Lehrbuch Palliative Care
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Lehrbuch Palliative Care
Buchbesprechungen Cornelia Knipping (Hrsg.) Lehrbuch Palliative Care Verlag Hans Huber, Bern 2006, 740 Seiten, 49,95 Euro Der Begriff „Palliative Care“ bezeichnet die umfassende Behandlung, Pflege und Begleitung von Patienten und ihren Angehörigen, die mit einer zum Tode führenden, unheilbaren Erkrankung konfrontiert sind. Sie erfolgt durch ein multidisziplinäres Team mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensqualität durch gezielte Vermeidung, Erfassung und Behandlung körperlicher, psychischer, sozialer und spiritueller Belastungen. In internationaler und interdisziplinärer Zusammenarbeit von über 50 Palliative Care-Fachkräften wird hier ein Kompendium vorgelegt, das einen kritischen Einblick in die Vielfalt der Organisationsformen sowie einen Überblick über Grundlagen des Expertenwissens zu Palliative Care im deutschen Sprachraum bietet. Besonders erfreulich ist dabei die Einbeziehung des Expertenwissens aus der Geriatrie und der Pädiatrie. Die AutorInnen stellen die subjektive Wahrnehmung der betroffenen Menschen im Erleben ihrer Krankheit konsequent in den Mittelpunkt: „Für die Lebensqualität des Patienten ist essenziell, dass wir primär die Symptome zu behandeln versuchen, welche ihn subjektiv am stärksten stören und nicht, was aus pflegerischer oder medizinischer Sicht im Vordergrund steht.“ (Seite 125) Entsprechend ist der systematischen Dr. med. Mabuse 165 · Januar / Februar 2007 Erfassung und Einschätzung der Belastungen aus der Sicht der Patienten und ihrer Angehörigen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Diese Herangehensweise ist eine Grundlage, um den Patienten und seine Angehörigen gezielt zu befähigen, ihre Lebenssituation nach eigenen Prioritäten zu gestalten. Bei der Unterstützung dieses Ermächtigungsprozesses wird die besondere Rolle der Pflegenden hervorgehoben, die – im Unterschied zu anderen Gesundheitsberufen – durch den alltagsnahen Bezug ihrer Tätigkeit einen unmittelbaren Zugang zum und Einfluss auf das Lebensumfeld der Patienten haben. Dieser in Fallbeispielen an sich leicht anschaulich zu machende Zusammenhang wird von den fast ausschließlich schweizerischen PflegewissenschaftlerInnen leider zu abstrakt und theorielastig vorgetragen. Der didaktische Aufbau der formal übersichtlich gestalteten Kapitel ist leserund lernfreundlich. Offene Fragen am Ende der Kapitel regen zur weiteren Reflexion an. Ergänzt durch umfangreiche weiterführende Informationen bietet sich das Buch sowohl als Grundlagenwerk für Praxis und Studium als auch für die Lehre der professionellen Pflege an. Als praktisches Nachschlagewerk sollte es in jeder ambulanten und stationären Pflegeeinrichtung zugänglich sein. Für die zweite Auflage des Buches wünsche ich mir die Aufnahme des häufigen und schwer therapierbaren Lymphödems in die Symptomauswahl sowie eines Physiotherapeuten ins AutorInnenteam. Außerdem wünsche ich mir, dass ich jeden mich interessierenden Begriff aus dem Sachwortverzeichnis, wie zum Beispiel „Körperschema“ oder „Atembewegungen“, auch im Text auf den angegebenen Seiten vorfinde. Adelheid von Herz Krankenschwester in der stationären palliativen Pflege, Frankfurt am Main 55 56 Buchbesprechungen Susanne Schultz Hegemonie – Gouvernementalität – Biomacht Reproduktive Risiken und die Transformation internationaler Bevölkerungspolitik Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2006, 388 Seiten, 34,90 Euro In den 1980er Jahren befassten sich in Deutschland zahlreiche feministische Gruppen mit der Kritik an internationaler Bevölkerungspolitik. Zwangssterilisierungen in Entwicklungsländern wurden als Krieg des reichen Nordens gegen die Bevölkerung des armen Südens gebrandmarkt. Mit der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo 1994 verstummte diese politische Kritik. Viele feministische Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) feierten es als Erfolg, dass die unterzeichnenden Regierungen erstmals reproduktive Rechte verbrieften: Frauen schien endlich die Entscheidungsfreiheit zugestanden zu werden, ob, wann und wie viele Kinder sie bekommen möchten. Damit ging die internationale Frauengesundheitsbewegung ein Bündnis mit jenen staatlichen und privaten bevölkerungspolitischen Institutionen ein, gegen die sie bislang gekämpft hatte. Susanne Schultz zeigt nun in einer umfassenden politikwissenschaftlichen Studie, dass der „Konsens von Kairo“ dabei aber an der Konstruktion einer zu schnell wachsenden Bevölkerung als Ursache gesellschaftlicher Krisen festhielt. Das alte bevölkerungspolitische Ziel einer Absenkung der Geburtenrate sei mit dem Kampf um mehr Selbstbestimmung für Frauen vermittelt worden – so ihre Hypothese. Im ersten Teil wendet sich Schultz dem paradoxen Phänomen zu, dass feministische NGOs dazu beitrugen, eine Bevölkerungspolitik zu reformulieren, die das Ziel einer Reduktion der Geburtenrate weiterhin verfolgt. Sie zeigt, dass in dem Diskurs nach der Konferenz von Kairo bestimmte kritische Fragen nicht mehr artikulierbar sind, zum Beispiel welche Verhütungs- und Sterilisationsmittel wo und von wem verbreitet werden. Trotz des Aufgriffs feministischer Begrifflichkeiten fördere diese Politik eher individuelle Geburtenkontrolle als die Möglichkeit, Kinder unter guten Bedingungen zu bekommen. Im zweiten Teil des Bandes analysiert Schultz anhand des Müttersterblichkeitsdiskurses, wie demografische Ziele heute über die Ebene individueller reproduktiver Gesundheit und Medikalisierung reformuliert werden. Verkürzt lautet das Motto hier: Wer nicht schwanger wird, kann auch nicht krank werden. Wie die Regulierung von Bevölkerungen mit dem Versprechen individueller Gesundheit versöhnt wird, sei dabei nicht mehr Gegenstand politischer Analyse, kritisiert Schultz. Insgesamt ist die klar und verständlich geschriebene Arbeit ein beispielhafter Beitrag zu der Frage, wie komplexe internationale Machtverhältnisse mit den ihnen eingeschriebenen Paradoxien analysiert werden können, ohne einerseits im Gut-Böse-Schema der 1980er Jahre zu verharren, ohne aber andererseits die Unmöglichkeit politischer Interventionen und eine Bankrotterklärung der politischen Kritik an der rassistischen und menschenökonomischen Regulierung von Bevölkerungsgruppen zu verkünden. Fabian Kröger Wissenschaftsjournalist, Berlin Andreas Maercker, Rita Rosner (Hrsg.) Psychotherapie der posttraumatischen Belastungsstörungen Krankheitsmodelle und Therapiepraxis – störungsspezifisch und schulenübergreifend Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2006, 288 Seiten, 29,95 Euro Das Buch beginnt mit einer Einführung von Andreas Maercker, Mediziner und Psychologe, Ordinarius für Psychopathologie an der Universität Zürich, und Rita Rosner, die die Professur für Klinische Psychologie an der LudwigMaximilian-Universität in München vertritt. Sie geben in ihrem einleitenden Kapitel keinen herkömmlichen Überblick, wie sich das Buch ohnehin nicht als Überblick oder gar Einführung in die Thematik versteht. Stattdessen zeichnen sie einige neuere Entwicklungslinien nach, die auch dem mit der Thematik Dr. med. Mabuse 165 · Januar / Februar 2007 Buchbesprechungen vertrauten Leser nicht ohne Weiteres zugänglich sein dürften. So erläutern sie etwa die zunehmend getroffene Unterscheidung in Mono- und Multitraumata, die zur Eingrenzung eines wuchernden Begriffes beitragen kann. Des Weiteren umreißen sie die neuere Forschung zu den Traumafolgen. Dabei stehen nicht mehr allein posttraumatische Belastungsstörungen im Vordergrund, sondern posttraumatische Persönlichkeitsveränderungen, komplizierte Trauerprozesse oder Anpassungsstörungen finden mehr Beachtung. Interessant sind auch die Ausführungen zur Entstehung und Aufrechterhaltung posttraumatischer Belastungsstörungen, da diese entgegen der üblichen Wahrnehmung bei acht bis neun von zehn Personen nicht auftreten, die ein Trauma erlitten haben. Bemerkenswert dabei ist auch, dass dem Einfluss der frühen Kindheit offenbar ein besonderer Stellenwert zukommt. Nach dieser Einführung widmet sich das Buch seinem eigentlichen Anliegen, nämlich bekannte und weniger bekannte Behandlungsansätze vorzustellen. Gerade Letztere machen das Buch auch für diejenigen lesenswert, die mit der Thematik bereits vertraut sind, weil wohl jeder hier etwas Neues entdecken kann. Zu den weniger bekannten Behandlungsansätzen gehört etwa eine kognitive Verhaltenstherapie bei Paaren, die stationäre Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen, die Bedeutung persönlichen Wachstums nach einem erlittenen Trauma oder die Weisheitstherapie; auch ein internetbasierter Therapieansatz wird dargestellt. Sicherlich lässt sich nicht nur darüber, sondern auch über manch andere der vorgestellten Ansätze diskutieren. Und es können Zweifel angemeldet werden, ob alle diese Neuerungen auch eine sinnvolle Erweiterung des Behandlungsspektrums darstellen. Dennoch wird ersichtlich, wie aktuell das bearbeitete Feld ist und in welcher dynamischen Entwicklung es sich befindet. Eine wichtige Ergänzung stellt der Beitrag der sozialarbeiterischen Begleitung traumatisierter Menschen dar. Damit wird eine häufig übersehene Dimension der Traumafolgen mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, die für die Betroffenen selbst oft eine besondere Relevanz hat: mögliche Veränderungen und Einschränkungen des sozialen oder beruflichen Lebens nach Dr. med. Mabuse 165 · Januar / Februar 2007 einem Trauma. Schließlich muss es darum gehen, wieder im normalen Leben Fuß zu fassen, was häufig nicht ohne konkrete Hilfen gelingt. Das Buch durchzieht wie ein roter Faden die These, der zufolge im Bereich der Traumatherapie eine auffallende Konvergenz unterschiedlicher Therapieansätze – vor allem der Verhaltenstherapie und der psychoanalytischen Ansätze – festzustellen sei. Dies betrifft insbesondere die Frage nach der richtigen Mischung von Stabilisierung und Traumakonfrontation. Wohltuend ist allerdings auch die Warnung der Herausgeber vor Schnelltherapien, was auch auf eine gewisse Versachlichung der Diskussion hinweist, die angesichts einer zeitweise zu beobachtenden Euphorie im Zusammenhang mit der EMDR(Eye Movement Desensitization and Reprocessing)-Therapie sicherlich vonnöten ist. Gerade angesichts einer so schweren psychischen Verletzung, wie sie mit einem Trauma verbunden ist, sind voreilige Versprechungen zu vermeiden und Sachlichkeit und Zurückhaltung geboten. Meinolf Peters Psychologe und Psychoanalytiker, Marburg Alexa Franke Modelle von Gesundheit und Krankheit Verlag Hans Huber, Bern 2006, 231 Seiten, 19,95 Euro Gesundheit und Krankheit kennt jeder von uns aus seinem eigenen alltäglichen Erleben. Außerdem sind beides Themen, mit denen sich Heerscharen von Fachleuten professionell beschäftigen, unter anderem allein in Deutschland rund 300.000 ÄrztInnen. Daher sollte man meinen, dass klar ist, worum es geht, wenn wir von Gesundheit oder Krankheit sprechen. Es ist aber anders. Gesundheit und Krankheit sind seltsam ungreifbare Sachverhalte, so nah und doch so fern. Das Sozialgesetzbuch definiert Krankheit als „regelwidrigen Zustand“, also in Abgrenzung einer an Normwerten festgemachten Gesundheit. Was ist dann also Gesundheit? In der berühmten Definition der Weltgesundheitsorganisation heisst es unter 57 58 Buchbesprechungen anderem: „Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit.“ Damit sind wir dann so klug wie zuvor und neigen dazu, mit dem Philosophen Hans-Georg Gadamer von der „Verborgenheit der Gesundheit“ zu sprechen, was die Sache zwar auch nicht klarer macht, aber das Problem doch immerhin benennt. Alexa Franke, Professorin für Rehabilitationspsychologie an der Universität Dortmund, hat sich dieses Problems angenommen und ein Lehrbuch daraus gemacht. In gut lesbaren, übersichtlichen Kapiteln geht sie der Frage nach, warum Gesundheit und Krankheit so schwer voneinander abzugrenzen sind, wie man Gesundheit definieren kann, welche unterschiedlichen Ebenen – von der Medizin bis zur Ökonomie – dabei eine Rolle spielen, was die Besonderheit psychischer Störungen ausmacht, wie der Begriff der Behinderung zu fassen ist, wie bestimmte Modelle von Gesundheit und Krankheit mit Theorien über deren Verursachung zusammenhängen und last, but not least, welche Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit wir im Alltagsleben pflegen. Jedes Kapitel ist als Lerneinheit aufgebaut, mit prägnanten Einführungstexten und Lehrfragen, die eine weiterführende Auseinandersetzung mit dem Thema anregen wollen. Das Buch ist hervorragend für den Unterricht in sozial- und gesundheitswissenschaftlichen Fächern geeignet, insbesondere sei es den Studierenden des Faches Medizin ans Herz gelegt. So manches Problem der Medizin, insbesondere was das Arzt-Patienten-Verhältnis angeht, hat auch damit zu tun, dass Ärzte Gesundheit und Krankheit zu oft als das missverstehen, was sich als Laborwert oder Röntgenbild dingfest machen lässt. Es geht aber um viel mehr – und das Buch von Alexa Franke ist ein hilfreicher Reiseführer bei der Erkundung dieses weiten Feldes jenseits des biomedizinischen Modells. Joseph Kuhn Psychologe, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Susanne Dettmer, Gabriele Kaczmarczyk, Astrid Bühren Karriereplanung für Ärztinnen Springer-Verlag, Heidelberg 2006, 350 Seiten, 19,95 Euro Warum sind Frauen, die seit über hundert Jahren Medizin studieren dürfen und 40 Prozent der in Deutschland arbeitenden ÄrztInnen stellen, immer noch so selten in leitenden Positionen anzutreffen? Dieses Handbuch will keine Antwort auf die Frage geben – es will vielmehr Frauen ermutigen, über ihre berufliche Karriere zu reflektieren, und Hinweise dafür geben. Entstanden ist dieses Handbuch aus einem Frauennetzwerk, von denen es noch viel zu wenige gibt. Die Herausgeberinnen sind die Vorsitzende des Deutschen Ärztinnenbundes Astrid Bühren, die Sozialwissenschaftlerin Susanne Dettmer und Gabriele Kaczmarczyk, die ehemalige Frauenbeauftragte des Klinikums Charlottenburg der Freien Universität Berlin und Koordinatorin des Masterstudienganges „Health and Society: International Gender Studies Berlin“, der anlässlich der Frauenuniversität im Zuge der Expo 2000 eingerichtet wurde. Zielgruppe des Buches sind junge Frauen, die im Gesundheitswesen Karriere machen, oder abgeschwächt, ihren beruflichen Weg finden wollen, vornehmlich Medizinstudentinnen. Das Buch versammelt verschiedene Ansätze der Ermutigung, ein Schwerpunkt liegt bei den Vorbildern. In einem Kapitel werden Berufsverläufe von Ärztinnen Dr. med. Mabuse 165 · Januar / Februar 2007 Buchbesprechungen dargestellt, die in der deutschen Medizin Karriere gemacht haben. Im Rahmen halbstandardisierter Interviews wurden sie gefragt, wie sie ihr Leben geplant haben, wo sie sich bewusst für oder gegen etwas entschieden haben, was sie jungen Kolleginnen raten würden. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Wissen, im Sinne eines „tacit knowledge“, also nicht so sehr die fachlichen Fakten, sondern das soziale Wissen, die Kontakte und Gruppen, das Wissen um die wahren Entscheidungsträger. Mit Vorbildern und Wissen geht es an die Planung, und dies scheint beinahe paradigmatisch „typisch weiblich“ zu sein. Frauen planen oft zu ganzheitlich. Eben weil sie vielleicht mal eine Familie – die schlechte Metapher für eigene Kinder – haben wollen, zögern sie bei bestimmten Karriereschritten wie befristeten Stellen, Auslandsaufenthalten oder Ortswechseln. „Vereinbarkeitsprobleme von Beruf und Familie sollten die Frauen dann lösen, wenn sie wirklich anstehen und nicht schon im Vorfeld sagen, sie wollen auf die berufliche Laufbahn verzichten, weil sie glauben, dass es zu schwer sei. Wenn ich etwas nicht versucht habe, weiß ich auch nicht, ob es schwer ist.“ Diese Aussage der ChirurgieProfessorin Doris Henne-Bruns bringt das Dilemma auf den Punkt: Weil in Deutschland so viel und so laut lamentiert wird über die schlechte Kinderbetreuung und die verkrusteten OldMen-Networks, sind junge Frauen gehemmt, sich über diese Lamentos hinwegzusetzen und einfach ihren Weg zu gehen. Diese Aussagen überlappen sich mit den in einem weiteren Kapitel gegebenen praktischen Hinweisen für die Be- rufsplanung. In ihrem teils böse polemisch geschriebenen Abschnitt über die Planung einer wissenschaftlichen Karriere weist Gabriele Kaczmarczyk mehrfach darauf hin, dass sich Frauen vor allem an Kontakten und Netzwerken beteiligen sollen. Fleiß und Leistung seien im Vergleich zu Selbstbewusstsein und Kontakten für eine Karriere an einer deutschen Hochschule fast zu vernachlässigen. Dies muss Frauen vielleicht besonders deutlich gesagt werden, weil diese ja so gerne als „fleißig und arbeitsam“ bezeichnet werden (wollen). Während die Frauen die Patienten versorgen, sich um ihre Angehörigen kümmern und den Laborbetrieb am Laufen halten, sitzen die Männer auf Tagungen und in Besprechungen und knüpfen Kontakte. So mag es in einigen Bereichen wirklich noch sein, in anderen nicht mehr. Inwieweit frau mit einer aggressiven Haltung dagegen angehen kann und soll, bleibt zu fragen. Gibt es doch andere, neben dem Fleiß als typisch weiblich konnotierte Verhaltensweisen wie Beharrlichkeit und Subversivität, mit denen frau auch ihr Ziel anstreben kann. Gut gelungen ist die historische Einführung, die darlegt, wie sich Frauen das Medizinstudium erkämpft haben. Es waren vor allem die Beharrlichkeit und die kluge Argumentation mit den Gründen der Gegner, die erst einigen und dann zunehmend mehr Frauen das Studium der Medizin ermöglichten. In den praktischen Hinweisen gibt es ein Kapitel mit dem Titel „Work-Life-Balance bei Ärztinnen“ – wenn es das auch bei Ärzten gäbe, wäre schon viel gewonnen. Marion Hulverscheidt Medizinhistorikerin und Ärztin, Kassel BETEILIGUNGEN GESUCHT! Liebe Leserin, lieber Leser, Um unsere politische und finanzielle Unabhängigkeit zu bewahren und unsere Pläne zum weiteren Ausbau des Projekts zu verwirklichen, suchen wir engagierte Leserinnen und Leser, die sich als stille GesellschaftlerInnen finanziell an unserem Verlag beteiligen. Im Gegenzug bieten wir Steuervergünstigungen durch Verlustzuweisungen bzw. Beteiligung an den Gewinnen. Bitte fordern Sie unseren Beteiligungsprospekt an! ☎ 069-70 79 96 11 [email protected] Dr. med. Mabuse 165 · Januar / Februar 2007 Oliver Razum, Hajo Zeeb, Ulrich Laaser (Hrsg.) Globalisierung – Gerechtigkeit – Gesundheit Einführung in International Public Health Verlag Hans Huber, Bern 2006, 351 Seiten, 39,95 Euro Ende August lief ein von einer niederländischen Transportfirma gecharterter griechischer Frachter unter panamaischer Flagge in den Hafen von Abdijan, Elfenbeinküste, ein. Seine Ladung, hochgiftiger Sondermüll, wurde unbehandelt in städtischen Deponien entsorgt. Die Folge: Mehrere Tausend Menschen mit Vergiftungserscheinungen überforderten das lokale Gesundheitssystem, sechs Menschen starben. Dies ist nur ein Beispiel für die möglichen gesundheitlichen Konsequenzen der globalisierten wirtschaftspolitischen (Un-)Ordnung. Die Durchleuchtung des Zusammenhanges zwischen Liberalisierung und Internationalisierung von Produktion und Handel und die ungerechte Verteilung des Gutes „Gesundheit“ ist der Hauptgegenstand dieses Buches. Hierfür haben die Herausgeber, Vertreter des Arbeitsbereichs „International Public Health“ an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, ein multidisziplinäres Autorenteam mit Experten aus internationalen Organisationen, aus der Entwicklungszusammenarbeit und aus anwendungsorientierten akademischen Institutionen zusammengestellt. Diese Pluralität der Perspektiven und Erfahrungen wird in der Themenvielfalt des Buches widergespiegelt. In deutscher Sprache lag bisher nichts Vergleichbares vor. 59 60 Buchbesprechungen Zunächst wird die sehr unterschiedliche Verteilung der Krankheitslast und der relevanten gesundheitlichen Risiken in einen Zusammenhang mit den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der Nationen gestellt. In einem zentralen Kapitel dieses Buches „Gesundheit in globalisierter Entwicklung“ leitet Detlef Schwefel aus diesen Analysen Handlungsforderungen ab, die als politisches Programm von International Public Health verstanden werden können. Durch seine inhaltliche Vielfalt und die durchgängig gute Verständlichkeit wird das Buch dem Anspruch einer Einführung in die Thematik vollauf gerecht. Begriffe, die den aktuellen globalen Public Health-Diskurs prägen, wie Gerechtigkeit, Intersektoralität, Diversität und Evidenzbasierung werden ausführlich beschrieben. Darüber hinaus werden globale Initiativen, wie die Programme der Weltgesundheitsorganisation zur Bekämpfung unterschiedlicher Infektionskrankheiten oder die Strategien zur Versorgung mit unentbehrlichen Arzneimitteln vorgestellt. Spezifischen Problemen wie der Kindersterblichkeit, der sexuellen Ausbeutung von Kindern und Frauen, Infektionskrankheiten (Aids, Malaria und SARS) oder dem demographischen Wandel sind eigene Kapitel gewidmet. Neben einer Darstellung der Problematik aus einer gesellschaftlichen Perspektive wird auch immer eine Einführung in die Lösungsstrategien mitgegeben. Dieses Buch ergreift Partei. Das macht es wertvoll. Marcial Velasco Garrido Arzt und MPH, TU Berlin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen Karl W. Lauterbach, Stephanie Stock, Helmut Brunner (Hrsg.) Gesundheitsökonomie Lehrbuch für Mediziner und andere Gesundheitsberufe Verlag Hans Huber, Bern 2006, 348 Seiten, 34,95 Euro Die drei Herausgeber und mehrere Mitarbeiter aus dem Institut für Gesundheitsökonomie und Epidemiologie der Universität Köln legen ein umfassendes Buch zum Thema „Gesundheitsökono- mie“ vor, das sich an Mediziner und andere Gesundheitsberufe wendet. Das Buch gliedert sich in die vier Abschnitte: Ethik, ökonomische Grundlagen des deutschen Gesundheitssystems, Gesundheitssystemvergleiche und internationale Gesundheitssysteme sowie Methoden der Gesundheitsökonomie. Der erste Teil geht von der Frage aus, inwieweit das ökonomische Prinzip auf die Gesundheitsversorgung anzuwenden ist und setzt sich mit den Begriffen „Gesundheit“ und „Krankheit“ auseinander. Zur Ethik, eines der zentralen Interessengebiete von Karl Lauterbach, beziehen sich die Autoren stark auf die Gerechtigkeitsethik von Rawls. Der inhaltliche Zusammenhang zwischen den verschiedenen Kapiteln des ersten Teils ist leider nicht unmittelbar einleuchtend beziehungsweise zu wenig herausgearbeitet. Der zweite Teil schildert die Entwicklung des deutschen Gesundheitssystems und geht dann systematisch auf die Gesetzliche Krankenversicherung, den ambulanten und stationären Sektor sowie den Arzneimittelbereich ein. Die aktuelle Auseinandersetzung zur Bürgerversicherung contra Kopfpauschale wird erwartungsgemäß nicht ausgespart und durchaus sachlich dargestellt. Das Krankenhaus-Kapitel offenbart den makroökonomischen Ansatz des gesamten Buches, die Darstellung des DRG-Systems bleibt jedoch an der Oberfläche. Auch wenn angesichts der kurzen gesetzgeberischen Intervalle eine Tagesaktualität nicht verlangt werden kann, machen Zwischenüberschriften wie „Krankenhausgesamtvergütung ab 2005“ bei einer Erstauflage im Jahr 2006 doch stutzig, und eine detaillierte Darstellung der DRG-Thematik hätte nicht geschadet (Kappung, Entwicklung des Entgeltkataloges, welche Optionen gibt es ab 2009?). Auch die Bereiche Rehabilitation und Prävention hätten eines eigenen Kapitels bedurft, um die Integrierte Versorgung und die Disease ManagementProgramme ausführlicher darstellen zu können, einschließlich der in ihnen enthaltenen Managed Care-Ansätze. Dennoch bietet die vorhandene Darstellung des deutschen Gesundheitssystems für Studierende eine gute Übersicht, derer es viel zu wenig gibt im heuristisch inspirierten Blätterwald. Seine große Stärke spielt das Buch in den beiden Teilen zum internationalen Systemvergleich Dr. med. Mabuse 165 · Januar / Februar 2007 Buchbesprechungen und zur Methodik aus. Insgesamt werden die Gesundheitssysteme von sechs Ländern verglichen, nachdem die methodischen Grundlagen von Gesundheitssystemvergleichen einführend in einem eigenen Kapitel dargestellt worden sind. Viel zu sehr betrachten wir die Diskussionen um das deutsche Gesundheitssystem aus der deutschen Perspektive, statt die typischen Entwicklungen und die Lösungsoptionen auf dem Hintergrund der Entwicklungen im Ausland zu analysieren. Gerade weil nicht alles übertragen werden kann, ist die Kenntnis der internationalen Situation ein wichtiger Baustein für den Lernenden und für die (späteren) Akteure. Der Methodik-Teil ist in „Standard-Methoden“ und „Weiterführende Methodik“ aufgeteilt und erlaubt eine hervorragende Einarbeitung in die gesundheitsökonomische Technik, praxisorientiert, mit vielen Beispielen, doch gleichzeitig in die Tiefe gehend. Zusammenfassend ein Buch, das in den Bücherschrank gehört: den Bücherschrank von Studierenden der Gesundheitsökonomie (und Betriebswirtschaft!), von Angehörigen der Gesundheitsberufe, die sich weiterqualifizieren, und von Aktiven im Gesundheitssystem, die Gesundheitssystemvergleiche sowie methodische Exkursionen nicht scheuen. Matthias Schrappe Dekan der Fakultät für Medizin, Universität Witten-Herdecke Dr. med. Mabuse 165 · Januar / Februar 2007 Cornelia Löhmer, Rüdiger Standhardt Die Kunst, im Alltag zu entspannen Einübung in die Progressive Muskelentspannung, Buch und Hör-CD mit Musik von Bernd Holz Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2006, 133 Seiten, 18 Euro Jede Kunst ist erlernbar, auch die Entspannungskunst. Der Titel hält, was er verspricht – das praktische Übungsbuch enthält keine leeren Heilsversprechen. Eher eine realistische Einladung. Einzige Voraussetzung: Eigenes Üben! Dazu ermuntern die AutorInnen, appellieren an die Selbstverantwortung ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben. So schaffen sie Motivation bei den LeserInnen, das Entspannungsverfahren „Progressive Muskelentspannung“ kennen lernen zu wollen. Die Anleitungen sind eindeutig und verständlich und werden durch 46 Abbildungen der Körperhaltung beim Üben unterstützt. Originalzitate des Begründers dieses Entspannungsverfahrens, Edmund Jacobson, tragen zur Auflockerung bei. „Nervöse Spannung ist ein Zeichen für ein zu hektisches Leben, bei dem Energie vergeudet wird“, so Jacobson schon in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die beiliegende CD enthält Anleitungstexte der gängigen Lang- und Kurzformen des Entspannungsverfahrens. Sie ist nicht zwingend zum Üben erforderlich. In der stimmlichen Form trifft sie nicht jeden Geschmack. Von den AutorInnen wird die CD als Angebot verstanden, nicht als Anweisung. Cornelia Löhmer und Rüdiger Standhardt ermuntern auch an dieser Stelle, der eigenen inneren Stimme zu vertrauen. In der Größe einer CD ist das kompakte Übungsbuch auch ein idealer Begleiter für unterwegs. Christiane Kreis Systemische Supervisorin und Entspannungstherapeutin, Oberursel 61