Debatte 02 dt 09_09_25 - Centrum für Corporate Citizenship
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Debatte 02 dt 09_09_25 - Centrum für Corporate Citizenship
02 ebatte CORPORATE RESPONSIBILITY UND DIE MEDIEN Wie die Medien über gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen berichten und wie sie ihrer eigenen Verantwortung als Unternehmen nachkommen DAVID GRAYSON herausgegeben vom CCCD Centrum für Corporate Citizenship Deutschland David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien Über den Autor: Professor David Grayson (Commander of the British Empire) kam im April 2007 nach 30 Jahren als sozialer Unternehmer und Aktivist für verantwortungsvolles Unternehmertum, Diversität und die Entwicklung von mittelständischen Unternehmen als Direktor des neuen Doughty Centre for Corporate Responsibility an die Cranfield School of Management. Er war Vorsitzender des britischen Disability Councils sowie verschiedener weiterer Regierungsgremien und diente als Joint Managing Director von Business in the Community. Er ist Visiting Senior Fellow der CSR-Initiative an der Kennedy School of Government in Harvard. Er hat einen Magisterabschluss der Universitäten Cambridge und Brüssel und einen Ehrendoktor der London South Bank University inne. Er war Visiting Fellow an verschiedenen britischen und amerikanischen Wirtschaftshochschulen. Zu seinen Büchern zählen „Corporate Social Opportunity: Seven Steps to make Corporate Social Responsibility work for your business“ (Greenleaf - 2004 http://www.greenleaf-publishing.com) und „Everybody's Business“ (2001) – beide mit Adrian Hodges geschrieben. Er ist auch Vorsitzender von Housing 21, einem der führenden Anbieter von betreutem Wohnen und Pflegeunterkünften für Ältere (http://www.housing21.co.uk). Über das CCCD: Das CCCD ist eine gemeinnützige Organisation an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. In Kooperation mit führenden Unternehmen, wissenschaftlichen Instituten und zivilgesellschaftlichen Organisationen im Inund Ausland arbeitet das CCCD als Think Space und Kompetenzzentrum sowie als Dialogplattform, Impuls- und Gastgeber für Good Corporate Citizens und diejenigen, die es werden wollen. So organisiert das CCCD Foren für den fachlichen Austausch zwischen Corporate Citizens sowie zwischen Unternehmen, Wissenschaft, Politik und Bürgergesellschaft, fördert und betreibt anwendungsorientierte Forschung, ermöglicht Lernprozesse durch Diskussions- und Fortbildungsangebote und unterstützt die Zusammenarbeit von Unternehmen mit Partnern aus Bürgergesellschaft, Wissenschaft und/oder Politik. Mit Workshops, Publikationen und öffentlichen Veranstaltungen gibt das CCCD darüber hinaus gezielte Impulse für den Diskurs zu Corporate Citizenship in Deutschland sowie für die Praxis gesellschaftlich engagierter Unternehmen. Das CCCD ist der deutsche Partner des Boston College Center für Corporate Citizenship, USA, Teil des GERN – Global Education and Research Network und des CSR 360-Global Partner Network von Business in the Community, UK. Kontakt: CCCD – Centrum für Corporate Citizenship Deutschland Kollwitzstr. 73 D-10435 Berlin +49 (0)30 – 41 71 72 21 [email protected] www.cccdeutschland.org 2 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien Inhalt Zusammenfassung 6 I. Einleitung 7 II. Vorbemerkungen 8 III. Wie berichten die Medien gegenwärtig über CR, und wie könnte dies in Zukunft aussehen? 9 • • • • • • 9 10 11 11 12 13 IV. V. Was zählt als CR-Story? Aufforderung zum Handeln Der Einfluss von Kosten Ist das typisch für CR? Sind wir selbst unser schlimmster Feind? Andere Medien Die Corporate Responsibility der Medien selbst 15 a. b. c. d. 15 15 16 16 18 Redaktionelle Grundsätze und Meinungsfreiheit Privatsphäre und öffentliche Anstandsregeln Werbung Bildungs- und Informationsauftrag Fazit Welche Auswirkung haben die neuen Medien? 20 • Ein Ort des Gesprächs • Bürgerjournalismus • Was bedeutet das für Unternehmen? 20 21 22 VI. Corporate Responsibility in den neuen Medien 23 VII. Handlungsoptionen: Die Rolle von Unternehmen und CR-Zusammenschlüssen 25 a. Einzelunternehmen b. Schnittstellenorganisationen im Bereich Corporate Responsibility 25 26 VIII. Fazit 27 IX. Danksagung 27 3 4 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien Editorial Eine neue Art des Wirtschaftens, bloße Rhetorik oder nichts weiter als schmückendes Beiwerk? – Medien haben die Macht, Corporate Citizenship im öffentlichen Diskurs zu adeln oder aber zur Randerscheinung zu degradieren: durch entsprechendes Agenda-Setting, durch glaubwürdige Information für eine kritische Öffentlichkeit und nicht zuletzt durch die Anerkennung, die ein Zeitungs- oder Fernsehbericht für ein engagiertes Unternehmen bedeutet. So sind sich Unternehmen und Experten in gelegentlichen Diskussionen über die Bedeutung der Medien für Corporate Citizenship bzw. Corporate Responsibility in aller Regel sehr rasch sehr einig in der gemeinsamen Klage, dass zu selten über diese Themen berichtet wird. Indessen greift diese Klage zu kurz: es gibt viel mehr zu sagen, zu diskutieren und nachzudenken über die Frage, wie die Medien das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen, verantwortliches und nachhaltiges Wirtschaften und neue Kooperationen zwischen Unternehmen, Zivilgesellschaft und Staat befördern können. Mit der zweiten Ausgabe der CCCDebatte, die wir Ihnen hiermit vorlegen, möchte das CCCD dieser wichtigen Diskussion eine neue, weiter reichende Perspektive geben. David Grayson, ein international renommierter Corporate Responsibility-Experte, richtet den Blick auch auf die Verantwortung der Medien selbst als Unternehmen in der Gesellschaft. Zum einen sind die Medien nicht nur Informationslieferanten, sondern immer auch Wirtschaftsunternehmen bzw. – im Falle der öffentlich-rechtlichen – eigenständige Organisationen. Als solche stehen sie selbst in gesellschaftlicher Verantwortung für ihre Produkte und deren Qualität, für die Arbeits- und Produktionsbedingungen sowie für ihr eigenes gesellschaftliches Engagement als Unternehmen. Zum anderen besteht die Medienlandschaft schon lange nicht mehr nur aus den Printmedien, Rundfunk- und Fernsehsendern, die die Generation der Baby Boomer unmittelbar mit dem Begriff verbindet. Mit Internet, Wikipedia, virtuellen Social Networks usw. hat sich eine ganz neue Medienlandschaft herausgebildet, die neue Chancen und neue Herausforderungen für Corporate Citizenship birgt. Kurz: Diskussion über die Rolle und Bedeutung der Medien für Corporate Citizenship und Corporate Responsibility braucht einen neuen, erweiterten Bezugsrahmen, der sowohl die Doppelrolle der Medien zwischen Berichterstattung und Unternehmertum als auch die Neuen Medien einschließt. Diesen erweiterten Bezugsrahmen bietet David Graysons Artikel an, indem er die unterschiedlichen Facetten des Themas Corporate Responsibility und die Medien ausleuchtet und damit die Grundlage legt für eine umfassendere Debatte, die über die landläufigen Engführungen hinausführt. So ist auch diese CCCDebatte erneut eine Einladung zur Diskussion – über die Rolle(n) von Unternehmen in der Gesellschaft im Allgemeinen, die den Kern der Corporate Citizenship-Debatte ausmacht; und über die Rolle(n) der Medien im Besonderen. Eine Diskussion, die im CCCD und darüber hinaus Fortsetzungen finden wird. Interessierte finden auf www.cccdeutschland.org/kamingespraech2 weitergehende Informationen wie etwa die Videodokumentation einer Diskussion mit David Grayson in Berlin und einen Artikel von Kristina Läsker (Süddeutsche Zeitung), die aus ihrer Sicht als engagierte Journalistin auf die Kritik an der mangelnden Berichterstattung repliziert. Für diejenigen, die sich aktiv in die Diskussion einbringen möchten, gibt es auf www.cccdeutschland.org/cccdebatte Raum und Gelegenheit für eigene Beiträge. Corporate Citizenship und Corporate Responsibility gewinnen für Unternehmen, Politik und Bürgergesellschaft erkennbar immer mehr Bedeutung, werden zunehmend diskutiert und auch zunehmend praktiziert. Gleichwohl sprechen Wirtschaft, Bürgergesellschaft und Politik in Deutschland noch immer eher über- als miteinander. Die CCCDebatte will diesen unverbundenen Diskursen einen gemeinsamen Ort geben und das Gespräch miteinander ermöglichen. Lesen Sie selbst und teilen Sie Ihre Gedanken dazu mit uns. See you on www.cccdeutschland.org/cccdebatte. Ihre - geschäftsführendes Vorstandsmitglied - 5 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien Zusammenfassung Im Jahr 2001 definierte die Europäische Union Corporate Responsibility (CR) wie folgt: „ Ein Konzept, mit dessen Hilfe Unternehmen auf freiwilliger Basis soziale und Umweltschutzbelange in ihre Geschäftstätigkeiten und ihren kommunikativen Austausch mit Stakeholdern einbeziehen.“1 Verantwortungsbewusst ist ein Unternehmen dann, wenn es in Geschäftszweck und -strategie ein Bekenntnis zu nachhaltigen Werten gegenüber der Gesellschaft als ganzer ebenso wie gegenüber den Shareholdern integriert und es offene und transparente Geschäftspraktiken pflegt, die auf ethischen Werten und Respekt gegenüber Mitarbeitern, Gemeinden und der Umwelt basieren. Dieser Aufsatz handelt von der Frage, wie in den Medien über CR berichtet wird und wo die gesellschaftliche Verantwortung der Medien selbst liegt – sowohl traditionelle als auch neue Medien. Traditionelle Medien umfassen Nachrichtenagenturen, Film, Druckmedien und Rundfunkkanäle. Neue Medien umfassen das Internet und Mobiltelefone, die aufstrebende ’Blogosphere’ und den so genannten Bürgerjournalismus. Zwar hat die Medienberichterstattung über CR in den letzten Jahren zugenommen, doch vieles von dem, was berichtet wird, hat keinen expliziten Bezug zum Begriff CR – auch nicht in den Unternehmenspublikationen. Die Qualität der Medienberichterstattung ist unterschiedlich. Wie CR-Themen behandelt werden, differiert zwischen Unternehmens-, Management- und allgemeinen Medien. Bei der Beschreibung muss man darauf achten, zwischen dem berechtigten Streben nach mehr Qualität und Quantität der Berichterstattung und dem völlig unrealistischen Wunsch nach unhinterfragten und unkritischen Berichten über Unternehmensaktivitäten zu unterscheiden. Während manche die begrenzte oder negative Berichterstattung der Medien über CR als Feindseligkeit oder Ignoranz der Medien gegenüber Unternehmen kritisieren, könnte eine ausgeglichenere und anspruchsvollere Beurteilung zu dem Ergebnis gelangen, dass sowohl Unternehmen als auch Medien intensiver nach Wegen suchen müssen, um verantwortungsbewusstes Unternehmertum und Corporate-Sustainability-Themen so zu erklären, dass sie für Leser nachvollziehbar und relevant werden – und dafür ist eine bessere Unterscheidung zwischen einzelnen Botschaften, Medien und Zielgruppen entscheidend. Seriöse Journalisten sind gegenüber Unternehmen, die offen über ihre CR-Herausforderungen und –versäumnisse und darüber reden, wie diese angegangen werden können, viel aufgeschlossener als gegenüber solchen Unternehmen, die eine unkritische Wiedergabe von Pressemitteilungen erwarten. Medienunternehmen sollten sich als Unternehmen verantwortungsbewusst verhalten. Wie jedes andere Unternehmen in jeder anderen Branche, müssen sie die substantiellen und signifikanten Umwelt-, Sozial- und Führungsthemen kennen – und versuchen, negative Auswirkungen zu verhindern und positive zu vermehren. Die Kernthemen der CR von Medienunternehmen sind: transparente und verantwortungsbewusste Herausgeberpolitik, unparteiische und ausgewogene Berichterstattung, Presse- und Meinungsfreiheit, mediale Orientierungskompetenz und ’digitale Spaltung’. Neue Medien wie ’Blogs’, RSS-Feeds, ’Google Books’, ’Podcasts’, ’Vidcasts’, Online-Video (’YouTube’, ’blimptv’ etc.), soziale Netzwerke, Suchmaschinen, Affiliate-Programme, Word-of-Mouth-Marketing, Viralmarketing, ’Second Life’, Online-Spiele, virtuelle Verkaufsshows, Online-Communities, ’E-Books’ usw. werden weltweit immer wichtiger. Die Grenzen zwischen traditionellen und neuen Medien verwischen zusehends. Zeitungen und Rundfunksender haben Websites, und Journalisten bloggen – traditionelle Medien erschaffen immer mehr Produkte und Formate, die ihren Ursprung in den neuen Medien haben. Die wachsende Bedeutung der neuen Medien erzeugt hohen Druck zu mehr Verantwortlichkeit und Transparenz, aber auch dazu, mehr Informationen schneller zugänglich zu machen. Bestimmte CR-Themen wie Schutz der Privatsphäre, Sorgfalt und allgemeine Zugänglichkeit – sowohl Freiheit der Information in manchen Teilen der Welt als auch umgekehrt Schutz gefährdeter Gruppen vor dem Zugang zu bestimmten Websites und Inhalten (z. B. dürfen Kinder keinen Zugang zu pornographischen Websites haben) – sind für neue Medien besonders relevant. Globale Medien werden sich weiterhin schnell weiterverbreiten, dies auf potentiell immer wieder neue und unerwartete Weise. Es ist unausweichlich, dass Unternehmen und CR-Befürworter offensiver und aktiver Unternehmensziele, die Auswirkungen verantwortungsbewussten Handelns sowie die Versuche, durch individuelles unternehmerischen Handeln die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft zu verringern, verständlich machen. 1 EU Commission Green Paper 2001: Promoting a European Framework for Corporate Social Responsibility, COM (2001) 366 Final. 6 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien I. EINLEITUNG Wirtschaftsunternehmen spielen in der modernen Gesellschaft eine bedeutende Rolle. Es ist wichtig, wie sie sich verhalten, wie sie geführt werden und mit anderen Bereichen der Gesellschaft interagieren. Der verstorbene Claude-Jean Bertrand, Professor des französischen Presseinstituts IFP, schrieb einmal: „Ohne gut informierte Bürger kann es keine Demokratie geben. Ohne qualitativ hochwertige Medien kann es keine gut informierten Bürger geben.“ 2 Andererseits müssen die Medien auch seriös über die Rolle und die Verantwortung von Unternehmen berichten, um eine vernünftige Debatte über diese Themen zu ermöglichen. Die Rolle der Medien selbst ist jedoch zwiespältig: einerseits berichten sie über Unternehmen, andererseits sind sie selbst Unternehmen. Durch ihre Möglichkeiten der Information, der ’Erziehung’ und der Einflussnahme haben Medienunternehmen eine weitreichende Wirkung auf Märkte und Gesellschaften. Und durch ihre eigenen Inhalte und die Werbung, die sie schalten, haben sie einen starken Einfluss auf globale Konsummuster. Somit sind sie ein entscheidender Faktor bei der Frage, ob der Planet zu einer nachhaltigen Entwicklung finden wird. Ich möchte vier wichtige Punkte behandeln (Vgl. Abb.1): 1. Wie berichten die Medien gegenwärtig über Corporate Responsibility, und wie könnte dies in Zukunft aussehen? 2. Worin liegt die eigene Corporate Responsibility der Medien? 3. Welche Auswirkungen haben die neuen Medien auf die CR-Berichterstattung? 4. Worin liegt die eigene Corporate Responsibility der neuen Medien? Ich möchte abschließen mit einigen Anmerkungen zur Verantwortung und Rolle der Wirtschaftsunternehmen selbst sowie von Organisationen, die an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft tätig sind, z. B. das CCCD (Centrum für Corporate Citizenship Deutschland). 2 Media ethics & accountability systems - von Claude-Jean Bertrand New Brunswick, NJ, Transaction Publishers, 2000 Abbildung 1: CR und Medien ... Neuen Medien CORPORATE RESPONSIBILITY in den... CORPORATE RESPONSIBILITY der... Was zählt als Berichterstattung: CR als Begriff oder Thema? Fairness, Genauigkeit, freier Zugang Was ist mit besserer Berichterstattung gemeint: unkritisches Übernehmen von PR oder ernsthafte Diskussion? Was sind Hindernisse für seriöse Berichterstattung, und wie lassen sie sich überwinden? ... Traditionellen Medien Stil und Anstand sowie Gleichgewicht konkurrierender Verantwortlichkeiten in einer multikulturellen Welt Wer berichtet über die CR von Medienunternehmen, bei starker Medienkonzentration? Folgen der neuen medialen Revolution Wer kontrolliert die Ethik der neuen Medien? ‘Bürgerjournalismus’ und weniger Ressourcen für klassischen investigativen Journalismus Ausgleich zwischen divergierendem nationalem Recht für nationale Grenzen überschreitende Online-Unternehmen. Verständnis für die Nutzung neuer Medien 7 Zugangskontrolle für gefährdete Gruppen / Digitale Spaltung. David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien II. VORBEMERKUNGEN (Forschung und Entwicklung), Finanzierung, Marketing und Vertrieb – häufig im Rahmen von Partnerschaften mit kommunalen Organisationen, nicht-staatlichen Organisationen oder selbst dem öffentlichen Sektor. Um sicherzustellen, dass die Begrifflichkeiten klar sind, möchte ich zuerst meine Definition von ’Corporate Responsibility’ erläutern. Im Jahr 2001 definierte die Europäische Union CR wie folgt: „Ein Konzept, mit dessen Hilfe Unternehmen auf freiwilliger Basis soziale und Umweltschutzbelange in ihre Geschäftstätigkeiten und ihren kommunikativen Austausch mit Stakeholdern einbeziehen.“3 Verantwortungsbewusst ist ein Unternehmen dann, wenn es in Geschäftszweck und -strategie ein Bekenntnis zu nachhaltigen Werten gegenüber der Gesellschaft als ganzer ebenso wie gegenüber den Shareholdern integriert und es offene und transparente Geschäftspraktiken pflegt, die auf ethischen Werten und Respekt gegenüber Mitarbeitern, Gemeinden und der Umwelt basieren. Ein gutes Beispiel für eine solche Corporate-Social-Opportunity-Mentalität ist der britische Fruchtsmoothie-Produzent innocent drinks, der sein Engagement für Nachhaltigkeit zu einem festen Bestandteil seiner Marke gemacht hat. Seit der Veröffentlichung unseres Buchs Corporate Social Opportunity ist die Zahl der Beispiele beachtlich gestiegen: die grünen Produkte der „Ecomagination“-Reihe von GE, Für mich bedeutet Corporate Responsibility bzw. verantwortungsvolles Verhalten von Unternehmen, dass diese versuchen, ihren negativen Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft zu minimieren und ihren positiven Einfluss zu maximieren. Sie versuchen, die Interessen der Stakeholder so auszugleichen, dass das Unternehmen zum Wohl der Menschen und des Planeten wirtschaftet und dabei gleichwohl profitabel bleibt. die Initiative „Patrimonio Hoy“ des mexikanischen Zementherstellers Cemex, der in Lateinamerika einen innovativen und rentablen Weg im Wohnungsbau für einkommensschwache Familien aufgezeigt hat, Adrian Hodges vom International Business Leaders Forum und ich argumentierten 2004 in unserem Buch „Corporate Social Opportunity“4, dass ein Unternehmen ungeachtet seiner Größe CR nicht einfach als Konzept dem operativen Geschäft überstülpen darf, sondern es in den Zweck und die Strategie des Unternehmens einbinden muss. Unternehmen sollten nicht nur die Vermeidung möglicher Risiken bedenken, die sich durch ihr gesellschaftliches Engagement ergibt, sondern auch, dass ehrliches Eintreten für verantwortungsvolles Unternehmertum eine Quelle der Kreativität und Innovation sein kann. Kurz und knapp: Corporate Social Opportunity durch Corporate Social Responsibility – durch die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung eröffnen sich einem Unternehmen neue Möglichkeiten! BTs Vermarktung seines eigenen internetbasierten Umweltmanagementsystems. Corporate Social Opportunity beschreibt sowohl eine unternehmerische Mentalität als auch spezifische Produkte und Dienstleistungen. Ich definiere Corporate Social Opportunities als kommerziell attraktive Aktivitäten, die zugleich ökologische und/oder soziale Nachhaltigkeit befördern. Drei solcher Aktivitäten lassen sich unterscheiden: neue Produkte und Dienstleistungen; neue oder noch unentwickelte Märkte bedienen; Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in F&E Accenture Development Partnerships, die internationale Nichtregierungsorganisationen im Entwicklungsbereich beraten, Die neuesten Berichte globaler Beratungsunternehmen und Investmentbanken bestätigen, dass es ein Potenzial für rentable Produkte und Dienstleistungen im Nachhaltigkeits- und Corporate-Responsibility-Sektor gibt. So bieten z. B. im SUSTAIN-Bericht von Goldman Sachs (2007) die Investmentanalysten der Bank eine nach Sektoren aufgeschlüsselte Liste der Unternehmen, die sie für gut aufgestellt halten, um ihren Vorsprung im Bereich Nachhaltigkeit gegenüber den Nachzüglern auszuspielen.5 3 vgl. Anm. 1 4 Corporate Social Opportunity: making Corporate Social Responsibility work for your business – Grayson and Hodges (Greenleaf 2004) 5 Weiteres Material zu Corporate Social Opportunity siehe: http:// www.doughtycentre.info 8 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien III. WIE BERICHTEN DIE MEDIEN GEGENWÄRTIG ÜBER CR, UND WIE KÖNNTE DIES IN ZUKUNFT AUSSEHEN? Der Bericht des Beratungsunternehmens SustainAbility – „Good News and Bad – The Media, Corporate Social Responsibility and Sustainable Development“ – stellt 2002 fest: „Jeder, der heute die Berichterstattung über CSR und nachhaltige Entwicklung mit der Berichterstattung vor einem oder zwei Jahrzehnten vergleicht, muss einen enormen Fortschritt feststellen.“ 6 Sieben Jahre später trifft diese Feststellung noch mehr zu. Einfache Statistiken zeigen, dass die Berichterstattung zugenommen hat – auch wenn nicht klar ist, wie viele der Fundstellen in den Medien tatsächlich Nachrichten über CR-Aktivitäten sind oder von Unternehmen finanzierte Zeitungsbeilagen (Vgl. Abb.2). nen würde, obwohl sie das selbst nicht so beschreiben bzw. nicht diesen Begriff verwenden würden. Viele Artikel behandeln Themen wie die Auswirkung unternehmerischen Handelns auf den Klimawandel oder Wassermangel oder die Rolle eines Unternehmens bei der Bekämpfung von Fettleibigkeit oder Altersdiskriminierung. Die jüngste, umfangreiche Berichterstattung über die Finanzkrise und das damit verbundene Verhalten von Unternehmen (man denke z. B. an exzessive Managergehälter und Bonuszahlungen für Misserfolge) ist beispielhaft für Berichte über CR, die diesen Begriff nicht explizit verwenden. Und in der Tat sagen manche Kommentatoren, dass die Diskussion über CR als ’CR’ auf die Management-Seiten begrenzt bleiben sollte, weil CR ein Management-Prozess und eine Frage der Geschäftsmentalität sei. Giles Gibbons vom CR-Berater Good Business sagt: Abbildung 2: Convalence EthicalQuote news volume (12 months moving average) 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 Jan Apr Jul Oct Jan Apr Jul Oct Jan Apr Jul Oct Jan Apr Jul Oct Jan Apr Jul Oct Jan Apr Jul Oct Jan 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Source: Covalence, Switzerland 7. Meine persönliche Erfahrung belegt dies. Ich werde regelmäßig von Journalisten aus der ganzen Welt zum Thema CR interviewt, und normalerweise sind deren Fragen äußerst kompetent und gründlich. Was zählt als CR-Story? Von allen Artikeln in den Medien über Unternehmen in der Gesellschaft, die ich als CR-Stories zählen würde, wird nur ein kleiner Anteil so erfasst, weil dabei die Begriffe ’CR’ bzw. ’CSR’ nicht explizit verwendet werden. Ebenso zeigen viele vor allem mittelständische Unternehmen ein Verhalten, das man als verantwortungsvoll bzw. als CR bezeich- 9 „Abgesehen von der Diskussion um CR als ManagementIdee sollte die Mediendiskussion nicht CR als Ganzes behandeln, sondern sich darum drehen, wie z. B. Nike oder Coca Cola ihre Produktionskette gestalten oder wie sie ihren Anteil an der Umweltzerstörung verringern können.“ 6 Good News and Bad – The Media, Corporate Social Responsibility and Sustainable Development. SustainAbility erstellte diesen Bericht zusammen mit UNEP and Ketchum, 2002. 7 Daten von Covalence: http://www.covalence.ch. David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien Giles nennt das Beispiel einer Titelschlagzeile des Boulevardblatts The Sun, das über Starbucks-Coffeeshops berichtet, die ihre Wasserhähne permanent laufen lassen, um den Abwasch zu beschleunigen: „Das war keine Story in der Kategorie CR, aber sie handelte von CR.“ Giles Gibbons argumentiert – und ich stimme ihm zu –, dass der Begriff CR in den Publikumsmedien nicht auftauchen muss. Doch ist das zentrale Argument der vorliegenden Arbeit, dass die traditionellen Medien – mit einigen namhaften Ausnahmen – dem Thema CR nicht die Bedeutung und Ernsthaftigkeit zukommen lassen, die es meiner Meinung nach verdient. Zu oft wird CR noch immer mit Dienst an der Gesellschaft und wohltätigen Gaben gleichgesetzt. Zu den „namhaften Ausnahmen“ zähle ich die Financial Times, die sich dem Thema CR regelmäßig mit beispielhafter Seriosität und in beispielhaftem Umfang widmet. Soweit ich weiß, hat die International Herald Tribune CR ebenfalls zum Schwerpunktthema gemacht. Auch neue Fachmedien sind entstanden, z. B. Ethical Corporation (http://www.ethicalcorp.com), Corporate Citizenship Briefing (http://www.ccbriefing.co.uk) und Ethical Performance (http://www.ethicalperformance. com). Es gibt mittlerweile auch spezialisierte Mediendienste wie ENDS Daily (http://www.endseurope. com) und CSRWire (http:// www.csrwire.com). Aufforderung zum Handeln Obwohl ich heute eine Professur für Corporate Responsibility innehabe, bin ich kein unvoreingenommener, unparteiischer wissenschaftlicher Beobachter! Seit langem schon trete ich für das Prinzip des verantwortungsbewussten Unternehmens ein und wünsche mir deswegen seriösere, besser informierte, tiefergehende und häufigere Berichte über CR, die Folgendes beinhalten: Was CR für Unternehmen bedeutet; Warum dieses Thema für Unternehmen wichtig ist; Warum es für die Gesellschaft wichtig ist – für Leser, Zuschauer und Zuhörer, die auch Arbeitnehmer, Kunden, Teilhaber an Unternehmen (durch Rentenansprüche und Spareinlagen) oder ganz normale Bürger sind. Mein Interesse gilt also mehr und besserer Berichterstattung über CR. Dabei ist mir klar, dass manche der Forderungen nach „mehr und besserer Berichterstattung“ eigentlich bedeuten: „Warum drucken die Medien denn nicht unsere Presseerklärungen und schreiben nette Geschichten über die Großherzigkeit unseres Unternehmens, anstatt sich auf unsere bedauernswerten moralischen Verfehlungen zu konzentrieren!“ Die Medien dekken in ihrer Berichterstattung eher die Verantwortungslosigkeit von Unternehmen auf als deren verantwortungsvolles Verhalten. Das ist eine wichtige Rolle der Medien in der Gesellschaft – gemäß den traditionellen Fleet-Street-Prinzipien die Gesellschaft vor Verfehlungen zu schützen, Fehlverhalten aufzudecken und publik zu machen und ein wachsames und kritisches Auge auf gesellschaftliche Autoritäten zu halten. Die drohende Bloßstellung durch die Medien ist ein mächtiges Gegenmittel gegen schlechtes Verhalten – wie die politische Klasse Großbritanniens im Sommer 2009 mit Hilfe der Medienberichte über die Spesenpraxis von Parlamentariern feststellte. Es geht also nicht um unkritische Berichterstattung über CR. Für gute Journalisten ist gesunde Skepsis äußerst wichtig – sie darf nur nicht zu Zynismus werden. Ich meine vielmehr seriöse Berichte, die das Dilemma beleuchten, in dem sich Unternehmen befinden. Ich bin der Meinung, dass es Aufgabe der Medien ist, zu erklären und zu informieren. Man muss jedoch festhalten, dass außer öffentlich-rechtlichen Anstalten wie der BBC oder PBS in den USA, ABC in Australien oder ARD und ZDF in Deutschland die meisten Medien Unternehmen sind – und wenn sie nicht dauerhaft liefern, was ihre Kunden nachfragen, werden sie nicht bestehen können. Es heißt, dass die Aufmerksamkeitsspanne der Öffentlichkeit immer kleiner werde, dass wir Nachrichten und Meinungen in einfach verdaulichen Häppchen verpackt haben wollten und dass dies zum allgemeinen Niveauverfall in den Medien geführt habe. Ich will an dieser Stelle nicht erörtern, ob daran das Bildungswesen oder die allgemeine Beschleunigung des modernen Lebens schuld ist oder ob die Medien Mitläufer oder Vorläufer bei diesem „Häppchen-Journalismus“ sind. Das Resultat dieser Entwicklung ist jedoch, dass die Berichterstattung über CR in den Redaktionssitzungen zu kurz kommt, da sie Analyse und Kontextualisierung erfordert und eher Prozesse als handfeste Ereignisse zum Gegenstand hat, kurz: da sie nicht zum „Häppchen-Journalismus“ passen mag. Im schon erwähnten Sustainability-Bericht steht: „Es überrascht nicht, dass CSR und nachhaltige Entwicklung oft zu kurz kommen. Diese Themen passen einfach nicht zu den Vorlieben und Berichterstattungsmustern der etablierten Nachrichten. Üblicherweise handelt es sich eher um Prozesse als um Ereignisse – und von Frank Allen wissen wir, dass 'diese Geschichten nicht plötzlich hervorbrechen, sondern langsam durchsickern!' Solche Geschichten erfordern oft mehr Platz als andere Themen. So erinnert uns John Nielsen, Korrespondent für Umweltthemen bei NPR (National Public Radio) daran, dass 'man die Zuhörer bei Umweltthemen wirklich bilden muss. Wenn man über Kriminalität berichtet, muss man den Zuhörern nicht erst erklären, was ein Raubüberfall ist.' Und häufig sind CR- und Nachhaltigkeitsthemen eher komplex und vielschichtig als klar und einfach. Dazu 10 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien kommt das Fehlen des Sex- und Promifaktors, und man hat eine Nachricht, die gerne übersehen wird.“ 8 wesen. Die Medien sind zu oft ihrer Zeit hinterher, obwohl sie eigentlich die Debatten anführen sollten.“ Der erfahrene frühere Journalist Roger Cowe, der jetzt für die Beratungsfirma Context arbeitet, behauptet, dass es heute mehr Geschichten darüber gibt, wie Unternehmen mit dem Klimawandel umgehen und wie sie zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung sowie den Debatten über Zugang zu Produkten und Dienstleistungen beitragen, und dass „die wirkliche Schwierigkeit darin besteht, dass es sich bei diesen Themen um Material für Reportagen und nicht um eine Nachricht handelt. Dazu kommt, dass es meistens auch noch „positive Nachrichten“ sind, über die die etablierten Medien ohnehin ungern berichten.“ 9 In seinem Buch „Blessed Unrest“11 vergleicht der langjährige Umweltaktivist Paul Hawken den Platz, den die Los Angeles Times einer Zerstörungstour von drei Studenten einräumte, die 125 Geländewagen beschädigten bzw. zerstörten, mit dem Platz, den sie für den wegweisenden Weltökosystem-Bericht der Vereinten Nationen aufbrachte. Hawkens Berechnungen zufolge berichtete die LA Times 100 mal mehr über die randalierenden Studenten als über den Weltökosystem-Bericht. Der leitende Rabbiner Großbritanniens, Sir Jonathan Sachs, stellt fest: „Die Medien sind ein wenig wie eine griechische Tragödie. Sie leben von Dramen und Konflikten; sie sind vom Wesen her auf Gegensätzen aufgebaut, was das Problem manchmal vergrößert anstatt der Lösung dienlich zu sein [...] Manchmal funktionieren sie sehr simpel. Kleine Gruppen mit dem Wunsch nach Publicity können unfassbare Dinge tun, die dann mehr Berichterstattung erhalten als es ihre Stellung eigentlich rechtfertigt [...] Wie geht man damit um? Man kann die Medien nicht einfach auffordern, 'zum Wohl der Menschheit bitte langweilig zu sein und nur über gute Nachrichten zu berichten.'“10 Der Einfluss von Kosten Der Zwang zu Kostenreduzierungen in den Medien hat das Problem der Ressourcenknappheit für gründliche Berichterstattung noch intensiviert. 2006 war ich bei einem Vortrag eines erfahrenen Fernsehnachrichtensprechers. Er berichtete über den subtilen Kostendruck, der auf die Produzenten von Fernsehnachrichten lastet: Übernimmt man den Live-Bericht eines Meetings in New York, der günstig nach London übertragen werden kann – oder übernimmt man einen Bericht aus z. B. Kinshasa, für den die Kosten beträchtlich höher sind und wo die technische Verbindung problematisch sein kann. Was für uns zu einer ’Nachricht’ wird, hängt zum großen Teil davon ab, wie teuer es für das Medienunternehmen ist, uns diese Geschichten zu liefern. Und Aidan White, Generalsekretär der Internationalen Journalisten-Föderation, sagte 2003 beim Weltwirtschaftsforum in Davos: „Journalismus basiert auf Nachforschungen über das, was Menschen sagen und tun. Investigative Nachforschungen leiden jedoch unter zurückgehenden Investitionen und Konzentrationsbewegungen im Nachrichten- 11 Ist das typisch für CR? Im selben Buch beschreibt Hawken auch, wie ihn ein Reporter von Newsweek nach den führenden Persönlichkeiten in der globalen Umweltbewegung fragte. Hawkens begann, eine Liste von Namen aufzuzählen, doch nur, um unterbrochen zu werden: „Stopp! Damit kann ich nichts anfangen. Kein Amerikaner hat je von denen gehört!“, zitiert er den Reporter.12 Inwieweit liegt die relativ geringe Anzahl an Medienberichten spezifisch am Thema CR? Oder ist sie symptomatisch für die Medien, die oft seitenlange Geschichten über Prominente einer seriösen Debatte vorzuziehen scheinen?13 In manchen Ländern hat man den Eindruck, dass die fehlende seriöse Berichterstattung über CR auch das widerspiegelt, was einige die allgemein negative Einstellung gegenüber Wirtschaftsunternehmen bei einem Großteil der Medien nennen. Der ehemalige Vorsitzende der britischen Arbeitgebervereinigung CBI, (jetzt Lord) Digby Jones wandte sich sogar einmal an die Macher der erfolgreichen britischen Seifenoper Coronation Street, um sich darüber zu beschweren, dass sich ein Manager in der Serie als Serienkiller entpuppt hatte. „Jeder hasst Manager,“ war die Antwort. Und für Jones war das genau die Art „irrationaler Voreingenommenheit“, welche die Mitglieder seiner Organisation tagtäglich erleben. 8 SustainAbility. Good News and Bad - The Media, Corporate Social Responsibility and Sustainable Development. 2002. 9 Bemerkung dem Autor gegenüber im Mai 2009 10 The dignity of difference – how to avoid the clash of civilisations – Jonathan Sacks – Continuum 2002 11 Blessed Unrest: How the Largest Movement in the World Came into Being and Why No One Saw It Coming von Paul Hawken: Erstveröffentlichung 2007 bei Viking Penguin, Teil von Penguin (USA) Inc. ISBN: 9780-670-03852-7 (2007) 12 Blessed Unrest – S. 19 13 Natürlich nutzen einige Prominente ihren gesellschaftlichen Status, um äußerst effektiv Einfluss zu nehmen auf politische/CR-Themen; z. B. Sir Ian McKellen (Rechte von Homosexuellen), Bob Geldof (Hunger/Afrika), Bono (AIDS/Armut), Joanna Lumley (Gurkas). David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien Andererseits stellte Roger Alton (The Editor, The Observer) in seiner Eröffnungsrede beim jährlichen PR Week PR Forum in Chepstow am 23. November 2005 fest: „Diese Generation ist marken- und medienbewusst. Und je mächtiger Unternehmen werden, desto mehr Druck liegt auf den Medien, deren Schwächen und Misserfolge ans Tageslicht zu bringen, so wie sie es heute schon mit Politikern machen. Wie stellen die Medien das an, wo sie doch selbst Teil dieser multinationalen Unternehmen sind?“ 14 Vielleicht haben ja Teile der Medien außer ihrer Feindseligkeit den Wirtschaftsunternehmen gegenüber nicht genug Interesse an bzw. zu wenig Wissen über das Geschäftsleben. Ist das nicht zumindest teilweise eine Erklärung für die äußerst eingeschränkte Berichterstattung im Vorfeld der globalen Finanzkrise? Ich weiß, dass sich einige Journalisten als Folge der Weltfinanzkrise jetzt dafür kasteien, dass sie zu wenig über die Welt des Business wissen und schwören, in Zukunft mehr über unternehmerisches Handeln zu lernen. In Großbritannien haben wir eine extensive und exzellente Sportberichterstattung, weil wir Sportjournalisten mit einer echten Liebe zum Sport haben. Haben wir auch viele Wirtschaftsjournalisten, die Wirtschaft wirklich lieben? Natürlich sind die Medien keine homogene Einheit, und Leser bzw. Zuschauer wählen unterschiedliche Medienarten auf der Grundlage ihrer Wünsche und Bedürfnisse aus. Die einzelnen Medienunternehmen müssen ihre Kunden verstehen. Im Nachhaltigkeitsbericht der britischen Zeitung The Guardian aus dem Jahr 2008 findet man eine interessante Leserbefragung, die das Interesse aufzeigt, das die Leser des Guardian daran haben, dass CR in die Reihe der von der Zeitung behandelten Themen aufgenommen wird.15 Unternehmen sind im Allgemeinen zurückhaltend, wenn es darum geht, über ihre Probleme und Fehlschläge zu reden. Sarah Murray, Journalistin bei der Financial Times, die regelmäßig über CR schreibt, rät: „Unternehmen müssen sich darauf einstellen, offener dafür zu sein, wie sie ihre CR-Stories erzählen, nämlich ungeschönt. Die Financial Times, die weder mit Alarmisten noch mit PR-Texten nachsichtig ist, sondern über CR in Begriffen von Unternehmenschancen und –risiken und Managementherausforderungen berichtet, wird stets mehr Interesse für eine Firma zeigen, die ehrlich über ihre Schwierigkeiten und über den Weg, diese zu überwinden, als für ein Unternehmen, das einfach eine GoodNews-Geschichte erzählen will.“ 16 Um die Worte eines früheren Journalisten zu benutzen: „Wenn ein Unternehmen ganz augenscheinlich versucht, sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen, würden wirklich große Journalisten versuchen, die Wahrheit ans Licht zu bringen, anstatt über all die tollen Taten des Unternehmens zu schreiben.“ Auch wenn es nur ein technisches Detail zu sein scheint: Viele Kritiker der Financial Times haben die Bedeutung der Redakteure und den Einfluss der Besitzer auf die Berichterstattung kommentiert. Ein schlecht informierter oder nachlässiger Redakteur kann eine gute Story verbiegen, indem er den Artikel kürzt oder mit einer sensationslüsternen Schlagzeile versieht. Ebenso wenig sollte man unterschätzen, dass wichtige Einzelpersonen in den Medien teilweise über viel Macht verfügen, um die Haltung des jeweiligen Mediums zu einem bestimmten Thema überproportional stark zu beeinflussen. Schon seit meiner Jugend bin ich Abonnent des Economist. Leider waren dessen Berichte über CRThemen jahrelang sehr einseitig negativ – nicht nur in den Leitartikeln, sondern auch auf den gesamten Nachrichtenseiten. Ich habe erfahren, dass diese starke Beeinflussung an der Einstellung lag, die ein bestimmter Journalist zu diesem Thema hatte. Seit er das Magazin 2005 verlassen hat, ist die Berichterstattung ausgeglichener – am 18. Januar 2008 erschien eine gut recherchierte und ausgeglichene Beilage, und am 14. Mai 2009 ein neuerer Bericht im Nachrichtenteil. Sustainability stellt fest: „CSR und nachhaltige Entwicklung sind für die Leser und Zuschauer nicht automatisch abschreckend und langweilig. Man kann informieren und eingreifen, ohne dabei zu predigen oder Informationen mit dem Holzknüppel zu vermitteln. Das Material für gute und wichtige Geschichten – selbst für guten Journalismus – ist vorhanden. Anstatt abzuschalten oder kein Interesse zu zeigen, begrüßt das Publikum Berichte zu CSR und nachhaltiger Entwicklung. Aber die Zuschauer geben sich nicht mit weniger Qualität zufrieden, nur weil das Thema einen Bericht wert ist.“ 17 Sind wir selbst unser schlimmster Feind? Professor Michael Porter von der Harvard Business School18 stellt die Frage, ob es uns die Unternehmen und die Entwickler von CR-Kampagnen nicht auch schwer machen, bei den Medien mehr Verständnis für Berichterstattung zu 14 Quelle: Autor 15 http://image.guardian.co.uk/sysfiles/Guardian/docments/2008/12/03/ report2008.pdf 16 Gespräch mit dem Autor, Juni 2009. 17 UNEP and Ketchum. Good News and Bad – The Media, Corporate Social Responsibility and Sus-tainable Development. 2002. 18 Rede beim Kolloquium der European Academy for Business in Society (www.eabis.org), gehalten an der Copenhagen Business School im September 2003. 12 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien gewinnen, da die Begrifflichkeiten nicht klar genug definiert sind. Sicherlich wäre ein größerer Konsens hinsichtlich der Bedeutung von Begriffen wie „Corporate (Social) Responsibility, Corporate Sustainability, moralisch korrektes Verhalten, Corporate Accountability“ und deren wechselseitiger Beziehungen hilfreich. Vielleicht zeigt diese Begriffsverwirrung aber auch eine grundlegendere Uneinigkeit bezüglich der Rolle auf, die Unternehmen in der modernen Gesellschaft spielen sollten – eine Debatte, die als Folge der Weltwirtschaftskrise wieder neu belebt wurde. In manchen Ländern wie Deutschland werden die definitorischen Probleme umgangen, indem Autoren in Ermangelung angemessener deutscher Begriffe englische Begriffe wie ’C(S)R’ oder Corporate Citizenship benutzen. Andere Medien Die Medien umfassen natürlich auch Bücher, Fernsehen und Kino. Man darf nicht vergessen, dass es in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Filmen gab, die sich dem Thema gesellschaftliche Verantwortung – oder vielmehr gesellschaftliche Verantwortungslosigkeit – von Unternehmen gewidmet haben (siehe Kasten). Das ist insofern bedeutend, als dass Filmemacher einen Weg gefunden haben, Stories über Wirtschaft und Gesellschaft für ein MainstreamPublikum zu erschließen – entgegen der Behauptung, CR sei für das große Publikum nicht interessant; der Umstand, dass die meisten Filme die gesellschaftliche Verantwortungslosigkeit thematisieren, den Punkt von Digby Jones bestätigen, demzufolge Medien die Wirtschaft negativ betrachten; die Liste der Filme zeigt, dass viele Leute ihre Einschätzung der Wirtschaft nicht durch Faktendarstellungen, sondern fiktionale Geschichten erlangen. Jeff Skoll (Mitbegründer von eBay und anschließend der Skoll Foundation: www.skollfoundation.org) hat die Macht des Kinos erkannt, Debatten über gesellschaftliche und Umweltthemen auszulösen und hat geholfen, verschiedene Filme aus der untenstehenden Aufzählung zu finanzieren.19 Ich gebe zu, dass diese Liste nur anglo-amerikanische Filme und beispielsweise keine Filme des indischen Subkontinents (’Bollywood’) enthält. 19 http://www.ft.com/cms/s/2/9bdfb524-56dd-11de-9a1c-00144feabdc0.html In Silkwood (1983) mit Meryl Streep geht es um ein Leck Spurlock folgt einer Zeitspanne von 30 Tagen, in denen in einem Atomkraftwerk und den Versuch, die Verantwor- sich Spurlock ausschließlich von McDonald’s Fast Food tungslosigkeit der Betreiber zu enthüllen, die den Vorfall ernährt und keinen Sport mehr treibt. Der Film dokumen- vertuschen wollen. tiert die drastischen Auswirkungen dieses Lebensstils auf Spurlocks körperliches und geistiges Wohlbefinden und Zivilprozess ist ein Film von 1998, in dem John Travolta als beleuchtet den Einfluss, den die Fast-Food-Industrie auf Anwalt für die Familien verstorbener Kinder gegen einen unser Leben ausübt, indem sie schlechte Ernährung fördert. großen Nahrungsmittelkonzern antritt. Dem Konzern wird vorgeworfen, für eine Vergiftung der Kinder und die damit The Day After Tomorrow von 2004 befasst sich mit den verbundene Krebserkrankung mit Todesfolge verantwort- Auswirkungen der Erderwärmung. lich zu sein. Der ewige Gärtner ist ein Film aus dem Jahr 2005, der Erin Brockovich aus dem Jahr 2000 erzählt die wahre auf dem gleichnamigen Roman von John le Carré Geschichte des Kampfes gegen die Machenschaften basiert. Darin geht es um große Pharma-Unternehmen, des amerikanischen Energieriesen PG & E. die ohne Skrupel neue Medikamente an ahnungslosen Patienten in Afrika testen. The Corporation ist ein kanadischer Dokumentarfilm von Joel Bakan von 2003, der moderne Unternehmen kritisch In Syriana aus dem Jahr 2005 mit George Clooney und betrachtet. Er kategorisiert sie als Personentyp und bewer- Matt Damon geht es um Ölunternehmen, die sich in die tet ihr Verhalten der Gesellschaft und der Welt gegenüber inneren Angelegenheiten des fiktiven Staats Syriana ein- so, wie ein Psychologe dies mit einem Menschen tun mischen, um einen Herrscher, der ihre Interessen nicht würde. teilt, durch einen gefügigeren zu ersetzen. Der Dokumentarfilm Super Size Me aus dem Jahr 2004 von und mit dem unabhängigen Filmemacher Morgan 13 >> David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien Good Night, And Good Luck (2005) unter der Regie von ten in Kriegsgebieten zur Finanzierung derselben Kriege. George Clooney erzählt die Geschichte eines Fernsehsenders und seiner Bemühungen, die Hexenjagd von Thank You for Smoking ist eine Filmsatire von 2006, in der Senator McCarthy in den USA der 50er-Jahre aufzudecken die Macht des Konzernlobbyismus im Allgemeinen und und beleuchtet den kommerziellen Druck und die mora- der Tabakindustrie im besonderen aufs Korn genommen lischen Dilemmata, denen sich das TV-Unternehmen wird. dabei ausgesetzt sah. Eine unbequeme Wahrheit ist der mit einem Oscar präKaltes Land (2005) basiert auf einer wahren Geschichte mierten Dokumentarfilm des früheren amerikanischen des Kampfes um die Anerkennung der Rechte weiblicher Vizepräsidenten Al Gore aus dem Jahr 2006 über Klima- Angestellter im Bergbausektor. wandel und Erderwärmung. Blood Diamond ist ein Film mit Leonardo DiCaprio aus In The Age of Stupid (2008) unter der Regie von Franny dem Jahr 2006 und thematisiert den Abbau von Diaman- Armstrong geht es ebenfalls um den Klimawandel. 14 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien IV. DIE CORPORATE RESPONSIBILITY DER MEDIEN SELBST Medienunternehmen sind selbst Unternehmen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf ihre Rentabilität, sondern im weitesten Sinne auch auf ihre unternehmerische Verantwortung. Wie jedes andere Unternehmen müssen sie erkennen, wo ihre größten Einflussmöglichkeiten auf die Umwelt, die Gesellschaft und die Führung ihres Unternehmens liegen. Den größten Einfluss üben die Medien durch die Art und Weise aus, wie sie Quellen belegen und Material präsentieren: a) Redaktionelle Grundsätze und Meinungsfreiheit Wie überprüfen Journalisten verantwortungsbewusst Fakten – besonders im stark umkämpften 24-StundenNachrichten-Rhythmus auf multiplen Medienkanälen, in dem der Druck, eine neue Story als erster zu bringen, enorm hoch sein kann? Wie prüfen Redakteure, ob eine Geschichte wahr ist? Die New York Times wurde 2003 weithin kritisiert und ausgelacht, als herauskam, dass ihr Reporter Jayson Blair Teile seiner Berichte plagiiert oder komplett erfunden hatte. Als Konsequenz aus der Affäre traten der damalige Chefredakteur Howard Raines und der leitende Redakteur Gerald M. Boyd zurück. Selbst der erfahrene Fernsehjournalist Dan Rather wurde ertappt, wie er 2004 über Unterstellungen bezüglich des Nationalgardendienstes von Präsident Bush berichtete. Als Konsequenz verlängerte CBS seinen Vertrag nicht. Wie können Redakteure Transparenz bezüglich der redaktionellen Grundsätze sicherstellen? Wie ist es zu bewerten, wenn die Redaktionsmeinung von den Kommentarseiten einer Zeitung auf die Nachrichtenseiten hinüber schwappt und Meinungen als Fakten präsentiert werden? Wie viel Freiheit dürfen Redakteure und Herausgeber haben, die Tendenz und Ausrichtung der Berichterstattung aufgrund ihrer persönlichen Meinung zu beeinflussen? Viele Zeitungen sind bekannt für ihre Präferenzen für oder gegen bestimmte politische Parteien, und die Besitzer einiger großer Medienunternehmen haben klare politische Haltungen, die die redaktionelle Arbeit beeinflussen. b) Privatsphäre und öffentliche Anstandsregeln Wie finden die Medien einen Ausgleich zwischen dem Recht der Öffentlichkeit auf Information und dem Recht des Einzelnen auf Privatsphäre? In Frankreich gibt es z. B. weitreichende Gesetze zum Schutz der Privatsphäre. In Großbritannien gab es jüngst eine ganze 15 Reihe von Ereignissen, die in den Medien große Beachtung fanden, da aus vermeintlich öffentlichem Interesse die Privatrechte von Prominenten verletzt wurden. Wo ist hier die Grenze? Das tragische Beispiel des Todes von Prinzessin Diana zeigte, dass Paparazzi-Fotografen ’außer Kontrolle’ geraten waren. Es sieht so aus, dass die Medien nur dann über ihr Verhalten bei der Nachrichtenproduktion und –verbreitung nachdenken, wenn sie selbst zur negativen Nachricht werden. Eine Reaktion auf die Ereignisse um Diana bestand darin, dass man sich darauf einigte, die Kinder von Prominenten und öffentlichen Personen aus der Berichterstattung herauszuhalten. Dennoch wird die Privatsphäre nach wie vor auch für völlig unwichtige Nachrichten verletzt: Beispielhaft sei hier der Fall des Präsidenten des Formel 1-Verbandes, Max Mosley, erwähnt, über dessen Privatleben eine Geschichte verbreitet wurde, die eher kommerziellen als Nachrichtenwert hatte. Inwieweit stehen die Medien in der Verantwortung, gewisse Informationen oder Bilder aus Gründen des Anstands und des öffentlichen Geschmacks nicht zu veröffentlichen? Bei allen filmischen Wiedergaben der terroristischen Gräueltaten vom 11. September 2001 haben sich die Medien dagegen entschieden, die entsetzlichen Bilder der Menschen in den Zwillingstürmen zu zeigen, die eher in den Tod sprangen, als im Gebäude darauf zu warten, bei lebendigem Leibe zu verbrennen. Andererseits haben die Medien weltweit die mit einem Mobiltelefon aufgenommenen Bilder der Hinrichtung Saddam Husseins immer wieder gezeigt. Wie sollten die Medien mit schutzlosen Menschen umgehen, die nicht in der Lage sind zu entscheiden, ob intime Informationen über sie verbreitet werden dürfen? In Großbritannien gab es den Fall eines 12-Jährigen, der seine 14-jährige Freundin schwängerte und als Großbritanniens jüngster Vater präsentiert wurde. Seine Eltern und die seiner Freundin waren damit einverstanden, die Geschichte an die Medien zu verkaufen. Prompt entstand eine Debatte über Kinder, die Kinder bekommen und ob Großbritannien eine zerfallende Gesellschaft sei. Der Fall wurde zur Metapher für soziale Exklusion. (In Wirklichkeit ergab eine DNA-Analyse, dass der 12-Jährige gar nicht der Vater war – stattdessen wurde ein 14-jähriger Junge ausgemacht.) War es seitens der Medien richtig, diese Story zu kaufen und die Bilder der Kinder auf den Titelseiten zu veröffentlichen? Wie sollten Medien die Balance zwischen der Verpflichtung zur Berichterstattung über Fehlverhalten und David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien moralischer Scheinheiligkeit wahren? Einige Medienorganisationen in Europa fordern ein Gesetz, das sich an „Megan’s Law“ anlehnt – einem Gesetz in Kalifornien, das der Öffentlichkeit per Internet Zugang zu detaillierten Informationen über registrierte Sittlichkeitsverbrecher gewährt.20 Den Wohnsitz von Pädophilen zu veröffentlichen mag als Dienst an der Öffentlichkeit betrachtet werden, kann aber auch zur Selbstjustiz führen. hier von Verantwortung ’hinter der Kamera und vor der Kamera’, die TV-Sender übernehmen müssen. Welche Verantwortung haben Medienunternehmen im Konflikt zwischen Werbung für Konsumzwecke und der Verpflichtung zu nachhaltiger Entwicklung? d) Bildungs- und Informationsauftrag Wie können Medien Zusammenhänge und Sachverhalte für ein großes Publikum erklären und darstellen, ohne sie andererseits überzuvereinfachen? An welcher Stelle wird aus einem deutlichen Kommentar Demagogie? In den USA üben die so genannten ’Shock-Jocks’ im Radio eine enorme Macht aus. Einer von ihnen, der Konservative Rush Limbaugh, wurde vom Weißen Haus kürzlich als der wahre Führer der amerikanischen Opposition bezeichnet. Michael R. Evans, Professor an der Indiana University School of Journalism, nennt als Maßstab für den Umgang mit schwierigen Entscheidungen die Goldene Regel (im Kantischen Sinne): Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu. Dennoch räumt er ein, dass bei der Frage, über welche Details einer Story man berichten soll, Spannungen entstehen. Worin liegt die moralische Verpflichtung, wenn man weiß, dass eine Story den Opfern und Betroffenen mehr Schaden zufügt, als sie hilft, die Schuldigen öffentlich anzuklagen? Und wie geht man mit dem Widerspruch zwischen der nüchternen Darstellung von Fakten und der Tatsache um, dass sich eine Zeitung auch verkaufen muss? Wenn es tatsächlich einen Bildungs- und Informationsauftrag der Medien gibt, welche Verantwortung haben sie dann gegenüber medialen Analphabeten (Leute, die nicht zwischen Fakten, Meinung, Unterhaltung und Werbung unterscheiden können) und ihrer sozialen Ausgrenzung? c) Werbung Welche Verantwortung haben Medien bei der Einschätzung der voraussichtlichen Folgen ihrer Berichterstattung? Der folgende Kasten mag als Beispiel dienen. Welche Verantwortung erwächst für Medien aus dem Umstand, dass sie auf kommerzielle Werbung angewiesen sind? Die CR- Beratungsagentur Context spricht Ein strittiges Thema in den vergangenen Jahren war die Frage, ob sich Medienunternehmen, die dänische Karikaturen wiedergaben, die so viele Muslime erzürnten, verantwortungsvoll verhalten haben. Es ist immer eine Gratwanderung, wenn Medienbesitzer ihren Redakteuren vorschreiben, was sie veröffentlichen dürfen und was nicht. Aber es ist die Verantwortung des Besitzers, sicherzustellen, dass fähige Redakteure beschäftigt werden, dass stabile Mechanismen für die Überprüfung von Inhalten existieren und dass sein Medium eine verantwortungsvolle redaktionelle Linie verfolgt. Die Kontroverse um die Karikaturen hat gezeigt, dass Medienbesitzer auf der ganzen Welt gemeinsam mit ihren Redakteuren regelmäßig die Richtlinien für das überprüfen müssen, was sie publizieren bzw. was sie nicht publizieren. Die Meinungs- und Pressefreiheit ist ein mühsam erkämpftes Gut und ein wichtiger Wert in vielen Ländern dieser Welt. Aber sie war nie absolut. Sie unterliegt den Anti-Verleumdungsgesetzen und vielerorts auch den Gesetzen gegen Diskriminierung und Volksverhetzung. In der Praxis müssen Redakteure tagtäglich einen Ausgleich finden zwischen Redefreiheit und gutem Geschmack, den Befindlichkeiten der Leser und dem gesunden Menschenverstand, etc. Man bedenke nur, wie sich die Darstellung der Afroamerikaner in den amerikanischen Medien seit den 1960erJahren geändert hat. Unsere Vorstellung des Akzeptablen und des Nicht-Akzeptablen ändert sich je nach den vorherrschenden gesellschaftlichen Konventionen und Sichtweisen. Meiner Meinung nach wurde die New York Post Anfang des Jahres völlig zurecht aufs heftigste kritisiert, als sie Präsident Obama als toten Schim>> 20 http://www.meganslaw.ca.gov 16 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien pansen karikierte (ein Schimpanse war von der Polizei erschossen worden, und die Zeitung verband diese Geschichte mit dem erfolgreichen Versuch des Präsidenten, ein Konjunkturpaket einzubringen).21 Ich glaube fest an den alten Grundsatz: „Ich halte nichts von dem, was Du sagst; aber Dein Recht, es zu sagen, werde ich mit meinem Leben verteidigen!“ Dennoch hätte ich persönlich Zurückhaltung gezeigt und mich nicht dazu entschlossen, die ursprünglichen Mohammed-Karikaturen zu veröffentlichen. Denn ich erinnere mich auch noch an das alte Sprichwort „Sie sprechen von Freiheit, meinen aber Lizenzen!“ Die erste dänische Zeitung, die die Karikaturen veröffentlichte, machte in ihrer späteren Entschuldigung klar, dass sie niemanden hatte beleidigen wollen. Wahrscheinlich war ihr zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht klar, dass diese Bilder irgendjemanden beleidigen könnten. Die Medien, die die Karikaturen nach Beginn der Kontroverse wiedergaben (soweit ich weiß, nicht die etablierten britischen Medien), hätten es hingegen wissen müssen. Das Handeln eines ehemaligen italienischen Ministers, der die Karikaturen bei einem Auftritt auf seinem T-Shirt trug, war ganz klar unverantwortlich. Die Welt ist heute auf eine noch nie da gewesene Art und Weise miteinander verbunden – mit Zugang zum Fernsehen, dem Internet, Mobiltelefonen, etc. Das bedeutet, dass dramatische Bilder in Echtzeit um den Erdball gesendet werden können. So wie in der Ver- SustainAbility, das schon erwähnte führende Beratungsunternehmen im Bereich Corporate Responsibility und Nachhaltige Entwicklung, hat 2005 in einer Partnerschaft mit der Umweltorganisation WWF einen Bericht zur Medienindustrie erarbeitet. In seiner Studie zu Corporate Responsibility im globalen Medien- und Unterhaltungssektor rangiert die Guardian Newspapers Ltd (GN) an erster Stelle vor der BBC, Pearson und Reuters in Großbritannien sowie den internationalen Medien- und Unterhaltungskonzernen wie z. B. News International, Time Warner und Vivendi Universal. Viele Medienunternehmen versuchen, den Status der CO2-Neutralität zu erreichen und gehen andere Umweltfragen an: wie CDs, DVDs und Zeitungspapier hergestellt und entsorgt werden. Unternehmen wie BskyB in Großbritannien spielen z. B. im Bereich Klimawandel eine führende Rolle: BskyB verpflichtete sich zu CO2-Neutralität und überzeugte sein Mutterunternehmen NewsCorp, es ihm gleichzutun. Dennoch befasste sich der letzte Nachhaltigkeitsbericht von Sky (2007) nicht mit der Wirkung der redaktionellen Inhalte, wie sie oben diskutiert wird.22 17 gangenheit eine erfolgreiche Gesellschaft auf Ebene des Nationalstaats lernen musste, „zu leben und leben zu lassen“ und die Überzeugungen des jeweils anderen zu respektieren, so trifft dies jetzt, wo wir in einem globalen Dorf leben, auf die Weltgemeinschaft zu. Aber es trifft auf beide Seiten gleichermaßen zu. Die gewalttätigen Proteste und Todesdrohungen gegen die Karikaturisten sind falsch. Wir brauchen viel mehr Respekt und wechselseitige Toleranz zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens und denen, die keinem Glauben anhängen. Das kann nur auf der Grundlage eines Dialogs passieren. Laut Winston Churchill ist „quasseln immer noch besser als Krieg führen!“ Zurzeit ist es für den Westen ebenso einfach, den Islam als gewalttätigen Glauben zu karikieren wie für die muslimische Welt, den Westen als aggressiv anzusehen. Außerdem habe ich erfahren, dass die dänischen Muslime offensichtlich mehrere Monate lang versucht hatten, mit den dänischen Medien und Politikern in einen Dialog über die Karikaturen zu treten und abgewiesen wurden. Also suchten sie internationale Hilfe – mit dem Resultat, das wir alle gesehen haben. Es stünde den Unternehmen gut an, davon zu lernen: eine lokale Community oder eine Nichtregierungsorganisation, die legitime Bedenken gegen das Verhalten eines Unternehmens haben, können irgendwann – wenn man sie ignoriert – auch die „schweren Geschütze“ der globalen NROs und Medien auffahren. An meiner Universität Cranfield überlegt man, wie man den „Carbon Brainprint“ messen kann, d. h. wie man anderen Organisationen helfen und sie darin unterstützen kann, ihre CO2-Bilanz zu verbessern, indem ihre Fähigkeiten entwickelt und Forschungsund Beratungsprojekte durchgeführt werden. Können Medienunternehmen eine ähnliche Folgenabschätzung für ihren „Carbon Brainprint“ durchführen? 21 Die New York Post veröffentlichte am 18. Februar eine provokative und äußerst aufwieglerische politische Karikatur. Dabei brachte sie zwei Tagesgeschehnisse miteinander in Verbindung: einmal die Geschichte von Charla Nash, einer Frau aus Connecticut, die von ihrem „zahmen“ Schimpansen angegriffen wurde. Dieser hätte ihr fast das Gesicht zerfetzt und musste von der Polizei erschossen werden, als er sich auf die Polizisten stürzte. Das zweite Ereignis war, dass Präsident Barack Obama ein Gesetz zu einem äußerst umstrittenen, aber dringend benötigten Konjunkturpaket unterzeichnete – noch während seines ersten Monats im Amt, was aufgrund der großen Kluft zwischen den beiden großen Parteien im Kongress ein fast unmögliches Kunststück war. Der Besitzer der New York Post, Rupert Murdoch, hat sich später für die Karikatur entschuldigt. 22 Das Berichtswesen soll jetzt in die Darstellung der Finanzsituation eingegliedert werden. David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien In Großbritannien hat eine Gruppe von Medienunternehmen ein Medienforum eingerichtet, um über medienspezifische CR zu diskutieren und gute Praxisbeispiele bekannt zu machen (http://www.mediacsforum.org). Die CR-Beratungsfirma Acona, die das Forum koordiniert, unterscheidet zwischen oder in Brasilien, wo sechs Unternehmen 80% der Fernsehproduktionen kontrollieren und sieben von zehn Tageszeitungen demselben Unternehmen gehören. Ein ehemaliger Journalist sagte mir einmal: „Für Medienunternehmen werden Defizite bei ihrem Verhalten schnell peinlich, da sie als Heuchler dastehen. Aber in den etablierten Medien werden die Defizite dieser Unternehmen dennoch selten aufgezeigt, da die Arbeitsplätze vieler Journalisten von ihnen abhängen.“ CR-Themen, die für alle Unternehmen relevant sind, allgemeinen CR-Themen, die im Mediensektor besondere Bedeutung haben (z. B. der Umgang mit freien Mitarbeitern) und CR-Themen, die spezifisch für den Mediensektor relevant sind (siehe Abb. 3).23 Wenn in vielen Ländern die CR der Medienunternehmen wenig fortgeschritten ist, dann ist es auch schwieriger, Abbildung 3: Drei Bereiche von CR-Themen Plurality Supply chain integrity Valuing creativity Promotion of causes Community investment Entertainment and gaming Treatment of freelancers Staff investment Transparent ownership Digital divide Climate change Awareness of the impacts of communication Promotion of sustainable development Corporate governance Customer relationship CSR issues common to all sectors Media literacy Compliance Education Staff diversity Diversity of output IP and copyright Health, safety and security Community investment Creative independance Data protection Transparent and responsible editorial policies Freedom of expression Human rights Information integrity Citizenship Common CSR issues with distinct implications fpr media Impartial and balanced output Unique CSR issues for media Fettdruck: Neue Probleme, die 2008 identifiziert wurden Haben die Medien beispielsweise eine Verantwortung, „eine ökologisch und sozial nachhaltigere Gesellschaft zu unterstützen“? 24 anspruchsvoll über die gesellschaftliche Verantwortung anderer Unternehmen zu berichten. Fazit Wer berichtet über das Verhalten und die Verantwortung der Medien selbst? Oder über das Verhalten der Besitzer von Medienunternehmen? Das ist im Fall einer starken Medienkonzentration besonders wichtig: Ich hoffe, dass wir in Zukunft ein größeres Interesse an der unternehmerischen Verantwortung der Medien sehen z. B. in Italien, wo Silvio Berlusconi in seiner doppelten Rolle als Premierminister und Geschäftsmann mittelbar und unmittelbar einen Großteil des italienischen Fernsehens kontrolliert; 24 Mapping the landscape: CSR issues for the media sector 2008. “Brain print” the residual influence of output on audiences: CSR Media Forum 2008. 23 Mapping the Landscape: CSR Issues for the Media Industry 2008. – http://www.mediacsrforum.org www.mediacsrforum.org/_media/documents/Media_CSR_Map_2008.pdf. p4. 18 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien werden. In Großbritannien war die BBC bei der Umsetzung vieler CR-Themen führend – z. B. organisiert sie Sustainability Talks für die Redaktionsmitarbeiter, tritt für Vielfalt unter den eigenen Mitarbeitern ein und denkt kreativ über die Möglichkeiten nach, die das Unternehmen hat, um Zuschauer zu bilden und zum Handeln zu aktivieren. So hat die BBC z. B. sehr gute Programminhalte zum Thema Klimawandel produziert. Nachrichtenagenturen produzie- 19 ren eine zunehmende Menge an Nachrichten für die Medien, und diese Rolle nimmt im gleichen Maße zu, wie in den Medien selber in der Rezession Einsparungen erforderlich werden. Die Nachrichtenagentur Reuters verwendet Unternehmensprinzipien, um richtiges Verhalten im Unternehmen zu definieren. Diese Unternehmensprinzipien sind etwa Schutz der Integrität, Seriosität von Nachrichten, Entwicklung des Nachrichtengeschäfts u. a. David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien V. WELCHE AUSWIRKUNG HABEN DIE NEUEN MEDIEN? Bis jetzt habe ich über die konventionellen Medien gesprochen – hauptsächlich Zeitungen, Magazine, das Fernsehen und den Rundfunk. Mit dem Internet und den damit verbundenen Entwicklungen wie Blogs und leistungsstarken Suchmaschinen wie Google erleben wir jedoch eine Revolution. Die Zahl der Internetnutzer ist von 60 Millionen im Jahr 1996 auf 600 Millionen im Jahr 2002, eine Milliarde im Jahr 2005 und unglaubliche 1,6 Milliarden im März 2009 angestiegen. Allein in China gibt es schon über 300 Millionen Internetnutzer (Ende 2008).25 In seiner Arnold-Schwarzenegger-Biographie „Fantastic“ zeigt der amerikanische Schriftsteller Laurence Leamer auf, wie sowohl Präsident Bush als auch Gouverneur Schwarzenegger die sinkende Bedeutung der traditionellen Medien erkannt und statt der traditionellen Organe immer häufiger neue Medien verwendet haben. Die amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2008 haben die wachsende Bedeutung des Internets gegenüber den traditionellen Medien deutlich gemacht. Barack Obama konnte in seinem Wahlkampf Millionen von Unterstützern über das Internet gewinnen – nicht nur als Geldgeber, sondern auch als Wahlkämpfer. Schon 2005 warf Rupert Murdoch der amerikanischen Organisation der Zeitungsjournalisten (ASNE) vor, angesichts der Auswirkungen der steigenden Internutzung auf die Zeitungen eine „bemerkenswert unerklärliche Selbstgefälligkeit“ zu zeigen.26 Junge Menschen – stellte er fest – nutzen Nachrichten auf eine völlig andere Art: „Sie wollen sich nicht auf ein gottähnliches Wesen von oben verlassen, das ihnen sagt, was wichtig ist.“ Das Pew Internet & American Life Project, das die Auswirkungen der Technik auf die amerikanische Gesellschaft untersucht, ist eine Initiative des Pew Charitable Trust, einer gemeinnützigen Organisation aus Philadelphia. Seinem Bericht zufolge haben 2008 64% der online aktiven Teenager eigene Inhalte veröffentlicht.27 Neue Medien wie ’Blogs’, RSS-Feeds, ’Google Books’, ’Podcasts’, ’Vidcasts’, Online-Video (’YouTube’, ’blimptv’ etc.), soziale Netzwerke, Suchmaschinen, Affiliate-Programme, Word-of-Mouth-Marketing, Viralmarketing, ’Second Life’, Online-Spiele, virtuelle Verkaufsshows, Online-Communities, ’E-Books’ usw. werden weltweit immer wichtiger. Mobiltelefone haben neue Funktionen bekommen, mit ihrer Hilfe hat man Zugang zum Internet und kann Musik oder Filme kaufen. Man bedenke auch: Amerikanische Teenager sehen 60% weniger fern als ihre Eltern und verbringen 600% mehr Zeit online. In den USA liegt das Durchschnittsalter der Zuschauer von Fernsehnachrichten bei 63. Die Mitgliedszahlen bei Twitter stiegen im Jahr 2008 um 1.400%. Die Mitglieder von Facebook wären zahlenmäßig das fünftgrößte Land der Erde.28 Über 30% der Internetnutzer in China nutzten für den Netzzugang ihr Mobiltelefon – das sind 84,5 Millionen Nutzer (2008).29 Laut einer Studie des Center for the Digital Future geben 22% der Internetnutzer in den USA an, ihr Abonnement einer gedruckten Zeitung bzw. Zeitschrift gekündigt zu haben. Warum? Da derselbe Inhalt auch online zugänglich ist.30 Ein Ort des Gesprächs Rupert Murdoch verlangt, dass die traditionellen Medien, zu denen auch seine eigenen gehören, das Internet schnell begreifen, ihrem Publikum nicht länger Vorträge halten, sondern „zu einem Ort des Gesprächs“ bzw. zu Orten werden sollten, „an denen sich Blogger und Podcaster einfinden, um unsere Reporter und Redakteure in ausgedehnte Diskussionen zu verwickeln“. Dies kulminiert laut John Seely Brown, dem ehemaligen Direktor von Xerox Park, darin, dass „sich in einer Welt, in der jeder zum Journalisten oder Kommentator im Web wird, ein Zwei-Wege-Journalismus entwickelt. Der Journalist wird zum Forumsleiter bzw. Vermittler, anstatt einfach nur Lehrer bzw. Vortragender zu sein.“ 31 In „Die Suche – Geschäftsleben und Kultur im Banne von Google & Co“ beschreibt John Battelle, mitbegründender Herausgeber des Magazins Wired sowie Mitbegründer von The Industry Standard, wie er feststellte, dass er keine traditionellen Medien wie den Economist oder das Wall 25 Soulstates (2009) www.soul-states.com 26 Washington DC, 13. April 2005 27 Quoted in Washington DC, April 13th 2005. Siehe http://news.bbc. co.uk/1/hi/business/4697671.stm. 28 http://www.newspaperdeathwatch.com/ New Communications Forum San Francisco 2009 - World without media – what will fill the void – [email protected] und www.gillin.com – Autor von „The New Influencers“ 29 http://english.people.com.cn/90001/90776/90882/6516299.html 30 http://annenberg.usc.edu/AboutUs/News/090429CDF.aspx 31 The Media Centre, American Press Institute. We media: How audiences are shaping the future of news and information. http://www.hypergene. net/wemedia/download/we_media.pdf 20 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien Street Journal mehr liest – obwohl diese Presseorgane in der Vergangenheit die Standards guten Schreibens definiert haben. Seine Erklärung ist sowohl faszinierend als auch wichtig: „In der gedruckten Welt las jeder Mensch seine eigene Zeitung, und dann unterhielt man sich auf der Arbeit oder im Café mit anderen Menschen darüber. Im Web jedoch werden Nachrichten an sich schon zum Gespräch – dank Blogs, E-Mails und der Cut-and-pasteKultur. Kurz gesagt: Selbst wenn ich das Wall Street Journal oder The Economist lesen würde, könnte ich nicht so lokker darüber diskutieren wie über einen Artikel aus Yahoo oder „Google News“, weil meine Freunde und Kollegen nicht das Gleiche lesen können wie ich [wegen der Abonnementbedingungen]. Ich habe zunehmend das Gefühl, dass Dinge meine Zeit nicht wert sind, wenn ich sie nicht mit anderen teilen kann. [Hervorhebung von mir] [...] In der heutigen Nachrichtenwelt besteht die größte Sünde darin, sich vom Gespräch auszuschließen. The Economist und das Wall Street Journal tun aber genau das.“ 32 Medien erschaffen immer mehr Produkte und Formate, die ihren Ursprung in den neuen Medien haben. Etliche kleinere Medienunternehmen schlagen Kapital aus der Nutzung traditioneller Medien (Film), um ihre Nachhaltigkeitsbotschaften über Internet, Netzwerkseiten und ’viral messaging’ zu streuen. www.onemoreproduction.com und www.freerangestudios.com produzieren kurze Filme, um das Publikum für Themen wie nachhaltige Landwirtschaft, Recycling, Regenwasseraufbereitung und Nutzung von Rohstoffen zu sensibilisieren. Bürgerjournalismus Wir sehen eine Zunahme des „Bürgerjournalismus“. Jeder, der eine Kamera oder ein digitales Telefon besitzt, kann rund um die Uhr zum Medienfotograf werden. Jeder kennt die dramatischen Bilder des Flugzeugs, das vor einigen Monaten auf dem Hudson notlandete, ebenso die Fotos, die von Fällen angeblicher Polizeibrutalität während der Proteste zum G20-Gipfel in London auftauchten. Offensichtlich war das Erdbeben von L’Aquila in Italien bereits auf Twitter, bevor es zur Nachricht in den MainstreamMedien wurde! Es ist beachtenswert, dass Murdoch, Seely Brown und Battelle erkennen, dass jüngere, vernetzte Menschen anders mit Nachrichten und Medien interagieren – interaktiv in Form eines „Dialogs“. Der Economist schrieb in einem Artikel mit dem Titel „Yesterday's papers - the future of journalism“: „Dem digitalen Bürger von heute ist es ein Gräuel, nur Vorträge gehalten zu bekommen. Vielmehr erwartet er im Rahmen eines online geführten Dialogs informiert zu werden. Einerseits ist es weniger wahrscheinlich, dass er einen traditionellen Leserbrief schreibt, andererseits postet er seine Antwort eher im Web und führt die Diskussion dort fort. Eine Leserbriefseite, die ausschließlich vom Redakteur ausgewählte Leserbriefe abdruckt, ist für ihn sinnlos; die besten Antworten mit Hilfe der spontanen Abstimmungssysteme des Internets zu finden, ist es nicht.“ 33 Die gegenwärtige Wirtschaftskrise beschleunigt einen ohnehin schon starken Abwärtstrend in der Entwicklung gedruckter Zeitungen, in dessen Folge in den USA und in Großbritannien viele etablierte lokale und regionale Zeitungen entweder schließen, übernommen werden, von Tages- zu Wochenzeitungen werden oder nur noch als Internetausgabe erhältlich sind. In der Zeit von Oktober 2008 bis März 2009 ist die Auflagenzahl amerikanischer Zeitungen um 7,1% zurückgegangen – der stärkste Rückgang bis jetzt.34 Die Grenzen zwischen traditionellen und neuen Medien verwischen zusehends. Zeitungen und Rundfunksender haben Websites, und Journalisten bloggen – traditionelle 21 Die ersten Bilder der dramatischen Notlandung eines Flugzeugs auf dem Hudson River in New York wurden von Amateurfotografen geliefert, die das Ereignis mit Mobiltelefonen festgehalten hatten. Photo: Janis Krums via Twitpic. Universal McCann Erickson fragt sich, wie die Möglichkeiten zur Einflussnahme mit anderen geteilt werden – vom prämedialen Zeitalter über die Massenmedien hin zum sozialen Medienzeitalter. Werden neue Schnittstellenorganisationen entstehen? 32 John Battelle. The Search: How Google and its rivals rewrote the rules of business and transformed our culture. Portfolio Hardcover 2005. See pages 173-4. 33 The Economist, 21. April 2005 34 http://finance.yahoo.com/news/US-newspaper-circulation-sees-apf15039695.html?.v=6 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien Der Commonwealth Club of California hat jüngst eine Initiative gestartet, bei der alle dort gehaltenen Vorträge live ins Internet übertragen und dann archiviert werden. Das Carnegie Centre for Ethics in New York verfährt ebenso. Beide Initiativen bieten sich als Informationsquellen für informierte und aktive Bürger an. Diese beiden hochrespektierten Institutionen nutzen also gewissermaßen ihre „Marke“, um vertrauenswürdige Wissensquellen zu werden – „Wissensmakler“ sozusagen. Giles Gibbons vom CR-Beratungsunternehmen Good Business ist der Auffassung, dass die Revolution der neuen Medien Organisationen und Unternehmen dazu antreibt, transparenter zu werden und weniger Kontrolle auszuüben, weil es einfach keine Alternative gibt: „Man kann heute die Debatte über die eigene Marke nicht mehr kontrollieren.“ 35 Was bedeutet das für Unternehmen? Unternehmen und ihre PR-Berater müssen lernen, dass Verlässlichkeit und Transparenz deswegen wichtig sind, weil Nachrichten das Publikum heute so leicht erreichen – der Aufstieg der neuen Medien macht’s möglich. Manipulationsversuche in den Medien (traditionell oder neu) können dank der neuen Medien leichter aufgedeckt werden. Sind Unternehmen und CR-Berater dazu überhaupt bereit? Wer verfügt über eine interaktive Website, die Diskussionen und Dialoge ermöglicht? Der ausgezeichnete Artikel „Campaigns 2.0“ von Oliver Balch im Magazin Ethical Corporation (Mai 2009) zeigt, dass Wirtschaftsunter- nehmen im allgemeinen sehr viel konservativer sind und weniger Erfahrung und Organisationsvermögen mit Social Networking und den Websites der neuen Medien haben als viele ihrer Kritiker. Balch merkt dazu an: „Alles deutet darauf hin, dass e-Communities und soziale Medien nicht so schnell wieder verschwinden werden. Und das ist nicht der einzige Grund, warum sich Unternehmen darüber klar werden müssen, wie sie Teilhabe organisieren wollen […]. Wenn Unternehmen sich für web 2.0 entscheiden, dann müssen sie offenherzig hinsichtlich ihres Kerngeschäfts und ehrlich hinsichtlich ihrer Ziele sein. Integrität kann man nicht vortäuschen. Die echten Online-Communities funktionieren genau deshalb, weil sie ’echt’ sind.“ Ein Unternehmen, das sich experimentierfreudig zeigt, ist der Fruit-Smoothies-Produzent Innocent Drinks, der seine Kunden dazu einlädt, sich an der Online-Debatte über die Unternehmensstrategie zu beteiligen, etwa ob die Produkte in McDonald’s-Restaurants angeboten werden sollten. Für Balch sind die Konsequenzen für die Unternehmen klar: „Es muss erkennbar sein, dass Unternehmen zuhören, dass sie als Schnittstelle fungieren, um gleichgesinnte Personen zusammenzubringen. Ebenso unerlässlich ist es, aktiv zu sein. Unternehmen können nicht anfangen, soziale Medien zu nutzen und sich dann wieder ausklinken. Genauso wenig können sie die Bandbreite ihrer Aktivitäten einfach einengen. Erfolgreiche soziale Networker sind überall [...]. Darüber hinaus müssen sich Unternehmen von Anfang an über die Zielsetzung ihres OnlineEngagements im Klaren sein.“ 37 35 Im persönlichen Gespräch mit dem Autor 37 http://www.ethicalcorp.com/content.asp?ContentID=6458&ContType ID= 22 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien VI. CORPORATE RESPONSIBILITY IN DEN NEUEN MEDIEN Auch im Cyberspace besteht die Gefahr der Unverantwortlichkeit: Gerüchte können durch die Blogosphäre verbreitet werden – wo kommen harte „Nachrichten“ her? Welche Verantwortung haben die Host-Sites eines Blogs für die veröffentlichten Inhalte, da sie ja nur die technische Unterstützung liefern? Wie kann der Bürgerjournalismus kontrolliert werden? Welchen nationalen Gesetzen sollten Internetfirmen folgen? In Deutschland gab es z. B. Probleme mit Suchmaschinen, die Links zu Websites mit rechtsradikalem Inhalt zeigten. Natürlich wird ein Verfechter des web 2.0 immer sagen, dass die Selbstregulierung der Blogosphäre verlässlicher ist Für den Bereich CR ist das Neuland - und ich habe keine definitive Antwort parat. Also gibt es nur eine ambivalente Antwort! Einerseits wird argumentiert, dass ein Unternehmen, das in einem bestimmten Land tätig ist, den Gesetzen dieses Landes folgen sollte – und dass dies ein wichtiger Teil des Selbstverständnisses eines verantwortungsbewussten Unternehmens ist. Andererseits entwickelt sich in der Welt ganz langsam das Verständnis, dass nationale Souveränität in der heutigen verbundenen, globalen Wirtschaft und Gesellschaft nicht mehr länger absolut ist. Umweltverschmutzung in einem Land betrifft schnell auch andere Länder. Das Unterdrücken von Informationen über eine Pandemie oder deren nachlässige Bekämpfung in einem Land betrifft schnell auch andere Länder. Regierungen dürfen keine Völkermorde begehen. Menschenrechte sind grenzüberschreitend. Die Informationsfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht. In der Praxis wird die Technologie in Zukunft vielleicht „neue Voraussetzungen“ schaffen. Es ist sehr viel schwieriger, Millionen von Websites und persönlichen Blogs zu zensieren als ein paar vereinzelte Zeitungen, Magazine und Fernsehsender. Ende 2008 gab es schon 300 Millionen Internetnutzer in China. Über 30 Millionen Chinesen haben ihre eigenen Blog-Sites.38 Software zur Umgehung der Zensuren ist immer weiter verbreitet. Über zwei Millionen Menschen haben schon als die der traditionellen Medien. Wikipedia, die OnlineEnzyklopädie, wird gern als Beispiel für eine wirksame Qualitätskontrolle durch die Nutzer selbst genannt. Ich bin mir da nicht so sicher. Sobald ein Gerücht erst einmal im Umlauf ist, kann die Wahrheit es nur schwer wieder einholen! Tim Berners-Lee – häufig als ’Vater des Internets’ bezeichnet, ist der Auffassung, dass es so etwas wie ein weltweites Komitee zur Etablierung ethischer Prinzipien im Worldwide Web geben sollte. Die weitere Entwicklung des Internets und sein starker Einfluss auf die Welt mache es erforderlich, dass die Verbreitung falscher Informationen wirksam vermieden werden muss. Auch Unternehmen der neuen Medien können in Schwierigkeiten geraten. Es war ja z. B. nicht geplant, dass Google, Yahoo, Microsoft, Cisco etc. auf dem chinesischen Markt mit Zensurbedingungen konfrontiert wurden. einmal ein kostenfreies Programm heruntergeladen. Eine Studie des Berkman Centre for Internet and Society an der Harvard Law School hat herausgefunden, dass China erfolgreich 90% der Websites über das „Massaker am Platz des Himmlischen Friedens“, 31% der Websites über die Unabhängigkeitsbewegung in Tibet und 83% der Sites, auf denen eine herabwürdigende Version des Namens des ehemaligen Präsidenten Jiang Zemin zu finden ist, gesperrt hat. Anders ausgedrückt: Vieles wird gestoppt, manches kommt aber auch durch. Googles Vizepräsident Elliot Schrage gab bei den Anhörungen zum Internet und China vor dem US Kongress am 15.02.2006 zu, dass dies nicht Googles hellste Stunde war: „Absolut nichts, worauf wir stolz sind.“ Zwar passte das so gar nicht zu Googles Motto „Do No Evil“, aber meiner Meinung nach war die Kritik am Unternehmen übertrieben. Auf seiner chinesischen Website erklärt Google, dass die Suchergebnisse gefiltert werden. Paradoxerweise kann das auch dazu führen, dass sich viele Chinesen mit einer Suchanfrage überlegen, welche Informationen vor ihnen verborgen gehalten werden sollen – was indirekt eine Ermutigung zum Weitersuchen sein kann. >> 38 National Public Radio, 7. März 2006 23 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien Bei Yahoos Weitergabe von Informationen an die chinesischen Behörden, die dann zur Verhaftung von Dissidenten geführt hat, sieht die Sache anders aus. Yahoo trifft hier wohl mehr Schuld, und es gab sogar eine Boykottkampagne – www.booyahoo.blogspot.com. Ich stimme Bill Gates zu: Die Probleme mit der Zensur und dem Internet dürfen nicht den jeweiligen Unternehmen überlassen werden. Aus diesem Grund haben Microsoft, Google und Yahoo eine Initiative gegründet, die sich dem Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit im Internet verpflichtet hat. Die Global Network Initiative (GNI) möchte Technologiefirmen beratend dabei zur Seite stehen, die freie Meinungsäußerung und das Recht auf Privatsphäre in Ländern zu fördern, deren Politik und Gesetze diese Rechte beinträchtigen. Die Initiative wurde nach zweijährigen Vorgesprächen im Oktober 2008 gestartet. Zusätzlich zu den drei Technologieunternehmen werden der GNI auch Human Rights First, das Committee to Pro- Soweit ich weiß, lag das Problem bei Yahoo darin, dass die Informationen auf Servern gespeichert wurden, die sich in China befanden. Für einen guten Einblick in dieses Thema empfehle ich den Artikel “Evil doers? How internet companies live surrounded by the great firewall of China“.39 tect Journalists, Human Rights Watch und Human Rights in China angehören. Natürlich muss man diese Entwicklungen nüchtern betrachten. Die traditionellen Medien bleiben wichtig. Und ich denke, dass die besten von ihnen ihre starken bestehenden Marken nutzen werden, um sich für die neuen Medien zu öffnen. Schalten wir denn nicht alle CNN oder den BBC World Service an, wenn wir die neuesten Nachrichten haben wollen? Die CR-Community sollte jedoch bei dieser Medienrevolution an der Spitze stehen und nicht hinterherhinken. 39 Financial Times, 15. Februar 2006 40 http://www.globalnetworkinitiative.org/ 24 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien VII. HANDLUNGSOPTIONEN: DIE ROLLE VON UNTERNEHMEN UND CR-ZUSAMMENSCHLÜSSEN Noch einige abschließende Überlegungen zu den Handlungsoptionen für: (a) Einzelunternehmen; und (b) Schnittstellenorganisationen im Bereich Corporate Responsibility. John Drummond von Corporate Culture argumentiert: „Unternehmen werden mehr Erfolg dabei haben, Berichte über ihre CSR-Erfolge bekommen, wenn sie: dieselbe Sprache sprechen wie die Empfänger von Nachrichtenprodukten, (a) Einzelunternehmen Die Hauptverantwortung für die Verbesserung der Qualität, des Ausmaßes an Berichterstattung sowie deren Tenor zum Verhalten von Unternehmen liegt bei den Unternehmen selbst. Sie müssen ihre gesellschaftliche Verantwortung viel ernster nehmen und sie nicht nur dem operativen Geschäft lediglich überstülpen, sondern sie in Unternehmenszweck und -ziele einbinden. Dazu müssen Unternehmen für mögliche Widersprüche zwischen ihrem gesellschaftlichen Engagement und ihrem Verhalten empfänglicher sein – z. B. bei der Entlohnung des Managements, der Lobbyarbeit, der Steuerpolitik des Unternehmens oder der Verantwortung, die ein Unternehmen trägt, wenn seine Produkte und Dienstleistungen missbräuchlich verwendet werden. Verantwortungsvolle Unternehmen müssen bereit sein, den Zweck und die Wirkung ihres Unternehmens zu erläutern, legitime Unternehmensinteressen zu verteidigen und sich in Diskussionen zu engagieren. „Wenn Unternehmen Gewinn machen und gleichzeitig ihren guten Namen schützen wollen, müssen sie mit Überzeugung auftreten – für die Globalisierung, für den Freihandel und für verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten [...]" (Leitartikel in der Financial Times vom April 2001) Der damalige Global Managing Partner von McKinsey & Co, Ian Davis, führte im Economist im Mai 2005 einen ähnlichen Punkt an: „Große Unternehmen müssen sich an die Spitze setzen, wenn es darum geht, ihren Beitrag zur Gesellschaft zu erklären. Sie sollten ihren Unternehmenssinn und -zweck in etwas subtilere Worte als „the business of business is business“ fassen können und weniger abweisend sein als es die meisten Ansätze von Corporate Social Responsibility zurzeit sind. [...] Es ist Zeit, dass die großen Unternehmen sich die intellektuelle und moralische Überlegenheit von ihren Kritikern zurückerobern und gesellschaftlich relevante Themen so in ihre Strategien einbauen, dass sie auch ihre wirkliche Bedeutung für die Unternehmen widerspiegeln.“ (26. Mai 2005). ihre Geschichten besser erzählen, besser am Dialog teilnehmen (und nicht nur mitteilen), die Beweggründe der Autoren und die Beweggründe der Leser verstehen, damit anfangen, sich um die Aspekte von CR zu kümmern, die sie abdecken sollten, in ihrer CR Politik aber ignorieren (es herrscht eine große inhaltliche Kluft).“ 41 Weitere lohnenswerte Fragen für Unternehmen sind u. a.: Machen CEOs in den Sitzungen mit der Redaktionsleitung ihrer Zeitungen CR zum Thema? Wie viele Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft halten Vorträge vor Studenten der Publizistik, so wie sie es vor Studenten der Wirtschaftswissenschaft tun? Ein verbessertes Berichtswesen ist ebenfalls Teil des Ganzen. Die Unternehmensbewegung Business in the Community (BITC) und die Beraterfirma Arthur D. Little haben einen Leitfaden zum Berichtswesen für Geschäftsführer erstellt (Director's Guide to Corporate Reporting), der von der Website des BITC kostenlos heruntergeladen werden kann: www.bitc.org.uk.42 Dieser Leitfaden sagt alles, was man wissen muss, um einige der schwierigen Entscheidungen treffen zu können, die sich bei der Entwicklung und Umsetzung einer strategischen Herangehensweise an ein unternehmerisch verantwortungsvolles Berichtwesen ergeben. Er legt fest, dass der Inhalt und die entsprechenden Kommunikationskanäle den Bedürfnissen des jeweiligen Unternehmens entsprechen müssen. Dem kann ich nur zustimmen. Unternehmen sollten außerdem über die Kriterien nachdenken, nach denen sie professionelle Berater auswählen – inklusive PR- und Kommunikationsberatung. 41 E-Mail an den Autor zu einem frühen Entwurf dieses Vortrags Der Experte für CR und Unternehmenskommunikation 25 42 http://www.bitc.org.uk/resources/publications/key_publications/index.html David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien (b) Schnittstellenorganisationen im Bereich Corporate Responsibility Mike Tuffrey von der CR-Beratungsfirma Corporate Citizenship Company plädiert für ein Fortbildungsprogramm für Journalisten: David Fenton von Fenton Communications vertritt die Auffassung, dass diejenigen, die im Bereich CSR und nachhaltige Entwicklung tätig sind, in intensiven, andauernden Medienkampagnen zusammenarbeiten müssen, um ihre wichtigsten Botschaften durchzuboxen. In einer Zeit, in der das Interesse an komplexen Sachverhalten bei den etablierten Medien zurückgeht, so Fenton, „muss die Fachsprache beiseite gelegt, es muss in knappe, lebendige und dramatische Präsentationsformen investiert werden.“ 43 Könnten die Schnittstellenorganisationen im Bereich CR nicht befristete Stipendien bzw. Fellowships an vielversprechende junge Journalisten vergeben, damit diese in ihren Organisationen arbeiten können, oder könnten sie nicht mit angesehenen Medienorganisationen gemeinsam Stellen vermitteln, um ein besseres Verständnis für die wichtigsten Themen zu schaffen? Könnten mehr Medienorganisationen überzeugt werden, dem Beispiel der BBC zu folgen, und eine Vortragsreihe externer Redner zum Thema Nachhaltigkeit zu organisieren? In Großbritannien hat die Marketing Society jüngst angekündigt, einige der führenden Unternehmen zusammenzubringen, um ein gemeinsames Vokabular zu entwickeln das in der Kundenkommunikation zum Klimawandel verwendet werden soll. Schon jetzt gibt es über 100 Unternehmensvereinigungen, die weltweit für CR eintreten. Diese müssen ihre Strategien erweitern, um CR effektiv zu vermitteln. Wir brauchen mehr Artikel, in denen in einigen der moralisch und praktisch schwierigen Dilemmata des Themas die intellektuelle Führung übernommen wird. Die Schnittstellenorganisationen müssen zusammenarbeiten und gemeinsam die großen internationalen Medien anvisieren – indem sie z. B. Einladungen zu bzw. Vorträge bei Redaktionsmittagsessen und ähnlichen Veranstaltungen koordinieren. Hierbei fällt den Dachorganisationen, die die nationalen CR-Vereinigungen vertreten, eine besondere Verantwortung zu. Organisationen wie CSR Europe brauchen eine pro-aktive Kommunikationsstrategie. Sollte man vielleicht noch früher ansetzen und sich an die Mitarbeiter von Studierendenzeitungen wenden? Unterrichtet aus der wachsenden Anzahl von Dozenten, die an Business Schools im Bereich CR forschen und lehren, irgendjemand ein CR-Modul in den Kursen für Publizistik bzw. Medienwissenschaften an ihren Lehranstalten? Wenn die neuen Medien mehr auf Konversation und anhaltendem Dialog aufbauen, dann ergibt sich auch für uns CR-Experten eine größere Möglichkeit, uns zu positionieren und unseren eigenen Dialog zu führen. Um dazu beizutragen, haben Mallen Baker, ehemals BITC, John Elkington von Sustainability, und ich alle unsere eigenen persönlichen Websites.44 Mallen twittert sogar – wie können wir gemeinsam mehr tun? 43 http://www.fenton.com 44 http://www.mallenbaker.net; http://www.johnelkington.com; http://www. davidgrayson.net 26 David Grayson: Corporate Responsibility und die Medien VIII. FAZIT Danny Schechter, Gründer und Geschäftsführer von MediaChannel.org, wird in Good News and Bad folgendermaßen zitiert: „In der Gesellschaft spielen die Medien heute eine nie da gewesene Rolle, was teilweise an der Bedeutung der Technologie liegt. In der wohlhabenden Welt sind die Medien heute beinahe allgegenwärtig und durchdringen fast jeden Aspekt unseres Daseins. Dank Kabel, Satellit und Internet haben die Bedeutung und der Einflussbereich der Medien stark zugenommen.“ 45 Es ist daher wichtig, dass die Medien Corporate Responsibility begreifen und darüber berichten – nicht als isoliertes Thema, sondern als fester Bestandteil der Rolle von Unternehmen in der vernetzten, globalen Wirtschaft und Gesellschaft von heute. Wenn wir, denen CR am Herzen liegt, nicht das Gefühl haben, dass die Medien dem Thema genügend Aufmerksamkeit schenken – sowohl quantitativ als auch qualitativ – dann bringt es nichts, sich einfach nur zu beklagen oder die Diskussion zu verlagern und über die CR der Medien selbst zu sprechen (obwohl das durchaus ein Thema für sich wäre!). Vielmehr sollten wir die Schwachpunkte in unserer Botschaft und in unserer Kommunikation identifizieren – z. B. unklare Definitionen von Begriffen, Übertreibungen, überzogene Komplexität, Weitschweifigkeit und ungenaue Zielgruppendefinition für unsere Botschaft. Diesen Punkten sollten wir uns widmen. Die CR-Bewegung sollte sich auch sehr viel mehr der Bedeutung der neuen Medien widmen – und unsere Kommunikation dementsprechend anpassen. Wir versuchen dies mit der Website des Doughty Centers; und ich weiß, dass das Centrum für Corporate Citizenship Deutschland (CCCD) in naher Zukunft eine interaktive Online-Plattform zum gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen starten wird. Juli 2009 IX. DANKSAGUNG Ich möchte mich bei Susanne Lang und ihren Kollegen beim CCCD bedanken, dass sie mir die Gelegenheit gegeben haben, diesen Artikel zu schreiben und vorzutragen. Er basiert teilweise auf einem Vortrag, den ich im Dezember 2005 auf einer Konferenz in Manchester gehalten habe, die von Business in the Community, der Leeds Metropolitan University und der Unternehmensberatung Connectpoint ausgerichtet wurde. Eine Reihe von Personen haben zu diesem Artikel beigetragen, wofür ich ihnen zu großem Dank verpflichtet bin: Dr Kenneth Amaeshi (Doughty Centre), Yogesh Chauhan (BBC); Roger Cowe (Context); John Drummond (Corporate Culture); Nadine Exter (CR Advisory Services), Giles Gibbons (Good Business); Gail Greengross (Business in the Community), Adrian Hodges (International Business Leaders Forum); Dr Brian Jones (Leeds Metropolitan University); Susanne Lang (CCCD); Professor Thomas Lawton (Cranfield School of Management); Lisa Murray (Northern Ireland Business in the Community); Sarah Murray (The Financial Times); Christian Toennesen (Acona Consultants / CSRMedia Forum); Mike Tuffrey (Corporate Citizenship Company); Gerry Wade (Probus BNW); Toby Webb (Ethical Corporation); Chris Wyld (Foreign Press Association, London). 45 SustainAbility. Good News and Bad - The Media, Corporate Social Responsibility and Sustainable Development. 2002. 46 Bowd, R., Jones, B. und Tench, R. (2005) „CSR and the Media, Summary Research Report“, Leeds Metropolitan University and Connectpoint. 27 Dieser Beitrag wurde auf einem vom CCCD organisierten und von der BMW-Stiftung Herbert Quandt in ihrer Berliner Niederlassung ausgerichteten Seminar am 22. Juni 2009 vor einem geladenen Publikum von Medienvertretern, Politikern, Verwaltungsfachleuten, Wissenschaftlern, NGOs und Unternehmen präsentiert. Verantwortlich CCCD - Centrum für Corporate Citizenship Deutschland Kollwitzstr. 73 10435 Berlin Lektorat: Serge Embacher Gestaltung Nepenthes Digital Media Services www.nepenthes.biz Auflage: 1.500 Berlin 2009 gefördert vom: