bilge nathan - Bühnen der Stadt Gera
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bilge nathan - Bühnen der Stadt Gera
Materialmappe BILGE NATHAN Materialmappe für Schulklassen BILGE NATHAN Klassenzimmerstück von THILO REFFERT Theater & PhilharmonieThüringen www.tpthueringen.de 1 Materialmappe BILGE NATHAN Inhalt 1. Einleitung . . . . Seite 3 2. Besetzung . . . . Seite 4 3. Inhalt . . . . . Seite 5 4. Die Autoren . . . . Seite 6 . . Seite 7 5. Das Stück im Stück 6. Textauszug . . . . Seite 8 7. Förderantrag . . . Seite 10 . . . Seite 11 9. Begriffe und ihre Bedeutung . Seite 12 10. Weltreligionen . . Seite 13 11. Weiterführende Texte . . Seite 14 12. Spiele und Übungen . . Seite 15 8. Toleranz 13. Quellen . . . . . . Seite 16 14. Impressum . . . . Seite 17 2 Materialmappe BILGE NATHAN Einleitung Lessings Nathan der Weise gehört zum Deutschunterricht dazu wie Shakespeares Romeo and Juliet zum Englischunterricht. Millionen von Schülerinnen und Schüler kennen die Ringparabel und verfluchen die alte, angestaubte Sprache. Gut-denken ist viel leichter als gut-handeln, diese Essenz muss in der Klassenarbeit stehen. Noch wichtiger ist: Dieses Wissen darf nicht im Kopf allein sein, es muss in Taten umgesetzt werden. Wie schwierig das ist, beweisen uns die Nachrichten aus aller Welt: Fremdenfeindlichkeit ist in Deutschland kein Fremdwort, sondern scheint der Normalzustand zu sein; Armut – besonders unter Kindern – steigt an, der Reichtum bleibt bei denen, die schon vorher reich waren. Von Toleranz und Nächstenliebe keine Spur. Das Theaterstück Bilge Nathan verbindet auf raffinierte Weise zwei Welten, die auf den ersten Blick nur wenige Gemeinsamkeiten haben. Es bringt den Original-Text von Lessing in spielerischer Form direkt zu den Schülern ins Klassenzimmer und verknüpft diesen mit heutigen Bezügen, mit Jugendsprache, mit alltäglichen Problemen – mit unserem heutigen Verständnis von Toleranz, Vertrauen und Freundschaft. Beide Stücke, Nathan der Weise und Bilge Nathan, beginnen mit einer Katastrophe. Bei Lessing ist es das brennende Haus, bei Reffert Memos Abwesenheit. Aus dieser Katastrophe entspinnt sich eine Geschichte, in der es nicht nur um Recht-haben und Recht-bekommen geht, sondern vor allem um die Art und Weise der Erzählung: Nathan nutzt seine Geschichte der drei Ringe, um den Sultan damit zu verzaubern. Christiane erzählt von ihrer Zeit mit Memo – und sie wickelt die Zuschauer dadurch um den Finger, denn sie stellt die Sache natürlich aus ihrer Sicht da, Memo kommt dementsprechend schlecht weg dabei. Was beide Texte auf ihre Art zeigen: wenn es hart auf hart kommt, helfen gute Geschichten oftmals besser eine fatale Situation zu retten als Argumente und Diskussionen, bei denen man sich um Kopf und Kragen redet. Deshalb lässt Christiane das Ende offen und verlässt den Raum, ohne zu verraten, wie es mit ihr weitergeht: den Zuschauern hat sie eine gute Geschichte geboten, bei der man wissen möchte wie es weiter geht. Sie sät im Kopf der Zuschauer den Keim zum Selberdenken – der erste Schritt in Richtung Akzeptanz und Toleranz. Viel Vergnügen beim Lesen und Ausprobieren wünschen nun David Schönherr und Jara Nassar 3 Materialmappe BILGE NATHAN Besetzung Regie: Mandy Röhr Dramaturgie und theaterpädagogische Betreuung: David Schönherr Regieassistenz: Jara Nassar Es spielt: Christiane Nothofer 4 Materialmappe BILGE NATHAN Inhalt Nathan der Weise: Sultan Saladin hat in Jerusalem zur Zeit der Kreuzzüge alle Gefangenen hinrichten lassen, mit Ausnahme eines jungen Tempelherrn, der seinem vermissten Bruder ähnlich seht. Der Tempelherr darf sich frei bewegen. Bei einem seiner Streifzüge durch die Stadt rettet er eine junge Frau, die bei einem Brand in Lebensgefahr geraten ist. Es handelt sich dabei um Recha, Nathans Pflegetochter. Nathan lädt den Tempelherrn ein, um sich bei ihm zu bedanken, aber dieser lehnt schroff ab, mit einem Juden will er nichts zu tun haben. Rechas Gesellschafterin, die bemerkt hat, dass Recha und der junge Mann Gefallen aneinander finden, erzählt dem Tempelherrn, dass Recha eigentlich ein christliches Mädchen sei, das im Krieg die Eltern verloren habe. Nathan, dessen Frau und sieben Söhne bei einer Judenverfolgung von Christen getötet wurden, nahm die kleine Recha an Kindes statt an und rettete ihr damit das Leben. So viel Menschlichkeit beeindruckt dem Tempelherrn, und er nimmt die Einladung doch an. Dennoch erkundigt er sich, ohne Namen zu nennen, beim christlichen Patriarchen, ob ein Jude ein christlich getauftes Kind aufziehen dürfe, wenn er ihm damit das Leben rette. Der Patriarch ist ein sturer Vertreter der Amtskirche und steht auf dem Standpunkt, dass ein solcher Jude verbrannt werden müsse. Der Tempelherr bittet schließlich um Rechas Hand, aber Nathan, der annimmt, die beiden könnten verwandt sein, lehnt ab. Sultan Saladin steht kurz vor dem Bankrott und lässt Nathan zu sich kommen, um sich von ihm Geld zu borgen. Die Schwester des Sultans überredet ihn, Nathan mit der Frage in Verlegenheit zu bringen, ob nun das Judentum, das Christentum oder der Islam die bessere Religion sei. Nathan antwortet mit der Parabel von drei Ringen, die identisch aussehen, von denen einer aber die Macht hat, seinen Besitzer gottgefällig und menschenfreundlich zu machen. Die Besitzer können die Kraft ihres jeweiligen Ringes nur dadurch beweisen, dass sie ein vorurteilsfreies und gottgefälliges Leben führen. Wenn alle das tun, stellt sich die Frage nach dem echten Ring nicht mehr. In der Zwischenzeit taucht der Klosterbruder auf, der Nathan damals die kleine Recha übergeben hatte. Papiere aus dem Besitz von Rechas Eltern beweisen, dass Recha und der Tempelherr Geschwister sind. Doch nicht nur das: Sie sind auch die Kinder von Saladins und Sittahs verschollenem Bruder. Eine neue Familie findet sich zusammen, nur Nathan bleibt allein zurück. Bilge Nathan: Christiane und Memo haben für ihre Zwei-Personen-Fassung von Nathan der Weise Fördergelder bewilligt bekommen und spielen das Stück nun in Schulklassen vor. Der Weg dorthin war allerdings nicht leicht und gipfelt in einer fatalen Situation: Memo lässt Christiane bei einer Vorstellung hängen – er kommt einfach nicht, geht nicht ans Telefon und hat ihr auch keine Nachricht hinterlassen. Da die Zeit drängt, fängt Christiane alleine an das Stück zu spielen. Dabei erzählt sie auch, was beim Proben zwischen ihr und Memo schiefgelaufen ist, und was das mit Toleranz und Vertrauen zu tun hat. Aus: 50 Theater Klassiker; Norbert Abels; Gerstenberg Verlag Hildesheim, 2002 Erfindet neue Sprichwörter zu den Themen Geld, Vertrauen und Freundschaft. 5 Materialmappe BILGE NATHAN Die Autoren Thilo Reffert über sich selbst Rainer Schmitz über G. E. Lessing Thilo Reffert wurde 1970 in Magdeburg geboren und wollte Arzt werden. Mit 20 wollte er lieber Regisseur werden. Mit 30 war er Dramaturg und Vater geworden. Als Lessings Vater, ein Pfarrer, ihn schimpfte, wie er Seiten eines Buches umknickte, meinte Lessing, dieses Buch habe Eselsohren verdient. Gotthold Ephraim Lessing wurde 1770 zum Leiter der Bibliothek von Wolfenbüttel ernannt. Als die Kindergartenbehörde einen abgestempelten Nachweis seiner Arbeitszeiten verlangte, ließ sich Thilo Reffert einen sehr überzeugenden Stempel mit der Aufschrift »Bühnenautor« anfertigen und bescheinigte sich, 40 Stunden die Woche zu arbeiten. Das menschliche Vorbild für Lessings Nathan war dessen guter Freund Moses Mendelssohn. Lessing schrieb die Textsammlung Anti-Goeze. Seine schwere Spielsucht erklärte Lessing so: Zehn Jahre später (mit inzwischen 40) wurde Thilo Reffert in einer Lokalzeitung als »echter Schriftsteller« bezeichnet, was einen vorläufigen Höhepunkt seines Arbeitslebens darstellte. „Mit gutem Grund spiel‘ ich so leidenschaftlich, denn solche eine heftige Bewegung setzt meine stockende Maschine in Tätigkeit, bringt die Säfte in Umlauf und befreit mich von einer körperlichen Angst, unter der ich oft leide!“ Inzwischen bezeichnete eine andere Lokalzeitung Reffert als einen »mit Preisen reichlich garnierten Autor«. www.thilo-reffert.de Lessing war angeblich im Besitz einer Narrenbibel. 1890 erschien ein zweitausendfünfhundert Seiten umfassendes Werk mit dem Titel Lessings Plagiate. Lessing starb beinahe unbemerkt. Doch es gab den „Versuch, aus der Totenfeier eines großen Mannes eine Geld-Spekulation zu machen“. So wurde etwa Lessings Totenfeier auf der Berliner Bühne achtzehn Mal als ein Kassenfüllstück wiederholt. Was unterscheidet die beiden Texte von „normalen“ Biografien? Unbelegten Gerüchten zufolge ist Lessing einem Mordanschlag der Freimaurer zum Opfer gefallen, ebenso wie Luther, Mozart und Schiller. Verfasst über euch selbst oder eine fiktive Person eine eigene Biografie. Lessings Haushälterin sagte nach dessen Tod: „Nu, er tat nischt, taugte nischt und roochte viel.“ Johann Gleim dichtete auf das Grab Lessings: Steh, Wanderer, und sprich ein kluges Wort mit dir: Nathan, der Weise, ruhet hier! Aus: Schmitz: Was geschah mit Schillers Schädel? 6 Materialmappe BILGE NATHAN Das Stück im Stück Viel erfährt man nicht über die Inszenierung, die ursprünglich gespielt werden sollte – wohl aber über die Dinge und Personen, die nicht da sind: die Kostüme, das Bühnenbild, der zweite Spieler Memo. ~~~ Erstellt zwei Listen: 1. Alles, was nicht da war, weil Memo es nicht mitgebracht hat, was sie aber prinzipiell haben. 2. Alles, was ihr gesehen habt: Bühne, Kostüm, Requisiten – alles, was Christiane bei sich hatte. ~~~ Überlegt, wie das Stück unter normalen Umständen abgelaufen wäre. Was hätte euch besser gefallen? ~~~ Wer trägt wann welches Kostüm? Welche Requisiten brauchen Christiane und Memo unbedingt? ~~~ Im Original von Lessing gibt es zehn Figuren – Christiane und Memo spielen alle. Ist das umsetzbar? ~~~ Was ist der Unterschied zu einem „normalen“ Theaterstück? Was bedeutet „Klassenzimmertheater“? ~~~ Christiane spielt Memo so, wie sie es möchte. Wie beschreibt sie ihn? Wie stellt ihr ihn euch vor? ~~~ Christiane verlässt am Ende den Raum, um zu telefonieren. Wie geht die Geschichte für sie weiter? ~~~ Stellt euch vor, Memo wäre zuletzt doch gekommen. Spielt das Aufeinandertreffen der beiden nach. ~~~ Überlegt euch eine Fortsetzung des Theaterstücks. 7 Materialmappe BILGE NATHAN Textauszug Memo Siehst du, das Geld. Am Ende geht es ums Geld. Guck dir das an, in deinem Nathan-Stück. Geld haben die alle. Der Jude ist stinkreich, so fängt das Stück ja an, dass er vom Schuldeneintreiben zurückkommt. Nathan Ich komm von einer weiten Reis, auf welcher ich Schulden eingetrieben. - Fast hab ich des baren Gelds zuviel. Memo Und der Sultan ist zwischendurch etwas klamm, aber dann kommen die Tribute aus Ägypten. Mameluck Erwünschte Nachricht, Sultan! Freude, Sultan! Die Karawane von Kahira kömmt, Ist glücklich da! mit siebenjährigem Tribut des reichen Nils. Christiane Mit so viel Kohle, sagt Memo, wäre es leicht, tolerant zu sein. Aber wehe, wenn das Geld knapp ist. Ich sage, genau, Memo, genau, wenn das Geld knapp ist, zeigt sich, was Toleranz leisten kann. So wie heutzutage. In Europa. Oder nimm uns. Das Geld ist knapp. Sei mal tolerant. Und Memo sagte, ok. Er wollte aber die Gage der ersten vier Auftritte für sich. Ich sag, von mir aus. Und den vierten, den hatten wir gestern, in Schmölln drüben, an einer Regelschule. Wir waren fertig, Memo kam zu mir. Memo Alter, meine Kohle. Christiane Ich hab nichts. Das läuft immer über das Schulamt. Oder über den Förderverein, denen schicke ich die Rechnung, dann wird das geprüft, das dauert, bis die überweisen. Memo Du hast es versprochen. Christiane Ich hab nichts. Memo Ich bin am Arsch, Alter, ich brauche das Geld. Jetzt. Christiane Ich weiß, wie das ist. Memo Einen Scheiß weißt du, du hast doch reiche Eltern. Christiane Hab ich nicht. Memo Sind die tot oder was? Christiane Für mich. Für mich sind die gestorben. Als ich das Studium geschmissen habe, haben sie mir den Geldhahn zugedreht. Memo, du musst jetzt Vertrauen haben. Das Geld kommt. Memo Vertrauen, Alter, Vertrauen hatte ich mal. Tut mir leid, ist weg. Christiane Ja, und heute ist er nicht gekommen. Ich hab es ja gleich gewusst, dass das nicht funktioniert. Dass es nicht funktionieren kann, schon als ich den gesehen habe, war mir das klar. Von wegen nur Vorurteile, es stimmt alles, von vorn bis hinten. 8 Was ist das Besondere an diesem Text? Wer spricht hier zu wem? Was hat Toleranz mit Geld zu tun? Materialmappe BILGE NATHAN Es spielt: Christiane Nothofer; Fotografin: Mandy Röhr 9 Materialmappe BILGE NATHAN Der Förderantrag aus dem Stück Projekt: WO GEHÖRE ICH HIN? Interreligiöser Dialog in Deutschland Was bedeutet Antragslyrik? Beschreiben Sie Ihr Vorhaben (3000 Zeichen) Warum muss man einen Förderantrag stellen? Bei wem? Beschreiben Sie Ihre interreligiösen Ziele und wie sie diese erreichen werden (500 Zeichen) Was bedeutet interreligiös? Beschreiben Sie Ihre anvisierte Zielgruppe bzw. anvisierten Zielgruppen (500 Zeichen) Was ist eine Zielgruppe? Zu welcher gehört ihr? Beschreiben Sie den zeitlichen Rahmen Ihres Projektes (1000 Zeichen) Wie lange arbeitet man an so einem Projekt? Wer macht so etwas? Beschreiben Sie die Nachhaltigkeit und das Alleinstellungsmerkmal Ihres Projektes (500 Zeichen) Was bedeutet Nachhaltigkeit? Alleinstellungsmerkmal, was ist das? Warum ist das wichtig? Listen Sie Ihre Ausgaben, laufenden Kosten sowie Ihre sonstigen Einnahmen detailliert auf (1000 Zeichen) Wie viel Geld kann man mit so einem Projekt verdienen? Lohnt sich das? Warum, warum nein? 10 Materialmappe BILGE NATHAN Toleranz • • • • • • • • meint das Gelten- und Gewährenlassen, besser noch: die Achtung, sogar freie Anerkennung andersartiger Anschauungen und Handlungsweisen. ist eine handlungsorientierte Haltung, die im Andersartigen soweit möglich einen Wert zu entdecken und ihm ein Lebensrecht zu gewähren sucht. gründet in der Einsicht, dass kein Mensch schlechthin irrtums- und vorurteilsfrei ist. ermöglicht ein von Freiheit und Humanität bestimmtes Zusammenleben. endet dort, wo es um die Missachtung der Rechte anderer geht. ist ein Zeichen von Selbstüberwindung und von Ich-Stärke, weil sie die Interessen anderer grundsätzlich anerkennt und die Auseinandersetzung mit fremden Meinungen nicht scheut. vollendet sich im lebendigen Interesse an der Lebensweise anderer Menschen und ist dann eine zurückhaltende Form von Nächstenliebe. dient der Wahrheit: denn die freie Auseinandersetzung unterschiedlicher Meinungen befreit von Vorurteilen und setzt neue Erkenntnis frei. Quelle: Lexikon der Ethik, Toleranz Developmental Model of Intercultural Sensivity (DMIS) Von Janet und Milton Bennett Entwicklungsstufen 1. Verleugnung 2. Abwehr 3. Minimalisieren 4. Akzeptanz 5. Anpassung • • • • • Kaum Vorstellungen über kulturelle Unterschiede Fremde Kulturen werden ignoriert Kulturelle Unterschiede werden wahrgenommen „Alle Menschen sind gleich“ Elemente der eigenen Kultur universal erfahren • • Erkenntnis über eigene kulturelle Prägung Neugier auf und Respekt gegenüber anderen Kulturen Erfahrung fremder Kulturen führt zu einem dieser Kultur angemessenen Verhalten und Erleben Erleichterung der Kommunikation Möglichkeit, die Welt aus dem Blickwinkel anderer Kulturen zu erfahren Eigene Selbsterfahrung ermöglicht multikulturelle Perspektiven Typisch bei „globalen Nomaden“, „Weltenbürger“ • • • 6. Integration • • Orientierung Ethnozentrische Phase: Eigene Kultur wird als zentrale Realität erlebt Ethnorelative Phase Eigene Kultur wird im Kontext anderer Kulturen erlebt Quelle: http://www.hrweb.at/wp-content/uploads/2014/12/sietar-austria_dmis_milton-j-bennett.jpg Christiane sagt im Stück: Mensch – Vorurteil = Toleranz + Integration Geht die Rechnung auf? Selbstversuch für Mutige: Vollbringt eine Woche lang pro Tag eine gute Tat für euch unbekannte Personen – dokumentiert eure Erfahrungen. 11 Materialmappe BILGE NATHAN Begriffe und ihre Bedeutung Christiane erzählt unter anderem eine Episode über Gastarbeiter in Deutschland. Warum und wie tut sie das? 1955-1973 Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte Die Ausländerpolitik der Bundesrepublik war in den 1950er- und 1960er Jahren durch die gezielte Anwerbung ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Mittelmeerraum gekennzeichnet. Sie wurden als "Gastarbeiter" bezeichnet, weil ihr Aufenthalt nur vorübergehend sein sollte. Die Anwerbepolitik war (wie bereits die während des Kaiserreichs) auf eine befristete Zuwanderung ausgerichtet, die den Arbeitskräftemangel bestimmter Industriezweige der bundesdeutschen Nachkriegsökonomie ausgleichen sollte. Die überwiegend männlichen, jungen Angeworbenen lebten damals ohne Familienangehörige in Baracken oder Sammelunterkünften. Sie arbeiteten meist in der Industrie auf Stellen, die wegen des relativen Überhanges an Arbeitsplätzen und des steigenden Anspruchsniveaus einheimischer Arbeitnehmer immer seltener mit diesen besetzt werden konnten. Die "Gastarbeiter" übernahmen während des Wirtschaftswunders, aber auch in Zeiten der Rezessionen wichtige Ersatz-, Erweiterungs- und Pufferfunktionen. Denn zumindest theoretisch galt das "Rotationsprinzip": Einem temporären Arbeitsaufenthalt sollte die Rückkehr in das jeweilige Herkunftsland folgen. Die Ausländerbeschäftigung war in dieser Phase an den Bedürfnissen von Wirtschaft und Arbeitsmarkt ausgerichtet. Ohne den Einsatz der "Gastarbeiter" – so ein allgemeines Resümee – wäre das deutsche Wirtschaftswunder nicht in so kurzer Zeit erreicht worden. http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/56377/migrationspolitik-in-der-brd?p=all In welchen Berufen herrscht heute Arbeitskräftemangel? Warum gibt es trotzdem viele Arbeitslose? Mittlerweile gibt es weitere Begriffe, die im allgemeinen Sprachgebrauch geläufig sind. Was bedeuten sie? Erstellt Mindmaps zu folgenden Begriffen. Asylbewerber Ausländische Fachkräfte Flüchtling Illegale Einwanderer Migranten Spätaussiedler Bezieht Überlegungen zu den Themen Geld, Bildung und Heimat in eure Mindmap mit ein. 12 Materialmappe BILGE NATHAN Weltreligionen Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Christentum und Islam zählen heutzutage zu den so genannten Weltreligionen: Weit über vier Milliarden Menschen auf der ganzen Erde gehören einer dieser Religionen an. Ein Prophet reiste in einer Nacht auf einem gefiederten Reittier 1200 Kilometer und wieder zurück. Ein Religionsstifter wurde gezeugt, indem ein Elefant in die Hüfte seiner Mutter eindrang. Einige Götter sitzen in einer heiligen Kuh. Ein Bote Gottes teilte das Meer, indem er mit einem Stab auf das Wasser schlug. Ein Mann verließ nach seinem Tod lebendigen Leibes sein Grab wieder. Der Begriff Religion stammt aus der Antike: Das Wort wird zurückgeführt auf das lateinische relegere, sorgsam beachten, oder religare, verbinden. Beides weist aber darauf hin, was Religionen ausmacht: Die Suche nach einem höheren, unantastbaren Gesetz für ein geordnetes, gerechtes, friedliches und gelingendes Leben, sowohl für jeden einzelnen Menschen, als auch für die Gemeinschaft aller. Wie wichtig dies ist, zeigt die Geschichte der Weltreligionen selbst: Immer dann, wenn Menschen religiöse Gesetze dazu missbrauchten, sich über andere zu erheben, ihre eigene weltliche Macht zu vergrößern, wurden sie zum Mittel von Unterdrückung und häufig auch Krieg. Den Glaubenslehren selbst ist das nicht anzulasten. Denn ihnen gemeinsam ist ein großes Ziel: ein friedliches Zusammenleben, an dessen Ende die Erlösung durch etwas nicht Fassbares von allen Leiden, Nöten und Sorgen steht. Wo liegt der Ursprung dieser großen Glaubensgemeinschaften? In Vorzeiten dienten Mythen zur Erklärung von Naturphänomenen: den Gestirnen am Himmel, dem Kreislauf von Saat und Ernte, Geburt und Tod, von Glück und Not. Damals versuchten die Menschen, ihre Götter mit Opfern „gnädig“ zu stimmen. Mit wachsendem Wissen und Fortschritt konnte sich der Mensch vieles selbst erklären und brauchte dafür keine höheren Mächte mehr. Bis heute aber treibt uns die Frage um, woher wir kommen und wohin wir gehen, danach, wie die Welt entstanden ist, ob Raum und Zeit einen Anfang und ein Ende haben und was sich dahinter, im „Jenseits“, verbirgt. Religionen versuchen, in dieser Unendlichkeit eine Hilfe zu geben, damit sich der Mensch in ihr nicht verliert. Sie spenden Zuversicht und Trost und nehmen dem Tod seinen Schrecken. Welche Religion verehrt Tiere und Pflanzen? Warum? Wer sehnt sich nach dem Nichts? Warum? Wer schaltet an manchen Tagen kein elektrisches Licht an? Warum nicht? Wer feiert das Abendmahl? Warum? Wer erhebt eine Wallfahrt zum Höhepunkt des Lebens? Warum? Um zu verstehen, was ihre Anhänger glauben, muss man wissen, welcher Lehre sie folgen, warum wem welches Ritual und Symbol wichtig ist, was das Leben von Hindus, Buddhisten, Juden, Christen und Muslimen bestimmt. Wer sich mit Religionen beschäftigt, schenkt seinen Mitmenschen Beachtung und versteht sie besser. Allein das fördert Toleranz und Respekt – und verbindet. Quelle: Hausbuch der Weltreligionen Welche Aussagen und Symbole gehören zu welcher Religion? Verbindet die passenden Elemente. Was ist das Besondere an der Ringparabel in Nathan der Weise? Warum hat Lessing sie eingebaut? Was erreicht Nathan durch seine Kunst des Geschichten-Erzählens? Was verrät euch das über Lessing? 13 Materialmappe BILGE NATHAN Weiterführende Texte Das Stück Nathan der Weise von Gotthold Ephraim Lessing gilt als Klassiker der deutschen Literatur. Das Drama entstand während eines Streits von Lessing mit seinem Zeitgenossen Johann Melchior Goeze und ist erstmals im Rahmen der Textsammlung Anti-Goeze erschienen. Recherchiert, was es damit auf sich hat. In seinen Büchern Papa, was ist ein Fremder? und Papa, was ist der Islam? erklärt Tahar Ben Jelloun in einfachen Worten schwierige Begriffe wie Diskriminierung, Apartheid, Antisemitismus oder Völkermord. Der Roman Frühling der Barbaren von Jonas Lüscher zeigt die Konsequenzen einer fiktiven Finanzkrise. Eine Gruppe reicher Urlauber sitzt plötzlich mittellos in einer tunesischen Wellnessoase fest. Nach und nach wechselt die anfänglich gute Stimmung hin zu Irritation, Intoleranz, Panik und letztlich zu Gewalt. Das Lexikon der Ethik von Otfried Höffe bietet einen detaillierten Blick auf abstrakte Begriffe wie Toleranz und erklärt diese im Zusammenhang anderer Begriffe, etwa Humanität, Nächstenliebe oder Mensch. Das etwas andere Literatur-Lexikon Was geschah mit Schillers Schädel? von Rainer Schmitz enthält auf 1200 Seiten skurrile Anekdoten und unbekannte biografische Notizen zu zahlreichen bekannten Autoren. In dem Spiegel-Online-Artikel Jesus war nicht tolerant erklärt der Autor Jan Hedde Bedeutungsvielfalt und Ursprung des Wortes Toleranz und lotet ihre sozialen und rechtlichen Grenzen aus. Der Autor Éric-Emmanuel Schmitt hat in seinem vierteiligen Zyklus des Unsichtbaren eine Verbindung zwischen Religion und Kultur hergestellt. In Milarepa behandelt er den Buddhismus, in Oskar und die Dame in Rosa das Christentum, in Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran geht es um den Sufismus und in Das Kind von Noah um einen Vergleich zwischen Judentum und Christentum. Die Journalistin Ruth-Esther Geiger hat junge begabte Migranten in ganz Deutschland besucht und ihr Schicksal, ihre Familienverhältnisse und ihr besonderes Engagement kennen gelernt. Daraus ist das Buch Ihr seid Deutschland, wir auch – junge Migranten erzählen entstanden. 14 Materialmappe BILGE NATHAN Spiele und Übungen Wenn man Nathan der Weise als Ein-Personen-Stück spielen kann, klappt das auch mit anderen Theaterstücken. Zum Einstieg eignen sich Märchen gut. Jeder sucht sich ein Märchen aus und spielt es alleine. Setzt eine zeitliche Begrenzung von drei Minuten. Großer Spaß mit wenig Aufwand. Christiane führt Gespräche mit Memo, obwohl der gar nicht da ist. Diese Form des Dialogs habt ihr auch schon dargestellt, wenn ihr anderen von euren Erlebnissen und Erfahrungen erzählt. Überlegt euch eine fiktive Situation, die ihr mit jemandem erlebt hat und spielt diese nach. Um euren Mitspieler darzustellen dürft ihr gern übertreiben und die Sache größer und außergewöhnlicher machen, als sie eigentlich war. Solche Theaterstücke spielt ihr jeden Tag – ohne es zu merken. Der Sultan stellt Nathan mit der Frage nach der wahren Religion eine Falle, es ist eine Fangfrage, denn er weiß schon im Vorfeld, dass es keine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage gibt. Spielt die Situation nach. Wie fühlt sich Nathan, als er den Plan des Sultans durchschaut? Er weiß ja nicht, dass er gleich die Ringparabel erzählen muss. Mit welchen Emotionen geht er an die Sache heran? Wie trägt er die Geschichte vor? Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, diese Szene darzustellen. Christiane und Memo sind nicht wirklich miteinander befreundet, es ist mehr eine Geschäftsbeziehung, die die beiden haben. Ein Sprichwort besagt: Bei Geld hört die Freundschaft auf!, ein anderes: Wenn du einen lästigen Menschen loswerden willst, leih ihm Geld. Spielt kurze Szenen dazu und überlegt euch Lösungsansätze, wie man solche verfahrenen Situationen doch noch retten kann. Das Vertrauen zwischen Christiane und Memo ist zerstört, das Geld hat sich zwischen sie getrieben. Vertrauen ist ein sensibles Gebilde, was schwer aufzubauen, aber leicht zu zerstören ist. Daher klingt die nächste Übung sehr einfach und leicht, ist aber tatsächlich schwer und nicht zu unterschätzen. Arbeitet zu zweit: Eine Person schließt die Augen, die andere Person führt sie vorsichtig durch den Raum. Die führende Person ist für den Blinden verantwortlich, dass er nirgendwo gegen läuft und nicht stolpert. Erkundet so den Raum. Führt die Hand eures Mitspielers und lasst ihn Dinge ertasten. Auch dabei gilt: verantwortungsvoll miteinander umgehen. Wenn ihr die Situation ausnutzt, euren Mitspieler lächerlich macht oder ihm Schaden zufügt, ist das ein Vertrauensbruch, der nicht repariert werden kann. Passt sehr gut auf euch auf. Dann wechselt die Positionen: der andere darf führen. 15 Materialmappe BILGE NATHAN Quellen 1. Frühling der Barbaren, Jonas Lüscher. 5. Auflage. Verlag C.H. Beck oHG München 2013 2. Hausbuch der Weltreligionen. Herausgegeben von Christine Schulz-Reiss und Claudia Lieb. Gerstenberg Verlag Hildesheim 2012 3. http://spon.de/aeH5Y 4. http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/56377/migrationspolitik-inder-brd?p=all 5. http://www.hrweb.at/wp-content/uploads/2014/12/sietar-austria_dmis_milton-jbennett.jpg 6. Kinder fragen, Nobelpreisträger antworten. Herausgegeben von Bettina Stiekel. 8. Auflage. Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München 2004 7. Lexikon der Ethik. Herausgegeben von Otfried Höffe. 6. Auflage. Verlag C.H. Beck oHG München 2002 8. Papa, was ist ein Fremder? Tahar Ben Jelloun. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg 2000 9. Rainer Schmitz: Was geschah mit Schillers Schädel? Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 200650 Theater Klassiker; Norbert Abels; Gerstenberg Verlag Hildesheim, 2002 16 Materialmappe BILGE NATHAN Impressum Herausgeber: TPT Theater und Philharmonie GmbH · Spielzeit 2015/16 Generalintendant und Künstlerischer Geschäftsführer: Kay Kuntze Kaufmännischer Geschäftsführer: Volker Arnold Bühnen der Stadt Gera: Theaterplatz 1 · 07548 Gera · Tel: 0365 · 82 79 0 Landestheater Altenburg: Theaterplatz 19 · 04600 Altenburg · Tel: 03447 · 585 0 Texte, Gestaltung & Redaktion: David Schönherr, Jara Nassar Besonderer Dank geht an die Testpublikumsklassen der Erich-Mäder-Schule mit Frau Schach und der Dietrich-Bonhoeffer-Schule mit Frau Künzel. 17