Zur Geschichte der dualen Krankenversicherung in Deutschland

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Zur Geschichte der dualen Krankenversicherung in Deutschland
Getrennt finanzieren, vereint gestalten:
Zur Geschichte der dualen Krankenversicherung
in Deutschland
Hartmut Milbrodt, Rostock
Volker Röhrs, Hamburg
Hartmut Milbrodt
1.
Mittelalter und frühe Neuzeit: Bruderschaften, Zünfte, Kassen
2.
Industrialisierung: Von der Armenfürsorge zur Versicherung
3.
Die Wilhelminische Zeit: Auf- und Ausbau des dualen Systems
4.
Die Goldenen 20-er Jahre der PKV
5.
In den 30-er Jahren: Auf dem Weg zur PKV nach Art der LV
6.
Krankenversicherung im NS-Staat
Literatur
Hartmut Milbrodt
1. Mittelalter und frühe Neuzeit: Bruderschaften,
Zünfte, Kassen
1260
Urkundlicher Beleg der ersten Bergbruderschaft, Rammelsberg bei
Goslar. Religiöse, berufsständische Bruderschaft mit dem Ziel der
Sozialfürsorge auf Gegenseitigkeitsbasis
14. Jh.
Anfänge der Krankenversicherung: Zünfte, Gilden, Gesellenbruderschaften. Zunächst Sach- und Hilfsleistungen; später Darlehen, ab
dem 15. Jh. Geldleistungen (Krankentagegeld, Hospitalkosten).
Rechtsanspruch, beitragsfinanziert
Historische Karte: Heiliges Römisches Reich 1378 (Kartenserver IEG-Maps 2012)
Hartmut Milbrodt
Hartmut Milbrodt
1618 – 1648 Dreißigjähriger Krieg
17. Jh.
Niedergang des Zunft- und Bruderschaftenwesens, Verselbständigung der
Versicherungsfunktion: Berufsständische (Zunft-)Laden, “Kassen”
1731
Reichsabschied gegen die Mißbräuche im Handwerk. Ende der Zunftgesetzgebung im Heiligen Römischen Reich
1789 – 1799 Französische Revolution
1794
Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten: Verpflichtung der
Gemeinden(!) zur letztinstanzlichen Kranken- und Armenfürsorge.
Hartmut Milbrodt
1. Mittelalter und frühe Neuzeit: Bruderschaften, Zünfte, Kassen
2.
Industrialisierung: Von der Armenfürsorge zur Versicherung
3.
Die Wilhelminische Zeit: Auf- und Ausbau des dualen Systems
4.
Die Goldenen 20-er Jahre der PKV
5.
In den 30-er Jahren: Auf dem Weg zur PKV nach Art der LV
6.
Krankenversicherung im NS-Staat
Literatur
Hartmut Milbrodt
2. Industrialisierung: Von der Armenfürsorge zur
Versicherung
Ab ≈ 1800 Mit Beginn der Industrialisierung Gründung von berufsständischen
“Hilfskassen” und “Unterstützungskassen” (etwa Innungskassen,
Knappschaftskassen), die auf Beitragsbasis Geldleistungen (Krankentagegeld, Sterbegeld) auch für Fabrikarbeiter gewährten
1815
Wiener Kongreß, Gründung des Deutschen Bundes
Historische Karte: Europa 1820 (Kartenserver IEG-Maps 2012)
1826
Gründung des Kranken-Vereins der Commis des Löblichen Kramer-Amts
in Hamburg, heutiger Rechtsnachfolger HEK-Hanseatische
Krankenkasse
Hartmut Milbrodt
Hartmut Milbrodt
1843
Gründung des Unterstützungsvereins
Nürnberg, Keimzelle der uniVersa
1845
Allgemeine Gewerbeordnung für die Königlich Preußischen Staaten:
Gewerbefreiheit, Abschaffung der Zunftprivilegien. Regelungen zur
Krankenversicherung von Gesellen, Gehilfen und Fabrikarbeitern.
Möglichkeit, durch Ortsstatut Hilfs- und Unterstützungskassen mit
Beitrittszwang auszustatten −→ “Krankenversicherungsarbitrage”
für
Tabakfabrikarbeiter
in
1849; 1854 Novellen der preußischen Gewerbeordnung: Möglichkeit, durch Ortsstatut Hilfs- und Unterstützungskassen neu zu gründen, mit Beitrittszwang auszustatten und Arbeitgebern einen Teil der Beiträge
aufzuerlegen; Anordnungsmöglichkeit der Staatsregierung
Hartmut Milbrodt
1855
Gründung der (Kranken-)Versicherungs-Gesellschaft Gegenseitigkeit zu
Leipzig durch den Mathematiker Karl Friedrich Heym als erste
Krankenversicherung mit teilweise mathematisch fundierten Prämien
(Bestandsabwicklung nach Heyms Tod 1889 durch eine andere Gesellschaft)
1866; 1867; 1869 Deutscher Krieg; Gründung des Norddeutschen Bundes; Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund, Nebeneinander und Konkurrenz von Zwangskassen und “freien Kassen”
Historische Karte: Europa 1867 (Kartenserver IEG-Maps 2012)
1871
Gründung des Deutschen Kaiserreiches im Gefolge des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71
ADSt 1871/80 Mittlere ganzzahlige Lebensdauer K (Median):
medM (K) = 39 (Männer)
medF (K) = 43 (Frauen)
Hartmut Milbrodt
Hartmut Milbrodt
1876
Reichsgesetz über die eingeschriebenen Hilfskassen: Reichseinheitliche
Neuordnung des Hilfskassenwesens mit Schaffung von Normativbedingungen und einer staatlichen Aufsicht für Zwangskassen und eingeschriebene
Hilfskassen
1878
Zwei Attentate auf Kaiser Wilhelm I.
1878 – 1890 Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie (“Sozialistengesetz”, Verbot sozialistischer und sozialdemokratischer
Organisationen)
ADSt 1881/90
1881
medM (K) = 42 (Männer)
medF (K) = 47 (Frauen)
“Magna Charta der Sozialversicherung” (Peter Koch): Kaiserliche
Botschaft zur sozialen Frage, Thronrede Wilhelms I. zur Eröffnung
des 5. Reichstages. Krankenversicherungsquote ≈ 5% der Bevölkerung, ≈ 11% in 1885
Hartmut Milbrodt
1882
Entdeckung des wichtigsten Tuberkulose-Erregers durch Robert
Koch. Etwa die Hälfte aller Todesfälle unter 15 – 40-Jährigen in Deutschland durch Tuberkulose (“die Motten”)
1883
Reichstagsbeschluß, Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter (GKV, ab 1884):
• Versicherungspflicht für Gesellen, Gehilfen und Fabrikarbeiter
bis zu einem Jahreseinkommen von 2 000 Mark (Durchschnittlicher Arbeiterjahreslohn ≈ 700 Mark)
• Umlagefinanziert, lohnabhängige Beiträge, (1 : 2) -geteilt zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer
• Sachleistungen (≈ 50%, aktuell ≫ 95%): Freie Arztbehandlung,
Heil- und Hilfsmittel. Geldleistungen: Krankentagegeld, Sterbegeld
• Träger: Körperschaften des öffentlichen Rechts
• Neu etablierte Träger: Ortskrankenkassen, Baukrankenkassen,
Gemeindekrankenversicherung (subsidiär)
Hartmut Milbrodt
1884
Reichstagsbeschluß, Unfallversicherungsgesetz (GUV, ab 1885)
1889
Reichstagsbeschluß, Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung der Arbeiter (GRV, ab 1891), Renteneintrittsalter 70.
Hartmut Milbrodt
1.
Mittelalter und frühe Neuzeit: Bruderschaften, Zünfte, Kassen
2. Industrialisierung: Von der Armenfürsorge zur Versicherung
3.
Die Wilhelminische Zeit: Auf- und Ausbau des dualen Systems
4.
Die Goldenen 20-er Jahre der PKV
5.
In den 30-er Jahren: Auf dem Weg zur PKV nach Art der LV
6.
Krankenversicherung im NS-Staat
Literatur
Hartmut Milbrodt
3. Die Wilhelminische Zeit: Auf- und Ausbau des dualen
Krankenversicherungssystems
ADSt 1891/00
medM (K) = 49 (Männer)
medF (K) = 55 (Frauen)
1891
Etwa 21 500 Gesetzliche Krankenkassen mit durchschnittlich ungefähr
170 Mitgliedern, insgesamt ungefähr 3.7 Millionen Mitglieder bei 50
Millionen Einwohnern
1891
Zunächst Ablehnung des “Bismarckschen Sozialstaates” durch die
Arbeiterbewegung. Forderungen im Erfurter Programm der SPD:
• “Unentgeltlichkeit der ärztlichen Hilfeleistung einschließlich der
Geburtshilfe und der Heilmittel. Unentgeltlichkeit der Totenbestattung”
• “Übernahme der gesamten Arbeiterversicherung durch das Reich
mit maßgebender Mitwirkung der Arbeiter bei der Verwaltung”
Hartmut Milbrodt
1892
Novelle des Krankenversicherungsgesetzes: Keine freiwillige soziale
Krankenversicherung jenseits der Versicherungspflichtgrenze
1892
Letzte große Choleraepidemie in Deutschland (Hamburg, ≈ 8 600 Tote)
1895
Entdeckung der Röntgenstrahlung (X-Strahlung) durch Wilhelm Conrad
Röntgen
1898
Emil (von) Behring: Diphterie-Schutzimpfung (Serumtherapie 1891)
ab 1900
Gründung von Handwerkskammern (Reichshandwerkergesetz 1897),
“Zünfte light”
ADSt 1901/10
1901
medM (K) = 56 (Männer)
medF (K) = 61 (Frauen)
Reichsgesetz über die privaten Versicherungsunternehmungen (heute VAG),
Gründung des Kaiserlichen Aufsichtsamtes für Privatversicherung
Hartmut Milbrodt
1904; 1906 Ablehnung der gewünschten Einbeziehung der Handwerker in die Sozialversicherung durch die Reichsregierung (“Überschreitung des Rubikons in der
Sozialpolitik”); Entschließung des 7. Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages zur Gründung von Krankenversicherungsvereinen auf
Gegenseitigkeit
1905
Gründung der Krankenunterstützungskasse für die Gemeindebeamten der
Rheinprovinz (in Saarbrücken), heute Debeka (in Koblenz)
1906, 1907 Gründung der Kranken- und Sterbekasse für selbständige Handwerker
und Gewerbetreibende in Hamburg und der Krankenunterstützungskasse
für selbständige Handwerker in Dortmund durch die jeweiligen Handwerkskammern, Wurzeln der Signal Iduna (Dortmund, Hamburg)
1908
Gesetz über den Versicherungsvertrag (VVG), ohne spezielle Regelungen zur PKV
ADSt 1910/11
medM (K) = 59 (Männer)
medF (K) = 63 (Frauen)
Hartmut Milbrodt
1911
Reichsversicherungsordnung für die gesamte Gesetzliche Sozialversicherung (RVO, Einführung bis 1914):
• Renteneintrittsalter 65 (Angestellte [neu] 1911, Arbeiter [70 −→ 65] ab
1916; für Frauen 60 ab 1916)
• Ausweitung des Versichertenkreises der GKV: Neugründung von
regionalen “Landkrankenkassen” zur Erfassung von Landarbeitern, Dienstboten, Hausgewerbetreibenden; Versicherungspflichtgrenze 2 000 Mark −→ 2 500 Mark (Durchschnittlicher Arbeiterjahreslohn ≈ 1 150 Mark)
• Neustrukturierung der Träger: Regionale Gliederung (“AOK”) ersetzt partiell(!) berufsständische Gliederung; Mindestmitgliederzahlen pro Kasse; Abschaffung der Gemeindekrankenversicherung
• “Ersatzkassen”: Nur bestehende eingeschriebene Hilfskassen mit
mindestens 1 000 Mitgliedern nach erneuter Zulassung; Versichertenkreis und Geschäftsgebiet nach Satzungsstand 1909. Umwandlung aller(!) Hilfskassen in VVaG
Hartmut Milbrodt
1913
Gründung der Central Krankenversicherung AG, älteste noch bestehende
Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft in Deutschland
Historische Karte: Europa 1914 (Kartenserver IEG-Maps 2012)
1918
Gründung des Verbandes der Krankenkassen für selbständige Handwerker und Gewerbetreibende Deutschlands e.V. (Hannover, später Dresden), seit 1927 Verband der Versicherungsanstalten für Handel, Handwerk und Gewerbe e.V. (“Dresdner Verband”)
1914 – 1918 Erster Weltkrieg
1919
Friedensvertrag von Versaille.
Hartmut Milbrodt
Hartmut Milbrodt
1.
Mittelalter und frühe Neuzeit: Bruderschaften, Zünfte, Kassen
2.
Industrialisierung: Von der Armenfürsorge zur Versicherung
3. Die Wilhelminische Zeit: Auf- und Ausbau des dualen Systems
4.
Die Goldenen 20-er Jahre der PKV
5.
In den 30-er Jahren: Auf dem Weg zur PKV nach Art der LV
6.
Krankenversicherung im NS-Staat
Literatur
Hartmut Milbrodt
4. Die Goldenen 20-er Jahre der PKV
1922, 1923 Hyperinflation als Weltkriegsfolge, angeheizt durch den “Ruhrkampf”. 15. November 1923: 1 US-$ ←→ 4 200 000 000 000 Mark;
Währungsreform 1 US-$ ←→ 4.20 Rentenmark (= Reichsmark,
08/1924), Vorkriegskurs
1922
Gründung der Barmenia Versicherungsbank für Mittelstand und
Beamte V.a.G. (eine Wurzel der Barmenia Krankenversicherung a.G.)
in Barmen durch die Barmer Ersatzkasse (“Spätfolge” der RVO)
1924
Boomjahr der PKV:
• Vervierfachung des Versichertenbestandes auf 2 000 000 VP
• Verzehnfachung des Beitragsaufkommens (8 000 000 Reichsmark
−→ 80 000 000 Reichsmark)
ADSt 1924/26
medM (K) = 67 (Männer)
medF (K) = 69 (Frauen)
Hartmut Milbrodt
1925
Gründung des Deutschnationalen Krankenversicherungsvereins a.G. in
Hamburg durch den Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband.
Satzungsgemäß keine Versicherung von Juden. Ab 1929 Versicherungsgruppe Deutscher Ring, Versicherungspartner der NSDAP
1925
Gründung der Volkswohl Krankenunterstützungskasse der Volksheilbewegung in Dortmund, Keimzelle der Continentale Krankenversicherung
a.G. (Einstieg in die Erstattung homöopathischer Arzneimittel und
Heilpraktikerbehandlung)
≈1926
Extremer Wettbewerb, sehr günstige Familienmitversicherung (Vorbild GKV). Verlagerung des Schwerpunktes von der Summenversicherung (Krankentagegeldversicherung) auf die Schadenversicherung (Krankheitskostenversicherung). Keine aktuariellen Methoden.
Erste Zahlungskrisen in der PKV. Leistungseinschränkungen
und Beitragserhöhungen, Nachschußforderungen bei VVaG (de facto
Umlageverfahren), Kündigung schlechter Risiken bei AG
Hartmut Milbrodt
1926
Gründung des Verbandes privater Krankenversicherungsunternehmungen
Deutschlands e.V. (Sitz Leipzig, “Leipziger Verband”), PKVU ohne
berufsständische Ausrichtung. Erste Großtat: “Ausspannungsverbot”
innerhalb des Verbandes
1927
Gründung der Deutsche Krankenversicherungs-Aktien-Gesellschaft zu
Berlin (heute DKV Deutsche Krankenversicherung AG)
1928
Entdeckung des Penicillin durch Alexander Fleming, London; Entwicklung zur Anwendungsreife in den USA durch Howard Walter
Florey und Ernst Boris Chain bis 1941, kriegsbedingt forcierte erste
klinische Anwendungen.
Hartmut Milbrodt
1.
Mittelalter und frühe Neuzeit: Bruderschaften, Zünfte, Kassen
2.
Industrialisierung: Von der Armenfürsorge zur Versicherung
3.
Die Wilhelminische Zeit: Auf- und Ausbau des dualen Systems
4. Die Goldenen 20-er Jahre der PKV
5.
In den 30-er Jahren: Auf dem Weg zur PKV nach Art der LV
6.
Krankenversicherung im NS-Staat
Literatur
Hartmut Milbrodt
5. In den 30-er Jahren: Auf dem Weg zur PKV nach Art
der LV
1926; 1932 Das “Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung” setzt bei Neugründungen ab 1926 die Spartentrennung
Leben (“ungefährlich”) – Kranken (“gefährlich”)
durch (ab 1928 generell), ab 1932 auch die Spartentrennung
Sach (“gefährlich”) – Kranken (“ungefährlich”)
1931
Genehmigung von “Normativbedingungen” als Mindeststandard und
Substitut nicht vorhandener VVG-Bestimmungen durch das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung (entwickelt in Zusammenarbeit
mit dem Leipziger Verband), unter anderem Ausschluß des ordentlichen Kündigungsrechtes des VR nach fünf Versicherungsjahren
Hartmut Milbrodt
1935
“N-Tarife” der DKV, erste Tarife auf versicherungsmathematischer Grundlage mit Anwartschaftsdeckung und Alterungsrückstellungen
1935 – 1940 Entwicklung der Kernelemente der Beitragskalkulation für die Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung unter Verwendung geeigneter Rechnungsgrundlagen nach dem Äquivalenzprinzip und mit
Bildung einer Alterungsrückstellung durch
• Berend Feddersen: formale Formelübertragung aus der Lebensversicherung, mit Rückkaufswerten
• Friedrich Rusam, Handwerk, Handel und Gewerbe Krankenversicherungsanstalt a.G., Dortmund: Kopfschaden, “Methode von
Rusam”, Äquivalenzgleichungen ohne Rückkaufswert
• Adolf Tosberg, Vorstandsvorsitzender der DKV: Rechnungsgrundlagen für Krankheitskosten und Storno
Hartmut Milbrodt
1940
Rechtsstreit des NKV Nationaler Kranken-Versicherungsverein a.G. mit
den Finanzbehörden um die steuerliche Anerkennung der Alterungsrückstellungen. Durch den Obersten Finanzgerichtshof der BR Deutschland
1949 letztinstanzlich zu Gunsten der Anerkennungsfähigkeit entschieden.
Hartmut Milbrodt
1.
Mittelalter und frühe Neuzeit: Bruderschaften, Zünfte, Kassen
2.
Industrialisierung: Von der Armenfürsorge zur Versicherung
3.
Die Wilhelminische Zeit: Auf- und Ausbau des dualen Systems
4.
Die Goldenen 20-er Jahre der PKV
5. In den 30-er Jahren: Auf dem Weg zur PKV nach Art der LV
6.
Krankenversicherung im NS-Staat
Literatur
Hartmut Milbrodt
6. Krankenversicherung im NS-Staat
1931
Deutsche Bankenkrise als Folge der Weltwirtschaftskrise: Zahlungsunfähigkeit der zweitgrößten deutschen Bank, der Darmstädter und
Nationalbank KG a.A. (Danat-Bank, Berlin)
ADSt 1932/34
medM (K) = 69 (Männer)
medF (K) = 72 (Frauen)
1933 – 1945 Herrschaft der NSDAP in Deutschland
1933
Kurt Schmitt, zuvor Generaldirektor der Allianz, wird Reichswirtschaftsminister und Preußischer Minister für Wirtschaft und Arbeit
Hartmut Milbrodt
1933
Gesetz über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, “Arierparagraph”. Elimination jüdischer Beschäftigter aus dem Öffentlichen Dienst.
Analoge Übertragung auf die Assekuranz und andere Bereiche der Privatwirtschaft −→ Nürnberger Gesetze 1935
1933
Entzug der GKV-Zulassung für nichtarische Ärzte. Abkommen des Leipziger Verbandes mit Ärzteverbänden: Ausschluß jüdischer Ärzte von der
Rechnungserstattung für nichtjüdische Versicherte (gegen den Willen des
Reichswirtschaftsministeriums und des “Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen”). 1938 Approbationsentzug für jüdische
Ärzte
1934, 1935 Fusion des Dresdner Verbandes, des Leipziger Verbandes, des Verbandes
deutscher Beamtenkrankenkassen und des Reichsverbandes der bäuerlichen
Krankenkassen zum Reichsverband der privaten Krankenversicherung e.V.
(aufgelöst 1939, Funktionsübergang auf die “Reichsgruppe Versicherungen”)
Hartmut Milbrodt
ab 1934
Nationalsozialistische Aufbaugesetzgebung: Gründung der Reichsgruppe
Versicherungen (bestehend aus der Wirtschaftsgruppe Privatversicherung
und der Wirtschaftsgruppe Öffentlich-rechtliche Versicherung), der Reichsgruppe Banken und vier weiterer Reichsgruppen zur Umsetzung der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik. Leiter 1934 – 1945: Eduard Hilgard,
Vorstandsmitglied der Allianz
1934, 1935 Gesetz über den Aufbau der Sozialversicherung, 12. Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung: Auflösung der Selbstverwaltung in der GKV,
strikte Abgrenzung von GKV und PKV, Neustrukturierung des Ersatzkassenwesens.
• Trennung in Arbeiter- und Angestelltenersatzkassen
• Verlust des Rechts, Zusatzversicherungen anzubieten
• Beschränkung auf sozialversicherungspflichtige Versicherte (Ausgliederung sozialversicherungsfremder Bestände bis Anfang 1936)
• Rückumwandlung in Körperschaften des öffentlichen Rechts (1937)
Folge: Gründung von “Nachfolgevereinen” durch Ersatzkassen
Hartmut Milbrodt
1934; 1936 Gründung der Hallesche Krankenkasse V.V.a.G. in Berlin (heutiger
Rechtsnachfolger Alte Leipziger — Hallesche, Oberursel) durch die
Kaufmännische Krankenkasse Halle (Saale) Ersatzkasse V.V.a.G.; Übertragung des Bestandes an freiwillig Versicherten Anfang 1936
Historische Karte: Europa 1937 (Kartenserver IEG-Maps 2012)
1938; 1941 Ausweitung der Gesetzlichen Sozialversicherung: Gesetz über die Altersversorgung selbständiger Handwerker (Handwerkerversorgungsgesetz HVG, Rentenversicherungspflicht selbständiger Handwerker); Krankenversicherung der Rentner
1939 – 1945 Zweiter Weltkrieg
1945
Potsdamer Abkommen.
Hartmut Milbrodt
Hartmut Milbrodt
1.
Mittelalter und frühe Neuzeit: Bruderschaften, Zünfte, Kassen
2.
Industrialisierung: Von der Armenfürsorge zur Versicherung
3.
Die Wilhelminische Zeit: Auf- und Ausbau des dualen Systems
4.
Die Goldenen 20-er Jahre der PKV
5.
In den 30-er Jahren: Auf dem Weg zur PKV nach Art der LV
6. Krankenversicherung im NS-Staat
Literatur
Hartmut Milbrodt
ADSt 1949/51
medM (K) = 72 (Männer)
medF (K) = 75 (Frauen)
ADSt 1986/88
medM (K) = 76 (Männer)
medF (K) = 82 (Frauen)
DSt 2008/2010 medM (K) = 81 (Männer)
medF (K) = 86 (Frauen)
Hartmut Milbrodt
Literatur
Bach, P. und H. Moser Hrsg. (2009): Bach/Moser — Private Krankenversicherung,
MB/KK- und MB/KT-Kommentar. C.H. Beck, München (4. Aufl.).
Boetius, J. (2009): Einführung in die Krankenversicherung. In: Langheid und Wandt Hrsg. (2009–
2011), Band 3.
Boetius, J. (2010): Private Krankenversicherung — Kommentar zum Recht der PKV. C.H. Beck,
München.
Böhle, I. (2003): Private Krankenversicherung (PKV) im Nationalsozialismus. Mabuse-Verlag,
Frankfurt a.M.
Braun, H. (1963): Geschichte der Lebensversicherung und der Lebensversicherungstechnik.
Duncker & Humblot, Berlin.
Feddersen, B. (1935): Mathematische Grundlagen für die private Krankenversicherung. Neumanns
Zeitschrift für Versicherungswesen 49, 1273–1278.
Hartmut Milbrodt
Finkenstädt, V. (2010): Das Spannungsverhältnis von Äquivalenz und Einkommensumverteilung
in der GKV — Eine Analyse der historischen Entstehungszusammenhänge. WIP Wissenschaftliches Institut der PKV, Köln.
Heym, K. (1884): Anzahl und Dauer der Krankheiten in gemischter Bevölkerung. Verlag von
Eduard Strauch, Leipzig (II. Aufl.). (Auszugsweiser Nachdruck in den Blättern der DGVM
VIII/2, 1967, 344–352).
Koch, P. (1971): Von der Zunftlade zum rationellen Großbetrieb — Kleine Geschichte der privaten Krankenversicherung. Verlag Versicherungswirtschaft, Karlsruhe.
Koch, P. (2003): Geschichte der versicherungsmathematischen Vereinigungen in Deutschland. In:
Wolfsdorf und Helten Hrsg. (2003), 1–40.
Koch, P. (2012): Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland. Verlag Versicherungswirtschaft, Karlsruhe.
Koch, P. und C. Uleer (1997): Herausforderungen: Entwicklungslinien eines Versicherungszweiges
von den Anfängen bis zur Gegenwart — Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Verbandes
der privaten Krankenversicherung e.V. PKV-Dokumentation 20, Köln.
Hartmut Milbrodt
Langheid, T. und M. Wandt Hrsg. (2009–2011): Münchener Kommentar — Versicherungsvertragsgesetz VVG, 3 Bände. C.H. Beck, München.
Leibniz-Institut für Europäische Geschichte Mainz — IEG (2012): IEG-Maps. Server für digitale
historische Karten. http://www.ieg-maps.uni-mainz.de .
Milbrodt, H. und V. Röhrs (2012): Aktuarielle Methoden der deutschen Privaten Krankenversicherung. Preprint zur 2. Auflage, Rostock und Hamburg.
Reichsministerium der Justiz Hrsg. (1883): Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter. Reichsgesetzblatt 1883/9, 73–104.
Rudolph, J. (2009): Die Geschichte der PKV. In: Bach, P. und H. Moser Hrsg. (2009), 37–47.
Rudolph, J. (2009): Gesetzliche Kalkulationsgrundlagen für die nach Art der Lebensversicherung
betriebene Krankenversicherung. In: Bach, P. und H. Moser Hrsg. (2009), Teil H.
Rudolph, J. (2009): Von der Alterungsrückstellung zum Basistarif — Aufgaben des Aktuars in
der privaten Krankenversicherung im Wandel der Zeiten. Verlag Versicherungswirtschaft,
Karlsruhe.
Hartmut Milbrodt
Rusam, F. (1935): Entwicklung der Mathematik der individuellen Krankheitskostenversicherung.
In: Deutscher Aktuarverein e.V. Hrsg. (1935), 148–165.
Rusam, F. (1940): Grundlagzüge der Mathematik der Privaten Krankheitskostenversicherung. In:
Berichte des 12. Internationalen Kongresses der Versicherungsmathematiker 4, Luzern, 148–
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Sommer, W. (2001): Die Entwicklung der Mathematik der privaten Krankenversicherung. In:
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Tosberg, A. (1940): Grundlagen und Aufbau der Privaten Krankenversicherung. In: Berichte des
12. Internationalen Kongresses der Versicherungsmathematiker 4, Luzern, 175–187.
Tosberg, A. (1940): Rechnungsgrundlagen und Schadentafeln der Krankheitskostenversicherung.
Veröffentlichungen des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft 66, Berlin.
Wengenroth, H. (1933): Das Risiko und die Prämienpolitik in der privaten Krankenversicherung.
Neumanns Zeitschrift für Versicherungswesen (Sonderdruck), Berlin.
Hartmut Milbrodt
Wikipedia — Die freie Enzyklopädie (2012): http://de.wikipedia.org/wiki/ .
Zillmer, A. (1863): Beiträge zur Theorie der Prämienreserve bei Lebensversicherungsanstalten.
Van der Nahmer, Stettin (Nachdruck in den Blättern der DGVM VIII/2, 1967, 278–311).
Publikationen diverser PKVU zur Unternehmens- und Branchengeschichte
Quelle des gesamten Kartenmaterials: Kartenserver IEG-Maps (2012)
Herzlichen Dank an Peter Koch und Jürgen Rudolph für Rat und Korrekturen sowie
an Andreas Kunz für die Nutzungserlaubnis für das Kartenmaterial
(“All remaining errors are ours.”)
Hartmut Milbrodt
VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT !
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