Die PEG-Sonde in der Geriatrie
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Die PEG-Sonde in der Geriatrie
AKE - Pflegeseminar: „Verhungern“ alte Menschen in den Institutionen ? PEG-Sonde – notwendige Intervention oder unethische Zwangsernährung ? Peter Fasching Wien, 23.3.2007 Weight (kg) and age in 20 000 community-dwelling Austrians Relative Risk of Death from Any Cause According to Age Group and Body-Mass-Index Category among Healthy White Men and Women Who Had Never Smoked Stevens, J. et al. N Engl J Med 1998;338:1-7 Relative Risks of Mortality by BMI Category and Age Flegal KM et al.: Excess deaths associated with underweight, overweight, and obesity. JAMA 293: 1861-1867, 2005 Frau E.T., 82 Jahre alt, Gewichtsverlauf Gewicht in Kg 60 55 50 45 75 79 81 Alter 82 FAKTOREN, DIE DAS EIN-JAHRES-ÜBERLEBEN BEI LANGZEITPFLEGEPATIENTEN BESTIMMEN nach Flacker und Kiely (1998), JAGS 46: 1012-5) Risk Ratio Score funktionaler Fähigkeiten* > 4 Gewichtsverlust** Kurzatmigkeit Schluckprobleme Männliches Geschlecht BMI < 22 kg/m2 Herzinsuffizienz Alter > 88 Jahre 2,50 2,26 2,08 1,81 1,76 1,75 1,57 1,48 *Score funktionaler Fähigkeiten (MDS): Bewegung im Bett, Bewegung/Transfer, Fortbewegung, An-/Auskleiden, Essen/Trinken, Toilettenbenutzung, persönliche Hygiene ** 2,5 kg in den letzten 30 Tagen bzw. mehr als 5 kg im letzten halben Jahr Prävalenz % Häufigkeit der Demenz und der Alzheimer-Krankheit nach Alter 40 Demenz (Jorm et al., 1987) 30 Alzheimer (Bachmann et al., 1992) 36 23.8 18 20 9 10 0 0.4 61-64 3 5 1.8 3.6 65-69 70-74 75-79 0.9 Alter (Jahre) 10.5 80-84 85-93 Ernährung bei dementiellen Erkrankungen Gewichtsverlust > 4% pro Jahr Ernährung bei dementiellen Erkrankungen • Dementielle Erkrankungen entwickeln sich bis zu ihrer Manifestation über viele Jahre • Änderungen des Essverhaltens und der Gewichtsverlust gehören zu den Erstmanifestationszeichen! Ernährung bei dementiellen Erkrankungen Energie-Bedarf pro Tag: etwa 35 Kilokalorien pro Kilogramm Körpergewicht (A. Spindler et al. 1998) 40 KgKG entsprechen 50 KgKG entsprechen 60 KgKG entsprechen 70 KgKG entsprechen 1400 kcal/d 1750 kcal/d 2100 kcal/d 2450 kcal/d Empfehlung für die tägliche Wasseraufnahme (DGE) 1 ml/kcal Zufuhr 1.5 ml/kcal Zufuhr bei spezifischem Bedarf (körperl. Akt., Hitze) Feste Nahrungsmittel bringen etwa 0.33 ml/kcal (Oxidation) Für Menschen > 65 Jahre: mindestens 1 Liter durch Getränke Da im Alter höhere Anfälligkeit für Dehydration: 1.5-2 Liter (falls keine KI durch Herz- oder Nierenkrankheit) Gegenüberstellung PEG - nasogastrische Sonde Vorteile PEG Nachteile PEG Effiziente enterale Langzeiternährung Invasiv, Komplikationen Bessere Toleranz als nasogastrische Sonde Perorale Nahrungsaufnahme möglich Erleichtert und fördert Rehabilitation Hohe Akzeptanz beim Pflegepersonal Einfache Handhabung auch ambulant Einführen des Fadens 2 Extraktion des Fadens Einführen der Sonde 8 Adaptation der Magenvorderwand an der Bauchwand 1 0 Indikationen einer PEG in der Geriatrie Funktionelle und organische Störungen, von denen zu erwarten ist, dass sie die orale Nahrungsaufnahme länger als 4 Wochen entscheidend einschränken. •Neurologisch: nach Insult; bei ALS, MS, M.Parkinson •Neoplastisch: TU. des Pharynx, Ösophagus, Cardia •Nicht-neoplastische Stenosen •Bestrahlungsstenosen •Essstörungen bei Demenz (in Diskussion) Ziele einer PEG Anlage in der Geriatrie: Erhalt von Lebensqualität •Sicherung der Grundpflege •Flüssigkeits- und Nährstoff Versorgung •Verhinderung einer Katabolie, Exsikkose •Sicherung der medizinischen Therapie •Medikamentenapplikation •Vorraussetzung schaffen für therapeutische Maßnahmen (Mobilität, Körperfunktionen, ADL- Fähigkeit) •Erhalt von Körpersubstanz und Muskelmasse Die Kontraindikation für PEG in der Geriatrie sind: •Fehlende Diaphanoskopie (eventuell ultraschallkontrolliert möglich) •Passagewirksame Magenausgangsstenose •Schwerwiegende Gerinnungsstörung •Schwerwiegende Funktionsstörung des GI, z.B. Peritonitis, Ileus •Massiver Aszites •Finaler / praefinaler Zustand •Fehlendes Einverständnis Komplikationen des Setzens einer PEG •Methoden-bedingte Letalität 0-0,3% •Schwere therapiebedürftige Komplikationen1-3% (Aspiration, Peritonitis, Sepsis, Abszesse, Blutungen, cardio-pulmonal Ereignisse) •Häufigste Komplikation: Wundinfektion 5-10% •Nicht mobilisierbare innere Halteplatte “ Buried Bumper “ KONVENTIONELLE UND PALLIATIVE BETREUUNG K P K Betreuungszeit PP 3 Publikationen zum Thema „PEG-Sonde beim (hochgradig) dementen geriatrischen Patienten“ 1 Finucane TE, Christmas C, Travis K. Tube feeding in patients with advanced dementia. A review of evidence. JAMA 282: 1365-1370, 1999 2 McCann R. Lack of evidence about tube – feeding – food for thought (editorial). JAMA 282: 1380-1381, 1999 3 Gillick MR Rethinking the role of tube feeding in patients with advanced dementia. N Engl J Med 342: 2206-2210, 2000 (sounding board) Keine kontrollierten, prospektiven Studien, sondern Meinungen !!! Ergebnis: Laut derzeit vorliegender Daten 1 Kein gesicherter Vorteil im Überleben (Mortalität) 2.Kein Vorteil in der Aspirationsprophylaxe 3.Keine Verhinderung von Pneumonien (Infektionen) 4.Keine Verhinderung von Dekubitus 5.Kein Nachweis einer Verbesserung der Lebensqualität 6.Mögliche sonden-assoziierte Komplikationen 7.eventuell weniger Pflegezuwendung erhöhter Bedarf nach freiheitsbeschränkenden Maßnahmen u.Sedierung Rezente Arbeiten zum Thema: Quill TE. Retrospective: Dying and decision making – Evolution of end-of-life options. N Engl J Med 350: 2029-32, 2004 Morrison RS, Meier DE. Palliative Care. N Engl J Med 350: 2582-90, 2004 Mitchell SL, Buchanan JL, Littlehale et al. Tube-feeding versus hand-feeding nursing home residents with advanced dementia: A cost comparison. J Am Med Dir Assoc 4: 27-33, 2003 Weitere rezente Arbeiten zum Thema: The A-M, Pasmann R, Onwuteaka-Philipsen B, Ribbe M, van der Wal G. Withholding the artificial administration of fluids and food from elderly patients with dementia: ethnographic study. Brit Med J 325: 1326-31, 2002 Ganzini L et al. Nurses´ experiences with hospice patients who refuse food and fluids to hasten death. N Engl J Med 349: 359-65, 2003 Beispiel: Artikel • Sanders, D. S., M. J. Carter, et al. (2000). "Survival Analysis in Percutaneous Endoscopic Gastronomy Feeding: A Worse Outcome in Patients with Dementia." The American Journal of Gastroenterology 95(6): 1472-1475 In Zahlen (Demenz) • • • • 54% Mortalität/1. Monat 78% Mortalität/3. Monat 81% Mortalität/6. Monat 90% Mortalität/12. Monat Kritische Anmerkungen • Es fehlen (brauchbare) Angaben z.B. zu – – – – Demenzstadium Ernährungszustand/Gewichtsverlauf Komorbiditäten Art und Dauer früherer Ernährungsinterventionen Konklusion • „In view of this high mortality in this group [dementia], we may wish to advise against PEG feeding in selected patients.“ Beispiel: Präsentation • Sedlackova, M., G. R. Sansone, et al. (2004). "Does the Primary Diagnosis Affect the Long Term Survival of Older Patients Being Tube-Fed? Posterpräsentation 3rd Congress of the European Union Geriatric Medicine Society (15th-18th September 2004, Vienna, Austria) Ausgangspunkt und Studiendesign • Weitverbreitete Verwendung von PEG – gesellschaftlicher Kostenfaktor • Knapp 10% der institutionalisierten älteren Patienten haben eine PEG-Sonde (lt. Quellen von 1997-1998) • Retrospektive Untersuchung an 103 Patienten ≥65, die 1997-2003 eine PEGSonde gelegt bekamen Konklusionen • Patients Respiratory Failure and Dementia have the worst survival following PEG tube placement • Better clinical guidelines of selection for PEG tube placement in elderly patients should be developed Einige kritische Bemerkungen (1) • Die zur Verwendung gekommene Einteilung in die 4 diagnostischen Gruppen – z.B. keine Angabe von Komorbiditäten • Keine Klassifizierung des Demenzstadiums (MMSE, Folstein, usw.) • Keine Angabe wichtiger klinischer Parameter zur Beurteilung des Ernährungszustandes Einige kritische Bemerkungen (2) • Keine pathologische Überprüfung hinsichtlich – Demenzform – Todesursache • Keine Angabe des Ernährungsschemas • Keine Angabe zur PEG-Setzung – Push/Pull - Technik Zusammenfassend • Und was war davor? Und danach? – Klinische Parameter des Patienten – Vorangegangene Ernährungsformen – Sondenplan Orientierungspunkte • • • • • • • • Ernährungszustand bzw. dessen Verlauf Grunderkrankung bzw. Multimorbidität Demenzstadium (Reisberg, MMS) Bereits zur Anwendung gelangte Ernährungsformen (Welche, wie lange) Zeitraum – Entscheidung (PEG) und Setzung Setzungsmethode (Push vs. Pull) Sondenplan Pathologische Kontrolle – Demenz bzw. Todesursache • Klinisches Setting • Gesundheitssystem Konsequenzen Indikationsstellung zur PEG individuell durchleuchten !!! (Berücksichtigung der Co-Morbidität, Diskussion mit sozialem Umfeld zur Abschätzung des mutmaßlichen Patientenwillens, Aufklärung und Gespräch mit gesetzlich bestimmtem Sachwalter) Patientenverfügung – schriftlich, mündlich; Vertrauensperson) Beobachtung des Patienten und Berücksichtigung der Konsequenzen der PEG auf dessen Wohlbefinden und Lebensqualität (Notwendigkeit freiheitsbeschränkender Maßnahmen und Sedierung; wiederholte Aspiration ?) Alternativen bei der Essenseingabe erwägen („Saugflasche“, Flüssigkeitsverdicker, HNO-bzw. logopädische Begutachtung bei Schluckstörungen) Bei Besserung des AZ „Eßtraining“ und kontinuierliche Überprüfung der Notwendigkeit der PEG. PatVG: (gültig ab 1.6.2006) § 1.(1) Dieses BG regelt die Voraussetzungen und die Wirksamkeit von Patientenverfügungen. § 1.(2) Eine Patientenverfügung kann verbindlich oder eine Orientierungshilfe für die Ermittlung des Patientenwillens sein. § 2(1) ...eine Willenserklärung, mit der ein Pat. eine medizin. Behandlung ablehnt und die dann wirksam werden soll, wenn er im Zeitpunkt der Behandlung nicht einsichts-, urteils- oder äußerungsfähig ist oder nicht. § 2(2) ..die Person kann zum Zeitpunkt der Errichtung erkrankt sein oder nicht. PatVG: (gültig ab 1.6.2006) - Verbindlichkeit § 3. Eine Patientenverfügung kann nur höchstpersönlich von einem einsichts- und urteilsfähigen Patienten erreichtet werden. § 5. Der Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung muß eine umfassende ärztliche und rechtliche Aufklärung vorausgehen (Arzt und Jurist Æ kostenpflichtig !!) § 7. Patientenverfügung verliert nach gewisser Frist (5 Jahre) Verbindlichkeit Æ muss erneuert werden Kann jederzeit widerrufen werden ! (vom Pat. selbst) Noch unklar, wo hinterlegt oder (zentral ?) abrufbar ! PatVG: (gültig ab 1.6.2006) – Erneuerung; Sonstige Inhalte § 7.(3): Eine Patientenverfügung verliert nicht ihre Verbindlichkeit, solange sie der Patient mangels Einsichts-, Urteils- oder nicht erneuern kann. § 11. Der Wirksamkeit einer Patientenverfügung steht es nicht entgegen, dass darin weitere Anmerkungen des Patienten, insbesonders die Benennung einer konkreten Vertrauensperson, die Ablehnung des Kontaktes zu einer bestimmten Person oder die Verpflichtung zur Information einer bestimmten Person enthalten sind. PatVG: (gültig ab 1.6.2006) - Dokumentation § 14. (1) Der aufklärende und (?) der behandelnde Arzt haben Patientenverfügungen in die Krankengeschichte oder, wenn sie außerhalb einer Krankenanstalt errichtet wurden, in die ärztliche Dokumentation aufzunehmen. § 14. (2) Stellt ein Arzt im Zuge der Aufklärung nach § 5 fest, dass der Patient nicht über die zur Errichtung einer Patientenverfügung erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügt, so hat er dies, gegebenenfalls im Rahmen der Krankengeschichte zu dokumentieren. PatVG: (gültig ab 1.6.2006) – Schutz vor Mißbrauch § 15. Wer den Zugang zu Einrichtungen der Behandlung, Pflege oder Betreuung oder den Erhalt solcher Leistungen davon abhängig macht, dass eine Patientenverfügung errichtet oder dies unterlassen wird, begeht, sofern die tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 25 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 50 000 Euro, zu bestrafen. Merke: (nach Beilagen; Materialen zum PatVG) Zu § „ (Begriffe): Gegenstand einer Patientenverfügung kann nur die Ablehnung einer bestimmten medizinischen Behandlung sein; Maßnahmen der Pflege unterliegen nicht dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Deshalb kann der Patient nicht vorweg seine GrundVersorgung mit Nahrung und Flüssigkeit, die Teil der Pflege ist, ausschließen. Auch kann er den Arzt in seiner Verfügung nicht dazu verhalten, eine bestimmte Behandlung vorzunehmen. Anspruch auf eine medizinisch indizierte Behandlung hat der Patient nicht, hier stößt sein Selbstbestimmungsrecht an rechtliche Grenzen. Im Einklang mit den bisher in diesem Bereich geltenden Bestimmungen (§10 Abs.1 Z 7 KAKuG, Art 18 der Patientencharta) kann in einer Patientenverfügung daher nur eine bestimmte Behandlung abgelehnt werden. Zitate aus „Ratgeber Patientenverfügung“ Herausgegeben von NÖ Patienten- u. Pflegeanwaltschaft; Wiener Patientenanwalt Stadt Wien „Kann das Zuführen von Nahrung und Flüssigkeit abgelehnt werden ?“ Die Grundversorgung mit Nahrung und Flüssigkeit ist Teil der Pflege. Sie können daher mit einer Patientenverfügung die pflegerische Grundversorgung nicht ablehnen. Das bedeutet, dass etwa das Ablehnen von Ernährung mit dem Löffel oder das Zuführen von Flüssigkeit mit einer Tasse kein Inhalt einer Patientenverfügung sein kann. Es können aber alle medizinischen Maßnahmen (die das Zuführen von Nahrung und Flüssigkeit bezwecken) abgelehnt werden; wie etwa das Setzen einer PEG-Sonde. Sie können also jede Maßnahme, die einer Ärztlichen Anordnung bedarf, mit einer PatVG ablehnen. Zitate aus „Ratgeber Patientenverfügung“ Herausgegeben von NÖ Patienten- u. Pflegeanwaltschaft; Wiener Patientenanwalt Stadt Wien „Kann ich auch eine Magensonde oder eine subcutane Infusion (Infusion unter die Haut) ablehnen“ Da diese Maßnahmen einer ärztlichen Anordnung bedürfen, können Sie diese Maßnahmen ebenfalls in der Patientenverfügung ablehnen. Zusammenfassung Beim derzeitigen Stand des Wissens nach Kriterien der „evidence-based“ medicine ist die Indikation zur PEG-Sonde beim hochgradig dementen geriatrischen Patienten kritisch und individuell zu stellen. Gesicherte Indikationen zur PEG-Sonde (z.B. Schluckstörung nach Insult) gelten jedoch ohne Einschränkung auch für den hochbetagten (geriatrischen) Patienten unter Berücksichtigung seiner individuellen Gesamtsituation. (Medizin-) ethische Überlegungen haben in jedem Fall Berücksichtigung zu finden Æ Was ist damit gemeint ??? Danke !