Schiffsartillerie - Bounty Club Switzerland

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Schiffsartillerie - Bounty Club Switzerland
Schiffsartillerie
USS Iowa feuert eine 2/3-Breitseite (1984)
Schiffsartillerie ist die Artillerie, die an Bord von Kriegsschiffen eingesetzt wird. Sie zählt
zur Marineartillerie. Lange Zeit bestand die Schiffsartillerie aus VorderladerGlattrohrkanonen. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich das moderne Schiffsgeschütz, der
gezogene Hinterlader, der Granaten verschoss. Im und nach dem Zweiten Weltkrieg verlor die
Schiffsartillerie aufgrund der Entwicklung immer leistungsfähigerer Kampfflugzeuge und
dem Aufkommen der Lenkflugkörper an Bedeutung.
Entwicklung der Schiffsartillerie
Vorläufer der Artillerie
Zur Zeit des Altertums verwendete man Rammsporne an Schiffsrümpfen, um feindliche
Schiffe anzugreifen. Nachdem die Schiffe mit der Zeit größer und schwerfälliger wurden und
der Rammsporn an Bedeutung verlor, begann man die Schiffe mit Schleudereinrichtungen
auszustatten, so dass Steinkugeln und Pfeilgeschosse in Richtung Feind ausgebracht werden
konnten. Die Byzantiner entwickelten als besondere Angriffswaffe das sog. Griechische
Feuer, das eine brennende Flüssigkeit mittels eines gebündelten Strahls über eine bestimmte
Distanz spritzte, so dass der Gegner immense Verluste durch Verbrennungen an Mensch und
Material erlitt. Sogenannte Feuerlanzen wurden seit deren erster Entwicklung im 11.
Jahrhundert auf chinesischen Kriegsschiffen eingesetzt. Damals waren diese Handfeuerwaffen
zunächst noch aus Bambusrohr.
Trotz dieser Waffen wurden Seeschlachten hauptsächlich ähnlich den Landschlachten
ausgefochten, d. h. im Kampf Mann gegen Mann, wobei die Schiffe als schwimmende
Kampfplattformen dienten.
Schiffsartillerie der Segelzeit
Zwei unterschiedliche Geschütztypen nach Funden vom Wrack der Mary Rose gebaut, im
Vordergrund ein gegossener Vorderlader auf Radlafette, im Hintergrund eine geschmiedete
Stabringkanone als Vorderlader in Kastenbettung.
Die Erfindung des Schwarzpulvers revolutionierte die Schiffsbewaffnung und zog eine
Änderung der Seekriegsführung nach sich. Der Kampf wurde mehr und mehr auf die
Entfernung ausgetragen.
In Europa waren Kanonen seit dem 14. Jahrhundert auf Schiffen üblich. Es handelte sich
hauptsächlich um Waffen kleinen Kalibers, zum Teil Hinterlader sowie auch kleinere
Kolubrinen, die mehr zum Einsatz gegen die Mannschaften als gegen die Schiffsrümpfe
gedacht waren (‚man-killers‘). Die erste mit Quellen belegte Verwendung von
Schiffsgeschützen fand im Jahr 1338 statt. So gab es zu diesem Zeitpunkt Galeeren, die mit
einem Geschütz am Bug (Jagdkanonen) ausgestattet waren, diese Schiffe waren aber nach wie
vor für einen Nahkampf durch Enterung vorgesehen.
Die ersten im 15. Jahrhundert vorkommenden schwereren Schwarzpulvergeschütze waren
Bombarden, die im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte variiert wurden und
unterschiedlichen Funktionen angepasst wurden. So wuchs das Kaliber der Kanonen im 15.
und 16. Jahrhundert derart an, dass diese auch effektiv gegen die hölzernen Bordwände des
Gegners eingesetzt werden konnten (‚ship-smashers‘). Außerdem ging man mehr und mehr zu
Vorderladern über, die aus einem Stück aus Bronze und später Eisen gegossen waren.
Um das Jahr 1500 ging man dazu über, Geschützpforten auf Segelschiffen entlang des
Schiffsrumpfes zu installieren, da die Kanonen auf Grund ihres höheren Gewichtes nicht mehr
hoch in den Aufbauten, sondern tiefer im Schiffsrumpf aufgestellt wurden. Sie feuerten über
sog. Stückpforten in der Breitseite. Anfangs waren die Geschützpforten dabei noch direkt
übereinander angeordnet (so. beispielsweise bei der Galeone Great Harry von 1514) – erst in
der Weiterentwicklung der Schiffstypen fand man heraus, dass die sogenannte
Schachbrettanordnung der Pforten strukturelle und taktische Vorteile bot.
Die ‚Schachbrettanordnung‘ der Stückpforten auf der HMS Victory
Die Kombination aus offenem Feuer, offenem Schießpulver und den hölzernen Schiffen mit
Tauwerk und Pech bot viele Anläße die Schiffe durch Brand oder Explosion zu verlieren. Da
die Schiffe keine stabile Plattform boten, sondern ständig in Bewegung waren, vermied man
Fernschüsse. Meist wird als Gefechtsentfernung die Reichweite der Muskete angegeben. Im
größeren Mêlée und beim Enterkampf schoss man auch aus kürzester Entfernung. Dabei
bestand aber für beide Seiten die Gefahr, dass durch das Mündungsfeuer erst der Gegner und
man dann selber Feuer fangen konnte. Das Zurückspringen der Rohre beim Abschuss ist ein
weiteres Gefahrenpotential auf den mit Menschen überfüllten Decks. Seit der Mitte des 17.
Jahrhunderts hat sich der Standardtyp des Kriegsschiffes etabliert. Ab diesem Zeitpunkt war
das Waffensystem Segelkriegsschiff den Galeeren (vgl. hierzu die Candia in der Seeschlacht
von Prevesa, die sich über einen ganzen Tag gegen mehrere Angriffswellen feindlicher
Galeeren erwehren konnte) überlegen.
1502 stach Vasco da Gama in zu seiner zweiten Fahrt nach Indien in See. Die Schiffe wurden
mit der damals modernsten Schiffsartillerie bestückt, da man mit einem bewaffneten Konflikt
mit den Arabern rechnete. In indischen Gewässern angekommen, wurde er von etwa 100
Fahrzeugen einer arabisch-indischen Flotte angegriffen. Mit der Artillerie von 15 seiner
Schiffe konnte er alle Enterversuche vereiteln. Die Artillerie beflügelte das Zeitalter der
Entdeckungen (= "Zeitalter der europäischen Expansion").
Lafette oder Rapert aus dem 19. Jahrhundert
Skizzen von Willem van de Velde dem Älteren mit Laden von Geschützen von außenbords
Bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts war die Entwicklung der Vorderlader-Glattrohrartillerie
weitgehend abgeschlossen. Die Linienschiffe trugen die Mehrzahl der Geschütze auf zwei
oder drei durchgehenden Batteriedecks mit den schwersten Geschützen auf dem untersten
Deck. Mitte des 17. Jahrhunderts waren dies, nach englischen Inventarien, die sog. Cannons,
Demi-cannons und Culverines, die 42, 32 bzw. 18 Pounds (19, 14,5 bzw. 8,2 kg) schwere
Eisenkugeln verschossen. An Oberdeck standen leichtere Kanonen. Die Geschützrohre waren,
wie an Land, mit seitlichen Schildzapfen auf hölzernen Radlafetten, auch Raperts genannt,
gelagert. Die seitlichen Wände der Lafette waren am hinteren Ende treppenförmig abgestuft.
Dort konnte der Kuhfuß zum Lüften des Geschützes eingelegt werden oder ein starkes
Querholz zum Ablegen des Rohres in dieser Höhe. Mit Hilfe eines Richtkeils konnte durch
Drehen des Rohres um die Schildzapfen deren Erhöhungswinkel verändert werden. Die
Schiffslafette hatte meist zwei Achsen mit je zwei breiten kleinen hölzernen Rädern. Die
Kanonen rollten beim Abfeuern durch den Rückstoß ins Schiffsinnere und wurde durch das
Brooktau aufgefangen. Da bei diesem Rückspringen auch die Mündung den Rand der
Stückpforte touchierte, wurde der so genannte Schiffskopf entwickelt. Dieser ist eine glatte
Verstärkung der Mündung, gegenüber den älteren mit vielen Profilen, Stäben und Kehlen
versehene Mündungsteilen. In dieser eingeholten Position wurde dann das Geschütz
nachgeladen. Mit Seitentaljen wurde das Geschütz wieder durch die Stückpforten ausgerannt.
Sollte zu wenig Zeit oder Besatzung zur Bedienung vorhanden sein, konnte das Brooktau
auch in ausgerannter Position straff gezogen werden. Dann rollte das Geschütz nicht
rückwärts. Dafür mußte dann ein Besatzungsmitglied aussenbords klettern, um von dort das
Geschütz zu laden. Auf Grund des hohen Gewichts der Kanonen wurden große Mannschaften
für die Bedienung benötigt.
Kettengeschoss und Rundgeschoss
Bis Ende des 17. Jahrhunderts war die Bewaffnung soweit standardisiert, dass auf den
durchgehenden Batteriedecks der Segelkriegsschiffe jeweils nur ein Kanonentyp stand. Jetzt
wurden die Kanonen auch international nach dem Kugelgewicht in Pfund, natürlich nach dem
jeweils regional gültigen Pfund bezeichnet. Im 18. Jahrhundert bezeichnete die britische
Marinere Kanonen dementsprechend als 42-, 32-, 24-, 18-, 12-, 9-, 6-, 4- und 3-Pfünder sowie
0,5-Pfünder als Drehbassen, eingeteilt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden die 42Pfünder durch 32-Pfünder ersetzt, da erstere auf Grund ihres Gewichtes und der schweren
Geschosse zu unhandlich waren. Der 32-Pfünder, der in den unteren Decks der Linienschiffe
mit 74 und mehr Kanonen Aufstellung fand, wog immer noch fast drei Tonnen und hatte bis
zu 14 Mann Bedienung.
Eine von einer Kanonenkugel getroffene Bordwand
Barrengeschoss
Der wichtigste Munitionstyp war während der ganzen Zeit die eiserne Vollkugel, die
gleichermaßen gegen Rumpf, Takelage und Mannschaft eingesetzt werden konnten. Speziell
zum Einsatz gegen die Takelage wurden Ketten- oder Stangenkugeln (Barren) mitgeführt
(eiserne Halbkugeln, die durch Ketten bzw. Stangen verbunden waren). Außerdem wurde auf
kurze Entfernungen gegen die gegnerische Besatzung Kartätschen oder Hagel verwendet,
beispielsweise zur Abwehr von Enterern. Obwohl die Reichweite der Kanonen bis 2 km
betrug, waren die Trefferaussichten jenseits einiger hundert Meter äußerst gering. Die meisten
Kommandanten der britischen Marine trainierten ihre Geschützbedienungen auf möglichst
schnelles Feuern und versuchten das Gefecht auf wenige 10 Meter Entfernung zu führen, so
dass Vorbeischießen praktisch unmöglich war. Die Artillerie eines Segelkriegsschiffs war
normalerweise in der Lage, auf kurze Entfernungen die Bordwände eines vergleichbaren
Gegners zu durchschlagen. Auf Grund der geringen Größe der Kanonen war es aber schwer,
einen gleich großen Gegner zu versenken. Die Wirkung der Kanonen richtete sich besonders
beim Schießen in den Rumpf gegen die feindliche Bewaffnung und Besatzung, bei denen die
Mehrzahl der Verluste durch Holzsplitter entstanden. Durch den Verlust von Masten oder
Takelage konnte ein Schiff manöverierunfähig geschossen werden. In vielen Einzelgefechten,
also in Kämpfen fern der großen Seeschlachten, war der Kommandant eines Schiffes ohnehin
auf relative Vorsicht bedacht, brachte ihm und der eigenen Besatzung doch ein geentertes
Schiff samt gefangen genommener Besatzung und Schiffsladung (Prise) unter bestimmten
Voraussetzungen eine Menge Prisengeld ein.
Karronaden
Herstellungsgravur einer Karronade von 1807
1774 wurde die nach den Carron Iron Company benannte Karronade entwickelt.
Ursprünglich für Armeeverwendung entworfen, kam 1779 eine bordverwendungsfähige
Version in Gebrauch. Sie wies ein kurzes Rohr und eine vergleichsweise kleine
Pulvertreibladung auf. Dadurch wies das Geschoss eine niedrigere Geschwindigkeit auf und
erzielte an den Holzrümpfen eine sehr starke Splitterwirkung. Karronaden waren sehr
leicht – die 68-Pfünder-Karronade wog mit 1,8 Tonnen etwa soviel wie ein normaler
12-Pfünder. Damit brauchten sie eine kleinere Mannschaft, konnten hoch im Schiff
aufgestellt werden und erlaubten eine schwere Bewaffnung auch auf kleinen
Schiffen, die aber nur auf kurze Entfernung eingesetzt werden konnte (vgl. hierzu
das letzte Gefecht der USS Essex). Karronaden waren auf Gleitlafetten montiert.
Granate aus dem Segelschiffzeitalter
Mörser
Zur Segelschiffszeit waren Mörser die einzigen Geschütze, die standardmäßig
Explosivgeschosse verfeuerten. Sie waren auf speziellen Schiffen, den Mörserschiffen
montiert und nicht für Seegefechte, sondern für den Einsatz gegen Landziele und
verankerte Schiffe vorgesehen. Die britische Marine verwendete Mörser der Kaliber
13 Zoll und 10 Zoll (33 cm und 25,4 cm).
Entwicklungen im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert machte die Artillerie rasante und umwälzende Entwicklungen
durch. Mit den Bombenkanonen kamen die ersten Kanonen auf, die standardmäßig
Explosivgeschosse (= Granaten) verfeuerten. Es kam zu einem Wettlauf zwischen
Schiffspanzerungen (gepanzerte Rümpfe, Verbesserung der Panzerqualität) und
durchschlagkräftigerer Artillerie. Würde ein englischer Seemann der Zeit der
Spanischen Armada auf ein Schiff aus Nelsons Zeit versetzt werden, wären die
Handgriffe fast dieselben und nur wenig Erklärung notwendig. Auf einem Schiff am
Ende des 19. Jahrhunderts würde er sich überhaupt nicht zurechtfinden.
Durch technische Fortschritte waren insbesondere die folgenden Entwicklungen
möglich:

Der Übergang zum gezogenen Geschütz (um 1860) ermöglichte
treffgenaueres Schießen über eine größere Schussweite. Außerdem konnten
aus gezogenen Rohren statt Kugeln Langgeschosse verschossen werden.
Dadurch stiegen bei gleichem Kaliber das Gewicht des Geschosses (und damit
Durchschlagskraft und Trefferwirkung) sowie die Schussweite. (In den USA
wurden wegen begrenzter technischer Möglichkeiten aber bis in den
Sezessionskrieg große Glattrohrkanonen (Dahlgrenkanonen) eingesetzt).




Die Entwicklung des Hinterladers vereinfachte den Ladevorgang. Allerdings
gab es bis weit ins 19. Jahrhundert erhebliche Probleme bei der Herstellung
der Verschlüsse, insbesondere mit der Gasdichtigkeit. Aus diesem Grund
verwendete die britische Marine bis etwa 1880 gezogene
Vorderladergeschütze bis zu einem Kaliber von 40,6 cm.
Bessere Materialien: zunächst wurde Gusseisen, dann Schmiedeeisen und
dann Stahl verwendet. Dies machte größere Geschütze und stärkere
Treibladungen möglich. In einem weiteren Schritt wurden die Geschützrohre
durch einen oder mehrere Stahlringe oder -blöcke verstärkt (Ring- und
Mantelringkanonen).
Die Einführung langsam abbrennenden Pulvers ab 1880 ermöglichte nochmals
größere Treibladungen. Da der langsamere Abbrand der Treibladung längere
Geschützrohre sinnvoll machte, stiegen die Kaliberlängen von etwa L/15 auf
L/30 bis L/40. Dadurch stiegen Schussweite, Durchschlagskraft und
Treffsicherheit weiter.
Die Qualität der Geschosse wurde verbessert. Um eine bessere
panzerbrechende Wirkung zu erreichen, wurden sie ab 1868 aus Hartguss
(Grusonwerk AG Buckau), dann aus Stahl hergestellt. Außerdem wurde die
Schwarzpulverfüllung durch wirkungsvollere Sprengstoffe ersetzt
(Brisanzgranaten).
Außerdem stieg generell die Größe der Schiffsgeschütze. Tendenziell wurden weniger
und größere Geschütze in Schiffsneubauten eingebaut.
Die neuen Geschütze erforderten eine robustere Lafettierung als zuvor. Mitte des 19.
Jahrhunderts wurden vielfach noch eiserne Rahmenlafetten verwendet.
Schleifschienen und Gummipuffer nahmen den Rückstoß auf. Schließlich
ermöglichten die Rohrwiege und die hydraulische Rohrrücklaufbremse eine effektive
Lafettierung auch der größten Geschütze. Als weitere Entwicklung kamen Ende des
19. Jahrhunderts Schnellfeuergeschütze (Schnellladekanonen) und
Maschinenkanonen (z. T. als Revolverkanonen) hinzu. Die Maschinenkanonen mit
Kalibern von 37–47 mm waren zur Abwehr von Torpedobooten gedacht; sie
verschwanden bald wieder wegen ihrer geringen Trefferwirkung.
Schnellfeuergeschütze wurden mit Patronenmunition geladen und verfügten über
schnell arbeitende Verschlüsse. Anfänglich bei leichten Geschützen verwendet, wurde
das Prinzip zur Jahrhundertwende auf Kaliber bis 15,2 cm ausgedehnt und
Feuergeschwindigkeiten von 5 Schuss pro Minute bei diesem Kaliber erreicht.
Durch die Verbesserung der Verschlüsse, der Ladevorrichtungen und der
Munitionszufuhr konnte auch bei der Hauptartillerie der Linienschiffe im 19.
Jahrhundert die Feuergeschwindigkeit auf 2 Schuss pro Minute gesteigert werden.
Auch auf diese Geschütze wurde die Bezeichnung Schnellladekanone (=
Schnellfeuergeschütz) übertragen.
Vor dem spanisch-amerikanischen Krieg 1898 hielt man ca. 1000 m für eine ideale
Gefechtsentfernung. 1898 wurde in der Schlacht in der Bucht von Manila und in der
Seeschlacht vor Santiago de Cuba teilweise wirkungsvoll über mehrere Kilometer
gefeuert. Die gestiegenen Schussweiten erforderten die Einführung formalisierter
Schießverfahren.
Die moderne Schiffsartillerie
Sektion mit einem Geschützturm
Um 1900 hatte sich die Entwicklung der Schiffsartillerie stabilisiert. Linienschiffe und
Panzerkreuzer besaßen normalerweise eine dreigeteilte Artillerie aus
Schnelladekanonen (von der Rohrkonstruktion her weiterhin Mantelringrohre):

Zwei bis vier (bei Panzerkreuzern gelegentlich auch mehr) Geschütze der
Hauptartillerie, normalerweise in Geschütztürmen angeordnet. Das Kaliber bei
Linienschiffen betrug meist 30,5 cm, bei Panzerkreuzern meist 20,3–25,4 cm.

Eine auf den Schiffsseiten aufgestellte Mittelartillerie in Kasematten oder
Türmen zur Unterstützung der Hauptartillerie mit einem Kaliber um 15,2 cm.
Eine auf den verfügbaren Plätzen frei, hinter Schilden oder in Kasematten
aufgestellte leichte Artillerie zur Abwehr von Torpedobooten mit Kalibern von
37 mm bis 8,8 cm.

Geschützte Kreuzer trugen als Hauptbewaffnung meist Geschütze vom Kaliber 10,2–
15,2 cm in Einzelaufstellung hinter Schilden oder in Kasematten.
Die Dreadnought-Revolution brachte eine Verstärkung der Hauptartillerie und
teilweise den Wegfall der Mittelartillerie. Spätestens mit dem Ersten Weltkrieg wurde
klar, dass die leichte Artillerie zu leicht zur Abwehr von Torpedobooten war. Teilweise
wurde sie durch erste Flugabwehrgeschütze ersetzt.
Funktionsschema eines Hinterladergeschützes
Aufbau eines Geschützturmes
Im Ersten Weltkrieg wuchs das Kaliber der Hauptartillerie der Linienschiffe bis
40,6 cm, was bis auf zwei Ausnahmen (HMS Furious, Yamato-Klasse) bis zum Ende
der Ära der schweren Artillerie nicht überschritten wurde. Ab Anfang der 1920erJahre verschwanden auf neugebauten Schlachtschiffen und Kreuzern die in
Kasematten und außer bei der Flak hinter Einzelschilden aufgestellte Geschütze
weitgehend.
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde mit der Entwicklung vollautomatischer
Geschütze der Kaliber 15,2 cm und 20,3 cm für Kreuzer (britische Tiger-Klasse, USamerikanische Worcester-Klasse, Des-Moines-Klasse) begonnen, die jedoch auf
Grund der Entwicklung von Flugkörpern nicht lange verwendet wurden.
Die Geschütze des ersten Weltkriegs erlaubten bereits Gefechtsentfernungen von 10–
20 km, was eine entsprechende Feuerleitung notwendig machte. Die erforderlichen
Verfahren und Geräte (Feuerleitanlage, Entfernungsmesser) wurden noch vor dem
Ersten Weltkrieg entwickelt. Bekannte und gemessene Daten (eigener Kurs, eigene
Geschwindigkeit, Richtung des Ziels, Zielentfernung) wurden mit geschätzten (Kurs
und Geschwindigkeit des Ziels) in mechanischen Rechenmaschinen kombiniert und
die so ermittelte Ausrichtung an die Geschütze weitergegeben. Zur Korrektur wurde
die Lage der Aufschläge beurteilt und in die Schätzung einbezogen. Im Zweiten
Weltkrieg wurde die Feuerleitung durch die Verwendung von Radar nochmals
entscheidend verbessert. Zur Beobachtung der Trefferlage und zum Schießen über
den Horizont führten Schlachtschiffe und Kreuzer ab Mitte der 1920er-Jahre meist
Bordflugzeuge mit.
Flak
Feuernde 40-mm-Bofors-Zwillings-Geschütze an Bord des Flugzeugträgers USS
Hornet, 1945 im Pazifik.
Im Ersten Weltkrieg wurden die ersten Luftabwehrgeschütze auf Schiffen aufgestellt.
Ab den 1920er-Jahren erhielten Kriegsschiffe generell Flugabwehrkanonen. Zu
Beginn des Zweiten Weltkrieges trugen Schlachtschiffe, Flugzeugträger und Kreuzer
generell schwere Flak (Kaliber 7,5–13 cm), Maschinenkanonen im Kaliber 20–40 mm
(teilweise auch nur halbautomatisch) sowie Fla-MGs. Die Rolle der schweren Flak
wurde teilweise von Mehrzweckgeschützen der Mittelartillerie übernommen. MGs
wurden auf Grund ihrer geringen Wirkung im Krieg teilweise durch das 20-mmGeschütz von Oerlikon verdrängt. Bei der schweren und mittleren (37 mm, 40 mm)
Flak zeigte sich, dass die Wirksamkeit entscheidend von der Qualität der Feuerleitung
abhing. Gegen Ende des Krieges verfügte die US Navy über eine effektive
Radarfeuerleitung für ihre 12,7-cm- und 40-mm-Flak.
Gegenwart[
Modernes Marine-Geschütz Kaliber 12,7 cm
Heute werden auf den meisten Kriegsschiffen Kanonen bis zum Kaliber 15,5 cm
benutzt, die eine automatische Ladevorrichtung haben und deren Schussweite sich
nach der verwendeten Munitionsart richtet. Geschütze dienen der
Nahbereichsabwehr von Booten, Flugzeugen und Flugkörpern oder zum
Küstenbeschuss. Für den letzteren Zweck hat die moderne Schiffsartillerie oft ein zu
geringes Kaliber, weshalb auch die US Navy zwei Schlachtschiffe der Iowa-Klasse bis
2006 in Dienst hielt.
Aufgrund sich verändernder Einsatzbedingungen (u.a. Asymmetrische Kriegführung,
Friedenssicherungsoperationen, Amphibische Kriegsführung) gewinnt der
Landzielbeschuss als taktische Feuerunterstützung neue Bedeutung. In Deutschland
wurde daher geprüft, inwieweit der Geschützturm der Panzerhaubitze 2000
navalisiert werden konnte (Projekt MONARC). Nach Einstellung des Projektes wurde
indes das Oto Melara 127/64 Lightweight als Schiffsartillerie der neuen Fregatten der
Klasse F125 gewählt, mit dem die präzisionsgelenkte Vulcano-Munition verschossen
werden kann, die Reichweiten von 70 bis 100 km erreichen kann. Das 127/64
Lightweight mit der Vulcano-Munition wird ebenfalls in der Landangriffsversion der
italienischen FREMM-Fregatten verwendet. Ähnliche Ziele verfolgt die US-Army mit
der Entwicklung des Advanced Gun System für die geplanten Zerstörer der ZumwaltKlasse, das über Kaliber 155 mm und ebenfalls reichweitengesteigerte
Präzisionsmunition verfügen wird.
Historische Bedeutung der Kanone als
Schiffsartillerie
Die Entwicklung der Kanone und ihre Perfektionierung in Europa hat letztlich
entscheidend dazu beigetragen, dass europäische Staaten, wenn auch zahlenmäßig
unterlegen, sich gegen Annektierungsversuche anderer Völker und Militärs anderer
Kontinente durchsetzen konnten.
Europäer hatten schnell festgestellt, dass leichte, mobile Geschütze taktische Vorteile
bieten, unter Anderem da sich diese schnell ausrichten ließen und eine deutlich
höhere Feuergeschwindigkeit erlaubten. Gerade auf dem Wasser, also auf
Kriegsschiffen, stellte sich schnell heraus, dass ein einzelnes mit leichten Kanonen
bestücktes Schiff eine Übermacht erfolgreich bekämpfen konnte, ohne dabei selber
über das Maß Schaden zu nehmen. Dies war dann auch maßgeblich ein Erfolg
Europas, sich zum einen gegen Einflüsse asiatischer Expansionsversuche zu wehren
und auf der anderen Seite eigene Expansions- und Kolonialisierungsinteressen
durchzusetzen.
So ist es offensichtlich, warum es Spanien und Portugal – später dann auch den
Niederlanden, Frankreich und England – gelang, auf anderen Kontinenten Fuß zu
fassen und entsprechende Einflüsse dort geltend zu machen: Sie bestückten
dickbäuchige Handels- und Kriegsschiffe mit einer angemessenen Anzahl an Kanonen
und waren so in der Lage, sich Vormachtstellungen in Europa und gleichzeitig ihre
Kolonialinteressen zu sichern.