LEIBNIZ | GESUNDHEIT Mehr zum Thema Gesundheit aus früheren

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LEIBNIZ | GESUNDHEIT Mehr zum Thema Gesundheit aus früheren
LEIBNIZ | GESUNDHEIT
Eine
gute
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9LHOIDOW
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Gesundheit aus
früheren LeibnizJournalen unter:
www.leibniz-gemeinschaft.de/
Journal/Gesundheit
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LEIBNIZ | GESUNDHEIT
ZUKUNFTSTREND 1
Heilende Flammen
Plasmen eröffnen einen neuen Zweig der medizinischen Forschung
Zeitraffervideomikroskopie zur
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Zellmigration.
Fotos: Manuela Glawe/INP Greifswald (2)
Plasmen stehen in Greifswald
seit fast 100 Jahren im Fokus
der Forschung. Diese ionisierten Gase, die uns im Alltag auch
in modernen Flachbildschirmen
begegnen, eröffnen seit kurzem
ganz neue Perspektiven. Die Forscher des Leibniz-Institutes für
Plasmaforschung und Technologie (INP) stellten fest, dass kalte
Plasmen im direkten Kontakt
mit tierischem und menschlichem Gewebe Kräfte freisetzen,
die Zellneubildungen aktivieren.
Die Greifswalder Forscher gehen
davon aus, dass es durch die „kalten Flammen“ möglich sein wird,
chronische Wunden schneller zu
heilen. Sie gehören damit zu den
weltweiten Pionieren eines neuen Forschungszweigs: der Plasmamedizin.
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Seit 2010 arbeiten Biologen und
Physiker im Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) plasmatis
am INP Greifswald gemeinsam
an den Wechselwirkungen von
Plasmen und Zellen. Zwei Forschergruppen entwickeln dabei
verschiedene
Plasmaquellen,
ausgerichtet an speziellen medizinischen Fragestellungen. Sie
kommen zu dem Schluss, dass
physikalische Plasmen nicht nur
Krankheitserreger abtöten, sondern auch die Vitalität von Zellen
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„Wir konnten nachweisen, dass
ein Großteil der Effekte auf Sauerstoff-Radikale zurückzuführen
ist, die durch das Plasma gebildet werden“, erläutert Kai Masur,
Leiter der Forschergruppe „Zelluläre Effekte“. Er untersucht mit
seinem Team die Wirkungen von
Plasma auf Haut-, Bindegewebsund Immunzellen und hat dabei
festgestellt, dass alle Zelltypen
unterschiedlich reagieren. „Es
ist uns weitestgehend gelungen,
die generellen Prozesse auf der
Proteinebene zu verstehen, die
durch das Plasma an- und ausgeschaltet werden“, sagt Masur.
Als nächsten Schritt wollen die
Wissenschaftler
untersuchen,
wie Narben- und Krebsgewebe
auf eine Behandlung mit Plasma
reagiert.
Die Forschergruppe „Extrazelluläre Effekte“ von Stephan Reuter
arbeitet bislang vor allem daran,
Plasmaquellen zu untersuchen
und zu kontrollieren, um in verschiedenen Flüssigkeitsmilieus
eine maßgeschneiderte chemi-
sche Zusammensetzung zur Stimulierung einer Zelle zu erreichen. „Das Verständnis der durch
das Plasma ausgelösten Veränderung der Zellumgebung ist die
Grundvoraussetzung für eine
Wundbehandlung am Patienten“,
so Reuter. Eine schädigende Wirkung der Plasmaquellen stellten
die Forscher bisher nicht fest.
Die strategische Ausrichtung auf
medizinische
Plasma-Anwendungen fand am INP vor etwa
zehn Jahren statt. Inzwischen
forscht mit Thomas von Woedtke
der erste Professor für Plasmamedizin weltweit am Institut. Er
sieht im Medizinbereich zahlreiche Einsatzgebiete, etwa bei der
Dekontamination und Sterilisation von OP-Bestecken oder dabei,
Implantate wie Hüftgelenke oder
Stents biokompatibel zu machen,
damit sie nicht abgestoßen werden. Der Einsatz von Plasmen
auf zellulärer Ebene schlage ein
„großes neues Kapitel“ auf, die
Wundheilung sei nur ein Beginn,
sagt Thomas von Woedtke. Vielversprechend seien zum Beispiel
erste Versuche in der Krebsbehandlung.
A NE T TE P RÖ B E R
„Es ist uns
weitestgehend
gelungen, die
generellen
Prozesse auf der
Proteinebene zu
verstehen.“
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LEIBNIZ | GESUNDHEIT
ZUKUNFTSTREND 2
„Offenbar hat das
Immunsystem
Den Körper Rheuma vergessen lassen
ein pathogenes Rheumatoide Arthritis, Pso- sich heute lediglich das Fort- eine gezielte „Löschung“ des
riasis Arthritis, Systemischer
schreiten
der
Erkrankungen
zwei Prozent der Bevölkerung
bislang nicht.
lang unheilbaren entzündlich-
Zerstört man jedoch das Im-
Am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ)
arbeiten
Grundlagenforscher
und Ärzte an neuen Therapiekonzepten.
vollständig und baut es aus
körpereigenen blutbildenden
Stammzellen wieder auf, ist
die rheumatische Entzündung
bei den meisten Patienten verschwunden. Diese „Immunreset“ genannte Behandlung
brachte eine wegweisende
Erkenntnis: Offenbar hat das
Immunsystem ein „pathogenes
Gedächtnis“ für die Erkrankung
entwickelt. Dieses Gedächtnis
hält die Entzündung aufrecht
und lässt sie nach medikamentöser Unterdrückung wieder
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reset wird es gelöscht: Die Erkrankung ist „vergessen“.
Gedächtnisses für die Krank-
Gedächtnis für Lupus Erythematodes. Etwa verlangsamen. Heilbar sind sie heit – bei gleichzeitigem Erhalt
entwickelt.“ rheumatischen Erkrankungen. munsystem eines Patienten
Entzündungen bislang
nicht heilbar
Plasmazellen in einer
Überlebensnische im
Knochenmark.
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen sind vielfältig in
ihrem Erscheinungsbild, haben
aber eine gemeinsame Ursache:
Sie beruhen auf Fehlsteuerungen des Immunsystems – Zellen
und Abwehrmechanismen, die
eigentlich vor Krankheitserregern schützen sollen, richten
sich gegen den eigenen Körper.
Die Folge dieser sogenannten
Autoimmunreaktion sind chronische Entzündungen. Durch
konventionelle Therapien lässt
Doch die radikale Behandlung
birgt ein hohes Infektionsrisiko: Jeglicher Schutz vor Krankheitserregern geht mit dem
Reset verloren. Besser wäre
des Schutzes vor Erregern. Am
DRFZ werden daher in enger Zusammenarbeit mit dem
Berliner Universitätsklinikum
Charité die molekularen und
zellulären Grundlagen des immunologischen Gedächtnisses
untersucht.
Löschung des
Krankheitsgedächtnisses
Noch viele Jahre nach einer
Erkrankung erinnert sich das
Immunsystem an einen Erreger (Antigen) und kann ihn bei
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kämpfen. Auf diesem Prinzip
basieren auch Impfungen. Eine
wichtige Rolle spielen hierbei die am DRFZ entdeckten
Gedächtnis-Plasmazellen, die
kontinuierlich Antikörper produzieren. Bei Autoimmunerkrankungen richten sich diese
gegen körpereigene Strukturen: Sie markieren ihr Zielgewebe, das in der Folge wie ein
Krankheitserreger
bekämpft
und dauerhaft geschädigt wird.
Gedächtnis-Plasmazellen überleben im Knochenmark und im
entzündeten Gewebe, wo sie
von spezialisierten Gewebezellen unerreichbar für konventionelle Therapien am Leben
gehalten werden. Sogenannte
Gedächtnis-T-Zellen kontrollieren die Bildung der GedächtnisPlasmazellen.
Fotos: Katrin Roth (AG Hauser)/DRFZ; Manuela Glawe/INP Greifswald; Christian Hertweck/HKI
die Erkrankung Deutschlands leiden an bis-
Die DRFZ- Forscher suchen nach
Wegen, die krankmachenden
Gedächtniszellen zu beseitigen,
ohne dabei die schützenden
Zellen anzugreifen. Ziel ist eine
neue Therapie rheumatischer
Erkrankungen, aber auch gastrointestinaler Entzündungen (z.B.
Morbus Crohn) und Multipler
Sklerose, bei der das immunologische Gedächtnis für die chronische Entzündung selektiv und
dauerhaft gelöscht wird.
A NDRE A S RA DB RUCH
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LEIBNIZ | GESUNDHEIT
ZUKUNFTSTREND 3
Den Spieß
umdrehen
Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge sterben weltweit
jedes Jahr 1,5 Millionen Menschen an den Folgen von Pilzinfektionen. Deren Auslöser,
so genannte human-pathogene
Pilze, stehen im Fokus des
Leibniz-Instituts für NaturstoffForschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut. Dabei
untersuchen die Wissenschaftler aus Jena unter anderem die
Kommunikation zwischen Pilzen und Bakterien, um Pilzinfektionen besser diagnostizieren und therapieren zu können.
teriums also auch gegen krankmachende Pilze genutzt werden
könnte. Mit der sogenannten
„Genome Mining“-Methode fanden sie schließlich einen Genabschnitt, der für die Produktion
der unbekannten pilz-zerstörenden Substanz verantwortlich zu sein schien. In weiteren
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um den Stoff in größerer Menge
zu gewinnen und zu isolieren,
um dann schließlich die chemische Struktur aufzuklären.
Heraus kam ein neuartiges Lipopeptid, das die HKI-Forscher
Jagaricin tauften. Tests ergaben,
dass Jagaricin gegen verschiedene Erreger von humanen Pilzerkrankungen wirksam ist. So
könnte der Stoff einen Ansatzpunkt für ein neues antimykotisches Arzneimittel liefern.
RE D .
Strukturmodell des
neu entdeckten
Wirkstoffes
Jagaricinȩeine neue
Waffe gegen
Pilzerkrankungen?
Ein Blick in die Landwirtschaft
brachte sie dabei auf eine vielversprechende Spur. Dort verursacht die Nassfäule große
Schäden an Kulturpilzen wie
Champignons, ausgelöst durch
das Bakterium Janthinobacterium agaricidamnosum. Die Forscher um Christian Hertweck
fragten sich, ob sich der Spieß
nicht umdrehen ließe - die zer- Angew Chem Int Ed 51(52):13173-7.
störerische Wirkung des Bak- doi: 10.1002/anie.201206658.
ZUKUNFTSTREND 4
Umweltschutz für die Lunge
Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen sind eine der
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oft mit Luftschadstoffen wie Feinstaub oder Zigarettenrauch
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senschaftler des Leibniz-Instituts für umweltmedizinische
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ist für seine zellschützende und entzündungshemmende
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entfalten. Untersuchungen des IUF weisen darauf hin, dass
Ectoin Lungenzellen stabilisiert und so gegen schädliche
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Stoff das Potenzial, eine bestehende Lungenentzündung zu
vermindern. Dieser Mechanismus funktionierte dabei nicht
nur im Modellsystem, sondern ließ sich auch in Zellen aus
dem Blut von Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen nachweisen. Da Ectoin bereits als Medizinprodukt zur Inhalation zugelassen ist, sind die Forscher
optimistisch, dass ihre weiterführenden Studien zu einer
erfolgreichen Anwendung beim Menschen führen könnten.
RE D .
European Respiratory Journal Feb. 2013.
doi: 10.1183/09031936.00132211
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LEIBNIZ | GESUNDHEIT
ZUKUNFTSTREND 5
„Das Gift einer
Schlangenart
Der vernachlässigte Biss der Schlange
besteht aus über Tropenkrankheiten – darunter
verstehen wir in erster Linie Ma-
ͷͻͶ˜‡”•…Š‹‡- laria, aber auch Viruserkrankun-
gen wie das Dengue-Fieber, Lassa
denen protein- oder Ebola. An Schlangenbisse
jedoch denkt kaum jemand. Zu
basierten Unrecht, denn nach Schätzungen
der Weltgesundheitsorganisation
Toxinen“ (WHO) liegt die Zahl der Vergif-
Senckenberg
Gesellschaft für
Im Prinzip lassen sich Schlangenbiss-Vergiftungen effektiv behandeln, wenn man das richtige
Antiserum hat. Aber genau das
ist das Problem. „Das Gift einer
Schlangenart besteht aus über
150 verschiedenen proteinbasierten Toxinen, jedes mit ganz speziellen biologischen Wirkungen“,
erläutert Ulrich Kuch. „Noch dazu
variiert die Giftzusammensetzung
innerhalb einer Schlangenart oft
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Herkunft der Schlange“, sagt der
Biologe der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in
Frankfurt am Main. Als Leiter des
„Emerging and Neglected Tropical Diseases Unit“ im Biodiversität
und Klima Forschungszentrum
(BiK-F), das Senckenberg gemeinsam mit der Goethe-Universität
und weiteren Partnern betreibt,
untersucht er die biologische
Vielfalt der Schlangenarten, um
Bisse möglichst effektiv bekämpfen zu können. Dabei gilt es auch,
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Schlangenarten, ihr Beißverhalten und die Wirkungen ihrer Gifte
auf den menschlichen Körper zu
erforschen. Eine große Rolle spielt
hier die molekulare Biodiversität
'DV%XFK]XP der Toxine und ihrer Gene – ohne
'RZQORDG ihre Kenntnis wäre die Entwickwww.tinyurl.com/ lung wirksamer Antiseren gegen
nepalsnakes die komplexen Schlangengifte wie
ein Stochern im Heuhaufen.
Doch damit nicht genug der Probleme: Durch den Klimawandel
verändern sich die Verbreitungs26
gebiete von Giftschlangen. Das
betrifft besonders die Region von
Nepal und Bangladesch, eines der
Hauptforschungsfelder von Ulrich Kuch. Durch die besonders
schnelle Klimaerwärmung im Himalaya breiten sich giftige Kobras
und Kraits bis ins Hochland aus,
wo sie früher nicht vorkamen. Im
‹‡ϐŽƒ†˜‘‡’ƒŽ—†‹ƒ‰Žƒdesch kommt es außerdem immer
öfter zu großen Überschwemmungen. „Da ziehen sich Schlangen und Menschen gleichermaßen
obdachlos und aufgeregt auf die
letzten trockenen Flächen zurück
und kommen sich dann in kürzester Zeit viel öfter in die Quere als
im Alltag“, berichtet Kuch – mit
der Konsequenz plötzlich noch
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Immun-Schnelltest
entwickelt
Die Grundlagenforschung von
Kuchs Team an der Schnittstelle
von klinischer Medizin und Biodiversitätsforschung trägt bereits
Früchte. Zusammen mit der Göttinger miprolab GmbH und Forschern aus Myanmar hat er einen
Immun-Schnelltest
entwickelt,
der bereits nach 20 Minuten anzeigt, welche Schlange zugebissen
hat – ein Zeitgewinn, der überle-
benswichtig sein kann. Schon in
fünf Ländern Afrikas und Asiens
ermitteln die Wissenschaftler die
Identität der Schlangen anhand
von DNA-Spuren, die an der Bissstelle zurückbleiben; eine Methode aus der Rechtsmedizin, die
Kuchs Arbeitsgruppe für diese
Zwecke etabliert hat. Gemeinsam mit Kollegen aus Nepal und
der Schweiz konnte Ulrich Kuch
außerdem zeigen, wie man die
Antiserum-Behandlung einfach
und effektiv auf die Dörfer bringt
und dadurch die Sterblichkeit
reduziert. Ein wichtiges Modell,
da Schlangengift-Antisera oft nur
in wenigen Krankenhäusern der
Großstädte lagern – obwohl die
WHO sie als „unverzichtbare Medikamente“ einstuft. Zuletzt hat
dasselbe Team, verstärkt durch
den Leibniz-Kollegen Frank Tillack vom Berliner Museum für
Naturkunde, ein Handbuch über
die Giftschlangen Nepals herausgegeben, das die einheimische
Bevölkerung über Aussehen, Vorkommen und Lebensweise von
Giftschlangen und den Umgang
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und bleibt die beste Behandlung
eines Schlangenbisses, gar nicht
erst gebissen zu werden.
Fotos: Frank Tillack/MfN; Silke Oßwald/FMP
Ulrich Kuch
tungen bei bis zu 1,8 Millionen
pro Jahr; alleine in Indien sterben
daran jährlich 46.000 Menschen.
Die WHO hat Schlangenbisse deshalb in die Liste der vernachlässigten Tropenkrankheiten aufgenommen.
CHRIS TO P H HE RB O RT - VO N LO E P E R
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LEIBNIZ | GESUNDHEIT
ZUKUNFTSTREND 6
„Wir mussten
Einblicke im Zeitraffer
Den Patienten durchleuchten und
dabei gezielt krankheitsrelevante
Moleküle und Zellen aufspüren –
an dieser Vision arbeitet eine
Gruppe von Wissenschaftlern am
Leibniz-Institut für Molekulare
Pharmakologie in Berlin (FMP).
Dabei sind sie einen entscheidenden Schritt weiter gekommen:
Durch optimierte Aufnahmetechniken können sie nun Biomarker innerhalb von 100 Sekunden
mit einer Genauigkeit abbilden,
für die ein Patient bei bisherigen
Techniken 1100 Jahre hätte stillhalten müssen. Mit Hilfe solcher
„Xenon-Biosensoren“
könnten
Ärzte einmal ganz neue Einblicke
in den menschlichen Körper gewinnen.
Entwickelt hat das trickreiche
Prozedere der Physiker Leif
Schröder mit seiner Arbeitsgruppe. Wie bei der Magnetresonanztomographie (MRT) nutzt auch
Leif Schröder den Kernspin von
Atomkernen, die sich in sehr hohen Magnetfeldern entsprechend
dem Magnetfeld ausrichten. Je
nach chemischer Umgebung treten sie dann mit Radiowellen in
Wechselwirkung, ein Computer
kann aus den zurückgesandten
Signalen ein Bild errechnen. Anders als beim herkömmlichen
Verfahren messen die Forscher
am FMP aber nicht die Resonanz
von Wasserstoff-Atomen, sondern
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reichern die Proben stattdessen
mit „hyperpolarisiertem“ Xenon
an, dessen Atomkerne weit stärkere Signale aussenden.
Biosensoren
sichtbar machen
Die Vision geht dahin, dass Patienten einmal das ungiftige Edelgas
einatmen werden, so dass es sich
zunächst in der Lunge und über
das Blut im Körper verteilt. Zugleich bekäme der Patient maßgeschneiderte Biosensoren injiziert,
die sich je nach Fragestellung zum
Beispiel an bestimmte Tumorzellen oder auch an ArteriosklerosePlaques anheften könnten. Die
Biosensoren fangen zugleich mit–‡Ž•‡‹‡”„‡•‘†‡”‡¡ϐ‹‰•–”—Ǧ
tur die Xenon-Atome ein, und die
gesuchten Moleküle oder Zellen
werden so im Magnetfeld sichtbar.
Am FMP mit seiner großen technischen Ausstattung hat Leif Schröder eine Gruppe von Wissenschaftlern aus unterschiedlichen
Disziplinen um sich geschart,
mit deren Hilfe ihm der entscheidende Durchbruch gelang. „Wir
mussten beweisen, dass die Me–Š‘†‡ ™‹”Ž‹…Š Š‘…Šƒ—ϐŽÚ•‡†‡
Bilder liefern kann, die im Prinzip
mit den bisherigen medizinischen
Diagnoseverfahren konkurrieren
könnte“, erklärt Schröder.
beweisen, dass
„Während zuvor eine Messung
noch über zwanzig Minuten dauerte, sind jetzt nur noch hundert
Sekunden nötig“, erläutert der
Doktorand Martin Kunth, „und
wir setzen die Biosensoren jetzt
in Konzentrationen ein, wie sie für
die Praxis realistisch sind.“ Selbst
zeitaufgelöste „Filme“ sind nun
machbar. „Bei konventioneller Detektion bräuchte man für eine einzelne Aufnahme 1100 Jahre“, ergänzt Jörg Döpfert. Der besondere
Trick der Gruppe um Schröder
besteht darin, dass das Signal der
Xenon-Atome durch die Biosensoren „gelöscht“ wird. Da sie jeweils
nur für wenige Millisekunden in
†‡ ‘Ž‡òŽ¡ϐ‹‰ Š‹‡‹ †‹ˆˆ—Ǧ
dieren, werden während einer
Aufnahme Tausende Atome quasi
ausgeknipst, wodurch ein dunkler
Fleck im Bild entsteht.
„Wir sind nun an dem Punkt angelangt, wo wir beginnen können,
lebende Proben zu untersuchen“,
sagt Leif Schröder. Außerdem
könnte man mit der Methode
auch unterschiedliche Biosensoren zugleich einsetzen und sie bei
verschiedenen Radiofrequenzen
sichtbar machen. Damit ließen
sich zum Beispiel die unterschiedlichen Zellentypen darstellen, aus
denen sich ein Tumor zusammensetzt.
B IRGIT HE RDE N
die Methode
wirklich
Š‘…Šƒ—ϔŽÚ•‡†‡
Bilder liefern
kann.“
Dr. Leif Schröder und
seine Doktoranden
Martin Kunth und
Jörg Döpfert mit
einem Modell des
‡‘Ǧ¡ϔ‹‰•Ǥ
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