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Liebe hinter Gittern | Manuskript Liebe hinter Gittern Bericht: Thomas Kasper Wenn Alexandra mit dem Auto unterwegs ist, dann ist ein bisschen auch ihr Mann Freddy mit dabei. Alexandra: „Die sind noch von meinem Dickchen. Die bleiben auch drinne. Das ist so ein Stück Erinnerung. Denn dann denk ich mir: gleich kommt er und will mit dem Auto los. Nein, das bleibt. Das gehört zu ihm. Das bleibt drinne.“ Die Sachen ihres Mannes erinnern sie an bessere Zeiten, damals, als ihr „Dickchen“ noch auf freiem Fuß war. Alexandra: „Dreckig und knorpelig, aber das bleibt das jetzt drinne.“ Alexandras Mann sitzt im Knast. Weswegen, will sie uns nicht erzählen. Das sei lange her. Heute ist Besuchstag – endlich ein Tag zum Freuen. Alexandra: „Eine Stunde. Gott sei Dank keine Schulstunde, sondern genau 60 Minuten.“ Seit drei Wochen hat Alexandra ihren Ehemann nicht mehr gesehen. Für sie ist er kein Krimineller, sondern ihr Liebster und der fehlt ihr - immer und überall. Alexandra: „Weil, es fehlen ja die Berührungen, es fehlen ja die Zärtlichkeiten so dass man sich mal umarmt, küsst, das fehlt ja alles. So. Und ich kann mir ja kein Plüschtier schnappen um mir Nähe zu suchen und Wärme und das ganze Drumherum. Das sind alles so… das hab ich nicht.“ In der Justizvollzugsanstalt Burg sind etwa 600 Männer inhaftiert. Das Gefängnis ist SachsenAnhalts zentrale Anstalt für langjährig Verurteilte, die Gewalttaten verübt haben. Irgendwo hinter diesen sechs Meter hohen Mauern liegt auch die Zelle von Freddy, Alexandras Mann. Gleich sieht ihn die 46-Jährige wieder. Und ich freu mich. Jaaa. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 1 Liebe hinter Gittern | Manuskript Alexandra und ihre Tochter Myra trennen jetzt noch vier Sicherheitsschleusen und eine Leibesvisitation vom lange angemeldeten Besuch. Auch Janetts Mann sitzt in Burg. Zwei Jahre und acht Monate wegen versuchten Diebstahls, erzählt sie uns. Alltagsprobleme muss Janett nun alleine meistern. Janett: „Pass uff, rammele dich hier nicht, weil das so niedrig ist.“ … der mit dem abgestellten Strom zum Beispiel. Janett: „Gucke hier, am 3.5.2016 haben sie den abgestellt.“ Ummeldungen, Behördenpost beantworten, Rechnungen pünktlich bezahlen – von all solchen Dingen ist Janett überfordert. Immerhin, Strom bekommt sie jetzt „geborgt“, angezapft zwei Etagen tiefer, hier wohnt ihr Bruder. Janett: „Damit ich wenigstens telefonieren kann mit Ingo. Sonst kann der mich gar nicht anrufen. Geht doch nicht. Hier haben wir das Kabel durchgelegt, da hinten und hier die Kabelrolle. Denn ich muss die ja hier hinten, wegen dem Gerät, wegen dem Telefon, sonst kann ich nicht telefonieren. Und da ist noch ganz viel, viel, viel Arbeit.“ Sie hatten gerade erst den Mietvertrag für diese neue Wohnung unterschrieben, als Ingo verhaftet wurde. Renovieren und umziehen – das machte Janett dann allein. Janett: „Naja, was willste denn machen? Und natürlich bin ich mit dem Handwagen die Nacht hoch – runter, hoch – runter, von Tageweber, mit dem Handwagen…mit dem Umzug.“ Ortswechsel. Zurück zur JVA Burg. Alexandras Besuchszeit ist vorüber. Wehmut und Ärger liegen in der Luft. Mal wieder seien sie sehr unangenehm gewesen – die Personenkontrollen durch Vollzugsbeamte. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 2 Liebe hinter Gittern | Manuskript Alexandra: „Da wird am BH gezogen, meine Tochter haben sie hinten in den Schlüpfer reingeguckt. Ich meine, genug Sicherheitsvorrichtungen sind ja, muss man sich denn so behandeln lassen? Und schlimmer für mich ist, wenn mich die Frau durchsucht, dass der Mann dann noch gegenübersteht und zuguckt, wie man durchsucht wird, ist kopfmäßig so, wie eine sexuelle Belästigung, kann ich dazu nur sagen.“ Wir treffen den Gefängnisdirektor, der betont: Besuch ist wichtig für die Gefangenen. Er könne aber nicht großzügiger behandelt werden. Die Beamten hätten da einschlägige Erfahrungen. Thomas Wurzel: „Die Männer sind bei der Durchsuchung anwesend, kontrollieren oder durchsuchen aber nicht die Frauen, sondern die Frauen werden von weiblichen Kolleginnen durchsucht. Aber die Kontrolle zur Gewährleistung der Sicherheit ist unumgänglich, zumal wir immer wieder feststellen, dass Angehörige doch versuchen, Bargeld mit hineinzubringen, das selbst Angehörige versuchen, Drogen zu übergeben oder Handys und insofern sind Kontrollen unentbehrlich.“ Auf jeden Fall war Alexandras Mann Freddy heute gut drauf. Zwei Jahre hat er noch – noch 24 Besuche bis zum Happy End Alexandra singt: „Das mit uns geht so tief rein. Das kann nie zu Ende sein.“ Was jeder Vollzugsmitarbeiter weiß: die Verbindung zu den Angehörigen ist wichtig für die spätere Resozialisierung von Straftätern. Aber viele Familien fühlen sich wenig unterstützt. Alexandra singt: „Ein neuer Tag. Hinterm Horizont immer weiter. Zusammen sind wir stark“ Auch Janett besucht einmal pro Monat ihren Mann im Gefängnis. Für die Fahrt von Weißenfels nach Burg und zurück bezahlt sie 60 Euro. Janett: „Ich kann es mir normal, nur einmal, und das könnte ich mir normal nicht leisten. Aber dann tut mein Bruder, der tut mir noch was zusteuern, also der ist auch Hartz IV Empfänger. Aber wir tun uns dann immer gegenseitig, im ganzen Monat, dass wir über die Runden kommen und das geht dann schon.“ Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 3 Liebe hinter Gittern | Manuskript Oft haben die Züge Verspätung, dann ist der Anschlussbus weg. Den Weg bis zur JVA läuft Janett an solchen Tagen. Sieben Kilometer, ein Wettrennen gegen die Zeit, denn, kommt sie zu spät, wird der Besuch gestrichen, so wie kürzlich wieder. Janett: „Und dann bin ich hier angekommen und da war einer drinne, der hat gesagt, wenn ich Sie jetzt reinlasse, halbe Stunde. Kontrolle, das lohnt nicht, können Sie gleich wieder gehen. Das 1. Mal bin ich gegangen. Da bin ich von Weißenfels hierhergefahren und dann das 2. Mal hatte ich genau denselben Termin gehabt, da bin ich wieder her und genau dasselbe, da wollten sie mich wieder ablaufen lassen. Da hab ich gesagt, jetzt werde ich nicht wieder gehen. Es kann nicht sein, ich kann nicht mein Geld hier rausschmeißen. Ich will bei meinem Mann.“ Die Besuchszeiten sind eng getaktet und sehr personalaufwendig, sagt uns die Gefängnisleitung. Terminverschiebungen seien leider ein großes Problem. Wieder in Weißenfels bei Janett zu Hause. Sie fühlt sich einsam und irgendwie mitbestraft. Zum Glück kann ihr Ingo vormittags und am frühen Abend telefonieren. Wenn er nicht arbeitet oder die Schlange an der Telefonzelle zu lang ist. Telefonat „Ingo. Wir sind gerade heim, Mausi. Und Brauni ist auch da. Ich habe ihm gesagt, dass ich bei dir war heute. Ja, er freut sich. Horche mal Brauni, horch.“ Telefonstimme, Ingo: „Komm mal her mein Guter, na komm. Komm mal hier her.“ Janett: „Oh, gucke mal, der Papa. Hier, guck, horch. Dann bis morgen, ich lieb, vermiss dich, bis morgen, schlaf schön. Tschüss und iss nicht so viel in der Küche. Tschüss, ich lieb dich.“ Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 4