LEIBNIZ | GESUNDHEIT Mehr zum Thema Gesundheit aus früheren
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LEIBNIZ | GESUNDHEIT Mehr zum Thema Gesundheit aus früheren
LEIBNIZ | GESUNDHEIT Eine gute Grundlage *UXQGODJHQIRUVFKXQJLVWLPZDKUVWHQ 6 LQQHLKUHV:RUWHVGLH%DVLVMHGHU,QQR YDWLRQ9RUGHP(LQVDW]QHXHU0HGLND PHQWH7KHUDSLHQRGHU%HKDQGOXQJVPH WKRGHQVWHKHQRIWMDKUHQLFKWVHOWHQ MDKU]HKQWHODQJH)RUVFKXQJHQ=X%HJLQQ LVWGHQ:LVVHQVFKDIWOHUQRIWQLFKWNODU ZHOFKH(IIHNWHLKUH([SHULPHQWHKDEHQ REVLHQLFKWLQHLQHJDQ]HDQGHUH5LFKWXQJ JHKHQRGHUREVLHYLHOOHLFKWVRJDUVFKHL WHUQ'DVDEHULVWJHQDXGDV:HVHQGHU HUJHEQLVRIIHQHQ*UXQGODJHQIRUVFKXQJ GLHRIW—JHUDGHZHJHQGHUQRFKJUR HQ)HUQH]XU$QZHQGXQJ—ZHLWJHKHQG DEVHLWVGHU|IIHQWOLFKHQ:DKUQHKPXQJ VWDWWÀQGHW ,Q]DKOUHLFKHQ,QVWLWXWHQGHU/HLEQL] *HPHLQVFKDIWZLGPHQVLFK:LVVHQVFKDIW OHUDXV0HGL]LQ/HEHQVXQG1DWXUZLV VHQVFKDIWHQGHU*UXQGODJHQIRUVFKXQJPLW %H]XJ]XU*HVXQGKHLW'LHVHFKV%HLVSLHOH DXIGHQIROJHQGHQ6HLWHQ]HLJHQGLHVH 9LHOIDOW Mehr zum Thema Gesundheit aus früheren LeibnizJournalen unter: www.leibniz-gemeinschaft.de/ Journal/Gesundheit 22 2/2013 LEIBNIZ | GESUNDHEIT ZUKUNFTSTREND 1 Heilende Flammen Plasmen eröffnen einen neuen Zweig der medizinischen Forschung Zeitraffervideomikroskopie zur ϔ Zellmigration. Fotos: Manuela Glawe/INP Greifswald (2) Plasmen stehen in Greifswald seit fast 100 Jahren im Fokus der Forschung. Diese ionisierten Gase, die uns im Alltag auch in modernen Flachbildschirmen begegnen, eröffnen seit kurzem ganz neue Perspektiven. Die Forscher des Leibniz-Institutes für Plasmaforschung und Technologie (INP) stellten fest, dass kalte Plasmen im direkten Kontakt mit tierischem und menschlichem Gewebe Kräfte freisetzen, die Zellneubildungen aktivieren. Die Greifswalder Forscher gehen davon aus, dass es durch die „kalten Flammen“ möglich sein wird, chronische Wunden schneller zu heilen. Sie gehören damit zu den weltweiten Pionieren eines neuen Forschungszweigs: der Plasmamedizin. 2/2013 Seit 2010 arbeiten Biologen und Physiker im Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) plasmatis am INP Greifswald gemeinsam an den Wechselwirkungen von Plasmen und Zellen. Zwei Forschergruppen entwickeln dabei verschiedene Plasmaquellen, ausgerichtet an speziellen medizinischen Fragestellungen. Sie kommen zu dem Schluss, dass physikalische Plasmen nicht nur Krankheitserreger abtöten, sondern auch die Vitalität von Zellen ϐǤ „Wir konnten nachweisen, dass ein Großteil der Effekte auf Sauerstoff-Radikale zurückzuführen ist, die durch das Plasma gebildet werden“, erläutert Kai Masur, Leiter der Forschergruppe „Zelluläre Effekte“. Er untersucht mit seinem Team die Wirkungen von Plasma auf Haut-, Bindegewebsund Immunzellen und hat dabei festgestellt, dass alle Zelltypen unterschiedlich reagieren. „Es ist uns weitestgehend gelungen, die generellen Prozesse auf der Proteinebene zu verstehen, die durch das Plasma an- und ausgeschaltet werden“, sagt Masur. Als nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie Narben- und Krebsgewebe auf eine Behandlung mit Plasma reagiert. Die Forschergruppe „Extrazelluläre Effekte“ von Stephan Reuter arbeitet bislang vor allem daran, Plasmaquellen zu untersuchen und zu kontrollieren, um in verschiedenen Flüssigkeitsmilieus eine maßgeschneiderte chemi- sche Zusammensetzung zur Stimulierung einer Zelle zu erreichen. „Das Verständnis der durch das Plasma ausgelösten Veränderung der Zellumgebung ist die Grundvoraussetzung für eine Wundbehandlung am Patienten“, so Reuter. Eine schädigende Wirkung der Plasmaquellen stellten die Forscher bisher nicht fest. Die strategische Ausrichtung auf medizinische Plasma-Anwendungen fand am INP vor etwa zehn Jahren statt. Inzwischen forscht mit Thomas von Woedtke der erste Professor für Plasmamedizin weltweit am Institut. Er sieht im Medizinbereich zahlreiche Einsatzgebiete, etwa bei der Dekontamination und Sterilisation von OP-Bestecken oder dabei, Implantate wie Hüftgelenke oder Stents biokompatibel zu machen, damit sie nicht abgestoßen werden. Der Einsatz von Plasmen auf zellulärer Ebene schlage ein „großes neues Kapitel“ auf, die Wundheilung sei nur ein Beginn, sagt Thomas von Woedtke. Vielversprechend seien zum Beispiel erste Versuche in der Krebsbehandlung. A NE T TE P RÖ B E R „Es ist uns weitestgehend gelungen, die generellen Prozesse auf der Proteinebene zu verstehen.“ 23 LEIBNIZ | GESUNDHEIT ZUKUNFTSTREND 2 „Offenbar hat das Immunsystem Den Körper Rheuma vergessen lassen ein pathogenes Rheumatoide Arthritis, Pso- sich heute lediglich das Fort- eine gezielte „Löschung“ des riasis Arthritis, Systemischer schreiten der Erkrankungen zwei Prozent der Bevölkerung bislang nicht. lang unheilbaren entzündlich- Zerstört man jedoch das Im- Am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) arbeiten Grundlagenforscher und Ärzte an neuen Therapiekonzepten. vollständig und baut es aus körpereigenen blutbildenden Stammzellen wieder auf, ist die rheumatische Entzündung bei den meisten Patienten verschwunden. Diese „Immunreset“ genannte Behandlung brachte eine wegweisende Erkenntnis: Offenbar hat das Immunsystem ein „pathogenes Gedächtnis“ für die Erkrankung entwickelt. Dieses Gedächtnis hält die Entzündung aufrecht und lässt sie nach medikamentöser Unterdrückung wieder ϐǤ Ǧ reset wird es gelöscht: Die Erkrankung ist „vergessen“. Gedächtnisses für die Krank- Gedächtnis für Lupus Erythematodes. Etwa verlangsamen. Heilbar sind sie heit – bei gleichzeitigem Erhalt entwickelt.“ rheumatischen Erkrankungen. munsystem eines Patienten Entzündungen bislang nicht heilbar Plasmazellen in einer Überlebensnische im Knochenmark. Entzündlich-rheumatische Erkrankungen sind vielfältig in ihrem Erscheinungsbild, haben aber eine gemeinsame Ursache: Sie beruhen auf Fehlsteuerungen des Immunsystems – Zellen und Abwehrmechanismen, die eigentlich vor Krankheitserregern schützen sollen, richten sich gegen den eigenen Körper. Die Folge dieser sogenannten Autoimmunreaktion sind chronische Entzündungen. Durch konventionelle Therapien lässt Doch die radikale Behandlung birgt ein hohes Infektionsrisiko: Jeglicher Schutz vor Krankheitserregern geht mit dem Reset verloren. Besser wäre des Schutzes vor Erregern. Am DRFZ werden daher in enger Zusammenarbeit mit dem Berliner Universitätsklinikum Charité die molekularen und zellulären Grundlagen des immunologischen Gedächtnisses untersucht. Löschung des Krankheitsgedächtnisses Noch viele Jahre nach einer Erkrankung erinnert sich das Immunsystem an einen Erreger (Antigen) und kann ihn bei ϐ Ǧ kämpfen. Auf diesem Prinzip basieren auch Impfungen. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die am DRFZ entdeckten Gedächtnis-Plasmazellen, die kontinuierlich Antikörper produzieren. Bei Autoimmunerkrankungen richten sich diese gegen körpereigene Strukturen: Sie markieren ihr Zielgewebe, das in der Folge wie ein Krankheitserreger bekämpft und dauerhaft geschädigt wird. Gedächtnis-Plasmazellen überleben im Knochenmark und im entzündeten Gewebe, wo sie von spezialisierten Gewebezellen unerreichbar für konventionelle Therapien am Leben gehalten werden. Sogenannte Gedächtnis-T-Zellen kontrollieren die Bildung der GedächtnisPlasmazellen. Fotos: Katrin Roth (AG Hauser)/DRFZ; Manuela Glawe/INP Greifswald; Christian Hertweck/HKI die Erkrankung Deutschlands leiden an bis- Die DRFZ- Forscher suchen nach Wegen, die krankmachenden Gedächtniszellen zu beseitigen, ohne dabei die schützenden Zellen anzugreifen. Ziel ist eine neue Therapie rheumatischer Erkrankungen, aber auch gastrointestinaler Entzündungen (z.B. Morbus Crohn) und Multipler Sklerose, bei der das immunologische Gedächtnis für die chronische Entzündung selektiv und dauerhaft gelöscht wird. A NDRE A S RA DB RUCH 24 2/2013 LEIBNIZ | GESUNDHEIT ZUKUNFTSTREND 3 Den Spieß umdrehen Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge sterben weltweit jedes Jahr 1,5 Millionen Menschen an den Folgen von Pilzinfektionen. Deren Auslöser, so genannte human-pathogene Pilze, stehen im Fokus des Leibniz-Instituts für NaturstoffForschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut. Dabei untersuchen die Wissenschaftler aus Jena unter anderem die Kommunikation zwischen Pilzen und Bakterien, um Pilzinfektionen besser diagnostizieren und therapieren zu können. teriums also auch gegen krankmachende Pilze genutzt werden könnte. Mit der sogenannten „Genome Mining“-Methode fanden sie schließlich einen Genabschnitt, der für die Produktion der unbekannten pilz-zerstörenden Substanz verantwortlich zu sein schien. In weiteren ϐ ǡ um den Stoff in größerer Menge zu gewinnen und zu isolieren, um dann schließlich die chemische Struktur aufzuklären. Heraus kam ein neuartiges Lipopeptid, das die HKI-Forscher Jagaricin tauften. Tests ergaben, dass Jagaricin gegen verschiedene Erreger von humanen Pilzerkrankungen wirksam ist. So könnte der Stoff einen Ansatzpunkt für ein neues antimykotisches Arzneimittel liefern. RE D . Strukturmodell des neu entdeckten Wirkstoffes Jagaricinȩeine neue Waffe gegen Pilzerkrankungen? Ein Blick in die Landwirtschaft brachte sie dabei auf eine vielversprechende Spur. Dort verursacht die Nassfäule große Schäden an Kulturpilzen wie Champignons, ausgelöst durch das Bakterium Janthinobacterium agaricidamnosum. Die Forscher um Christian Hertweck fragten sich, ob sich der Spieß nicht umdrehen ließe - die zer- Angew Chem Int Ed 51(52):13173-7. störerische Wirkung des Bak- doi: 10.1002/anie.201206658. ZUKUNFTSTREND 4 Umweltschutz für die Lunge Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen sind eine der KlXÀJVWHQ=LYLOLVDWLRQVNUDQNKHLWHQXQVHUHU7DJH6LHKlQJHQ oft mit Luftschadstoffen wie Feinstaub oder Zigarettenrauch ]XVDPPHQ+lXÀJZHLWHQVLHVLFK]X/XQJHQHQW]QGXQJHQ DXV$XIGHU6XFKHQDFK:HJHQGLHJHVXQGKHLWVVFKlGOLFKH :LUNXQJ VROFKHU 6FKDGVWRIIH ]X PLQLPLHUHQ KDEHQ :LV senschaftler des Leibniz-Instituts für umweltmedizinische )RUVFKXQJ ,8) GHQ 1DWXUVWRII (FWRLQ LP 9LVLHU 'LHVHU ist für seine zellschützende und entzündungshemmende :LUNXQJ EHNDQQW XQG VFKHLQW GLHVH DXFK LQ GHU /XQJH ]X entfalten. Untersuchungen des IUF weisen darauf hin, dass Ectoin Lungenzellen stabilisiert und so gegen schädliche 2/2013 8PZHOWHLQÁVVH EHVVHU VFKW]W$XHUGHP RIIHQEDUWH GHU Stoff das Potenzial, eine bestehende Lungenentzündung zu vermindern. Dieser Mechanismus funktionierte dabei nicht nur im Modellsystem, sondern ließ sich auch in Zellen aus dem Blut von Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen nachweisen. Da Ectoin bereits als Medizinprodukt zur Inhalation zugelassen ist, sind die Forscher optimistisch, dass ihre weiterführenden Studien zu einer erfolgreichen Anwendung beim Menschen führen könnten. RE D . European Respiratory Journal Feb. 2013. doi: 10.1183/09031936.00132211 25 LEIBNIZ | GESUNDHEIT ZUKUNFTSTREND 5 „Das Gift einer Schlangenart Der vernachlässigte Biss der Schlange besteht aus über Tropenkrankheiten – darunter verstehen wir in erster Linie Ma- ͷͻͶ - laria, aber auch Viruserkrankun- gen wie das Dengue-Fieber, Lassa denen protein- oder Ebola. An Schlangenbisse jedoch denkt kaum jemand. Zu basierten Unrecht, denn nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation Toxinen“ (WHO) liegt die Zahl der Vergif- Senckenberg Gesellschaft für Im Prinzip lassen sich Schlangenbiss-Vergiftungen effektiv behandeln, wenn man das richtige Antiserum hat. Aber genau das ist das Problem. „Das Gift einer Schlangenart besteht aus über 150 verschiedenen proteinbasierten Toxinen, jedes mit ganz speziellen biologischen Wirkungen“, erläutert Ulrich Kuch. „Noch dazu variiert die Giftzusammensetzung innerhalb einer Schlangenart oft ϐ Herkunft der Schlange“, sagt der Biologe der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main. Als Leiter des „Emerging and Neglected Tropical Diseases Unit“ im Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), das Senckenberg gemeinsam mit der Goethe-Universität und weiteren Partnern betreibt, untersucht er die biologische Vielfalt der Schlangenarten, um Bisse möglichst effektiv bekämpfen zu können. Dabei gilt es auch, ϐ Schlangenarten, ihr Beißverhalten und die Wirkungen ihrer Gifte auf den menschlichen Körper zu erforschen. Eine große Rolle spielt hier die molekulare Biodiversität 'DV%XFK]XP der Toxine und ihrer Gene – ohne 'RZQORDG ihre Kenntnis wäre die Entwickwww.tinyurl.com/ lung wirksamer Antiseren gegen nepalsnakes die komplexen Schlangengifte wie ein Stochern im Heuhaufen. Doch damit nicht genug der Probleme: Durch den Klimawandel verändern sich die Verbreitungs26 gebiete von Giftschlangen. Das betrifft besonders die Region von Nepal und Bangladesch, eines der Hauptforschungsfelder von Ulrich Kuch. Durch die besonders schnelle Klimaerwärmung im Himalaya breiten sich giftige Kobras und Kraits bis ins Hochland aus, wo sie früher nicht vorkamen. Im ϐdesch kommt es außerdem immer öfter zu großen Überschwemmungen. „Da ziehen sich Schlangen und Menschen gleichermaßen obdachlos und aufgeregt auf die letzten trockenen Flächen zurück und kommen sich dann in kürzester Zeit viel öfter in die Quere als im Alltag“, berichtet Kuch – mit der Konsequenz plötzlich noch ¡ϐ Ǥ Immun-Schnelltest entwickelt Die Grundlagenforschung von Kuchs Team an der Schnittstelle von klinischer Medizin und Biodiversitätsforschung trägt bereits Früchte. Zusammen mit der Göttinger miprolab GmbH und Forschern aus Myanmar hat er einen Immun-Schnelltest entwickelt, der bereits nach 20 Minuten anzeigt, welche Schlange zugebissen hat – ein Zeitgewinn, der überle- benswichtig sein kann. Schon in fünf Ländern Afrikas und Asiens ermitteln die Wissenschaftler die Identität der Schlangen anhand von DNA-Spuren, die an der Bissstelle zurückbleiben; eine Methode aus der Rechtsmedizin, die Kuchs Arbeitsgruppe für diese Zwecke etabliert hat. Gemeinsam mit Kollegen aus Nepal und der Schweiz konnte Ulrich Kuch außerdem zeigen, wie man die Antiserum-Behandlung einfach und effektiv auf die Dörfer bringt und dadurch die Sterblichkeit reduziert. Ein wichtiges Modell, da Schlangengift-Antisera oft nur in wenigen Krankenhäusern der Großstädte lagern – obwohl die WHO sie als „unverzichtbare Medikamente“ einstuft. Zuletzt hat dasselbe Team, verstärkt durch den Leibniz-Kollegen Frank Tillack vom Berliner Museum für Naturkunde, ein Handbuch über die Giftschlangen Nepals herausgegeben, das die einheimische Bevölkerung über Aussehen, Vorkommen und Lebensweise von Giftschlangen und den Umgang ϐ¡Ǥ é und bleibt die beste Behandlung eines Schlangenbisses, gar nicht erst gebissen zu werden. Fotos: Frank Tillack/MfN; Silke Oßwald/FMP Ulrich Kuch tungen bei bis zu 1,8 Millionen pro Jahr; alleine in Indien sterben daran jährlich 46.000 Menschen. Die WHO hat Schlangenbisse deshalb in die Liste der vernachlässigten Tropenkrankheiten aufgenommen. CHRIS TO P H HE RB O RT - VO N LO E P E R 2/2013 LEIBNIZ | GESUNDHEIT ZUKUNFTSTREND 6 „Wir mussten Einblicke im Zeitraffer Den Patienten durchleuchten und dabei gezielt krankheitsrelevante Moleküle und Zellen aufspüren – an dieser Vision arbeitet eine Gruppe von Wissenschaftlern am Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie in Berlin (FMP). Dabei sind sie einen entscheidenden Schritt weiter gekommen: Durch optimierte Aufnahmetechniken können sie nun Biomarker innerhalb von 100 Sekunden mit einer Genauigkeit abbilden, für die ein Patient bei bisherigen Techniken 1100 Jahre hätte stillhalten müssen. Mit Hilfe solcher „Xenon-Biosensoren“ könnten Ärzte einmal ganz neue Einblicke in den menschlichen Körper gewinnen. Entwickelt hat das trickreiche Prozedere der Physiker Leif Schröder mit seiner Arbeitsgruppe. Wie bei der Magnetresonanztomographie (MRT) nutzt auch Leif Schröder den Kernspin von Atomkernen, die sich in sehr hohen Magnetfeldern entsprechend dem Magnetfeld ausrichten. Je nach chemischer Umgebung treten sie dann mit Radiowellen in Wechselwirkung, ein Computer kann aus den zurückgesandten Signalen ein Bild errechnen. Anders als beim herkömmlichen Verfahren messen die Forscher am FMP aber nicht die Resonanz von Wasserstoff-Atomen, sondern 2/2013 reichern die Proben stattdessen mit „hyperpolarisiertem“ Xenon an, dessen Atomkerne weit stärkere Signale aussenden. Biosensoren sichtbar machen Die Vision geht dahin, dass Patienten einmal das ungiftige Edelgas einatmen werden, so dass es sich zunächst in der Lunge und über das Blut im Körper verteilt. Zugleich bekäme der Patient maßgeschneiderte Biosensoren injiziert, die sich je nach Fragestellung zum Beispiel an bestimmte Tumorzellen oder auch an ArteriosklerosePlaques anheften könnten. Die Biosensoren fangen zugleich mit¡ϐǦ tur die Xenon-Atome ein, und die gesuchten Moleküle oder Zellen werden so im Magnetfeld sichtbar. Am FMP mit seiner großen technischen Ausstattung hat Leif Schröder eine Gruppe von Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen um sich geschart, mit deren Hilfe ihm der entscheidende Durchbruch gelang. „Wir mussten beweisen, dass die Me ϐÚ Bilder liefern kann, die im Prinzip mit den bisherigen medizinischen Diagnoseverfahren konkurrieren könnte“, erklärt Schröder. beweisen, dass „Während zuvor eine Messung noch über zwanzig Minuten dauerte, sind jetzt nur noch hundert Sekunden nötig“, erläutert der Doktorand Martin Kunth, „und wir setzen die Biosensoren jetzt in Konzentrationen ein, wie sie für die Praxis realistisch sind.“ Selbst zeitaufgelöste „Filme“ sind nun machbar. „Bei konventioneller Detektion bräuchte man für eine einzelne Aufnahme 1100 Jahre“, ergänzt Jörg Döpfert. Der besondere Trick der Gruppe um Schröder besteht darin, dass das Signal der Xenon-Atome durch die Biosensoren „gelöscht“ wird. Da sie jeweils nur für wenige Millisekunden in ò¡ϐ Ǧ dieren, werden während einer Aufnahme Tausende Atome quasi ausgeknipst, wodurch ein dunkler Fleck im Bild entsteht. „Wir sind nun an dem Punkt angelangt, wo wir beginnen können, lebende Proben zu untersuchen“, sagt Leif Schröder. Außerdem könnte man mit der Methode auch unterschiedliche Biosensoren zugleich einsetzen und sie bei verschiedenen Radiofrequenzen sichtbar machen. Damit ließen sich zum Beispiel die unterschiedlichen Zellentypen darstellen, aus denen sich ein Tumor zusammensetzt. B IRGIT HE RDE N die Methode wirklich ϔÚ Bilder liefern kann.“ Dr. Leif Schröder und seine Doktoranden Martin Kunth und Jörg Döpfert mit einem Modell des Ǧ¡ϔǤ 27