Verschleißuntersuchungen an schnelllaufenden Extrudern
Transcrição
Verschleißuntersuchungen an schnelllaufenden Extrudern
Verschleißuntersuchungen an schnelllaufenden Extrudern M. Rudschuck, E. Leimann, G. Geertz Deutsches Kunststoff-Institut Schloßgartenstr. 6 D-64289 Darmstadt Kurzfassung In den letzten Jahren tendierte die Kunststoffverarbeitung zu Plastifiziereinheiten mit immer größeren Leistungsdaten und damit zu schnelllaufenden Extrudern. In der Praxis wird deutlich, dass Defizite bei der Werkstoffentwicklung, insbesondere bei verschleißoptimierten Materialien, vorhanden sind. Diese zu beheben setzt fundierte Kenntnisse der relevanten Verschleißprozesse voraus. Deshalb wurde im Rahmen dieses Projektes der adhäsive Verschleiß in schnelllaufenden Extrudern untersucht, der als die Hauptursache für die derzeitigen Schwierigkeiten gesehen wird. Ein zentraler Punkt der Arbeit war die Konstruktion und der Aufbau eines sog. Ringspalttribometers. Hierbei handelt es sich um eine Modellprüfapparatur zur Bestimmung des adhäsiven Verschleißes. Das Ringspalttribometer wurde speziell für hohe Drehzahlen, wie sie in schnelllaufenden Extrudern vorkommen, optimiert. Durch eine Veränderung der Probenkörpergeometrie gegenüber den bisher verwendeten Apparaturen konnte die oberflächenanalytische Auswertung erleichtert und präziser gestaltet werden. Durch die systematische Untersuchung von Formmassen mit unterschiedlichen abrasiven Füll- und Verstärkungsstoffen mit Hilfe der neu entwickelten Apparatur konnte gezeigt werden, dass der Verschleiß an den Probekörpern tatsächlich überwiegend auf adhäsiven Verschleiß zurückzuführen ist. Abrasive und korrosive Anteile sind untergeordnet. Für den adhäsiven Verschleiß ist die Tragfähigkeit der Kunststoffschmelze maßgeblich. Die bisherigen Untersuchungen zielten darauf ab, die Tragfähigkeit in Abhängigkeit von Verfahrensparametern wie Schmelzetemperatur und -druck zu analysieren. Es zeigte sich dabei, dass diese Parameter die Tragfähigkeit nicht nennenswert beeinflussen. Im Rahmen dieser Arbeit stellte sich heraus, dass die Oberflächenspannung einen Schlüsselparameter für den adhäsiven Verschleiß darstellt. Ähnlich wie bei Schmiermitteln in Radialgleitlagern kann der adhäsive Verschleiß durch benetzende Formmassen wie Polyamide reduziert werden. Bei unpolaren, nicht benetzenden Formmassen wie Polyolefinen kommt es zu einem erhöhten adhäsiven Verschleiß. Einleitung Die Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts bei der Verarbeitung von Kunststoff-Formmassen erfordert die Bereitstellung leistungsfähigerer Plastifiziereinheiten [1-4]. Innerhalb der Einschneckenextrusion werden Schnellläufer oder auch Extruder mit schnelllaufender Extruderschnecke heute immer noch nicht als Stand der Technik angesehen, während der Schnellläufer bei der Doppelschneckenextrusion inzwischen etabliert ist [5]. Je nach Definition werden Extruder als 1 schnelllaufend bezeichnet, die entweder mit Drehzahlen oberhalb von 300 min−1 betrieben werden, oder die eine Umfangsgeschwindigkeit von mehr als 1 m/s besitzen [5]. Die Erhöhung der Schneckendrehzahl bietet aus wirtschaftlicher Sicht eine interessante Lösung, weil auf diese Weise gegenüber der Alternative eines größeren Extruders geringere Invesitionskosten, insbesondere für Schnecke, Zylinder und Getriebe, anfallen. Problematisch ist, dass durch die Erhöhung der Schneckendrehzahlen die Gefahr des Anlaufens der Schnecke an die Zylinderwand und eines hieraus resultierenden Verschleißes erhöht wird. Generell ist Verschleiß oft eine Überlagerung von Abrasion, Adhäsion und Korrosion. Er beeinträchtigt die Produktivität von Kunststoffverarbeitungsmaschinen erheblich [6]. Diese allmähliche oder gar plötzliche Schädigung mindert die Zuverlässigkeit und Lebensdauer der Plastifiziereinheiten. Daraus resultiert die Aufgabe, das Verschleißgeschehen an den Funktionsgruppen der Maschinen zu erfassen und durch geeignete Maßnahmen zu beeinflussen [7]. Zur Untersuchung der Schädigungen durch die verschiedenen Verschleißarten wurden vielfältige Prüfmethoden bzw. Prüfapparaturen entwickelt und eingesetzt. Im Anwendungsbereich der Plastifiziereinheiten gliedern sich die Prüfmethoden prinzipiell nach Verschleiß durch plastifizierte und feste Formmassen, Korrosion und Metall-Metall-Kontakt [8]. In früheren vom Deutschen Kunststoff-Institut durchgeführten Studien [9] wurde beschrieben, dass ca. 40 % aller verschleißbedingten Ausfälle durch adhäsiven Verschleiß verursacht wurden. Insbesondere bei der Verarbeitung von Polyolefinen wie PE-LLD auf Extrudern kommt es immer wieder zu schwerwiegenden Verschleißschäden durch adhäsiven Verschleiß [10]. Neben konstruktiven und verfahrenstechnischen Gründen für das Anlaufen von Schnecke und Zylinder kann ein weiterer Grund die mangelnde Tragwirkung der Schmelze sein. Dies wird z. B. bei PE-LLD vermutet [11]. Hierfür sprechen auch die im Vergleich zu PE-LD etwas anderen rheologischen Eigenschaften. Ausgehend von diesen Erkenntnissen wurde am Deutschen Kunststoff-Institut eine Prüfapparatur, das sogenannte Ringspalt-Tribometer, entwickelt und gebaut [12]. In der industriellen Praxis geht der Trend bei den Plastifizereinheiten zu immer höheren Drehzahlen. Bei heutigen schnelllaufenden Extrudern können Drehzahlen von bis zu 1200 min−1 erreicht werden [5,13]. Um den Verschleiß in diesen Extrudern praxisgerecht nachzustellen, ist eine Neukonstruktion des Ringspalttribometers und die Anpassung an die veränderten Verarbeitungsbedingungen notwendig geworden. Ziel des Projektes war die Entwicklung und Erprobung einer neuen Verschleißprüfapparatur zur Bestimmung des adhäsiven Verschleißes zwischen Schneckensteg und Zylinderwand in schnelllaufenden Extrudern. Vielfach werden einfache Verfahren wie Verschleißversuche mit Reibrädern eingesetzt, um den Verschleiß zwischen Schnecke und Schneckensteg zu simulieren. Hier muss allerdings berücksichtigt werden, dass dabei sowohl Temperatureinflüsse, als auch der Einfluss der Polymerschmelze nicht erfasst werden. Die Aussagekraft solcher Versuche ist somit nur beschränkt auf eine reale Plastifiziereinheit übertragbar. Bisher gibt es keine Möglichkeiten, insbesondere die Einflüsse des Polymers, der Additive und der Füllstoffe auf den adhäsiven Verschleiß zu untersuchen. Gerade für viele Kunststoffverarbeiter liegt hier eine Gefahr, da schon kleine Änderungen in der Additivierung zu einer deutlichen Zunahme von Verschleiß- und Korrosionsschäden führen können [14]. Aus diesem Grund ist es notwendig eine Modellprüfapparatur zu 2 entwickeln, die das tribologische System ,,Zylinder-Schnecke" bei gleichzeitiger Anwesenheit von Polymerschmelze beschreibt. Tribologische Grundlagen In der Kunststoffverarbeitung werden zahlreiche Fertigungsverfahren angewendet, wobei die unterschiedlichsten Verschleißvorgänge auftreten. Der in einem speziellen Fertigungsverfahren auftretende Verschleiß resultiert immer aus einer komplexen Beanspruchung der Werkstoffoberflächen, welche sich aus mechanischen, thermischen und chemischen Komponenten zusammensetzt. Da Verschleiß in der Regel mit örtlich begrenzten hohen Energieumsätzen verbunden ist, sind besonders die sog. Urformverfahren wie Spritzgießen und Extrudieren von Verschleißschäden betroffen [7]. Bei der Verarbeitung von Kunststoff-Formmassen spielt der Verschleiß an Komponenten wie Schnecken und Zylindern eine erhebliche wirtschaftliche und technologische Rolle. Die tribologischen Bedingungen innerhalb einer von Schnecke und Zylinder gebildeten Plastifiziereinheit sind dabei von komplexer Natur [18]. Für eine Analyse der in einer Plastifiziereinheit auftretenden Verschleißarten bzw. mechanismen lässt sich die in [19] beschriebene Einteilung, die auch in Abb. 1 dargestellt ist, heranziehen. In der Darstellung erkennt man, dass die Verschleißmechanismen je nach Verarbeitungszone variieren. Auch wird ein Verschleißtyp kaum allein vorkommen, sondern es werden sich zwei oder mehrere Verschleißmechanismen überlagern. Man erkennt außerdem, dass der zu untersuchende adhäsive Gleitverschleiß überwiegend in der Einzugszone (Trockengleitverschleiß) und der Meteringzone (Naßgleitverschleiß) vorliegt. Abb. 1: Grundlegende Verschleißarten und -mechanismen in Plastifiziereinheiten [19]. Adhäsiver Gleitverschleiß Adhäsiver Verschleiß entsteht dann, wenn sich zwei Reibpartner unter hohen örtlichen Flächenpressungen derart annähern, dass aufgrund von atomaren Haftkräften 3 eine kurzzeitige Verschweißung der beiden Partner eintritt [20]. Im Falle geringer Adhäsionskräfte zwischen den Reibpartnern wird in der ursprünglichen Berührebene abgeschert, ohne dass eine Schädigung entsteht. Bei hohen Haftkräften wird die Scherebene in die Ebene minimaler Scherfestigkeit des weicheren Reibpartners verlagert, und es kommt zu Werkstoffausbrüchen [17], [21]. An den Plastifiziereinheiten können Betriebszustände auftreten, bei denen sich Schnecke und Zylinder unter hohen örtlichen Flächenpressungen berühren [22]. Fehlt dabei ein Zwischenstoff mit Trenn- bzw. Schmiermittelwirkung oder werden ein vorhandener Schmiermittelfilm und die artfremde Grenzschicht der Metalloberfläche durchbrochen, kommt es zwangsläufig zum adhäsiven Verschleiß [23]. Dieser führt bei ungeeigneten Paarungen schnell zum Fressen und letztendlich zum Totalausfall (siehe Abb. 2) [24]. Abb. 2: Schädigungen auf Schneckenstegen hervorgerufen durch adhäsiven Gleitverschleiß. Die gezeigten Schädigungen durch adhäsiven Gleitverschleiß treten in Kunststoffverarbeitungsmaschinen beim Kontakt zwischen Zylinderwand und Schneckensteg auf [25], [26]. Mögliche Ursachen für das Anlaufen von Schnecke und Zylinder sind z. B.: • • • Durchbiegung der fliegend gelagerten Schnecke, bedingt durch ihr Eigengewicht. Ausknicken der Schnecke infolge hoher Axialkraft (Einspritzvorgang bei Spritzgießmaschinen). Asymmetrische radiale Druckverteilung um die Schnecke in Abhängigkeit der Gangsteigung (z. B. Doppelschneckenextruder, An- und Leerfahren von Plastifiziereinheiten). 4 • • • Fluchtungsfehler zwischen Schnecke und Zylinder bzw. Rundlaufungenauigkeiten der Schneckenwelle. Verzug des Zylinders durch ungleichmäßige Heizung bzw. Kühlung. Mangelnde Schmierwirkung der Kunststoffschmelze. Um die Schäden durch adhäsiven Gleitverschleiß möglichst gering zu halten, müssen geeignete Werkstoffe für Schnecke und Zylinder gefunden werden, die unter den spezifischen Umgebungsbedingungen gute Notlaufeigenschaften aufweisen. Weitere Möglichkeiten bieten konstruktive und verfahrenstechnische Maßnahmen, wohingegen Änderungen der Rezeptur der zu verarbeitenden Formmasse zur Erzielung einer besseren Schmierwirkung oder einer höheren Tragfähigkeit anzustreben, aber in Hinsicht auf die gewünschte Eigenschaft des Endproduktes meist abzulehnen sind. Modellprüfapparaturen Mit Hilfe von Prüfapparaturen sollen unter praxisnahen Bedingungen zwei wichtige Fragen geklärt werden: • • Welche Werkstoffpaarungen weisen bei Anwesenheit von Polymeren als Zwischenmedium gute Notlaufeigenschaften auf? Welchen Einfluss übt die Schmierwirkung der Polymerschmelze aus und wie lässt er sich charakterisieren? Zur Beantwortung dieser Fragen lassen sich prinzipiell einfache Modellprüfapparaturen einsetzen, die auf den bekannten Prinzipien Stift/Scheibe, Kugel/Scheibe, Platte/Walze oder ähnlichen beruhen [27-28]. Solche Anordnungen, wie sie auch aus der Schmiermittelprüfung bekannt sind, ermöglichen es, die Notlaufeigenschaften verschiedener Werkstoffpaarungen zu überprüfen, wobei der Einfluss des Zwischenmediums Kunststoffschmelze nicht in zufriedenstellender Weise berücksichtigt wird. Reinhard [19] benutzte für Verschleißuntersuchungen eine Platte/Walze-Apparatur, wobei der Einfluss eines polymeren Zwischenmediums durch einen gegen die Walze gepreßten Kunststoffstift nachgebildet wird. Dabei erhöhte sich selbst bei geringen Anpreßkräften die Tragfähigkeit derart, dass keine Verschleißmarken an Platte und Walze festzustellen waren. Saltzmann und Olson [29] untersuchten ebenfalls auf einem Platte/Walze-Tribometer das Verschleißverhalten von Schnecken- und Zylinderwerkstoffen mit einer WasserÖl-Emulsion als Zwischenstoff. Die Resultate dieser Untersuchungen waren nicht konsistent und sind nur unter Vorbehalt auf die Situation in Kunststoffverarbeitungsmaschinen zu übertragen, da das Zwischenmedium nicht praxisgerecht war. Die Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Modellversuchen auf die reale Plastifiziereinheit ist nur bei Anwesenheit einer Kunststoffschmelze zwischen den Reibpartnern gegeben. Zur Realisierung von praxisnahen Bedingungen ist eine spezielle Apparatur erforderlich. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich eine Hauptforderung an die Modellprüfapparatur: Das in der Praxis vorliegende Tribosystem muss mit der Apparatur möglichst genau nachgebildet werden. Damit sind in erster Linie die Strömungsverhältnisse im Spalt (Druck, Temperatur, Geometrie) zwischen Schnecken- 5 steg und Zylinderwand gemeint. Als weitere Grundforderungen, vor allem im Hinblick auf die Messergebnisse, müssen genannt werden: • • • Gleichheit der Stoffpaarung und des Oberflächenzustandes bzw. des Benetzungsverhaltens durch die Kunststoffschmelze. Angenäherte Übereinstimmung des mechanisch-thermischen Beanspruchungszustands in der Kontaktfläche unter Berücksichtigung des Schmierungszustandes. Gleichheit und Annäherung der Verschleißraten an praxisbezogene Werte. An die Apparatur ist daher ein Extruder anzuschließen, der ständig Kunststoff durch den Ringspalt fördert. Grundprinzip und Aufbau der Prüfapparatur Das Ringspalt-Tribometer (Abb. 2.4) ist prinzipiell eine Nachbildung des tribologischen Systems Schneckensteg/Zylinderwand [35]. Dabei werden die realen Kontaktpartner durch koaxial angeordnete Ringe ersetzt. Diese bilden einen Ringspalt, durch den die Kunststoffschmelze gefördert wird. Während der auf der rotierenden Tribometerwelle axial verspannte Innenring an die Stelle des Schneckenstegs tritt, stellt das feststehende Gehäuse mit einem verschiebbaren Plättchen den korrespondierenden Teil der Zylinderwand dar. Das Plättchen ist in einem Probekörperhalter untergebracht. Der Spalt zwischen den beiden Probekörpern stimmt mit dem einer realen Plastifiziereinheit überein. Durch eine Parallelverschiebung der Achsen (bzw. des Plättchens relativ zum Innenring) wird eine Exzentrizität erzeugt und der metallische Kontakt hergestellt. So kann das Verschleißverhalten bei definierter Anpreßkraft untersuchen werden. Zur Charakterisierung der Tragfähigkeit der Kunststoffschmelze dient diejenige Belastung, bei der unter den gegebenen Verarbeitungsbedingungen der Schmierfilm abreißt und metallischer Kontakt auftritt [32]. Zur Simulation des Anlaufens von Schnecke und Zylinder wird der Probekörperhalter mit dem Plättchen radial verschoben und dadurch eine Exzentrizität im Ringspalt hervorgerufen. Dies geschieht mit Hilfe eines Schiebers und eines Gewichtes, welches eine maximale Anpresskraft von 500 N ausübt. Die zu diesem Zeitpunkt aufgebrachte Anpresskraft gilt als die charakteristische Tragfähigkeit der Kunststoffschmelze bei den eingestellten Betriebsbedingungen. Die Hauptmessgröße beim Ringspalttribometer ist der Gewichtsverlust der beiden Ringe, der durch Differenzmessung zu bestimmen ist. Zusätzliche Interpretationshilfen sind raster- und lichtmikroskopische Aufnahmen und die Oberflächentopographie der verschlissenen Flächen [33-34]. Um die für das Projekt notwendigen hohen Drehzahlen zu erreichen, wurde ein schnelllaufender Einschneckenlaborextruder verwendet. Die entsprechenden Daten finden sich in der Tabelle 1. Die Abb. 4 zeigt das Ringspalttribometer im Einbauzustand an dem schnelllaufenden Extruder, sowie die entsprechende Konstuktionsskizze. 6 Abb. 4: Neues Ringsspalttribometer im Einbauzustand an einem schnelllaufenden Extruder (links: Einbauzustand, rechts: Konstruktionsskizze). Tabelle1: Kennwerte des verwendeten Extruders Hersteller Dr. Collin GmbH Typ Schneckendurchmesser Schneckenlänge Antriebsleistung Schneckendrehzahl Schneckendrehmoment Zylinderheizleistung Max. Druckbereich E 30S x 25 L/D 30 25 27 1200 310 4 × 2,2 600 [mm] [L/D] [kW] [min−1] [Nm] [kW] [bar] Verschleißversuche unter Schmelzeeinfluss Ein wichtiges Forschungsziel war die Untersuchung des Einflusses einer Kunststoffschmelze auf den adhäsiven Gleitverschleiß. Zu diesem Zweck wurde der Verschleiß einer Paarung eines Standardwerkstoffes untersucht. Als Werkstoff wurde bei diesen Versuchen Stahl des Typs 1.8550 verwendet, der ionitriert wurde. Die Härte der Stahlproben betrug rund 60 HRC bei einer Nitriertiefe von 0,7 mm. 7 PBT PP PE PA-6 GF40 PA-6 GF30 PA-6 GK30 PA-6 GK20,5 PA-6 GK15 PA-6 SiC PA-6 PA-6,6 GF40 PA-6,6 PMMA 0 0,5 1 1,5 Verschleiß mm 2 2,5 3 Abb. 5: Gesamtüberblick über den Verschleiß durch verschiedene Formmassen (Innenring 1.8550 ion., Plättchen 1.8550 ion., 5 kg nominelle Belastung, 600 min−1, 3000 Umdrehungen). Einfluss von Glasfasern und Füllstoffen Aufgrund des Kontaktes der beiden metallischen Probekörper und des sich verengenden Spaltes zwischen den Probekörpern stellt sich die Frage, inwieweit hier Glasfasern oder andere Füllstoffe das Verschleißverhalten beeinflussen. Denkbar sind sowohl eine Reduktion des Verschleißes, da der direkte Metall-Metall-Kontakt vermieden wird, als auch eine Erhöhung, da der Spalt im Bereich der Probekörper kleiner ist als die Abmessungen der Füll- und Verstärkungsstoffe. Aus diesem Grund wurde eine Versuchsserie durchgeführt, die den Verschleiß unter Einfluss von verschiedenen Kunststoffschmelzen mit unterschiedlichen Füllstoffen untersucht. Die Abb. 6 gibt einen Überblick über die verschiedenen Formmassen und deren experimentell bestimmten Verschleiß. 8 3 PA-6 SiC PA-6 GF40 PA-6 GF30 PA-6 GK30 PA-6 GK20,5 PA-6 GK15 PA-6 PA-6,6 GF40 PA-6,6 0 0,5 1 1,5 Verschleiß, mm 2 3 Abb. 6: Gesamtüberblick über den Verschleiß durch verschiedene Polyamide (Innenring 1.8550 ion., Plättchen 1.8550 ion., 5 kg nominelle Belastung, 600 min−1, 3000 Umdrehungen). Der Abb. 6 ist zu entnehmen, dass der Verschleiß der Probekörper bei allen Formmassen etwa in der gleichen Größenordnung liegt. Die höchste Abrasivität zeigen Formmassen mit Glasfasern, gefolgt von Glaskugeln und den entsprechenden ungefüllten Formmassen. Da keine großen Unterschiede zwischen gefüllten und ungefüllten Formmassen vorhanden sind, kann man davon ausgehen, dass der Verschleiß überwiegend auf adhäsiven Verschleiß zurückzuführen ist. Ein abrasiver Mechanismus, z. B. durch das Einziehen der Glasfasern in den Kontaktbereich zwischen Plättchen und Ring und eine hieraus resultierenden Mischreibung, ist offensichtlich untergeordnet. Einfluss der Oberflächenspannung Bei älteren Untersuchungen mit dem Ringspalttribometer [35] konnte keine ausgeprägte Abhängigkeit der Schmelzetragfähigkeit von Massendurchsatz, Schmelzedruck und Schmelzetemperatur gefunden werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde zunächst die Abhängigkeit des Verschleißes von der Viskosität der Formmasse untersucht. Die Abb. 7 zeigt die entsprechenden Ergebnisse. Es ist zu erkennen, dass es keine Korrelation zwischen der Schmelzeviskosität und dem Verschleiß gibt. 9 2,5 Abb. 7: Verschleiß in Abhängigkeit der Viskosität bei Verarbeitungsbedingungen (1.8550 ion., 5 kg nominelle Belastung, 600 min−1, 3000 Umdrehungen). Offensichtlich wird die Tragfähigkeit und dadurch der Verschleiß durch einen anderen Parameter beschrieben. Von Schmierstoffen [20] ist bekannt, dass die Gleit- und Tragfähigkeit in erheblichem Maße von der Oberflächenbenetzung der Reibpartner abhängig ist. Aus diesem Grund wurde der Verschleiß durch verschiedene Formmassen unterschiedlichster chemischer Zusammensetzung bestimmt. Die Abb. 8 zeigt die Ergebnisse dieser Untersuchungen. Die einzelnen Formmassen sind dabei nach ihrer Oberflächenspannung (bei Raumtemperatur) sortiert. Die Daten für die Oberflächenspannungen wurden aus der Literatur übernommen [35-40]. Der Abbildung 8 kann entnommen werden, dass es zwei Gruppen von Formmassen gibt, die ähnlich wie bei der Klassifikation über den Härteunterschied, zu einer Verschleißhoch- und -tieflage führen. Vom Bedrucken von Stahlkörpern ist bekannt, dass für eine hinreichende Haftung von Farben und Lacken diese eine minimale Oberflächenspannung von etwa 44 mN/m aufweisen müssen [41]. Bei kleineren Oberflächenspannungen kommt es zu einer ungenügenden Benetzung der Stahl- 10 oberfläche. Man kann der Abbildung 8 entnehmen, dass der Übergang von der Verschleißhochlage zur Verschleißtieflage etwa bei dieser Oberflächenspannung erfolgt. Hieraus kann geschlossen werden, dass durch die Benetzung der Stahloberfläche der Verschleiß zurückgedrängt werden kann. Abb .8: Verschleiß in Abhängigkeit der Oberflächenspannung der Formmassen (1.8550 ion., 5 kg nominelle Belastung, 600 min−1, 3000 Umdrehungen). Die Daten für die Oberflächenspannungen (Raumtemperatur) wurden [41] entnommen. Zusammenfassung und Ausblick Aufgrund der immer weiter steigenden Anforderungen an Plastifiziereinheiten und dem Trend zu schnelllaufenden Extrudern wurde der adhäsive Verschleiß zwischen Schneckensteg und Zylinderwand bei hohen Umdrehungszahlen untersucht. Ein Projektziel war die Entwicklung und der Bau einer Modellprüfapparatur zur Analyse des Systems ,,Zylinder-Schnecke" beim Verschleiß in Kunststoffverarbeitungsmaschinen. Hierzu wurde in der ersten Phase des Projektes das sog. Ringspalttribometer aufgebaut. Bei diesem Tribometer handelt es sich um eine neue Konzeption, welches es erlaubt, den Verschleiß in Plastifiziereinheiten bei hohen Temperaturen, hohen Umdrehungszahlen und gleichzeitiger Beaufschlagung von Polymerschmelze zu untersuchen. Die Adaption des Ringspalttribometers an einen handels- 11 üblichen Extruder und der modulare Aufbau der Prüfapparatur ermöglichen Prüfungen bei nahezu beliebigen Prüfbedingungen (Drehzahl, Druckgefälle, Temperatur) und eine nahezu beliebige Gestaltung des Ringspaltes. Mit Hilfe von Schnellverschlüssen kann die Apparatur im heißen Betriebszustand der Anlage zügig auseinander- und zusammengebaut werden, so dass ein schneller Wechsel der Probekörper erfolgen kann. Gegenüber den am DKI verwendeten Tribometern älterer Bauart wurde die Probekörpergeometrie verbessert, was die oberflächenanalytische Auswertung der Probekörper erleichtert, einen schnelleren Probewechsel ermöglicht und7 eine einfachere Handhabung der Apparatur erlaubt. In der zweiten Projektphase wurden mittels dieses Tribometers systematische Untersuchungen zum adhäsiven Verschleiß unter Einwirkung von Formmassen mit unterschiedlichen abrasiven Füll- und Verstärkungsstoffen durchgeführt. Es konnte gezeigt werden, dass der Verschleiß an den Proben überwiegend adhäsiver Art ist, obwohl sie mit Polymerschmelze beaufschlagt waren. Abrasive und korrosive Anteile sind untergeordnet. Für den adhäsiven Verschleiß ist die Tragfähigkeit der Kunststoffschmelze maßgeblich. Die bisherigen Untersuchungen zielten darauf ab, die Tragfähigkeit in Abhängigkeit von Verfahrensparametern wie Schmelzetemperatur und -druck zu analysieren. Es stellte sich heraus, dass diese Parameter die Tragfähigkeit nicht nennenswert beeinflussen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde gezeigt, dass die Oberflächenspannung ein Schlüsselparameter für den adhäsiven Verschleiß darstellt. Ähnlich den Schmiermitteln in Radialgleitlagern kann der adhäsive Verschleiß durch benetzende Formmassen wie Polyamide reduziert werden. Bei unpolaren, nicht benetzenden Formmassen wie Polyolefinen, kommt es zu einem erhöhten adhäsiven Verschleiß. Mit Abschluss des Projektes steht eine leistungsfähige Prüfmethode zur Verfügung, mit der kleine und mittelständische Unternehmen in die Lage versetzt werden, schnell und effizient verschleißoptimierte Werkstoffpaarungen zu untersuchen und auszuwählen. Danksagung Das Forschungsvorhaben Nr. 14219 N der Forschungsvereinigung Kunststoffe zum Thema „Modelluntersuchungen zum Verschleiß an schnelllaufenden Extrudern“ wurde im Programm zur Förderung der „Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie über die AiF gefördert. Anmerkung Dieser Artikel erscheint im Tagungsband zur Technomer 2007. 12 Literatur [1] WORTBERG, Johannes ; KACZMAREK, Dirk: A new high speed extruder with melt separation. In: Proceedings ANTEC, 2003, S. 356-360 [2] GRüNSCHLOß, E.: Helibar - Ein neuartiger Einschnecken-Extruder mit verbesserter Plastifizier- und Förderleistung. In: Proceedings: 17. Stuttgarter KunststoffKolloquium, 2001 [3] POTENTE, H. ; RECKERT, F.: The processing of renewable resources using a short single srew extruder with a combined section for conveying and plastication. In: Proceedings ANTEC, 2000, S. 292-296 [4] SWANBOROUGHT, Alan: Doppelschnecken-Compoundierextruder mit hohem spezifischen Drehmoment. In: Kunststoffberater (1992), Nr. 10, S. 34-37 [5] WORTBERG, Johannes ; KACZMAREK, Dirk ; GROSS, Carsten: Extrusionstechnik im Wandel. In: Kunststoffe (2003), Nr. 10, S. 159-167 [6] ALBECK, D.: Verschleiß in der Kunststofftechnologie, TU Darmstadt, Diplomarbeit, 1979 [7] MENNIG, Günter ; MENNIG, Günter (Hrsg.): Verschleiß in der Kunststoffverarbeitung. München : Carl Hanser Verlag, 1990 [8] MENNIG, G. ; VOLZ, P.: Verschleißprüfmethoden in der Kunststoffverarbeitung. In: Kunststoffe 70 (1980), Nr. 7, S. 385-390 [9] REINHARD, M.: Untersuchungen zu den Notlaufeigenschaften verschiedener Werkstoffe bei einer Paarung mit Nitrierstahl. Vortrag DKI-Arbeitskreis "Verschleiß", 19. Sitzung, Darmstadt 13. Mai 1986, 1986 [10] BORK, S.: Lineares Polyethylen niedriger Dichte (LLDPE) - Eigenschaften, Verarbeitung und Anwendung. In: Kunststoffe 74 (1984), Nr. 9, S. 474-486 [11] ISHIBASHI, J. ; KOBAYASHI, A. ; YOSHIKAWA, T.: Experimental Study of Extruding Behaviour against Material Property in the Filler Mixing by Intermeshing Co-Rotating Twin Screw Extruder (II). In: Journal of reinforced Plastics and Composites 17 (1998), Nr. 13, S. 1146-1154 [12] Kapitel Adhäsiver Gleitverschleiß beim Kontakt zwischen Schnecke und Zylinder in Kunststoffverarbeitungsmaschinen. In: PALLER, G.: Reibung und Verschleiß bei metallischen und nichtmetallischen Werkstoffen. 1989 (DGM), S. 115 [13] PöSCHL, Wolfgang: Generationswechsel - Schnell laufender Doppelschneckenextruder sorgt für hohe Durchsätze. In: Farbe & Lacke 105 (1999), S. 49-51 [14] RUDSCHUCK, M. ; IARSKAIA, E.: Modellprüfapparaturen zur Bestimmung des Verschleißes durch schmelzeförmige Kunststoffformmassen. In: Tagungsband der 46. TribologieFachtagung der GfT Bd. II. Göttingen, 2005, S. 37 13 [15] KURZYNSKI, J.: TRIBEX-Datenbank zur beanspruchungsgerechten Werkstoffauswahl bei tribologischen Beanspruchungen. In: Tagungsband Werkstoffprüfung. Frankfurt : DGM, Werkstoff-Informationsgesellschaft mbH, 2004, S. 105-110 [16] KURZYNSKI, J. ; ÜMIT, T. ; POHL, M. ; MOLA, M. ; HöHNER, R.: TRIBEX-Datenbank zur beanspruchungsgerechten Werkstoffauswahl bei tribologischen Beanspruchungen. Forschungsbericht Verlag und Vertriebsgesellschaft mbH, Düsseldorf : FOSTA Forschungsbericht, 2006 [17] Kapitel Allgemeine technische Verschleißvorgänge. In: KLOOS, K. H.: Verschleiß in der Kunststoffverarbeitung. München : Carl Hanser Verlag, 1990, S. 10 [18] MERIDIES, R. ; BASSNER, F.: Verschleiß an Schnecken von Spritzgießmaschinen bei der Vearbeitung von Kunststoffen. In: Plastverarbeiter 21 (1970), Nr. 7, S. 617-623 [19] REINHARD, M.: Leistungsbewertung und Einsatzmöglichkeiten von Werkstoffen für verschleißbeanspruchte Spritzgießmaschinen und Extruderbauteile, TH-Darmsatdt, Diss., 1981 [20] KRAGELSKI, I. W.: Reibung und Verschleiß. München : Carl Hanser Verlag, 1971 [21] KRAGESLKI, I. V. ; DOBYCIN, M. N. ; KOMBALOV, V. S.: Grundlagen der Berechnung von Reibung und Verschleiß. Müchen : Hanser, 1983 [22] MELDE, M.: Adhäsiver Verschleiß zwischen Schneckensteg und zylinderwand, FH Darmstadt, Diplomarbeit, 1996 [23] MURER, V. ; SALTZMANN, G. A.: Verschleiß bei Plastifiziereinheiten kunststoffverarbeitender Maschinen durch Metallreibung. In: Kunststoffe 66 (1976), Nr. 4, S. 219-220 [24] BRINKSCHRöDER, F. J. ; JOHANNABER, F.: Verschleiß an Plastifiziereinheiten bei der Thermoplastverarbeitung und Vorsorge / Bayer AG. Leverkusen, 1978 (47.107). - Anwendungstechnische Information [25] FRITZ, H.-G.: Verschleißuntersuchungen an Plastifiziereinheiten von Hohlkörperblasanlagen. In: Kunststoffe 65 (1975), Nr. 4, S. 176-182 [26] FRITZ, H.-G.: Verschleißuntersuchungen an Plastifiziereinheiten von Hohlkörperblasanlagen. In: Kunststoffe 65 (1975), Nr. 5, S. 258-264 [27] HACHMANN, H. ; STRICKLE, E.: Reibung und Verschleiß an der Gleitpaarung Kunststoff/Stahl bei Trockenlauf. In: Kunststoffe 59 (1969), Nr. 1, S. 45-50 [28] N.N.: ASTM G 64-94: Standard Test Method for Measuring Abrasions Using the Dry Sand/Rubber Wheel Apparatus. Annual Book of ASTM Standards, 1994 [29] SALTZMANN, G. A. ; OLSON, J. H.: Wear Resistance and Compatibility of Barrel and Screw Materials. In: S.P.E. Techn. Pap. 20 (1974), S. 173-175 14 [30] KNAPPE, W. ; MAHLER, W. D.: Modellversuche zum Verschleiß in Kunststoffverarbeitungsmaschinen. In: Kunstst. Rundsch 19 (1972), Nr. 2/3, S. 45-51 [31] GIEßE, A. ; SCHAFFNER, P.: Verschleißuntersuchungen am Ringspalttribometer. Studienarbeit, TH-Darmstadt, Deutsches Kunststoff- Institut, 1990 [32] DIETZE, M.: Konstruktion eines Systems zum schnellen Wechsel der Probekörper am Ringspalt-Tribometer. Studienarbeit, 1990 [33] JUNEMANN, Heinrich: Tribometrie: Prüf- und Messtechnik für Reibungs-, Verschleiß und schmierungsvorgänge. Expert- Verl., 1997 [34] KAZUHISHA, Miyoshi: Surface diagnostics in tribology: Fundamental principles and applications. In: World Scientific (1993) [35] PALLER, G.: Tribo-akustische Untersuchungen an Kunststoff- Plastifiziereinheiten / DKI 1998. Darmstadt : DKI. - Abschlußbericht AiF Vorhaben Nr.10251 [36] WU, S.: Polymer Interface and Adhesion. New York : Marcel Dekker, Inc., 1996 [37] KRüGER, R.: Haftungsbestimmende Einflüßgrößen beim Lackieren und Kleben von Thermoplasten, RWTH Aachen, Fakultät für Maschinenwesen, Diss., 1980 [38] OWENS, D. K. ; WENDT, R. C.: Estimation of the Surface Free Energy of Polymers. In: J. Applied Science 13 (1969), S. 1741-1747 [39] POTENTE, H. ; KRüGER, R.: Bedeutung polarer und disperser Oberflächenspannungsanteile von Plastomeren und Beschichtungsstoffen für die Haftfestigkeit von Verbundsystemen. In: Z. Farbe und Lack 2 (1978), S. 72-74 [40] WULF, M. ; MICHEL, S. ; JENSCHKE, W. ; UHLMANN, P. ; K, Grundke: A new Method for the simultaneous Determination of Surface Tension and Density of Polymer Melts. In: J. Physical Chemistry 1 (1999), S. 3899-3903 [41] PREUSSER, W. ; GIERL, Ch. ; RAINER, A.: Oberflächenspannung - Messmethoden im Vergleich. In: JOT (2002), Nr. 10, S. 106-108 15