S. 134; 139f. Alan Posener: Maria, Hamburg 1999, S. 49ff.
202
Otto, 1980, S. 159ff.
203
Die Himmelfahrt wird nur in der Apostelgeschichte auf dem Ölberg verortet (Apg 1,9-12).
Während das Lukasevangelium ungenauer von Bethanien spricht (Lk 24,50), kennt das älteste
Evangelium nach Markus keine Erinnerung an den Ort der Himmelfahrt (Mk 16,19) und Matthäus spricht von einem Treffen des Auferstandenen mit seinen Jüngern auf einem Berg in
Galiläa (Mt 28,16). Zur Traditionsbildung des Ölbergs, der später auch als Ort der Unterweisung der Jünger und der Lehre vom Weltende gilt, vgl. Halbwachs, 2003, S. 121ff. Vgl. dazu
auch Kap. B.II.4. Die christliche Topographie der heiligen Stadt.
102
giösen Erinnerns. Die Hügel der Stadt und die sie verbindenden Wege sind
geprägt von den an sie gebundenen Geschichten auf den Spuren Jesu. Diese
Ausweitung des Heiligen unterscheidet die christliche Topographie der Stadt
von der jüdischen, die ihren Mittelpunkt auf dem Zion hat, der einst den Tempel und das Allerheiligste beheimatete. Diese Verteilung der christlichen Erinnerungsräume lässt sich einerseits aus der Abgrenzung von dem etablierten
Heiligtum des jüdischen Gottes auf dem Zion deuten, als räumliche Abkehr
von dem Symbol des alten Bundes. Andererseits geschieht diese Aufteilung
durch die Bindung an die Geschichte eines Mannes, der, anders als die Könige
seiner Vorfahren, die Hohepriester des Tempels und Statthalter Roms, kein
Zentrum der Macht hinterließ, sondern abseits der großen Paläste der Mächtigen und außerhalb der alten Stadtmauern wirkte und starb. Zwar lehrte Jesus
auch im Tempel, doch Tempelreinigung und Tempelwort erschienen als Kritik
am Heiligtum und das Abendmahl ließ sich für seine Nachfolger als ortsungebundener Kultersatz verstehen.204 Die Orte weltlicher Macht erlebte der Gottessohn nur als Angeklagter und Verurteilter, dessen Schicksal sich nicht auf
dem Thron eines davidischen Großreiches, sondern am Kreuz außerhalb der
heiligen Stadt erfüllen sollte.
Die Erinnerung an den Gottessohn, der den Tod eines Verbrechers erlitt, erhob schließlich eben diesen Schauplatz der Kreuzigung, Golgatha, zum Zentrum der Heilsgeschichte und verortete nahebei das leere Grab als manifeste
Bezeugung der Auferstehung; eine Umkehrung, die erst im Laufe mehrerer
Jahrhunderte etabliert werden sollte. Während gleichzeitig weitere Stätten der
Verehrung auf dem von den Christen neu verorteten Zion und dem Ölberg,
gegenüber der Stadt, entstanden, die ebenfalls Stationen der Geschichte Jesu
und seiner Nachfolger bezeugten, verfiel allein der Tempelberg, das ursprüng204
Nicht nur die direkte Drohung gegen den Tempel ließ die Nachfolger Jesu an dem Bestehen
des althergebrachten Kultes am Heiligtum zweifeln, sondern auch die Transzendierung herkömmlicher Vorstellungen von der rechten Verehrung Gottes. So erinnert das Johannesevangelium die Geschichte von Jesus und der Samariterin, die ihrem Glauben gemäß den Tempel auf
dem Berge Garizim als zentrales Heiligtum ansieht und den jüdischen Prediger fragt: „Unsere
Väter haben auf diesem Berg angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man beten
soll. Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, daß ihr weder auf diesem Berge
noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. ... Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in
der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der
Vater will solche Anbeter haben.“ Joh 4,20-21.
103
liche zentrale Heiligtum Jerusalems in der christlichen Topographie der Stadt
der damnatio memoriae.
Begünstigt wurde diese Öffnung des religiösen Erinnerns der unterschiedlichen Schauplätze der Geschichte Jesu und der apostolischen Gemeinschaft
durch die Loslösung vom Tempel, dessen Zerstörung durch die Römer den
Christen als Bewahrheitung des Tempelwortes gelten konnte. Dabei blieb das
für die jüdische Religion so wirkmächtige Motiv Zion in der christlichen Topographie der heiligen Stadt erhalten, jedoch abseits des Tempelberges. Viele
Elemente der Zionstheologie sollten im Laufe der Zeit ebenfalls den Spuren
eines einfachen Mannes jenseits politischer Einflussnahme folgen und in den
Orten der Passion, der Eucharistie und der Himmelfahrt aufgehen. Auf Golgatha, dem Ölberg und dem christlichen Zion erhob sie das christliche Gedenken
zu neuen Zentren religiösen Erlebens; etabliert wurden diese heiligen Stätten
jedoch erst, als der Glaube an den Gekreuzigten die höchsten Träger der politischen Macht erreichte – die Kaiser Roms.
104
II. Die Entstehung des christlichen Jerusalems
Jerusalem, Ort der Passion Jesu und Ausgangspunkt der apostolischen Mission,
sollte für die Ausbreitung und den Erfolg des christlichen Glaubens nur eine
untergeordnete Rolle spielen. Die Urgemeinde war noch eng mit der Stadt Davids verbunden, in der sie schon bald die ersten Verfolgungen erlitt (Apg 8,1-3;
12,1-19). Doch schon in der ersten Generation spaltete sich die judenchristliche
Gemeinschaft in hellenistisch und hebräisch geprägte Anhänger des neuen
Glaubens. Der bereits früh aufgebrochene Konflikt zwischen den gesetzestreuen Hebräern und den aus dem Diasporajudentum stammenden Hellenisten
entzündete sich vermutlich an der Tempelkritik Jesu, die den Hellenisten unter
der Leitung des Stephanus näher war als den Hebräern, die in dem Heiligtum
Jahwes auf dem Zion noch den natürlichen Ort ihres Wirkens sahen.205
Während die Apostelgeschichte die erste Spaltung der Gemeinde auf die
Frage der Witwenversorgung zurückführt (Apg 6,1-7), berichtet sie kurz darauf
von einer Anklage wider jenen Stephanus, der wegen seiner Rede „gegen diese
heilige Stätte und das Gesetz“ (Apg 6,13) den Märtyrertod erleidet. Die von
den Hellenisten, die aufgrund der ersten Verfolgung etwa nach Antiochia ausgewichen waren, betriebene Heidenmission führte zu weiteren Auseinandersetzungen innerhalb der Urgemeinde und wurde schließlich zugunsten derer
entschieden, die das Wort Gottes auch außerhalb des Volkes Israel predigten
(Apg 11,1-18). Die Heidenmission führte in der Folgezeit jedoch zu weiteren
Kontroversen zwischen den Nachfolgern Christi: Sollten die bekehrten Heiden
der Beschneidung und dem mosaischen Gesetz unterworfen werden oder war
die Bindung an die jüdische Tradition durch den Glauben an den Gekreuzigten
obsolet? Das in Jerusalem tagende Apostelkonzil beschloss schließlich die Loslösung vom Gesetz (Apg 15,1-29) und ebnete damit den Weg für die weitere
Mission in der Welt des Imperium Romanum.206
205
206
Schramm, 2004, S. 143ff.
Dahlheim, 2003, S. 117.
105
Spiegelt sich in den Paulusbriefen und der Apostelgeschichte noch die ursprüngliche Bedeutung der Mutter aller Kirchen für die erste Generation der
Nachfolger des Gekreuzigten, wurde ihre Autorität schon im Laufe des ersten
Jahrhunderts von den wachsenden Gemeinden in Antiochia, Alexandria und
Rom überflügelt, deren Bischöfe sich alle in apostolischer Sukzession sahen.
Die neuen Gemeinden, ihre Theologie und Politik, sollten von Heidenchristen
geprägt werden und die mehrheitlich judenchristliche Gemeinschaft der alten
Hauptstadt Judäas gehörte bald einer Minderheit an.207 Das Ansehen der heiligen Stadt litt weiter unter der Zerstörung im Jahre 70, der die Gemeinschaft der
Nachfolger Christi durch die Flucht ins ostjordanische Pella entging,208 und das
irdische Jerusalem fiel der Geringschätzung anheim, während der Glaube an
das himmlische noch Naherwartung war.
Die Stadt, deren Tempel zerstört und deren Befestigungen geschleift waren,
versank in Bedeutungslosigkeit und mit ihr die dort ansässige Gemeinde, die
vermutlich 135 n. Chr. – nach dem gescheiterten Bar-Kochba Aufstand – aus
dem Stadtraum verwiesen wurde.209 Das von Kaiser Hadrian Aelia Capitolina
benannte Jerusalem wurde als römisch-heidnische Stadt ausgebaut und sollte
fortan eine heidenchristliche Gemeinde beheimaten, die zunächst weder an die
ehemalige Bedeutung der apostolischen Tradition anzuknüpfen vermochte
noch die Kraft hatte, die christlichen Erinnerungsorte zu gestalten.210 Durch die
Macht des Imperium Romanum verwandelte sich die Stadt Jahwes und der
Auferstehung des Gottessohnes: Von dem verwüsteten Tempelberg blickten
207
Zu den Begriffen Juden- und Heidenchristen und der Präsenz judenchristlicher Gemeinden
in Palästina und in Jerusalem in vorkonstantinischer Zeit vgl. Taylor, 1993, S. 18-47.
208
Eusebius h.e. 3,5,2-3.
209
Taylor,1993, S. 42f.; 335ff., argumentiert, von der judenchristlichen Gemeinde Jerusalems
hätten nicht notwendigerweise alle Mitglieder die Stadt verlassen; vielmehr sei anzunehmen,
die Feindseligkeit Bar Kochbas gegenüber den Christen während des Aufstandes habe zu einer
Abwendung von der Gesetzestreue geführt und somit zu einer denkbaren Kontinuität in der
Gemeinde Jerusalems, diese wiederum mache eine durchgehende Tradition heiliger Stätten in
der Stadt zumindest möglich. Allerdings gibt es keine Hinweise auf eine Kontinuität innerhalb
der Gemeinde Jerusalems nach 135 n. Chr. Die später so bedeutende christliche Gemeinschaft
hätte eine ununterbrochene Tradition gewiss in der Erinnerung verankert, hätte sie darauf zurückgreifen können. Zu der Frage, ob Juden nach dem Bar Kochba Aufstand tatsächlich aus
dem Stadtraum verbannt waren vgl. Eliav, 2005, S. 192f.
210
Ebd. 5,12. Vgl. außerdem Otto, 1980, S. 159-167. Ernst Dassmann: Kirchengeschichte I.
Ausbreitung, Leben und Lehre der Kirche in den ersten drei Jahrhunderten, Stuttgart/Berlin/Köln 1991, S. 55ff. Zu den Bischöfen Jerusalems vgl. Eusebius h.e. 3,11. 4,4. 5,12.
106
Abb. 5
107
römische Statuen auf die Stadt und ein Venustempel erhob sich über dem Ort,
den spätere Generationen als Golgatha und Grabesstätte erkennen sollten.211
Erinnerungen an Leben, Tod und Auferstehung Jesu, an die Urgemeinde und
die Apostel wurden durch die Zerstörung und Neugestaltung Jerusalems von
ihren ursprünglichen Schauplätzen gelöst. Sie wurden in Geschichten zwar
überliefert, doch bedingt durch die Ohnmacht einer verfolgten Glaubensgemeinschaft und die veränderte Topographie der Stadt sollte ihrer erst in den
kommenden Jahrhunderten an besonderen Orten gedacht werden, die durch die
Verbindung mit ihnen zu heiligen Stätten wurden.212
Zunächst jedoch war die Gemeinde Aelia Capitolinas eher unbedeutend und
das Christentum sah seine Heiligkeit in der Gemeinschaft der Gläubigen verwirklicht, die das anbrechende Gottesreich verkündeten. Anders als das Judentum und die paganen Religionen brauchte das Christentum keine Tempel für
den Kultvollzug. In der Nachfolge des Paulus und der Offenbarung des Johannes erhofften sich die Gläubigen die Teilhabe am himmlischen Jerusalem und
gedachten dabei selten des irdischen. Nur wenige bereisten in den ersten drei
Jahrhunderten das heilige Land und die Stadt Davids, und die erste Verehrung
heiliger Stätten galt den Gräbern christlicher Märtyrer und nicht dem leeren
Grab, das die Auferstehung des Gottessohnes bezeugen sollte. 213
Nachricht darüber geben die Schriften der Kirchenväter, etwa die Märtyrerakten Justins, die Predigten Origenes oder die Kirchengeschichte des Eusebius
von Cäsarea. Diesem verdanken wir nicht nur viele wertvolle Informationen
über die ersten drei Jahrhunderte der Christenheit und eine ausführliche Darstellung der Zeit und des Lebens Konstantins, sondern er gehörte zu denjenigen, die selbst das heilige Land bereisten, bevor die Kaiser Roms sich dem
211
In der Forschung galt es lange als sicher, auf dem Tempelberg sei ein römischer Tempel
errichtet worden. Vgl. etwa Otto, 1980, S. 171f. Hunt, 1984, S. 2f. Seit einiger Zeit geht man
allerding davon aus, dass nur einige Statuen auf dem Tempelberg standen und das Areal zu
großen Teilen wüst lag. Vgl. etwa Eliav, 2005, S. 83-124.
212
Oleg Grabar: Space and Holiness in Medieval Jerusalem, in: Jerusalem. Its Sanctity and
Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 275286.
213
Robert A. Markus: How on Earth Could Places Become Holy? Origins of the Christian Idea
of Holy Places, in: JEarlyChristianSt 2 (1994), S. 257-271.
108
christlichen Glauben zuwandten, und er erlebte und beschrieb als Zeitgenosse
und Zeuge eben diesen Wandel welthistorischen Ausmaßes.214
Das vierte nachchristliche Jahrhundert erlebte eine Hinwendung an das irdische, das neue Jerusalem, wie die von Konstantin dem Großen und seinen
Nachfolgern mit Kirchenbauten reich geschmückte Stadt genannt wurde. Mit
dem Ende der Verfolgungen und der Förderung durch die Herren Roms erlebten die Schauplätze des Alten und Neuen Testamentes ein ungekanntes Interesse der Gläubigen, die als Pilger die heiligen Stätten bereisten, sich dort niederließen oder als Amtsträger der vorher kleinen Gemeinschaft Jerusalem zu einem Ehrenplatz in der Gesamtheit des Christentums verhalfen. Neben den
Schriften der Kirchenväter aus dem vierten und fünften Jahrhundert, in denen
die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der heiligen Stätten und ihrer Bedeutung für die Gläubigen sichtbar wird, geben zusätzlich – seit Beginn der
konstantinischen Zeit – die Pilgerberichte Auskunft von Erlebnis und Anblick
des heiligen Landes und der heiligen Stadt. Eine neue Sakraltopographie entstand,215 deren Koordinaten seit der Zeit Konstantins von der Grabeskirche auf
Golgatha, dem christlichen Zion und dem Ölberg bestimmt wurden.
Die neuen Zentren abseits des Tempelberges zogen eine Vielzahl von Erinnerungen an sich, wenn auch viele der neutestamentlichen und apostolischen
Geschichten erst nach Jahrhunderten einen festen Platz in der christlichen Topographie Jerusalems finden sollten. Ein heiliger Ort jedoch sollte vor allen
anderen das religiöse Gedenken der Christen in aller Welt prägen: Golgatha.
Als Symbol für den Tod und die Auferstehung Jesu, später auch der auf den
heiligen Berg übertragenen jüdischen Traditionen, die einst der Zion mit dem
Tempel Jahwes beheimatet hatte, wurde die Grabeskirche mit der Grabrotunde
und dem heiligen Felsen zum Mittelpunkt der christlichen Welt und Vorstellungskraft.
214
Vgl. etwa Norbert Brox: Kirchengeschichte des Altertums, 4. Aufl., Düsseldorf 1992, S.
151ff. Zu den einzelnen Quellen vgl. Kap. B.II.1. Die Zeit der Verfolgung und Kap. B.II.2. Der
christliche Siegeszug.
215
Kaspar Elm: Die irdische und die himmlische, die verworfene und die heilige Stadt, in: Die
Reise nach Jerusalem. Eine kulturhistorische Exkursion in die Stadt der Städte, Ausstellungskatalog, hg. v. Hendrik Budde u. Andreas Nachama, Berlin 1996, S. 12-23.
109
1. Die Zeit der Verfolgung
„Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels
und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind.“ Apg 17,24
Die Schriften des Neuen Testamentes wussten Gott von der Enge seines steinernen Hauses befreit, und die Urgemeinde hatte dem der Vernichtung anheim
fallenden Jerusalem in dem Wissen um das himmlische den Rücken gekehrt.
Während das himmlische Jerusalem zu einem Symbol für die christliche Kirche avancierte, versank die Gemeinde des von den Römern neu gegründeten
Aelia Capitolina zunächst in Bedeutungslosigkeit. Den Kirchenvätern des
zweiten und dritten Jahrhunderts blieb das Irdische fremd und ihr Interesse galt
der Stadt Davids mehr in einem auslegenden Sinne als in einem realen.216 Die
Gottesdienste der Christen fanden im Privaten statt und durch die Zeiten der
Verfolgung hielten sie an der Überzeugung fest, die Nähe ihres Gottes sei nicht
an besondere Orte des Heiligen gebunden. In den Märtyrerakten des Justin aus
der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts heißt es auf die Frage des stadtrömischen Präfekten nach den christlichen Versammlungsorten:
„Dort, wo ein jeder will und kann, auch wenn du sicher meinst, wir würden alle an
demselben Ort zusammenkommen. Denn der Gott der Christen ist nicht auf einen
bestimmten Ort eingeschränkt. Unsichtbar ist er und erfüllt Erde und Himmel. Darum
kann er von seinen Getreuen überall angebetet und verherrlicht werden.“
Martyrium Justini 3,1
Diese Worte Justins entsprechen den Aussagen des Neuen Testamentes und
zeigen die Beharrungskraft der christlichen Vorstellung einer göttlichen Gegenwart, die nicht einem besonderem Ort – einem Tempel oder einer heiligen
Stätte – innewohnt, sondern dem Gläubigen selbst überall gegeben ist.217 Doch
216
Kühnel, 1987, S. 76f.
Barbara Weber-Dellacroce/Winfried Weber: „Dort, wo sich Gottes Volk versammelt“ – Die
Kirchenbauten konstantinischer Zeit, in: Konstantin der Grosse. Imperator Caesar Flavius
Constantinus, Ausstellungskatalog, hg. v. Alexander Demandt u. Josef Engemann, Mainz a.Rh.
2007, S. 244-251; hier S. 244f.
217
110
obwohl sich die Gläubigen dem Konzept heiliger Orte in Abgrenzung zu den
jüdischen und paganen Traditionen zunächst widersetzten, verlor das irdische
Jerusalem nie ganz seine Anziehungskraft.
Noch bevor die Märtyrerverehrung in lokalen Kulten begangen wurde, noch
vor den ersten Kirchenbauten, vor dem Ende der Verfolgungen und den großen
Pilgerströmen reisten die ersten Christen nach Judäa, das seit 135 n. Chr. in die
römische Provinz Syria Palaestina eingegliedert war, und besuchten die neu
aufgebaute Stadt Aelia Capitolina und das heilige Land.218 Von den wenigen,
die namentlich bekannt sind, ist der früheste Melito, Bischof von Sardes, der
um 170 nach Palästina kam, um den Umfang des alttestamentlichen Kanons
festzulegen.219 Sein Interesse galt dabei weniger dem frommen Erleben heiliger
Stätten als der Vollständigkeit der biblischen Schriften. Doch in einer von ihm
überlieferten Predigt zum Osterfest spricht er von dem Ort der Kreuzigung als
mitten in der Stadt Jerusalem gelegen, was die Vermutung nahelegt, er habe
durch seinen Besuch um eine christliche Lokaltradition zu Golgatha gewusst.220 Dafür spricht, dass sich die Stadtgrenzen seit der Zeit Jesu signifikant
verschoben hatten und der vorher außerhalb gelegene Fels der Schädelstätte
inzwischen innerhalb der Stadtmauern gelegen haben könnte.221 Eine lokale
Überlieferung der christlichen Gemeinde über Kreuzigungs- und Grabesstätte
wird allerdings durch die Brechung der Erinnerung in den Jahren nach dem
Bar-Kochba Aufstand und durch die Umgestaltung der Stadt unter den Vorgaben Roms erschwert.
Von einem weiteren Besucher des heiligen Landes berichtet Eusebius in
seiner Kirchengeschichte folgendes:
218
Peter Walker: Das Geheimnis des leeren Grabes. Ereignisse – Orte – Bedeutung, Würzburg
2000, S. 91f.
219
Bei Eusebius wird ein Brief des Melito zitiert, in dem es heißt: „Da ich in den Orient gereist
und an den Schauplatz der Predigten und Taten gekommen bin und über die Bücher des Alten
Testamentes genaue Erkundigungen eingezogen habe, so teile ich dir die folgenden Bücher
mit.“ Eusebius h.e. 4,26,13-14.
220
In der Passah-Homilie schreibt Melito: „Er wurde getötet. Wo geschah das? Mitten in Jerusalem. […] Mitten in Jerusalem hast du [Israel] den Herrn getötet.“ Melito, P. Hom 72; 93.
221
Vgl. Walker, 2000, S. 84f. Edward D. Hunt: Holy Land Pilgrimage in the Later Roman Empire AD 312-460, Oxford 1984, S. 3.
111
„Als Alexander so auf eine göttliche Weisung hin aus Kappadozien, wo er zuerst des
bischöflichen Amtes gewürdigt worden war, nach Jerusalem reiste, um hier zu beten
und die [heiligen] Stätten zu besuchen, nahmen ihn die Bewohner der Stadt aufs
freundlichste auf und ließen ihn nicht mehr nach Hause zurückkehren. Denn auch sie
hatten nachts eine Offenbarung geschaut, und an die eifrigsten unter ihnen war
ein sehr deutlicher Gottesspruch ergangen, welcher verlangte, sie sollten zu den
Toren hinausgehen und den ihnen von Gott bestimmten Bischof begrüßen.“
Eusebius h.e. 6,11,2
Alexander, ein Bischof aus dem kleinasiatischen Kappadokien, reist zu Beginn
des dritten Jahrhunderts nach Jerusalem, „um zu beten und die heiligen Stätten
zu besuchen“. Der offensichtlich aus frommen Motiven in die Stadt gekommene Geistliche wird von der dortigen Gemeinde zum Bischof gewählt und bleibt.
Hier begegnet zum ersten Mal das Motiv christlicher heiliger Stätten in Jerusalem: Das Erleben des Gebetes an Orten, die eine besondere Nähe zu Gott versprechen – Jerusalem, Ort der Passion und der Auferstehung ist das erste Ziel
eines christlichen Pilgers. Wenige Jahrzehnte später ist christliches Interesse
auch an Bethlehem, dem legendären Geburtsort Jesu, bezeugt.
Die Wahl Alexanders von Jerusalem, wie er nach seiner Ernennung zum Bischof genannt wurde, sollte für die weitere Entwicklung der christlichen Gemeinde der Stadt eine bedeutende Rolle spielen. Als Förderer und Schüler des
Origenes, Gründer einer Jerusalemer Bibliothek, als Bekenner und schließlich
Märtyrer in der decischen Verfolgung verhalf er der Stadt zu neuem An-sehen
in den Augen seiner Glaubensgenossen.222 Sein Episkopat kann als Beginn
einer veränderten Sicht auf das irdische Jerusalem verstanden werden, wenn
auch die Gestaltungskraft der Verfolgten gering war und die Pilgerfahrt zu den
heiligen Stätten auf den Bergen der Stadt erst ein Jahrhundert später zu voller
Entfaltung kommen sollte.
222
Eusebius h.e. 6,8,7. 6,20,1. 6,27. 6,39,1-4. Allerdings war Jerusalem unter diesem Namen in
den Augen Roms zu Beginn des 4. Jh. weitgehend unbekannt, dies zeigt ein Bericht des Eusebius, in dem er die Befragung eines angeklagten Christen durch den römischen Statthalter
Firmilianus in Cäsarea beschreibt. Während sich der Christ als Bürger des himmlischen Jerusalem bekennt, vermutet der Staatsdiener hinter dem Namen eine ihm unbekannte aufrührerische
Stadt; das in seiner Provinz gelegene Aelia Capitolina verbindet er offensichtlich nicht mit
dieser Bezeichnung. Eusebius mart. pal. 11,9-11.
112
Pionius, ein Zeitgenosse Alexanders, bezeugte seine Kenntnisse der biblischen Lande als Verteidiger des Glaubens.223 Von dem in Smyrna um 250 n.
Chr. unter Decius den Märtyrertod gestorbenen Presbyter berichten die Quellen, seine Reisen in das heilige Land hätten ihm als Beweis der christlichen
Botschaft gegolten, dabei zog er seine Kraft offenbar nicht aus den Schauplätzen der Geschichte Jesu, sondern aus der Verwüstung, die das Land der
Juden getroffen hatte:
„Denn ich habe das ganze Land der Juden durchwandert und habe alles gesehen; ich
bin über den Jordan gegangen und habe das Land gesehen, das in seiner Verwüstung
ein Zeuge war für den Zorn Gottes, weil seine Einwohner entweder Fremde ohne alle
Menschlichkeit töteten oder mit Verletzung des Gastrechtes Männer in unnatürlicher
Unzucht wie Weiber vergewaltigten. Ich habe den Boden gesehen, der, durch die
Gewalt himmlischen Feuers ausgebrannt, in Staub und Asche verwandelt ist, trocken
und unfruchtbar da liegt. Ich habe das Tote Meer gesehen, in welchem das flüssige
Element aus Furcht vor Gott seine Natur geändert hat; ich sah das Wasser, das kein
Lebewesen ernährt und aufnimmt, sogar den Menschen, wenn es ihn aufnimmt, sofort
wieder auswirft, damit es nicht wieder wegen des Menschen in Schuld und Strafe
falle.“ Martyrium Pionii 4,18-20
Die Beschreibung des Pionius entspricht nicht der frommen Begeisterung der
Pilgerberichte des vierten und fünften Jahrhunderts. Das gelobte Land des Alten Testaments erscheint hier wüst und menschenfeindlich, der Reisende bezeugt eine apokalyptisch anmutende Szenerie, die als Beweis für die Verwerfung Israels verstanden werden soll. Nicht die Anziehungskraft heiliger Stätten
des neuen Bundes wird hier in der Erinnerung des Gläubigen beschworen –
stattdessen die strafende Hand eines allmächtigen Gottes, dessen Zorn ein ganzes Land zum Opfer gefallen ist. Das heilige Land wird in diesem Zusammenhang als Mahnung bezeugt, nicht als heilspendender Erinnerungsort.
Palästina und Aelia, die historischen Stätten der alt- und neutestamentlichen
Welt, wurden vor der konstantinischen Zeit nur von wenigen Christen bereist.
Zu diesen wenigen zählte auch Origenes, der berühmte Alexandriner, dessen
223
Hunt, 1984, S. 101. Walker, 2000, S. 92.
113
Auslegung der biblischen Schriften die christliche Theologie prägen sollte. Die
erhaltenen Werke des Origenes, über dessen Leben die Kirchengeschichte des
Eusebius informiert, sind aus mehreren Gründen aufschlussreich für eine Betrachtung der heiligen Stätten des Christentums. Dem philosophisch gebildeten
Theologen galt Jerusalem als Abbild der Seele und der christlichen Kirche,
nicht als weltlicher Erinnerungsort.224 Seine Ablehnung der irdischen Stadt
zugunsten einer hinter dem Schriftsinn zu verstehenden Bedeutung beruhte auf
einer konsequent allegorischen Auslegung der biblischen Schriften.225 Der berühmte Theologe und Lehrer Alexanders von Jerusalem sprach auch dem heiligen Land jede Besonderheit ab und gewährte Judäa und Jerusalem nur eine
sinnbildliche Relevanz. So heißt es etwa in seiner apologetischen Abhandlung
Contra Celsum:
„Wenn nun wirklich ‚die ganze Erde verflucht ist in den Werken Adams‘ und derer,
die ‚in ihm gestorben sind‘, so ist klar, daß auch alle ihre Teile an dem Fluche
teilhaben; und zu diesen gehört auch das jüdische Land. Daher kann das Schriftwort
‚In ein gutes und geräumiges Land, in ein Land, das von Milch und Honig fließt‘, auf
dieses nicht passen, wenn auch gezeigt werden kann, Judäa und Jerusalem seien
sinnbildlich ‚ein Schatten‘ ‚der reinen und in dem reinen Himmel gelegenen Erde‘, die
‚gut und geräumig‘ ist, und in der sich ‚das himmlische Jerusalem‘ befindet.“
Origenes c. cels. 7,29,1-4
Doch während sein Verständnis des Irdischen das theologische Denken weit
über die konstantinische Zeit hinaus beeinflussen sollte, besuchte er selbst das
weltliche Jerusalem und bereiste das gelobte Land der Bibel.226 In derselben
Schrift, die in unmissverständlichen Worten die irdischen Gegenden als der
224
Kühnel, 1987, S. 76ff.
Vgl. etwa Origenes Hom in Jer. 5,13; 9,2.3; 13,1. Vgl. dazu Lorenzo Perrone: „The Mystery
of Judaea“ (Jerome, Ep. 46). The Holy City of Jerusalem between History and Symbol in Early
Christian Thought, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 221-240; hier S. 225f.
226
Origenes verbrachte einige Zeit in Cäsarea und bereiste wohl von dort die biblischen Stätten
und auch Jerusalem, mit dessen Bischof – Alexander von Jerusalem – er bekannt war. Siehe
Eusebius h.e. 6 zu den biographischen Angaben. Origenes Comm in Joh 6,40; C. Cels. 4,44 zu
den Reisen im heiligen Land. Epiphanius, Panarion 64,2 erwähnt, dass Origenes in Jerusalem
predigte. Vgl. dazu Hunt, 1984, S. 92ff.
225
114
Verfluchung verfallen benennen, findet sich eine Beschreibung der Geburtsstätte Jesu:
„Wer aber für die Tatsache der Geburt Jesu in Bethlehem außer der Prophezeiung
des Micha und dem Berichte seiner Jünger in den Evangelien noch andere Beweise
will, der möge erwägen, daß man, in Übereinstimmung mit dem Bericht über seine
Geburt in dem Evangelium, die Höhle in Bethlehem zeigt, wo er geboren wurde, und
in dieser Höhle die Krippe, in die er in Windeln gewickelt gelegt wurde. Und was
dort gezeigt wird, ist in diesen Gegenden auch bei den Nichtchristen eine bekannte
Sache, so daß sie wissen, in dieser Höhle sei der von den Christen angebetete und
bewunderte Jesus geboren.“ Origenes c. cels. 1,51,2-3
Diese Stelle aus dem Werk des Origenes belegt nicht nur sein eigenes Interesse
für die Schauplätze der Geschichte Jesu, sondern bezeugt die ersten lokalen
Traditionen christlicher Erinnerung außerhalb Jerusalems. In Bethlehem besteht offensichtlich schon in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts ein
Erinnerungsort, der Besuchern als Beweis für das biblische Geschehen gelten
soll – damit sind Anfänge christlicher Pilgerfahrt ins heilige Land schon vor
der konstantinischen Wende anzunehmen.227 Origenes, der in seinen Schriften
die irdischen Schauplätze der christlichen Heilsgeschichte abwertet, ist zugleich Zeuge und Beispiel christlicher Erinnerungskultur in Palästina vor dem
Beginn des vierten Jahrhunderts.
Das Gleiche gilt für Eusebius, dessen Werke nicht nur für die Geschichte
der frühen Kirche, sondern auch die seiner eigenen Zeit von unschätzbarem
Wert sind. Der gelehrte Bischof von Cäsarea legte schon vor der konstantinischen Zeit ein alphabetisches Ortsverzeichnis biblischer Stätten an, das Onomasticon, das einerseits von seinem zumindest historischen Interesse für die
Stätten des Alten und Neuen Testamentes zeugt und andererseits einen weiteren Hinweis auf eine Jerusalemer Lokaltradition zu Golgatha enthält.
„... der Platz des Kreuzes, wo Christus gekreuzigt worden war, er wird in Aelia
gezeigt, nördlich des Zionsberges gelegen.“ Eusebius onom. 74,19-21
227
Ebd., S. 3f.
115
Eusebius Schrift belegt eine zu Beginn des vierten Jahrhunderts lebendige
Überlieferung zu dem zentralen Erinnerungsort der christlichen Heilsgeschichte, wenn dies auch kein Beweis für eine ungebrochene Tradierung seit
der Zeit Jesu sein kann. Die Ortsangabe deckt sich mit der später unter Konstantin erschlossenen Stätte unter dem Forum, das nördlich des christlichen
Zions lag, was zumindest zeigt, dass die kaiserlichen Bauten auf eine christliche Überlieferung zurückgriffen. Außerdem kann die Beschreibung als Zeichen für den Besuch von Gläubigen gesehen werden, die in der Stadt nach den
Spuren der Geschichte Jesu suchten.228 Dieser Befund wird durch eine andere
Angabe des Eusebius in der ebenfalls vor der Alleinherrschaft Konstantins entstandenen apologetischen Schrift demonstratio evangelica ergänzt. Hier benennt der Kirchenvater den Ölberg als Ziel christlicher Pilger in der heiligen
Stadt. Auf dem gegenüber der Stadt gelegenen Berg hörten sie die Lehre von
der Zerstörung Jerusalems wie es die Propheten geweissagt hätten, kämen zum
Gebet zusammen und auf der Anhöhe befände sich auch der Ort der Himmelfahrt Jesu (Eusebius d.e. 6,18). Neben der von Origenes überlieferten Tradition
in Bethlehem gibt es also auch in Jerusalem schon vor der Entstehung der
prachtvollen Kirchen der konstantinischen Zeit Orte, an denen Christen die
zentralen Ereignisse aus dem Leben des Gottessohnes erinnern. Kreuzigung
und Himmelfahrt werden auf Golgatha und dem Ölberg verortet, und der Berg
außerhalb der Stadt dient außerdem als Versammlungsstätte der Gemeinde, die
von hier aus die Zerstörung des alten Jerusalem aus den Schriften deutet. Die
Gemeinde Aelias wird in ihrem bewahrenden Andenken von Gläubigen bestärkt, die, wenn auch vermutlich in unbedeutender Zahl, in die heilige Stadt
kamen, um die Schauplätze des Neuen Testamentes mit eigenen Augen zu sehen.
Die wenigen namentlich bekannten Christen, die das heilige Land und das
irdische Jerusalem im zweiten und dritten Jahrhundert bereisten, bieten eine
große Bandbreite an Motiven und sind mit den Phänomenen des vierten Jahrhunderts, als die Gläubigen sich unter neuen Vorzeichen auf Pilgerfahrt bege228
Taylor, 1993, S. 120. Walker, 1990, S. 243.
116
ben konnten, nicht zu vergleichen.229 Während die frühen Kirchenväter wie
Melito von Sardes oder Origenes die Stätten des alten und neuen Testamentes
aus wissenschaftlichem Wissensdurst bereist zu haben scheinen, war dem Märtyrer Pionius aus Smyrna das heilige Land apokalyptische Szenerie einer verworfenen Welt. Doch Alexander von Jerusalem und die in den Schilderungen
des Origenes und des Eusebius erwähnten Besucher der Geburtshöhle in Bethlehem und des Ölberges in Jerusalem lassen schon die Frömmigkeit der Pilger
erahnen, die in den kommenden Jahrhunderten so viele Menschen bewegen
sollte. Entscheidend ist, dass Christen schon vor der konstantinischen Zeit nach
Erinnerungsorten im heiligen Land und der heiligen Stadt suchten, trotz der
neutestamentlichen Gewissheit einer Allgegenwart Gottes und eines jenseitigen
Heilsortes.
Die Fremdheit des Irdischen, in den Schriften des Neuen Testaments verfügt, wirkte auch in den Jahrhunderten der Ausbreitung und Verfolgung weiter.
Erst die verblassende Naherwartung und die Entstehung lokaler Märtyrerverehrung verwandelte allmählich die christliche Einstellung zu heiligen Stätten.230
Die zunächst vor allem Märtyrergräbern einzelner Gemeinden zugestandene
erinnernde Kraft begünstigte die Idee der an Orten vorhandenen besonderen
Gottesnähe – als der menschlichen Religiosität naheliegendes Phänomen – die
dann den Schauplätzen des Alten und Neuen Testamentes in umso stärkerer
Weise zugesprochen wurde. Das schon früh ausgeprägte liturgische Gedenken
der christlichen Heilsgeschichte, dessen Entwicklung durch einen zunehmenden Symbol- und Sakramentsrealismus gekennzeichnet war,231 wurde um heilige Stätten als Erinnerungsorte ergänzt, unter denen die heiligen Berge Jerusalems einen besonderen Rang einnehmen sollten.
Die Gestaltung dieses Wandels wurde von der Politik Konstantins und seiner Nachfolger nicht nur begünstigt, sondern willentlich geformt. Das kaiserli229
Außer den Dargestellten sind noch Besuche des Clemens von Alexandria und des Firmilian
in Palästina bekannt. Clemens kam nach eigener Aussage, um einen Lehrer zu hören und erwähnt weder das Land noch Jerusalem (Clemens strom. 1,11,2), Firmilian war ein Freund des
Origenes und besuchte diesen in Caesarea, um zu studieren (Eusebius h.e. 6,27). Vgl. dazu
Bernhard Kötting: Peregrinatio Religiosa. Wallfahrten in der Antike und das Pilgerwesen in
der alten Kirche, Münster 1950, S. 86ff.
230
Markus, 1994, S. 262f.
231
Brox, 1992, S. 116f.; 120ff.
117
che Interesse am christlichen Glauben setzte einen unaufhaltsamen Prozess in
Jerusalem und im heiligen Land in Gang, in dem die Versammlungsräume der
Christen, die sich noch in den Worten eines Justin gerühmt hatten, keiner Tempel zu bedürfen, zu prächtigen Gotteshäusern, zu heiligen Stätten wurden –
erbaut zur Erinnerung des gekreuzigten Gottes.
118
2. Der christliche Siegeszug
Konstantin und das Christentum
„Da sich dies so verhielt, setzte der Gottgeliebte eine sehr bedeutenden Sache in der
Provinz Palästina ins Werk, die es wert ist, erwähnt zu werden. Was aber war das?
Es schien ihm wichtig, daß er die Berühmtheit und Verehrungswürdigkeit des
allerseligsten Platzes der Auferstehung des Erlösers in Jerusalem allen kundtun
müsse. Sofort ließ er nämlich ein Bethaus dort errichten. Doch faßte er diesen
Entschluß nicht ohne Gott, sondern er wurde von dem Erlöser selbst in seinem Geist
dazu bewogen.“ Eusebius v.c. 3,25
Als Konstantin 324 n. Chr. die Herrschaft über das gesamte römische Reich
antrat, sollte dies für die Entwicklung der heiligen Stätten des Christentums in
Jerusalem den entscheidenden Wendepunkt bedeuten. Nach Jahrhunderten der
Rechtsunsicherheit und immer wiederkehrenden Zeiten der Verfolgung wurde
den Nachfolgern des Gekreuzigten weit mehr zuteil als es die Toleranzerklärungen aus den Jahren 311 und 313 hatten erhoffen lassen.232 Schon diese
hatten eine erstaunliche Entwicklung hervorgerufen: Während Konstantin nach
seinem Sieg an der milvischen Brücke in Rom die ersten Kirchenbauten stiftete
und christliche Gemeinden in der westlichen Reichshälfte reich beschenkte,
wandelte sich auch das Selbstverständnis der Christen in der Osthälfte des Reiches durch die neu gewonnene Freiheit.233 Noch bevor Licinius, der Herrscher
des Ostens, sich erneut gegen die Christen wandte und damit den Krieg mit
Konstantin, seinem Konkurrenten um die Alleinherrschaft, beschwor, entfaltete
sich in Gemeinden seines Herrschaftsgebietes eine neue Vorstellung christli-
232
Zur Geschichte Konstantins und seiner Zeit vgl. u.a. die Beiträge in: Konstantin der Grosse.
Imperator Caesar Flavius Constantinus, Ausstellungskatalog, hg. v. Alexander Demandt u.
Josef Engemann, Mainz a.Rh. 2007. Die Aufsätze des Cambridge Companion to the Age of
Constantine, hg. v. Noel Lenski, Cambridge 2006. Elisabeth Herrmann-Otto: Konstantin der
Große, Darmstadt 2007. Hartwin Brandt: Konstantin der Grosse. Der erste christliche Kaiser.
Eine Biographie, München 2006.
233
Weber-Dellacroce/Weber, 2007, S. 249ff. Mark J. Johnson: Architecture of Empire, in: The
Cambridge Companion to the Age of Constantine, hg. v. Noel Lenski, Cambridge 2006, S.
278-297; hier S. 283-293.
119
cher Religiosität, die der Entstehung christlicher Erinnerungsorte entgegenkommen sollte.
So findet sich in der Kirchengeschichte des Eusebius, dessen Schriften nicht
nur für das Verständnis der Entwicklung der frühen Kirche, sondern auch der
konstantinischen Zeit von besonderem Wert sind, die von ihm selbst gehaltene
Einweihungsrede einer um das Jahr 317 fertig gestellten Basilika in Tyros.234
Darin beschreibt der Bischof von Cäsarea den offenbar prächtigen Kirchenbau
als Tempel, ein Bild, das der Transzendierung alles Irdischen in der Verkündigung des Neuen Testamentes und den Lehren der Kirchenväter des zweiten
und dritten Jahrhunderts entgegengesetzt war.235 Nicht nur die Seele des Gläubigen und die versammelte Gemeinde sind hier der Tempel des christlichen
Gottes, sondern der Bau selbst wird in Anlehnung an die Vorstellungen des
Alten Testamentes und der heidnischen Kulte zum heiligen Raum (Eusebius
h.e. 10,4). Abseits des heiligen Landes und der heiligen Stadt öffnete sich das
Christentum für das Konzept besonderer, geweihter Räume, – sakrale Orte,
Tempel – dem es sich zuvor in der durch die Verfolgungen verstärkten Weltabgewandtheit verschlossen hatte. Das Verständnis des Kirchenbaus als Tempel war ein Schritt in die Welt, in die Normalität religiösen Lebens wie schon
die lokale Verehrung der Märtyrergräber. Die Gläubigen wollten nicht nur in
der eigenen Seele und der Gemeinschaft nach der göttlichen Präsenz suchen;
heilige Orte versprachen die Gegenwart Gottes in einem begehbaren Raum, der
den menschlichen Sinnen erfahrbar war, ein Bedürfnis, dem die Kirchenbauten
der Christen von nun an entsprechen sollten.236
234
Hans Georg Thümmel: Versammlungen, Kirche, Tempel, in: Gemeinde ohne Tempel –
Community Without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels
und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, hg. v. Beate
Ego u.a., Tübingen 1999, S. 489-504; hier S. 498ff.
235
Ebd., S. 499f. Vgl. außerdem Uwe Süßenbach: Christuskult und kaiserliche Baupolitik bei
Konstantin. Die Anfänge der christlichen Verknüpfung kaiserlicher Repräsentation am Beispiel
der Kirchenstiftungen Konstantins – Grundlagen, Bonn 1977, S. 75-78; 132.
236
Diese Entwicklung innerhalb des christlichen Denkens ist erstmals in den Werken des Eusebius nachzuvollziehen, der genau in dieser Zeit des Umschwungs lebte, wirkte und schrieb.
So werden in der genannten Rede nicht nur Kirchen zu Tempeln, sondern auch die Geistlichen
zu Priestern und die Tische für das Abendmahl zu Altären, Begriffe und Bedeutungen, die aus
der alttestamentlichen Realität in die Gegenwart übernommen werden und auf diese übertragen
werden. Eusebius h.e. 10,4. Vgl. Thümmel, 1999, S. 501.
120
Konstantin, dem die Förderung der christlichen Kirche ein besonderes Anliegen war, bemühte sich nicht nur um die Ausstattung der Gemeinden und die
Errichtung neuer, prächtiger Kirchen in den Städten seines Reiches, sondern
auch um die Eintracht der in theologischen Streitigkeiten gefangenen Geistlichkeit. So hatte er schon vor 324, allerdings ohne Erfolg, im Donatistenstreit
zu vermitteln versucht.237 Nach seinem Sieg über Licinius fand er das Christentum in den östlichen Reichsteilen in eine komplexe Debatte um die Natur des
Gottessohnes verwickelt, die sich an der Lehre des alexandrinischen Presbyters
Arius entzündet hatte. Der Kaiser berief das erste ökumenische Konzil für das
Jahr 325 nach Nicäa, er saß den Versammlungen selbst vor und drängte die
Anwesenden zur Einigung (Eusebius, v.c. 3,6-21). Das Christentum sah sich
nicht nur befreit und gefördert, es fand sich in der Pflicht eines römischen Kaisers, dem die Einheit des Reiches oberstes Gebot war.
Damit waren die Gläubigen des gekreuzigten Gottes Teil kaiserlicher Politik
geworden und der Bischof von Jerusalem, Makarius, wusste dies zu nutzen.
Auf dem Konzil von Nicäa bemühte sich der geistliche Führer der Jerusalemer
Christen zwar vergeblich um die Unabhängigkeit seines Bischofssitzes von der
Metropole Cäsarea, erreichte aber, dass ihm eine Ehrenstellung zuerkannt wurde.238 Kurze Zeit später wandte der Kaiser seine Aufmerksamkeit dem heiligen
Land und der Stadt der Passion Christi zu, vermutlich auf Anregung des Jerusalemer Bischofs, der in Nicäa den Herrscher auf die Bedeutung seines Sitzes
hinzuweisen wusste.239 Die vorher unbedeutende Gemeinde fand sich neben
Rom und der neuen Residenzstadt des Kaisers im Osten, Konstantinopel, im
Mittelpunkt kaiserlicher Baupolitik. Konstantin ließ die zentralen Orte der Geschichte Jesu mit Kirchenbauten schmücken und begründete damit die Koordinaten christlicher Erinnerungsorte. In Bethlehem über der Geburtsgrotte, in
Jerusalem auf dem Felsen Golgatha mit dem nahebei gefundenen Felsengrab
237
Harold A. Drake: The Impact of Constantine on Christianity, in: The Cambridge Companion to the Age of Constantine, hg. v. Noel Lenski, Cambridge 2006, S. 111-136; hier S. 116ff.
238
Otto, 1980, S. 175f.
239
Vgl. etwa Walker, 1990, S. 275f.; 280f.
121
und auf dem Ölberg erhoben sich bald christliche Kirchen.240 Von nun an waren Geburt, Tod, Auferstehung und Himmelfahrt des Gottessohnes steingeworden, bezeichneten Bauwerke die Schauplätze religiösen Erlebens.241
Aus der römischen Tradition heraus schuf Konstantin dem Christentum den
sakralen Erinnerungsbau, der an bedeutende Taten gemahnte und in seiner
Größe und Ausstattung zugleich der kaiserlichen Repräsentation diente.242 Als
Pontifex Maximus war der römische Kaiser nach der Anerkennung der christlichen Kirche als religio licita auch für deren rechten Kultvollzug zuständig.
Davon war auch die Sorge um die christlichen Kultbauten betroffen, die, wenn
sie aus kaiserlichen Stiftungen hervorgingen, die Würde und Frömmigkeit des
Kaisers darzustellen hatten. Sie standen unter besonderem Schutz und galten
aufgrund der kaiserlichen Stiftung als Sakralbau.243 Gleichzeitig kannte die
römische Tradition, neben dem heiligen Raum, in dem das Göttliche auf besondere Weise erfahrbar ist, den triumphalen Bau zum Gedenken bedeutsamer
Taten. Die konstantinischen Bauten im heiligen Land wussten beide Elemente
zu verbinden: Jesus ist Gott und wird zugleich als triumphierender Held erinnert. Die Erinnerung seiner Taten schafft damit einen sakralen Raum wie auch
die Stiftung durch den Kaiser. Das Gedenken der Geschichte des einen Gottes
und die Bautätigkeit des neuen Alleinherrschers finden so ihre Darstellung in
der Architektur eines heiligen Ortes.
Die Grabeskirche
Tatsächlich gedachten die ersten Kirchen im heiligen Land der historisch fassbaren Umstände der Geschichte Jesu und im Zentrum stand von Anfang an die
Grabeskirche, in der Tod und Auferstehung des Gottessohnes den Gläubigen
vergegenwärtigt wurden. Eusebius von Cäsarea berichtet in seiner vita
240
Vgl. dazu Jürgen Krüger: Die Grabeskirche zu Jerusalem. Geschichte – Gestalt – Bedeutung, Regensburg 2000; hier S. 59f. Krüger sieht in der Wahl der von Konstantin herausgehobenen Stätten das steingewordene nicänische Glaubensbekenntnis.
241
Zu der christlichen Tendenz, religiöse Erinnerungen durch Bauwerke zu ‚versteinern‘ –
petrification of memories, vgl. Grabar, 1999, S. 280.
242
Vgl. dazu etwa Süßenbach, 1977, S. 70f.
243
Weber-Dellacroce/Weber, 2007, S. 246f.; 251ff. Herrmann-Otto, 2007, S. 169f. Süßenbach,
1977, S. 56f.
122
constantini ausführlich von der Entstehung des Heiligtums, dessen Standort bis
heute den Mittelpunkt christlichen Erinnerns bildet. Lokalisiert wurden Golgatha und das Grab unter einem Tempel der Aphrodite auf dem Forum des römischen Aelia, der dem Bauvorhaben des Kaisers weichen musste.244 Das Material des zerstörten Tempels musste beseitigt werden, ebenso der Baugrund unter
dem Heiligtum, der als verunreinigt angesehen wurde (Eusebius v.c. 3,26-27).
Dabei fand sich unter dem Fundament des Tempels eine Höhle, die als das leere Grab des Auferstandenen erkannt wurde:
„Als aber Scholle um Scholle der Platz in der Tiefe der Erde freigelegt wurde, da
zeigte sich schließlich das verehrungswürdige und allerheiligste Zeugnis der
Auferstehung des Erlösers wider aller Hoffnung, und die allerheiligste Grotte wurde
zum Gleichnis für das Wiederaufleben des Erlösers. Deshalb trat sie nach dem
Verschwinden im Dunkel wieder ans Licht hervor und ermöglichte denen, die zur
Besichtigung kamen, klar die Geschichte der Wunder, die sich dort ereignet hatten, zu
sehen und bezeugte durch Werke, die lauter als jede Stimme waren, die Auferstehung
des Erlösers.“ Eusebius v.c. 3,28
Das leere Grab wird unter Konstantin zum heiligen Ort. Ob es sich bei der Stätte um eine ungebrochene Lokaltradition gehandelt habe, ist umstritten,245 für
die Heiligung des Ortes jedoch ohne Bedeutung. Unter dem heidnischen Tempel lagen offenbar Grabstellen und eine Felsformation, die als Golgatha die
Erinnerung der Kreuzigung an sich zog. Die Stätte galt fortan als Schauplatz
des Todes und der Auferstehung Jesu und wurde zum heilsgeschichtlichen
Erinnerungsort. Der Kaiser stiftete nicht nur persönlich für die zu errichtenden
Bauten, sondern gab auch den Statthaltern der östlichen Provinzen Anweisung,
„von ungeheuren Spenden im Überfluß ein außerordentlich großes, reich ausgestattetes Bauwerk entstehen zu lassen.“ (Eusebius v.c. 3,29,2) Den Bischof
Jerusalems, Makarius, betraute er in einem bei Eusebius überlieferten Brief
244
Zur Baugeschichte der Grabeskirche vgl. etwa Otto, 1980, S. 176ff. Krüger, 2000, S. 39-60.
Walker, 2000, S. 108-117.
245
Vgl. dazu etwa Walker, 1990, S. 242f. Taylor, 1993, S. 113ff. Walker, 2000, S. 140ff.
123
persönlich mit der Aufsicht über den Fortgang der Bauten und versicherte ihn
des kaiserlichen Interesses an dem heiligen Ort.
„Was nun, wie ich glaube, allen offenbar ist, von jenem will ich, daß Du am meisten
überzeugt bist, daß also mir mehr als alles andere am Herzen liegt, daß wir jenen
heiligen Ort durch die Schönheit von Bauten schmücken wollen, den ich auf Gottes
Befehl hin von der Hinzufügung des schändlichsten Götzenbildes wie von einer auf
ihm liegenden Last erleichtert habe, [den Ort], der von Anfang an durch das Urteil
Gottes heilig gewesen ist, sich aber als noch heiliger erwiesen hat, als er den Beweis
für das Leiden des Erlösers ans Licht gebracht hat.“ Eusebius v.c. 3,30,4
Die Konstituierung der heiligen Stätte diente der kaiserlichen Selbstdarstellung
ebenso wie dem Gedenken an die göttliche Heilstat des einen Gottes.246 In den
Worten Konstantins gewinnt die Heiligkeit des Ortes eine zeitliche Dimension,
die sein Bestehen als ‚von Anfang an durch das Urteil Gottes‘ heiligt, und eine
Steigerung seiner Heiligkeit in der Zeugniskraft seiner Wiederauffindung.
Durch den Abbruch des heidnischen Tempels und die Kirchenstiftung sichert
sich der Kaiser einen Platz in der Geschichte des heilsgeschichtlich so bedeutsamen Ortes. Das Wunder der Auferstehung wird durch den Bau des weltlichen
Herrschers erst sichtbar; Größe und Ausstattung des Bauwerks spiegeln die
Macht des dort verehrten Gottes ebenso wie die des Erbauers. So heißt es in
dem Brief an Makarius weiter:
„Es gilt also Deine Aufmerksamkeit darauf zu richten und Vorsorge für jedes der
notwendigen Dinge zu treffen, daß nicht nur eine Basilika entsteht, die besser ist als
diejenigen, die es [bereits] überall gibt, sondern daß auch alle übrigen [dazu
gehörigen] Dinge so gestaltet werden, daß alle anderen Gebäude, die sich in jeder
Stadt durch ihre Schönheit auszeichnen, von diesem übertroffen werden.“
Eusebius v.c. 3,31,1
Der Bischof solle den Kaiser wissen lassen, was für die Ausstattung der Kirche
‚den höchsten Wert und Nutzen‘ habe, damit dieser das Notwendige von über-
246
Krüger, 2000, S. 49.
124
allher herbeischaffen lassen könne, denn, so das Schreiben, „es ist nur gerecht,
wenn der wunderbarste Ort der Welt entsprechend seiner Würde verherrlicht
wird.“ (Eusebius v.c. 3,31,3) Konstantin hebt in seinen Worten die Bedeutung
der Bauten ausdrücklich hervor. Golgatha und das Grab sind die zentralen
Erinnerungsorte des siegreichen Gottes, und als solche sollen sie sichtbar gemacht werden.
Auf dem freigelegten Areal entsteht in der Folgezeit ein ganzer Komplex
von Bauten. In der Beschreibung des Eusebius bildet das leere Grab den Mittelpunkt, den Golgathafelsen, der den Bauten bis heute einen besonderen Charakter verleiht, erwähnt er nicht.247 Das Grab war aus dem Felsen herausgearbeitet worden, so dass es freistand, und wurde „als Haupt des Ganzen freigebig
mit auserlesenen Säulen und großer Pracht“ ausgeschmückt (Eusebius v.c.
3,34).248 Davor erstreckte sich ein freier Platz, der an drei Seiten mit Säulenhallen umgeben war; dem Grab gegenüber erhob sich eine Basilika, die an den
Golgathafelsen anschloss, ebenfalls reich verziert war und die der Kaiser mit
wertvollen Weihgeschenken bedachte (Eusebius v.c. 3,35-38.40). Ein weiterer
freier Platz führte von der Basilika zum Torbau, der den Besucher von der
Straße aus empfing (Eusebius v.c. 3,39).249
Die Architektur erinnert an die Anlagen antiker Wallfahrtszentren und legt
nahe, dass der Stifter diesen Ort nicht nur als heilsgeschichtliches Zentrum der
neuen Religion, sondern auch als zukünftiges Ziel frommer Pilger ansah.250 Die
Bauten mussten von den Gläubigen ganz durchschritten werden –
247
Vgl. dazu Walker, 1990, S. 247-260. Walker begründet dieses Übergehen des GolgathaFelsens mit der theologischen Ausrichtung des Eusebius, der nicht die Kreuzigung sondern die
Auferstehung als heilsgeschichtlichen Höhepunkt betrachtet habe. Außerdem vermutet er hinter dem Schweigen ein Übergehen der Kreuzauffindung, die seiner Ansicht nach dem historisch denkenden Bischof von Caesarea unglaubwürdig erschienen seien müsse. Allerdings ist
das Verschweigen der Auffindung einer solch zentralen Reliquie im Zusammenhang mit der
von Eusebius so ausführlich beschriebenen Bautätigkeit doch als recht unwahrscheinlich einzuschätzen; der Felsen spielte möglicherweise zunächst liturgisch keine Rolle.
248
Die berühmte Anastasisrotunde, die später das Grab überspannte, wurde erst nach Konstantin erbaut. Vgl. dazu Georg Kretschmar: Festkalender und Memorialstätten Jerusalems in altkirchlicher Zeit, in: Jerusalemer Heiligtumstraditionen in altkirchlicher und frühislamischer
Zeit, Wiesbaden 1987, S. 29-111; hier S. 44.
249
Ein Baptisterium, das der Pilger von Bordeaux um 333 beschreibt, erwähnt Eusebius in
seiner Beschreibung nicht (Itin. Burd. 17). Vgl. Kap. B.II.5. Pilger, Kirchenväter und das irdische Jerusalem.
250
Krüger, 2000, S. 63.
125
Abb. 6
126
durch den ersten Vorhof, die Basilika, vorbei an dem Kreuzigungsfelsen, über
den zweiten Platz, bis hin zum Grab. Dabei wurden Kreuzigungsfelsen und
Grab in einem baulichen Komplex zusammengefasst und vereinten Tod und
Auferstehung in einem Erinnerungsort. Das Kreuz, seit Konstantin ein Zeichen
nicht nur des Opfertodes Jesu, sondern auch des weltlichen Sieges und der
Herrschaft, und das nicht darstellbare Symbol der Auferstehung – das leere
Grab – fielen so an einem Ort zusammen.251 Golgatha, in den Berichten der
Evangelien Name für den Schauplatz der Kreuzigung, wird damit zum Symbol
der zentralen Geschehnisse des christlichen Glaubens, der Berg zieht die Erinnerungen von Tod und Auferstehung Jesu an sich und wird zum neuen Mittelpunkt der heiligen Stadt. 252
Aus christlicher Sicht gleicht der Bau der Grabeskirche dem Anbruch eines
neuen Zeitalters. In der von römischer Staatsmacht zerstörten Stadt Davids, der
Stadt der Passion Christi, entsteht ein prachtvolles Heiligtum zum Ruhme des
gekreuzigten Gottes, gestiftet von einem siegreichen römischen Kaiser, dessen
Eintreten für die Religion des dreieinigen Gottes als Wunder gefeiert wird.
Abseits des zerstörten Tempels erhebt sich im Stadtbild das steingewordene
Gedenken an die Geschichte Jesu – in den Worten des Eusebius das Wahrzeichen eines neuen Jerusalems:
„Kaum war aber der Befehl ausgesprochen, wurde er auch schon ausgeführt und
gerade an dem Grabmal des Erlösers das neue Jerusalem gebaut, jenem altberühmten
gegenüber, das, nach der schrecklichen Ermordung des Herrn, die Gottlosigkeit seiner Einwohner mit völliger Verwüstung hatte büßen müssen. Diesem also gegenüber
ließ der Kaiser den Sieg unseres Erlösers über den Tod mit reicher und großartiger
Pracht verherrlichen, so daß leicht dieser Bau jenes von prophetischen Aussprüchen
verkündete neue, zweite Jerusalem sein kann, über das große, vom göttlichen Geiste
eingegebene Weissagungen so viel Herrliches verkünden.“ Eusebius v.c. 3,33,1-2253
251
Kühnel, 1987, S. 66-70.
Vgl. dazu Tsafrir, 1999, S. 135f.
253
Während für die anderen Zitate die neue Übersetzung der Fontes Christiani genutzt wurde,
wird für dieses und das folgende Zitat auf die Übersetzung der BKV-Ausgabe zurückgegriffen.
252
127
Das neue Jerusalem wird dem alten gegenüber gestellt, die Zerstörung des
Tempels und der Bau auf dem Grabmal Jesu als Zeichen einer anbrechenden
Heilszeit verkündet. Die Bedeutung der konstantinischen Grabeskirche, sowohl
für die Gemeinschaft der christlichen Kirche als auch für die imperiale Selbstdarstellung, zeigt sich bei der festlichen Einweihung des Baukomplexes, die im
Jahr 335 n. Chr. zum 30jährigen Regierungsjubiläum Konstantins in Anwesenheit vieler Bischöfe, die der Kaiser selbst nach einer Synode in Tyros nach Jerusalem beordert hatte, feierlich begangen wird.
„Diese Versammlung, die der Kaiser nach Jerusalem zusammenberief, ist unseres
Wissens die größte nach jener ersten, die er in so glänzender Weise in jener
bithynischen Stadt veranstaltet hatte. Während aber diese einem Siegesfeste galt und
beim zwanzigjährigen Regierungsjubiläum des Kaisers Dankgebete für den Sieg über
Gegner und Feinde in Nicäa darbrachte, verherrlichte die andere den Ablauf des
dritten Jahrzehntes, indem der Kaiser Gott, dem Geber alles Guten, am Grabe des
Erlösers, als ein Weihegeschenk des Friedens die Grabeskirche weihte.“
Eusebius v.c. 4,47
Die Bischöfe erweisen dem Andenken ihres Gottes ebenso die Ehre wie dem
Kaiser, auf dessen Geheiß sie in das heilige Land reisen. Der Herrscher bringt
dem Gott der Christen die Grabeskirche als ‚Weihegeschenk des Friedens‘ dar,
als Denkmal seiner Regierung und als Tempel für den neuen Gott.254 Die Kirche beugt sich dem Gestaltungswillen des Herrschers und erkennt die Existenz
der vom Kaiser ausgezeichneten heiligen Stätten bereitwillig an. Die architektonische Manifestation heiliger Orte hatte im christlichen Denken zwar Vorläufer in der lokalen Heiligenverehrung und dem neuen Verständnis der Kirchenbauten als Orte besonderer Gottesnähe, wurde aber erst seit Konstantin durch
die Übertragung römischer Vorstellungen auf die Religion des dreieinigen Gottes ausgebildet.255
254
Krüger, 2000, S. 49.
Markus, 1994, S. 258f. Walker, 2000, S. 107f. Weber-Dellacroce/Weber, 2007, S. 247. Zu
der auch im Laufe des 4. und 5. Jh. weiter bestehenden Konkurrenz zwischen lokalen Kulten
und den christlichen Stätten des heiligen Landes siehe Brouria Bitton-Ashkelony: The Attitudes of Church Fathers toward Pilgrimage to Jerusalem in the Fourth and Fifth Centuries, in:
255
128
Außer Golgatha sollte das kaiserliche Bauprogramm weitere Stätten in Jerusalem und im heiligen Land hervorheben. Im Zusammenhang mit einer Reise
der Mutter des Kaisers, Helena, um das Jahr 327 n. Chr. durch die östlichen
Provinzen nach Palästina erwähnt Eusebius zwei weitere Kirchenstiftungen
Konstantins.256 Über der Geburtsgrotte in Bethlehem und auf dem Ölberg, auf
dem der Unterweisung der Jünger durch Jesus und der Himmelfahrt gedacht
wird, entstehen auf Wunsch Helenas prächtige Kirchenbauten, die wie die Grabeskirche mit wertvollen Weihgeschenken bedacht werden (Eusebius v.c. 3,4143). In Jerusalem erhält neben Golgatha also auch der Ölberg schon in konstantinischer Zeit einen steingewordenen Erinnerungsort, während die christliche
Topographie des heiligen Landes zunächst nur durch Bethlehem und Mamre,
wo Konstantin dem Gedenken Abrahams ebenfalls eine Kirche stiftet, ausgezeichnet wird (Eusebius v.c. 3,51-53).257 Die heiligen Stätten des Christentums
entstehen durch Bauten, die seit dem ersten christlichen Kaiser den neu- und
alttestamentlichen Erinnerungen einen festen Ort zuweisen. Durch sie wird
Heilsgeschichte sinnlich erfahrbar, werden Schauplätze zu irdischen Zeugen
göttlichen Geschehens, ein Konzept, das in der Folge zu der Etablierung einer
Vielzahl heiliger christlicher Orte führen würde und ein Erlebnis, das nach der
Pilgerfahrt der frommen Kaisermutter noch viele Christen in Jerusalem und im
heiligen Land suchen sollten.
3. Die Legende vom Kreuz und der Aufstieg Golgathas
Golgatha, durch den konstantinischen Bau als heilige Stätte konstituiert,
sollte im Laufe des vierten Jahrhunderts nicht nur das liturgische Erleben Jerusalems prägen, sondern durch die Legende der Kreuzesauffindung und die
Übertragung jüdischer Erinnerungen zum Mittelpunkt christlicher Topographie
Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine,
New York 1999, S. 188-203.
256
Zu der Datierung und näheren Angaben zu der Reise Helenas nach Palästina und Jerusalem
vgl. etwa Otto, 1980, S. 182f. Hunt, 1984, S. 28-39. Johnson, 2006, S. 293.
257
Die Anregung für einen weiteren Kirchenbau erhielt der Kaiser von seiner Schwiegermutter
Eutropia, die wie Helena das heilige Land bereiste und Konstantin von der Eiche in Mamre
berichtete, die vielen Kulten ein Heiligtum war. Vgl. dazu Kötting, 1950, S. 107f.
129
Abb. 7: Die Grabeskirche, die in ihrer heutigen Form um die Grabrotunde und den
heiligen Felsen konzentriert ist, hat ihre Dominanz im Stadtbild verloren, nicht aber an
Bedeutung für die christlichen Pilger.
130
aufsteigen. Die machtvolle Verbindung kaiserlicher Selbstdarstellung und zentraler Ereignisse christlicher Heilsgeschichte sollte schon wenige Jahrzehnte
nach der Einweihung der Grabeskirche um die Auffindung der Kreuzesreliquie
ergänzt werden, die schließlich, seit Ende des vierten Jahrhunderts, mit dem
Besuch der Kaisermutter Helena in der heiligen Stadt zu einer wirkmächtigen
Legende verschmolz.258
Weder Eusebius, der Zeitgenosse Konstantins, noch der um 333 n. Chr. die
Stadt besuchende Pilger von Bordeaux wissen von einem Kreuzesfund im Zusammenhang mit der konstantinischen Kirche zu berichten, doch schon ein
Jahrzehnt später in den Taufkatechesen des seit etwa 348 amtierenden Jerusalemer Bischofs Cyrill spielt das heilige Kreuz eine zentrale Rolle.259 Die heiligen Stätten – besonders aber Golgatha und das wiedergefundene Kreuz – sind
dem Kirchenvater Zeugen der christlichen Lehre, die in dieser Eindringlichkeit
nur in Jerusalem dem Gläubigen von der Passion und der Auferstehung künden
(Cyrill catech. 4,10; 13,4; 13,38.39).260 Die heiligen Orte und die Kreuzesreliquie geben der Heilsgeschichte einen manifesten Anhaltspunkt, der dem
sinn-lichen Erleben einer transzendenten Wahrheit dient.
„Doch darf man nie müde werden, auf die Lehre vom gekrönten Herrscher zu hören,
vor allem hier auf dem hochheiligen Golgatha. Während andere nur von ihm hören,
sehen und berühren wir ihn.“ Cyrill catech. 13,22
Nur wenige Jahrzehnte nach dem Bau der Grabeskirche bestätigen die Schriften Cyrills nicht nur die Annahme der durch kaiserliche Stiftung geschaffenen
heiligen Stätten, sondern sie enthalten darüber hinaus die Kreuzesverehrung
258
Vgl. dazu etwa Carla Heussler: De Cruce Christi. Kreuzauffindung und Kreuzerhöhung:
Funktionswandel und Historisierung in nachtridentinischer Zeit, Paderborn 2006, S. 28f. Leopold Kretzenbacher: Kreuzholzlegenden zwischen Byzanz und dem Abendlande. Byzantinischgriechische Kreuzholzlegenden vor und um Basileios Herakleios und ihr Fortleben im lateinischen Westen bis zum Zweiten Vaticanum, München 1995, S. 5-12.
259
Hunt, 1984, S. 37ff. Perrone, 1999, S. 229. Krüger, 2000, S. 61.
260
Vgl. Hunt, 1984, S. 99f.
131
und die Vorstellung, Golgatha sei der Mittelpunkt der Erde, ein Bestandteil der
Zionstheologie.261
„Ausgestreckt hat er seine Hände am Kreuze, um den ganzen Erdkreis zu umfassen.
Denn der Mittelpunkt der Erde ist der Golgatha hier.“ Cyrill catech. 13,28
Die Übertragung alttestamentlicher und jüdischer Erzählungen und Legenden
von Tempelberg und Zion auf den Kreuzigungsberg Golgatha sollte darin ihren
Ausgang nehmen; die Schädelstätte galt den Christen bald als Nabel der Welt,
eine Vorstellung, welche noch Josephus in der Nachfolge der Psalmen und
Propheten auf den Tempelberg bezogen hatte, und als Gründungsstein, ein
spätjüdisches Motiv, das eine Fülle von Bedeutungen beinhaltete.262 Als Gründungsstein wurde der Golgatha-Felsen den Christen der Ort der Weltenschöpfung, Schlussstein der Schöpfung, Grundstein der Erde, Eingang zum
Himmel wie zum Totenreich, der Verschlussstein der Sintflut und kosmischer
Urfels.263 Der Bedeutungszuwachs sollte stets von der Kreuzesverehrung gekrönt bleiben, die innerhalb der Schöpfung den Höhepunkt der Heilsgeschichte
darstellte, und die Kreuzesreliquie war den Gläubigen sichtbares Zeichen der
Erlösungstat Gottes.
Im Laufe der Zeit fanden weitere Reliquien ihren Platz auf Golgatha. Ende
des vierten Jahrhunderts berichtet die Pilgerin Egeria von der Passionsliturgie
in der Grabeskirche, nach der Kreuzesreliquie würden den Gläubigen der Ring
Salomos und das Salbungshorn der Davididen zur Betrachtung dargeboten
(Itin. Eg. 37,3).264 Während der Ring – dem die Legende zusprach, ein Siegel
Gottes zu tragen, mit dem König Salomo Dämonen gebunden habe, um mit
ihrer Hilfe Jerusalem und den Tempel zu erbauen – die Erstehung eines neuen
Tempels an der zentralen Stätte der christlichen Heilsgeschichte verkörperte,
symbolisierte das Salbungshorn die legitime Nachfolge Jesu aus dem davidischen Königshaus. Die Reliquien, die vermutlich die Grabeskirche als neues
261
Perrone, 1999, S. 228f. Taylor, 1993, S. 128f. Hunt, 1984, S. 19. Joachim Jeremias: Golgotha, Leipzig 1926.
262
Daniélou, 1969, Sp. 723-732. Kretschmar, 1979, S. 94ff. Donner, 1977, S. 1-11.
263
Belege bei Jeremias, 1926, S. 34-50. Vgl. außerdem Donner, 1977, S. 9f.
264
Vgl. Kap. B.II.5. Pilger, Kirchenväter und das irdische Jerusalem.
132
Reichsheiligtum stilisieren sollten, wurden in den kommenden Jahrhunderten
durch weitere ergänzt.265
In einer anonymen Schrift aus dem sechsten Jahrhundert, dem Breviarius de
Hierosolyma, werden die an Golgatha gebundenen Legenden und Reliquien
benannt:
„Und danach betritt man Golgatha. Dort ist ein großer Hof, wo der Herr gekreuzigt
wurde. Rings um den Hügel sind silberne Schranken, und auf dem Hügel befindet sich
eine Art Hartkiesel. Es gibt silberne Türen, wo das Kreuz des Herrn aufgerichtet war,
ganz mit Gold und Edelsteinen verziert, unter freiem Himmel. Die Schranken sind mit
viel Gold und Silber verziert. Wo die Schüssel ist, was das Haupt des hl. Johannes
getragen wurde. Wo das Horn ist, aus dem David und Salomo gesalbt wurden. Und
dort ist der Siegelring, mit dem Salomo die Dämonen versiegelte: der ist aus
Bernstein. Wo Adam geschaffen wurde, wo Abraham seinen Sohn Isaak zum Opfer
brachte an dem Ort, wo der Herr gekreuzigt wurde.“ Brev. Hier. 2.a
Die Schüssel, die das Haupt Johannes des Täufers trug, ist als christliche Reliquie hinzugekommen. Das Salbungshorn und der Siegelring werden nach wie
vor hier gezeigt, doch die Stätte hat weitere Zuschreibungen erfahren – als
Grab Adams und Ort der Bindung Isaaks. Das Grab Adams, von der jüdischen
Tradition auf dem Tempelberg verortet, wurde schon von Origenes mit dem
Golgathafelsen in Verbindung gebracht, und seit dem siebten Jahrhundert ist
eine Adamskapelle in der Grabeskirche verbürgt. Nicht nur die etymologische
Verbindung der Schädelstätte mit dem Ruheplatz des ersten Menschen, sondern auch die vollständige Erlösungstat der Kreuzigung fand in dieser Translokation einen anschaulichen Ausdruck.266 Die Geschichte der Bindung Isaaks,
die der jüdische Tempel als Teil der Erzväterüberlieferung an sich gezogen
hatte, fand sich nun erneut an einen zentralen heiligen Ort gebunden.267 Golgatha, im Mittelpunkt der konstantinischen Bauten, erwies sich als kraftvoller
Erinnerungsort. Der Schauplatz der Passion war damit von einem Ort‚ zu dem
265
Kretschmar, 1979, S. 101f.
Vgl. dazu Taylor, 1993, S. 124ff.; 131-134. Perrone, 1999, S. 231. Kretschmar, 1979, S.
84ff.; 107, hebt die jüdische Paralleltradition in Hebron hervor. Anders Donner, 1977, S. 234.
267
Kretschmar, 1979, S. 26f.; 98f.
266
133
sie ihn hinausführten‘ (Mk 15,20) zum Zentrum des christlichen Jerusalems
aufgestiegen. Neben dem Gedenken an Tod und Auferstehung Jesu zog Golgatha mythische Erinnerungen des Alten Testamentes und des Judentums an sich
und übertraf schließlich in der Vielfalt seiner Bedeutungsebenen jede andere
heilige Stätte des Christentums.
Eine entscheidende Funktion für den Aufstieg Golgathas sollte der Kreuzverehrung zukommen. Die Kreuzauffindung, von der erst Cyrill von Jerusalem
weiß, ist als Legende zu verstehen, doch seit etwa 350 wurde ein Holzkreuz als
Kreuz der Passion Jesu verehrt. In den Taufkatechesen Cyrills spielt diese Reliquie für die bezeugende Kraft Golgathas eine maßgebliche Rolle.
„Er ist für unsere Sünden wahrhaft gekreuzigt worden. Willst du es leugnen, so
belehrt dich der Ort, den du siehst, dieser hl. Golgatha, auf dem wir jetzt um
dessentwillen versammelt sind, der auf ihm gekreuzigt worden war. Mit dem
Kreuzesholze ist nunmehr fast der ganze Erdkreis erfüllt. Nicht um eigener Sünden
willen ist er gekreuzigt worden, sondern damit wir von den unsrigen erlöst würden.“
Cyrill catech. 4,10
Die Wahrheit der Heilsgeschichte zeigt sich für den Bischof an dem Ort des
Geschehens und dem dort gefundenen Kreuz, Schauplatz und Reliquie verschmelzen zu einem Beweis des Glaubens. Cyrill erwähnt außerdem, die Kreuzessplitter der Passionsreliquie fänden ihren Weg in alle Welt.268 Anders als
der Ort der Passion, die heilige Stätte selbst, konnte die Reliquie zerteilt und
mitgenommen werden. Die Beweglichkeit dieser heiligen Gegenstände, die als
Zeugen der Kreuzigung des Gottessohnes dienten und der Christenheit als heiligste Herrenreliquien galten, sollte in den kommenden Jahrhunderten zu einer
weiten Verbreitung der Kreuzverehrung führen und den Gang der Geschichte
Jerusalems und Europas mehr als einmal prägen. So führte der Raub des Jerusalemer Kreuzes durch die Perser im Jahr 614 zu einem ersten Kreuzzug der
christlichen Welt.269 Die mittelalterlichen Kreuzfahrerstaaten eroberten das
heilige Land nicht nur im Zeichen des Kreuzes, sie wussten die Kreuzespartikel
268
269
Vgl. dazu Hunt, 1984, S. 39.
Vgl. Kap. B.II.4. Die christliche Topographie der heiligen Stadt.
134
auch für die Finanzierung ihrer Unternehmung einzusetzen. Spenden sammelnde Geistliche mit Partikeln der Reliquie wurden durch das westliche Europa gesandt und viele Teile des Kreuzes sollten nicht nach Jerusalem zurückkehren, sondern der Begründung neuer Zentren der Kreuzesverehrung dienen.270 Doch jeder Teil des Kreuzes verwies stets auf den Ort der Kreuzigung –
Golgatha – und trug zur Verankerung dieser heiligen Stätte im Gedächtnis der
christlichen Religion bei.
War für den berühmten Jerusalemer Bischof das Kreuz noch während der
konstantinischen Bautätigkeiten gefunden worden, sollte sich schon wenige
Jahrzehnte später eine andere Version der Kreuzauffindung durchsetzen.271 Seit
Ende des vierten Jahrhunderts berichten die Schriften der Kirchenväter und der
christlichen Geschichtsschreiber, Helena, die Mutter Konstantins, von deren
Reise ins heilige Land auch Eusebius zu künden wusste, habe die Suche nach
dem heiligen Ort erst veranlasst, dieselbe überwacht, das heilige Kreuz schließlich geborgen und von weiteren Kreuzen auf wundersame Weise zu unterscheiden vermocht.272 Die Helenalegende, die neben der Auffindung des wahren Kreuzes von weiteren Passionsreliquien berichtet, wurde zu einem der beliebtesten Legendenzyklen der christlichen Welt und sollte, wie die Reli-quien
selbst, auf die heilige Stätte und die Heilstat verweisen.273
Innerhalb eines Jahrhunderts war mit Golgatha ein heiliger Ort in Jerusalem
geschaffen worden, der als topographischer Mittelpunkt der gesamten Christenheit durch ein wirkmächtiges Verweissystem verankert wurde, der zeitlich
von Adam über Abraham die alttestamentlichen Mythen mit der Geschichte
Jesu als zentrale Heilstat verband und darüberhinaus die biblische Wirklichkeit
über die Kreuzholzlegende mit dem römischen Kaisertum zu verknüpfen ver270
Michael Hesemann: Die stummen Zeugen von Golgatha. Die faszinierende Geschichte der
Passionsreliquien Christi, München 2000. Zu der Geschichte der Kreuzesreliquien siehe ebd.,
S. 29-62.
271
Vgl. ebd., S. 34.
272
Zu den unterschiedlichen Überlieferungen vgl. u.a. Hesemann, 2000, S. 31ff. Kretzenbacher, 1995, S. 5ff. Außer der Helenalegende gibt es abweichende Legenden der Kreuzfindung
durch einen Judas Cyriacus oder die Gattin des römischen Kaisers Claudius, Protonike. Vgl.
Kretzenbacher, 1995, S. 10f. Heribert Busse: Tempel, Grabeskirche und Haram as-sarif. Drei
Heiligtümer und ihre gegenseitigen Beziehungen in Legende und Wirklichkeit, in: Jerusalemer
Heiligtumstraditionen in altkirchlicher und frühislamischer Zeit, Wiesbaden 1987, S. 1-27; hier
S. 11.
273
Krüger, 2000, S. 61.
135
mochte, in deren Nachfolge sich die christlichen Reiche Europas seit dem frühen Mittelalter sahen. Das konstantinische Jerusalem wurde zum Symbol für
das himmlische,274 das Kreuz zum triumphalen Verweis auf die Heilgeschichte
und Golgatha – der heilige Berg der Christen – zum Gründungsstein und Nabel
der Welt.
4. Die christliche Topographie der heiligen Stadt
Die Etablierung der heiligen Stätten
Mit Konstantin begann sich das Antlitz der heiligen Stadt zu verwandeln. Aus
dem römischen Aelia Capitolina wurde das christliche Jerusalem. Golgatha mit
den konstantinischen Bauten bildete das neue Zentrum und im Verlauf des
vierten Jahrhunderts sollten der Ölberg und der christliche Zion neben dem Ort
der Kreuzigung und Auferstehung zu den wichtigsten Koordinaten in der religiösen Topographie der Stadt Davids aufsteigen. Seit sich der erste römische
Kaiser dem Glauben an den Gekreuzigten zuwandte, entstand in Jerusalem eine
Vielzahl von christlichen Bauten; die Stadt erlebte einen ungeheuren Zustrom
von Gläubigen und Pilgern aus allen Teilen des Reiches, die nahe der heiligen
Stätten nach Unterkunft suchten und von denen nicht wenige bleiben wollten.275 In den folgenden Jahrzehnten sollten daher unzählige Hospize und Klöster in Jerusalem und im heiligen Land errichtet werden, Kirchen und Kapellen
riefen die Gläubigen zur Andacht und das Interesse an den heiligen Orten, die
dem Christentum so lange fremd geblieben waren, entzündete sich an den
Schauplätzen des Alten und Neuen Testamentes.276
Die Geschichte Jesu und der Apostel, aber auch die vielen Erzählungen und
Sagen des alten Bundes wurden in der heiligen Stadt und dem gelobten Land
Israels von den Christen verortet und in einem zunehmend dichten Netz von
Erinnerungen verankert. Während einiger Erinnerungen – wie Tod und Auf274
Kühnel, 1987, S. 66ff.
Herbert Donner: Pilgerfahrt ins Heilige Land. Die ältesten Berichte christlicher Palästinapilger (4.-7. Jahrhundert), Stuttgart 1979, S. 29ff.
276
Tsafrir, 1999, S. 138.
275
136
erstehung Jesu – für Jahrhunderte an einem Ort gedacht werden sollte, fanden
andere erst nach und nach einen festen Platz. In Jerusalem, dem Mittelpunkt
der religiösen Topographie, dienten die heiligen Berge der Etablierung vieler
heiliger Stätten. So wie der Tempelberg in der Geschichte Israels und Judas
eine Vielzahl von Bedeutungen und Erinnerungen an sich gezogen hatte, zogen
die Berge abseits der Ruinen des jüdischen Heiligtums nun die Erinnerungen
an den Gottessohn, an seine Vorfahren und seine Nachfolger an sich.
In der bewegten Geschichte der heiligen Stadt sollten das vierte und fünfte
Jahrhundert eine Zeit des Friedens und des Aufschwungs darstellen. Nach
Konstantin begann eine Blütezeit für Jerusalem, das von den christlichen Herren Roms gefördert wurde. Nur kurz erstand erneut der Schrecken paganer
Herrschaft in der Person des Kaisers Julian (361-363), der sich von der Religion des Gekreuzigten abwandte und nicht nur die althergebrachten Kulte förderte, sondern den Juden den Tempel Jahwes wieder errichten wollte. Doch ein
Erdbeben brachte die Bauarbeiten auf dem Tempelberg zum Erliegen und der
Kaiser starb plötzlich auf seinem Feldzug gegen die Perser: ein Triumph für die
Christen, die darin die göttliche Bestätigung des neuen Jerusalems sahen.277
Die Stadt Jahwes wurde endgültig christlich und erwuchs den Gläubigen des
dreieinigen Gottes zum großflächigen Erinnerungsraum, in dem besonders die
Kirchenbauten auf den heiligen Bergen der Etablierung einer religiösen Topographie dienten. Dennoch sollte die Vielzahl der neu- und alttestamentlichen
Konnotationen lange beweglich bleiben und einzelne Geschichten erst nach
Jahrhunderten einen festen Ort finden. Die Begünstigung der Stadt durch den
nunmehr in Konstantinopel beheimateten Hof und wohlhabende Gönner ermöglichte einerseits die rasche Etablierung eines dichten Netzes mani-festierter
Erinnerungsorte, erleichterte aber auch die Abwanderung einzelner Erinnerungen an neue, möglicherweise passendere Orte, durch die stets neu entstehenden
Kirchen und Kapellen, die sich dem Gläubigen und den wissensdurstigen Pilgern zur Andacht anboten.
Eine Bedrohung erwuchs dem neuen Jerusalem erst zu Beginn des siebten
Jahrhunderts aus dem Persien der Sassaniden. 611 fiel Antiochia, 613 Damas277
Hunt, 1984, S. 156f.
137
kus und 614 die heilige Stadt nach 20tägiger Belagerung. Unzählige Menschen
fanden den Tod, viele christliche Kirchen gingen in Flammen auf und die Reliquie des heiligen Kreuzes, das Herzstück der christlichen Welt, wurde nach
Persien verbracht.278 Die Kirchen wurden wieder aufgebaut, das Kreuz zurück
erobert und 631 n. Chr. in einem feierlichen Triumphzug von Kaiser Heraklios
persönlich in die Grabeskirche gebracht, und doch setzte dieser erste Bruch in
der Tradition der christlichen Stadt viele Erinnerungen wieder frei. Jetzt zeigte
sich, welche heiligen Orte durch das Bauprogramm der byzantinischen Zeit
etabliert waren – sie sollten die Eckpunkte der heiligen Stadt werden und die
Stürme der kommenden Jahrhunderte überstehen.
Golgatha, Ölberg und Zion wurden im Verlauf des vierten und fünften Jahrhunderts zu den Koordinaten, zwischen denen sich das spirituelle und liturgische Leben der Gläubigen und Pilger in Jerusalem abspielte. Die Funktion
Golgathas als religiöser Mittelpunkt der heiligen Stadt war vergleichsweise
schnell etabliert, die konstantinischen Bauten, die Tod und Auferstehung Jesu
in einem Komplex erinnerten, die Legende der Kreuzauffindung und die Kraft
der Kreuzverehrung erschufen den mächtigsten Erinnerungsort der Christenheit
in Jerusalem, dessen Wirkmacht bald die legendären Erinnerungen des Tempelberges an sich zog. Doch anders als bei der Entstehung des Tempels Jahwes
auf dem Zion, der ja ebenfalls als königliche Stiftung eines Heiligtums begann
und in einem lange währenden Prozess zum Mittelpunkt und überzeitlichen
Zentrum des Glaubens an den einen Gott werden sollte, erinnerte das Christentum seinen Gott und dessen Menschwerdung nicht nur auf Golgatha, sondern
an vielen Stätten. So wie einst die Stämme Israels – vor David, Salomo, Jesaja
und Josija – die Begegnungen Jahwes mit den Erzvätern an vielen Heiligtümern erinnerten, gedachten die Christen der Geschichte Jesu und der seines
Volkes und seiner Nachfolger an vielen Orten, besonders aber gedachten sie
der Stationen seiner Passion, die ihnen das ewige Heil gewährte, auf den heiligen Bergen Jerusalems.
278
Otto, 1980, S. 196.
138
Abb. 8
139
Der Ölberg
Den Ölberg hatte Eusebius schon vor der konstantinischen Wende als wichtiges Ziel christlicher Pilger benannt.279 Von dem der Stadt gegenüber liegenden
Berg betrachteten sie die Zerstörung des jüdischen Tempels, worin sie die Erfüllung der Verkündigung des Gekreuzigten sahen, und in einer kleinen Grotte
erblickten sie den Ort der Unterweisung der Jünger durch Jesus und die Stätte
der Himmelfahrt des Auferstandenen (Eusebius d.e. 6,18).280 Helena stiftete
auf ihrer Reise durch das heilige Land eine Kirche, die diese an die kleine Höhle auf dem Ölberg gebundenen Erinnerungen manifestierte. In der Beschreibung der Stiftung durch die Kaisermutter findet sich in den Schriften des Eusebius der erste Hinweis, dass zu dieser Zeit auf dem Berg auch Fußabdrücke
Jesu verehrt wurden.281 Die Eleona genannte Kirche zog als erster christlicher
Bau auf dem Ölberg anfangs weitere neutestamentliche Erinnerungen an sich
wie die an das Abendmahl und das Pfingsterlebnis. Zusammen mit der Grabeskirche bildete sie die ersten Kristallisationspunkte der Jerusalemer Liturgie, die
es den gläubigen Christen wie an keinem anderen Ort ermöglichte, sich auf den
Spuren des Erlösers und damit in seiner Nachfolge zu bewegen.282
Allerdings sollte des Aufstieges Jesu in den Himmel schon bald auf der
Kuppe des Berges gedacht werden, den seit Ende des vierten Jahrhunderts ein
von der aus dem römischen Kaiserhaus stammenden Poemenia gestifteter
Rundbau, die Kirche der heiligen Himmelfahrt, schmückte.283 Fußspuren des
Herrn wurden seit Beginn des fünften Jahrhunderts in der neuen Himmel-
279
Walker, 1990, S. 202ff.
Bei Eusebius findet sich an dieser Stelle ebenfalls die Vorstellung, die Herrlichkeit Gottes
wäre mit der Zerstörung des Tempels auf den Ölberg gezogen. Zwar überlebt diese Vorstellung
nicht, aber sie zeigt, dass dem christlichen Denken das jüdische Konzept eines wahren heiligen
Ortes, der durch die einmalige Präsenz Gottes gekennzeichnet ist, zunächst näher steht als die
römische Vielfalt heiliger Stätten, die seit Konstantin das heilige Land und Jerusalem prägen
sollte. Vgl. dazu Taylor, 1993, S. 152ff.
281
Eusebius berichtet über den Besuch der frommen Mutter des Kaisers auf dem Ölberg: „Als
sie [Helena] aber den Fußstapfen des Erlösers die gebührende Verehrung erwies, nach dem
Worte des Propheten, der da sagt: ‚Laßt uns anbeten an dem Orte, an dem seine Füße gestanden‘, wollte sie sofort eine Frucht ihrer eigenen Gottesfurcht auch den späteren Geschlechtern
hinterlassen.“ Eusebius v.c. 3,42.
282
Tsafrir, 1999, S. 140.
283
Vgl. dazu u.a. Taylor, 1993, S. 143ff. Hunt, 1984, S. 162.
280
140
fahrtskirche verehrt (Paulinus von Nola ep. 31,4).284 Beide Kirchen fielen 614
n. Chr. dem Ansturm der Perser zum Opfer, doch während die Himmelfahrtskirche auf dem Gipfel des Ölbergs nach ihrem Wiederaufbau in der wechselhaften Geschichte der Stadt weiterhin als Erinnerungsort der Himmelfahrt
diente – an dem bis heute der Fußabdruck Jesu gezeigt wird – sollte die Eleona,
im vierten Jahrhundert neben der Grabeskirche das wichtigste Heiligtum des
christlichen Jerusalems, ihre ursprüngliche Bedeutung verlieren. Die Grotte
zog schließlich das Gedenken an die Unterweisung der Jünger im Vater Unser
an sich und seit der Zeit der Kreuzfahrer verkündet ein Kirchenbau diesen Ort
als Schauplatz des ersten christlichen Gebetes.285
Der Ölberg, Teil der Stadt und doch außerhalb gelegen, sollte seit dem vierten Jahrhundert auch zum Zentrum monastischer Bauten werden.286 Begüterte
Pilger, die in die heilige Stadt reisten und zu bleiben beschlossen, errichteten
Klöster und Hospize, widmeten sich dem frommen Leben nahe der heiligen
Stätten, der Armenfürsorge und der Betreuung der Pilgerströme, die aus allen
Teilen des Reiches nach Jerusalem kamen. So gründeten Rufinus und Melania
die Ältere, eine reiche Witwe der römischen Senatsaristokratie, nach 379 ein
Kloster auf dem Berg gegenüber der Stadt und lebten dort in asketischer Gemeinschaft mit weiteren frommen Männern und Frauen (Palladius hist. laus.
46; 54).287 Zu Beginn des fünften Jahrhunderts sollte die Enkelin der berühmten Pilgerin, Melania die Jüngere, das Werk ihrer Großmutter fortsetzen. Sie
spendete große Teile ihres Vermögens an die Kirche, kehrte mit ihrem Gatten
Rom den Rücken und ließ sich nach längeren Reisen in Jerusalem nieder, wo
sie ebenfalls an den Hängen des Ölberges ein monastisches Leben führte (Gerontius v. Mel. 35; 41). Sie errichtete ein weiteres Kloster, stiftete ein Martyri-
284
Heute steht an dieser Stelle die Himmelfahrtsmoschee, in deren Komplex sich eine Himmelfahrtskapelle aus der Kreuzfahrerzeit befindet, die über dem überlieferten Fußabdruck Jesu
errichtet wurde.
285
Taylor, 1993, S. 151f.
286
Vgl. dazu etwa Bieberstein/Bloedhorn, 1994, Bd. 1, S. 159f.
287
Armstrong, 1996, S. 197f. Maribel Dietz: Itinerant Spirituality and the Late Antique Origins
of Christian Pilgrimage, in: Travel, Communication and Geography in Late Antiquity: Sacred
and Profane, hg. v. Linda Ellis u. Frank L. Kidner, Aldershot/ Burlington 2006, S. 125-134;
hier S. 132.
141
um nahe der Auferstehungskirche und förderte wie ihre Vorfahrin das Ansehen
des Ölberges als heiliger Ort in der Topographie der Stadt.288
Der christliche Zion
Das konstantinische Bauprogramm, das neben Tod und Auferstehung auf Golgatha auch der Geburt in Bethlehem und der Himmelfahrt auf dem Ölberg gedachte, schloss den christlichen Zion nicht in die kaiserlichen Zuwendungen
ein. Der Berg, teilweise außerhalb der Stadtmauern gelegen, lag wüst, war
kaum bewohnt und bewahrte zu Beginn der christlichen Gestaltung Jerusalems
nur wenige Erinnerungen an das Leben Jesu. Der Pilger von Bordeaux sah um
333 n. Chr. auf dem Zion eine Geißelungssäule Christi, das Haus des Kaiphas
und eine von ehemals sieben Synagogen, von einer christlichen Kirche berichtet er nichts (Itin. Burd. 16).289 Doch der Berg Zion barg in der Überlieferung
die Erinnerung an die Urgemeinde, die Mutter aller Kirchen, und schon Cyrill
von Jerusalem berichtet von einer Apostelkirche, in der das Pfingstereignis
erinnert wurde (Cyrill catech. 16,4).290 Dieser für die Jerusalemer Gemeinde in
besonderer Weise Identität schaffende Ort wurde in der Folgezeit von den Bischöfen der Stadt in dem gleichen Maße gefördert wie sie innerhalb der kirchlichen Hierarchie nach Anerkennung ihres Sitzes als Patriarchat strebten, verband sie doch die Erinnerung an das Pfingstwunder mit dem neutestamentlichen Beginn der christlichen Kirche.291
Cyrill, in dessen Episkopat nicht nur eine Kreuzesvision über der Stadt, sondern auch der wundersame Fund der Gebeine des Herrenbruders Jakobus –
erster Bischof der Christenheit – die heiligen Stätten bereicherte, erreichte auf
288
Vgl. dazu etwa Timo Stickler: Das Bild Melanias der Jüngeren in der Vita Melaniae Iunioris des Gerontius, in: Frauen und Geschlechter. Bilder – Rollen – Realitäten in den Texten
antiker Autoren zwischen Antike und Mittelalter, hg. v. Robert Rollinger u. Christoph Ulf, unt.
Mitarb. v. Kordula Schnegg, Wien/Köln/Weimar 2006, S. 167-190; hier S. 173ff. Tsafrir,
1999, S. 138.
289
Die Synagoge auf dem Zion in dem Bericht des Pilgers von Bordeaux hat der Forschung
viele Rätsel aufgegeben und die Deutung dieser Angabe ist bis heute umstritten. Vgl. dazu
etwa Taylor, 1993, S. 210ff. Walker, 1990, S. 285ff.
290
Otto, 1980, S. 160ff.
291
Vgl. etwa Zeev Rubin: The Cult of the Holy Places and Christian Politics in Byzantine
Jerusalem, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v.
Lee I. Levine, New York 1999, S. 151-162. Walker, 1990, S. 296f.
142
dem Konzil von Konstantinopel 381-382 die Auszeichnung Jerusalems als
‚Mutter aller Kirchen‘ und als den apostolischen Metropolen Alexandria und
Antiochia ebenbürtig. Doch die Konkurrenz zu Cäsarea, der Metropole Palästinas, bestand weiter.292 Während auf dem Zion wohl Ende des vierten Jahrhunderts eine prächtige Kirche entstand, die Hagia Zion, die seit 415, nach
einem weiteren wundersamen Fund, die Gebeine des heiligen Stephans beheimatete, rang Bischof Johannes II. von Jerusalem, der Nachfolger Cyrills, weiter
um den kirchenpolitischen Vorrang.293 Bischof Juvenal von Jerusalem erreichte
schließlich auf dem Konzil von Chalcedon 451 die Anerkennung seines Sitzes
als Patriarchat und der christliche Zion war zu einem der zentralen Erinnerungsorte der Stadt aufgestiegen.
Die Kathedrale auf dem Zion diente zunächst vor allem den Erinnerungen
an die apostolische Tradition Jerusalems. Hier wurde die Kathedra des Jakobus
gezeigt und, seit ihrem Fund, die Reliquien des heiligen Stephans wie auch die
Steine seiner Hinrichtung. Die Gebeine des für den Bischofssitz Jerusalems so
bedeutenden ersten Märtyrers sollten ab 439 in die eigens errichtete St. Stephans Basilika im Norden der Stadt überführt werden, deren feierlicher Einweihung Eudokia beiwohnte, die Gattin des Kaisers Theodosius II., die das
heilige Land als Pilgerin bereiste. Eudokia, die wenige Jahre später aus unbekannten Gründen Konstantinopel verlassen musste und bis zu ihrem Lebensende in Jerusalem im Exil lebte, sollte das Bild der Stadt so nachhaltig prägen
wie es die Bautätigkeit Konstantins getan hatte.294 Die St. Stephans Basilika
wurde unter ihrer Förderung zu einem großartigen Komplex ausgebaut, sie
stiftete in und um Jerusalem Kirchen, Klöster, Pilgerherbergen und Hospize
292
Rubin, 1999, S. 154f.
Ob es sich bei der Hagia Zion um einen Neubau oder eine Erweiterung der Apostelkirche
handelte, ist in der Forschung umstritten, sicher ist nur, dass Ende des 4. oder Anfang des 5. Jh.
ein größerer Bau auf dem Zion zu finden war. Vgl. dazu Otto, 1980, S. 186. Taylor, 1993, S.
212f. Rubin, 1999, S. 156f.
294
Hunt, 1984, S. 238. Siehe zu Eudokia auch Noel Lenski: Empresses in the Holy Land: The
Creation of a Christian Utopia in Late Antiquity, in: Travel, Communication and Geography in
Late Antiquity: Sacred and Profane, hg. v. Linda Ellis u. Frank L. Kidner, Aldershot/Burlington 2006, S. 113-124; hier S. 117f.
293
143
und förderte den Bau einer neuen Stadtmauer, die den christlichen Zion und
mit ihm die Hagia Zion in den Stadtraum einbezog.295
Neben der apostolischen Tradition zog die Kathedrale auf dem Zion auch
das Gedenken an den Lebensabend der Gottesmutter Maria an sich296 und Elemente der Passionsgeschichte wie die Erinnerung an das letzte Abendmahl, die
offenbar schon früh hier lokalisierte Geißelung Jesu, die Fußwaschung und
Jesu Ankündigung des Verrates durch Judas und die Verleumdung durch Petrus. Außerdem adelten in byzantinischer Zeit Passionsreliquien die Kathedrale,
Pilger konnten auf dem Zion den Abendmahlsbecher, die Dornenkrone, die
Lanze von der Kreuzigung Jesu bestaunen, und vollendet wurde die Etablierung des christlichen Zions durch das Salbungshorn der Davididen und jenen
Eckstein, von dem es bei Jesaja hieß:
„Siehe, ich lege in Zion einen Grundstein, einen kostbaren Eckstein, der fest
gegründet ist.“ Jes 28,16
Der Standort auf dem heiligen Berg sollte nicht nur die Zerstörung von 614
überdauern; bis heute erinnern Nachfolgebauten an die Stiftung der Eucharistie, das Pfingstwunder und den Tod der Maria. Frühestens im elften Jahrhundert wird schließlich auch das Grab König Davids an dieser Stätte lokalisiert
und der christliche Zion gilt seitdem den drei abrahamitischen Religionen als
Erinnerungsort für den ersten Eroberer der heiligen Stadt.297
Die Stadt wird seit dem vierten Jahrhundert zum Erinnerungsraum, die heiligen Stätten vervielfältigen sich und die Berge Jerusalems werden zu Symbolen der auf ihnen gedachten Elemente der christlichen Heilsgeschichte. Die
einzelnen Orte innerhalb der religiösen Topographie dienen dem Gläubigen als
Zeugen für das göttliche Wirken in der irdischen Welt.
295
Hunt, 1984, S. 237ff. Vgl. außerdem Bieberstein/Bloedhorn, 1994, Bd. 1, S. 160f.
Tsafrir, 1999, S. 149ff. Seit dem 12. Jh. wurde des Todes der Maria in einer Kirche nahe der
Hagia Zion gedacht, der Bau wurde nach dem Ende der Kreuzfahrerherrschaft zerstört, die
heutige Dormitio-Basilika Anfang des 20. Jh. über dem ehemaligen Kreuzfahrerbau errichtet.
Das Grab der Maria wird in Jerusalem im Kidrontal erinnert, nahe der Kirche der Nationen. In
Ephesus, in der heutigen Türkei, gibt es eine weitere Stätte, das sogenannte Haus der Maria, an
dem seit dem späten 19. Jh. des Lebensabends, Todes und der Grablegung der Maria gedacht
wird.
297
Vgl. Halbwachs, 2003, S. 88-100; besonders S. 94f.
296
144
„Zeugnis gibt die Palme im Tale, die ihre Zweige den dereinst dem Herrn zujubelnden
Kindern bot. Der Ort Gethsemane gibt Zeugnis; den, der Phantasie hat, läßt er immer
noch Judas sehen. Dieser heilige, weithin sichtbare Golgatha gibt Zeugnis; Zeugnis
gibt das heilige Grabmal und der Stein, der bis auf diesen Tag noch dort liegt.
Zeugnis gibt die Sonne, die jetzt leuchtet, damals aber, zur Zeit des heilbringenden
Leidens, sich verfinstert hatte. Zeugnis gibt die Finsternis, welche damals von der
sechsten bis zur neunten Stunde geherrscht hatte. Zeugnis gibt das Licht, das von der
neunten Stunde bis zum Abend leuchtete. Der heilige Ölberg gibt Zeugnis; denn von
hier aus fuhr Christus zum Vater auf.“ Cyrill catech. 10,19
5. Pilger, Kirchenväter und die heilige Stadt
Die christliche Wallfahrt
Mit Konstantin hatte das Christentum seinen Siegeszug angetreten, Jerusalem
stieg zum Mittelpunkt der christlichen Welt auf und die heiligen Berge bildeten
die Kristallisationspunkte der neu entstehenden religiösen Topographie. Gefördert wurde dieser Prozess durch die immer zahlreicher werdenden christlichen
Pilger, die aus allen Teilen des Reiches zu den heiligen Orten zogen, an denen
sie in vorher ungekannter Weise ihren Glauben stärken und ihrer Frömmigkeit
Ausdruck verleihen konnten. Die Wallfahrt zu den Orten, an denen die Menschen die besondere Nähe des Göttlichen suchten, war kein christliches Phänomen. In der gesamten antiken Welt wurden Götter an heiligen Stätten verehrt, in den paganen Kulten ebenso wie im Judentum. Oft waren es Quellen,
Haine oder Bergeshöhen, denen eine göttliche Präsenz zugesprochen wurde
und die zu Wallfahrtsorten mit regionaler oder überregionaler Anziehungskraft
heranwuchsen. Pilger suchten Heilung oder Antworten, sie erfüllten Gelübde
oder folgten einer frommen Neugier, wenn sie die Reise zu einem Heiligtum
auf sich nahmen, um dort Gebete zu sprechen und Opfer zu bringen.298
298
Zur antiken Wallfahrt vgl. Kötting, 1950, S. 12-79, zur außerchristlichen Wallfahrt. Kötting
unterscheidet Wallfahrer und Pilger insofern, als der Wallfahrer die Absicht hat, wieder nach
Hause zurückzukehren, während die Pilgerfahrt diesen Willen zur Rückkehr nicht enthalten
145
Das Christentum, dessen Theologie sich zunächst dem Jenseits zuwandte,
fand schon in der lokalen Märtyrerverehrung zu den Grundformen der Wallfahrt zurück, doch konnten in den Zeiten der Verfolgung die besuchten Stätten
kaum durch Bauten ausgezeichnet werden. Nur wenige fanden in den Jahrhunderten vor Konstantin ihren Weg zu den Schauplätzen des Alten und Neuen
Testamentes, erst die veränderte Religionspolitik seit Beginn des vierten Jahrhunderts erlaubte es den Christen, Erinnerungsorte der Heilsgeschichte zu besuchen und durch Kirchenbauten zu verfestigen. Schon vorher hatte die Religion des Gekreuzigten begonnen, sich dem diesseitigen Leben zuzuwenden
und auch Orten, Bauten und Reliquien die besondere Gottesnähe zuzusprechen,
die in der neutestamentlichen Nachfolge zunächst nur der Gemeinschaft der
Gläubigen gegolten hatte.299 Mit dem Bauprogramm im heiligen Land begünstigte Konstantin die christliche Wallfahrt nach Jerusalem und seine Auszeichnung zentraler Stätten der Geschichte Jesu sollte die religiöse Topographie der
heiligen Stadt und die Erfahrungen der Pilger in den kommenden Jahrhunderten prägen.
Der Pilger von Bordeaux
Der früheste christliche Pilgerbericht liegt von einem namentlich unbekannten
Pilger aus Bordeaux vor, der um 333, wenige Jahre vor der Vollendung der
konstantinischen Grabeskirche, Jerusalem und das heilige Land bereiste.300 Das
knapp gehaltene Itinerarium Burdigalense lässt noch nichts von der überschwänglichen Begeisterung späterer Itinerarien spüren und ist doch ein wichtiges Zeugnis für die Entstehung der christlichen Erinnerungsorte in der heiligen Stadt. Der Pilger von Bordeaux beschreibt seinen Weg durch Jerusalem
vom Tempelberg aus, der offensichtlich sein erstes Ziel in der Stadt war, und
mit dem er verschiedene Geschichten zu verbinden weiß. Auf dem Tempelberg
muss. Ebd., S. 11. Auf diese Unterscheidung wird bei der Untersuchung der heiligen Stätten
verzichtet, heimkehrende wie bleibende fromme Besucher Jerusalems werden als Pilger bezeichnet.
299
Ebd., S. 89ff. Donner, 1979, S. 28f.
300
Glenn Bowman: „Mapping History’s Redemption“. Eschatology and Topography in the
Itinerarium Burdigalense, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity,
and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 163-187.
146
sieht der Pilger von Bordeaux nicht nur den Turm der Versuchung Jesu (Mt
4,5-7) und den Eckstein, den ‚die Bauleute verworfen haben‘ (Mt 21,42), sondern auch Räumlichkeiten, die ihm als Palast Salomos gezeigt werden, Spuren
der Hinrichtung des Zacharias, Vater des Täufers, zwei Statuen des Hadrian
und den Stein, an dem die Juden alljährlich die Zerstörung des Tempels beklagen (Itin. Burd. 15-16). Der ehemalige Standort des Tempels Jahwes ist zu
dieser Zeit vielfach belegt und zunächst Teil der entstehenden christlichen Erinnerungslandschaft.
Von dort begeht der Anonymus den christlichen Zion, wo er das Haus des
Hohepriesters Kaiphas erblickt, die Geißelungssäule Jesu, einen Palast Davids
und eine von ehemals sieben Synagogen (Itin. Burd. 16). Jüdische und christliche Erinnerungsorte sind nebeneinander vorhanden und werden in ihrer Beschreibung weder gewertet noch unterschieden. Erst Golgatha mit den neuen
konstantinischen Bauten hebt sich in der Schilderung des Pilgers deutlich von
den Aufzählungen der vorher besuchten Stätten ab. Der noch unvollendete Kirchenbau bezeichnet einen besonderen Ort und seine Schönheit hebt ihn vom
Rest der Stadt ab.
„Auf der linken Seite aber ist der kleine Hügel Golgotha, wo der Herr gekreuzigt
wurde. Ungefähr einen Steinwurf davon entfernt befindet sich eine Höhle, wo sein
Leib bestattet war und am dritten Tage auferstand. Dort ist auf Befehl des Kaisers
Konstantin eine Basilika, d.h. eine Kirche, von wunderbarer Schönheit errichtet
worden. Sie hat Becken an der Seite, aus denen Wasser entnommen wird, und hinten
ein Bad, in dem die Kinder getauft werden.“ Itin. Burd. 17
Die Kreuzesverehrung ist dem Pilger unbekannt, wohl aber erwähnt er ein Baptisterium, und belegt damit die Taufpraxis in der Grabeskirche, die in den
Taufkatechesen des Cyrill von Jerusalem für die Mitte des vierten Jahrhunderts
so anschaulich überliefert wurde. Für den Anonymus aus Bordeaux ist Golgatha der Schauplatz von Tod und Auferstehung Jesu, andere Traditionen kennt
er nicht. Die ‚wunderbare Schönheit‘ der konstantinischen Basilika und die
kaiserliche Stiftung erscheinen ihm genauso erwähnenswert wie die heilsgeschichtliche Bedeutung des Ortes, ein Zeichen für das Staunen des christlichen
147
Besuchers – nicht nur ob der heiligen Stätten, sondern auch ob der wundersamen politischen Entwicklung nach den Jahrhunderten der Verfolgung, die solche Bauten erst ermöglichte. Sein weiterer Weg führt ihn den Ölberg hinauf,
wo er die Eleona sieht, die er zwar mit der Belehrung der Jünger, nicht aber mit
der Himmelfahrt verbindet. Auch die Kuppe des Berges ist für diesen frühen
Pilger nicht Erinnerungsort der Ascensio, sondern der Verklärung Jesu (Itin.
Burd. 18).301
Schon in dieser frühen Phase der Entstehung einer christlichen Topographie
dienen die Berge dem frommen Besucher als Orientierung bei seinem Weg
durch die Stadt. Auffällig ist jedoch die zunächst überschaubare Belegung heiliger Orte mit einzelnen Personen oder Geschichten aus dem Alten und Neuen
Testament – angesichts der späteren Vielfalt der Erinnerungen an den zentralen
Stätten. Markante Denkmäler aus den verschiedenen Epochen der Stadtgeschichte wie auch die konstantinischen Bauten sind diesem frühen Besucher
aus dem Westen des Reiches gleichermaßen Erinnerungsträger, und seine Bereitschaft, die gegenwärtigen Gegebenheiten der Stadt als Stätten der Heilsgeschichte zu sehen, entspricht dabei der Geisteshaltung auch aller folgenden
Pilger, denen die Stadt eine zunehmend dichte Erinnerungslandschaft bieten
sollte.302 Die Etablierung einer Vielfalt von Erinnerungsorten speiste sich dabei
vermutlich ebenso aus dem Interesse der Pilger wie aus dem Wunsch der in
Jerusalem ansässigen Geistlichkeit, die fromme Neugier zu stillen.
Egeria
Der Pilgerbericht der Egeria vom Ende des vierten Jahrhunderts weiß nicht nur
von einer Vielzahl dem Pilger von Bordeaux noch unbekannter Erinnerungsorte zu berichten, sondern er benennt auch neue Bedeutungsebenen der zentralen
heiligen Stätten.303 Das Itinerarium der Egeria, in dem eine fromme Pilgerin
ihre mehrjährige Reise durch die biblischen Lande beschreibt, enthält eine einzigartige Schilderung der Jerusalemer Liturgie, die die heiligen Orte der Stadt
mit einem Gefüge an Bedeutungen und ritueller Vergegenwärtigung ver301
Taylor, 1993, S. 151.
Vgl. dazu Hunt, 1984, S. 84f.
303
Zu einem Vergleich der Beschreibungen des heiligen Landes bei dem Pilger von Bordeaux
und Egeria siehe Bowman, 1999, S. 268f.
302
148
band.304 Liturgische Tagzeiten, Fastentage und der Sonntag als Tag des Herrn
gliederten das Leben der Geistlichkeit wie des frommen Besuchers. Mehrmals
täglich fanden sich die Gläubigen an den zentralen Stätten zum Gebet zusammen, der Komplex der Grabeskirche bildete dabei den unbestrittenen Mittelpunkt der Jerusalemer Stundenliturgie: Hier, zwischen Anastasis, Kreuz und
Basilika, wurden täglich die ersten Gebete vor Sonnenaufgang gesprochen und
die letzten zur Nacht, wurde in Anwesenheit des Bischofs der Sonntag begangen und die Eucharistie gefeiert (Itin. Eg. 24; 25,1-6).
Das Kirchenjahr ist in der heiligen Stadt schon im vierten Jahrhundert durch
vier große Feste gegliedert: Epiphanien, Ostern, Pfingsten und das Kirchweihfest der Grabeskirche. Die Kirchenbauten auf den heiligen Bergen der Stadt
sind dabei die wichtigsten Stationen, zwischen denen sich Pilger und Geistliche
im Nachvollzug biblischen Geschehens bewegen.305 Der Ölberg mit der von
Helena gestifteten Kirche ist, wie auch die Apostelkirche auf dem Zion, zur
Zeit Egerias fest in das liturgische Geschehen Jerusalems eingebunden. In der
Osterwoche zieht die Gemeinde immer wieder vom Komplex der Grabeskirche
auf den Berg gegenüber der Stadt, um die einzelnen Stationen der Passion feierlich zu begehen. Das Itinerarium beschreibt detailliert die vielen Gänge der
Gläubigen zu den heiligen Stätten, die einzelnen Stationen, die Andachten und
Lesungen, etwa am Palmsonntag:
„Um die siebte Stunde steigt das ganze Volk auf den Ölberg, das heißt nach Eleona,
[und geht] in die Kirche. ... Zu Beginn der neunten Stunden steigt man mit Hymnen
zum Imbomon hinauf, das heißt an jenen Ort, wo der Herr in den Himmel auffuhr.
Dort setzt man sich. ... Dort werden wieder zu Tag und Ort passende Hymnen und
304
Zur Überlieferungsgeschichte und der Identität Egerias vgl. u.a. Egeria: Itinerarium. Reisebericht, mit Auszügen aus: Petrus Diaconus: De locis sanctis. Die heiligen Stätten, übers. u.
eingel. v. Georg Röwekamp u. Dietmar Thönnes (Fontes Christiani, hg. v. Norbert Brox u.a.,
Bd. 20), Freiburg u.a. 1995, S. 9-40. Donner, 1979, S. 69-80. Zur Jerusalemer Liturgie vgl. u.a.
Bradshaw, Paul F.: The Influence of Jerusalem on Christian Liturgy, in: Jerusalem. Its Sanctity
and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S.
251-259.
305
Die Beschreibung der Jerusalemer Liturgie schildert vielfach die zentrale Stellung der konstantinischen Bauten auf Golgatha. Vgl. etwa u.a. Itin. Eg. 24;25; 30, die liturgische Bedeutung
der Kirche auf dem Zion findet ebenso Erwähnung (25,6.11; 26,5-7; 39,5) wie die Einbindung
der Eleona (25,11; 31,1-4; 33,1).
149
Antiphonen rezitiert – genauso auch dazwischen eingefügte Lesungen und Gebete.“
Itin. Eg. 31,2
Egeria bezeichnet den Ölberg als Eleona, ein Name, der auf die konstantinische
Kirche übergehen sollte. Schon in dieser Zeit wird der Himmelfahrt des Herrn
an einer anderen Stelle, dem Imbomon – der Hügelkuppe – gedacht. Vom Ölberg aus zieht der Bischof, nach der Lesung der entsprechenden Stelle aus dem
Matthäusevangelium (Mt 21,1-11), mit dem Volk feierlich zurück in die Stadt:
„Und wenn die elfte Stunde begonnen hat, wird die Stelle aus dem Evangelium vorgelesen, wo die Kinder mit Zweigen und Palmwedeln dem Herrn entgegengehen und
rufen: ‚Gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn.‘ Sofort erhebt sich der Bischof,
und dann geht das ganze Volk zu Fuß von der Spitze des Ölbergs hinab. Das ganze
Volk geht vor ihm her mit Hymnen und Antiphonen und rezitiert als Antwortvers
immer: ‚Gesegnet, der kommt im Namen des Herrn.‘ ... So wird der Bischof in der
Weise geleitet, wie der Herr begleitet worden ist. Vom Gipfel des Berges bis zur Stadt
und von dort durch die ganze Stadt bis zur Anastasis gehen alle den ganzen Weg zu
Fuß, auch wenn es vornehme Damen und Herren sind.“ Itin. Eg. 31,2-4
Die Liturgie führt den Gläubigen mit den stets passenden Gesängen, Lesungen
und Gebeten durch das Nacherleben der Geschichte Jesu. Der Ölberg ist gleichermaßen Andachts- wie Erinnerungsort: Der heilige Berg und die dort nachempfundene Geschichte werden in der Liturgie eins.306
Die Grabeskirche auf Golgatha, die Eleona auf dem Ölberg und die Apostelkirche auf dem christlichen Zion, die zu besonderen Gebeten an den wöchentlichen Fastentagen, Mittwoch und Freitag, und an Pfingsten besucht wurde (Itin. Eg. 26,5; 43,2-3), bilden die zentralen Stätten des religiösen Lebens
der heiligen Stadt. Doch der Grabeskirche auf Golgatha kommt als Ort der
Kreuzverehrung eine besondere Bedeutung zu. Als elementarer Bestandteil der
Passionswoche wird den Gläubigen am Karfreitag die Kreuzesreliquie dargeboten:
306
Vgl. dazu Jonathan Z. Smith: To Take Place. Toward Theory in Ritual, Chicago/London
1987, S. 86: „In Jerusalem, story, ritual, and place could be one.“
150
„Dann wird auf Golgota für den Bischof hinter dem Kreuz, das [dort] jetzt steht, ein
Sitz aufgestellt, und der Bischof läßt sich auf dem Sitz nieder. Vor ihn wird ein mit
Leinen gedeckter Tisch gestellt, und die Diakone stehen um den Tisch herum. Dann
wird ein vergoldetes Silberkästchen gebracht, in dem sich das heilige Holz des
Kreuzes befindet; es wird geöffnet, das Kreuzesholz wird herausgehoben und
zusammen mit der [Kreuzes-] Inschrift auf den Tisch gelegt. …Wenn es nun auf den
Tisch gelegt worden ist, hält der Bischof im Sitzen die beiden Enden des heiligen Holzes mit den Händen fest; die Diakone aber, die [um den Tisch] herum stehen,
bewachen es. Es wird deshalb so bewacht, weil es üblich ist, daß das Volk, einer nach
dem anderen, kommt, sowohl die Gläubigen als auch die Katechumenen. Sie
verbeugen sich vor dem Tisch, küssen das heilige Holz und gehen weiter. Und weil
irgendwann einmal jemand zugebissen und einen Splitter vom Kreuz gestohlen haben
soll. Deshalb wird es nun von den Diakonen, die [um den Tisch] herum stehen, so
bewacht, daß keiner, der herantritt, wagt, so etwas wieder zu tun.“ Itin. Eg. 37,1-2
Die Anordnung der feierlichen Anbetung wie auch die geschilderten Sicherheitsmaßnahmen sprechen von der Etablierung nicht nur der Verehrung des
Kreuzes, dessen wundersame Auffindung Egeria nur nebenbei erwähnt (Itin
Eg. 48,1), sondern auch des heiligen Ortes, dessen Existenz die Grundlage des
liturgischen Vollzugs bildet. Der Pilgerin sind die heiligen Stätten eine Selbstverständlichkeit, ihretwegen begibt sie sich nach Jerusalem, an ihnen wird
Heilsgeschichte nicht nur mittelbar gegenwärtig, sondern sie wird real.
„Nachdem dann die Entlassung vom Kreuz erfolgt ist, das heißt, bevor die Sonne
aufgeht, geht sofort jeder eifrig zum Zion, um bei der Säule zu beten, an der der Herr
gegeißelt wurde.“ Itin. Eg. 37,1
Die Geißelungssäule auf dem Zion, die schon der Pilger von Bordeaux gesehen
hatte, ist Ende des vierten Jahrhunderts fester Bestandteil des liturgischen Geschehens, weil sie als Erinnerungsort fungiert. Die heiligen Orte des Lebens
Jesu werden dem Gläubigen zu einer religiösen Topographie, die es ihm erlaubt, sich auf den Spuren des Erlösers und damit in seiner Nachfolge zu be-
151
wegen.307 Die Aufladung zentraler Schauplätze mit einer Vielzahl an Bedeutungen erscheint dem christlichen Pilger dabei als natürliche Folge der dem
Heilsgeschehen innewohnenden Logik. So folgt in der Beschreibung Egerias
der Kreuzverehrung am selben Ort die Verehrung alttestamentlicher Reliquien
wie des Rings Salomos und des Salbungshorns der davidischen Könige (Itin.
Eg. 37,3). Die Erinnerung an die Größe Israels und den Tempel sind jetzt an
Golgatha gebunden, das neue Jerusalem, nicht mehr an den Tempelberg, der –
anders als noch bei dem Besuch der Stadt durch den Pilger von Bordeaux – in
dem Itinerarium der Egeria keine Rolle spielt.308
Die Frömmigkeit der Pilger und die Kritik der Kirchenväter
Die heiligen Orte Palästinas und Jerusalems, allen voran Golgatha als Schauplatz der Kreuzigung und Auferstehung, riefen in den Pilgern eine dem Christentum vorher unbekannte Frömmigkeit hervor. Nachdem die gläubigen Christen die Welt bis in die konstantinische Zeit als Fremde und Märtyrer durchschritten hatten, vollzogen sie nun die Nachfolge Jesu in ganz neuer, sinnlicher,
gleichsam ekstatischer Weise. In Hieronymus Schilderung des Lebens der römischen Witwe Paula beschreibt der Kirchenvater Anfang des fünften Jahrhunderts das Verhalten der frommen Pilgerin bei ihrem Besuch in der heiligen
Stadt folgendermaßen:
„Alle heiligen Stätten besuchte sie der Reihe nach mit solch inbrünstigem Eifer, daß
sie sich von den ersten nicht hätte wegbringen lassen, wenn sie nicht auch zu den
übrigen hätte eilen wollen. Vor dem Kreuze warf sie sich nieder und betete es an,
gerade als ob sie den Herrn an demselben hängen sähe. Sie ging in das
Auferstehungsgrab und küßte den Stein, welchen der Engel vom Eingange desselben
hinweggewälzt hatte. Und mit ihren frommen Lippen berührte sie, wie ein Durstiger
das heißersehnte Wasser, den Ort, an dem der Leichnam des Herrn gelegen hatte.
Ganz Jerusalem und der Herr selbst, den sie anflehte, weiß, wie viele Tränen
und Seufzer sie dort vergossen, welchen Schmerz sie dort erduldet hat.“
Hieronymus ep. 108,9
307
308
Tsafrir, 1999, S. 140.
Ebd., S. 144.
152
Die Stätte repräsentiert das erinnerte Geschehen über die Zeit hinweg und lässt
den Pilger unmittelbar daran teilhaben. An den heiligen Orten entstand eine
Form der Frömmigkeit, die das Erleben der Menschen direkt ansprach und es
ihnen ermöglichte, sich selbst in ihrem Glauben auf außergewöhnliche Weise
zu erfahren. Die Stätten, die seit Konstantin mit prächtigen Kirchbauten an das
Leben und Leiden des Herrn erinnerten, die vielen Schauplätze der alt- und
neutestamentlichen Geschichten, zogen Scharen von Pilgern aus dem gesamten
römischen Reich in das heilige Land und viele kamen, um sich inmitten dieser
einzigartigen religiösen Erinnerungslandschaft niederzulassen. Doch die Verwandlung der zuvor so deutlich auf das Jenseitige ausgerichteten Glaubensgemeinschaft in eine dem Irdischen zugewandte sollte nicht kritiklos vonstatten
gehen.309 Die Kirchenväter des vierten und fünften Jahrhunderts betrachteten
die Verehrung der heiligen Orte mit Zweifeln und manch einer riet gar den
Gläubigen von der Pilgerfahrt ab.310
Hieronymus, der zunächst von der heiligen Stadt begeistert war und sich in
Bethlehem niederließ, wo er auch seinen Lebensabend verbringen sollte, wurde
in späteren Jahren zu einem scharfen Kritiker des irdischen Jerusalems und
vertrat in einem Brief an Paulinus von Nola schließlich das transzendente Ortskonzept der apostolischen Verkündigung.311
„Sowohl von Jerusalem wie auch von Britannien aus steht der Himmel in gleicher
Weise offen; denn das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ Hieronymus ep. 58,2
Auch Gregor von Nyssa, ein kappadokischer Kirchenvater des vierten Jahrhunderts, spricht nach seinem eigenen Besuch zunächst voll Ergriffenheit von
der heiligen Stadt.312 In der Rückschau äußert er sich jedoch ablehnend:
309
Bitton-Ashkelony, 1999, S. 188ff.
Vgl. dazu etwa Perrone, 1999, S. 236.
311
Vgl. Hieronymus, ep. 58,2-4. Siehe dazu Krüger, 2000, S. 67. Perrone, 1999, S. 232f. Armstrong, 1996, S. 197f.
312
Vgl. Gregor von Nyssa ep. 3,1-3. Siehe dazu Bitton-Ashkelony, 1999, S. 194ff.
310
153
„Denn daß der erschienene Christus der wahre Gott ist, bekannten wir sowohl bevor
wir an dem Ort waren als auch danach; unser Glaube war [vorher] weder kleiner
noch danach größer; auch die Menschwerdung durch die Jungfrau kannten wir vor
Bethlehem; an die Auferstehung von den Toten glaubten wir auch, bevor wir das Grab
sahen, und daß die Auffahrt in den Himmel wahr ist, das glaubten wir auch, ohne den
Ölberg zu sehen. Uns brachte die Reise nur insoweit Nutzen, daß wir aus dem
Vergleich erkannten, daß die Zustände bei uns weitaus heiliger als in der Ferne sind.
… Wenn Du aber den inneren Menschen voller schlimmer Gedanken hast, ob Du auf
dem Golgotha bist oder auf dem Ölberg oder am Grabmal der Auferstehung, Du bist
dann so weit davon entfernt, den Herrn in Dir aufzunehmen wie die, die sich
überhaupt nicht zu ihm bekennen.” Gregor von Nyssa ep. 2,15-17
Der Glaube des frommen Christen werde nicht durch das Zeugnis heiliger Stätten gestärkt, sondern sei von diesen unabhängig, stellt der Bischof von Nyssa
nach seinem Besuch in Jerusalem und Palästina fest; und so wie Hieronymus
beschwört, dass dem Gläubigen das Himmelreich an allen Orten in gleicher
Weise offen stehe, bemerkt sein Zeitgenosse, dass der sündhafte Mensch auch
an den Schauplätzen der Passion Christi der Gnade Gottes fern sei. Obwohl die
beiden zitierten Kirchenväter durchaus politische Gründe für ihre Ablehnung
der heiligen Stadt hatten, sind ihre Aussagen repräsentativ für die Haltung der
Kirchenväter zu dem Konzept der heiligen Orte.313 Die patristischen Äußerungen bleiben auch nach der durch Konstantin eingeläuteten Verwandlung der
römischen Stadt in eine christliche und dem Zustrom der vielen Pilger überwiegend kritisch und sie geben dem himmlischen Jerusalem weiterhin den
Vorzug vor dem irdischen.
Die theologischen Bedenken der Kirchenväter vermochten jedoch die Flut
der Pilger nicht einzudämmen. Beseelt von der Gewissheit, an den heiligen
Stätten der besonderen Gottesnähe teilhaftig zu werden, strömten die Christen
seit der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts nach Jerusalem. Mit ihrem
Wunsch nach sichtbaren Zeugnissen des biblischen Geschehens prägten sie die
Etablierung der heiligen Orte, wie diese wiederum die frommen Vorstellungen
der gesamten Christenheit prägen sollten. Jerusalem, in seiner einzigartigen
313
Perrone, 1999, S. 234ff. Bitton-Ashkelony, S. 196ff. Donner, 1979, S. 13ff.
154
Verbindung von erinnertem und gegenwärtigem Raum, wurde zum Mittelpunkt
der christlichen Welt und die heiligen Berge der Stadt zu den Kristallisationspunkten des liturgischen Geschehens und einer Vielzahl von Erinnerungen.
155
III.
Conclusio
Die christliche Erinnerung folgt in Jerusalem zunächst den Spuren Jesu. Trotz
der Brechungen durch Flucht und Vertreibung aus der von den Römern neu
gestalteten Stadt überlieferte die christliche Gemeinschaft Ortstraditionen zu
den zentralen Ereignissen der Heilsgeschichte. Zwar besuchten in den ersten
drei Jahrhunderten nur wenige Gläubige die Stadt Davids, und die Hoffnung
auf das himmlische Jerusalem war vielen Nachfolgern des Gekreuzigten in den
Zeiten der Verfolgung und der Ohnmacht vertrauter als die Erinnerung an das
irdische, doch mit dem Siegeszug des neuen Glaubens unter der Herrschaft
Konstantins begann der Aufstieg der heiligen Stadt zum Mittelpunkt der chrislichen Welt.
Kirchenbauten verorteten zuerst die zentralen Erinnerungsorte der Geschichte Jesu: den Kreuzestod und die Auferstehung auf Golgatha, die Himmelfahrt auf dem Ölberg. Kurz darauf folgte die Erinnerung an die Urgemeinde, die Mutter aller Kirchen, der auf dem christlichen Zion mit einer Basilika
gedacht wurde. In den Jahrhunderten nach Konstantin entstand eine Vielzahl
von Erinnerungsorten in Jerusalem, das zum Ziel großer Ströme christlicher
Pilger wurde. Kirchenbauten, Kapellen, Säulen und Gräber wiesen schon bald
nicht nur auf die Wege des Gottessohnes, sondern auch auf Legenden des alten
Testamentes und Geschichten der apostolischen Zeit.
Das christliche Jerusalem entstand abseits des jüdischen; dem Tempelberg,
seit über tausend Jahren religiöses Zentrum der Stadt, wurden die heiligen Berge der Christen entgegen gestellt – allen voran Golgatha, das neue Jerusalem –
die den Gläubigen in der Nachfolge des Mensch gewordenen Gottes neue Kristallisationspunkte boten. Golgatha, Ölberg und der christliche Zion zogen eine
Fülle von Erinnerungen an sich, hier erhoben sich die zentralen Kirchenbauten
und erlebten die Gläubigen das liturgische Geschehen der heiligen Stadt, während der Tempelberg wüst blieb, verworfen durch die Zeichenhandlung und
das Tempelwort Jesu, als Mahnmal christlichen Gedenkens. Viele der Bedeutungen des heiligen Berges, der einst den Tempel Jahwes trug, wurden auf
Golgatha übertragen, die Bezeichnung Zion und die Vorstellung eines
156
Abb. 9: Ein Ausschnitt des Madaba-Mosaikes aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. enthält
die älteste im Original erhaltene kartographische Darstellung Jerusalems. Die idealisierte Anordnung der wichtigsten Straßen, Tore und Bauten der Stadt zeigt den konstantinischen Komplex um das heilige Grab auf Golgatha als Mittelpunkt der Stadt
(Mitte unten). Der Tempelberg ist in dieser christlichen Vorstellung von der heiligen
Stadt nicht vorhanden.
157
endzeitlichen Gerichtes einem anderen Berg zugesprochen und das Areal des
Tempelberges aus dem Stadtbild des byzantinischen Jerusalems ausgeblendet.314 So zeigt das Madaba-Mosaik, die älteste erhaltene kartographische Darstellung des christlichen Jerusalems aus dem sechsten Jahrhundert, die wichtigsten Bauten der Stadt, nicht jedoch den das Stadtbild beherrschenden Tempelberg: Jerusalem wird im Zentrum des heiligen Landes abgebildet und darin
der Komplex der konstantinischen Grabeskirche als Mittelpunkt der Stadt –
Golgatha hat in der christlichen Vorstellung den Tempel als Nabel der Welt
abgelöst.
Tatsächlich sollte Golgatha die bemerkenswerte Vielzahl der christlichen
Erinnerungsorte in Jerusalem an Bedeutung weit überragen. Das heilige Grab
als Symbol der Auferstehung wurde in den Jahrhunderten nach Konstantin zum
Vorbild einer Fülle architektonischer Nachahmungen, liturgischer Repräsentationen und künstlerischer Darstellungen, die die Gläubigen in der gesamten
christlichen Welt an diese zentrale Stätte der Heilsgeschichte gemahnten,315
übertroffen nur noch von der Allgengenwart des Kreuzes, das stets auf den Ort
der Kreuzigung verweist. Die heiligen Berge der Christen, Schauplätze der
Geschichte Jesu, der Legenden des Alten und Neuen Testamentes, Stätten vergangener und zukünftiger Heilsgeschichte, bergen nicht nur eine Vielzahl von
Erinnerungen, sondern sie prägen bis heute das religiöse Erinnern derer, die an
den Auferstandenen glauben.
314
Vgl. dazu etwa Tsafrir, 1999, S. 143ff.
Lieselotte Kötzsche: Das Heilige Grab in Jerusalem und seine Nachfolge, in: Die Reise
nach Jerusalem. Eine kulturhistorische Exkursion in die Stadt der Städte, Ausstellungskatalog,
hg. v. Hendrik Budde u. Andreas Nachama, Berlin 1996, S. 64-75. Vgl. außerdem Smith, 1987,
S. 87f, zu der Repräsentation des heiligen Grabes in der christlichen Liturgie.
315
158
Abb. 10: Mosaik am Fuße des Triumphbogens in der römischen Kirche Santa Maria
Maggiore aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. Der christologische Bilderzyklus wird an
den unteren Enden mit Darstellungen Bethlehems und Jerusalems – den Stätten der
Geburt, des Todes und der Auferstehung Jesu – abgeschlossen. Die heilige Stadt wird
hier als juwelengeschmücktes himmlisches Jerusalem gezeigt, in ihrer Mitte die Bauten der konstantinischen Grabeskirche auf Golgatha – das Bild des neuen Jerusalems.
159
C. Al-Quds
Während die Christen das Erscheinungsbild der heiligen Stadt nach dem Aufstieg der Gottesmutter Maria im sechsten Jahrhundert um einen weiteren prächtigen Kirchenbau bereicherten – die der Maria Theotokos geweihte, kurz Nea
genannte, Basilika316 – und die Juden den Verlust des Tempels an einem jährlichen Tag der Trauer beklagten, ahnten weder das alte noch das neue Israel,
dass sich das Schicksal Jerusalems mit dem Erstehen einer weiteren abrahamitischen Religion erneut wandeln sollte. Zu Beginn des siebten Jahrhunderts
erlebte ein einfacher Kaufmann namens Mohammed in Mekka auf der arabischen Halbinsel Visionen, die ihn zum letzten Propheten des einen Gottes beriefen, der sich schon den Juden und den Christen geoffenbart hatte.317 Mohammed predigte seine Offenbarung, die den Stämmen Arabiens den Glauben
an den einen Gott verkündete, zunächst in seiner Heimatstadt Mekka, in der
von alters her das Heiligtum der Kaaba die Frömmigkeit der Menschen bewegte, dann in Jathrib – das zu seinen Ehren Medina, die Stadt, genannt werden sollte – als er sich in Mekka von den herrschenden Eliten verfolgt sah.318
Die Worte des Propheten, die spätere Generationen im Koran schriftlich
niederlegten, verstanden sich als Erneuerung des monotheistischen Glaubens
Abrahams, den die arabischen Stämme wie die Juden und Christen als ihren
316
Kaiser Justinian (527-565) stiftete den Bau, der 543 n. Chr. geweiht wurde, nachdem auf
dem Konzil von Ephesos (431) Maria der Titel Theotokos – Gottes-Gebärerin – offiziell zuerkannt worden war. Die wohl prächtig ausgeführte Marienkirche, kurz Nea genannt, wurde am
Hang des christlichen Zions auf gewaltigen Substruktionen erbaut und von zwei Hospizen
ergänzt. Vgl. Grabar, 1996, S. 34ff.
317
Die erste Offenbarung erlebte der Prophet auf dem Berg Hirâ, nordöstlich von Mekka, von
dem es heißt, Mohammed habe sich oft dorthin zurückgezogen, um sich der Meditation und
Andacht hinzugeben. Der Berg ist dem Islam aufgrund seiner Bedeutung als Schauplatz der
ersten göttlichen Vision auch als Djabal an-Nûr, Berg des Lichtes, bekannt. Vgl. dazu Kortantamer, Samira: Die Rolle und Bedeutung einiger Berge in der arabisch-islamischen Geschichte
des Mittelalters, in: Realität und Virtualität der Berge, hg. v. Herbert Arlt, St. Ingbert 2002, S.
47-53; hier S. 47f.
318
Vgl. dazu etwa Hartmut Bobzin: Mohammed, 2. durchges. Aufl., München 2002, S. 78ff.
Armstrong, 1996, S. 217ff. Zur Bedeutung der Kaaba siehe außerdem Heribert Busse:
Geschichte und Bedeutung der Kaaba im Licht der Bibel, in: Zion. Ort der Begegnung, Festschrift für Laurentius Klein zur Vollendung des 65. Lebensjahres, hg. v. Ferdinand Hahn u.a.,
Bodenheim 1993, S. 169-185.
160
Stammvater ansehen.319 Die Verbundenheit mit den Religionen des alten und
des neuen Bundes bewog den Propheten nach der Vertreibung aus Mekka dazu,
in Richtung Jerusalem zu beten, der heiligen Stadt des einen Gottes. Damit
erhielt die Stadt Davids den Rang der ersten quibla – der ersten Gebetsrichtung
des neuen Glaubens.320 Doch noch in Medina entschied Mohammed, dass nicht
der Tempel Jahwes, sondern die Kaaba in Mekka das wahre Heiligtum und
damit die richtige quibla sei, und seitdem beten die Gläubigen des Islams in
Richtung Mekka (Sure 2,142-152). 321
Die Stadt der Kaaba, Mekka, das in der Folgezeit von Mohammed und seinen Anhängern erobert werden konnte, und Medina, die Stadt des Propheten,
stiegen schnell zu den bedeutendsten Heiligtümern des Islams auf. Jerusalem,
die entfernte Stadt im heiligen Land des Stammvaters, sollte dem neuen Glauben jedoch nicht nur als erste Gebetsrichtung in Erinnerung bleiben. Die Stadt
der Könige und Propheten, deren Verkündigung der Offenbarung des einen
Gottes von der jüngsten der abrahamitischen Religionen als Vorgänger Mohammeds anerkannt wurde, fand in der Tradition ihren Eingang in die Erzählung von der Nachtreise und der Himmelfahrt des Gesandten Gottes.
„Preis dem, der seinen Diener des Nachts entführte von der heiligen Moschee zur
fernsten Moschee, deren Umgebung Wir gesegnet haben, um ihm Unsre Zeichen zu
zeigen. Siehe, er ist der Hörende, der Schauende.“ Sure 17,1
Obwohl Jerusalem in dem Vers nicht namentlich genannt wird und die Stadt
erst nach dem Ableben des Propheten mit dem neuen Glauben in Berührung
kam, wussten die Nachfolger Mohammeds die Schrift von Anfang an so auszu-
319
Annemarie Schimmel: Die Religion des Islam. Eine Einführung, Stuttgart 1990, S. 18f.
Armstrong, 1996, S. 220f.
320
Vgl. dazu Angelika Neuwirth: Erste Qibla – Fernstes Masgid? Jerusalem im Horizont des
historischen Muhammad, in: Zion. Ort der Begegnung, Festschrift für Laurentius Klein zur
Vollendung des 65. Lebensjahres, hg. v. Ferdinand Hahn u.a., Bodenheim 1993, S. 227-270;
hier S. 232ff.
321
Shelomo D. Goitein: s.v. Al-Kuds. A. History, in: The Encyclopaedia of Islam, hg. v. Clifford E. Bosworth u.a., Bd. 5, Leiden 1986, S. 322-339; hier S. 323.
161
legen, dass die fernste Moschee in der Stadt Davids gelegen habe.322 Die Geschichten von der Nachtreise und der Himmelfahrt (53,1-21), die mit der Zeit
verbunden und wunderbar ausgestaltet wurden,323 fanden nach der Eroberung
der heiligen Stadt mit dem Tempelberg einen heiligen Ort vor, der diesen und
anderen Ereignissen als Schauplatz dienen sollte und dessen architektonische
Gestaltung das religiöse Gedächtnis des Islams bis heute prägt.
Als Mohammed 632 starb, hatte er nicht nur seine Heimatstadt erobert, sondern die arabische Welt unter seiner Führung vereint. Während sein Nachfolger
Abu Bakr (632-634) als erster Kalif – Stellvertreter des Gesandten – noch um
die Einheit der Stämme kämpfen musste, bevor er sein Augenmerk auf die Gebiete der geschwächten Großmächte Byzanz und Persien richten konnte, wusste der zweite Kalif, Omar (634-644), die Kraft der durch den neuen Glauben
vereinten arabischen Stämme für eine Eroberungswelle zu nutzen, die sowohl
den byzantinischen als auch den persischen Kräften die Vorherrschaft in der
Levante und im mesopotamischen Raum in kürzester Zeit streitig machte.324
Damaskus fiel 635, im folgenden Jahr schlugen moslemische Truppen ein letztes Aufgebot von Byzanz am Yarmuk, einem Nebenfluss des Jordans, und Palästina geriet unter die Herrschaft der Kalifen. Jerusalem, von der Macht des
byzantinischen Reiches abgeschnitten, hielt unter der Leitung des Patriarchen
Sophronius für viele Monate der Belagerung durch arabische Verbände stand,
doch schließlich, im Februar 638 n. Chr., ergab sich die Stadt den neuen Herren.325
Die Übergabe der heiligen Stadt an die islamischen Eroberer erfolgte nach
der Bedingung des Patriarchen, so will es die Überlieferung, direkt an den Kalifen Omar, und in der Erinnerung der Christen und Moslems verbanden sich
322
Vgl. dazu etwa Goitein, 1986, S. 323. Oleg Grabar: The Shape of the Holy. Early Islamic
Jerusalem, mit Beitr. v. Mohammed als-Asad, Abeer Audeh, Said Nuseibeh, Princeton 1996, S.
113f.
323
Zu der Verschmelzung und Ausgestaltung der beiden Geschichten und Quellenangaben vgl.
etwa Francis E. Peters: Jerusalem. The Holy City in the Eyes of Chroniclers, Visitors, Pilgrims,
and the Prophets from the Days of Abraham to the Beginnings of Modern Times, Princeton
1985, S. 182-185.
324
Vgl. etwa Albrecht Noth: Früher Islam, in: Geschichte der arabischen Welt, hg. v. Ulrich
Haarmann, 3. erw. Aufl., München 1994, S. 11-100; hier S. 58ff.
325
Armstrong, 1996, S. 227f.
162
schon bald entscheidende Begebenheiten mit diesem Ereignis.326 Die christliche Tradition wollte durch die Verbindung mit der Macht des Kalifen nicht nur
eine Sicherung ihrer Lebensbedingungen erreichen, indem sie der Autorität des
Eroberers einen für die christliche Mehrheit der Bevölkerung vorteilhaften Kapitulationsvertrag zuschrieb,327 sondern sie suchte auch den Schutz ihres zentralen Heiligtums unter dem Nimbus des weisen Herrschers: Bei der Begehung
Jerusalems habe Sophronius dem Kalifen angeboten, in der Grabeskirche zu
beten, dieser aber habe das Angebot mit der Begründung abgelehnt, er wolle
verhindern, dass die ihm Nachfolgenden den heiligsten Ort der Christen ihm zu
Ehren in eine Moschee umwandelten – stattdessen habe er auf dem Vorhof der
konstantinischen Basilika seine Gebete verrichtet.328 Die christliche Gemeinschaft erinnert den Eroberer auf eine für ihren Schutz und sein Andenken vorteilhafte Weise, sie unterstellt sich damit der tatsächlich lange vorherrschenden
Toleranz der islamischen Herrschaft gegenüber der christlichen Bevölkerung.
Doch auch die Inbesitznahme des Tempelberges, der in der Folgezeit zu einer der bedeutendsten heiligen Stätten des Islam aufsteigen sollte, wird in der
christlichen, islamischen und jüdischen Erinnerung mit der Einnahme der Stadt
durch Omar verbunden. Der weltgeschichtlich so entscheidende Schritt ist in
verschiedenen Versionen überliefert, die sich jedoch zumeist aus folgenden
Bestandteilen zusammensetzen: Omar habe mit dem Patriarchen Sophronius
oder dem jüdischen Konvertiten Ka’b ibn Ahbar das von den Christen vernachlässigte Areal des zerstörten herodianischen Tempels begangen. Der Herrscher
habe sich die Überreste des jüdischen Heiligtums zeigen lassen, eigenhändig
mit der Reinigung des mit Trümmern bedeckten Platzes begonnen, am Südende des großen Platzes gebetet – in Richtung Mekka gewandt, so dass das
326
Zur Historizität dieser Begebenheit und den Quellenangaben vgl. Goitein, 1986, S. 323f.
Grabar, 1996, S. 46f. mit Fußnote 63. Die frühesten Quellen wissen nur von einer Übergabe an
den Kommandeur der die Stadt belagernden Truppe zu berichten, doch schon bald entstand
sowohl auf christlicher als auch auf moslemischer Seite die Überlieferung von der Auslieferung der heiligen Stadt an Omar.
327
Vgl. etwa die von dem moslemischen Historiker Tabari überlieferte Version aus dem 10. Jh.
in englischer Übersetzung bei Peters, 1985, S. 185f.
328
Vgl. etwa Goitein, 1986, S. 324.
163
Allerheiligste des jüdischen Tempels in seinem Rücken lag – und schließlich
diesen Ort als Bauplatz für die erste Moschee in der heiligen Stadt bestimmt.329
In der Erinnerung der drei abrahamitischen Religionen ist es der Kalif, der
den Tempelberg, dieses große, unbebaute Areal in einer Stadt voller christlicher Bauten und Erinnerungsorte, in Besitz nimmt, der symbolisch mit der
Reinigung des Ortes beginnt, der die Gebetsrichtung des neuen Glaubens als
unabhängig vom Heiligtum der Juden bestätigt und mit der Errichtung des ersten islamischen Gebäudes an der heiligen Stätte die Gestaltung des Platzes initiiert, der als Haram as-Sarif – das edle Heiligtum – in das religiöse Gedenken
der islamischen Welt eingehen sollte.
Zunächst jedoch blieb das Antlitz der Stadt von den christlichen Bauten bestimmt, die dem Gedenken der alt- und neutestamentlichen Wunder gewidmet
waren und an die Geschichte der Urgemeinde und der Gottesmutter Maria erinnerten. Die großen kaiserlichen Basiliken, die Grabeskirche auf Golgatha und
die Nea am Fuße des Tempelberges, die Apostelkirche auf dem Zion und die
Auferstehungskirche auf dem Ölberg formten weiterhin die sichtbaren Koordinaten Jerusalems, während der Tempelberg in den Jahrzehnten nach der Eroberung durch die arabischen Stämme anfangs nur mit einer einfachen Moschee
bebaut war, wie der christliche Pilger Arkulf berichtete, der die heilige Stadt
um 680 n. Chr. besuchte.
„Übrigens haben an dem berühmten Ort, wo vorzeiten der Tempel prächtig errichtet
war, in der Nähe der östlichen Mauer gelegen, die Sarazenen jetzt ein viereckiges
Bethaus gebaut, das sie mit aufrecht stehenden Brettern und großen Balken über
einigen Trümmerresten aufgeführt haben; sie besuchen es fleißig, und das Haus kann
– wie berichtet wird – etwa 3000 Menschen fassen.“ Adomnanus l.s. I,14
Die Eroberer waren in dieser frühen Phase der islamischen Expansion mit der
Konsolidierung ihrer Herrschaft beschäftigt. Nach dem gewaltsamen Tode des
329
Vgl. Peters, 1985, S. 186ff., mit entsprechenden Quellen der islamischen, christlichen und
jüdischen Überlieferung. Siehe außerdem Otto, 1980, S. 198ff. Susanne Enderwitz: Die muslimische Eroberung Jerusalems, in: Die Reise nach Jerusalem. Eine kulturhistorische Exkursion in die Stadt der Städte, Ausstellungskatalog, hg. v. Hendrik Budde u. Andreas Nachama,
Berlin 1996, S. 32-39.
164
umstrittenen dritten Kalifen Othman (644-656) zerriss ein blutiger Bürgerkrieg
die gerade gewonnene Einheit der arabischen Stämme, dessen Wunden bis in
die Gegenwart reichen. Ein Kampf um das Kalifat entbrannte, aus dem schließlich der syrische Statthalter Mu’awiya als Sieger hervorgehen sollte.330 Der
neue Kalif, der als Begründer der Dynastie der Omayaden in die Geschichte
einging, nahm im Jahr 661 n. Chr. in Jerusalem die Treueschwüre der arabischislamischen Führer entgegen und eine christliche Überlieferung weiß zu berichten, dass er danach in der Grabeskirche, der Auferstehungskirche auf dem
Ölberg und am Grab der Maria im Garten Gethsemane gebetet habe.331
Obwohl es keine Bestätigung dieser Episode aus islamischen Quellen gibt,
erscheint es durchaus denkbar, dass dem neuen Herrscher die christlichen Kirchen angemessene Orte für seine Gebete boten – die heiligen Stätten der Geschichte Jesu, der den Moslems als Prophet gilt, und seiner Mutter Maria, die
im Islam große Verehrung genießt. Der christlichen Erinnerung bot sich hier
eine letzte Gelegenheit, die Pracht und Überlegenheit der Kirchenbauten der
heiligen Stadt vor dem neuen Glauben unter Beweis zu stellen, gilt doch die
Zeit Mu’awiyas, der die Residenz der Kalifen von Medina nach Damaskus
verlegte und von dessen Nachfolgern der Tempelberg prächtig ausgestattet
werden sollte, als Beginn der Blütezeit des islamischen Jerusalems. 332
Die Dominanz der christlichen Bauten in der heiligen Stadt endete mit der
architektonischen Gestaltung des Tempelberges unter den Nachfolgern
Mu’awiyas. Auf der großen, freien Fläche der von den Trümmern gereinigten
herodianischen Tempelplattform erstanden innerhalb weniger Jahrzehnte die
Bauten, die das Bild der Altstadt Jerusalems bis in die Gegenwart hinein
bestimmen. Mit dem Kettendom, dem Felsendom und der Al-Aqsa Moschee
erschufen die omayadischen Kalifen auf dem Tempelberg einen architektonischen Komplex, einen sakralen Raum, der in der Folgezeit zu einem Kristalli330
Martin Hinds: s.v. Mucāwiya I., in: The Encyclopaedia of Islam, hg. v. Clifford E. Bosworth
u.a., Bd. 7, Leiden/New York 1993, S. 263-268.
331
Vgl. dazu Goitein, 1986, S. 324.
332
Vgl. Grabar, 1996, S. 50. Letztlich ist es unwahrscheinlich, dass der politisch vorausschauende Kalif bei einer solchen Gelegenheit auf eine symbolische Verbindung mit dem heiligen
Berg des fernen Heiligtums verzichtet haben soll, wie es das Schweigen der christlichen Tradition nahelegt, doch konnte sich andererseits der wohl hölzerne Bau auf dem Tempelberg zumindest in der christlichen Vorstellung nicht mit der Prachtentfaltung der Kirchen messen.
165
sationspunkt einer Vielzahl religiöser Erinnerungen und frommer Legenden
aufstieg.333
Der Kettendom, dessen Baugeschichte und Funktion umstritten sind, wurde
wohl vor 690 n. Chr. in der geometrischen Mitte der ehemaligen Tempelplattform errichtet. Der Rundbau, der schon bald von dem wesentlich größeren und
prächtigeren Felsendom überschattet werden sollte, markierte möglicherweise
zunächst die islamische Übernahme der jüdischen Vorstellung, auf dem Tempelberg sei der Nabel der Welt verortet, eine Zuschreibung, welche die Christen auf Golgatha übertragen hatten und die später in der islamischen Auslegung
auf den Felsendom überging. Das Gebäude zog in der Folgezeit Legenden aus
der Zeit der Könige an sich; David selbst habe Ketten der Gerechtigkeit dort
aufgehängt, die nur derjenige berühren konnte, der die Wahrheit sagte.334 Die
königliche Rechtsprechung fand ihren Wiederhall auch in den Vorstellungen
eines endzeitlichen Gerichtes, das der Islam, wie vor ihm das Judentum und
das Christentum, mit der heiligen Stadt verband – die Ketten der Gerechtigkeit
würden am Ende aller Tage die guten Seelen von den sündigen scheiden, so die
Legende, die diesen Bau mit den apokalyptischen Bildern des neuen Glaubens
verband.335
In unmittelbarer Nähe zum Kettendom entstand unter der Herrschaft des
omayadischen Kalifen Abd al-Malik (685-705), dessen Herrschaft von innerislamischer Auseinandersetzungen geprägt war, die das entstehende Reich für
Jahre in Atem hielten, der prächtige Kuppelbau des Felsendoms.336 Eine Inschrift datiert die Fertigstellung des Gebäudes auf das Jahr 691. Der achteckige
Bau wurde über einem offensichtlich aus der Tempelplattform herausragenden
Felsen erbaut, unter dem eine kleine Höhle sichtbar ist. Der Felsen
333
Zur Baugeschichte der frühislamischen Bauten auf dem Tempelberg vgl. etwa Bieberstein/Bloedhorn, 1994, Bd. 1, S. 185ff.
334
Vgl. dazu Busse, 1987, S. 17f.
335
Vgl. etwa Grabar, 1996, S. 130f.
336
Armstrong, 1996, S. 235ff. Quellen zur Entstehungsgeschichte des Felsendoms, von dem es
später aus den Omayaden feindlich gesonnener Seite hieß, Abd al-Malik habe mit seinem Bau
die Wallfahrt von Mekka nach Jerusalem ziehen wollen, bei Peters, 1985,S. 197ff.
166
Abb. 11
167
bildet das Herzstück des Heiligtums, das nicht als Moschee, sondern als
Schrein konzipiert ist, der dem Besucher den Rundgang um den heiligen Stein
ermöglicht. Die Kuppel des Felsendoms wurde vergoldet, die Außenmauern
und das Innere mit kunstvollen Mosaiken geschmückt, Inschriften verkündeten
den Ruhm Allahs und wiesen dem Propheten Jesus seinen Platz unter den
Sterblichen zu.337 Die Architektur und Ausstattung des auffälligen Bauwerkes
waren von den byzantinischen Kirchenbauten Jerusalems inspiriert, besonders
von dem konstantinischen Komplex der Grabeskirche, die ihrerseits aus sakralen Bauten über einem Grab und um einen Felsen bestand und die den weithin
sichtbaren Mittelpunkt des christlichen Jerusalems bildete.338
Der heilige Felsen erhielt seine Bedeutung vermutlich zuerst aus dem jüdischen Vorstellungskreis, der sich um den Gründungsstein des Tempels gebildet
hatte.339 Die von der Zionstheologie beeinflussten Zuschreibungen konzentrierten sich auf die Idee eines einzelnen Steins, der Mitte und Nabel der Erde, Ort
der Weltschöpfung, Grundstein der Erde und des Tempels, Verschlußstein der
Sintflut und Tor zum Himmel und zur Unterwelt sei.340 Diese Bedeutungsvielfalt, die von den Christen auf Golgatha übertragen worden war, fand durch die
Errichtung des Felsendoms wieder an ihren Ursprungsort zurück – den Berg
Zion des Gottes Israel – nun das edle Heiligtum des Islams.
Der Schrein zog weitere Legenden und Erinnerungen an sich. Sagen um
Adam, den ersten Menschen und Abraham, den Erzvater des Volkes Israel und
der arabischen Stämme, fanden hier einen zentralen Erinnerungsort wie auch
Geschichten von David, Salomo und den Propheten des Alten Bundes. Die
Vielfalt der Bedeutungen, die dem heiligen Felsen zugesprochen wurden, entsprach teilweise denen des Heiligtums in Mekka und verschmolz schließlich in
den endzeitlichen Visionen der Gläubigen mit diesem.341 In den Erzählungen
vom Ende aller Tage hieß es, die Kaaba selbst werde letztendlich nach Jerusa337
Zu dem Text und einer Deutung der Inschriften vgl. etwa Grabar, 1996, S. 56ff.
Vgl. etwa Armstrong, 1996, S. 239.
339
Vgl. Busse, 1987, S. 18f.
340
Donner, 1977, S. 9f. Gonen, 2003, S. 124ff.
341
Hava Lazarus-Yafeh: Jerusalem and Mecca, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to
Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 287-299. Francis E.
Peters: Jerusalem and Mecca. The Typology of the Holy City in the Near East, New
York/London 1986.
338
168
lem verbracht, dem Schauplatz aller eschatologischen Hoffnungen und Ängste.342
Auch die berühmte Nachtreise fand in dem Schrein einen festen Gedenkort und
auf dem Felsen wurde der Fußabdruck des Propheten verehrt, der von dort die
Himmel bereist hatte.343 Die Erinnerung an die Nachtreise und die Himmelfahrt Mohammeds, die der Islam schon früh mit Jerusalem verbunden hatte,
war zuerst nur an den Tempelberg gebunden. Sie fand durch den Bau einer
neuen Moschee unter der Herrschaft des Sohnes und Nachfolgers Abd alMaliks, Al-Walid (668-715), einen ersten architektonischen Anhaltspunkt,
wurde doch der Neubau, der an der Stelle der von Arkulf beschriebenen Moschee auf der Tempelplattform entstand, Al-Aqsa, das fernste Heiligtum, benannt.
Al-Walid, der mit dem Bau der Al-Aqsa Moschee die islamische Tradition
des Tempelberges betonte, vollendete die architektonische Gestaltung des Haram. Prächtige islamische Sakralbauten schmückten nun den das Stadtbild beherrschenden Tempelberg. Die leuchtende Kuppel des Felsendomes überragte
für alle sichtbar die Rotunde der Grabeskirche und wurde zu einem dominanten
Blickfang der Stadt.344 Gleich der konstantinischen Anlage um das Heilige
Grab und den Kreuzigungsfelsen schufen die Omayaden einen sakralen
Raum,345 der eine Fülle von Bedeutungen in sich aufnehmen konnte, doch anders als das christliche Heiligtum auf Golgatha konnte der heilige Berg des
Islams sich auf die ältesten religiösen Traditionen der Stadt Davids berufen.
Der Tempelberg, von den Christen als Mahnung an die zerstörerische Macht
ihres Gottes verlassen, diente nach der Einnahme Jerusalems durch die arabisch-islamischen Eroberer erneut als Kristallisationspunkt religiösen Erlebens.
342
Armstrong, 1996, S. 242.
Vgl. etwa Otto, 1980, S. 201. Georg Röwekamp: Jerusalem. Ein Reisebegleiter durch die
Geschichte der Heiligen Stadt von Judentum, Christentum und Islam, Freiburg i.Br. 1997, S.
107.
344
Grabar, 1996, S. 104f.
345
Otto, 1980, S. 202.
343
169
Abb. 12: Die Tempelplattform mit den islamischen Bauten.
170
Während das christliche Gedenken in der heiligen Stadt mit Golgatha einen
Mittelpunkt und auf den heiligen Bergen wichtige Orientierungspunkte erschaffen hatte, die jedoch von einer Vielzahl von Erinnerungsorten umgeben
waren, diente sowohl dem Judentum als auch dem Islam der Tempelberg als
zentrales Heiligtum in der Stadt. Doch der jüngsten der abrahamitischen Religionen war die heilige Stätte nur eine von dreien, war Jerusalem in der religiösen Topographie des Islams das Heiligtum fern von Mekka und Medina, die
den Erinnerungen an das Leben des Propheten so viel näher waren. Dem Judentum aber war der heilige Berg Zion, der Gottesberg in der heiligen Stadt
Jahwes, einzigartig.
Die islamischen Eroberer nahmen in Jerusalem den freien und traditionsvollen Ort des Tempelberges, dessen jüdisches Heiligtum schon lange zerstört war
und den die Christen nicht hatten gestalten wollen, in Besitz und erschufen
innerhalb weniger Jahrzehnte einen heiligen Raum, der durch die Errichtung
prächtiger, sakraler Bauten etabliert wurde, an denen sich im Laufe der Zeit die
Geschichten aus dem Leben des Propheten Mohammeds wie auch die in den
neuen Glauben eingeflossenen Traditionen des Alten und Neuen Testamentes
anlagerten.346 Der Tempelberg sollte sich in der wechselvollen Geschichte der
Stadt als heilige Stätte des Islams bewähren – so wie es die Macht des jüdischen Zions und die der christlichen Heiligtümer taten. Die Kraft der heiligen
Berge Jerusalems als Erinnerungsorte der drei abrahamitischen Religionen ist
bis heute wirksam und weltweit dienen sie Gläubigen als topographische Zentren religiösen Erlebens.
Das Schicksal Jerusalems und des heiligen Landes sollte in den Jahrhunderten nach der islamischen Eroberung immer wieder von der Anziehungskraft der
heiligen Stätten für die Mächtigen und die Frommen der drei Religionen bestimmt werden. Die heiligen Orte der Juden, Christen und Moslems sind bis
heute umkämpft und umstritten, die Schauplätze religiöser Offenbarung sahen
Tod und Verzweiflung, die prächtigen Sakralbauten fielen dem Feuer der Feinde oder der Gewalt der Natur zum Opfer, und doch haben die Gläubigen an
ihren heiligen Stätten festgehalten, haben sie allen Widrigkeiten zum Trotz ihre
346
Grabar, 1999, S. 281ff.
171
Synagogen, ihre Kirchen, ihre Moscheen in Jerusalem wieder aufgebaut und
ihre Gebete wieder aufgenommen.
Während dem heiligen Grab auf Golgatha im 19. Jahrhundert noch eine späte Konkurrenz erwuchs, die jedoch die Bedeutung des heiligen Berges nicht zu
schmälern vermochte,347 war der jüdische Glaube an die Macht Zions vielen
Juden schon bloßes Ritual als sein Name im 20. Jahrhundert zum politischen
Manifest eines modernen Staates Israel wurde. Die islamischen Bauten auf
dem Haram, die in ihrer bestechenden Schönheit die Blicke auf sich lenken,
wie auch die die Klagemauer symbolisieren dagegen im kollektiven Bewusstsein unserer Zeit den andauernden Kampf in dem zerrissenen Land des einen
Gottes. Die Kraft der heiligen Berge Jerusalems aber ist ungebrochen.
347
Walker, 2000, S. 118ff. Im 19. Jh. wurde außerhalb der Jerusalemer Altstadt ein Gartengrab
gefunden, dass bis heute von manchen Theologen und Archäologen als mögliches Grab Jesu
gesehen wird. Touristen und Pilger können das Gartengrab als Alternative zur Grabeskirche
besuchen.
172
Abb. 13: Die strahlende Kuppel des Felsendomes dominiert den Anblick der heiligen
Stadt. Im Vordergrund ist die Klagemauer zu sehen, die Westmauer der ehemaligen
herodianischen Tempelplattform, im Hintergrund die Kuppe des Ölberges.
173
Anhang
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Abb. 2: Ebd., S. 73.
Abb. 3: Ebd., S. 192.
Abb. 4: Nach Ebd., S. 200.
Abb. 5: Ebd., S. 240.
Abb. 6: Jürgen Krüger: Die Grabeskirche zu Jerusalem. Geschichte – Gestalt – Bedeutung, Regensburg 2000, S. 48.
Abb. 7: Patrizia Raffin: Faszinierende Städte. Jerusalem, aus d. Ital. übers. v. Elisabeth
Neu, Frankfurt a.M. 1992, S. 54.
Abb. 8: Armstrong, 1996, S. 288.
Abb. 9: Herbert Donner/Heinz Cüppers: Die Mosaikkarte von Madeba. Teil I: Tafelband (Abhandlungen des Deutschen Palästinavereins, hg. v. Arnulf Kuschke,
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Abb. 10: Heinrich Karpp (Hg.): Die frühchristlichen und mittelalterlichen Mosaiken in
Santa Maria Maggiore zu Rom, Baden Baden 1966, Abb. 27.
Abb. 11: Armstrong, 1996, S. 344.
Abb. 12: Nach Krüger, 2000, S. 74.
Abb. 13: Ariel Lewin (Hg.): Palästina in der Antike, aus d. Ital. übers. v. Karin Schuler, Stuttgart 2004, S. 47.
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