Ganze Ausgabe lesen

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Zwei Jahre hat es gedauert, aus
einem 175 Jahre alten landwirtschaftlichen Anwesen einen ÖkoCampingplatz mit Teichen und
Streuobstw
wie
iese
senn zu machen.
Nomaden
auf Ökotrip
SPEZ20I15AL
Juni
10 Seiten
n
zu achhaltigem
Öko-Camping
Camping ist eine der klimafreundlichsten Urlaubsformen. Der Verein „Ecocamping“ in Konstanz entwickelt seit 13 Jahren Strategien, um die Ökobilanz von Campingplätzen weiter zu verbessern. Eine,
die besonders Spaß macht: im Zirkuswagen oder in der Jurte auf der Schwäbischen Alb übernachten.
TEXT: SIGRID KRÜGEL
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Foto: Eric Vazzoler / Zeitenspiegel
< Besser leben
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Z
uerst kamen die Molche aus dem nahegelegenen
Wald. Danach waren ruckzuck auch die Kröten
und Frösche da und besiedelten die neuen Teiche.
Mit dem Öko-Campingplatz „Hofgut Hopfenburg“
im Biosphärengebiet Schwäbische Alb hat sich Architekt Andreas Hartmaier, im Nebenberuf Campingplatzbetreiber, einen Traum erfüllt. Der Gebäudekomplex mit Festscheune, Backhaus, Seminarräumen und Ställen wurde nach baubiologischen Vorgaben und mit regionalen Baumaterialien saniert. In
»Wir wollten alles hundertprozentig richtig machen und auch
die Menschen nicht vergessen«
Andreas Hartmaier, Campingplatzbetreiber
einem Blockheizkraftwerk erzeugt die Hopfenburg ihren eigenen Strom, die Abwärme wird zur Warmwasserbereitung und im Winter zum Heizen genutzt. Die
Duschköpfe sind mit Durchflussbegrenzern ausgestattet und die Toiletten mit Spartasten. Außerdem
gibt es zwei getrennte Abwassersysteme für Brauchwasser und Regenwasser. Und sobald genug Geld da
ist, will Hartmaier die geplante Drei-Kammer-Grube
mit Ultraviolettbestrahlung bauen, um das Wasser
aus den Duschen aufzubereiten und für die Toilettenspülungen wiederzuverwenden. „Vorbereitet ist alles.“
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80 Stellplätze für Wohnwagen, Wohnmobile und Zelte gibt es auf der Hopfenburg. Dazu acht Jurten, acht
Tipis und sieben Tuareg-Zelte sowie zwei Dutzend
Schäfer- und Zirkuswagen. Die Nomadenunterkünfte
mit ihrem Dach aus roten Holzstäben, über die dicker
blau und grau verzierter Wollfilz gespannt ist, wurden
im Biosphärenreservat Issyk Kul in Kirgistan von Nomadenfamilien gefertigt. Die Tipis hat Hartmaier in
einem Biosphärengebiet in Nordamerika machen lassen, die Zirkuswagen aus Leipzig, Stuttgart und dem
Vogtland nach Münsingen gekarrt.
Baubiologisch renoviert und ausgebaut wurden die
Zirkuswagen in der hofeigenen Schreinerei, in der
auch Jugendliche mit Behinderung arbeiten. Bei den
vielen Maßnahmen zum Naturschutz sollten auf der
Hopfenburg „die Menschen nicht vergessen werden“,
sagt der 58-Jährige über das Inklusionsprojekt. In der
Festscheune können die Campinggäste frühstücken
und zu Abend essen, gekocht wird zu 80 Prozent mit
regionalen Lebensmitteln. Was es, wie etwa Kaffee,
auf der Alb nicht gibt, stammt aus fairem Handel.
„Wir wollten alles hundertprozentig richtig machen“, sagt Andreas Hartmaier. Gut zwei Jahre hat es
gedauert, aus dem 175 Jahre alten Anwesen, auf dem
früher Hopfen für die vielen kleinen Brauereien auf
der Schwäbischen Alb angebaut wurde, einen ÖkoCampingplatz zu machen. 400 hochstämmige Apfelund Birnbäume – seltene und fast ausgestorbene Sorten – säumen heute das Gelände. Waldschafe sorgen
für Ordnung auf den Streuobstwiesen. Und mit ih-
Fotos: Eric Vazzoler / Zeitenspiegel (4), Ecocamping e.V.
Urlaub im Zirkuswagen. „Wir sind eigentlich gar keine Camper“, erzählt Erika
Herold, während ihre
Schwägerin die NeuCamper fotografiert.
< Besser leben
rem laut scheppernden Wiehern wecken Beppo und
Robin, zwei Poitou-Esel, die Langschläfer. „ArcheHof“ nennt Hartmaier diesen kleinen Zoo der bedrohten Nutztierrassen, zu dem auch die beiden Hinterwälder Rinder Babette und Bella gehören. Urlauber
dürfen mit anpacken, die Tiere füttern, melken und
den Stall ausmisten. Bauernhofleben für Einsteiger:
arbeitsreich, aber dabei wild-romantisch.
Vom Internetportal www.glamping.info (zusammengesetzt aus „glamorous“ und „Camping“) wurde
die Hopfenburg deshalb als eine der „10 verträumtesten Glamping-Unterkünfte 2014“ in Europa ausgezeichnet. Vom ADAC gab es wegen des außergewöhnlichen und zukunftsweisenden Konzepts den „Camping Caravaning Award“.
100 Kilometer südlich von Münsingen, in Konstanz am Bodensee, hat der Verein „Ecocamping“ seinen Sitz. Geschäftsführer Wolfgang Pfrommer und
sein Team beraten auch das Hofgut Hopfenburg. Feste Unterkünfte wie dort lägen im Trend, erklärt der
56-Jährige. „Campingurlaub wird immer schicker, es
ist kein Billigurlaub mehr, sondern Naturluxus. Man
kann seine Sehnsucht nach Natur, nach Draußensein stillen.“ Vor 13 Jahren haben Umwelt- und
Campingverbände den Verein gegründet, um Campingurlaub noch grüner zu machen. Heute nutzen
rund 230 Platzbetreiber das von Ecocamping entwickelte Umwelt- und Qualitätsmanagementsystem.
Ganz oben auf der Prioritätenliste steht die
CO2-Bilanz. Es gilt, Energie und Wasser effizient zu
nutzen und Abfälle zu recyceln oder ganz zu vermeiden. Das Leitbild enthält mehr als ein Dutzend Ziele,
darunter die Förderung von Artenvielfalt und sanfter
Mobilität, die Bevorzugung regionaler Produkte und
Dienstleister sowie der Ausbau barrierefreier Lebensräume. Insgesamt prüfen die Mitarbeiter bei der Zertifizierung eines Platzes 600 Aspekte.
Ausgefallene Mietunterkünfte wie auf der Hopfenburg sind nicht nur bei den Gästen beliebt, erzählt
Wolfgang Pfrommer. Sie haben einen entscheidenden Umweltvorteil: „Urlauber können mit leichtem
Gepäck und öffentlichen Verkehrsmitteln reisen.“
Denn ein Großteil der Emissionen nahezu jedes Urlaubs entsteht bei der An- und Abreise. Wer Gaskocher, Luftmatratze und Geschirr nicht mitschleppen
muss, braucht auch keinen eigenen Wagen. Die
meisten Mietunterkünfte – vom Baumhaus bis zum
Schäferwagen – sind heute ähnlich ausgestattet wie
eine Ferienwohnung. Wer es ernst meint mit dem
klimafreundlichen Urlaub, sollte daher eine feste Unterkunft auf einem energieeffizienten Campingplatz
buchen und mit dem Zug fahren, rät der Fachmann.
Wie viel klimafreundlicher Öko-Camping ist, untersuchte 2011 Unternehmensberater Gunter Riechey. Seine EU-geförderte Studie „Betriebswirtschaft-
liche Analyse von ausgewählten Campingplätzen mit
Ecocamping-Management im Bundesgebiet und in
Mecklenburg-Vorpommern“ kommt zu dem Ergebnis,
dass Campingplätze mit Ecocamping-Management
„sowohl wirtschaftlich erfolgreicher als auch ressour-
»Campingurlaub wird immer
schicker, es ist kein Billigurlaub
mehr, sondern Naturluxus«
Wolfgang Pfrommer, Geschäftsführer von Ecocamping
ceneffizienter und damit umweltschonender sind“.
Sprich: Umweltschutz zahlt sich aus. Vor allem beim
Wasserverbrauch macht sich das Engagement in grüne Technologien bemerkbar. Laut der Untersuchung
verbrauchten Ecocamping-Plätze im Durchschnitt
81,9 Liter je Übernachtung und Person. Bei konventionellen Anlagen waren es 90,6 Liter – und damit fast
elf Prozent mehr. „Obwohl die Betriebe mit Ecocamping über wesentlich mehr wasserintensive Schwimmbäder verfügen, was einen höheren Wasserverbrauch
erwarten lassen würde“, wie es in dem Gutachten
Beppo und Robin
heißen die beiden
Poitou-Esel auf der
Hopfenburg. AnnaMaria Jenny, hauswirtschaftliche Leiterin, backt Brot für die
Gäste (ganz unten).
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»Wir analysieren den Ist-Zustand
und schauen, wo die Potenziale
eines Campingplatzes liegen«
Carina Dambacher, Projektleiterin bei Ecocamping
Die Gäste auf Klausenhorn können sich
kostenlos einen Solarkocher ausleihen.
Direktvermarkter verkaufen mehrmals pro
Woche Lebensmittel
aus der Region.
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Erlebnisräume. Das klingt wie ein pädagogischer
Auftrag, ist aber ein klares wirtschaftliches Interesse,
denn wenn die Kinder sich wohlfühlen, kommen die
Gäste wieder“, so Carina Dambacher, Projektleiterin
und bei Ecocamping unter anderem für die Themen
„Naturnahe Freizeitgestaltung“ und „Bildung für
nachhaltige Entwicklung“ zuständig. 30 Campingplätze können mitmachen. „Wir analysieren den IstZustand und schauen, wo die Potenziale liegen.“
Feuchtgebiete sind ein Thema, Trockenmauern für
Eidechsen und Reisigwälle, in denen der Zaunkönig
sein Nest baut und der Igel Unterschlupf findet.
Auch kleine Dinge, die den Gästen Freude machen,
seien wichtig, sagt Dambacher: „Ein Kräutergarten
zum Beispiel, aus dem man sich bedienen kann.“
Oder Baumarten, die tiefhängende Äste haben, „damit Kinder raufklettern können.“
Viel Erfahrung mit solchen Angeboten hat auch
Klaus Engelmann, Chef des Campingplatzes Klausenhorn, 20 Autominuten von Konstanz entfernt.
Klausenhorn, im Besitz der Stadt Konstanz, war das
erste Projekt von Ecocamping, noch bevor es den Verein überhaupt gab. 1998 wurde die Anlage – damals
noch unter Federführung der Bodensee-Stiftung und
geistigen Mutter von Ecocamping, energetisch auf
Vordermann gebracht. Mit Solaranlage, Photovoltaik, Wasserspartechnik und begrüntem Dach. Für
Engelmann bedeutet Öko-Camping, „dass man die
Natur so wenig wie möglich stört“. 1989 hatte der
gelernte Vermessungstechniker die Nase voll vom
Bürojob und wechselte ins Campinggewerbe. Und
rief als erstes den „müllfreien Campingplatz“ aus.
„Die Kosten für die Abfallentsorgung fraßen uns den
Gewinn weg.“ Die Camper kauften verpackte Ware
im Discounter und der Müll blieb ungetrennt. „Aber
man muss nur mit den Leuten reden“, sagt Engelmann. So habe er es die ganzen Jahre gehalten und
damit Erfolg gehabt.
Man muss die richtigen Angebote machen, sagt
Wolfgang Pfrommer, und da sei Klausenhorn ein
Musterschüler. An der Wertstoffinsel im Eingangsbereich wird alles getrennt: Flaschen, Dosen, Eierkartons, Korken. Verschiedene Direktvermarkter bieten
schon seit vielen Jahren Obst und Gemüse, Fleisch
und Wurst, Honig und Käse direkt auf dem Platz an.
Statt im Discounter abgepackte Ware zu kaufen, kommen die meisten Gäste mit Einkaufskorb und Kunststoffbehälter. Wer auf Klausenhorn eincheckt, bekommt außerdem ein Infoblatt mit den Adressen vom
örtlichen Metzger und Bäcker und vom Bauernhof mit
Frischmilchautomat ausgehändigt, Experimentierfreu-
Fotos: Ecocamping e.V., Hans König (2), Tourist-Information Konstanz GmbH, Zeitenspiegel
heißt. Ähnlich die Ergebnisse bei Strom und Heizung.
Für Ecocamping-Plätze ermittelte Riechey einen
Stromverbrauch von 2,83 Kilowattstunden pro Übernachtung, bei Plätzen ohne Öko-Anspruch waren es
3,00 Kilowattstunden, also sechs Prozent mehr. Bei
der Heizenergie kam der Gutachter auf eine Ersparnis
von 3,5 Prozent gegenüber konventionellen Plätzen.
Ressourceneffizienz ist aber nur ein Bereich, der in
Konstanz beackert wird. In einem neuen Projekt geht
es um biologische Vielfalt. „Campingplätze brauchen
Direkt am Bodensee: Der Öko-Campingplatz Klausenhorn gehört der
Stadt Konstanz.
dige können sich auch kostenlos einen der Solarkocher
ausleihen. 36 Kräutertöpfe stehen zum Plündern bereit, ebenso wie eine Getreidemühle und Teigmaschine
– fürs gemeinsame Pizza- und Flammkuchenbacken.
Der Campingplatzchef sagt: „Die Natur ist der Ast,
auf dem wir sitzen.“ Und so sähen es auch die meisten seiner Gäste. Früh um fünf, wenn Engelmann
zur Vogelwanderung ruft, stehen sie parat, mit Fernglas und Fotoapparat. Tausende hat er so schon in die
Vogelwelt am Bodensee eingeführt und Hunderte
Nistkästen mit ihren Kindern gebaut. Für den Platzbesitzer ist Camping auch „ein Lernort für Zuhause“.
2014 haben sich die Klausenhorner zum ersten Mal
in Foodsharing versucht. Nudeln übrig oder Karotten? „Wir haben einen Kühlschrank aufgestellt, in
den jeder Lebensmittel legen konnte, die er nicht aufbrauchte.“ Etwas zäh lief das Ganze, „aber man darf
nicht gleich aufstecken“, sagt Engelmann. „Für neue
Ideen braucht man Sitzfleisch und Geduld.“ Der
■
Campingveteran hat beides.
Sigrid Krügel
hatte fast schon vergessen, wie
schön Campen sein kann. So wunderbare Plätze wie die Hopfenburg mit Zirkuswagen, kirgisischen Jurten und Eselgewieher
zum Frühstück gab es in ihrer
Kindheit leider noch nicht.
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Yes, we camp
Anna Klein
Die Wirtschaftswissenschaftlerin
lehrt an der International University of Applied Sciences (IUBH)
Duales Studium in München. Ihre
Doktorarbeit wurde mit dem
NatureLife Nachhaltigkeitspreis
2014 und dem ITB Wissenschaftspreis 2015 ausgezeichnet.
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natur: Camping boomt, auch bei Leuten, die sich locker einen Familienurlaub im Hotel leisten können.
Klein: Über LOHAS heißt es oft, das sind
die Wohlhabenden dieser Welt. Das
stimmt so aber nicht. LOHAS bedeutet
„Lifestyles of Health and Sustainability“
und ist eine Bewegung unterschiedlicher
Lebensstile, in deren Mittelpunkt Gesundheit und Nachhaltigkeit stehen. Sie
betrachten den Konsum als Möglichkeit,
die Welt zu verändern. Das unterscheidet
sie von den Ökoaktivisten der ersten
Stunden in den 70er Jahren, die Konsum
per se schlecht fanden. Es gibt genügend
LOHAS, die eher zu den unteren Einkommensklassen gehören, die sich aber trotzdem gesund ernähren und Produkte aus
fairem Handel kaufen wollen. Was die
Freizeit angeht: Camping ist Urlaub in der
Natur und das ist auf alle Fälle das, was
LOHAS anstreben.
Wen haben Sie befragt?
In der LOHAS-Gruppe waren Leute, die
ich über die drei bedeutendsten LOHASPortale in Deutschland gesucht habe: utopia.de, karmakonsum.de und lohas.de. Die
zweite Gruppe bestand aus Nicht-LOHAS,
bei denen die wichtigsten demografischen
Kriterien wie Alter, Einkommen und Geschlecht mit denen der LOHAS übereinstimmten. Die Gruppen bestanden aus
einem Drittel Männer und zwei Dritteln
Frauen – von dieser Verteilung gehen
auch die wichtigsten Untersuchungen
über LOHAS aus. Die meisten waren zwischen 20 und 50.
Wohin reisen LOHAS am liebsten?
LOHAS verreisen öfter innerhalb von
Deutschland. Wenn sie ins Ausland fahren, dann bevorzugt in Nachbarländer
wie Frankreich, Österreich, die Schweiz
oder nach Westeuropa, zum Beispiel Ir-
land und England. Sie machen lieber
Outdoor-Urlaub als eine Pauschalreise.
Weniger interessiert sind sie an preiswerten Strandzielen in Bulgarien und Griechenland.
Nachhaltigkeit fängt ja bei der Mobilität an ...
Für die Anreise nutzen LOHAS häufiger
umweltfreundliche Verkehrsmittel wie
den Zug oder öffentliche Verkehrsmittel.
Am Urlaubsort sind sie häufiger mit dem
Fahrrad unterwegs.
Und wo schlafen sie am liebsten?
Bei der Wahl der Unterkunft konnte ich
ebenfalls Unterschiede feststellen. LOHAS
präferieren stärker als die Vergleichsgruppe die sogenannte Para-Hotellerie – wie
zum Beispiel Ferienwohnungen und
Campingplätze. Meine Vermutung wäre,
dass diese Unterkunftsarten eine individuellere Urlaubsgestaltung ermöglichen
als dies bei Hotels der Fall ist. Eine Ferienwohnung mieten 20,7 Prozent der LOHAS am liebsten. Für Zelt, Wohnwagen
und Wohnmobil entscheiden sich 13,4
Prozent. Im Hotel übernachten 20,7 Prozent, aber 36,3 Prozent der Nicht-LOHAS.
Was hat Sie am meisten überrascht?
Als wichtigstes Kriterium für die Wahl einer Unterkunft nannten LOHAS die biologische Küche mit regionalen und saisonalen Gerichten. Das würde auch erklären, warum LOHAS Ferienwohnungen
und Campingplätze bevorzugen. Bioverpflegung im Hotel gibt es vor allem im
hochpreisigen Segment. Wer nicht so viel
Geld ausgeben will oder kann, wählt die
Ferienwohnung oder den Campingplatz,
wo er sich selbst verpflegen kann. Fast genauso wichtig waren die Erreichbarkeit
mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die
Kennzeichnung mit einem Gütesiegel für
■
nachhaltigen Tourismus.
Foto: privat
Die Urlaubsvorlieben von Menschen, die ihr Leben gesundheitsbewusst und nachhaltig gestalten
wollen, hat Anna Klein in ihrer Dissertation untersucht. Dabei stellte sie fest: 13,4 Prozent der sogenannten LOHAS bevorzugen Zelten und Urlaub im Wohnwagen oder Wohnmobil. natur sprach mit
der Professorin für Tourismuswirtschaft über ihre Ergebnisse.
Ab in den Urlaub
Lust auf Hotel? Hat aber keine gute Klimabilanz! Komfort schadet der Umwelt
eher. Das Wohnmobil, das auf einem einfachen Stellplatz geparkt wird, schneidet
deshalb laut Ökoinstitut auch besser ab
als ein Campingplatz. In die Übernachtung auf Campingplätzen fließen nämlich
auch Schwimmbäder, Sanitäranlagen und
Restaurants ein. Der Haken bei der Sache:
Wer zwei Wochen Ferien mit dem Wohnmobil macht, wird sich kaum mit einem
Stellplatz begnügen, auf dem außer Strom
nicht viel geboten ist. Am umweltfreundlichsten ist übrigens der Urlaub auf einem
Öko-Campingplatz.
Der klimafreundlichste Urlaub ist die
Radtour ab der Haustür. Die Reise hin
zum Urlaubsziel und zurück verursacht
nämlich die meisten Emissionen. Größter
Klimakiller: das Flugzeug. Bei Mittel- und
Langstreckenflügen erreicht es Flughöhen, in denen nicht nur Kohlendioxid,
sondern auch Stickoxide, Wasserdampf,
Partikel und Schwefeloxide den Treibhauseffekt verstärken. Am besten schneidet der Reisebus ab. Pkw und Wohnmobil
sind ungünstiger als der Bus, auch wenn
sie mit vier Personen besetzt sind.
natur-Tipp
In der Untersuchung des Ökoinstituts nicht berechnet wurde die Variante
„Mit dem Reisebus zum Campingplatz auf Rügen“. Das aber wäre der absolute
Klima-Tipp: Laut Berechnung von natur fallen dabei nur 100 Kilogramm klimaschädliche Emissionen an. Und: Finger weg von Kreuzfahrten. Wer zwölf
Tage durch die Ostsee schippert, verursacht 2,3 Tonnen CO2-Äquivalente.
Zu guter Letzt ein Fallbeispiel: Zwölf Tage
Urlaub auf Rügen, Herr und Frau M. wohnen in Frankfurt am Main, Fahrstrecke:
1570 Kilometer hin und zurück. Welche
Art Urlaub ist am ökologischsten, wenn
man die Faktoren An- und Abreise, Übernachtung, Verpflegung und die Mobilität
vor Ort zusammen betrachtet? Laut Ökoinstitut ist es der Campingurlaub mit dem
Pkw. Er trägt mit knapp 226 Kilogramm
CO2-Äquivalente zur globalen Erwärmung bei (CO2-Äquivalente bedeutet: die
chemischen Verbindungen, die zum
Treibhauseffekt beitragen, umgerechnet
auf Kohlendioxid). Beim Urlaub im
Wohnmobil sind es 235 Kilogramm. Allerdings nur, wenn kein Campingplatz in
Anspruch genommen wird. Wohnmobilisten, die auf dem Campingplatz Urlaub
machen, verursachen knapp 274 Kilogramm CO2-Äquivalente. Da ist es klimafreundlicher, mit dem Reisebus zu fahren
und im Hotel abzusteigen.
Die komplette Untersuchung, die auch Vergleiche für eine Südfrankreich-Reise und Winterurlaub in den Dolomiten enthält,
kann kostenlos beim Ökoinstitut im Internet heruntergeladen werden: www.oeko.de/oekodoc/1572/2013–428-de.pdf
Quelle: Vergleichende Klimabilanz von Motorcaravanreisen, Öko-Institut 2013, und Ecocamping-Netzwerkanalyse 2013 (Anteil Verpflegung geschätzt)
73 Mal zur Sonne und zurück: Diese Strecke legen die Deutschen pro Jahr in ihrer Freizeit und bei Urlaubsfahrten zurück, insgesamt 22 Milliarden Kilometer. Das Ökoinstitut Freiburg hat im Auftrag des Caravaning Industrie Verbandes (CIVD) untersucht, wie viel klimaschädliche Emissionen bei Urlaubsreisen entstehen. natur hat
ausgerechnet: Nehmen Sie den Fernbus und gehen Sie campen. Klimafreundlicher geht’s nicht.
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Immer mehr Urlauber
gehen campen, wie
Statistiken zeigen.
Ein Platz an der Sonne
Camping boomt. Um mehr als sieben Prozent ist die Zahl der Übernachtungen auch 2014
wieder gestiegen. Was müssen Neueinsteiger wissen? An welchen Siegeln erkennt man
einen Öko-Campingplatz? Und wo ist es besonders schön?
Ecocamping
230 Mitglieder in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Slowenien und Kroatien. Elf Campingplätze sind inzwischen klimaneutral,
sie tragen das Zeichen „Klimafreundlicher Betrieb“. Wertung der
Verbraucherinitiative: Die Auszeichnung Ecocamping-Management gibt Urlaubern gute Hinweise auf nachhaltige Strategien im Campingsektor. Da keine
konkreten Kriterien oder Kennzahlen vorgegeben werden, wird
keine Bewertung vorgenommen.
www.ecocamping.de
Grünes Blatt
Der ADAC kennzeichnet in seinem aktuellen Campingführer 167 besonders
klimafreundliche Betriebe mit dem
Grünen Blatt. Wichtige Kriterien sind
der Einsatz alternativer Energiequellen,
die Einsparung von Trinkwasser und
die Nutzung von Brauchwasser (mindestens 30 Prozent des Gesamtwasserbedarfs). Verbraucherinitiative: keine Erwähnung.
www.campingfuehrer.adac.de
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Viabono
Viabono wurde 2001 auf Initiative des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes gegründet.
15 Campingplätze in Deutschland sind zertifiziert. Wertung der Verbraucherinitiative: Es
handelt sich um ein anspruchsvolles Label, das zu ökologischen
Verbesserungen im Tourismus beiträgt und das auch einzelne soziale Forderungen aufstellt. Empfehlenswert.
www.viabono.de
EU-Ecolabel
Unter anderem müssen bei Campingplätzen mindestens 50 Prozent des
Stroms aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Neun Campingplätze in
Deutschland sind zertifiziert. Wertung
der Verbraucherinitiative: Die Kriterien für die Vergabe des Labels werden von unabhängigen Stellen
mitentwickelt. Umfassende und unabhängige Kontrollen machen das Label glaubwürdig. Besonders empfehlenswert.
www.eu-ecolabel.de
Übersichtlich
Eine gute Übersicht über Campingplätze, zum Teil in ganz
Europa, bieten auch folgende Portale:
www.campingplatz-deutschland.de
www.camping.info
www.eurocampings.de
Foto: Kerstin Bittner
Die Siegel
Wer nach einem klimafreundlichen Campingplatz sucht, stößt
am häufigsten auf das blau-grün-gelbe Logo von Ecocamping
und das Grüne Blatt des ADAC. Nur wenig verbreitet sind das
Logo von Viabono und das EU-Ecolabel.
Anders campen
Camping im privaten Garten. Aus Großbritannien und den
Niederlanden ist der neueste Trend der Share Economy inzwischen auch in Deutschland und dem Rest von Europa angekommen: Auf der Internetseite „Camp in my Garden“ bieten Gartenbesitzer private Campingmöglichkeiten an.
www.campinmygarden.com
Schwimmender Wohnwagen. Wohnwagen und Schiff zugleich ist der Sealander. Das Fahrwerk ist voll verzinkt, die Radnaben ölgelagert und zum Schutz vor dem Wasser versiegelt.
www.sealander.de
Huckepack. Eine schwimmende Plattform für sein Wohnmobil
oder den Wohnwagen kann man in Mecklenburg-Vorpommern
mieten. www.camping-maritim.de, www.freecamper.de
Glamorous Camping. „Die Idee von einem naturnahen Urlaub, ohne auf einen gewissen Luxus zu verzichten, wird sich
weiter durchsetzen“, ist Zukunftsforscher Eike Wenzel überzeugt. „Glamping“ nennt er diesen Trend, ein Kunstwort aus
„glamourous“ und „Camping“.
www.glamping.info
Lieblingscampingplätze
Vegane Chefin in 17279 Lychen, www.siebenseen.de
Den NABU im Boot in 24306 Plön, www.spitzenort.de
Bioladen und Büchertauschbude in 29525 Uelzen,
www.uhlenkoeper-camp.de
Esel und Zirkuswagen in 72525 Münsingen,
www.hofgut-hopfenburg.de
Storch ahoi in 78465 Konstanz-Dingelsdorf,
www.camping-klausenhorn.de
Galloways und Naturschwimmteich in 88094 Oberteuringen/Neuhaus, www.camping-am-bauernhof.de
Agility für Herrchen und Hund in 94234 Viechtach,
www.knauscamp.de/viechtach.html
Lerncamping in I-39100 Bozen, www.moosbauer.com
Unter Obstbäumen schlafen in CH-2572 Sutz-Lattrigen,
www.camping-lindenhof.ch
Tipps für Einsteiger
Platz reservieren. Vor allem an den langen Wochenenden und
in den Sommerferien sind Campingplätze oft ausgebucht.
Testcampen. Zelt vor dem Urlaub zuhause aufbauen und Gaskocher und ähnliche Gerätschaften vorher ausprobieren.
Entspannt packen. Eine Checkliste, damit man nichts vergisst,
gibt es unter www.campingplatz-deutschland.de/camping-fuer-ein
steiger/checkliste.html.
Wild campen. In Deutschland ist das Zelten auf öffentlichem
Gelände nur an speziell gekennzeichneten Orten gestattet. Auf
privatem Gelände muss vorher das Einverständnis des Eigentümers eingeholt werden.
Weitere Tipps: Bundesverband der Campingwirtschaft, www.
bvcd.de. Was in anderen Ländern erlaubt ist, weiß der ADAC,
www.campingfuehrer.adac.de/campinglexikon/lexikon.php.
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