Expertise „Kulturelle Vielfalt bei Kindern in den ersten drei

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Expertise „Kulturelle Vielfalt bei Kindern in den ersten drei
UNTER DREIJÄHRIGE
U
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
Kulturelle Vielfalt bei Kindern in den
ersten drei Lebensjahren
Anforderungen an frühpädagogische Fachkräfte
In der pädagogischen Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren nimmt, wie in vielen anderen Bereichen des Bildungswesens auch, das Erleben von kultureller Vielfalt stetig zu. Treffen Kinder und Familien mit
unterschiedlichen kulturellen Hintergründen aufeinander, ergeben sich neue Anforderungen für den Alltag
frühpädagogischer Fachkräfte. Eine offene Haltung und das entsprechende Wissen ermöglichen es ihnen, in
einer Weise mit diesen Situationen umzugehen, die für alle Seiten befriedigend und angemessen ist.
In dieser Expertise werden der aktuelle Wissensstand der kulturvergleichenden Säuglings- und Kleinkind­
forschung dargestellt sowie mögliche Ableitungen für die praktische Arbeit von frühpädagogischen Fachkräften
diskutiert.
WiFF Expertisen | 16
ISBN 978-3-86379-019-6
Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) stellt alle Ergebnisse in Form
von Print- und Online-Publikationen zur Verfügung.
Alle Publikationen sind erhältlich unter: www.weiterbildungsinitiative.de
U
W
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
Kulturelle Vielfalt bei Kindern in den
ersten drei Lebensjahren
WiFF Wegweiser
Weiterbildung
Exemplarisches Praxismaterial als Orientierungshilfe für die Konzeption
und den Vergleich von
kompetenzorientierten
Weiterbildungsangeboten
UNTER DREIJÄHRIGE
UNTER DREIJÄHRIGE
Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Robert Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit
dem Deutschen Jugendinstitut e. V. Die drei Partner setzen sich dafür ein, im frühpädagogischen
Weiterbildungssystem in Deutschland mehr Transparenz herzustellen, die Qualität der Angebote
zu sichern und anschlussfähige Bildungswege zu fördern.
Ergebnisberichte der
WiFF-eigenen Forschungen und Erhebungen zur
Vermessung der Aus- und
Weiterbildungslandschaft
in der Frühpädagogik
WEITERBILDUNG
Wissenschaftliche Ana­lysen und Berichte zu aktuellen Fachdiskussionen,
offenen Fragestellungen
und verwandten Themen
von WiFF
WiFF Studien
U
Katharina Baumeister / Anna Grieser
WiFF Kooperationen
Produkte und Ergebnisberichte aus der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnern
und Initiativen im Feld
der Frühpädagogik
AUSBILDUNG
WiFF Expertisen
A
Autorengruppe Fachschulwesen
Qualifikationsprofil „Frühpädagogik“ –
Fachschule / Fachakademie
Berufsbegleitende Fort­ und Weiterbildung
frühpädagogischer Fachkräfte – Analyse der
Programmangebote
Anforderungen an frühpädagogische Fachkräfte
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In der pädagogischen Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren nimmt, wie in vielen anderen Bereichen des Bildungswesens auch, das Erleben von kultureller Vielfalt stetig zu. Treffen Kinder und Familien mit
unterschiedlichen kulturellen Hintergründen aufeinander, ergeben sich neue Anforderungen für den Alltag
frühpädagogischer Fachkräfte. Eine offene Haltung und das entsprechende Wissen ermöglichen es ihnen, in
einer Weise mit diesen Situationen umzugehen, die für alle Seiten befriedigend und angemessen ist.
In dieser Expertise werden der aktuelle Wissensstand der kulturvergleichenden Säuglings- und Kleinkindforschung dargestellt sowie mögliche Ableitungen für die praktische Arbeit von frühpädagogischen Fachkräften
diskutiert.
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Die Autorinnen der vorliegenden Studie haben die derzeitigen Möglichkeiten zur Weiterbildung frühpäda­
gogischer Fachkräfte anhand des bundesweiten Angebots der größten Weiterbildungsanbieter analysiert.
Hierzu wurden 8.693 Angebote von 96 Weiterbildungsanbietern untersucht. Die Analyse der Angebote gibt
einen systematischen Überblick über die größten Weiterbildungsanbieter, die angebotenen Themen, die
Qualifizierung der Referentinnen und Referenten, die Kosten der Teilnahme an Veranstaltungen sowie deren
zeitlichen Umfang.
In Kooperation mit:
einer bundesweiten Arbeitsgruppe aus
Fachverbänden und Fachorganisationen des
Fachschulwesens
WiFF Wegweiser Weiterbildung | 2
WiFF Expertisen | 16
ISBN 978-3-86379-019-6
WiFF Studien | 10
© 2011 Deutsches Jugendinstitut e. V.
Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF)
Nockherstraße 2, 81541 München
Telefon: +49 (0)89 62306-173
E-Mail: [email protected]
Herausgeber: Deutsches Jugendinstitut e. V. (DJI)
Koordination: Nina Rehbach, Vera Deppe
Lektorat: Jürgen Barthelmes
Gestaltung, Satz: Brandung, Leipzig
Titelfoto: djemphoto © Fotolia.com
Druck: Henrich Druck + Medien GmbH, Frankfurt a. M.
www.weiterbildungsinitiative.de
ISBN 978-3-86379-019-6
WiFF Kooperationen | 1
ISBN 978-3-935701-98-3
DRUCK_Umschlag_Baumeister_5.indd 1
ISBN 978-3-935701-87-7
19.05.11 12:23
DRUCK_Umschlag_Qualifikationsprofil.indd 1
Band 13:
Elmar Drieschner: Bindung und
kognitive Entwicklung – ein
Zusammenspiel
Band 10:
Katharina Baumeister / Anna
Grieser: Berufsbegleitende Fortund Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte – Analyse
der Programmangebote
Band 2:
Kinder in den ersten drei
Lebensjahren. Grundlagen
für die kompetenzorientierte
­Weiterbildung
Zuletzt erschienen:
Zuletzt erschienen:
Zuletzt erschienen:
Band 12:
Monika Rothweiler/Tobias Ruberg: Der Erwerb des Deutschen
bei Kindern mit nichtdeutscher
Erstsprache
Band 9:
Rolf Janssen: Das Profil sozial­
pädagogischer Fachschulen
Band 1:
Sprachliche Bildung. Grund­
lagen für die kompetenz­
orientierte Weiterbildung
Band 11:
Gudula List: Spracherwerb und
die Ausbildung kognitiver und
sozialer Kompetenzen
Band 8:
Rolf Janssen: Die Zugangs­
voraussetzungen zur sozialpä­dagogischen Fachschulausbildung von Erzieherinnen und
Erziehern
Band 10:
Helga Andresen: Erzählen und
Rollenspiel von Kindern zwischen drei und sechs Jahren
Band 7:
Katja Flämig: Kooperation zwischen Fachschulen/Berufsfachschulen und Praxisstätten
Band 9:
Iris Füssenich: Vom Sprechen
zur Schrift
Band 6:
Karin Beher/Michael Walter:
Zehn Fragen – Zehn Antworten
zur Fort- und Weiterbildungslandschaft für frühpädagogische Fachkräfte
Band 8:
Jörg Maywald: Kindeswohl­
gefährdung
Band 5:
Jutta Helm: Das Bachelorstudium Frühpädagogik. Zugangs­
wege – Studienzufriedenheit –
Berufserwartungen
23.03.11 10:37
Band 1:
Autorengruppe Fachschulwesen: Qualifikationsprofil
„Frühpädagogik“ – Fach­
schule / Fachakademie
Stand: Juli 2011
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
Kulturelle Vielfalt bei Kindern in den
ersten drei Lebensjahren
Anforderungen an frühpädagogische Fachkräfte
Eine Expertise der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF)

Vorwort
Die Zahlen zur Inanspruchnahme von Angeboten der Kindertagesbetreuung zeigen, dass das
Aufwachsen mit kultureller und sozialer Vielfalt aufgrund des hohen Anteils von Kindern mit
Migrationshintergrund gesellschaftliche Realität geworden ist. Gleichzeitig wird deutlich, dass
Kinder mit Migrationshintergrund prozentual seltener eine Einrichtung besuchen als Kinder ohne
Migrationshintergrund, eine Differenz, die umso stärker ausgeprägt ist, je jünger die Kinder sind.
In der Fachdiskussion wird deshalb gefordert, dass die pädagogischen Fachkräfte besser vorbereitet werden müssen, um in ihren Einrichtungen sensibel auf die kulturelle und soziale Vielfalt
eingehen und möglichen Vorbehalten aufseiten der Eltern begegnen zu können.
In der vorliegenden, von der WiFF-Expertengruppe „Kinder unter drei Jahren“ veranlassten
Expertise „Kulturelle Vielfalt bei Kindern in den ersten drei Lebensjahren – Anforderungen an
frühpädagogische Fachkräfte“ stellen Jörn Borke, Paula Döge und Joscha Kärtner Erkenntnisse
aus der kulturvergleichenden Säuglings- und Kleinkindforschung vor und beschreiben, ­welche
Konsequenzen sich hieraus für die frühpädagogische Praxis mit Kindern in den ersten drei
­Lebensjahren ergeben.
Am Beispiel von pädagogischen Schlüsselsituationen wie Eingewöhnung, Schlafen, Essen oder
Spielen wird deutlich, wie scheinbar selbstverständliche Praktiken vor dem Hintergrund kultureller Differenz zu Irritationen, Unverständnis und auch Konflikten zwischen Kindern, Eltern und
Fachkräften führen können. Die Autorengruppe gibt Hinweise, wie dem bei der Gestaltung des
Alltags in der Einrichtung kultursensitiv begegnet werden kann. Abschließend stellen sie bereits
vorhandene pädagogische Ansätze und Praxisprojekte vor, in denen die Berücksichtigung kultureller Vielfalt zentral verankert ist.
Die Expertise wurde im Auftrag der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte
(WiFF) erstellt. Die Verantwortung für die fachliche Aufbereitung der Inhalte liegt bei den jeweiligen Autorinnen und Autoren. Die Expertisen, deren Ergebnisse auch in die weiteren Projektarbeiten einfließen, bieten Material für die Entwicklung von Angeboten der Weiterbildung; zudem
sollen sie den fachlichen und fachpolitischen Diskurs anregen.
München, im Juli 2011
Angelika Diller Projektleitung WiFF Hans Rudolf Leu
Wissenschaftliche Leitung WiFF
5
Inhalt
1
Einleitung1
8
2
Der Kulturbegriff
9
3
Kulturelle Entwicklungspfade in den ersten drei Lebensjahren
11
4
Das Bild vom Kind – Kulturelle Unterschiede
15
5
Bedeutung der Haltung frühpädagogischer Fachkräfte
18
6
Bedeutsame Situationen in der frühkindlichen Pädagogik
6.1 Dialog mit den Eltern – Erziehungspartnerschaften
6.1.1 Unterschiedliche Gesprächskulturen 6.1.2 Unterschiedliche Erziehungsvorstellungen 6.2 Eingewöhnung
6.3 Schlafen
6.4 Essen
6.5 Spielen
6.5.1 Exkurs: Frühe Mutter-Kind Interaktion
6.5.2 Besitz und Teilen
6.6 Sauberkeitserziehung 19
19
20
20
2 1
24
25
26
27
28
29
7
Sprache – Sprachentwicklung – Sprachlernunterstützung 30
8
Interkulturelle Trainings
33
9
Darstellung vorhandener Ansätze
9.1 KINDERWELTEN – Vorurteilsbewusste Bildung und
Erziehung in Kindertagesstätten
9.2 frühstart – Deutsch und interkulturelle Bildung im Kindergarten
9.3 Te Whāriki
9.4 Kultursensitive Aspekte in der Krippenpädagogik
35
35
36
37
38
10
Zusammenfassung
39
11
Literatur
40
1 Sowohl die Gliederung als auch Teile der praktischen Implikationen dieser Expertise sind maßgeblich beeinflusst durch
den Austausch zwischen Praxis und Forschung in der Arbeitsgruppe Kultursensitive Aspekte in der Krippenpädagogik des
Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) (vgl. Kap. 9.4), ohne den es die Expertise in
dieser Form nicht gegeben hätte. Allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe sei hiermit ausdrücklich gedankt.
7
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
1 Einleitung
Mit Blick auf die außerhäusliche Betreuung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren befindet sich die
Bundesrepublik Deutschland in einer Umbruchphase.
Dies betrifft die Quantität und in besonderem Maße
die Qualität der Betreuung in Kinderkrippen sowie
bei Tagesmüttern und in altersgemischten Kindergartengruppen.
Auf der einen Seite müssen mehr Plätze bereitgestellt werden, um den gesellschaftlichen Bedürfnissen
und gesetzlichen Zusagen nachzukommen (Bertelsmann Stiftung 2008; Rauschenbach u.a. 2007). Im April
2007 wurde auf Initiative der damaligen Bundesfamilienministerin mit den Ländern und Kommunen festgelegt, dass bis zum Jahr 2013 für ein Drittel der Kinder
in den ersten drei Lebensjahren ein außerhäusliches
Betreuungsangebot bereitgestellt werden soll. 70 Prozent dieser Betreuung soll in Krippen und 30 Prozent
in der Tagespflege stattfinden (Maywald 2008). Vor
allem in den westdeutschen Bundesländern ist die
derzeitige Situation aber noch sehr weit von diesen
Zahlen entfernt (Rauschenbach u.a. 2007).
Auf der anderen Seite werden die wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnisse darüber, was eine
gute Krippenpädagogik ausmacht und was Kinder in
der außerhäuslichen Betreuung benötigen, um sich
gut entwickeln zu können, immer differenzierter. Das
trifft in der Folge auch auf die Anforderungen an die
Krippenerzieherinnen und Tagesmütter zu (Deutsche
Liga für das Kind 2008). Diese Qualitätsdebatte und
die Umsetzung der entsprechenden Standards sind
wichtig, notwendig und begrüßenswert.
Ein Aspekt aber findet kaum Beachtung, und wenn,
dann oft in eher unsystematischer und abstrakter Weise – nämlich die Vielfalt unterschiedlicher kultureller
Hintergründe von Familien und frühpädagogischen
Fachkräften sowie die Mannigfaltigkeit der daraus
abzuleitenden Handlungsmöglichkeiten und Besonderheiten für den praktischen Alltag.
Im Thüringer Bildungsplan für Kinder bis 10 Jahre
findet sich zum Aspekt Bildungsverständnis folgende
Überlegung:
„Kinder wachsen in der modernen Gesellschaft
immer in einem von Menschen gestalteten und ge8
formten Rahmen auf. Diese Gestaltung bezieht sich
einerseits auf die natürliche Umwelt, andererseits
auf die Form des Zusammenlebens. Ein derart von
Menschen geformter Rahmen heißt Kultur. Wo immer
Menschen zusammenleben, bilden sich spezifische
Kulturen heraus; es gibt also nicht nur eine Kultur. Um
Wissen über die Orientierung innerhalb der Kultur zu
erwerben, in die ein Mensch geboren wird, ist er auf Erziehung angewiesen – sei es in natürlichen Kontexten
der Familie, sei es in eigens dafür geschaffenen Institutionen.“ (Thüringer Kultusministerium 2008, S. 14)
In dieser Einleitung wird zwar die kulturelle Vielfalt
betont, aber es bleibt dennoch offen, in welcher Form
sich diese in frühkindlichen Bildungseinrichtungen
äußert und welche konkreten Handlungsstrategien
pädagogische Fachkräfte verfolgen können, um darauf zu reagieren.
Weiterhin zeigt sich, dass die gängigen pädagogischen Ansätze auf Grundlagen beruhen, die sich
überwiegend auf Überlegungen und Befunde beziehen, die vor allem für die westliche Mittelschicht
passend sind (Schäfer 2008, 2005; Fthenakis 2004). Es
kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sie auch für andere kulturelle Kontexte und
Hintergründe adaptiv sind (Keller 2011, 2003).
Derzeit haben etwa 16 Prozent der Kinder im Alter
bis zu drei Jahren in Tagesbetreuung einen Migra­
tionshintergrund (Statistisches Bundesamt 2011). Dabei gibt es nach wie vor große Unterschiede zwischen
den alten und den neuen Bundesländern:
In den neuen Bundesländern liegt der Anteil bei
den Kindern in dieser Altersgruppe zwischen drei und
vier Prozent, in den alten Bundesländern dagegen
zwischen 13 Prozent (Schleswig Holstein) und 32 Prozent
(Hamburg) (Bertelsmann Stiftung 2008). Da einerseits
der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund
stetig zunimmt, andererseits in den nächsten Jahren
immer mehr Betreuungsplätze für diese Altersgruppe zur Verfügung stehen werden, wird dieser Anteil
perspektivisch wachsen und teilweise Grenzen der
aktuellen Krippenpädagogik aufzeigen.
Es gibt empirische Befunde und theoretische Annahmen, die deutlich machen, dass die aktuelle Krippenpädagogik einer kulturellen Vielfalt nicht wirklich
gerecht werden kann. Diese Erkenntnisse spiegeln sich
auch in den Praxisberichten von zahlreichen Krippenerzieherinnen und Fachberaterinnen wider, die im
Vorfeld dieser Expertise im Rahmen der Arbeitsgruppe
Der Kulturbegriff
Kultursensitive Aspekte in der Krippenpädagogik des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und
Entwicklung (nifbe) erhoben wurden (Borke u.a. 2009;
vgl. dazu auch das Kap. 9.4). Dabei zeigte es sich, dass
auch in Kinderkrippen, die über eine gute finanzielle,
räumliche und personelle Ausstattung verfügen sowie
auf hohem und anerkanntem pädagogischen Niveau
arbeiten, Schwierigkeiten mit Kindern bzw. Familien
unterschiedlicher kultureller Hintergründe auftreten.
Die derzeit vorhandenen pädagogischen Konzepte
werden als nicht ausreichend erlebt, um im Umgang
mit kultureller Vielfalt in der praktischen Arbeit über
genügend Hintergrund- und Handlungswissen zu
verfügen.
In dieser Expertise werden daher zunächst Erkenntnisse aus der kulturvergleichenden Säuglings- und Kleinkindforschung dargelegt. Diese können helfen, unterschiedliche, kulturell bedingte Entwicklungspfade
der ersten drei Lebensjahre zu verstehen und in einem
nächsten Schritt daraus resultierende Konsequenzen
für die erzieherische Haltung und die pädagogische
Handlung in der Kinderkrippe bzw. in der Tagespflege
abzuleiten. Hierzu werden bedeutsame Situationen des
Betreuungsalltages aus kultursensitiver Sicht beleuchtet. Daneben wird der für die interkulturelle Arbeit
bedeutsame Bereich der Sprachentwicklung vertieft.
Weiterhin werden interkulturelle Trainings dargestellt
sowie bisher vorhandene pädagogische Ansätze und
Praxisprojekte, die verschiedene kulturelle Hintergründe berücksichtigen, vorgestellt.
Im Folgenden wird zunächst der Kulturbegriff definiert, der dieser Expertise zugrunde liegt.
2 Der Kulturbegriff
Der Begriff Kultur wird auf vielfältige Weise definiert.
Mal scheint er nahezu identisch mit Begriffen wie Land
und Herkunft benutzt zu werden, mal beinhaltet er
eher künstlerische und zivilisatorische Leistungen sowie
menschliche Errungenschaften.
Der in dieser Expertise vertretene Kulturbegriff
grenzt sich von diesen üblichen Auslegungen ab. Die
erste Definition kann der tatsächlich vorhandenen
kulturellen Vielfalt nicht gerecht werden und vernachlässigt die Tatsache, dass auch innerhalb von
Ländern große kulturelle Unterschiede bestehen.
Außerdem birgt dieses Kulturverständnis die Gefahr
einer Stereotypisierung, welche dazu führen kann,
dass individuelle Unterschiede im pädagogischen
Alltag nicht ausreichend wahrgenommen und einem
Kind und seiner Familie mit der Landeszugehörigkeit
automatisch gleich auch bestimmte Werte und Verhaltensweisen zugeordnet werden.
Ein derartiges Verständnis zeigt sich beispielsweise
in manchen frühen Ansätzen zur Ausländerpädagogik,
die im Rahmen des Zuzuges von Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen durch Arbeitsmigration in der Bundesrepublik Deutschland nach dem
Zweiten Weltkrieg entwickelt wurden (Huser 2007;
Nieke 1986).
Die zweite Definition verkürzt Kultur auf künstlerische Aspekte. Im Alltag der Kindertagesstätten
sowie in den Bildungs- und Orientierungsplänen
der Bundesländer wird dieser Aspekt oft unter den
Begriff der Ästhetischen Bildung gefasst. Dies ist zweifelsohne ein wichtiger Bereich und mit der Auseinandersetzung von verschiedenen Ausdrucksformen
unterschiedlicher Regionen und Länder können im
Kindertagesstättenalltag wichtige Grundlagen des
gegenseitigen Kennenlernens gelegt werden. Dieser
Kulturbegriff beschreibt aber eben nur einen sehr
kleinen Ausschnitt von dem, was die Kultur eines
Menschen ausmacht und den kulturellen Kontext, in
dem er aufgewachsen ist.
„Understanding cultural differences is a subject
that goes far beyond what holidays people celebrate
and what foods they eat” (Gonzalez-Mena 2008,
S. 19) – es geht also um viel tiefer greifende und grund9
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
sätzlichere Konzepte, aus denen sich auch ebenso tief
greifende Konsequenzen für die frühpädagogische
Arbeit in Kinderkrippen bzw. von Tagesmüttern ableiten lassen, um eine inklusive Pädagogik hinsichtlich
unterschiedlich kultureller Kontexte ermöglichen zu
können.
Der Kulturbegriff, der dieser Expertise zugrunde
liegt, ist definiert als von Personen geteilte Deutungsund Verhaltensmuster, die an ökonomische und soziale
Ressourcen des Kontextes, in dem diese Personen
leben, angepasst sind.
Ein spezifischer kultureller Kontext ist in diesem
Sinne gekennzeichnet durch Parameter wie Familiengröße, das Ausmaß an formaler Bildung und materiellen Ressourcen und eher dörfliche versus eher
städtische Umgebung. Die Deutungs- und Verhaltensmuster können als soziokulturelle Orientierungen
beschrieben werden, die sogenannte kulturelle
Modelle konstituieren (Keller 2011, 2007; Berry 1976;
Whiting / Whiting 1975; im Kapitel 3 wird dies anhand
von prototypischen Verläufen konkreter ausgeführt).
Aus den kulturellen Modellen leiten sich jeweils
spezifische Sozialisationsziele ab, also allgemeine Vorstellungen und Wünsche darüber, wie die kindliche
Entwicklung verlaufen sollte und wann welche Fähigkeiten ausgebildet und vorhanden sein sollten (Keller
2007; Bugenthal / Johnston 2000). Ideen darüber, was
pädagogische Fachkräfte bei der frühkindlichen Bildung unterstützen und fördern sollten, sind ebenso
Bestandteil dieser Vorstellungen.
Korrespondierend zu den Sozialisationszielen,
die Eltern, Bildungsträger und pädagogische Fachkräfte bei ihren Vorstellungen hinsichtlich einer
erfolgreichen, gesunden und wirksamen kindlichen
Entwicklung verfolgen, lassen sich sogenannte elterliche (bzw. pädagogische) Ethnotheorien beschreiben
(Harkness / Super 1996; Sigel 1985).
Ethnotheorien sind Überzeugungssysteme bezüglich eines guten und förderlichen Verhaltens gegenüber Kindern, die Menschen im Verlauf ihrer Sozialisation durch Wissen und Erfahrungen erwerben. Dieser
Erwerb geschieht sowohl bewusst (z. B. durch Lektüre
pädagogischer Literatur) als auch unbewusst (z. B.
durch Übertragungsprozesse von einer Generation auf
die andere). Sie bestehen aus expliziten und impliziten
Anteilen, also aus Anteilen, die auf Nachfrage von den
Personen benannt und erklärt werden können sowie
aus Anteilen, auf die nur indirekt geschlossen werden
10
kann, da sie den Personen nicht bewusst sind (Keller
2007; Harkness / Super 1996; Sigel 1985).
Ethnotheoretische Überzeugungen beeinflussen
emotionale und kognitive Prozesse von Eltern sowie
die jeweiligen pädagogischen Grundsätze und wirken
sich darüber hinaus auf das elterliche und erzieherische Verhalten aus (Şıkcan 2008; Keller u.a. 2004a).
Entsprechend der nach kulturellem Kontext variierenden Sozialisationsziele können sehr unterschiedliche ethnotheoretische Überzeugungen hinsichtlich
des Umgangs mit Säuglingen und Kleinkindern
bestehen (Keller u.a. 2006; Keller u.a. 2002). Die Sozialisationsziele sowie die damit in Zusammenhang
stehenden Ethnotheorien bilden den Hintergrund
für elterliche und erzieherische Verhaltensweisen, die
dementsprechend ebenfalls deutlich zwischen verschiedenen kulturellen Kontexten variieren können
(Keller 2011, 2007).
Diese unterschiedlichen Verhaltensweisen, die
gegenüber den Kindern gezeigt werden, haben wiederum einen Einfluss darauf, wie Kinder mit altersentsprechenden Entwicklungsaufgaben umgehen, bzw.
wann und wie diese Aufgaben bewältigt werden. Prinzipiell werden Kinder damit für das Umfeld, in dem
sie aufwachsen, am besten vorbereitet, wobei diese
Umfelder aber eben je nach kulturellem Kontext variieren (siehe Abb. 1) (Keller u.a. 2005; Keller u.a. 2004b).
Entscheidende, die Entwicklung kanalisierende
menschliche Grundthemen, durch die das kulturelle
Modell eines bestimmten Kontextes geformt wird,
sind zum einen das Streben nach Autonomie (nach
Unabhängigkeit, Selbstständigkeit, Independenz, Individualität und Selbstverwirklichung), zum anderen
das Streben nach Verbundenheit (nach Gemeinschaft,
Interdependenz und Relationalität) (Kağıtçıbaşı 2007;
Keller 2011, 2007).
Autonomie und Verbundenheit sind als zwei unabhängige Dimensionen zu betrachten, welche Aspekte
beschreiben, die für alle Menschen von Bedeutung
sind. Es lässt sich aber zeigen, dass die Gewichtungen
der beiden Dimensionen, je nach kulturellem Kontext,
sehr unterschiedlich ausfallen können.2
2 Ableitungen hinsichtlich verschiedener Ausprägungen auf
beiden Dimensionen lassen sich beispielsweise auch in Zusammenhang mit Unterschieden zwischen westdeutschen Krippenkonzepten und solchen der ehemaligen DDR beschreiben
(Nentwig-Gesemann 2009).
Kulturelle ­Entwicklungspfade in den ­ersten drei Lebensjahren
Abbildung: Konzeptionelles
Modell von Erziehungs- und
Entwicklungshintergründen (Keller 2007)
3 Kulturelle
­Entwicklungspfade in den
­ersten drei Lebensjahren
Kulturelles Modell
Sozialisationsziele
Elterliche / erzieherische Ethnotheorien
Elterliche / erzieherische Verhaltensweisen
Kindliche Entwicklung und Bildung
Im folgenden Kapitel 3 wird dieses theoretische
Modell anhand der Darstellung prototypischer Entwicklungsverläufe konkretisiert und mit Beispielen
angereichert. Weiterhin wird dargestellt, welche
Konsequenzen und Anforderungen sich daraus für
frühpädagogische Fachkräfte ableiten lassen (Keller
2011; Borke u.a. 2009).
Natürlich lassen sich prinzipiell sehr viele unterschiedliche Entwicklungspfade beschreiben und streng
genommen unterscheidet sich jede Familie von anderen Familien, sodass auch von unterschiedlichen
Familienkulturen gesprochen werden kann (DermanSparks 2008; Borke u.a. 2005). Dennoch lassen sich
kulturspezifische, prototypische Verläufe nachweisen,
die zur Verdeutlichung hilfreich sind und aus denen
praktische Ableitungen getroffen werden können,
ohne dass dadurch die generelle Vielfalt von Entwicklungsprozessen sowie die Einzigartigkeit jeden Kindes
und seiner Familie in Frage gestellt wird.
Prototyp: Autonomieorientierter
Entwicklungspfad
Ein erster prototypischer Entwicklungspfad – der
Prototyp der Autonomieorientierung – kann als einem
kulturellen Modell folgend beschrieben werden, das
durch eine hohe Gewichtung von Autonomie und einer eher geringen Gewichtung von Verbundenheit gekennzeichnet ist (Keller 2007; Markus / Kitayama 1991).
Dieses Modell der Autonomie ist vor allem in westlichen Mittelschichtkontexten vorherrschend. Der
Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von Kindern
wird hier von Anfang an eine große Bedeutung beigemessen, was sich beispielsweise darin äußert, dass
Kleinkinder schon relativ früh daran gewöhnt werden
sollen, alleine zu schlafen (Kast-Zahn / Morgenroth
2004; vgl. dazu auch Kap. 6.3).
Außerdem dominieren pädagogische Bildungsbegriffe und darauf aufgebaute Konzepte, welche
die Selbstbildung und Autonomieunterstützung der
Kinder in den Vordergrund stellen und weniger aktives Eingreifen der Erzieherin befürworten (Schäfer
2008, 2005).
Fragt man Eltern oder pädagogische Fachkräfte
nach wichtigen Sozialisationszielen für Kinder in den
ersten drei Lebensjahren, dann wird Zielen wie Talente
und Interessen entwickeln und Eigene Vorstellungen klar
ausdrücken eine sehr große Bedeutung beigemessen;
11
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
Ziele wie Soziale Harmonie erhalten, Tun, was Eltern
sagen und Ältere Menschen respektieren haben jedoch
eine signifikant geringere Bedeutung (Keller 2011;
Keller u.a. 2006).
Hinsichtlich der elterlichen oder erzieherischen
Ethnotheorien über einen guten Umgang mit Säuglingen, kann gezeigt werden, dass Eltern eine distale
(durch Phasen körperlicher Distanz gekennzeichnete)
Interaktionsstrategie befürworten. Hierbei werden
Blickkontakt und Objektstimulation betont, durch die
dem Kind kontingente Antworten auf seine Signale
vermittelt werden können, durch die sich das Kind
als Verursacher der auf sein Verhalten folgenden Reaktionen seines Gegenübers erleben kann. Dadurch
wird das Empfinden von Selbstwirksamkeit und somit
die Entwicklung eines kategorialen und autonomen
Selbsterlebens gefördert (also die Fähigkeit, sich selbst
als Objekt auf einer Vorstellungsebene repräsentieren
zu können) (Kärtner 2007).
Des Weiteren unterstützt die distale Interaktionsstrategie die Auseinandersetzung mit einer nicht
sozialen Umwelt und die Fähigkeit des Kindes, sich
allein zu beschäftigen (Keller u.a. 2006; Borke 2002).
Das tatsächlich gezeigte Elternverhalten entspricht
der in den Ethnotheorien beschriebenen distalen
Interaktionsstrategie (Keller u.a. 2009; vgl. dazu auch
Kap. 6.5.1). Hinsichtlich der weiteren Entwicklung
der Kinder zeigen Längsschnittstudien, dass ein distales Interaktionsverhalten mit drei Monate alten
Säuglingen (im Vergleich mit Kindern, die ein eher
proximales Interaktionsverhalten erleben) mit dem
früheren Erlangen eines kategorialen Selbsterlebens
zusammenhängt (Keller u.a. 2004b).
Prototyp: Verbundenheitsorientierter
Entwicklungspfad
Ein zweiter, dem ersten entgegengesetzter, prototypischer Entwicklungspfad – der Prototyp der Verbundenheitsorientierung – ist durch eine hohe Präferenz für
verbundenheitsorientierte Aspekte und eine relativ
niedrige Präferenz für autonomieorientierte Bereiche
gekennzeichnet.
Dieser Prototyp ist vor allem in traditionellen nichtwestlichen Kontexten vorherrschend (z. B. im ländlichen Afrika oder Asien). Die in diesem kulturellen
Modell dominierenden Sozialisationsziele lassen sich
im Zusammenhang mit Werten wie Gemeinschaftlichkeit, Respekt und Gehorsam sehen. So geben
12
beispielsweise Mütter der Nso (einer Ethnie im ländlichen Kamerun) Mit anderen teilen, Soziale Harmonie
erhalten, Tun, was Eltern sagen und Ältere Menschen
respektieren als die wichtigsten Sozialisationsziele für
Kinder in den ersten drei Lebensjahren an, während
sie alle Ziele, die auf die Unterstützung von Autonomie
abzielen, als eher unwichtig ansehen (Keller 2007).
Hinsichtlich der elterlichen oder erzieherischen
Ethnotheorien über den guten Umgang mit Säuglingen kann gezeigt werden, dass Eltern hier eine
eher proximale (durch viel körperliche Nähe gekennzeichnete) Interaktionsstrategie befürworten (Keller
2007). Hier liegt die Betonung auf Körperkontakt und
Körperstimulation, um so dem Kind körperliche Nähe
und Wärme und damit das Gefühl von Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft vermitteln zu können
sowie die motorische Entwicklung zu fördern, damit
die Kinder sich früh vor Gefahren in Sicherheit bringen
und bei den alltäglichen häuslichen Arbeiten mithelfen können (Keller u.a. 2006).
Auch hier zeigen sich hinsichtlich des tatsächlich
gezeigten Elternverhaltens entsprechende Interaktionsmuster (Keller u.a. 2009; vgl. dazu Kap. 6.5.1). Mit
Blick auf die weitere Entwicklung lässt sich beispielsweise zeigen, dass ein proximales Interaktionsverhalten mit drei Monate alten Säuglingen mit einem stärkeren Gehorsam der Kinder im Alter von 19 Monaten
zusammenhängt (Keller u.a. 2004b).
Mischformen der Entwicklungspfade
Dies sind, wie erwähnt, prototypische Verläufe und
es lassen sich prinzipiell endlos viele verschiedene
Mischformen ableiten, in denen die Ausprägungen
auf den Dimensionen Autonomie und Verbundenheit
jeweils unterschiedlich sind. Eine Form, die häufig
beschrieben wurde, ist gekennzeichnet durch relativ hohe Ausprägungen sowohl von autonomie- als
auch von verbundenheitsbezogenen Aspekten. Die
sogenannten autonom-relationalen Muster sind
charakteristisch für formal hoch gebildete städtische
Kontexte in nichtwestlichen Regionen (z. B. in afrikanischen oder asiatischen Großstädten) (Kağıtçıbaşı
2007; Keller 2007). Entsprechend werden hier sowohl
autonomiefördernde als auch gemeinschafts- und
hierarchiebezogene Sozialisationsziele als bedeutsam
angesehen (Keller 2011, 2007).
Auch bezüglich des Elternverhaltens zeigen sich
Mischformen von distalen und proximalen Strategien
Kulturelle ­Entwicklungspfade in den ­ersten drei Lebensjahren
(Keller u.a. 2009; Keller u.a. 2004b). Autonom-relational ausgerichtete Familien können hinsichtlich
ihrer Verhaltensweisen zwischen den Prototypen
der Autonomie und der Verbundenheit eingeordnet
werden und auch bezüglich der kindlichen Entwicklung liegen die Durchschnittswerte der Bewältigung
verschiedener entwicklungsspezifischer Aufgaben
zwischen den oben beschriebenen Prototypen.
Neunzehn Monate alte Kinder mit einem autonomrelationalen Hintergrund (städtische Familien aus
Costa Rica) waren im Mittel weniger gehorsam als
Kinder aus verbundenheitsorientierten Kontexten
(ländliche Familien aus Kamerun), aber im Mittel
gehorsamer als Kinder aus autonomieorientierten
Kontexten (städtische Familien aus Griechenland).
Weiterhin konnte gezeigt werden, dass sie im Mittel
früher ein kategoriales Selbsterleben erworben haben
als Kinder aus verbundenheitsorientierten Kontexten
und dieses im Mittel später erwarben, als Kinder aus
autonomieorientierten Kontexten (Keller u.a. 2004b).
Die autonom-relationale Orientierung ist auch
Realität für viele Familien mit Migrationshintergrund
in Deutschland, da diese oftmals aus eher ländlichen
Regionen kommen, in denen eher kulturelle Modelle
vorherrschen, die sehr verbundenheitsorientiert sind
(z. B. in Teilen Anatoliens) und in urbane Kontexte migrieren, die durch eine hohe Autonomieorientierung
gekennzeichnet sind.
Es lässt sich also ein breites Spektrum elterlicher
Erziehungsvorstellungen und Verhaltensweisen beschreiben und es ist davon auszugehen, dass diese für
die jeweiligen Kontexte, in denen sie sich entwickelt
haben, hoch adaptiv sind.
Migration verändert Kontext und Situation
Durch Migrationsprozesse werden Vorstellungen aus
ihren ursprünglichen Kontexten in neue Kontexte
transportiert und weichen möglicherweise von den
dort vorherrschenden deutlich ab.3 So konnten beispielsweise Banu Citlak und andere (2008) zeigen, dass
3 Gemäß der in dieser Expertise vertretenen Kulturdefinition können unterschiedliche Modelle nicht nur bei einem Wechsel von
einem Land in ein anderes aufeinandertreffen, sondern beispielsweise auch, wenn Familien von der Stadt auf das Land ziehen
(oder umgekehrt) bzw. auch bei einem Umzug von einem Stadtviertel in ein anderes, wenn diese durch unterschiedliche Umgebungen geprägt sind.
signifikante Unterschiede hinsichtlich der von Eltern
angegebenen Sozialisationsziele zwischen deutschen
Müttern und Müttern, die aus der Türkei emigriert
sind, bestehen.
Deutsche Mütter gaben in deutlich höherem Maße
Sich selber gut fühlen und Sich psychologisch unabhängig
fühlen als Sozialisationsziele an, als Mütter, die in erster
Generation aus der Türkei nach Deutschland immigriert sind. Die deutschen Mütter nannten im Mittel
deutlich häufiger autonomiebezogene Sozialisationsziele als dies die befragten Mütter mit türkischem
Migrationshintergrund taten.
In der Studie zeigte sich aber auch, dass Unterschiede
bestehen zwischen Müttern, die in erster Generation
immigriert sind (in dieser Studie definiert als Frauen,
die nach ihrem 14. Lebensjahr nach Deutschland
kamen) und denen, die zur zweiten Generation mit
Migrationshintergrund zu zählen sind (Frauen, die in
Deutschland geboren wurden oder vor ihrem sechsten
Lebensjahr nach Deutschland kamen). Es zeigten sich
bezüglich der Sozialisationsziele kaum Unterschiede
zwischen den deutschen Müttern und den Müttern
aus der zweiten Migrationsgeneration, was darauf
hinweist, dass die Dauer, die eine Familie in der Aufenthaltskultur verbracht hat und vor allem der Kontext,
in dem wesentliche Sozialisationsjahre stattgefunden
haben, einen großen Einfluss auf die Vorstellungen
über Erziehung und Entwicklung haben.
Hinsichtlich eines Sozialisationszieles unterschieden
sich aber auch die beiden Gruppen der türkischen
Mütter mit Migrationshintergrund von den deutschen
Müttern. Letztere gaben Selbstkontrolle (die Fähigkeit
negative Emotionen und Impulse wie z. B. Aggressionen kontrollieren zu können) deutlich häufiger als
wichtiges Sozialisationsziel an als die türkischstämmigen Mütter. Weiterhin zeigte sich, dass der Grad der
formalen Bildung Einfluss auf die Art der angegebenen
Sozialisationsziele hatte. Je höher die Bildung, desto
häufiger wurden Sozialisationsziele wie Psychologische
Unabhängigkeit und Sich selber gut fühlen (die eher einer
autonomiebezogenen Orientierung zuzuordnen sind)
angegeben und umso weniger Sozialisationsziele wie
Respekt und Familienverpflichtungen (die eher einer
verbundenheitsbezogenen Orientierung zuzuordnen
sind) (Citlak u.a. 2008). Dies unterstreicht noch einmal
die oben beschriebene grundlegende Bedeutung von
sozioökonomischen Hintergründen für die kulturelle
Orientierung von Familien.
13
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
In diesem Kapitel wurden verschiedene Entwicklungspfade dargestellt (dies konnte hier nur relativ kurz
und ausschnitthaft geschehen; für eine Vertiefung
siehe z. B. Keller 2011), die durch unterschiedliche
Gewichtungen von Autonomie und Verbundenheit
gekennzeichnet sind und es wurde dargelegt, wie
unterschiedlich Erziehung und Entwicklung je nach
familiärem Hintergrund ausgeprägt sein können.
Implikationen für die Praxis
Die praktische Arbeit von frühpädagogischen Fachkräften ist in der Regel auch dadurch gekennzeichnet,
dass dort Kinder und Eltern mit unterschiedlichen
kulturellen Hintergründen zusammenkommen. Da
jedes System normative Vorstellungen darüber enthält, was richtig oder falsch ist, haben Menschen die
Neigung, das, was ihnen unvertraut ist und von ihrem
Schema abweicht, als nicht normal und unrichtig abzulehnen. Ein Blick durch die eigene kulturelle Brille
birgt also die Gefahr von normativen Bewertungsmaßstäben: Das Verhalten von Kindern wird nach
Kriterien bewertet, die möglicherweise nicht denen
der Eltern entsprechen. Als Folge davon kommt man
unter Umständen zu einer defizitären Interpretation
von Verhaltensmustern, im schlimmsten Falle zu einer
Pathologisierung von alternativen Sichtweisen.
Eine an einem spezifischen kulturellen Modell einseitige Ausrichtung kann negative Folgen für den Alltag in Krippe, Kindergarten sowie in der Tagesbetreuung haben. Es kann bedeuten, dass Kinder auf Ziele
hin erzogen bzw. gebildet werden, die den Eltern egal
sind oder die sie im Extremfall sogar ablehnen. Außerdem würden Kinder, die zu Hause mit einem anderen
kulturellen Modell aufwachsen, möglicherweise systematisch benachteiligt, beispielsweise durch an der
vorherrschenden Norm orientierte Spielangebote und
unpassende Interaktionsmuster der pädagogischen
Fachkräfte. In der Summe besteht also die Gefahr, dass
Familien, die ein anderes kulturelles Modell als das in
einer Gesellschaft dominierende favorisieren, sich systematisch von Angeboten außerfamiliärer Betreuung
zurückziehen bzw. systematisch ausgegrenzt werden.
Denn wenn im Alltag unterschiedliche kulturelle
Modelle aufeinandertreffen, kommt es oftmals zu
Konflikten. Das trifft beispielsweise häufig auf Menschen mit Migrationshintergrund zu. Sie werden
im öffentlichen Leben oft mit kulturellen Modellen
konfrontiert, die im Widerspruch zu ihren eigenen
14
Vorstellungen stehen. Wie bereits oben beschrieben,
ist in unserer heutigen Gesellschaft – und damit auch
in den meisten Arrangements außerfamiliärer Betreuung – das selbstbestimmte Individuum die soziale Norm.
Entspricht das eigene Denken und Handeln dem
verbundenheitsorientierten kulturellen Modell, kann
das für beide Seiten konfliktbeladen sein – dieses
umso mehr, als die normativen Standards des einen
kulturellen Modells pathologische Varianten des
anderen darstellen können. Um einer Vielfalt von
kulturellen Hintergründen angemessen und für alle
Seiten gewinnbringend begegnen zu können, ist Hintergrundwissen über mögliche Entwicklungspfade
hilfreich, damit familiäre Wünsche und kindliche
Verhaltensweisen besser eingeordnet werden können,
ihnen mit Verständnis begegnet werden und auf dieser Grundlage eine gelebte Inklusion entstehen kann.
Im folgenden Kapitel werden die mit den unterschiedlichen prototypischen Entwicklungspfaden einhergehenden Bilder vom Kind dargestellt sowie deren
Bedeutung für die Arbeit von frühpädagogischen
Fachkräften reflektiert.
Das Bild vom Kind – Kulturelle Unterschiede
4 Das Bild vom Kind –
Kulturelle Unterschiede
Das mit den aktuellen pädagogischen Konzepten
verbundene Bild vom Kind ist sehr geprägt durch
eine westliche (westeuropäisch-nordamerikanische)
Mittelschichtperspektive bzw. psychologisch-pädagogische und gesellschaftliche Entwicklungsgeschichte,
die einem autonomieorientierten Entwicklungspfad
zuzuordnen ist (Keller 2011, 2007; vgl. auch Kap. 3).
Die damit verbundenen Ideen und pädagogischen
Leitlinien sind zwar nachweislich von großer Bedeutung und Relevanz und besitzen Gültigkeit, nur lassen
sie sich nicht unbedingt auf alle Kinder und Familien
übertragen, da in unterschiedlichen kulturellen Kontexten oder Schichten auch andere Bilder vom Kind
bestehen und daraus entsprechend unterschiedliche
pädagogische Ideen resultieren.
Das Gleichberechtigungsmodell als Ausdruck
einer Autonomieorientierung
Das in der aktuellen Pädagogik in Deutschland vorherrschende Bild kann als einem Gleichberechtigungsmodell folgend beschrieben werden (Keller 2003). Es ist
gekennzeichnet durch die Wahrnehmung des Kindes
als von Anfang an autonomes Wesen mit eigenen Wünschen und einem eigenen Willen, den es zu berücksichtigen und zu unterstützen gilt – was beispielsweise an
folgenden Beschreibungen deutlich wird:
„Bei aller Abhängigkeit ist Ihr Baby schon eine
eigene kleine Persönlichkeit mit eigenen Interessen.
Wenn Sie Ihr Baby als Partner betrachten und ihm viel
von sich und seiner neuen Welt mitteilen, werden Sie
ein Team fürs Leben sein.“ (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA 2009, S. 39)
„Wir verstehen somit das Kind als aktiven, kompetenten Akteur seines Lernens, nicht als Objekt der
Bildungsbemühungen anderer. Mit diesem Leitbild betonen wir die Subjektivität des Bildungsprozesses und
die Wissbegierde des kleinen Kindes bei der neugierigen Erkundung seiner Welt. Das Kind lernt rasch und
folgt mit einer für Erwachsene erstaunlichen Ausdauer
seinen eigenen Interessen und Themen. Kindern Zeit
zu lassen, ihren eigenen Rhythmus dabei zu finden, ist
ein wichtiger Aspekt der Bildungsbegleitung.“ (Niedersächsisches Kultusministerium 2005, S. 11)
Ein solches Handlungskonzept wird im elterlichen
und erzieherischen Verhalten beispielsweise daran
deutlich, dass Kinder häufig nach ihrer Meinung
oder nach ihren Wünschen gefragt werden – und dies
durchaus auch schon dann, wenn die Kinder diese
Fragen noch gar nicht verstehen und beantworten
können.
So kann es beispielsweise vorkommen, dass eine
Mutter ihr Baby kurz vor dem Anlegen fragt „Möchtest Du erst an der rechten oder an der linken Brust
trinken?“ Natürlich erwartet die Mutter in diesem Fall
keine Antwort und legt das Kind dann nach kurzem
Warten einfach an einer Brust an, aber allein das Stellen der Frage verdeutlicht, dass der Berücksichtigung
der Persönlichkeit sowie der Wünsche und Ideen des
Kindes von Anfang an eine große Bedeutung beigemessen wird (Demuth 2008).
Im Betreuungsalltag zeigt es sich daran, dass Kinder
oft schon früh mitentscheiden oder selbst bestimmen
können, was sie als Nächstes spielen möchten und es
schlägt sich auch in pädagogischen Bildungsbegriffen
wie denen der Selbstbildung oder Ko-Konstruktion nieder (Schäfer 2008, 2005; Fthenakis 2004).
Weiterhin stellt die Entfaltung der jeweils ganz
individuellen Kompetenzen der Kinder ein sehr
bedeutendes Sozialisationsziel dar. In diesem Zusammenhang kommt häufig der kognitiven Entwicklung
sowie der Förderung einer abstrakt technologischen
Intelligenz eine besondere Bedeutung zu. So spielen
hier frühe Fördermaßnahmen (z. B. zur naturwissenschaftlichen Bildung) bei Eltern aber auch in Kinderkrippen bzw. anderen Formen der Tagesbetreuung
eine zunehmend wichtige Rolle und werden vielfach
als wichtige Grundsteine für die frühkindliche Bildung betrachtet. Dahinter steckt die Idee, dass diese
Fähigkeiten besonders notwendig sind, um sich in
den modernen westlichen Gesellschaften erfolgreich
entwickeln zu können.
In Kontexten, die durch ein Gleichberechtigungsmodell gekennzeichnet sind, vollzieht sich die Wissensund Wertevermittlung schwerpunktmäßig horizontal. Dass heißt: In den Familien wird das Wissen nicht
mehr überwiegend von der einen Generation an die
nächste weiter getragen, sondern junge Eltern holen
sich Unterstützung und Rat oftmals bei Freunden
oder Experten, mit denen sie auf einer gleichen Ebene
15
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
diskutieren und gemeinsam Ideen bzw. Lösungen finden können. Tradiertes Wissen und tradierte Normen
werden häufig als veraltet und nicht mehr zeitgemäß
angesehen, wohingegen die eigene Meinung und die
individuelle Situation sehr wichtig und einzubeziehen
sind.
Aus diesem Bild vom Kind lassen sich die bereits in
Kapitel 3 beschriebenen Verhaltens- und Interaktionsweisen ableiten, die von Eltern und den pädagogischen
Fachkräften bewusst und unbewusst angewandt werden, um die kindliche Autonomie zu unterstützen.
Hier stehen neben Objektspiel (Auseinandersetzung
mit verschiedenen Gegenständen, Spielzeugen oder
auch Verwendung eines Spieltrapezes) und dem Blickkontakt (häufiges Schaffen von Situationen, in denen
man sich in die Augen schauen kann) vor allem eine
kindbezogene Sprache (sowohl kindgemäß als auch
die Ideen und Wünsche des Kindes berücksichtigend)
sowie das Reagieren auf kindliche Initiativen und Signale
(als Möglichkeit, die kindliche Eigenständigkeit und
die Wünsche des Kindes wahrzunehmen und diese
unterstützen zu können) im Mittelpunkt (Keller u.a.
2010; Keller u.a. 2009).
Das Lehrlingsmodell als Ausdruck einer
Verbundenheitsorientierung
Gegenüber dieser autonomieorientierten Sichtweise
des Kindes, die durch das kulturelle Modell der westlichen Mittelschicht geprägt ist, lässt sich eine quasi
konträre Sichtweise beschreiben. Dieses Bild vom Kind
entspringt dem Prototyp der Verbundenheitsorientierung und kann als Lehrlingsmodell beschrieben werden
(Keller 2003; Saraswathi 1999; Nsamenang / L amb
1994).
Als besonders wichtige Entwicklungsziele gelten
dabei die Fähigkeit zur gemeinschaftlichen Zusammengehörigkeit, das Erlangen von sozialen Kompetenzen, sowie Gehorsam und Respekt gegenüber Sozialhöhergestellten (vgl. Kap. 3). Individuelle Wünsche
und Interessen sowie das Erlangen von Autonomie
spielen hier eine untergeordnete Rolle. Das zeigt sich
beispielsweise daran, dass kaum nach den eigenen
Wünschen und Interessen der Kinder gefragt wird,
sondern ihnen von den Eltern oder Erzieherinnen und
Erziehern vorgegeben wird, was nun getan werden soll
(und dabei werden oft alle Kinder gleich behandelt).
Die Weitergabe von Wissen und Werten erfolgt im
Lehrlingsmodell vertikal, d. h. die Älteren sagen den
16
Jüngeren direkt, was zu tun ist. Dies geschieht sowohl
von der Großelternebene zur Elternebene als auch
von der Elternebene zur Kindebene. Wer älter und
damit erfahrener ist, wird als Autorität anerkannt und
das weitergegebene Wissen wird geachtet und nicht
hinterfragt auch angewandt. Eltern, die mit einem solchen Modell aufgewachsen sind, zeigen sich oftmals
sehr irritiert, wenn die pädagogischen Fachkräfte
sehr zurückhaltend auftreten und die Wünsche des
Kindes in den Mittelpunkt stellen, da sie es gewohnt
sind, dass klare Ansagen von denen gemacht werden,
die als Experten gelten.
Folgender Ausschnitt eines Interviews mit einer
russisch-jüdischen Mutter eines dreijährigen Kindes,
die vier Jahre zuvor aus Russland nach Deutschland
gekommen ist (und in einem Kontext mit einer teilweise ausgeprägten Verbundenheitsorientierung
aufgewachsen ist), macht dies deutlich:
Mutter: „… besonders hier, so, aber das man die
Kinder fast von dreijährigem Alter zwingt sich selbst
festzulegen, ‚wenn du willst – lerne, wenn du nicht
willst – lerne nicht, wenn du willst – dann such selber
deinen Weg, gehe wohin du willst, das ist dein Leben‘
mir ist es unverständlich. Weil das Kind in diesem Alter
kann sich nicht festlegen.“
Interviewerin: „Natürlich, natürlich.“
Mutter: „Mir scheint es, ihre Eltern müssen sie lenken.“ (Dintsioudi im Erscheinen)
Das Bild vom Kind, das dem Lehrlingsmodell folgt,
führt zur Betonung von anderen Interaktionsmustern
mit dem Kind als beim Gleichberechtigtenmodell. Beim
Lehrlingsmodell sind neben den oben erwähnten
Verhaltensbereichen Körperstimulation und Körperkontakt besonders auch emotionale Wärme (Mechanismen, durch die Zusammengehörigkeit und Gehorsam
vermittelt werden können; Keller u.a. 2004b) sowie
die Leitung und Lenkung der Kinder durch Eltern bzw.
Erzieherinnen und der Gehorsam der Kinder von
großer Bedeutung (Keller u.a. 2010; Keller u.a. 2009;
vgl. Kap. 3).
Die Tabelle 1 fasst die beiden Bilder vom Kind übersichtlich zusammen: zum einen das, was dem autonomieorientierten kulturellen Modell, zum anderen
das, was dem verbundenheitsorientierten kulturellen
Modell zuzuordnen ist.
Das Bild vom Kind – Kulturelle Unterschiede
Tabelle: Zwei unterschiedliche Prototypen vom Bild des Kindes (Keller 2003)
Bild vom Kind
Lehrlingsmodell
Gleichberechtigungsmodell
Sozialisationsziele
–– relationale Zusammengehörigkeit
–– soziale Konzepte von Kompetenz
–– psychologische Autonomie
–– individuelle Konzepte von Kompetenz
Bevorzugte
Kompetenzen
–– physische Reife
–– soziale Kompetenzen
–– kognitive Reife
–– abstrakte technologische Intelligenz
Art der Wissens- und
Wertevermittlung
–– vertikal (in Hierarchien gegliedert)
–– horizontal (auf gleicher Ebene)
Bevorzugter
Sozialisationskontext
––
––
––
––
––
––
––
––
physische Nähe
emotionale Wärme
Leitung und Lenkung
Gehorsam
Blickkontakt
kindbezogene Sprache
Objektspiel
bezogen auf kindliche Initiativen
Kommen nun Kinder bzw. Familien in der außerfamiliären Betreuung aus verschiedenen Gegenden
(beispielsweise aus einer europäischen Stadt oder aus
einem afrikanischen Dorf), dann treffen hier unter
Umständen auch extrem unterschiedliche Bilder vom
Kind aufeinander.
In den oben bereits erläuterten unterschiedlichen
Mischformen werden jeweils Teile aus beiden Modellen verbunden oder es werden gewisse Schwerpunkte
gesetzt, die aus den Notwendigkeiten der jeweiligen
Herkunftsumgebung der Familie resultieren.
Treffen nun Kinder mit entsprechend unterschiedlichen Hintergründen in einer Kinderkrippe aufeinander (was bei obiger Definition eigentlich immer der
Fall ist), ergeben sich aus dem Erleben dieser Vielfalt
besondere Anforderungen sowie Chancen für den
pädagogischen Alltag. So ist das Wissen um mögliche Bilder vom Kind bedeutsam, damit Situationen
einzuordnen sind und verstehbar werden, und somit
eine Grundlage geschaffen werden kann, mit der sich
potenzielle Schwierigkeiten lösen lassen. Weiterhin ist
eine besondere Haltung der frühpädagogischen Fachkräfte wichtig, um in der alltäglichen Arbeit kultureller Vielfalt hilfreich und für alle Seiten befriedigend
begegnen zu können, worauf im folgenden Kapitel
eingegangen wird.
17
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
5 Bedeutung der Haltung
frühpädagogischer Fachkräfte
Neben dem Wissen über unterschiedliche Entwicklungspfade und deren mögliche Konsequenzen für die
Erziehung und Entwicklung von Kindern, bedarf es einer entsprechenden Haltung der frühpädagogischen
Fachkräfte (vgl. dazu auch Kap. 6.1.2). Diese sollten
mit Neugier, Offenheit und Interesse auf die Familien
zugehen sowie Einstellungen und Verhaltensweisen
von Eltern, die von ihren eigenen abweichen, nicht
bewertend gegenübertreten, sondern sich über deren
Hintergründe und Bedeutungen im Gespräch mit der
Familie informieren lassen.
Wenn die Familie aus anderen Kontexten kommt,
ist es hilfreich, sich von ihnen Folgendes beschreiben
zu lassen:
–– Wie wird die Betreuung von Säuglingen und Kleinkindern in ihrem Herkunftskontext gestaltet?
–– Was wünschen sie sich für ihr Kind in der außerfamiliären Tagesbetreuung?
–– Was möchten sie nicht?
–– Warum sind ihnen manche Sachen besonders wichtig und andere nicht?
Durch ein solches Interesse und eine solche Anteilnahme fühlen sich die Familien ernst genommen
und akzeptiert – und es kann eine Atmosphäre entstehen, in der sie Vertrauen zur Einrichtung und zur
pädagogischen Fachkraft gewinnen. Vertrauen ist
eine zentrale Grundlage für die Entwicklung einer
gelingenden Bildungs- und Erziehungskooperation
(vgl. dazu auch Kap. 6.1).
Vor dem Hintergrund dieser Vertrauensbasis können dann auch den Eltern von ihren Wünschen möglicherweise abweichende Abläufe und pädagogische
Inhalte der Einrichtung dargelegt und erläutert werden; außerdem kann bei Bedarf die Suche nach einem
Kompromiss zwischen den Wünschen der Familie und
den Ansätzen der jeweiligen Kinderkrippe bzw. der
Arbeitsweise der Tagesmutter gestaltet werden (Fialka
2010; vgl. dazu auch Kap. 8).
Natürlich kann nicht für jedes Kind ein eigenständiges pädagogisches Konzept zugrunde gelegt
18
werden. Andererseits sollte aber auch vonseiten der
Betreuungsinstitution ein gewisses Maß an Entgegenkommen gezeigt werden. Diese Haltung ist nicht mit
der Ansicht gleichzusetzen, dass alle elterlichen oder
erzieherischen Einstellungen und Verhaltensweisen in
jedem Fall gleich förderlich sind und dass es letztlich
völlig egal ist, was geschieht.
Sicherlich gibt es auch Familien, die aufgrund
von Unwissenheit oder gewisser Defizite ungünstige
Vorstellungen über die familiäre und außerfamiliäre
Betreuung von Säuglingen und Kleinkindern haben.
Aber auch dann, wenn pädagogische Fachkräfte zum
Wohle des Kindes und der Familie korrigierend in den
Alltag der Familien eingreifen müssen, bedarf es einer
Atmosphäre der Wertschätzung. Ansonsten besteht
die Gefahr, dass kein kooperativer Kontakt mit den
Eltern aufgebaut werden kann, was wiederum den Erfolg des Intervenierens deutlich unwahrscheinlicher
machen würde (Borke 2008).
In vielen Fällen ist es allerdings so, dass Einstellungen, Wünsche und Verhaltensweisen von Familien,
die deutlich von denen der Einrichtung oder der pädagogischen Fachkraft abweichen, nicht auf Defizite
vonseiten der Eltern zurückzuführen sind. Viel eher
entspringen diese Vorstellungen einem anderen
kulturellen Modell und verkörpern demnach das, was
die Eltern als richtiges und förderliches Eltern- und
Erziehungsverhalten ansehen (und als das es dort, wo
sie herkommen, auch allgemein angesehen wird). Hier
bedarf es neben dem Wissen über unterschiedliche
kulturelle Entwicklungspfade auch viel Erfahrung
und Gespür, um im Einzelfall entscheiden zu können,
wie das Verhalten und die Wünsche von Familien
einzuordnen sind und wie dann entsprechend damit
umgegangen werden sollte.
Weiterhin ist es wichtig, sich bewusst zu machen,
dass auch unsere Bewertungssysteme aus einer bestimmten kulturellen Brille heraus erwachsen sind
und woanders möglicherweise ganz andere Kriterien
zugrunde gelegt werden. So wäre es z. B. in vielen traditionellen, nichtwestlichen kulturellen Kontexten ein
Warnhinweis auf Kindeswohlgefährdung, wenn die
Kinder in den ersten Jahren alleine in einem Zimmer
schlafen sollten (LeVine u.a. 1994; Harkness / Super
1992).
Ziel ist es, pädagogische Fachkräfte zu sensibilisieren und ihnen zu helfen, die vorhandene Komplexität
zu erkennen und zuzuordnen. Durch diese Haltung
Bedeutsame Situationen in der frühkindlichen Pädagogik
soll aber natürlich nicht die gesetzliche Verpflichtung
infrage gestellt werden, dass pädagogische Fachkräfte
beim Erkennen oder beim Verdacht von Kindeswohlgefährdung intervenieren müssen.
Im folgenden Kapitel 6 wird anhand einer Reihe von
bedeutsamen Situationen des pädagogischen Alltages
verdeutlicht, welche Bedeutung diese Situationen
haben bzw. welche Vorstellungen damit verbunden
sind, je nachdem, durch welche kulturelle Brille man
diese betrachtet.
Natürlich können diese Fragen hier nicht für alle
Kulturen beantwortet werden. Das wäre auch nicht
zielführend, da sich aus dem Wissen um den kulturellen Hintergrund einer Familie nicht immer ableiten
lässt, was die Mitglieder dieser Familie in einer bestimmten Situation denken, fühlen oder tun würden.
Viel eher soll durch die folgenden Ausführungen eine
Grundlage bereitgestellt werden, um die verschiedenen Situationen auch aus einem anderen Blickwinkel heraus betrachten und verstehen zu können.
Die Situationen werden dabei jeweils aus Sicht
der beiden oben beschriebenen prototypischen
kulturellen Modelle der Autonomie- und Verbundenheitsorientierung beschrieben und es werden dann
beide Sichtweisen einander gegenübergestellt. Diese
Gegenüberstellung kann nicht mehr als ein Einstieg
in einen Lernprozess sein, in dessen Verlauf sich frühpädagogische Fachkräfte ihrer eigenen Wertvorstellungen und kulturellen Handlungsmuster bewusst
und für andere, alternative Sicht- und Verhaltensweisen sensibilisiert werden können. Der Blick durch die
verbundenheitsorientierte kulturelle Brille ist dabei
der Versuch, ein alternatives kulturelles Modell und
die daraus folgenden Ableitungen für die frühpädagogische Praxis nachvollziehbar zu machen.
6 Bedeutsame Situationen in
der frühkindlichen Pädagogik
Die hier angeführten Situationen orientieren sich an
den Schlüsselsituationen, die von der Trägerorganisation Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten dialogisch erarbeitet wurden (Kähling-Deutschmann / Rath
2009; STADTKINDER-EXTRA 2003). Diese werden hier
aus einer Perspektive unterschiedlicher kultureller
Entwicklungspfade betrachtet. Dies soll das Verständnis für verschiedene Konzepte bei Familien vertiefen
und somit auch für unterschiedliche kindliche Verhaltensweisen und elterliche Wünsche sensibilisieren,
mit denen Fachkräfte in frühpädagogischen Alltagssituationen in Berührung kommen sowie eine Grundlage für variable Arbeitsweisen in der pädagogischen
Praxis darstellen.
6.1 Dialog mit den Eltern –
Erziehungspartnerschaften
Um dem Kind einen möglichst reibungslosen Start in
die außerfamiliäre Betreuung zu ermöglichen und
dafür zu sorgen, dass das Kind (und seine Familie)
sich auch längerfristig in der Einrichtung wohlfühlen
kann, kommt dem Dialog mit den Eltern eine zentrale
Rolle zu. Neuere pädagogische Ansätze setzen auf das
Konzept der Erziehungspartnerschaften zwischen dem
pädagogischen Fachpersonal und den Eltern, um die
optimale Entwicklung und Förderung des Kindes zu
gewährleisten (Ahnert 2010; Textor 2010b).
Im Rahmen dieser Erziehungspartnerschaften werden ein gleichberechtigter Dialog und eine vertrauensvolle, partnerschaftliche Zusammenarbeit mit
den Eltern angestrebt. Um das zu erreichen, werden
üblicherweise neben dem Erstgespräch und einem
intensiven Austausch während der Eingewöhnung
regelmäßige Elternabende und Entwicklungsgespräche
angeboten. Ansonsten gibt es für Eltern häufig auch
die Möglichkeit, sich mit den Erzieherinnen und Erziehern im Rahmen von Tür-und-Angel-Gesprächen über
Neuigkeiten auszutauschen. Manche Einrichtungen
beziehen die Eltern auch aktiv in den pädagogischen
19
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
Alltag mit ein, z. B. bei gemeinsamen Frühstücken,
Ausflügen oder Festen.
Damit verfügen heutige Einrichtungen über eine
Reihe von Möglichkeiten, um mit Eltern ins Gespräch
zu kommen und eine tragfähige Beziehung zu ihnen
aufzubauen. In der Kommunikation mit Eltern, die
einen anderen kulturellen Hintergrund haben, stehen
Erzieherinnen und Erzieher häufig Anforderungen gegenüber, die sowohl die Form – nämlich unterschiedliche Gesprächskulturen – als auch den Inhalt – nämlich
unterschiedliche Erziehungsvorstellungen – dieser
Kommunikation betreffen.
6.1.1 Unterschiedliche Gesprächskulturen
Wenn man sich die oben aufgeführten Kommunikationsformen (Elternabend, Entwicklungsgespräch, Türund-Angel-Gespräch) noch einmal vor Augen führt,
fällt auf, dass sie alle von einem gleichberechtigten,
partnerschaftlichen Gespräch auf Augenhöhe ausgehen. Geht eine Erzieherin mit diesen Annahmen in ein
Gespräch mit Eltern, die einen prototypisch verbundenheitsorientierten kulturellen Hintergrund haben,
wird sie möglicherweise die Erfahrung machen, dass
sich das Gespräch – neben allen Sprachproblemen,
die an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben sollen –
anders entwickelt als vermutet. Möglicherweise sind
die Eltern im Erstgespräch sehr zurückhaltend, sie
erzählen wenig, wenn sie zu ihrer Meinung oder Einstellung befragt werden und stimmen auf Nachfrage
allem zu, was die Erzieherin über das pädagogische
Leitbild der Einrichtung berichtet. Im Falle eines
Konfliktgesprächs reagieren Eltern möglicherweise
ausweichend oder lenken vom Thema ab.
Zwei Aspekte, die maßgeblich zu einem solchen
unerwünschten Gesprächsverlauf beitragen können,
sind unterschiedliche Haltungen gegenüber Autorität
und Macht sowie gegenüber direkter (versus indirekter und nonverbaler) Kommunikation:
Im prototypisch verbundenheitsorientierten kulturellen Modell orientiert sich der Gesprächsverlauf an sozialen Hierarchien, und in dem eben skizzierten Szenario ist
die Erzieherin eine Autorität, der mit Respekt begegnet
wird und der nicht widersprochen werden sollte (Keller
2007). Eltern mit einem derartigen kulturellen Hintergrund wird es daher schwer fallen, über ihren Schatten
zu springen und in einen gleichberechtigten Dialog mit
der Erzieherin einzutreten, da das ihrem Empfinden
nach nicht einem angemessenen Umgang entspricht.
20
Der zweite wichtige Aspekt ist die Direktheit der
Kommunikation. Die meisten Familien mit einem
prototypisch verbundenheitsorientierten kulturellen
Modell pflegen einen indirekten Kommunikationsstil
(Gonzalez-Mena 2008). Das heißt, dass Probleme nicht
direkt – im Sinne von „Wir müssen reden“ –, sondern
nur indirekt, d. h. in Form von Andeutungen oder über
die Kommunikation mit Dritten angesprochen werden.
Dieses Kommunikationsmuster ist für viele Erzieherinnen und Erzieher sicherlich ungewöhnlich – und
es kann schnell zu Missverständnissen und Frust auf
beiden Seiten kommen.
Bevor man in solchen Situationen zu dem vorschnellen Ergebnis kommt, dass die Eltern kein Interesse daran hätten, was in der Einrichtung passiert
oder dass sie sich einer Zusammenarbeit verweigern,
sollten sich die pädagogischen Fachkräfte immer
bewusst darüber sein, dass es möglicherweise diese
Unterschiede in den Gesprächskulturen sind, die
einer konstruktiven Zusammenarbeit mit den Eltern
im Wege stehen.
Um einen Schritt weiterzukommen, versuchen
immer mehr Einrichtungen, Gespräche ressourcenorientiert zu führen. Das heißt, dass die Stärken und
Ressourcen des Kindes gestärkt und Probleme nicht
direkt bearbeitet werden. Außerdem können die pädagogischen Fachkräfte in interkulturellen Trainingsmaßnahmen ihr Verhaltensrepertoire erweitern und
alternative Kommunikationsstrategien trainieren, die
es ihnen ermöglichen, einen guten Kontakt zu den
Eltern aufzubauen (vgl. dazu Kap. 8).
6.1.2 Unterschiedliche Erziehungsvorstellungen
Eine weitere Anforderung in der Kommunikation mit
Eltern, die einen anderen kulturellen Hintergrund
haben, besteht in den alternativen Vorstellungen,
die diese möglicherweise über die Entwicklung von
Kindern und über den besten Umgang mit ihrem
Kind haben. Dieses Thema zieht sich wie ein roter
Faden durch diese Expertise und wird beispielhaft an
verschiedenen Situationen veranschaulicht. An dieser
Stelle soll daher lediglich noch einmal auf den Punkt
der Haltung von frühpädagogischen Fachkräften
hinsichtlich ihrer Zusammenarbeit mit Familien mit
alternativen Wertmustern und Erziehungsvorstellungen eingegangen werden (vgl. dazu auch Kap. 5).
Die zentrale Frage lautet dabei, wie eine Einrichtung bzw. viel eher die dort beschäftigten Erziehe-
Bedeutsame Situationen in der frühkindlichen Pädagogik
rinnen und Erzieher damit umgehen, wenn Eltern
andere Vorstellungen davon haben, was das Beste
für ihr Kind sei. Aufgrund der Tatsache, dass mehr
und mehr Familien mit Migrationshintergrund die
Möglichkeiten der außerfamiliären Betreuung in
Anspruch nehmen, wird es unserer Meinung nach
immer wichtiger, dass sich die frühpädagogischen
Fachkräfte für alternative Sichtweisen öffnen und in
ihrer Arbeit Handlungsspielräume schaffen, um diese
flexibel zu nutzen.
Janet Gonzalez-Mena (2008) benutzt in ihrer Arbeit
den Begriff der transformierenden Pädagogik (transformative education), um eine ähnliche Haltung zu
beschreiben: Erzieherinnen und Erzieher begegnen
alternativen Sichtweisen auf Entwicklung und Erziehung mit Offenheit und Respekt. Sie versuchen,
Verhaltensweisen, die auf sie im ersten Moment ungewöhnlich oder unangemessen wirken, im Dialog mit
den Eltern zu verstehen. Der Versuch, ungewöhnliches
Verhalten zu pathologisieren und die Eltern gleich
miterziehen zu wollen, sollte die Ausnahme sein und
nur auf Fälle beschränkt bleiben, in denen der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung besteht.
Um dieses Verständnis zu erlangen, schlägt Janet
Gonzalez-Mena (2008) ein mehrstufiges Vorgehen vor,
dass sie Rerun (Wiederholung – reflect, explain, reason,
understand, negotiate) nennt:
Dem ersten Schritt des Reflektierens (reflect) kommt
eine zentrale Rolle zu: Dies äußert sich gegenüber den
Eltern als aktives Zuhören der frühpädagogischen
Fachkräfte und als Rückmelden wahrgenommener
Gefühle und Gedanken. Bei sich selbst sollte man mittels Selbstreflexion versuchen, Zugang zu den eigenen
Gefühlen (Unsicherheit, Sorge) zu erlangen und diese
bewusst wahrzunehmen.
Weitere Schritte sind das Erklären (explain) und das
Begründen (reason) des eigenen Standpunktes, wobei
nicht versucht werden sollte, den anderen vom eigenen Standpunkt zu überzeugen.
Ein weiterer Aspekt ist das Verstehen (understand).
Hier ist der ehrgeizige Anspruch, ein Verständnis
der Perspektive, der Gefühle, der Ideen und Überzeugungen der anderen Person zu erlangen.
Zu guter Letzt kann man versuchen, gemeinsam
eine Lösung für den Konflikt zu finden (negotiate). Dabei
ist es stets wichtig, weniger problemorientiert („Wir
haben ein Problem!“) als vielmehr beziehungsorientiert
vorzugehen. Der Fokus liegt also in erster Linie nicht
darauf, das Problem zu lösen, sondern viel eher darauf,
unterschiedliche Perspektiven bzw. Sichtweisen zu (er)
klären. Denn erst wenn eine tragfähige Beziehung zur
anderen Person entwickelt wurde, kann der Konflikt
angegangen werden.
6.2 Eingewöhnung
Der Beginn außerfamiliärer Betreuung bedeutet für
alle Beteiligten eine große Herausforderung – für die
pädagogischen Fachkräfte ebenso wie für das Kind,
das bislang vermutlich überwiegend das häusliche
Umfeld gewohnt war und auch für die Eltern, die sich
vielleicht erstmals für eine längere Zeit von ihrem Kind
trennen müssen.
Das Berliner Eingewöhnungsmodell
Einen hohen Bekanntheitsgrad und eine große Verbreitung sowie Anerkennung genießt das Berliner
Eingewöhnungsmodell von Laewen u.a. (2009, 2007),
das sowohl beim Übergang von Kindern in den ersten
drei Lebensjahren in außerfamiliäre Betreuung als
auch beim Übergang drei- bis sechsjähriger Kinder in
den Kindergarten eingesetzt wird.
Dieses Modell sieht einen mehrphasigen Ablauf
vor, in dessen Verlauf das Kind, begleitet von Mutter,
Vater oder einer anderen wichtigen Bezugsperson4
schrittweise in die Betreuung der konstant anwesenden Bezugserzieherin übergeht. Begonnen wird
mit einer circa dreitägigen Beobachtungsphase, in der
die pädagogische Fachkraft sich auf Spielangebote
an das Kind beschränkt, während alle pflegerischen
Handlungen wie Wickeln oder Füttern sowie andere
grundsätzliche Interaktionen von der Bezugsperson
übernommen werden.
Damit bleibt (nach Laewen u.a. 2009, 2007) die Bezugsperson als „sicherer Hafen“ für das Kind erhalten.
Es schließt sich mit dem ersten Trennungsversuch am
vierten Tag in der Einrichtung die nächste Phase an,
von der Hinweise ausgehen, ob mit einer längeren
oder kürzeren Eingewöhnungszeit zu rechnen ist.
Wichtig ist dabei, dass die Bezugsperson sich klar
4 Im weiteren Verlauf wird zur besseren Lesbarkeit der Begriff “Bezugsperson” verwendet, der Mutter, Vater und / oder weitere
dem Kind nahe Personen umfassen soll.
21
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
vom Kind verabschiedet, wenn sie den Raum verlässt.
Abhängig von der Reaktion des Kindes dauert diese
erste Trennungsphase maximal ein halbe Stunde. Eine
längere Eingewöhnungszeit ist wahrscheinlich, wenn
das Kind häufig Blickkontakt und / oder die körperliche
Nähe der Bezugsperson sucht.
Eine kürzere Eingewöhnungszeit (Laewen u.a. nennen hier den Zeitraum von sechs Tagen) liegt nahe,
wenn das Kind klare Versuche der Selbstregulation
zeigt und wenig bis gar keinen Kontakt zur begleitenden Bezugsperson sucht.
In der Stabilisierungsphase (etwa ab dem vierten
Tag) ist vorgesehen, dass pflegerische Maßnahmen
und Spielinteraktionen zunehmend von der pädagogischen Fachkraft übernommen werden. Außerdem
wird nun der Zeitraum ausgedehnt, in dem die Bezugsperson den Gruppenraum verlässt und das Kind
in der Obhut der pädagogischen Fachkraft verbleibt.
Ein konkretes Abschiedsritual zwischen Bezugsperson
und Kind wird entwickelt, das die Trennung für beide
Seiten vereinfachen soll.
In der Schlussphase verlässt die Bezugsperson die
Einrichtung, bleibt aber für Notfälle erreichbar. Als
abgeschlossen wird die Eingewöhnung betrachtet,
wenn die pädagogische Fachkraft als „sicherer Hafen“
für das Kind fungieren kann, d. h. sie ist in der Lage, das
Kind zu trösten und zu beruhigen. Es ist wichtig, dass
das Kind sich nach der Beruhigung durch die pädagogische Fachkraft wieder „interessiert und in guter
Stimmung den angebotenen Aktivitäten zuwendet“
(infans 2010).
Das Berliner Eingewöhnungsmodell dient vielen
Betreuungseinrichtungen als Richtlinie für die Gestaltung der Eingewöhnungszeit neuer Kinder, auch
wenn häufig institutionsspezifische Anpassungen
und Modifikationen vorgenommen werden. Ein wesentlicher Aspekt im Vorgehen liegt (nach Laewen
u.a. 2009, 2007) in der rechtzeitigen und umfassenden
Information der Eltern.
Die Bedeutung der Eingewöhnung wird zumeist
durch bindungstheoretische Argumente unterstrichen (infans 2010; Dieken 2008a). Demnach werde bei
fehlender Begleitung des Kindes durch die Eltern oder
eine andere bedeutsame Bezugsperson der Übergang
des Kindes in eine Beziehung zur pädagogischen
Fachkraft erschwert. Es wird davon ausgegangen,
dass durch einen unbegleiteten Übergang die Gefahr
groß ist, dass die Kinder Situationen und Erfahrungen
22
ausgesetzt werden, die ihre psychische Gesundheit
gefährden. Das Kind erreiche so nicht die notwendige
Bindungssicherheit, um mit den Anforderungen des
neuen Umfelds zurechtzukommen und um dieses
gemäß der komplementären Beziehung von Bindungs- und Explorationsverhalten eigenständig zu
erkunden. Diese Argumentation passt ideal für Kinder,
die bisher von eher wenigen Bezugspersonen betreut
wurden und demnach nur wenig Erfahrungen mit
Trennungssituationen sammeln konnten.
Diese Form der exklusiven Bindung an wenige
Personen ist das Erziehungsideal in eher autonomieorientierten Kontexten. Bei der Darlegung der bindungstheoretischen Grundsätze wird jedoch meist von
einer universellen Gültigkeit und Richtigkeit dieser
Prozesse ausgegangen (Otto 2011). Dass der Ablauf
frühkindlicher Bindungsprozesse aber auch anders
aussehen kann, ohne dass dabei eine Pathologie
vorliegt, zeigt Hiltrud Otto (2009). Sie beschreibt das
Bindungsverhalten bei etwa einjährigen Kindern in
kamerunischen Dörfern. Dort bestehen von Anfang an
multiple Betreuungskontexte und die Säuglinge werden
daran gewöhnt, sich von einer Vielzahl an Personen
versorgen und begleiten zu lassen. Eine exklusive
Bindung an die Mutter wird damit aktiv unterbunden
und als eher schädlich angesehen. Die Kinder zeigen
auch kaum Stress, wenn sie von fremden Personen
begrüßt und auf den Arm genommen werden (was
durch Messungen des Stresshormons Kortisol gezeigt
werden konnte).
Für Kinder aus eher verbundenheitsorientierten
Kontexten, die schon Erfahrungen mit multiplen
Betreuungskontexten gemacht haben, ist demnach
ein abgestuft ablaufender Beziehungsaufbau mit der
Bezugserzieherin möglicherweise nicht in der oben
dargestellten Intensität notwendig, da die Kinder mit
Übergängen dieser Art eher vertraut sind (dies sollte
im Gespräch mit den Eltern erfragt werden). Eine
längere Zeit der Eingewöhnung ist hier aber dennoch
wichtig und sinnvoll, wenn auch aus einer anderen
Notwendigkeit heraus.
Bei Familien aus anderen kulturellen Kontexten
kommt vor allem dem Kennenlernen des Kindes bzw.
der Familie für die pädagogische Fachkraft sowie dem
Kennerlernen der Betreuungseinrichtung und der zuständigen Erzieherin für die Eltern eine besondere Bedeutung zu. Nicht selten liegen hier bei Eltern andere
Vorstellungen davon vor, wie Kindertagesbetreuung
Bedeutsame Situationen in der frühkindlichen Pädagogik
für diese Altersstufe aussieht, wie in der Krippe oder
Tagespflege die alltäglichen Routinen Essen, Schlafen
oder Wickeln gehandhabt werden, und welche anderen Bestandteile des Tagesablaufes die pflegerischen
Maßnahmen ergänzen. Das kann daran liegen, dass
das Konzept außerfamiliärer, frühkindlicher Betreuung in ihrem kulturellen Herkunftskontext anders
gestaltet oder überhaupt nicht bekannt ist (für eine
vergleichende Darstellung vgl. Tobin u.a. 2009; Tronik
u.a. 1992).
In diesen Fällen profitieren sowohl die Einrichtung
als auch die Familie von der in der Eingewöhnung
geschaffenen Transparenz der pädagogischen Arbeit.
Andere kulturelle Kontexte sind unter Umständen
dadurch gekennzeichnet, dass eine Eingewöhnungsphase überhaupt nicht vorgesehen ist und das Kind
in die Betreuungsinstitution übergeht, ohne dass
auf die Anwesenheit der Eltern und das Steigern der
Abwesenheitszeiten in der Betreuung Wert gelegt
wird. Auch mag eine außerhäusliche Betreuung dem
Kind bereits viel geläufiger sein, wenn es bereits den
Wechsel seiner Betreuungspersonen gewöhnt ist.
Dieses Wissen über kulturelle Unterschiede beim
Ablauf und Aufbau von Bindungsprozessen ist daher
hilfreich, um Hintergründe und Wünsche von Familien aus anderen kulturellen Kontexten verstehen und
diese in den Eingewöhnungsprozess einbeziehen zu
können. Dies soll aber nicht in Frage stellen, dass jedes
Kind ein Recht auf Eingewöhnung hat, sondern dabei
helfen, diese sensibel und individuell so abgestimmt
anbieten zu können, dass es dem Kind gut geht und
auch für die Familie und die Einrichtung passend ist.
Das Münchner Eingewöhnungsmodell
Im Sinne des Münchner Eingewöhnungsmodells von
Anna Winner und Elisabeth Erndt-Doll (2009) sollte
der Fokus dabei von der Erzieherin-Kind-Beziehung
zugunsten eines umfassender angelegten Blickwinkels verschoben und erweitert werden. So soll es ermöglicht werden, das neu aufgenommene Kind und
seine Familie so gut zu kennen, dass die Betreuung im
Einklang mit den Vorstellungen und Wünschen aller
Beteiligten realisiert werden kann.
Für einen derartig fundierten Austausch mit den
Eltern bzw. der Familie ist eine begleitete Eingewöhnung unabdingbar. Dies sollte den Eltern bereits zum
Zeitpunkt der Anmeldung und beim Aufnahmegespräch, mit einer entsprechenden Darstellung der
konzeptionellen Hintergründe und Vorteile für die
Familie, erläutert werden.
Das frühzeitige Informieren der Eltern ist also Bestandteil sowohl im Berliner als auch im Münchner
Eingewöhnungsmodell. Für das Aufnahmegespräch
schlagen Anna Winner und Elisabeth Erndt-Doll
(2009) einen Gesprächsleitfaden vor, mit dessen Hilfe
eine Vielzahl an Informationen von den Eltern erfragt
werden kann.
Die Arbeitsgruppe Kultursensitive Aspekte in der
Krippenpädagogik des Niedersächsischen Institutes für
frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) (vgl.
Kap. 9.4) entwickelt darauf aufbauend derzeit einen
Gesprächsleitfaden, der insbesondere auch auf die
verschiedenen kulturellen Hintergründe abgestimmt
ist, z. B. mit Fragen, durch die unterschiedliche Erfahrungen mit multiplen Betreuungskontexten oder verschiedenen institutionellen Konzepten transparent
und verstehbar gemacht werden können:
–– „Wie sieht außerhäusliche Betreuung von kleinen
Kindern in dem Land aus, aus dem Sie stammen?“
–– „Wie ging Ihr Kind mit bisherigen Trennungserfahrungen um?“
–– „Was wünschen Sie sich bezüglich der Eingewöhnung hier und warum?“
Da ein reglementiertes „Abarbeiten“ einer Frageliste
dem natürlichen Gesprächsverlauf zuwiderlaufen
würde, ist eine gute Kenntnis der Fragen durch die pädagogische Fachkraft hilfreich. So kann die Erzieherin
bzw. der Erzieher einerseits flexibel die Unterhaltung
mit den Eltern gestalten, andererseits noch ausstehende Fragen während der Eingewöhnungsphase
besprechen. Die Dokumentation der Elternantworten
und dadurch gewonnener Informationen ist hier anzustreben. Absprachen im Team sollten sicherstellen,
dass die Dokumentation zwar Freiräume für individuelle Vorlieben lässt, aber dennoch zu einem gewissen
Grad vereinheitlicht ist, um eine Transparenz der eigenen Arbeit auch für Kolleginnen und Kollegen herzustellen. Selbstverständlich sollten die Eltern mit der
Dokumentation einverstanden sein und auf Wunsch
auch Einsicht in die Aufzeichnungen nehmen können.
Neben diesen verbal erhobenen Informationen
im formalen Rahmen des Aufnahmegespräches bzw.
einer informelleren Gesprächssituation während der
Eingewöhnung liegt eine weitere Informationsquelle
für die pädagogische Fachkraft in der Beobachtung
23
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
von begleitender Bezugsperson und Kind während
der ersten Eingewöhnungstage:
–– Wie wird das Kind beruhigt?
–– Wie spricht die begleitende Bezugsperson zu ihrem
Kind?
–– Wie werden Pflegeroutinen erledigt?
–– Welche Rituale können von der Betreuungsinstitution, z. B. beim Schlafen, von der Familie übernommen werden?
Mit Bezug auf den Betreuungsalltag lassen sich auf
diese Weise wichtige Hinweise für die Betreuung
des Kindes und die Abstimmung mit der Familie
gewinnen. Notwendig dafür sind eine geschulte Beobachtungsgabe und eine offene Haltung der pädagogischen Fachkraft sowie keine Scheu, nach (Hinter-)
Gründen für bestimmte Vorgehensweisen der Eltern
zu fragen. Oberstes Ziel ist das gegenseitige Kennenlernen und der Austausch darüber, wie die außerfamiliäre
Betreuung zur beiderseitigen Zufriedenheit gestaltet
werden kann.
6.3 Schlafen
Die Zeiten zum Schlafen, Ruhen und Entspannen sind
wichtige Phasen des alltäglichen Tagesablaufes in
einer Kinderkrippe bzw. in der Tagespflege, da durch
diese zum einen wichtige Möglichkeiten der Entspannung, Verarbeitung und Regeneration angeboten
werden, zum anderen diese auch den Schlafbedürfnissen bzw. Schlaffähigkeiten der meisten Kinder in
den ersten drei Lebensjahren entsprechen.
Wie in allen Entwicklungsbereichen bestehen für
Säuglinge und Kleinkinder auch bezüglich des Schlafens im Laufe ihrer Entwicklung besondere Herausforderungen der Anpassung (an den Tag-Nacht-Wechsel
oder daran, zunehmend eine längere Zeit am Stück
zu schlafen; Jenni u.a. 2008). Bei Kindern bestehen
große individuelle Unterschiede zum einen darin, wie
leicht oder schwer ihnen diese Anpassungsleistungen
fallen und wie viel Unterstützung sie dabei benötigen,
zum anderen generell mit Blick auf den allgemeinen
Schlafbedarf sowie auf die jeweilige Schlafverteilung
zwischen Tag- und Nachtschlaf (Largo 2006; Michaelis
2006). Dennoch sind die individuellen Bedürfnisse und
Fähigkeiten im Krippenalltag bzw. in der Tagespflege
zu berücksichtigen. Auch in der Literatur zur Arbeit
24
mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren wird das
so vertreten und mit entsprechenden Beispielen zur
Umsetzung dargestellt (z. B. Bostelmann 2008; Dieken
2008a; STADTKINDER-EXTRA 2003).
Betrachtet man die Entwicklung des Schlafverhaltens aus kulturvergleichender Perspektive, so fallen vor
allem große Unterschiede hinsichtlich der Schlafarrangements auf und damit verbunden hinsichtlich
der Frage, ob und wann Kinder in einem eigenen Bett
oder in einem eigenen Zimmer schlafen können bzw.
sollen (Rogoff 2003; Morelli u.a. 1992).
So beantworten beispielsweise städtische deutsche
Mütter die Frage, ab wann ein Kind fähig ist, alleine zu
schlafen, im Durchschnitt mit drei Monaten, während
ländliche indische Mütter auf diese Frage im Durchschnitt mit 84 Monaten antworten (Abels 2008).
In autonomieorientierten Kontexten ist es häufig ein
Ziel, dass die Kinder schon früh bzw. von Anfang an
in einem eigenen Bett schlafen und auch recht früh
an das Schlafen in einem eigenen Zimmer gewöhnt
werden, damit die Entwicklung der Selbstständigkeit
sowie die Fähigkeit, allein zu sein, unterstützt werden
können (Morelli u.a. 1992). Elternratgeber, die Unterstützung dabei bieten, Kinder ans selbstständige
Einschlafen zu gewöhnen, haben in autonomieorientierten Kontexten eine hohe Verbreitung (z. B. KastZahn / Morgenroth 2004).
In eher verbundenheitsorientierten Kontexten ist es
üblich, dass die Kinder in einem Bett mit der Mutter,
den Geschwistern oder anderen Familienmitgliedern
schlafen. Hierbei wird eher davon ausgegangen, dass
durch dieses gemeinsame Schlafen die Zusammengehörigkeit und Nähe in der Familie gestärkt wird
(Morelli u.a. 1992; Caudill / Weinstein 1969). In diesen
Kontexten gibt es auch kaum Objekte, die Kinder zum
Einschlafen benutzen (z. B. Schnuller, Kuscheltiere)
oder benötigen, ebenso wenig von den Eltern gestaltete Einschlafrituale, wie dies in autonomieorientierten
Kontexten häufig der Fall ist und die gewissermaßen
als eine Art Ersatz des Personen- und Körperkontaktes
angesehen werden können (Rogoff 2003).
Auch bei den meisten eher städtisch lebenden türkischen Familien ist es beispielsweise üblich, dass die
Kinder in einem Raum mit den Eltern schlafen und
dabei werden beim Übergang in den Schlaf kaum
Rituale und Objekte angewendet (Göncü 1993).
Das Allein-schlafen-Lassen von Säuglingen und
Kleinkindern wird in weiten Teilen der Welt sogar als
Bedeutsame Situationen in der frühkindlichen Pädagogik
eine Form der Kindesmisshandlung eingestuft (z. B.
in vielen Teilen Afrikas, vgl. dazu: LeVine u.a. 1994;
Harkness / Super 1992).
In autonomieorientierten Kontexten ist es also eher
üblich, schon früh die kindliche Eigenständigkeit auch
beim Schlafen zu unterstützen, dabei wird dem Kind
eine große Bandbreite an variierenden und variablen
Hilfestellungen angeboten wie Rituale, Objekte und
individuell abgestimmte Gestaltungen des Schlafplatzes.
In eher verbundenheitsorientierten Kontexten
schlafen die Kinder in engem Kontakt mit anderen
Personen, es gibt kaum Rituale und Objekte und auch
keine große Wahlfreiheit für die Kinder bei der Gestaltung des Schlafplatzes.
Hinsichtlich der pädagogischen Arbeit in der Kinderkrippe bzw. in der Tagespflege ist es daher wichtig,
bei der Aufnahme von neuen Kindern genau mit den
Eltern zu besprechen, wie die Schlafsituation zu Hause
gestaltet ist und was die Eltern aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes für Erwartungen und Wünsche
an die Schlafsituation haben. Auf dieser Grundlage
kann dann im weiteren Dialog mit den Eltern versucht
werden, eine Schlafkonstellation zu schaffen, die für
alle beteiligten Personen stimmig ist (ein Vorgehen,
wie es bereits in vielen Einrichtungen Anwendung
findet, z. B. STADTKINDER-EXTRA 2003).
Dabei ist darauf zu achten, dass Kinder mit einem
eher verbundenheitsorientierten Hintergrund möglicherweise von den oftmals angebotenen großen
Auswahlmöglichkeiten bei der Schlafplatzgestaltung
überfordert sein könnten und sie vielleicht eher durch
eine Vorgabe der Erzieherin und vor allem durch einen quantitativ wie qualitativ möglichst intensiven
Körper- und Personenkontakt zur Ruhe bzw. in den
Schlaf finden können.
Für die meisten Kinder mit einem autonomieorientierten Hintergrund ist das individuelle Gestalten und
Aussuchen des Schlafplatzes sowie die Verwendung
von Ritualen und Übergangsobjekten in vielen Fällen
eine kulturell stimmige und funktionale Gestaltung.
6.4 Essen
Essen ist eines der elementaren körperlichen und
sinnlichen sowie lebensnotwendigen menschlichen
Bedürfnisse. Das Erlernen des Essens und die Regu-
lation der damit zusammenhängenden motorischen
Fähigkeiten und körperlichen Empfindungen ist
eine bedeutende Entwicklungsaufgabe in den ersten
Lebensjahren. Auch hier zeigen sich natürlich je nach
Kind unterschiedliche Wege, wie die individuelle
Entwicklung des Trinkens und Essens abläuft (Largo
2006; Michaelis 2006).
Für das Essen lassen sich große, kulturell bedingte
Unterschiede beschreiben, beispielsweise bezüglich
des Umgangs mit dem Stillen. Während in autonomieorientierten Kontexten teilweise auch gar nicht oder
nur über einen kurzen Zeitraum nach der Geburt des
Kindes gestillt wird, ist das Stillen in eher verbundenheitsorientierten Kontexten sehr verbreitet und die
Kinder werden auch verhältnismäßig lange gestillt. In
Deutschland sind es etwa 10 Prozent der Säuglinge, die
in den ersten sechs Monaten voll gestillt werden (Kesting / Dulon 2001), in den USA werden etwa 55 Prozent
der Säuglinge gestillt, 40 Prozent davon aber kürzer als
zwei Monate (DeLoache / Gottlieb 2000).
In vielen nichtwestlichen Kontexten dagegen werden die Kinder bis zu ihrem vierten Lebensjahr gestillt
(DeLoache / Gottlieb 2000) und in ländlichen Gegenden
der Türkei wird beispielsweise häufig von einer Stillzeit
von mindestens zwei Jahren ausgegangen (wobei hier
Mädchen oftmals kürzer gestillt werden als Jungen,
da hier davon ausgegangen wird, dass Jungen länger
Zeit für nachgeburtliche Reifungsprozesse benötigen
und sie durch das längere Stillen besonders gestärkt
werden können; Delaney 2000).
Das eigenständige Essen hat in verbundenheitsorientierten Kontexten keinen hohen Stellenwert. Bei vielen
indischen und ländlich lebenden türkischen Familien
beispielsweise werden Kinder auch bis zum Schulalter
von der Mutter hin und wieder noch gefüttert, wobei
dies auch als ein Zeichen mütterlicher Zuwendung
und intensiver Liebe sowie als Ausdruck einer sehr
positiv besetzten Abhängigkeit bzw. Verbundenheit
zwischen Mutter und Kind angesehen wird (GonzalezMena 2008).
Darüber hinaus zeigen sich auch Differenzen bezüglich der Vorstellungen von Esssituationen und
Essensstrukturen. Das Essen (und auch Stillen) nach
festen Zeiten ist ein eher westliches Konzept und hat
eine hohe Wertigkeit dafür, zusammen als Familie
oder Gruppe an einem Tisch zu sitzen und dort zu
bleiben, bis alle fertig gegessen haben.
25
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
In verbundenheitsorientierten Kontexten ist es durchaus üblich, zwischendurch aufzustehen, oftmals läuft
auch der Fernseher nebenher und insgesamt ist die
Esssituation unruhiger.
In autonomieorientierten Kontexten ist es eher wichtig und gewünscht, diese besonderen Situationen des
familiären Zusammenhaltes zu schaffen, um sich als
Familie zu begegnen und Nähe herzustellen. Dies ist in
den eher verbundenheitsorientierten Kontexten nicht in
dem Maße notwendig, da ein größerer Teil des Tages
ohnehin in engem familiären Kontakt verbracht wird
und es auch generell ein höheres Maß an familiärer
Nähe gibt. Kinder aus solchen Kontexten haben möglicherweise Schwierigkeiten in der Einrichtung ruhig
beim Essen zu sitzen, da sie es nicht gewohnt sind.
In vielen Darlegungen von Qualitätsstandards für
die Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren
wird eine Esssituation vorgeschlagen, die individuell
an den Bedürfnissen des Kindes angepasst ist und ohne
Druck und Zwang abläuft. Es muss beispielsweise nicht
alles probiert werden, die Kinder brauchen nicht aufzuessen, sie können den Essensplatz verlassen, wenn
sie satt sind; z. B. Dieken 2008a; STADTKINDER-EXTRA
2003.
Diese Leitlinien sind eine gute Grundlage, um Esssituationen mit Kindern aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten zu gestalten. Wie beim Schlafen ist es
auch hier wichtig, dass die Erzieherinnen und Erzieher
sich von den Eltern die häusliche Esssituation und die
jeweiligen Vorstellungen beschreiben lassen, und es
versuchen, diese in die pädagogischen Abläufe einzubeziehen. Das Hintergrundwissen über verschiedene
kulturelle Umgangsweisen mit den Situationen des
Stillens, Trinkens und Essens kann hier auch helfen,
manche kindlichen oder elterlichen Verhaltensweisen
bzw. Wünsche besser einzuordnen (z. B. ein geringes
Interesse von Kindern und Eltern am Erlernen des
selbstständigen Essens).
6.5 Spielen
In den meisten Formen der außerfamiliären Betreuung nehmen das Freispiel und das Symbolspiel viel
Raum ein. In der Entwicklungspsychologie und Pädagogik wird diesen Formen des Spiels eine besondere
Rolle zugeschrieben, insbesondere für die frühkindliche Entwicklung.
26
Im Freispiel exploriert das Kind aktiv seine Umwelt.
Dadurch stärkt es sein Selbstbewusstsein und sein Gefühl von Selbstwirksamkeit. Daneben lernt das Kind im
Freispiel, sich für Aktivitäten zu entscheiden, diese zu
planen und umzusetzen: Das Kind entscheidet selbst
über Spielmaterial, Spielpartner, Tätigkeit, Dauer
und Ort. Das freie Objektspiel legt idealerweise den
Grundstein für wissenschaftliches Denken, indem es direkte Ursache-Wirkungs-Prinzipien und physikalische
Grundprinzipien erlebbar macht.
Durch das imaginäre Als-Ob-Spiel (Symbolspiel)
wird die Fantasie und Kreativität der Kinder geweckt
und gefördert und das Kind kann sich ausprobieren:
Es kann verschiedene Rollen einnehmen und lernen,
sich in die Situation anderer Kinder oder Akteure
hineinzuversetzen, was einen wichtigen Schritt zum
sozial kompetenten Kleinkind bedeutet.
Den Erwachsenen kommt in diesem autonomieorientierten Ansatz eher die Rolle zu, das Kind in seinen
eigenständigen Entscheidungsprozessen zu unterstützen und Selbstbildungsprozesse anzuregen. Die Erzieherinnen und Erzieher gehen hierfür kindzentriert vor
und halten sich ansonsten eher im Hintergrund (Textor
2010a). Zentral ist die Vorbereitung von Erfahrungsfeldern, die Entscheidungs- und Entdeckungsräume
bieten sowie zum Experimentieren anregen.
Im Gegensatz zu dieser in unserer Gesellschaft
sehr verbreiteten Sichtweise hält der verbundenheitsorientierte Blick auf Freispiel und Symbolspiel
möglicherweise eine Menge Überraschungen für
die pädagogischen Fachkräfte bereit: Eine Reihe von
kulturvergleichenden Arbeiten konnte zeigen, dass
diese Spielformen in prototypisch verbundenheitsorientierten Kulturen in der Regel nicht weiter beachtet,
zum Teil auch unterbunden werden (Gaskins 1999,
2006). Viele Personen aus diesen kulturellen Kontexten teilen die in unseren Krippen weit verbreitete
Überzeugung nicht, dass das Freispiel und das Symbolspiel wichtige Lernmöglichkeiten bereithalte und
schaffen daher zuhause selten entsprechende Spielund Lernmöglichkeiten für die Kinder (Göncü 1999).
Viel eher gilt das kindliche Spiel in prototypisch verbundenheitsorientierten Kulturen häufig als unnütz
und als ein Zeichen von Unreife.
Warum das so ist, wird klarer, wenn man sich vor
Augen führt, welche Entwicklungsziele Eltern in diesen Kulturen für ihre Kinder vor Augen haben. Nicht
die Kreativität und Selbstverwirklichung stehen im
Bedeutsame Situationen in der frühkindlichen Pädagogik
Mittelpunkt der Erziehungsbemühungen, sondern
das Heranführen an die Welt der Erwachsenen. Das Kind
soll sich seines Platzes in der Gemeinschaft und den
daran geknüpften Erwartungen und Verpflichtungen
bewusst werden. Wie bereits in Kapitel 3 und Kapitel
6.1 erwähnt, spielen dabei Respekt und Gehorsam
gegenüber Sozialhöhergestellten eine zentrale Rolle.
Vor diesem Hintergrund erscheint – durch die verbundenheitsorientierte kulturelle Brille betrachtet –
auch die oben beschriebene Rolle des Erwachsenen
während des Spiels schwer nachvollziehbar: Anstatt
das Kind bei der Entdeckung und Eroberung seiner
Welt durch das Spiel zu begleiten, hat der Erwachsene
viel eher die Verpflichtung, das Kind an seine Rolle in
der „wirklichen“ Welt heranzuführen. Durch die beobachtende Teilnahme an der Welt der Erwachsenen
und den diese Welt bestimmenden Sinn- und Arbeitszusammenhängen lernt das Kind, worauf es im Leben
ankommt und wie es dazu beitragen kann (Rogoff u.a.
2007; Rogoff 2003).
Im Gegensatz zur Kind-Zentriertheit aktueller Konzepte der Krippenpädagogik, wird im verbundenheitsorientierten Modell von einer starken ErwachsenenZentriertheit ausgegangen. Der Erwachsene gibt vor,
was gemacht wird; er lehrt, lenkt und kontrolliert.
Außerdem geht er seinen eigenen Verpflichtungen
nach und erwartet vom Kind, dass es die Erwachsenen
dabei beobachtet und dadurch lernt, was für seine
Entwicklung wichtig ist (Mistry 1995).
Aus dieser Beschreibung wird schnell deutlich,
dass vieles, was in unseren außerhäuslichen Betreuungssystemen selbstverständlich gemacht
wird, nicht zu den Erwartungen von Müttern passt,
die einen prototypisch verbundenheitsorientierten
kulturellen Hintergrund haben. Genauso kann es
bedeuten, dass die Kinder aus diesen Familien von
freien Spielangeboten überfordert sind und mit
diesen Situationen nur schlecht umgehen können,
da sie andere Interaktionsformate gewohnt sind. Sie
zeigen dann diese Überforderung möglicherweise
durch vermehrt ausagierendes Verhalten oder einen
verstärkten Rückzug von Aktivitäten.
Es können und sollen hier keine Rezepte vermitteln
werden, wie solche Schwierigkeiten gelöst werden
können und wie Spielsituationen genau zu gestalten
sind. Es geht viel eher darum, für Problembereiche zu
sensibilisieren und anschaulich zu machen, wie unterschiedlich das Bild davon sein kann, was ein Kind
tun sollte, um das zu werden, was sich alle wünschen:
ein kompetentes Kind. Für die Arbeit der Erzieherinnen
und Erzieher ist es daher vor allem wichtig, dass sie
diese unterschiedlichen Gewohnheiten und Erwartungen wahrnehmen, sie im Dialog mit den Eltern
verstehen und darauf eingehen.
6.5.1 Exkurs: Frühe Mutter-Kind Interaktion
Was hier im Rahmen des Freispiels und das Symbolspiels formuliert wurde, lässt sich gleichermaßen auf
frühe Mutter-Säugling- bzw. Erzieher / in-SäuglingInteraktionen übertragen. Je nach kulturellem Hintergrund gibt es große Unterschiede darin, wie sich Mütter mit ihren Säuglingen beschäftigen (Keller 2007).
Beim sogenannten distalen Spiel, das typisch
für prototypisch autonomieorientierte kulturelle
Kontexte ist, konzentriert die Mutter ihre Aufmerksamkeit auf das Kind und stellt wechselseitigen
Blickkontakt her, während das Kind auf dem Rücken
liegt. Dabei werden häufig Spielzeuge in die Unterhaltung mit einbezogen. In der Interaktion greift
die Mutter jede „Äußerung“ des Kindes auf, imitiert
Gesichtsausdruck und stimmliche Laute. Das Baby
wird als quasi-gleicher Partner behandelt und die
Mutter gibt ihm Raum für eigene Äußerungen. Die
Sprache spielt schon hier eine wichtige Rolle. Während dieser frühen Proto-Konversationen wird dem
Baby gespiegelt, dass es einzigartig ist, es wird viel
gelobt und in seinen Verhaltensäußerungen bestärkt.
Die Bezugspersonen führen mentalistische Diskurse
mit dem Baby, indem sie auf innere Zustände („Bist Du
müde?“ ), auf Wünsche („Willst Du mit mir spielen?“ ),
auf Präferenzen („Willst Du lieber die rote oder die gelbe
Mütze?“ ) der Babys eingehen.
Für das sogenannte proximale Spiel, das typisch für
verbundenheitsorientierte Kulturen ist, sind viel Körperkontakt und Körperstimulation charakteristisch.
Häufig synchronisieren die Mütter diese oft rhythmischen Interaktionsmuster mit ihren sprachlichen
Äußerungen. In der Idealvorstellung weiß die gute
Mutter, was das Beste für ihr Baby ist und tut es. Diese
Konzeption elterlichen Verhaltens kann als responsive Kontrolle bezeichnet werden (Yovsi u.a. 2009).
Sie basiert auf der Hierarchie zwischen Mutter und
Kind, die als Expertin-Novize-Beziehung beschreibbar
ist. Demnach muss eine gute Mutter nicht die Signale
des Babys explorieren, um herauszufinden, was angemessenes elterliches Verhalten ist, sondern sie weiß,
27
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
was getan werden muss, um das Wachstum und die
Entwicklung des Kindes zu fördern.
Aus diesem Wissen lässt sich für die kultursensitive
Arbeit in Kinderkrippen bzw. in der Tagespflege ableiten, dass hier je nach kulturellem Hintergrund des
Kindes mal ein großes Angebot an Freispielsituationen
stimmig sein kann, andere Kinder hingegen eher
stärkere Anleitung und mehr Vorgaben brauchen,
um angemessen spielen und sich bilden zu können.
6.5.2 Besitz und Teilen
Weitere Themen, die im Zusammenhang mit dem
Spiel stehen und in Abhängigkeit des kulturellen
Hintergrundes unterschiedlich wahrgenommen und
bewertet werden, sind das Teilen und der Umgang mit
persönlichem Besitz.
Zwar haben schon Eltern unseres autonomieorientierten kulturellen Kontextes sehr unterschiedliche
Vorstellungen darüber, ab wann und in welcher Form
ihre Kinder mit anderen teilen sollten, allerdings
besteht eine recht einheitliche Vorstellung darüber,
dass Kinder bestimmte Sachen besitzen und exklusiv
nutzen können.
In der Kinderkrippe und bei der Tagesmutter
herrschen meist ähnliche Vorstellungen, die im Alltag unterschiedlich umgesetzt werden. In manchen
Einrichtungen dürfen Kinder eigene Spielsachen mitbringen und diese auch exklusiv nutzen, in anderen
Einrichtungen können eigene Spielsachen zwar mitgebracht werden, allerdings dürfen dann auch andere
Kinder damit spielen. Manchmal gibt es sogenannte
Mitbring-Tage, an denen die Kinder Objekte mitbringen und den anderen Kindern vorstellen und zeigen
dürfen. Durch solche Aktivitäten wird das Konzept des
Privatbesitzes gestärkt, ebenso wie die Tendenz, sich
selbst über Dinge, die einem gehören, zu definieren.
Die Idee des Privatbesitzes äußert sich in Einrichtungen weiterhin in dem eigenen Fach bzw. der eigenen Schublade, in der Kinder „ihre“ Sachen aufheben
können, also z. B. selbstgemalte Bilder und Gebasteltes.
Eigentumsfächer der Kinder werden auch als ein Qualitätsmerkmal von Krippeneinrichtungen gewertet
(Tietze u.a. 2007), was die Wertschätzung von persönlichem Eigentum in autonomieorientierten Kontexten
verdeutlicht.
In vielen Kulturen, die überwiegend dem Prototyp
der Verbundenheitsorientierung entsprechen, spielt
Privatbesitz eine untergeordnete Rolle, sodass eine
28
Reihe von Missverständnissen und Konflikten möglich ist, die den Umgang mit Dingen betreffen, die je
nach Wahrnehmung allen oder bestimmten Personen
gehören (Gonzalez-Mena 2008; Hsu 1981). So nutzen
beispielsweise Kinder, die eine andere Einstellung zu
diesem Thema haben, ganz selbstverständlich Dinge,
die nach Meinung der Betroffenen ihnen gehören.
Ebenso kann es sein, dass der Mitbring-Tag auf wenig
Verständnis bei den Eltern trifft.
Ein Beispiel, das diesen potenziellen Konflikt
zwischen Angehörigen autonomie- und verbundenheitsorientierter kultureller Kontexte deutlich macht,
entstammt dem US-amerikanischen Forschungs- und
Trainingsprogramm Bridging Cultures5 (Greenfield u.a.
2003; Rothstein-Fisch 2003). Dieses Programm, das für
den Vor- und Grundschulbereich entwickelt wurde, ist
beispielhaft dafür, wie andere kulturelle Modelle und
Praktiken ins Bewusstsein gehoben werden können.
Ein dort beschriebenes Szenario zeigt ein Beispiel
zum Thema Privatbesitz (Objektorientierung versus
Personenorientierung):
Eine Fachberaterin beobachtet eine Erzieherin,
die Farbstifte vorbereitet, indem sie die Stifte nach
Farben getrennt in Pappbecher auf den Maltisch
stellt. Die Fachberaterin regt die Erzieherin dazu an,
jedem Kind einen Satz Stifte in allen Farben in einen
Becher zu stecken und den Becher mit dem Namen
des Kindes zu beschriften. Zieht man die Prototypen
der Autonomie- und Verbundenheitsorientierung
heran, um die unterschiedlichen Vorgehensweisen zu
interpretieren, könnte das Folgendermaßen aussehen:
Die Fachberaterin denkt, dass Privatbesitz eine
wichtige Rolle spielt: Jedes Kind soll seinen Satz Stifte
haben, mit dem es malt und auf die es aufzupassen hat.
So müssen sie sich nicht mit den anderen auseinandersetzen und können sich auf das Malen konzentrieren.
Die Erzieherin könnte jedoch mit ihrem Vorgehen eher
den Ansatz verfolgen, die Kinder aktiv miteinander
in Bezug zu setzen: Wenn sie eine bestimmte Farbe
wollen, können sie ein Kind in der Nähe fragen, ihnen
den entsprechenden Stift zu geben. So entwickeln die
Kinder ein Bewusstsein davon, dass sie Teil einer Gruppe sind, die gemeinsam an einem Tisch sitzt und malt.
5 Brücken zwischen Kulturen errichten (Übersetzung der Autorengruppe).
Bedeutsame Situationen in der frühkindlichen Pädagogik
In prototypisch verbundenheitsorientierten Kulturen
spielen die sozialen Aspekte eine wesentlich größere
Rolle als die individuellen, zu denen auch der Privatbesitz zu zählen ist. Dieses Beispiel zeigt, dass die meisten
alltäglichen Handlungen – ob in der Kinderkrippe oder
bei der Tagesmutter – kulturspezifische Handlungen
sind. Dabei ist es wichtig, im Auge zu behalten, dass
sich Routinen und Alltagshandlungen nicht nur darin
unterscheiden, was gemacht wird, sondern dass hinter
diesen Handlungen in der Regel bestimmte Wertvorstellungen und Bilder vom Kind stehen (vgl. dazu auch
Kap. 3 und Kap. 4).
Das Programm Bridging Cultures vermittelt in einem
mehrstufigen System zunächst Informationen über
kulturelle Modelle. Auf einer nächsten Ebene werden
konkrete Verhaltensweisen im Vor- und Grundschulalltag auf die zugrunde liegenden kulturellen Modelle
hin analysiert, um so das unsichtbar Selbstverständliche
deutlich zu machen, wie kulturelle Hintergründe auch
beschrieben werden können. Um sich dieser Wertmus­
ter bewusst zu werden, ist es ein wichtiger Schritt, ein
besseres Verständnis der eigenen und alternativen
Wert- und Handlungsmuster zu erlangen, das im
pädagogischen Alltagshandeln einen kompetenten
und flexiblen Umgang mit interkulturellen Konfliktsituationen erlaubt.
6.6 Sauberkeitserziehung
Das dominierende Bild der Sauberkeitserziehung in
unserer Gesellschaft basiert auf der medizinischen Lehrmeinung, dass Kinder erst ab dem zweiten Geburtstag
in der Lage sind, ihre Schließmuskulatur bewusst zu
kontrollieren (Largo 2006).
Dementsprechend wird davon ausgegangen, dass
es nicht sinnvoll ist, vor diesem Zeitpunkt mit der
Sauberkeitserziehung zu beginnen, da die bewusste
Beherrschung und Kontrolle der Ausscheidungsfunktion die Voraussetzung aller Erziehungsbemühungen
ist. Der Startschuss für die Sauberkeitserziehung ist
demnach der Zeitpunkt, zu dem das Kind von sich
aus den Wunsch äußert, aufs Klo bzw. aufs Töpfchen
zu gehen. Nach dieser Meinung muss der Entschluss
„sauber werden“ zu wollen also ausschließlich vom
Kind kommen, frühe erzieherische Anleitungen seien
der falsche Weg. Daneben spielen Modelllernen und
Vorbilder eine wichtige Rolle (Largo 2006).
Auch hier zeigen kulturvergleichende Arbeiten deutlich, dass diese Form der Sauberkeitserziehung eher die
Ausnahme als die Regel ist und vorwiegend in autonomieorientierten Kulturen praktiziert wird (Small 2005).
Eine frühe Arbeit dazu stammt von Marten und Rachel
deVries (1977), die berichten, dass die ethnische Gruppe der Digo in Ostafrika mit der Sauberkeitserziehung
schon kurz nach Geburt beginnen und durch eine Technik, welche die Autoren als „sorgsames Konditionieren“
beschreiben, erreichen, dass die Säuglinge schon mit
etwa einem halben Jahr Tag und Nacht sauber sind.
Man kann also auch bei der Sauberkeitserziehung
sehr gut sehen, wie unterschiedlich die Herangehensweisen sein können, je nachdem, ob die Autonomie
oder die Verbundenheit des Kindes im Vordergrund
steht. Je nach Orientierung (Autonomie versus Verbundenheit) unterscheiden sich demnach Definition und
Ziele der Sauberkeitserziehung:
Steht die Autonomie des Kindes im Vordergrund, bedeutet „sauber sein“, selbstständig bewusste Kontrolle
über seine Ausscheidungsfunktionen zu erlangen.
Steht die Verbundenheit im Vordergrund, ist „sauber sein“ das Ergebnis eines sanften Konditionierungsprozesses, zu dessen Beginn die Mutter die
entsprechenden Signale des Kindes wahrnimmt und
ko-reguliert. In der Folge versucht die Mutter dann
vermehrt, die Ausscheidungsvorgänge des Kindes an
bestimmte Zeiten, Orte und Signale zu binden, womit
das Ziel der Sauberkeitserziehung erreicht wäre.
In vielen Kulturen, in denen Eltern sehr früh mit
der Sauberkeitserziehung beginnen, spielt der enge
Körperkontakt zwischen Mutter und Kind eine wichtige Rolle. Allerdings ist dies keine zwingende Voraussetzung, wie beispielsweise die US-amerikanische
Nichtregierungsorganisation Diaper Free Baby (Babys
ohne Windeln) nahelegt.6 Diesem Netzwerk zufolge ist
es auch ohne ständigen Körperkontakt möglich, die
Bedürfnisse des Kindes zu antizipieren und entsprechend darauf zu reagieren (Bauer 2010). Bei diesem
Ansatz steht im Vordergrund, diejenigen Signale des
Kindes wahrzunehmen, die es ermöglichen, dass man
den „richtigen Moment“ abpasst, um es aufs Töpfchen
zu setzen. Es geht also darum, im Kontakt mit dem Kind
die nonverbalen Signale richtig zu lesen und die entsprechenden Bedürfnisse des Kindes zu antizipieren.
6 www.diaperfreebaby.org
29
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
Die Sauberkeitserziehung kann im Krippenalltag zum
Zankapfel werden, wenn unterschiedliche Kulturen
aufeinandertreffen. Denn genauso wie die Erzieherinnen und Erzieher ihre Überzeugungen vom richtigen Weg hin zum windelfreien Kind haben, können
Familien aus anderen Kulturen über ganz andere
Überzeugungen verfügen.
In ihrem Buch zur Diversität in der frühkindlichen
Betreuung und Erziehung beschreibt Janet GonzalezMena (2008) einige Beispiele, wie es aufgrund von
verschiedenen Auffassungen und Herangehensweisen von Eltern und pädagogischen Fachkräften zu
Konflikten kommen kann und welche Lösungsmöglichkeiten sich finden lassen. Der Schlüssel zu einer
erfolgreichen Lösung besteht in der Regel nicht darin,
dass Erzieherinnen und Erzieher alle Vorstellungen
über die Sauberkeitserziehung umzusetzen hätten.
Genauso wenig verspricht ein Beharren auf der eigenen Position einen konstruktiven Umgang mit
alternativen Sichtweisen. Vielmehr geht es auch hier
darum, eine offene und wertschätzende Haltung gegenüber anderen Erziehungspraktiken einzunehmen
und in einen Dialog mit den Eltern zu treten, um einen
Weg zu finden und zu gehen, der für alle Beteiligten
vertretbar ist.
30
7 Sprache –
Sprachentwicklung –
Sprachlernunterstützung
Neben vielen anderen Entwicklungsbereichen
werden in der Zeit bis zur Vollendung des dritten
Lebensjahres auch für die Sprache wichtige Grundlagen gelegt. Zudem wird der Sprache oft auch eine
besondere Bedeutung bei der pädagogischen Arbeit
mit Kindern aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten beigemessen. Daher wird dieser Entwicklungsbereich im Folgenden näher beleuchtet sowie aus
einer kulturinformierten Perspektive beschrieben.
Im Fokus dieses Kapitels stehen dabei nicht ausschließlich Kinder, die mit dem Eintritt in eine außerhäusliche Betreuung Deutsch als Fremdsprache
erlernen bzw. diesen Spracherwerb erweitern. Vielmehr werden Unterschiede in der Sprachentwicklung
thematisiert, die grundlegende Prozesse des Spracherwerbs betreffen und somit nicht nur für Kinder
mit nichtdeutscher Erstsprache relevant sind. Die
Bedeutung der Familiensprache oder Erstsprache für
den Erwerb von Deutsch als Zweitsprache ist durch
Studien der vergangenen Jahre vielfach belegt. Die Eltern zu ermutigen, ihren (Familien)Sprachgebrauch
fortzuführen, ist mittlerweile für pädagogische Fachkräfte überwiegend selbstverständlich.
Beim Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Kindertagesbetreuung wird weiterhin empfohlen, Kinder
nicht zur deutschen Sprache zu drängen sowie in
der Einrichtung Bücher u. ä. in den vertretenen Herkunftssprachen bereitzustellen. Auch ein Bilderbuch
aus einem anderen kulturellen Kontext unterscheidet
sich unter Umständen von den einschlägig vorhandenen und knüpft beim (gemeinsamen) Betrachten
für das Kind an bekannten Dingen an.
Der Gebrauch von Grußformeln, Zahlen und einfachen Worten in der Herkunftssprache durch die pädagogische Fachkraft ist ein weiterer Weg, Kindern
den Einstieg in die Mehrsprachigkeit zu erleichtern.
Eine Vielzahl an Literatur, Ratgebern und Fortbildungsmaterial für die Praxis widmet sich dieser
Thematik (Focali 2009; Dieken 2008b; List 2007;
Siebers 2002).
Sprache – Sprachentwicklung – Sprachlernunterstützung
Sprachentwicklung wird oftmals als ein relativ
gleichförmig ablaufender Prozess dargestellt, bei
dem Kinder sich lediglich durch den Zeitpunkt des
Erreichens bestimmter „Meilensteine“ unterscheiden. Üblich sind hierbei Angaben zu bestimmten
Entwicklungsschritten, die sich auf verschiedene
Aspekte der Sprache beziehen. So sind für den Bereich des Wortschatzes die 50-Wort-Grenze um
den 18. Lebensmonat und die daran anschließende
Wortschatzexplosion bekannt. Auf syntaktischer
Ebene sind es Stufen wie Ein- und Zweiwortsätze, auf
phonologischer Ebene das Lallen oder die Konsonantendopplung. Dieser oft dargelegte Sprachentwicklungsweg stellt jedoch einen vereinfachenden Standard dar, der nicht als Norm gelten kann und sollte,
und der von vielen Kindern nicht in exakt dieser Art
und Weise durchlaufen wird (Szagun 2008). Vielmehr
ist eine große Bandbreite sprachlicher Entwicklung
möglich, die an frühpädagogische Fachkräfte hohe
Anforderungen stellt.
Darüber hinaus werden nicht nur die Schritte des
Spracherwerbs sondern auch die Mechanismen des
Spracherwerbs vielfach als universell gleichartig angesehen und beschrieben. Individuelle Unterschiede
zwischen den Kindern werden (ganz im Sinne eines
autonomieorientierten kulturellen Modells) überwiegend individuellen Merkmalen zugeschrieben.
Dabei sind durchaus Ansätze vorhanden, welche
die unterschiedlichen Sprachentwicklungsverläufe
nicht individualisiert erklären, sondern auf einer
qualitativen Ebene unterschiedliche Spracherwerbsstile herausgearbeitet haben, die insbesondere für
den frühen Spracherwerb bedeutsam sind und von
verschiedenen Autoren beschrieben wurden. Sie
werden im Folgenden kurz erläutert und in einem
zweiten Schritt mit variierenden kulturellen Modellen verbunden.
Als eine der ersten unterscheidet Katherine Nelson
(1973) die referenzielle und die expressive Spracherwerbsstrategie.
Lois Bloom, Patsy Lightbown und Lois Hood (1975)
sprechen von einer nominalen und einer pronominalen Strategie des Spracherwerbs.
Elisabeth Bates, Inge Bretherton und Lynn Snyder
(1988) differenzieren den analytischen vom holistischen Spracherwerbsstil. Analytisch, nominal und
referenziell beziehen sie sich in etwa auf einen ähnlichen Stil des kindlichen Spracherwerbs, während
auf der anderen Seite holistisch, pronominal und
expressiv zusammengefasst werden können.7
Bei der analytischen Strategie des Spracherwerbs
werden anfangs überwiegend Objektwörter bzw.
Namen für Objekte gelernt, die flexibel gebraucht
werden. Kinder mit dieser Erwerbsstrategie erweitern ihren Wortschatz verhältnismäßig schnell,
kombinieren die Objektwörter zu ersten Sätzen und
zeichnen sich durch eine klare Aussprache aus. Außerdem orientieren sie sich eher an Objekten und
bezeichnen sich selbst und andere meist mit dem
Eigennamen.
Demgegenüber lernen Kinder mit einer holistischen Strategie anfangs feststehende Ausdrücke, die
kaum variabel gebraucht werden. Der Wortschatz
dieser Kinder erweitert sich eher langsam; sie lernen hauptsächlich durch Imitation sprachlicher
Vorbilder. Ihre Sätze entstehen durch Kombination
mit Funktionswörtern oder werden durch Füllwörter
vervollständigt, wobei (häufig auf Kosten der Verständlichkeit) eine korrekte Intonation des Satzes
verfolgt wird. Der Spracherwerb ist fokussiert auf
soziale Interaktionen und orientiert sich an Personen.
Die Kinder sprechen von sich und anderen mit Hilfe
von Pronomen anstelle Eigennamen zu verwenden.
Kinder lassen sich jedoch nicht so konstant und
eindeutig einem bestimmten Spracherwerbsstil zuordnen, wie die Beschreibung vielleicht vermuten
lässt. Sie können sehr wohl im Verlauf ihrer Sprachentwicklung erst den einen Stil bevorzugen, während
zu einem späteren Zeitpunkt eher der andere Stil dominiert. Spracherwerbsstile variieren folglich sowohl
interindividuell als auch intraindividuell.
Des Weiteren würde die alleinige Berücksichtigung der kindlichen Seite im Spracherwerb zu kurz
greifen und dem Einfluss der Interaktion beim Erlernen der Sprache nicht gerecht werden. So lassen sich
auch aufseiten der Interaktionspartner unterschiedliche Kommunikationsstile unterscheiden, die den
kindlichen Spracherwerbsstil unterstützen. Analysen
von Katherine Nelson (1973) weisen auf Wechselwirkungen zwischen mütterlichem Interaktionsstil –
7 Zugunsten einer besseren Lesbarkeit und Vereinfachung wird im
Folgenden auf die jeweils exakte Beibehaltung der Terminologien
verzichtet und nur noch zwischen analytischem und holistischem
Spracherwerbsstil unterschieden. Dadurch finden nicht in jedem
Fall die Originalbegriffe der zitierten Autoren Verwendung.
31
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
unterschieden in akzeptierend und direktiv – und
kindlicher Spracherwerbsstrategie hin.
Beim akzeptierenden Stil überwiegen Fragen.
Thematisch stehen Objekte und Sachverhalte im
Vordergrund, wodurch die kindliche Begriffsbildung
unterstützt wird. Den direktiven Stil kennzeichnen
Anweisungen an das Kind und Kommentare des
kindlichen Verhaltens sowie verstärkt wörtliche
Wiederholungen der kindlichen Äußerungen. Nach
Katherine Nelson liegt eine optimale Kombination vor,
wenn ein akzeptierender Interaktionsstil der Mutter
auf eine analytische Erwerbsstrategie des Kindes
trifft, bei einem direktiven Interaktionsstil der Mutter
resultiert jedoch ein verlangsamter Spracherwerb des
Kindes mit analytischer Strategie. Analytisch lernende
Kinder profitieren von Objektbenennungen und
Objektbeschreibungen, während sich durch Wiederholungen bei holistisch lernenden Kindern positive
Effekte zeigen.
Weitere Untersuchungen stützen den Befund, dass
der Sprachstil der Mutter die kindliche Erwerbsstrategie formt (Plunkett 1993; Furrow / Nelson 1984; Corte
u.a. 1983); sie zeigen außerdem, dass Äußerungen des
Kindes wiederum auf den mütterlichen Interaktionsstil rückwirken und ihn verstärken (Hampson / Nelson,
1993; Lieven 1978). Auch wenn diese Studien auf Analysen einer geringen Anzahl von Kindern beruhen,
deuten sie dennoch auf (individuelle) Unterschiede
im Spracherwerb von Kindern hin, die im frühpädagogischen Bereich bislang wenig Beachtung finden.
Zwischen den beschriebenen Spracherwerbs- und
Kommunikationsstilen auf der einen Seite und kulturellen Orientierungen auf der anderen Seite lässt
sich eine Korrespondenz herstellen. In kulturellen
Kontexten mit einer starken Betonung der Autonomie
ist eher der analytische Spracherwerbsstil und akzeptierende Interaktionsstil anzutreffen. Zu einer starken
Betonung von Verbundenheit passt wiederum der
holistische Spracherwerbsstil sowie ein eher direktiver
Interaktionsstil (Demuth 2008: Keller 2007; vgl. dazu
auch Kap. 4).
Die vorangegangenen Befunde zu kindlichen
Spracherwerbsstilen und mütterlichen (bzw. elterlichen und erzieherischen) Kommunikationsstilen
treffen besonders auf den frühen Spracherwerb zu
und machen deutlich, wie wichtig es für pädagogische
Fachkräfte ist, die interindividuelle und auch intraindividuelle Variabilität des kindlichen Spracherwerbs
32
zu (er)kennen, um angemessen darauf eingehen zu
können sowie mit dem eigenen Kommunikationsstil
positiv auf die Sprachentwicklung jedes Kindes einzuwirken.
Die häufig überblicksartig beschriebene und vermittelte Abfolge des kindlichen Spracherwerbs kann
nur als Unterstützung dazu dienen, Fortschritte in den
verschiedenen linguistischen Bereichen wie Semantik,
Grammatik, Phonologie oder Pragmatik einordnen
zu können. Giesela Szagun (2008) führt aus, dass die
existierenden Studien und Daten nicht ausreichen,
um für die deutsche Sprache eindeutige Festlegungen
darüber treffen zu können, welche sprachlichen
Leistungen in welchem Alter von einem Kind erreicht
sein müssen. Vielmehr beschreiben sie eine Bandbreite von Entwicklungsstrategien, mit denen sich Kinder
auf den Weg zum Spracherwerb begeben.
Dieses Wissen macht noch einmal die Bedeutsamkeit eines besonderen Maßes an Fingerspitzengefühl
der pädagogischen Fachkraft im Umgang mit den
Kleinsten deutlich. Konkrete Ideen zur praktischen
Förderung der Sprachentwicklung lassen sich in
der Fachliteratur finden, wo unter anderem viele
Beispiele für Sprachspiele und Sprachanregungen
im Betreuungsalltag dargestellt sind (Winner 2007).
Bei Sprachförderprogrammen ist aber sorgfältig zu
prüfen, inwiefern eine Berücksichtigung der verschiedenen Sprachlernstrategien bemerkbar ist und
ob unterschiedliche kulturell bedingte Aspekte des
Sprachenlernens Berücksichtigung finden. So ist beispielsweise das Lernen mithilfe von Bilderbüchern
in vielen nichtwestlichen Kontexten unbekannt
bzw. unüblich und Sprachlernbeispiele, die stark die
Individualität des Kindes in den Mittelpunkt stellen,
also in Beispielsätzen häufig „Ich“ und kaum „Wir“
benutzen, können ungewohnt und irritierend für
Kinder mit einem eher verbundenheitsorientierten
Hintergrund sein.
Interkulturelle Trainings
Darüber hinaus ist das Selbstverständnis der pädagogischen Fachkraft als sprachliches Vorbild umso mehr
von Erzieherinnen und Tagespflegepersonen zu verinnerlichen, als ein gesteuerter Spracherwerb, wie er
in späteren vorschulischen Betreuungsjahren häufig
verfolgt wird, im Altersbereich bis zu drei Jahren noch
nicht greifen kann.8
Das sprachliche Umfeld, das Erzieherinnen oder
Tagespflegepersonen schaffen, sollte grundsätzlich
Angebote für verschiedene Spracherwerbsstile bereithalten. Voraussetzungen dafür sind aufseiten der
pädagogischen Fachkraft das Bewusstsein ihrer Rolle
als Sprachvorbild, die Reflexion des eigenen Sprachgebrauchs und die Fähigkeit, die eigene Sprache variabel
einzusetzen.
Um pädagogische Fachkräfte im Hinblick auf diese
Aufgabe zu schulen, startet derzeit ein Forschungsprojekt9, in dem die Teilnehmenden alltagsbasiert
kulturelle Aspekte auf sprachlicher Ebene erkennen,
berücksichtigen und anwenden lernen. Im Austausch
mit den Eltern lässt sich feststellen, welcher Erwerbsstil beim einzelnen Kind aktuell überwiegt, um so
das eigene Interaktionsverhalten auf die Bedürfnisse
eines jeweiligen Kindes abstimmen zu können und
auf diese Weise effektiv auf die Sprachentwicklung
einzuwirken.10
8 Interkulturelle Trainings
Um pädagogische Fachkräfte für die Arbeit mit Kindern und Familien aus anderen kulturellen Kontexten
besser zu rüsten, existieren verschiedene Ansätze. Dies
geschieht beispielsweise im Rahmen von Modellprojekten, wie sie im Kapitel 9 exemplarisch beschrieben
werden. Auch ist es für Einrichtungen möglich, mit
Hilfe von Fachliteratur Anregungen für die Arbeit mit
Familien anderer kultureller Kontexte bezüglich verschiedener Bildungsbereiche zu erlangen (Prott / Preissing 2006) oder sich im Sinne der Selbstbildung den
Bereich Interkulturelle Pädagogik eigenständig zu
erarbeiten (Focali 2009).
Neben Modellprojekten und Literatur zum Thema
Interkulturelle Pädagogik und Interkulturelles Lernen
haben pädagogische Fachkräfte auch die Möglichkeit,
in Fortbildungen, sogenannte „interkulturelle Kompetenz“ zu erwerben.11
Unter dem Begriff interkulturelles Training können
eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote zusammengefasst werden, deren Ziel es ist, Teilnehmende auf
den Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturen und
Ländern vorzubereiten, Fähigkeiten zum Umgang mit
Menschen unterschiedlicher kultureller Prägung zu
entwickeln und auszubauen sowie das Bewusstsein
für die eigene kulturelle Prägung zu schärfen. Im
Wirtschaftssektor nutzen global agierende Unternehmen interkulturelle Trainings, um Arbeitnehmer auf
die Tätigkeit in anderen Ländern vorzubereiten und
vermitteln dabei Grundlagen, die ein angemessenes
Verhalten im Umgang mit länder- oder regionenspezifischen Besonderheiten ermöglichen sollen.
8 Unabhängig davon ist das Bewusstsein, als sprachliches Vorbild
zu fungieren, natürlich auch für Betreuungspersonen drei- bis
sechsjähriger Kinder relevant; zumal die Effektivität von Sprachförderprogrammen zunehmend in Frage gestellt wird und alternative Vorgehensweisen angestrebt werden, beispielsweise
eine verstärkte Schulung von Eltern und Erzieherinnen, um die
Sprachlernunterstützung in den alltäglichen Interaktionssituationen zu stärken und somit die eher künstlichen Situationen mit
externern Förderkräften zu verringern bzw. zu ersetzen.
9 Durchgeführt und begleitet durch die Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe).
10 Differenzierte Hinweise auf die Anforderungen an pädagogische
Fachkräfte im Bereich Sprachförderung finden sich beispielsweise bei List (2010).
11 Exemplarisch sei hier auf die Webseite des Deutschen Bildungsservers verwiesen, der verschiedene Anbieter interkultureller Fortbildungen auflistet:
www.bildungsserver.de/zeigen.html?seite = 4072.
33
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
Auch für pädagogische Fachkräfte existieren kulturspezifische Trainings. Sie beziehen sich meist auf
bestimmte Nationalitäten, Religionsgruppen oder
Ethnien.12 Häufig werden diese Kurse und Seminare
von Personen geleitet, die selbst dem kulturellen
Kontext entstammen und so aus der Innenperspektive kulturspezifische Aspekte erläutern und darlegen
können, was einen hohen Grad an Authentizität des
vermittelten Wissens gewährleisten soll.
Für Betreuungseinrichtungen, bei denen sich Familien aus einem bestimmten kulturellen Kontext
konzentrieren, kann ein solches Fortbildungskonzept
auch stimmig sein. Eingedenk der in dieser Expertise
vertretenen Definition kultureller Kontexte ist allerdings darauf hinzuweisen, dass unter Umständen eine
auf Nationalität oder Religion basierende Fortbildung
dem Spektrum der in der Einrichtung vertretenen
Familien nicht gerecht wird und sich nur partiell in
der Praxis anwenden lässt.
Einen anderen Zugang haben Fortbildungen, deren
Schwerpunkt auf der Förderung von culture awareness
liegt. Sie gehen allgemein kultursensibilisierend vor
und richten den Fokus auf die (Selbst)Wahrnehmung
und Reflexion der Teilnehmenden. Hier geht es nicht
vordergründig um die Vermittlung von Hintergrundwissen über religiöse Riten, Essenvorschriften oder
bestimmte Erziehungsvorstellungen, sondern darum,
dass die Teilnehmenden die eigene kulturelle Prägung
erkennen und sie für die Wahrnehmung anderer kultureller Werte und Normen zu sensibilisieren und zu
öffnen. Einleitend schreibt Ergin Focali:
„Wie in allen pädagogischen Zusammenhängen ist
auch für das interkulturelle Arbeitsfeld die eigene innere Haltung von wesentlicher Bedeutung (…). Folgen
wir der Pädagogin Helga Losche (1995), so beginnt die
Auseinandersetzung mit dem ,Fremden’ beim Verstehen des ,Eigenen’. In diesem Sinne wird, ausgehend
von der Selbstreflexion über eigene kulturelle Normen
und Werte geklärt, was überhaupt Kultur bedeutet
und wie man interkulturelle Kompetenz als eine der
heute wesentlichen sozialen Kompetenzen erwirbt.“
(Focali 2009, S. 9)
12 Beispielsweise Angebote des Islamischen Wissenschafts- und Bildungsinstituts in Hamburg (IWB) oder der Kurs „Erziehungsziele
und Familienbilder in Familien mit Migrationshintergrund aus der
Türkei“ des Paritätischen Bildungswerks.
34
Je nach Umfang und Aufbau der Fortbildung können
auf der Grundlage des so geschaffenen Verständnisses
anhand von Praxisbeispielen Handlungsoptionen
für die Arbeit besprochen werden. Teilweise werden
einzelne Bildungsbereiche unter Berücksichtigung
kultureller Anforderungen bearbeitet; teilweise steht
nur die Elternarbeit im Zentrum des Interesses. Zielstellung dieser Art von Fortbildung ist es, eine sensible
und reflektierte Sichtweise zu erlangen, durch welche
die pädagogische Fachkraft befähigt werden soll, angemessen mit der kulturellen Vielfalt von ihr betreuter
Kinder und deren Familien umzugehen.
Der Bedarf an Fortbildungen für kultursensitives
Vorgehen in der Betreuungsarbeit mit Kindern in
den ersten drei Lebensjahren entwickelt sich derzeit
auch als eine Folge des geplanten Rechtsanspruches
auf einen Krippenplatz ab dem Jahr 2013 und der damit ausgelösten Ausbaudynamik im frühkindlichen
Betreuungssystem. Bislang haben sich regionale und
überregionale Anbieter von pädagogischen Fort- und
Weiterbildungen noch wenig darauf eingestellt.
Als ein erster Schritt wäre eine stärkere Berücksichtigung der speziellen Anforderungen bei der Betreuung
von Kindern in den ersten drei Lebensjahren im Rahmen existierender Fortbildungskonzepte wünschenswert. Mittelfristig bleibt allerdings unabdingbar die
Schaffung eigenständiger Fortbildungsmaßnahmen,
die den Bedürfnissen von Familien aus anderen kulturellen Kontexten mit Kindern in dieser Altersstufe
Rechnung tragen.
Darstellung vorhandener Ansätze
9 Darstellung vorhandener
Ansätze
Es ließen sich sicherlich viele Praxisbeispiele finden, in
denen engagierte pädagogische Fachkräfte oder Tagesmütter kreative Umgangsformen für die Begegnung
mit kultureller Vielfalt ausprobieren, entwickeln und
durchführen. Es lassen sich aber nur wenige ausgearbeitete Ansätze finden, die ein systematisches Konzept
für die Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren bereitstellen, das alle Bereiche des pädagogischen
Alltages umfasst und sowohl theoretisch fundiert und
empirisch untermauert, als auch praxiserprobt ist und
klar umschriebene Handlungsoptionen anbietet.
Im Folgenden sollen zunächst zwei deutsche Projekte vorgestellt werden, die vornehmlich im Bereich
der Altersstufe von drei bis sechs Jahren Anwendung
finden, aus denen sich aber auch Ableitungen für die
Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren
ergeben.
Daran anschließend wird ein Curriculum aus Neuseeland vorgestellt, das auch in Einrichtungen mit
Kindern dieser Altersgruppe (0–3) umgesetzt wird und
abschließend eine Arbeitsgruppe des Niedersächsischen
Institutes für frühkindliche Bildung und Entwicklung
(nifbe), in deren Rahmen kultursensitive Konzepte für
die Arbeit in Kinderkrippen entwickelt werden (vgl.
dazu auch das in Kapitel 6.5.2 vorgestellte Programm
Bridging Cultures).
9.1 KINDERWELTEN –
Vorurteilsbewusste Bildung und
Erziehung in Kindertagesstätten
Das Projekt KINDERWELTEN entstand Ende der
1990er-Jahr aus einer Initiative von Pädagoginnen in
Berlin-Kreuzberg und ist seit 2000 ein Projekt des Instituts für den Situationsansatz in der Internationalen
Akademie (ISTA) an der Freien Universität Berlin – mit
Unterstützung der Bernard van Leer Foundation sowie
seit 2008 auch des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des
Programms Vielfalt tut gut (Wagner 2008a).
Die Umsetzung des Projektes begann in vier Berliner
Kindertagesstätten und wurde zwischen 2004 und
2008 auf die Bundesländer Baden-Württemberg, Thüringen und Niedersachsen ausgedehnt. Mittlerweile
läuft die dritte Projektphase, in der zusammen mit
Teams aus Kindertagesstätten, Eltern, Trägern, Fachschulen, Fachhochschulen und Grundschulen an der
weiteren Implementierung und Curriculumentwicklung gearbeitet wird (Wagner 2008a).13
Der Schwerpunkt liegt bei Kindern über drei Jahren,
wobei die pädagogischen Grundgedanken dieses
Ansatzes als ebenso gültig für die Arbeit in Kinderkrippen, altersgemischten Kindergartengruppen oder bei
Tagespflegepersonen angesehen werden.
Eine Grundlage dieses Projektes ist das Konzept der
Vorurteilsbewussten Pädagogik, das eine Übertragung
des aus den USA stammenden Anti-Bias Ansatzes darstellt (Derman-Sparks 2008; Wagner 2008a; Preissing
2003; Derman-Sparks / Anti Bias Task Force 1989; vergleiche dazu auch den Ansatz zu einer Pädagogik der
Vielfalt bei Prengel 2006).
Beim Anti-Bias Ansatz geht es darum, die Vielfalt
von Kindern und Familien bewusst zu erleben sowie
Diskriminierungen und deren negative Auswirkungen
sichtbar zu machen und zu thematisieren, um sie dadurch verhindern oder abbauen zu können (Wagner
2008b). Das Konzept richtet sich gegen jede Form von
Dominanz, die von einer Gruppe gegenüber anderen
ausgeübt wird. Dabei geht es sowohl um religiöse,
sprachliche und Geschlechtsunterschiede aber eben
auch um Unterschiede aufgrund kultureller Herkunftskontexte (Wagner 2008a).
Der Ansatz verfolgt dabei (nach Derman-Sparks
2008, S. 241) vier Zielsetzungen:
–– Ziel 1: Jedes Kind drückt Selbstbewusstsein und
Zutrauen in sich selbst aus, es zeigt Stolz auf seine
Familie und positive Identifikation mit seinen Bezugspersonen.
–– Ziel 2: Jedes Kind zeigt Freude und Behagen gegenüber Unterschieden zwischen Menschen, spricht
darüber in einer sachlich korrekten Sprache und
pflegt innige und fürsorgliche Beziehungen zu
anderen Menschen.
13 www.kinderwelten.net
35
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
–– Ziel 3: Jedes Kind erkennt unfaire Äußerungen und
Handlungen immer besser, verfügt zunehmend
über Worte, um sie zu beschreiben und versteht,
dass sie verletzen.
–– Ziel 4: Jedes Kind zeigt Handlungsfähigkeit, sich
alleine oder mit anderen gegen Vorurteile und / oder
diskriminierende Handlungen zur Wehr zu setzen.
Im Rahmen dieses Projektes sollen unter anderem
Erzieherinnen und Erzieher durch Fortbildungen für
die Inhalte einer vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung sensibilisiert sowie die Träger von Kindertagesstätten dafür geworben werden, eine entsprechende
Umsetzung der aus diesem Ansatz entstandenen Ideen
zu ermöglichen.
Mit dem Projekt KINDERWELTEN konnte in den letzen Jahren dazu beigetragen werden, dass in vielen
Einrichtungen die Sensibilität für Unterschiede erhöht
wurde. Dies wurde auch durch eine externe Evaluation
der Universität Münster bestätigt. In diesem Ansatz
liegen aber auch mögliche Schwierigkeiten:
Zum einem werden beim Anti-Bias-Ansatz an einigen Stellen die Individualität und Einzigartigkeit
des Kindes betont, was als eher westliches Konzept
angesehen werden kann, und nicht in dem Maße von
Familien geteilt wird, die einen eher verbundenheitsorientierten Hintergrund haben (Keller 2003). Hier
kann es zu Missverständnissen zwischen Erzieherin,
Kind, Familie und Einrichtung kommen.
Zum anderen besteht die Gefahr, sich in einem Dilemma zu verstricken, indem einerseits betont wird,
Unterschiede zwischen Kindern ernst zu nehmen
und zu berücksichtigen, andererseits es aber auch als
mögliche Diskriminierung betrachtet werden kann,
wenn Kinder unterschiedlich behandelt und gesehen
werden. Eine differenzierte Betrachtung von sowie ein
differenzierter Umgang mit Kindern wäre nach der in
dieser Expertise vertretenen Ansicht notwendig und
sollte sich auch in allen Bereichen des pädagogischen
Alltages widerspiegeln.
9.2 frühstart – Deutsch und
interkulturelle Bildung im Kindergarten
Frühstart ist ein Praxisprojekt für Kindergärten (Kinder
im Alter von drei bis sechs Jahren), das sich zur Aufgabe gemacht hat, Sprachförderung, interkulturelle
36
Bildung und Elternarbeit vor allem in Einrichtungen
mit einen hohen Anteil an Familien mit Migrationshintergrund zu fördern (Cleve / Şanli 2010). Es ist ein Projekt
der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, der TürkischDeutschen Gesundheitsstiftung e.V., der Gemeinnützigen
Gölkel-Stiftung und des Hessischen Sozialministeriums
in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Kultusministerium sowie den beteiligten Kommunen.
Das Projekt wurde ab 2004 in zwölf Kindertagesstätten in Hessen erprobt und erfolgreich evaluiert. Seit
Sommer 2008 nehmen insgesamt 36 Kindergärten in
zehn hessischen Städten an diesem Projekt teil.14
Hinsichtlich der Sprachförderung ist es ein vorrangiges Ziel, pädagogische Fachkräfte so weiterzubilden, dass sie Kinder mit Migrationshintergrund im
pädagogischen Alltag gezielt sprachlich unterstützen
und fördern können. Die Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher beruhen auf den Methoden
und Bausteinen zur Sprachförderung für deutsche
und zugewanderte Kinder von Elke Schlösser (2001).
Dieses anerkannte und verbreitete Praxisbuch zur
Sprachunterstützung bietet viele hilfreiche Übungen
und Ansätze zu kindgerechten Angeboten der Sprachlernunterstützung im pädagogischen Alltag. Allerdings ist es durchaus fraglich, inwiefern alle Methoden
tatsächlich auch geeignet sind, unterschiedliche
Sprachentwicklungswege zu berücksichtigen, wie sie
beispielsweise von Gisela Szagun beschrieben (2008)
sowie durch kulturvergleichende Studien dokumentiert wurden (vgl. dazu auch Kap. 7).
Auch lassen sich Abweichungen zu dem in dieser
Expertise vertretenen Kulturbegriff erkennen:
„ErzieherInnen erleben, dass sie als LehrerInnen angesprochen werden. Entsprechend ist die Bildungserwartung in den Vordergrund gerückt. Sie steigert sich,
wenn zugewanderte Eltern für ihre Kinder den deutschen Spracherwerb als vorrangiges Ziel des Kindergartenbesuches sehen. Kindern soll nach Auffassung
vieler Eltern ‚etwas beigebracht werden‘, womit aber
oft eher eine schulische Form der Wissensvermittlung
und Lernleistung verbunden wird. Die wesentlichen
und fundamentalen elementarpädagogischen Ziele
geraten dann evtl. aus Unkenntnis nicht in den Blickwinkel, werden gar nicht erst kennen gelernt und
somit nicht mit getragen.“ (Schlösser 2001, S. 96)
14 www.projekt-fruehstart.de
Darstellung vorhandener Ansätze
Es wird hier eher die Haltung vertreten, dass Familien, die abweichende pädagogische Ideen vertreten,
ein Wissensdefizit haben, ihnen also das Vorgehen
erläutert und nahe gebracht werden sollte. Dies ist
aber eben nur die eine Seite, da die Eltern ja auch
über viel Wissen hinsichtlich anderer Formen des
pädagogischen Handelns verfügen, die gesehen, verstanden, anerkannt und möglicherweise auch in die
pädagogische Arbeit mit einfließen sollten (vgl. dazu
auch Kap. 6.1).
Um das Wissen der Erzieherinnen und Erzieher über
verschiedene kulturelle Hintergründe und die daraus
resultierenden Ableitungen zu vertiefen, werden bei
frühstart als zweites Element Fortbildungsmodule zur
interkulturellen Bildung eingesetzt (vgl. dazu auch
Kap. 8).
Als drittes Element werden sogenannte Elternbegleiter ausgebildet, die denselben Migrationshintergrund
sowie dieselben Sprachkenntnisse wie die Eltern in
der Einrichtung haben. Die ehrenamtlichen Elternbegleiter unterstützen, moderieren oder ermöglichen
überhaupt erst die Kommunikation zwischen Eltern
und der Kindertagesstätte (Cleve / Şanli 2010).
Somit besteht die Möglichkeit einer Integration,
die auf gegenseitigem Verständnis beruht. Problematisch ist hier jedoch, dass Kulturunterschiede über
Länderunterschiede definiert werden (vgl. dazu auch
Kap. 2), da dies zu einer ungerechtfertigten Reduzierung vorhandener Komplexität und Unterschiedlichkeit führen und damit zu einer Art Schubladendenken,
das den Blick für das jeweilige Kind und die jeweilige
Familie zu stark vereinfachen kann.
Bisher ist das Projekt frühstart in Kindergärten mit
Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren angeboten
worden. Informationen über eine Ausweitung für
Krippen konnten nicht gefunden werden. Bezüglich
des bei frühstart verwendeten Ansatzes zur Sprachförderung liegt mittlerweile auch ein Praxisbuch für die
Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren
vor (Schlösser 2010).
9.3 Te Whāriki
Ein Programm, das im Besonderen den Ansatz verfolgt,
systematisch verschiedene kulturelle Hintergründe in
Einrichtungen der frühkindlichen Bildung (auch bei
Einrichtungen mit Kindern in den ersten drei Lebens-
jahren) zu berücksichtigen, ist das neuseeländische
Curriculum Te Whāriki (wörtlich: „gewobene Matte“),
das in den 1990er-Jahren entwickelt wurde (Huser
2007; Ministry of Education 1996).15
Dieses Curriculum, das durch Implementierungsunterstützung des neuseeländischen Bildungsministeriums (Ministry of Education) landesweit Verbreitung
gefunden hat und einer ständigen Evaluation unterliegt, umfasst einen bikulturellen pädagogischen
Ansatz, der sowohl den kulturellen Hintergrund der
neuseeländischen Ureinwohner (Māori) wie auch den
der Nachfahren der europäischen Zuwanderergruppen (Pākehā) berücksichtigt.
Das Konzept der Entwicklungsarbeit besteht insbesondere darin, dass beide Gruppen bei der Erarbeitung
des Curriculums beteiligt waren und die Konzepte
sowie Umsetzungsmanuale sowohl in Māori als auch
in Englisch verfasst sind.
Hinsichtlich der praktischen Umsetzung wird sehr
viel Wert darauf gelegt, dass sowohl der Māori- als auch
der Pākehāhintergrund bei der Raumgestaltung und
in den Sprach- und Spielangeboten eine gleichberechtigte Rolle spielen.
Neben diesen sprachlichen und ästhetischen Aspekten versucht der Ansatz, auch in der pädagogischen
Arbeit die unterschiedlichen Hintergründe zu berücksichtigen. So spielen bei den Māori-Familien beispielsweise der Respekt vor Älteren und die Einbettung in die
Gemeinschaft eine sehr bedeutende Rolle und diese
eher verbundenheitsorientierte Ausrichtung findet im
pädagogischen Alltag ihre Berücksichtigung (Huser
2007; Ritchie 2003, 1996; Ministry of Education 1996).
Neben der Ausrichtung sowohl auf Māori- als auch
auf Pākehā-Familien, hat das Curriculum auch den
Anspruch, entsprechend sensitiv Kindern bzw. Familien mit einer anderen regionalen Herkunft begegnen
zu können (z. B. aus Asien oder von pazifischen Inselgruppen). Natürlich ist auch hier zu beachten, dass
die individuellen Unterschiede bzw. diejenigen, die
sich durch den jeweiligen sozioökonomischen Kontext
beschreiben lassen, nicht durch eine Volksgruppenoder Länderzugehörigkeit aus dem Blick geraten, da
ansonsten auch hier die Gefahr einer Stereotypisierung
besteht.
15 www.educate.ece.govt.nz/learning/curriculumAndLearning/­
TeWhariki.aspx
37
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
9.4 Kultursensitive Aspekte in der
Krippenpädagogik
Die Arbeitsgruppe Kultursensitive Aspekte in der
Krippenpädagogik des Niedersächsischen Instituts für
frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) in Kooperation mit dem Fachgebiet Entwicklung & Kultur an der
Universität Osnabrück, der Hochschule Emden / Leer,
Studiengang Inklusive Frühpädagogik (B.A.), der Stadt
Oldenburg sowie dem Verein für Kinder e. V. Oldenburg
ist aus einer gemeinsamen Initiative der Praxis und der
Forschung entstanden.16
In dieser Arbeitsgruppe werden vor dem Hintergrund der theoretischen und empirischen Befunde
der kulturvergleichenden Säuglings- und Kleinkindforschung sowie in engem Kontakt mit Trägervertreterinnen, Fachberaterinnen, Einrichtungsleitungen
und Krippenerzieherinnen in einer innovativen Form
des direkten und kontinuierlichen Austausches von
Praxis und Forschung konzeptionelle Grundlagen und
Fortbildungskonzepte entwickelt, die es ermöglichen
sollen, kultursensitive Herangehensweisen für die
unterschiedlichen Bereiche der praktischen Arbeit in
Kinderkrippen bereitzustellen (Borke u.a. 2009).
Dabei werden unterschiedliche Schlüsselsituationen des Krippenalltages (z. B. Dialog mit den Eltern,
Spiel-, Schlaf- und Esssituationen; Kähling-Deutschmann / Rath 2009) hinsichtlich der aktuellen pädagogischen Diskussion zusammengefasst und dann
ergänzt um die Erkenntnisse über andere kulturelle
Entwicklungspfade, Erziehungs- und Entwicklungsmodelle sowie um Beispiele aus der Praxis, die mit dem
Erleben von kultureller Vielfalt in Zusammenhang
stehen:
–– Was hat besonders gut funktioniert?
–– Wo gab es Schwierigkeiten?
–– Wo wurden vorhandene Konzepte als unzureichend erlebt?
Aus diesem Austausch werden dann konzeptionelle
Ideen für einen kultursensitiven Umgang entwickelt.
In einem nächsten Schritt werden diese in kooperierenden Krippeneinrichtungen erprobt. Dadurch gibt
16 Bei dieser Arbeitsgruppe wirken folgende Personen mit: Jörn
Borke, Alke Brouer, Hanna Bruns, Paula Döge, Beate HamiltonKohn, Vanessa Harting, Joscha Kärtner, Hannelore Kleemiß und
Karina Pypec.
38
es eine schnelle Rückmeldung aus der Praxis, auf deren Grundlage die jeweiligen konzeptionellen Teile
gegebenenfalls überarbeitet und angepasst werden
können. Auf diesem Wege soll ein alle wichtigen
Schlüsselsituationen umfassendes Praxiskonzept für
die Arbeit in Kinderkrippen entstehen, das durch
einen soliden theoretischen und empirischen Hintergrund gekennzeichnet ist sowie durch Praxisrelevanz
und Praxistauglichkeit.
Zusammenfassung
10 Zusammenfassung
Die vorliegende Expertise hat zum Ziel, theoretische
und empirische Grundlagen einer kulturellen Vielfalt
von Entwicklungs- und Erziehungsverläufen darzulegen, sowie mögliche Implikationen für die frühpädagogische Betreuung von Kindern in den ersten
drei Lebensjahren abzuleiten. Der Schwerpunkt liegt
dabei auf der Beleuchtung pädagogisch relevanter
Themenbereiche aus der Perspektive anderer kultureller Normen und Werte. Dabei wurde eine Auswahl
von bedeutsamen Themenbereichen dargestellt, die
nicht als erschöpfend anzusehen ist und die hier teilweise auch nur einführend behandelt werden konnte.
Kulturvergleichende Forschung auf dem Gebiet
von kindlicher Entwicklung, Familie und Erziehung
zeigt, wie vielfältig universelle Entwicklungsaufgaben
von Kindern und ihren Familien gelöst werden. Der
Großteil existierender pädagogischer Konzepte für die
frühkindliche Betreuung berücksichtigt diese Befunde
nur unzureichend bzw. stützt sich auf eine bestimmte
Betrachtungsweise von kindlicher Entwicklung.
Der Zielstellung einer kindlichen Entwicklung hin
zu einer unabhängigen, eigenständigen und individuellen Persönlichkeit wird dabei selbstverständlich
Priorität eingeräumt. So bleiben im Alltag von Kindertagesbetreuung alternative (Wert-)Vorstellungen und
Wünsche bezüglich kindlicher Entwicklung teilweise
unerkannt, werden missverstanden oder gar pathologisiert.
Für den Umgang mit kultureller Vielfalt und damit
zusammenhängend für eine gelingende Arbeit mit
Familien mit Migrationshintergrund in frühpädagogischen Einrichtigen erscheint es bedeutsam, mit
einer offenen, neugierigen und wertfreien Haltung
aufeinander zuzugehen. Auf dieser Basis lassen sich
dann individuelle Wege der pädagogischen Herangehensweise finden, die für alle Beteiligten praktikabel
sind.
Die in der Expertise beschriebenen Hintergründe
sollen als Anregung für pädagogische Fachkräfte dazu
dienen, sich alternativen Erklärungsmöglichkeiten zu
öffnen, diese besser verstehen und einordnen zu können, sich bewusst mit anderen kulturellen Modellen
von Familien auseinanderzusetzen und das eigene
Handeln auch durch eine „andere“ kulturelle Brille
zu sehen, um so eine Basis bereiten zu können, durch
die der Umgang mit kultureller Vielfalt in der außerhäuslichen Betreuung von Kindern in den ersten drei
Lebensjahren für alle beteiligten Seiten gelingen und
positiv verlaufen kann.
39
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
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Literatur
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cultural environments: German middle class and
Cameroonian rural mothers. In: Journal of CrossCultural Psychology, 40. Jg., H. 4, S. 701 – 707
45
Zu den Autoren
Jörn Borke
Dr. rer. nat., Dipl.-Psychologe; wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur des Niedersächsischen
Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe); Leiter
der Babysprechstunde Osnabrück, tätig als Ausbilder im Rahmen der
Zusatzausbildung Fachkraft Kleinstkindpädagogik (VHS) sowie als
Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Osnabrück im Studiengang
Elementarpädagogik; Forschungs-, Lehr- und Ausbildungstätigkeiten
an der Universität Osnabrück zu verschiedenen Bereichen der Entwicklungspsychologie und psychosozialen Beratungsarbeit.
Paula Döge
Dipl.-Psychologin, Studium der Psychologie in Greifswald und Padua;
wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsstelle Entwicklung,
Lernen und Kultur des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche
Bildung und Entwicklung (nifbe), Arbeitsschwerpunkte: Kulturvergleich
von Erziehungsvorstellungen von Eltern und pädagogischen Fachkräften, Interaktionsprozesse unter Gleichaltrigen sowie frühkindliche
Sprachentwicklung und Sprachförderung.
Joscha Kärtner
Dr. rer. nat., Dipl.-Psychologe; wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur des Niedersächsischen
Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe); Forschungsschwerpunkte: Kulturvergleichende Untersuchungen in den Bereichen intuitives Elternverhalten und frühe Mutter-Kind-Interaktion
im ersten Lebensjahr und sozialkognitive Entwicklung (Selbstkonzept,
Empathie und prosoziales Verhalten) im zweiten Lebensjahr.
Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) stellt alle Ergebnisse in Form
von Print- und Online-Publikationen zur Verfügung.
Alle Publikationen sind erhältlich unter: www.weiterbildungsinitiative.de
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W
Elmar Drieschner
Bindung und kognitive Entwicklung –
ein Zusammenspiel
Ergebnisse der Bindungsforschung für eine frühpädagogische
Beziehungsdidaktik
WiFF Wegweiser
Weiterbildung
Exemplarisches Praxismaterial als Orientierungshilfe für die Konzeption
und den Vergleich von
kompetenzorientierten
Weiterbildungsangeboten
UNTER DREIJÄHRIGE
ELEMENTARDIDAKTIK
Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Robert Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit
dem Deutschen Jugendinstitut e. V. Die drei Partner setzen sich dafür ein, im frühpädagogischen
Weiterbildungssystem in Deutschland mehr Transparenz herzustellen, die Qualität der Angebote
zu sichern und anschlussfähige Bildungswege zu fördern.
Ergebnisberichte der
WiFF-eigenen Forschungen und Erhebungen zur
Vermessung der Aus- und
Weiterbildungslandschaft
in der Frühpädagogik
WEITERBILDUNG
Wissenschaftliche Ana­lysen und Berichte zu aktuellen Fachdiskussionen,
offenen Fragestellungen
und verwandten Themen
von WiFF
WiFF Studien
U
Katharina Baumeister / Anna Grieser
WiFF Kooperationen
Produkte und Ergebnisberichte aus der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnern
und Initiativen im Feld
der Frühpädagogik
AUSBILDUNG
WiFF Expertisen
A
Autorengruppe Fachschulwesen
Qualifikationsprofil „Frühpädagogik“ –
Fachschule / Fachakademie
Berufsbegleitende Fort­ und Weiterbildung
frühpädagogischer Fachkräfte – Analyse der
Programmangebote
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WiFF Studien | 10
Herausgeber: Deutsches Jugendinstitut e. V. (DJI)
Koordination: Nina Rehbach, Vera Deppe
Lektorat: Jürgen Barthelmes
Gestaltung, Satz: Brandung, Leipzig
Titelfoto: djemphoto © Fotolia.com
Druck: Henrich Druck + Medien GmbH, Frankfurt a. M.
www.weiterbildungsinitiative.de
ISBN 978-3-86379-019-6
WiFF Kooperationen | 1
ISBN 978-3-935701-98-3
DRUCK_Umschlag_Baumeister_5.indd 1
© 2011 Deutsches Jugendinstitut e. V.
Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF)
Nockherstraße 2, 81541 München
Telefon: +49 (0)89 62306-173
E-Mail: [email protected]
In Kooperation mit:
einer bundesweiten Arbeitsgruppe aus
Fachverbänden und Fachorganisationen des
Fachschulwesens
WiFF Wegweiser Weiterbildung | 2
WIFF
WiFFExpertisen
Expertisen | | 000
13
ISBN 978-3-935701-97-6
978-3-935701-79-2
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Die Autorinnen der vorliegenden Studie haben die derzeitigen Möglichkeiten zur Weiterbildung frühpäda­
gogischer Fachkräfte anhand des bundesweiten Angebots der größten Weiterbildungsanbieter analysiert.
Hierzu wurden 8.693 Angebote von 96 Weiterbildungsanbietern untersucht. Die Analyse der Angebote gibt
einen systematischen Überblick über die größten Weiterbildungsanbieter, die angebotenen Themen, die
Qualifizierung der Referentinnen und Referenten, die Kosten der Teilnahme an Veranstaltungen sowie deren
zeitlichen Umfang.
Beziehungs- und Bildungsqualität sind in Krippe und Kindergarten eng verbunden. Wie neugierig, erkundend
und selbstwirksam sich Kinder ihrer Umwelt zuwenden, hängt von ihren Beziehungen zu vertrauten Bezugspersonen ab. Nach aktuellen Forschungen ist die feinfühlige Unterstützung von Exploration und Spiel ein
Schlüssel zu sicheren Bindungen zwischen Erzieherinnen / Erziehern und Kindern. Geteilte Erfahrungen und
gemeinsames Denken sind Keimzellen der kognitiven Entwicklung und des kulturellen Lernens. Vor diesem
Hintergrund reflektiert Elmar Drieschner interdisziplinäre Forschungen zum Zusammenhang von Bindung,
kognitiver Entwicklung und pädagogischem Handeln. Er stellt Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern
in der bildungsbezogenen Gestaltung von Bindungsbeziehungen dar und erläutert, wie diese Kompetenzen
in der Aus- und Weiterbildung vermittelt werden können.
ISBN 978-3-935701-87-7
19.05.11 12:23
DRUCK_Umschlag_Qualifikationsprofil.indd 1
Band 13:
Elmar Drieschner: Bindung und
kognitive Entwicklung – ein
Zusammenspiel
Band 10:
Katharina Baumeister / Anna
Grieser: Berufsbegleitende Fortund Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte – Analyse
der Programmangebote
Band 2:
Kinder in den ersten drei
Lebensjahren. Grundlagen
für die kompetenzorientierte
­Weiterbildung
Zuletzt erschienen:
Zuletzt erschienen:
Zuletzt erschienen:
Band 12:
Monika Rothweiler/Tobias Ruberg: Der Erwerb des Deutschen
bei Kindern mit nichtdeutscher
Erstsprache
Band 9:
Rolf Janssen: Das Profil sozial­
pädagogischer Fachschulen
Band 1:
Sprachliche Bildung. Grund­
lagen für die kompetenz­
orientierte Weiterbildung
Band 11:
Gudula List: Spracherwerb und
die Ausbildung kognitiver und
sozialer Kompetenzen
Band 8:
Rolf Janssen: Die Zugangs­
voraussetzungen zur sozialpä­dagogischen Fachschulausbildung von Erzieherinnen und
Erziehern
Band 10:
Helga Andresen: Erzählen und
Rollenspiel von Kindern zwischen drei und sechs Jahren
Band 7:
Katja Flämig: Kooperation zwischen Fachschulen/Berufsfachschulen und Praxisstätten
Band 9:
Iris Füssenich: Vom Sprechen
zur Schrift
Band 6:
Karin Beher/Michael Walter:
Zehn Fragen – Zehn Antworten
zur Fort- und Weiterbildungslandschaft für frühpädagogische Fachkräfte
Band 8:
Jörg Maywald: Kindeswohl­
gefährdung
Band 5:
Jutta Helm: Das Bachelorstudium Frühpädagogik. Zugangs­
wege – Studienzufriedenheit –
Berufserwartungen
23.03.11 10:37
Band 1:
Autorengruppe Fachschulwesen: Qualifikationsprofil
„Frühpädagogik“ – Fach­
schule / Fachakademie
Stand: Juli 2011
UNTER DREIJÄHRIGE
U
Jörn Borke / Paula Döge / Joscha Kärtner
Kulturelle Vielfalt bei Kindern in den
ersten drei Lebensjahren
Anforderungen an frühpädagogische Fachkräfte
In der pädagogischen Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren nimmt, wie in vielen anderen Bereichen des Bildungswesens auch, das Erleben von kultureller Vielfalt stetig zu. Treffen Kinder und Familien mit
unterschiedlichen kulturellen Hintergründen aufeinander, ergeben sich neue Anforderungen für den Alltag
frühpädagogischer Fachkräfte. Eine offene Haltung und das entsprechende Wissen ermöglichen es ihnen, in
einer Weise mit diesen Situationen umzugehen, die für alle Seiten befriedigend und angemessen ist.
In dieser Expertise werden der aktuelle Wissensstand der kulturvergleichenden Säuglings- und Kleinkind­
forschung dargestellt sowie mögliche Ableitungen für die praktische Arbeit von frühpädagogischen Fachkräften
diskutiert.
WiFF Expertisen | 16
ISBN 978-3-86379-019-6