Aufklärung “Nathan der Weise” “Habe Mut, dich deines eigenen

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Aufklärung “Nathan der Weise” “Habe Mut, dich deines eigenen
[email protected] (Anja Kronberg)
Aufklärung “Nathan der Weise”
“Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!”
Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781), Nathan der Weise
Ein Wahlspruch der literarischen Epoche der Aufklärung lautet:
“Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!”
Immanuel Kant (1724-1804)
Weisen Sie anhand des Dramas “Nathan der Weise” von G. E. Lessing
(3. Auszug, Auftritte 5 – 7) nach, wie diese Titelfigur dieser Forderung
nachkommt!
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Die Aufklärung entstand auf der Grundlage der kapitalistischen
Entwicklung in den fortgeschrittenen Ländern Europas. Um die
Produktivität entfalten zu können, bedurfte das Bürgertum neuer
Erkenntnisse über die Natur. Mit den Mitteln der Beobachtung und des
Experiments gelangen neue Entdeckungen in den Naturwissenschaften.
Die wissenschaftlichen Entdeckungen zeigten, daß die Vorgänge in der
Welt nicht die Wirkung eines göttlichen Willens, sondern die Folge von
Naturgesetzen war, die der Mensch erkennen und für sich
Naturwissenschaft auch zu Folgerungen über das gesellschaftliche
Zusammenleben der Menschen. Alles, was in der Gesellschaft
“unnatürlich” war – die Vorrechte des Adels, die Willkürherrschaft der
Fürsten, die Verbote der Kirche gegen die wissenschaftliche Forschung
– sollte beseitigt werden.
Die Aufklärung war eine geistig - literarische Bewegung des sich
emanzipierenden Bürgertums zur Überwindung des Feudalismus und
des Dogmas der Kirche im 18. Jahrhundert. Das Wort Aufklärung ist die
deutsche Entsprechung zu der französischen Bezeichnung “siécle des
lumiéres” (“Jahrhundert des Lichtes”, “Jahrhundert der Aufklärung”)
Vom Schriftsteller verlangte die Aufklärung philosophische Bildung,
universelle Kenntnisse und exaktes Wissen. Unter Literatur verstand
man damals auch die Wissenschaften, wie zum Beispiel die
Geschichtsschreibung. In enger Verquickung mit Philosophie und
Wissenschaft wurde die Literatur zum Zentrum und Hauptinstrument der
Bewußtseinbildung. Sie wurde besonders in Frankreich durch die
Enzyklopädisten (z. B. Voltaire, Denis, Diderot, Jean-Jacques Rousseau)
zur gesellschaftsverbundenen ideellen Macht, die durch den Vorstoß bis
zu atheistischen und materialistischen Positionen sysematisch die
ideologischen Grundlagen der absoluten Monarchie und der Kirche
untergrub und damit die französische Revolution vorbereitete.
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Die deutsche Aufklärung (1700-1750 frühe Aufklärung, 1750-1770
Lessing-Periode) dagegen gewann infolge der nur zögernden
Entwicklung des deutschen Bürgertums keinen so bestimmenden Einfluß
auf das gesellschaftliche Leben. So beschränkten sich die deutschen
Aufklärer in der Regel auf die philosophische und moralische Bildung
des Bürgers.
In Leben und Werk Gotthold Ephraim Lessings (1729-1781) erreicht das
Denken und Dichten der deutschen Aufklärung einen Höhepunkt.
Lessing nimmt alle Anregungen und fortschrittlichen Leistungen der
europäischen und der deutschen Aufklärung auf. Sein Werk schuf alle
wesentlichen Voraussetzungen für die Entwicklung der klassischen
bürgerlichen deutschen Literatur und wirkte auf die humanistisch realistische Literatur anderer Völker.
Am Anfang der deutschen Aufklärung standen Philosophen, die
versuchten, das wissenschaftliche Denken von der Bevormundung durch
die Theologie zu befreien und die der Erfahrung und dem Denken den
gleichen Rang zugestanden wie dem religiösen Glauben, der noch nicht
bezweifelt wurde.
Der deutsche Philosoph Immanuel Kant definierte Aufklärung als
“Ausweg des Menschen” aus “Unmündigkeit”. Den “Wahlspruch der
Aufklärung” sah er darin, sich des “eigenen Verstandes zu bedienen”.
Die Aufklärung war mithin eine vom Bürgertum geführte
Oppositionsbewegung, die zur Errichtung einer natürlich – vernünftigen
gesellschaftlichen Ordnung beitragen wollte.
Das letzte große Drama Lessings und zugleich sein bedeutendste
und am stärksten nachwirkendes war “Nathan der Weise” (1779). Der
Anlaß war zunächst ganz unpoetisch. Der Dichter vertrat die Ansicht,
daß sich die Menschheit – vor allem moralisch – entwickelt und daß
die einzelnen Religionen in dieser Entwicklungsgeschichte die
Aufgabe haben, die Menschen moralisch zu erziehen. Diese Aufgabe
ist erst erfüllt, wenn die Menschen von sich aus “das Gute tun, weil es
das Gute ist: Diese Auffassung Lessings rief die orthodoxe
(strenggläubige) lutherische Geistlichkeit unter Führung des
Hamburger Hauptpastors Goeze auf den Plan, und es entbrannte ein
jahrelanger Streit, der in Form theologischer Streitschriften
ausgetragen wurde. Gotthold Ephraim Lessing ist der wichtigste
Vertreter der Aufklärungsliteratur im deutschsprachigen Bereich. Sein
Einfluß ist so vorherrschend, seine Bedeutung schon unter den
Zeitgenossen so unumstritten, daß man sich beinah genötigt sieht, die
Aufklärungsepoche, zumindest in ihrer zweiten Phase, in Deutschland
präziser und zutreffender als Lessingzeit zu bezeichnen. Denn dieser
deutsche Aufklärer paßt sich in keine Definition von “Aufklärung” ein.
Er überschreitet in seiner literarischen Praxis, in seinen polemischen
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Schriften und in seiner Lust am Selbstdenken auch die Regelsystem
aufklärerischer oder philosophisch - ästhetischer Festlegungen.
Sultan, der den moslemischen Glauben angehört, ist in
Geldschwierigkeiten, sucht und findet schließlich die Hilfe Nathans,
der den jüdischen Glauben angehört. Deshalb stellt er ihm die
Fangfrage, welche der drei Religionen – Judentum, Christentum, Islam
– die richtige sei. Ausschlaggebend für ihre Freundschaft ist die von
Nathan erzählte Ringparabel.
Die Ringparabel ist das ideelle Kernstück des Dramas. Sie muß
zunächst als Reaktion Nathans auf die verfängliche Frage des Sultans
nach dem wahren Glauben verstanden werden. Denn verfänglich ist
die “Falle”, die darin besteht, daß er eigentlich antworten kann, was er
will, er setzt sich im Sinne der Auffassung des Sultans immer ins
Unrecht. Seine Weisheit besteht darin, daß er für den Herrscher ein
“Märchen” ersinnt mit dessen Hilfe er aus der Falle zu entkommen
hofft.
Nathan erzählt die Geschichte von den drei Ringen, die ein Vater an
seine drei Söhne weitergibt, weil er sich nicht entscheiden kann,
welchem er den Vorzug geben soll. Da sich die drei Ringe völlig
gleichen, ist der Originalring, der die Wunderkraft haben soll, “vor Gott
und Menschen angenehm zu machen”, nicht mehr zu ermitteln. Die
um ihren Alleinanspruch betrogenen Söhne klagen gegen ihre Brüder.
Der kluge Richter aber weist die Kläger ab, da sich die “Wunderkraft”
an ihnen nicht offenbart, und er erteilt ihnen einen Rat. Der Richter
schickt die Brüder mit der Aufforderung heim, “um die Wette” zu
streben. “Die Kraft des Steins in ihrem Ring an den Tag zu legen”.
Jeder von ihnen soll also aktiv “mit Sanftmut, mit herzlicher
Verträglichkeit, mit Wohltun” beweisen, daß er den rechten Ring
besitzt.
Mit der Parabel von den drei Ringen hat Nathan die Frage des Sultans
nach dem rechten Glauben beantwortet. Lessing gibt damit seiner
Überzeugung Ausdruck, daß man keine Religion als die “wahre”
bezeichnen kann. Alle drei seien gleich »richtig« oder »falsch« und
gelten in gleicher Weise. Mit dem Richterspruch fordert er Toleranz
und aktiven Humanismus , den jeder einzelne wie jede Gemeinschaft
beweisen muß. Nicht die Religion entscheidet, sondern das
menschliche Tier. Der Wert einer Religion wird dadurch bestimmt in
wie weit sie die Möglichkeit nutzt um dem Mensch zu humanen
handeln zu bewegen.