philip johnson - Baugeschichte und Bauforschung
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philip johnson - Baugeschichte und Bauforschung
d ip l .- ing . mar ie la d it t ri ch : architektur in nordam erika, lva 251.113 , ss 200 9, handout z ur vo PHILIP JOHNSON am 8. Juli 1906 in Cleveland geboren, als einziger Sohn von Homer H. Johnson, einem reichen Anwalt und seiner Frau Louise, drei Schwestern in seiner Kindheit und Jugend Europareisen, im Alter von 13 Jahren besonders beeindruckt von der franz. Gotik (Chartres bringt ihn laut eigener Aussage zum Weinen) und von der griech. Architektur der Antike (besonders der Akropolis in Athen) 1927/30 Abschluss in Harvard als Bachelor of Arts, danach Europareise, Interesse für neue Stile in der Architektur nach seiner Rückkehr Gründer und Leiter der Abteilung für Architektur und Design am Museum of Modern Art (MOMA) in New York, erstes Programm an einem Museum in den USA, das Architektur als Kunst betrachtet 1932 in dieser Position (während der ersten Periode 1932-34 als Leiter) gemeinsam mit dem Architekturhistoriker Henry-Russel Hitchcock Organisation der Ausstellung „Modern Architecture: International Exhibition“, die die moderne europäische Architektur (Bauhaus, De Stijl…) dem amerikanischen Publikum erstmals näher bringen soll, der Begriff International Style wird geprägt und 3 wesentliche Merkmale folgendermaßen charakterisiert: 1) Architektur wird nicht als Masse, sondern als Volumen konzipiert 2) es gibt gleichförmige bauliche Einheiten, die rhythmisch gegliedert sind und asymmetrisch angeordnet werden 3) Ornamente sind strikt verboten der Ausstellung folgt ein Katalog mit Titel „The International Style: Architecture since 1922“, der großen Einfluss auf die neue Architektengeneration hat und „Kultstatus“ erlangt nur wenige amerikanische Bauten werden als “würdig” für die Aufnahme in den Katalog befunden(dies sind z.B. Hood’s McGraw Hill B., Neutra’s Lovell House, Howe & Lescaze’s PSFS B., Kocher & Frey’s Aluminaire House sowie der Prototyp einer Tankstelle, die Standard Oil Station von Clauss & Daub) wichtig: Johnson und Hitchcock begrüßen die neue Bewegung mehr unter dem Aspekt eines neuen Stils als wegen seines Potentials einer Sozialtheorie, beide stammen aus reichen Familien und sind von der sozialen Realität isoliert, (Johnson hatte schon 1924 von seinem Vater ein Aktienpaket erhalten, mit dem er „seine“ Abteilung im MOMA gegründet und finanziert hatte, seine Schwestern Bargeld), Modernismus bedeutet für die beiden fast ausschließlich Ästhetik, Johnson besteht für den Rest seiner Karriere auf die Zwecklosigkeit, soziale Aspekte durch Architektur ausdrücken zu wollen 30er Jahre: Arbeit als Kurator und Autor, befasst sich weiterhin mit moderner Architektur, initiiert die ersten USA-Besuche von Mies van der Rohe, Le Corbusier und Walter Gropius, besonders von Mies fasziniert, über den er 1947 die erste Monographie verfasst und von dem er sein New Yorker Apartment entwerfen lässt nicht mehr mit seiner Rolle als Theoretiker zufrieden, nach dem Erfolg seiner Ausstellung: Suche nach neuen Aufgaben Versuch einer politischen Karriere, „Liebäugeln“ mit dem Faschismus, zw. ca. 1932 und 1940 Zusammenarbeit mit dem Gouverneur von Louisiana, Huey Long, nach Long’s Ermordung 1935 schreibt Johnson eine Reihe antisemitischer Artikel für den Detroiter Radio-Priester Father Charles Coughlin, bewirbt sich in Ohio um politische Ämter und will eine faschistische Partei in Amerika gründen 1936 verlässt er das MOMA 1938: Reise nach Nürnberg und 1939 nach Polen, fasziniert von den Nazi-Versammlungen nach einer FBI-Untersuchung und der bevorstehenden Beteiligung Amerikas am 2. Weltkrieg beendet Johnson seine Unterstützung des Nazi-Regimes und zieht sich nach Harvard zurück (1956 baut er in Port Chester, New York „als Entschuldigung“ eine Synagoge, für die er kein Honorar verlangt) Johnson war nie ein faschistischer Architekt, aber überwältigt von der Idee eines „höheren Wesens“ - wahrscheinlich auch diese Phase seines Lebens ein Grund, wieso er nicht mehr in die Tiefe gehen will und alle anderen Aspekte außer Ästhetik aus seinen Entwürfen ausschließt, 1993 sagt er zu seinem Engagement im Faschismus: „There is no excuse for such utter, unbelievable stupidity.” weitere Widersprüchlichkeiten in seinem Leben: nicht nur antisemitisch, sondern auch gegen Afroamerikaner, frauenfeindlich und auch kein Kinderfreund, trotzdem hat er viele jüdische Kollegen und Klienten und zumindest einen afroamerikanischen Liebhaber Institut für Architektur- und Kunstgeschichte, Bauforschung und Denkmalpflege e251-1 baugeschichte bauforschung A-1040 Wien . Karlsplatz 13/251 . Tel. 43-1-58801 25101 . Fax 43-1-58801 25199 Email: [email protected] . Web: www.baukunst.tuwien.ac.at 1 d ip l .- ing . mar ie la d it t ri ch : architektur in nordam erika, lva 251.113 , ss 200 9, handout z ur vo 1940 Beginn des Architekturstudiums unter Marcel Breuer an der Harvard Graduate School of Design (angeblich skizziert und zeichnet er selbst schlecht, hat jedoch einen hervorragenden Sinn für Grafik und ist ein guter Entwerfer) 1943 Abschluss als Bachelor of Architecture, - kleines Haus in der Ash Street in Cambridge als Diplomarbeit (Vorgänger des Glass H.) nach dem Wehrdienst Karriere als Architekt in Cambridge, MA, es entstehen eigene Bauten im I.S. 1946: Rückkehr nach New York als Direktor der Architekturabteilung (1946-54) 1949 - Glass House (eigenes Haus), New Canaan, Connecticut 50er Jahre: hauptsächlich Wohnhäuser für reiche Klienten in Zusammenarbeit mit Mies van der Rohe ensteht das - Seagram B., New York, 1956-58, Mies (Ikone des I.S.) 1954 verlässt Johnson das MOMA und beginnt an der Yale University zu lehren, auch Gastvorlesungen in Harvard, z.B. im Dezember 1954 „The Seven Crutches of Modern Architecture“ („Die sieben Krücken der Modernen Architektur“) 60er Jahre: nicht mehr so strenger, sondern individuellerer dekorativer Stil, Verwendung historischer Elemente, die er mit der zeitgenössischen Architektur in Einklang zu bringen versucht (erster Schritt in die Richtung Postmoderne), zunächst abstrahierte Formen des Klassizismus (genannt „dekorativer Neo-Klassizismus“) - Amon Carter Museum Fort Worth, Texas, 1961-64 - Sheldon Art Gallery, University of Nebraska, Lincoln, Nebraska, 1963 1964-67 Partnerschaft mit Richard Foster 1967-91 Partnerschaft mit John Burgee (kommt aus dem Büro C.F. Murphy Ass. in Chicago und hat große Erfahrung mit Megaprojekten, kommerziell ausgerichtet), Gegensatz zu Johnson, der elegante und luxuriöse Bauten für sehr reiche Klienten errichtet, gemeinsam: imageträchtige Aufträge Beginn der Phase “Adaption der Glasbox” Ausbruch aus der Rechteck-Form, - IDS (Investor Diversified Services) Center, Minneapolis, Minnesota, 1968-73 ab dann Zusammenarbeit mit dem developer Gerald Hines, Johnson/Burgee werden dadurch zu Spezialisten für die Errichtung imageträchtiger spekulativer WK - Pennzoil Place, Houston, 1972-76 - Crystal Cathedral (Garden Grove Community Church), Garden Grove, California, 1977-80 70er und 80er Jahre: Johnson arbeitet vermehrt mit Farbe und Textur seiner WK-Fassaden - AT & T B. (heute Sony Plaza B.), New York City, 1979-84 der Protagonist der Postmoderne, läutet die „historistische“ Richtung der Postmoderne und somit eine neue Phase in der Architekturgeschichte ein: das krasse Gegenteil des I.S. auch die Person Philip Johnson rückt in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit: für Jahrzehnte die herausragendste Persönlichkeit in der amerikanischen Architekturgeschichte, Quelle des Witzes und der Provokation 1993 coming out als Homosexueller in Vanity Fair weitere postmoderne Projekte: - Transco Tower (heute Williams Tower), Houston, TX, 1979-85 - PPG B., Pittsburgh, PA, 1979-84 - ThanksGiving Square, Dallas, TX, 1971-77 - NationsBank Center (früher RepublicBank), , Houston, TX, 1981-84 - 53rd at Third (“Lipstick B.”), New York, 1983-85 - 190 South LaSalle Street, Chicago, 1983-87 Philip Johnson versteht sich als Mentor und Lehrer junger Architekten, die von ihm als „kids“ bezeichnet werden seit 1969 Mentor der „New York Five“ späte 80er: neues Interesse an einer Gruppe junger Architekten, die später als Dekonstruktivisten bekannt wurden, 1988 gemeinsam mit Mark Wigley Kurator einer Ausstellung im MOMA: „Deconstructivist Architecture“, (Begriff „Dekonstruktivismus“ wird auf gewisse zeitgenössische Strömungen in der Architektur angewandt, um diese mit dem russischen Konstruktivismus in Zusammenhang zu bringen, Werke von Peter Eisenman, Frank Gehry, Rem Koolhaas und Daniel Libeskind) Institut für Architektur- und Kunstgeschichte, Bauforschung und Denkmalpflege e251-1 baugeschichte bauforschung A-1040 Wien . Karlsplatz 13/251 . Tel. 43-1-58801 25101 . Fax 43-1-58801 25199 Email: [email protected] . Web: www.baukunst.tuwien.ac.at 2 d ip l .- ing . mar ie la d it t ri ch : architektur in nordam erika, lva 251.113 , ss 200 9, handout z ur vo besonders an Gehry interessiert, dessen Werk das genaue Gegenteil von Mies darstellt, (in einem Interview 1998 vergleicht er das Guggenheim Bilbao mit den französischen Kathedralen der Gotik, da dieses Bauwerk ihn ebenfalls zu Tränen rührte, er sagt, dies sei der einzige Bau des gesamten 20. Jhdts, der den Kathedralen ebenbürtig ist) neuerlicher Wendepunkt seinen eigenen „Stil“ betreffend, übernimmt Elemente aus Gehry’s Werk - „Ghost House“ at Glass House Estate , New Canaan, CT, 1985 - „Gate House“ („da Monsta“) at „Glass House“ Estate , New Canaan, CT, 1995, ab 1989 „Teilzeit-Pension“, kümmert sich um eigene Projekte, fungiert weiterhin als Berater für John Burgee Architects 1991: Ende der Partnerschaft mit John Burgee, der selbst im Mittelpunkt stehen will und Johnson aus der Firma hinausdrängt (schlechte Entscheidung für Burgee, der ohne den „Magneten“ Johnson in Konkurs geht) Johnson mietet ein kleineres Büro in seinem Lipstick B. und macht sich im Alter von 86 Jahren selbständig, Aufträge folgten rasch bis zu seinem Tod: Partnerschaft mit Alan Richie: „PJAR“, das Büro läuft noch heute unter diesem Namen 2004: offizielle“ Pension gestorben am 25.1.2005 mit Alter von 98 Jahren zu Hause im Glass House in New Canaan 1978 AIA Gold Medal 1979 als erster Architekt Pritzker-Preisträger (wurde im selben Jahr etabliert) Institut für Architektur- und Kunstgeschichte, Bauforschung und Denkmalpflege e251-1 baugeschichte bauforschung A-1040 Wien . Karlsplatz 13/251 . Tel. 43-1-58801 25101 . Fax 43-1-58801 25199 Email: [email protected] . Web: www.baukunst.tuwien.ac.at 3