Neue Pflichten für Finanzdienstleister FINMA

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Neue Pflichten für Finanzdienstleister FINMA
Financial Services
Neue Pflichten für Finanzdienstleister
FINMA-Positionspapier Vertriebsregeln
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA hat am
24. Februar 2012 ein Positionspapier „Regulierung der
Produktion und des Vertriebes von Finanzprodukten“
(FINMA-Positionspapier Vertriebsregeln) veröffentlicht. Zur
Verbesserung des Kundenschutzes soll die Finanzmarktregulierung angepasst und erweitert werden. Eine frühzeitige
Anpassung des Beratungsprozesses ist erfolgsentscheidend.
Ausgangslage
Die Finanzskandale rund um Bernhard Madoff und Lehman
Borthers haben in verschiedenen Fällen Handlungsbedarf
beim Anlegerschutz offenbart. Die FINMA sah sich veranlasst, die Regulierung des Vertriebs von Finanzprodukten zu
überprüfen. Im Oktober 2010 veröffentlichte die FINMA ein
Diskussionspapier „Regulierung von Produktion und Vertrieb
von Finanzprodukten an Privatkunden – Stand, Mängel und
Handlungsoptionen“ (FINMA-Vertriebsbericht 2010).
Im FINMA-Positionspapier Vertriebsregeln werden konkrete
Vorschläge für regulatorische Massnahmen erarbeitet,
welche insgesamt den Kundenschutz verbessern
und an das europäische Niveau angleichen sollen.
Die FINMA erwartet, dass der Bundesrat gestützt auf das
Positionspapier einen entsprechenden Regulierungsauftrag
erteilen wird. Die neuen Regelungen sollen in einem Finanzdienstleistungsgesetz verankert werden. Wir gehen von
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einem Umsetzungszeitraum von drei bis fünf Jahren aus.
Unabhängig davon werden die im Positionspapier vorgeschlagenen aufsichtsrechtlichen Anforderungen schon heute in
den Aufsichtsprozess einbezogen. Zudem ist davon auszugehen, dass sich die vertretene Position auch in der FINMAEnforcement-Praxis niederschlagen wird.
Neuerungen am Point of Sale
Die folgenden Massnahmen sind am Point of Sale
vorgesehen:
Verhaltensund
Organisationsregeln
Produktdokumentation
Kundensegmentierung
Kundensegmentierung
Privatkunden und professionelle Kunden sollen neu klarer
unterschieden werden. Als massgebender Anhaltspunkt
dient die Kundensegmentierung der laufenden Teilrevision
des Kollektivanlagengesetzes. Den professionellen Kunden
soll die Möglichkeit offenstehen, sich mittels Opting-in dem
Schutz für Privatkunden zu unterstellen. Privatkunden mit
einem bestimmten Vermögen und ausreichenden fachlichen
Qualifikationen sollen sich mittels Opting-out vom erhöhten
Schutz befreien können.
Bei Privatkunden ist in der Regel eine Angemessenheitsprüfung durchzuführen. Dabei sind Kenntnisse und Erfahrungen
des Kunden festzustellen und darauf gestützt zu beurteilen,
ob der betroffene Produktetyp oder die Dienstleistung angemessen ist (Suitability). Vor der Erteilung eines persönlichen
Ratschlags hat eine Geeignetheitsprüfung zu erfolgen.
Neben den Kenntnissen und Erfahrungen müssen die Vermögensverhältnisse und Anlageziele, das Risikobewusstsein
und die Risikobereitschaft des Kunden geklärt werden.
Einheitliche und vollständige Produktdokumentation
Für sämtliche standardisierten Finanzprodukte schlägt
die FINMA eine einheitliche Prospektpflicht vor. Von der
Prospektpflicht betroffen sollen Aktien, Anleihen oder strukturierte Produkte sein. Für kollektive Kapitalanlagen bestehen
bereits detaillierte Bestimmungen, die beibehalten werden
sollen. Auch Versicherungsprodukte sollen von der neu einzuführenden Prospektpflicht nicht betroffen sein, da die Kundeninformation bereits über die bestehende Dokumentation
sichergestellt ist. Der Kundenberater ist verpflichtet, dem
Kunden zum Zeitpunkt der Anfrage den Prospekt abzugeben.
Für zusammengesetzte Finanzprodukte sind Produktbeschreibungen vorgesehen. Zusammengesetzte Finanzprodukte können beispielsweise strukturierte Produkte oder
Versicherungsprodukte mit Anlagecharakter (z.B. anteilgebundene Lebensversicherungen) sein. In der Produktbeschreibung soll über die Strukturierung des Produkts, die
Eigenschaften, die Risiken und die Kosten aufgeklärt werden.
Als Vorlage für die Produktbeschreibungen soll das kollektivanlagenrechtliche Key Investor Information Document (KIID)
dienen. Es besteht die Pflicht, dem Kunden zum Zeitpunkt
des Anbietens des Produktes, die Produktbeschreibung abzugeben.
Verhaltens- und Organisationsregeln für Finanzdienstleister
Finanzdienstleister sollen verpflichtet werden, ihren Bewilligungsstatus und ihr Tätigkeitsfeld vor der Ausführung ihrer
Dienstleistung gegenüber dem Kunden offenzulegen.
Finanzdienstleister sollen über die zu erbringende Dienstleistung, die Interessenslage und über die Kosten informieren.
Sie dürfen sich nur als unabhängig bezeichnen, sofern sie
keine Anreize von Dritten (zum Beispiel Retrozessionen)
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annehmen oder nicht auf andere Weise an Dritte gebunden
sind. Unabhängige Kundenberater müssen eine repräsentative Produktpalette berücksichtigen. Zudem sind die Kunden
über die Eigenschaften, Risiken und Kosten der Produkte zu
informieren.
Ausdehnung der Aufsicht / Vermögensverwalter
Ausdehnung der Aufsicht / Rechtsdurchsetzung
Für Kunden ist es heute oft nicht einfach abzuschätzen,
ob - und wenn ja wie - ein Finanzdienstleister im Einzelfall
reguliert ist. Neben den prudentiell beaufsichtigten Instituten
(Banken, Effektenhändler, Versicherungen und Bewilligungsträgern nach KAG) besteht eine grosse Anzahl von nicht
prudentiell beaufsichtigten, unabhängigen Vermögensverwaltern und Anlageberatern. Diese unterstehen in der
Schweiz nur in Geldwäschereibelangen einer Aufsicht und
müssen zusätzlich Verhaltenspflichten einer Vermögensverwalter-Branchenorganisation einhalten.
Weiter sollen die faktischen Möglichkeiten eines Privatkunden, seine zivilrechtlich begründeten Forderungen gegenüber einem Finanzdienstleister durchzusetzen, verbessert
werden.
Massnahmenkatalog
• FINMA-Beaufsichtigung aller Vermögensverwalter:
Diese müssen die Einhaltung von Verhaltenspflichten
sicherstellen sowie über eine angemessene Organisation
und über genügend Eigenmittel verfügen.
• Kundenberater sollen in einer Eignungsprüfung nachweisen, dass sie ausreichende Kenntnisse über Verhaltensregeln, die Grundsätze der Finanzplanung und die
vertriebenen Produkte haben. Ein öffentliches Register soll
Auskunft über qualifizierte Vermögensverwalter geben.
• Vorgaben für ausländische Finanzdienstleister: Grenzüberschreitende Dienstleistungen in die Schweiz sollen nur
noch erlaubt sein, wenn das ausländische Institut mit der
Schweiz vergleichbare Standards einhalten muss.
• Das Zivilrecht ist anzupassen, damit den Kunden die
Durchsetzung ihrer Ansprüche vereinfacht wird.
Finanzdienstleistungsgesetz
Mit einem Finanzdienstleistungsgesetz soll neu, unabhängig
vom institutsspezifischen Regulierungsstatus (z.B. Bank,
Effektenhändler, Versicherung, Vermögensverwalter) ein für
den Vertrieb von Finanzprodukten einheitlicher Standard definiert werden.
Die Schweizer Regelungen sind primär im Einklang mit
den weltweiten IOSCO-Standards sowie der Europäischen
Richtline über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) auszugestalten. Im europäischen Ausland sind die Vermögensverwalter grundsätzlich prudentiell beaufsichtigt. Für den Zugang
von Schweizer Vermögensverwaltern zum europäischen
Markt ist eine analoge Schweizer Regelung entscheidend.
Umsetzungsvorschlag FINMA
• Zur Gewährleistung einer sektorübergreifenden und
lückenlosen Geltung der Verhaltens- und Produktvorschriften am Point of Sale sind die Bestimmungen in einem
neuen Erlass (Finanzdienstleistungsgesetz) zu verankern.
• Die Vorschriften über die Bewilligung und Aufsicht der
Vermögensverwalter sind im Schweizer Börsengesetz
festzuhalten.
• Die Einführung von sektorübergreifenden Verhaltensund Produktvorschriften führt zu einer Anpassung der
geltenden Finanzmarktgesetze und des Obligationenrechts. Bestehende Bestimmungen über die Dokumentation und den Vertrieb von Finanzprodukten sollen nur
weiterhin gelten, wenn sektorspezifische Umstände eine
besondere Regelung erfordern.
Kommentar
Einschätzung KPMG
Von den Vorschlägen der FINMA für eine einheitliche Regelung des Vertriebs sind nahezu alle Finanzintermediäre
betroffen. Aufgrund der heute unterschiedlichen Regulierung wirken sich die angedachten neuen Vertriebsregeln
nicht gleich auf die einzelnen Sektoren (Banking, Insurance,
Investment Management) aus. Entsprechend gingen auch
die ersten Reaktionen der Branchenverbände auseinander,
wobei das Positionspapier Vertriebsregeln insgesamt eine
breite Zustimmung erfahren hat.
Durch eine einheitliche Produktregulierung sowie Regeln
für den Vertrieb können die heute unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen (z.B. für Fondsvertrieb im
Vergleich zu strukturierten Produkten) einander angeglichen
werden. Dies sollte für alle Marktteilnehmer zu gleichen
Wettbewerbsbedingungen führen.
Mit der Angleichung an internationale Standards, insbesondere die europäische MiFID, wird für die im europäischen
Ausland tätigen Schweizer Finanzintermediäre, die schon
heute im EU-Raum geltenden Vorschriften zu beachten
haben, eine Regulierungslücke geschlossen.
In diesem Zusammenhang sei erinnert, dass Anleger welche
Handlungsbedarf
Die FINMA hat mit dem Positionspapier Vertriebsregeln ihre
Erwartungen an die Finanzinstitute bezüglich Anlegerschutz/
Suitability konkretisiert. Obwohl die nationale gesetzliche
Verankerung der Vertriebsregeln noch eine Weile dauern wird,
sollten die Finanzinstitute nicht zuwarten, nach einer detaillierten Impact-Analyse mit der Umsetzung der notwendigen
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als Konsumenten gelten, aufgrund des Lugano-Übereinkommens bereits heute einen Schweizer Vermögensverwalter
am Gericht ihres Wohnsitzes im Ausland belangen können.
Im EU-Raum tätige Schweizer Finanzdienstleister müssen
deshalb faktisch schon heute die europäischen Standards
einhalten.
Im gleichen Zusammenhang ist jedoch zu hoffen, dass der
Gesetzgeber auf einen unnötigen „Swiss Finish“ verzichtet
und in seinen Regulierungsbestrebungen nicht über die
geltenden internationalen Standards hinausgeht.
Bis der Bundesrat ein entsprechendes Regulierungsprojekt
lanciert, die notwendigen Gesetzesentwürfe vorliegen und
die Durchführung des Gesetzgebungsverfahrens abgeschlossen ist, dürften drei bis fünf Jahre vergehen. Die
Schweizer Finanzdienstleister, insbesondere die Vermögensverwalter, können jedoch in verschiedenen Bereichen
nicht so lange auf eine neue Regulierung warten. Sowohl die
europäischen Anforderungen (z.B. AIFMD, MiFID 2) als auch
die massgebenden massgebenden neuen schweizerischen
Vorschriften (z.B. BVG-Strukturreform) treten vorher in Kraft.
Massnahmen zu starten. Dabei ist jedoch zu beachten, dass
die Implementierung der kommenden Regulierungen nicht
isoliert betrachtet, sondern – soweit aufgrund der Grösse des
Instituts sinnvoll – mit den anderen aktuellen regulatorischen
Herausforderungen (wie FATCA, Abgeltungssteuer etc.)
verlinkt werden.
Regulierungsdruck
Bei vielen Finanzdienstleistern werden sich Fragen ergeben, aus welchen ein allfälliger Handlungsbedarf erkennbar wird.
Eine zeitnahe Analyse und allfällige Anpassungen sehen wir insbesondere in folgenden Themenbereichen:
Allgemein:
•
•
•
•
•
Entschädigungsmodelle (Retrozessionen / Courtagen etc.)
Interessenkonflikte
Werbematerialien und Web-Auftritt
Schulungkonzepte von Mitarbeitern und Beauftragten
Vertriebskonzepte
Versicherungen:
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Kooperationen mit den externen Vermittlern
Kundenunterlagen (Kundeninformationen / Produktbeschreibungen)
Versicherungsvermittler (Makler und Agenten):
•
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•
Geschäftsmodell (gebundener oder ungebundener Vermittler?)
Offenlegungspflichten gegenüber dem Kunden
Dokumentationspflichten
Fondsleitungen / KAG-Vermögensverwalter:
•
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•
Prospekte und wesentliche Anlegerinformationen
Verträge mit Dritten
Vermögensverwaltungsverträge
Unabhängige Vermögensverwalter:
•
•
Geschäftsmodel und Marktausrichtung: Bewilligungserfordernisse, insbesondere Organisationsanforderungen
Cross-Border Tätigkeit (Bestimmung der Zielmärkte und Schulung der Mitarbeiter bzgl. den regulatorischen Vorschriften
in den einzelnen Ländern)
Autoren
Kontakte in Zürich
Pascal Sprenger
Financial Services
Manager, Rechtsanwalt
T: +41 44 249 45 26
E: [email protected]
Markus Schunk
Financial Services
Partner
T: +41 44 249 33 36
E: [email protected]
Silvan Meyer
Financial Services
Senior Manager, Rechtsanwalt
T: +41 44 249 31 58
E: [email protected]
Alex Geissbühler
Financial Services
Partner
T: +41 44 249 31 99
E: [email protected]
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Hieronymus Dormann
Financial Services
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