ANGEHÖRIGE DIE ABHÄNGIGEN VON ABHÄNGIGEN

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ANGEHÖRIGE DIE ABHÄNGIGEN VON ABHÄNGIGEN
ANGEHÖRIGE
DIE ABHÄNGIGEN VON ABHÄNGIGEN
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Inhaltsverzeichnis
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
Vorwort
Für die Angehörigen von Suchtkranken
Suchtkrankheit
Merkmale der Sucht
Die Angehörigen
Erste Selbsterkenntnis
Die Anpassung an den Suchtkranken
Die Unterordnung an den Suchtkranken
Co-Abhängigkeit
.Die Bereitschaft zur Co-Abhängigkeit
Der Weg in die Abhängigkeit vom Abhängigen
Die Herausforderung der Angehörigen
Test zur Einschätzung der persönlichen Co.Abhängigkeit
Hilfe, die wirkt
Kinder von Suchtkranken
Verwirrende Erfahrungen
Typische Verhaltensmuster der Kinder
Erwachsene Kinder von Suchtkranken
Unheilsame Verstrickungen
Bedachtsamer Alkoholkonsum für gefährdete Jugendliche
Der Rückfall
Weitere Rückfallsgefahren
Zusammenfassung: Ratschläge für Angehörige
Literaturempfehlungen
Der Einfachheit und auch der weit
überwiegenden Realität halber sind wir
im vorliegenden Text von männlichen
Suchtkranken und weiblichen Partnern
ausgegangen. Selbstverständlich gelten
die Ausführungen auch für die umgekehrten oder für gleichgeschlechtliche
Partnerschaftsbeziehungen.
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1. Vorwort
Angehörige von Suchtkranken fühlen sich oft allein gelassen in ihren
Sorgen um, ihren Ängsten vor und ihren leidvollen Erfahrungen mit
den Abhängigen. Nicht selten sind sie Vorwürfen, Demütigungen und
Gewalttätigkeiten von Seiten des Drogenkonsumenten ausgesetzt.
Aber auch stille oder gar laute Schuldzuweisungen, Vorhaltungen,
Abneigungen und Distanzierungen von Außenstehenden kommen allzu häufig vor. Und Angehörige erleben sich selbst hin und hergerissen zwischen der „Verpflichtung“ zur Solidarität und Unterstützung
und eigener Aufopferung einerseits sowie Wut, Hass, Depression und
Verzweiflung andererseits. Sie spüren ihre Ohnmacht, wollen aber
helfen und stoßen stets auf die eigene Hilflosigkeit. Diese Broschüre
möchte ihnen Mut machen, die Suchtkrankheit beim Partner ungeschminkt anzuerkennen und auch die eigenen Belastungen und unheilvollen Verstrickungen kritisch wahrzunehmen. Sie möchte aber
auch aufzeigen, dass alle Angehörige meist in ganz ähnlichen Konflikten und innerer Zerrissenheit stecken. Selbstvorwürfe sind also
ganz unangebracht. Ja, sie will sogar auffordern, die eigenen Verhaltensweisen und Beziehungsmuster als Ausdruck einer Abhängigkeit
zu sehen – als Abhängigkeit vom Suchtkranken! Und sie enthält eine
Reihe konkreter Maßnahmen und Empfehlungen, um aus diesem
Suchtkreislauf auszusteigen. Erst dieser Schritt kann den Abhängigen dazu bringen, selbst aus seiner Sucht auszusteigen. Hier soll
aber auch auf Kinder von Suchtkranken eingegangen werden, die bis
in das Erwachsenenalter von diesen Belastungen und traumatischen
Erlebnissen geprägt und beeinträchtigt sein können.
Angehörigen kommt auch eine
überaus wichtige Bedeutung zur
Früherkennung einer Suchterkrankung im familiären Umfeld
zu.
Angehörigen kommt auch eine überaus wichtige Bedeutung zur
Früherkennung einer Suchterkrankung im familiären Umfeld zu.
Meist wird ein problematischer Umgang mit Suchtmitteln von ihnen
viel früher wahrgenommen als von den Konsumenten selbst. Deren
Missbrauch wird allerdings oft lange Zeit geduldet, geleugnet, bagatellisiert. Doch ist gerade eine frühe kritische und achtsame Haltung
entscheidend, um langes Elend einer Suchterkrankung zu verhindern
oder abzukürzen. Angehörige spielen somit eine zentrale Bedeutung
in der Motivation und Bereitschaft für die Beratung und Behandlung der Suchtkranken. Diese Broschüre soll aber nicht zuletzt den
Angehörigen eine Anleitung zur Verfügung stellen, sich auch selbst
besser und entschiedener zu helfen bzw. auch selbst Unterstützung
und begleitende Hilfe aufzunehmen.
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2. Für die Angehörigen von Suchtkranken
Alle, die mit einem Suchtkranken zu tun haben, brauchen Hilfe. Denn
jeder, der sich einem Süchtigen zugehörig fühlt, gerät selbst mit
in den Sog der Abhängigkeit. Auch Freunde und Freundinnen sowie
Arbeitskollegen sind mit den Auswirkungen konfrontiert, die eine
Verbindung zu einem Alkoholiker mit sich bringen. Für alle Beteiligten verändert sich das Leben. Allerdings kommen diese Veränderungen schleichend, was es erschwert, sie zu erkennen.
Jeder, der sich einem Süchtigen
zugehörig fühlt, gerät selbst
mit in den Sog der Abhängigkeit.
Alkoholismus gilt noch immer als gesellschaftliches Tabuthema.
Der Betroffene wird häufig sozial und moralisch geächtet. Deshalb
bemühen sie sowie deren Angehörige sich lange, dieses Problem vor
sich und anderen zu verleugnen. Wer die Realität verleugnet, will
sich und seine Umgebung nicht bewusst täuschen. Verleugnen verschafft einen letzten „Schonraum“, um sich an eine fast unerträgliche Wahrheit zu gewöhnen.
(Der Einfachheit und auch der weit überwiegenden Realität halber
sind wir im vorliegenden Text von männlichen Suchtkranken und
weiblichen Partnern ausgegangen. Selbstverständlich gelten die
Ausführungen auch für die umgekehrten oder für gleichgeschlechtliche Partnerschaftsbeziehungen.)
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3. Die Suchtkrankheit
Der Übergang vom gewohnheitsmäßigen Trinken zur Suchtkrankheit
vollzieht sich schleichend und oft unmerklich. Die Suchtkrankheit
selbst ist gekennzeichnet durch schwere körperliche, psychische
und soziale Folgeerscheinungen. Nicht mehr der Trinker benützt das
Suchtmittel, sondern das Suchtmittel hat ihn „im Griff“. Die Grenze zwischen „normalem“ und abhängigem Alkoholkonsum verläuft
für jeden Einzelnen unterschiedlich und differenziert. Es gibt nicht
„den Alkoholiker“, sondern eine Vielzahl individuell ausgeprägter
Abhängigkeitsprobleme, wobei sich Trinkanlässe, Trinkmengen und
Trinkdauer sowie der Grad der körperlichen und psychischen Abhängigkeit erheblich unterscheiden. Sie existieren in verschiedenen
Formen und Ausprägungen. Als abhängig gilt, wer auf Alkohol nicht
verzichten kann, ohne dass unangenehme körperliche Symptome
und seelisches Unbehagen auftreten. Oder wer immer wieder soviel
Alkohol trinkt, dass er sich und anderen damit schadet. Zur zuverlässigen Beurteilung einer beginnenden Suchterkrankung bedarf
es jedoch immer der selbstkritischen Beurteilung des Betroffenen.
Fachleute und Angehörige können zu dieser Fragestellung allenfalls
wichtige Denkanstösse und Hilfeleistungen für eine realistische und
kritische Selbstwahrnehmung bieten. Die endgültige Entscheidung
obliegt aber dem Konsumenten selbst.
Als abhängig gilt, wer auf Alkohol nicht verzichten kann, ohne
dass unangenehme körperliche
Symptome und seelisches Unbehagen auftreten.
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4. Merkmale der Sucht
Drei wesentliche Kriterien bilden untrügliche Kennzeichen einer
Suchterkrankung. Zum einen zwingt die körperliche Abhängigkeit
aufgrund der Entwicklung von Entzugserscheinungen (Zittern,
Schweißausbrüche, morgendlicher Brechreiz, innere Unruhe) den
Trinker, neuerlich Alkohol zu konsumieren. Diese treten immer dann
auf, wenn sich der Alkoholspiegel im Blut nach mehrstündigen bis
eintägigen Abstinenzphasen senkt, also vornehmlich während der
Nacht und am Morgen. Zum anderen führt die psychische Abhängigkeit zur zunehmenden gedanklichen Fixierung und zum drängenden
Verlangen nach dem Suchtmittel. Und drittens kennzeichnet der
Kontrollverlust die Suchtproblematik. Danach vermag ein süchtig
gewordener Mensch sein Suchtmittel nicht mehr mäßig oder normal
zu konsumieren, zumindest nicht über einen längeren Zeitraum. Viel
mehr gleitet er trotz subjektiv ernsthafter und selbstauferlegter
gemäßigter Konsumabsichten zwangsweise in einen unkontrollierbaren Suchtmittelmissbrauch. Es bleibt festzuhalten, dass zur Entstehung einer Alkoholabhängigkeit keine notwendigen und spezifischen
Gründe existieren müssen. Vielmehr wirken stets mehrere Motive
und Einstellungen für einen missbräuchlichen Konsum ineinander
und verstärken sich wechselseitig. Im Prinzip kann jeder Mensch
durch häufigen Alkoholkonsum süchtig werden. Dagegen hängt es
entscheidend vom Betroffenen und seinem Umfeld ab, wie schnell
und wie lange dieser Prozess abläuft.
Körperliche und psychische
Abhängigkeit sowie Kontrollverluste kennzeichnen die Suchterkrankung
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5. Die Angehörigen
Angehörige fühlen sich nicht selten mitschuldig an der Suchtproblematik eines Familienmitgliedes. Sie glauben, etwas falsch gemacht
zu haben, nicht liebevoll oder nicht streng genug gewesen zu sein,
zuwenig Zeit gehabt oder zuwenig miteinander geredet zu haben.
Sie übersehen leicht, dass in jeder Partnerschaft Probleme auftauchen und Alltagssorgen oft nicht einfach zu lösen sind. Dennoch
greifen viele Menschen, die in ebenso schwierigen Situationen stecken, nicht zum Alkohol. Verschiedene quälende Fragen bleiben für
Mitbetroffene offen:
Angehörige fühlen sich nicht
selten mitschuldig an der
Suchtproblematik eines Familienmitgliedes
Warum hört er nicht mit dem Trinken auf? Er wird noch seine Arbeit verlieren und sich selbst langsam, aber sicher zerstören! Warum trinkt er weiter? Wir könnten es doch so schön haben! Kann er
nicht mir zuliebe oder wegen der Kinder oder der Eltern aufhören?
Liebt er uns denn gar nicht mehr? Bedeuten wir ihm gar nichts?
Wie kann er uns das antun, sieht er nicht, wie wir darunter leiden?
Meistens werden Angehörige früher als der Betroffene selbst auf die
besonderen Anzeichen der Suchterkrankung aufmerksam.
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6. Erste Selbsterkenntnis
Um das Verhältnis zu einem Suchkranken sowie eine mögliche
Suchterkrankung realistisch einzuschätzen, sollten sich Angehörige
folgende Fragen stellen:
Mache ich mir wegen des Trinkens einer nahestehenden Person
oder der Folgen dieses Trinkens Sorgen? Ärgere ich mich über ihr
Trinken? Werde ich durch das Trinken einer anderen Person dazu
gebracht, mich anders zu verhalten als sonst? Leiden ich und auch
andere Personen unter den Folgen des Trinkens wie Stimmungsschwankungen, Aggressionen, Geldmangel oder Behördenprobleme?
Schäme ich mich in Situationen, in denen die betroffene Person
trinkt? (nach Lambrou 2000)
Sollten Angehörige mehrere dieser Fragen mit „Ja“ beantworten,
sind sie bereits in problematischen Beziehungsmustern mit einem
Suchtkranken verwickelt – möglicherweise ohne sich diese Krankheit
des Betroffenen selbst einzugestehen oder darüber zu sprechen.
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7. Die Anpassung an den Suchtkranken
In Beziehungen mit einem Alkoholabhängigen werden vom sozialen
Umfeld ständig ungewohnte Anpassungen verlangt. Ein Suchtkranker verhält sich oft unvorhersehbar, sodass das Gleichgewicht in
einer Gemeinschaft täglich neu hergestellt werden muss. Außerdem verändert er sich deutlich in seinen Wesenszügen. Durch sein
Trinken, Reden und Handeln stellt er unübersehbar und dauerhaft
Forderungen an alle. Diese gestörte Balance kann nur auf Kosten
der anderen ausgeglichen werden. Daher passen die Familienmitglieder oder Arbeitskollegen – oft unbewusst – ihr Leben den alltäglichen Verhaltensweisen des Suchtkranken an. Im Mittelpunkt der
Beziehung oder des Familienlebens steht nicht mehr das Wohlergehen aller, sondern nur noch das Reagieren und Ausgleichen auf den
Abhängigen hin.
Durch sein Trinken, Reden und
Handeln stellt der Suchtkranke
unübersehbar und dauerhaft
Forderungen an alle
Angehörige bemühen sich lange Zeit mit Angeboten, die letztlich
nicht helfen. Hierzu gehört der Versuch, das Trinken des Familienmitgliedes vor anderen Menschen zu verheimlichen. Sie rufen etwa
am Arbeitsplatz an, um den Problemtrinker als krank zu melden, obwohl er lediglich aufgrund einer durchzechten Nacht nicht aus dem
Bett kommt. Der Arbeitkollege, der in der Arbeitszeit nach Alkohol
riecht, wird lange Zeit toleriert und keinesfalls darauf angesprochen.
Der Suchtkranke hat die Konsequenzen seines Handelns oft selbst
nicht auszubaden. Denn es ist immer wieder jemand da, der für
ihn bereit ist zu lügen, ihn zu decken oder seine „Erklärungen des
Trinkens“ zu glauben. Auch im Betrieb findet sich häufig jemand, der
die liegengebliebene Arbeit erledigt, ihn verteidigt und sich mit ihm
solidarisiert.
Das Verhalten des Alkoholikers bringt Personen in seiner Umgebung
in Zugzwang. Sie müssen rasch reagieren. Für viele Angehörige
erscheint im Schweigen und Verheimlichen eine erste Lösung zu
liegen. Niemand soll von den Alkoholproblemen wissen. Wenn nicht
darüber geredet wird kommt man auch nicht ins Gerede. So hilft das
Tabu nach außen hin die Illusion aufrecht zu erhalten, als ob alles in
Ordnung wäre.
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8. Die Unterordnung an den Suchtkranken
Allerdings muss der Einsatz von Angehörigen zunehmend erhöht
werden. Angehörige hoffen stets auf eine Wende, bringen ihre ganze
Kraft und Energie auf, um den Suchtkranken zu einer Änderung zu
bewegen. Sein Verhalten wird vom Alkohol beherrscht und bestimmt
ansteigend die Lebensumstände seiner sozialen Umgebung. Er
nimmt weniger Rücksicht auf andere und weigert sich zunehmend
Verantwortung für sein Verhalten zu tragen. Die Anforderungen
an die Mitmenschen steigen kontinuierlich. Lange Zeit versuchen
Angehörige, ihren „Einsatz“ zu erhöhen, um dadurch den Suchtkranken vom Trinken abzuhalten. Nicht nur die zunehmende Erschöpfung, sondern auch die extreme Bereitschaft zur Anpassung
tragen dazu bei, dass Angehörige langsam ihr eigenes Leben aus
den Augen verlieren. Ihre ganze Aufmerksamkeit gilt dann nur noch
der suchtkranken Person. Immer stärker dreht sich ihr Leben um
Situationen, die der Alkoholkranke inszeniert. Angehörige vermeiden, ihren Ärger oder Frust, ihre Verletztheit und Wut zu zeigen,
um die Beziehung nicht noch weiter zu belasten. Sie ertragen lange
Zeit auch die Angst vor unberechenbaren Reaktionen im Rausch und
halten die seelischen sowie oft auch körperlichen Gewalttätigkeiten
aus. Oder sie schätzen sich heilfroh, dass es bei ihnen noch nicht
derart schlimm ausgeartet ist, sie ja noch „Glück“ wegen der Friedfertigkeit ihres trinkenden Partners haben . . . Sie ordnen sich unter,
verhalten sich „pflegeleicht“, bemühen sich, alles Recht zu machen.
Zudem übernehmen sie immer mehr Verantwortung für den Suchtkranken, machen sauber, was dieser verdreckt und vernachlässigt
hat. Sie meistern die vielfältigen Erledigungen, die früher der suchtkranke Partner selbst übernommen hat, begleichen Rechnungen und
Ausgaben, die durchs Trinken und seinen Folgen entstanden sind
etc.
Nicht nur die zunehmende
Erschöpfung, sondern auch die
extreme Bereitschaft zur Anpassung tragen dazu bei, dass
Angehörige langsam ihr eigenes
Leben aus den Augen verlieren.
Aber all diese Bemühungen helfen nicht; der Suchtkranke wird mit
dem Trinken nicht aufhören. Dafür bestehen zwei wesentliche Gründe: Einerseits erspart ihm diese Unterstützung die Konfrontation
mit der eigenen Suchtproblematik und dessen Auswirkungen, andererseits verstärken Druck und Vorwürfe von Seiten der Angehörigen
nur den Verleugnungsprozess des Abhängigen und lassen ihn nach
einem Sündenbock im Angehörigen und nach einem neuerlichen
Trinkanlass suchen. Scheinen der Suchtkranke nach außen hin als
der Schwache und seine Angehörige als die Starken, so zeigt sich
doch, dass der Alkoholiker stets seinen Willen durchsetzt. Nur wenn
der Suchtkranke seinen gesamten Alltag selbst bewältigen muss,
bekommt er die Chance, sein Trinken als belastend, schädigend, unnormal und unkontrollierbar zu erkennen.
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9. Co-Abhängigkeit
Ähnlich wie Suchkranke ihr Leben dem Alkohol unterordnen, arrangieren auch Angehörige ihr Leben mit einem Suchtkranken. Und
obwohl ein hoher Anteil von Angehörigen unter diesen Belastungen
körperlich und seelisch stark leidet, deutlich gezeichnet und auch
vermehrt krankheitsanfällig sind für Depressionen, Krebs, psychosomatischen Erkrankungen sowie Burnout und Kreislaufstörungen,
erleben sie sich derart mit dem Leben des Suchtkranken verstrickt,
dass sie sich nicht mehr daraus zu befreien glauben. Sie sind zwar
nicht vom Alkohol abhängig, haben aber – ähnlich wie der Suchtkranke die Droge – zunehmend nur noch einen Mittelpunkt in ihrem
Leben: nämlich die alkoholabhängige Person. Sie gelten als co-abhängig und befinden sich analog dem Suchtkranken in einem Prozess der Abhängigkeit. Co-abhängiges Verhalten orientiert sich am
Suchtkranken, richtet aber den größten Schaden beim Angehörigen
selbst an. Es verändert das Denken, Fühlen, den Lebensalltag und
langfristig die ganze Persönlichkeit. Obwohl Angehörige körperlich
und seelisch stark unter dem Zusammenleben mit einem Suchtkranken leiden, fühlen sie sich außerstande aus diesem Beziehungssystem herauszutreten.
Wie Abhängige die Droge, stellen Angehörige den Abhängigen im
Mittelpunkt ihres Lebens
Folgende Verhaltensweisen und Eigenschaften kann man bei Co-Abhängigen vermehrt beobachten:
_ Verleugnen der Realität, Unehrlichkeit
_ Kontrollbemühungen gegenüber dem Trinker
_ Starke Außenorientierung – Betonung einer unproblematischen
„Fassade“ für andere
_ geringes Selbstwertgefühl
_ Abhängigkeitsgefühle – Angst vor Trennungen
_ Ängste und/oder Depressionen
_ Über- oder Unterlegenheitsgefühle, die mitunter rasch wechseln
_ Verunsicherungen der eigenen Wertvorstellungen
_ Verwirrung der Gefühle, Gefühllosigkeit, Gleichgültigkeit
_ Perfektionismus – der Glaube, es nie gut genug zu machen
_ Leichtgläubigkeit
_ selbst nur reden und nicht danach handeln
_ eigene Abhängigkeiten wie Esssucht, Arbeits- und Beschäftigungssucht, Medikamentenabhängigkeit, Alkoholismus (siehe Lambrou
2000)
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10. Die Bereitschaft zur Co-Abhängigkeit
Zur Co-Abhängigkeit neigen nicht selten Personen – meist Frauen
– die selbst durch rigide Verhaltensregeln erzogen wurden. Diese
erschweren die Ausbildung von Selbstbewusstsein, die Wahrnehmung eigener Bedürfnisse, die Formulierung persönlicher Anliegen
und Ziele und die Durchsetzung eigener Ansprüche gegenüber anderen zugunsten einer Anpassung und Unterordnung an das soziale
Umfeld. Möglicherweise bilden diese Unsicherheiten in der eigenen
Lebensführung und Identität die ausschlaggebenden Gründe für
Partner, sich in die Beziehung zu einem Suchtkranken überhaupt
erst einzulassen und sich darin so lange zu verausgaben. Denn die
Orientierung auf den anderen verschafft einerseits Selbstsicherheit
und Überlegenheit und andererseits entlastet es vor der Auseinandersetzung mit eigenen Lebensfragen. Solche - sich oft unbewusst
angeeigneten - Regeln können etwa lauten:
Unsicherheiten in der eigenen Lebensführung und Identität bilden
oft die ausschlaggebenden Gründe für Partner, sich in die Beziehung zu einem Suchtkranken überhaupt erst einzulassen und sich
darin so lange zu verausgaben.
_ Über Probleme spricht man nicht!
_ Gefühle zeigt man nicht!
_ Vermeide persönliche, direkte Gespräche zugunsten indirekter
Kommunikation über eine dritte Person als Vermittler
_ Dein Leitsatz: sei stark, gut, richtig und perfekt!
_ Sei selbstlos!
_ Tu, was man dir sagt!
_ Mach uns keine Schande!
_ Lass andere stolz auf dich sein!
So neigen Menschen mit diesen Erziehungsidealen dazu,
_ sich selbst in Partnerschaften „aufzuopfern“ bzw. anzupassen,
_ die Rolle des starken und helfenden Partners einzunehmen,
_ für den anderen da zu sein und Verantwortung für ihn zu übernehmen,
_ eigene Ansprüche und Bedürfnisse zurückzustellen,
_ ganz im Dienst des anderen aufzutreten.
_ es anderen Recht zu machen,
_ möglichst alles gut und perfekt zu erledigen,
_ Anerkennung und Wertschätzung durch Anpassung und Dienstleistung zu erhalten.
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11. Der Weg in die Abhängigkeit vom Abhängigen
Ähnlich wie der Suchtkranke selbst, durchlaufen Angehörige charakteristische Phasen in ihrem Umgang und ihrer Beziehung zum
Problemtrinker. So wie der Suchtkranke selbst anfänglich seinen
Alkoholkonsum bagatellisiert, verheimlicht oder nach außen hin
rechtfertigt, versuchen auch Angehörige lange Zeit das Trinken
vor anderen zu verleugnen, zu „erklären“, zu begründen bzw. zu
tolerieren. Sie verschließen sich gegenüber ihrer Umwelt, meiden
möglicherweise Kontakte zu Bekannten oder Nachbarn, ziehen sich
vermehrt zurück, um nicht auf das Trinken des Partners angesprochen zu werden.
Da diese beschützenden Bemühungen nicht wirklich helfen, meist zu
keiner Besserung beitragen, sondern die Suchtkarriere eher noch
fördern, beginnen Angehörige den Konsum des Trinkers zu kontrollieren. Sie suchen nach versteckten Flaschen, kippen den Inhalt weg,
zählen deren Anzahl etwa im Weinkeller, machen Striche auf Flaschen, um den jeweiligen Pegel festzuhalten. Sie sprechen schon mal
Drohungen aus und versuchen den Süchtigen unter Druck zu setzen.
Zudem wird auf ihn eingeredet, an ihn appelliert, doch wenigstens
maßvoller zu trinken. Allerdings findet der Abhängige immer „ein
Schlupfloch“. Er weicht aus in ein heimliches Trinken, bestätigt die
angebliche Unbedenklichkeit seines Konsums durch selbstauferlegte Abstinenzphasen oder wiederholte Versprechungen, mit dem
Trinken aufzuhören oder zumindest zu reduzieren. Die Angehörigen
glauben ihm allzu gerne und allzu lange und setzen immer wieder
neue Hoffnung in ihn.
Dennoch halten in der Regel weder die Versprechungen des Suchtkranken noch die zahlreichen Kontrollversuche seines sozialen Umfeldes. Irgendwann beginnen Angehörige zu resignieren, ziehen sich
emotional zurück, erledigen ihre Alltagsanforderungen alleine, treffen Entscheidungen, übernehmen zunehmend die Initiative und Verantwortung. Die Partner stehen im Mittelpunkt der Familie, fühlen
sich bestärkt in ihrer Rolle des Verantwortungsträgers, gleichzeitig
verbrauchen sie jedoch ihre eigenen Kräfte bis zur Erschöpfung und
haben wenig Zeit für ihre persönlichen Bedürfnisse. Ihre Beziehung
zum Abhängigen mag sich in Anklagen, ja Hass umwandeln. Sie werden zu verbitterten und harten Menschen, die sich selbst gefangen
fühlen, ohne Hoffnung und voller Verzweiflung. So wie der Abhängige selbst sich zunehmend in seiner Sucht verliert, erleben sich auch
Angehörige oft als unfähig, sich aus der Verstrickung und Abhängigkeit vom Suchtkranken zu lösen.
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12. Die Herausforderung der Angehörigen
Nicht selten kommen Angehörige von Suchtkranken selbst aus Familien, deren Eltern oder Großeltern bereits Suchtsymptome aufgewiesen haben. Es fällt ihnen deshalb wirklich schwer, sich um sich
selbst zu kümmern und nicht länger Verantwortung für das Leben
des Alkoholikers zu übernehmen. Dennoch sind auch Angehörige
gefordert umzulernen, wenn der Suchtpatient in Behandlung steht
und dort auf ein abstinentes und somit selbstständigeres und wieder
eigenbestimmtes Leben vorbereitet wird. Nur wenn Angehörige sich
entscheiden, sich selbst als die wichtigste Person zu betrachten und
den Abhängigen aus dem Mittelpunkt ihres Lebens herausnehmen,
können sie dem Suchtkranken helfen. Erst deren Rückbesinnung
auf ihre eigenen Wünsche und Anliegen erschwert dem suchtkranke
Partner, sich selbst weiter zu belügen und in der Sucht zu verbleiben.
Nur wenn Angehörige den Abhängigen aus dem Mittelpunkt
ihres Lebens herausnehmen,
können sie dem Suchtkranken
helfen.
Angehörige klammern sich an die Idee, dass der Suchtkranke irgendwann einmal sein Trinken aufgibt bzw. sich Hilfe zukommen lässt.
Sie bemühen sich, ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen. Das
Bedürfnis vieler Angehöriger, sich um den Suchtkranken immer wieder zu kümmern, ihn – wenn auch vergeblich – zu kontrollieren liegt
im Wunsch, aktiv werden zu können und eigene Gefühle der Ohnmacht und Panik zu überwinden. Das Leben mit einem Suchtkranken
ist schwierig und leidvoll. Kontrollversuche sind ein Mittel, diese
Gefühle der eigenen Ohnmacht zu beschwichtigen oder zu überspielen. Oft lassen sich dahinter auch ein unbewusster Ausdruck des
Grolles und Hasses auf den Suchtkranken oder eines „Machtkampfes“ entdecken.
Wesentlich für die Genesung und Hilfe für Angehörige sowie Patienten ist die Einsicht, dass solche Unterstützungsversuche sinnlos
sind. Ein Alkoholiker trinkt, weil er trinken muss und selbst keinen
Weg finden kann, von sich aus aufzuhören. Die Erkenntnis, der
Suchtkrankheit gegenüber machtlos zu sein führt zum ersten Schritt
einer Veränderung. Man hört auf, das Unkontrollierbare kontrollieren zu wollen. Sich diese Machtlosigkeit einzugestehen, bedeutet,
die Wirklichkeit zu sehen wie sie ist und sich an ihr zu orientieren.
Das Bemühen um die völlige Kontrolle über und die Fixierung auf den
Suchtkranken, die ständigen zwanghaften Gedanken an ihn machen
die Besessenheit und die eigene Süchtigkeit des Co-Abhängigen aus.
Selbstfürsorge statt Selbstvernachlässigung ist noch immer die
wirksamste Hilfe sowohl für sich selbst als auch für den Suchtkranken.
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13. Test zur Einschätzung der persönlichen Co-Abhängigkeit
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Haben Sie schon häufiger mit Ihrem Partner getrunken, damit
er nicht im Lokal „versackt“?
Fühlen Sie sich stark, wenn der Abhängige sich schwach fühlt?
Werden Sie von der Verwandtschaft oder Nachbarschaft gelobt,
weil Sie so tapfer sind?
Fühlen Sie sich zum Lügen und Decken von Unregelmäßigkeiten
gezwungen, weil Sie Ihren Partner
nicht ausliefern wollen?
Hängen Ihre Gefühle sehr stark von der Situation des Partners
ab?
Kümmern Sie sich um alles, weil der Partner es nicht mehr
kann?
Haben Sie Angst, der Abhängige könnte aggressiv werden, wenn
Sie mit ihm über Alkohol (Drogen, Medikamente, Glücksspiel
etc.) sprechen?
Vermeiden Sie es, mit anderen Leuten über das Trinkproblem
Ihres Partners zu sprechen?
Haben Sie Ihrem Partner schon einmal mit Scheidung oder
Trennung gedroht, weil er so viel trinkt?
Ärgern Sie sich, weil Ihr Partner Ihre Ermahnungen nicht ernst
nimmt?
Wünschen Sie sich manchmal den Tod des Partners?
Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie gegen den alkoholabhängigen Partner machtlos sind?
Haben Sie häufiger schon Drohungen, die Sie dem Betroffenen
gegenüber ausgesprochen haben,
nicht wahr gemacht oder vergessen?
Haben Sie das Gefühl, dass der Alkohol (oder Ähnliches) eine
immer wichtigere Rolle in Ihrer Partnerschaft spielt?
Übernehmen Sie zunehmend Aufgaben, die eigentlich Ihr
Partner noch ausführen könnte?
Nehmen die Trennungsgedanken zu oder konkrete Formen an?
Sind Sie in letzter Zeit häufiger deprimiert und verzweifelt, weil
sich am Trinkverhalten des Partners nichts ändert?
Sind Sie wegen psychosomatischer Beschwerden in ärztlicher
Behandlung?
Wissen Sie manchmal nicht, woher Sie das Geld für den
Haushalt nehmen sollen?
Wechseln Ihre Gefühle für den Partner häufiger zwischen tiefem
Hass und großer Liebe?
Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Partner noch tiefer abrutscht,
wenn Sie ihn verlassen?
Wissen Sie nicht mehr, wie es weitergehen soll, weil Sie so
verzweifelt sind?
(Falls Sie mehr als 8 Fragen bejahen, bestehen deutliche Hinweise
für ein co-abhängiges Beziehungsmuster. (nach Kolitzus, 1997)
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14. Hilfe, die wirkt
Angehörige sind nicht hilflos der Suchterkrankung ihres Partners
ausgeliefert. Vielmehr existieren eine Reihe von Empfehlungen, die
helfen, ihnen das eigene Alltagsleben erträglicher zu machen. Sie
unterstützen aber auch den Süchtigen, sich mit der Abhängigkeit
kritisch und schonungslos auseinander zusetzen und sich dadurch in
die Lage zu versetzen, aus dem Krankheitsprozess möglichst bald zu
auszusteigen.
„Loslassen“
Ein erster konkreter Schritt besteht im Loslassen, sich nämlich
geistig und affektiv von der alkoholkranken Person zu distanzieren.
Allerdings muss man erst lernen, seine Gedanken zu stoppen. Es gilt
in kleinen Schritten anzufangen, wieder eingehender auf sich zu achten – etwa mit einem Abendspaziergang, einem Besuch beim Friseur
oder ins Kino.
„Informieren“
Wertvoll ist, sich über die Suchtkrankheit zu informieren. Es gilt, die
Suchtkrankheit zu begreifen, um auch den Suchtkranken besser zu
verstehen. Wenn auch von den Angehörigen oft nur schwer zu akzeptieren, sind Abhängige nicht einfach nur asoziale, rücksichtslose,
ich-schwache und verantwortungslose Säufer, sondern unterliegen
einem komplexen – körperlichen, psychischen und sozialen – Krankheitskomplex mit charakteristischen Merkmalen , in dem sie sich
selbst von allen Werten und Lebenshaltungen entfernen, die ihnen
einmal bedeutsam waren: Gesundheit, Selbstachtung, Sicherheit,
Arbeit, Familie, Partnerschaft, Freunde, Hobbys, Anerkennung . . .
„Abgrenzen“
Eine weitere Veränderung liegt darin, zu akzeptieren, dass der Alkoholiker die Konsequenzen seines Trinkens selbst ausbaden
muss. Angehörige sind gefordert Grenzen zu ziehen, was nicht immer leicht fällt und vielleicht nur mit Hilfe von Außenstehenden und
Beratungsstellen zu bewerkstelligen ist.
„Transparenz“
Auch nach außen hin ist der Suchtkranke von Angehörigen nicht
mehr in Schutz zu nehmen. Die Erkrankung soll durchaus Freunden
und nahestehenden Personen mitgeteilt werden. Der Suchtkranke
wird somit nicht mehr „geschützt“ und hat auch die Folgen für sein
Verhalten zu tragen.
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„Offenheit“
Auch in der Kommunikation erleichtert die Orientierung an bestimmte Regeln den gegenseitigen Umgang. Es geht darum, mit dem
Suchtkranken ehrlich und offen zu reden, Fassaden abzubauen und
Lügen zu vermeiden. Unehrlichkeit bringt längerfristig nichts; sie
wirkt immer destruktiv und hilft dem Suchtkranken, sein Leugnen
und seinen Konsum aufrecht zu erhalten. Sie fördert die eigene
Selbsttäuschung und damit Selbstzerstörung. Auch Angehörige sind
angehalten – ähnlich wie der Suchtkranke selbst – anzufangen, ehrlich zu sich selbst und anderen zu sein. Das bedeutet, so zu leben,
wie es für einen selbst gesund ist, ohne sich oder anderen etwas
vorzumachen.
„Sachlichkeit“
Weiters gilt es, gelassen und sachlich zu bleiben, keine Vorwürfe zu
machen oder Drohungen auszusprechen. Darin steckt eine schwierige Herausforderung, da es in Beziehungen zu Suchtkranken oft
Streit gibt, man sich gegenseitig beschimpft und beschuldigt. Allerdings bietet man dadurch dem Suchtkranken oft nur einen Grund,
wieder zu trinken. Und Drohungen machen es ihm leicht, die eigenen
Schuldgefühle wegzuschieben und somit die Verantwortung für sein
Trinken dem anderen anzulasten. Schweigen statt zu widersprechen,
sich zurückziehen statt sich in einen Streit und in Drohungen zu versteigern helfen Angehörigen, mit sich eher im Reinen zu sein. Streit
gibt der Suchtkrankheit jeweils neue Nahrung.
„Zurückhaltung“
Zudem bleibt zu bedenken, auf Beschuldigungen und Streitgespräche des Suchtkranken nicht einzugehen, sie als Ausdruck einer
Krankheit zu werten, sie vielmehr ins Leere laufen und verpuffen zu
lassen. Dadurch bietet man dem Suchtkranken selbst keine Angriffsfläche. Ohnehin ist es sinnlos, mit einem Suchtkranken unter Alkoholeinwirkung das Gespräch zu suchen.
„Miteinbeziehen“
Alltagsprobleme oder –erledigungen sind – so gut wie möglich
– nach wie vor gemeinsam zu besprechen. Allerdings ist wichtig
über anfallende Entscheidungen nicht lange zu diskutieren, sondern den Suchtkranken nur zu informieren und ihm die getroffenen
Entscheidungen mitzuteilen. Der Suchtkranke soll nach wie vor in
Entscheidungsprozesse und Alltagsabläufe eingeweiht sein. In der
Kommunikation und im Umgang mit Suchtkranken sind ausführliche
Diskussionen möglichst zu vermeiden.
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„Schutz vor Gewalt“
Wichtig ist, den Suchtkranken nicht zu provozieren, insbesondere
wenn er zu Aggressionen neigt. Er schwankt ohnehin häufig in seinen Stimmungen; reagiert unbeherrscht, selbstbezogen, abweisend
und feindselig, wenn er sich in seiner Persönlichkeit angegriffen
oder bevormundet fühlt. Während seiner Wutausbrüche erweist es
sich als ratsam, zu schweigen und nur kurze Antworten zu geben,
so freundlich wie möglich auf ihn einzugehen. Wenn wirklich Gewalttätigkeit von einem Suchtkranken drohen kann, gilt es im Vorfeld
bereits Vorkehrungen zum eigenen Schutz zu treffen. Familienangehörige, die mit einem aggressiven Suchtkranken zusammenleben,
sollten stets eine Tasche mit den notwendigen Utensilien (Geld,
Nachtzeug für sich und die Kinder, Kleingeld zum Telefonieren,
Adressenheft mit der Telefonnummer der nächsten Polizeiwache,
Notarzt, Notruf des nächsten Frauenhauses aber auch von Verwandten oder Freunden) parat halten. Auch verbale und emotionale Misshandlungen sind nicht zu dulden. Ein Alkoholiker kann eine andere
Person durch Herabsetzung lächerlich machen und durch Drohungen
gänzlich kontrollieren.
„Reden“
Mit dem Suchtkranken ist über die Abhängigkeit zu reden. Man
wartet damit, bis er nüchtern und geistig erreichbar ist. Allerdings
sollen Angehörige erst selbst die nötige Klarheit und emotionale
Distanz gefunden haben, um den Abhängigen auf seine Krankheit
vorwurfsfrei hinweisen zu können. Sie sind dazu erst in der Lage,
wenn sie für sich selbst den eigenen Lebensweg gefunden haben
und den Suchtkranken innerlich loszulassen bereit sind. In einem
solchen Gespräch bleibt deutlich, aber ohne Anklage, aufzuzeigen,
wie das Trinken einen selbst und andere beeinträchtigt. Es ist wichtig, dass der Suchtkranke erlebt, dass eine solche Aussprache ohne
Groll und Zorn erfolgt, ohne sich verteidigen oder in Schuldgefühle
fallen zu müssen. Angehörige sollten die eigene Betroffenheit und
Anteilnahme deutlich machen.
„konsequent sein“
Zudem sind nur solche Konsequenzen anzukündigen, die der Angehörige auch selbst bereit ist einzuhalten. Vorwürfe und Beschuldigungen bringen nichts; sie verstärken nur das Schuldbewusstsein
des Suchtkranken und treiben ihn somit neuerlich zur Flasche.
Vielmehr gilt es, dem Abhängigen mitzuteilen, was man selbst
wahrnimmt und wie diese Beobachtungen auf einen wirken. Nicht
der Vorwurf: „Du trinkst zuviel“, sondern die persönliche Betroffenheit: „Ich mache mir Sorgen um dich, wenn ich dich so oft betrunken
erlebe“.
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15. Kinder von Suchtkranken
In einer Familie mit einem Suchtkranken kann sich keiner dem Geschehen entziehen, am wenigsten die Kinder. Bereits in der Schwangerschaft wirkt sich über- und regelmäßiger Alkoholkonsum auf
die körperliche und geistige Entwicklung des ungeborenen Kindes
aus. Eine der häufigsten angeborenen Schädigungen an Kindern
überhaupt bildet die sogenannte Alkoholembryopathie. Bezogen
auf alle Lebendgeborenen sind etwa 1,3%o (1:750) davon betroffen.
Viele leichte Fälle bleiben undiagnostiziert. Für Deutschland werden
jährlich 2200 Neugeborene mit dieser Diagnose geschätzt. Wenn
das Kind die toxischen Einflüsse eines problematischen Trinkens
überhaupt überlebt, wird es untergewichtig, kleinköpfig und mit
typischen Gesichtszügen und Fehlbildungen geboren. Es bleibt körperlich, geistig und seelisch ein Leben lang beeinträchtigt und läuft
Gefahr, später selbst süchtig zu werden. Weniger schwere Beeinträchtigungen von Neugeborenen betreffen organische Hirnschäden
mit anschließenden Verhaltensstörungen. Dafür genügen bereits
gelegentliche Vollräusche oder wiederholte höhere Alkoholmengen
der Mütter in der Schwangerschaft.
Kinder durchlaufen beim kranken Elternteil wechselhafte
Phasen fürsorglicher und liebevoller Zuwendung und
aggressiver Ablehnung oder
Desinteresse.
Auch körperlich gesunde Kinder sind durch eine Suchtproblematik in
der Familie deutlich seelisch belastet. Sie durchlaufen beim kranken
Elternteil wechselhafte Phasen fürsorglicher und liebevoller Zuwendung und aggressiver Ablehnung oder Desinteresse. Häufig haben
sie den Eindruck, es mit zwei unterschiedlichen Vätern oder Müttern
zu tun zu haben, da deren nüchterne Reaktionen so gar nicht zusammenpassen mit denen unter Alkoholeinfluss.
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16. Verwirrende Erfahrungen
Kinder müssen zumindest unter der Suchteinwirkung der Eltern den
Eindruck erhalten, dass diese sich kaum für sie interessieren, eher
stören und nur Ärger machen. Je nach Höhe des Alkoholspiegels
straft oder lobt der Abhängige das Kind für das selbe Verhalten.
Kinder werden durch dieses unberechenbare Auftreten des suchtkranken Elternteiles extrem verunsichert; nicht selten suchen sie
die Gründe hierfür bei sich selbst. Oder sie versuchen, sich diesen
widersprüchlichen Erwartungen des Abgängigen anzupassen um
ihrer eigenen Gefühle zu verleugnen.
Kinder sind in hohem Maße
sich selbst überlassen, werden
nur mangelhaft versorgt und
übernehmen nicht selten zusätzliche Hausarbeiten sowie
die Betreuung und Versorgung
jüngerer Geschwister.
Alkohol stellt in der Regel ein Tabuthema innerhalb der Familie dar,
über das nicht geredet wird, ebenso wenig über die eigenen Gefühle.
Tun sie es doch, haben sie Angst, als illoyal zu gelten. Nicht selten
finden sich in suchtkranken Familien mehrere suchtkranke Personen,
sodass das übermäßige Trinken als „normal“ gilt. Häusliche Stimmung und Atmosphäre werden vom jeweiligen Alkoholisierungsgrad
des Konsumenten bestimmt. Einzelne Familienmitglieder wissen
zwar vom Suchtproblem des Vaters oder der Mutter, allerdings darf
darüber nicht offen gesprochen werden. Kinder sind in hohem Maße
sich selbst überlassen, werden nur mangelhaft versorgt und übernehmen nicht selten zusätzliche Hausarbeiten wie waschen, putzen,
spülen, einkaufen sowie die Betreuung und Versorgung jüngerer
Geschwister. Auch dienen sie immer wieder als „Partnerersatz“ für
den Angehörigen. Sie hören sich deren Sorgen, Ängste und Wutausbrüche an; versuchen zu trösten und die Belastungen durch eigenes
Engagement auszugleichen. Die Partner von Suchtkranken sind häufig überfordert oder völlig besetzt von der Sorge und Kompensation
des Suchtkranken und tun sich schwer, sich den Kindern offen zu
widmen. Allzu häufig werden sie Opfer aggressiver, emotionaler und
sexueller Gewalttätigkeit!
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17. Typische Verhaltensmuster der Kinder
Kinder leiden in der Regel schwer unter den Verhältnissen von
Instabilität, emotionaler Kälte, Willkür, unklaren Grenzen, Respektlosigkeit, mangelnder Förderung und wechselndem Interesse. Sie
befinden sich in einem Dilemma. Einerseits sind sie ihren Eltern eng
verbunden, anderseits werden sie permanent von ihnen enttäuscht
und verletzt. Kinder aus Suchtfamilien haben oft keine Wahl als
sich den widrigen Umständen anzupassen. Sie übernehmen typische Rollen, die als Versuche imponieren, einer belastenden Umwelt
entweder durch aktives Handeln, Rebellion, innere Immigration oder
Ablenkung zu begegnen.
Kinder übernehmen typische
Verhaltensmuster, um einer
belastenden Umwelt entweder
durch aktives Handeln, Rebellion, innere Immigration oder
Ablenkung zu begegnen.
Der „Held“ bemüht sich, durch großes Engagement der häuslichen
Willkür entgegen zu treten. Er sucht durch schulische und andere
Leistungen die Aufmerksamkeit und Anerkennung von Seiten anderer. Der „Sündenbock“ neigt zu Rebellion und Auflehnung und
bekommt durch sein betont oppositionelles Verhalten häufig negative Aufmerksamkeit. Sein Auftreten ist geprägt von Trotz, Feindseligkeit, Wut und niedrigem Selbstwertgefühl. Das „verlorene Kind“
zieht sich in seine eigene Welt zurück, schützt sich dadurch vor den
unkontrollierbaren Reaktionen von Seiten der Eltern. Es ist unauffällig, einsam, fühlt sich bedeutungslos, gilt als braves und unkompliziertes Wesen, entlastet als „pflegeleichtes“ Kind die Familie. Der
„Clown“ – nicht selten das jüngste Kind – gibt sich komisch, lustig,
unterhaltsam. Es erhält viel Aufmerksamkeit, wirkt aber auch unreif,
ängstlich und wenig belastbar. Der Familie bringt es Unterhaltung
und Humor und lenkt von den Alltagsorgen ab.
Solche Rollenbilder schützen die Kinder allerdings nicht vor eigenen
seelischen Problemen. Das Aufwachsen in einer alkoholbelasteten
Familie hat für Kinder oft erhebliche Konsequenzen. Sie schneiden
häufig bei Intelligenztests schlechter ab und sind weniger stark entwickelt im sprachlichen Ausdruck. Sie zeigen in der Schule unangemessenes Verhalten, gelten als weniger leistungsmotiviert, weisen
eher hyperaktives Verhalten und Aufmerksamkeitsdefizite auf,
berichten eher über Ängste und depressive Symptome, sind häufiger
sexuellem Missbrauch ausgesetzt und neigen vermehrt zu somatischen und psychosomatischen Beschwerden als Jugendliche aus
unbelasteten Familien. Es finden sich Jugendliche aus Alkoholikerfamilien häufiger in Cliquen, in denen ebenfalls Alkohol missbraucht
wird.
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18. Erwachsene Kinder von Suchtkranken
Auch bei erwachsenen Kindern von Alkoholikern finden sich gehäuft
charakteristische Merkmale:
_ Sie haben keine rechte Vorstellung, was „normal“ und realistisch
ist.
_ Sie tun sich schwer, ein Vorhaben von Anfang bis Ende zu
verfolgen.
_ Sie neigen zu Lügen, auch wenn es leicht wäre die Wahrheit zu
sagen.
_ Sie zeigen sich als überkritisch, ja gnadenlos zu sich selbst.
_ Es fällt ihnen schwer Spaß zu haben.
_ Sie tun sich schwer, sich selbst ernst zu nehmen.
_ Sie haben Schwierigkeiten mit intimen Beziehungen.
_ Sie suchen ständig nach Anerkennung und Bestätigung.
_ Sie haben meist das Gefühl, anders zu sein als andere Menschen.
_ Sie fühlen sich entweder übertrieben verantwortlich oder total
verantwortungslos.
_ Sie neigen zu Impulsivität.
_ Sie fürchten den Misserfolg, haben aber Schwierigkeiten, mit
Erfolg umzugehen.
_ Sie fürchten abgelehnt zu werden, lehnen aber auch andere ab.
_ Sie scheuen Kritik und Beurteilungen, kritisieren jedoch gern
andere.
_ Sie tun sich schwer Prioritäten so zu setzen, dass sie für sie selbst
gut sind.
_ Sie vermeiden oder verschlimmern Konflikte, setzen sich aber
selten damit auseinander.
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19. Unheilsame Verstrickungen
Vor allem Frauen von alkoholkranken Eltern(-teilen) tendieren,
wiederum Partner mit Suchtproblemen zu wählen. Häufig fühlen
sich Mädchen und Frauen zu jenen Männern hingezogen, die bereits
selbst deutliche Anzeichen einer Alkohol- oder Drogensucht aufweisen. Sie hegen die Fantasie, diese Menschen retten zu wollen.
Männer von alkoholkranken Eltern wiederum pflegen meist selbst
einen unkritischen Alkoholkonsum. Vor allem die Söhne aus Sucht
belasteten Familien tragen ein deutlich höheres Risiko, selbst auch
abhängig zu werden. Während bei Erwachsenen ohne Alkoholprobleme etwa 5% der Eltern übermäßig trinken, tun dies bei alkoholabhängigen Erwachsenen mehr als 30%. Einerseits lernen Kinder
von alkoholkranken Eltern schon früh die Orientierung zu Alkohol,
andererseits vertragen sie häufig größere Mengen und zeigen selbst
bei Vollrausch kaum Beeinträchtigungen ihres Wohlbefindens. Zudem fühlen sich diese Jugendlichen in Stresssituationen deutlich
entspannter durch Alkohol. Sie werden ruhiger und gelassener und
können auf diese Weise Belastungen leichter ertragen. Vor allem
männliche Jugendliche sind von der besseren Verträglichkeit und
intensiveren Wirkungsweise von Alkohol betroffen, was sich schon
dadurch als nachteilig auszeichnet, da solche Jugendliche in ihren Cliquen als trinkfest und somit als „richtige Männer“ gelten.
So erhalten sie eine beachtliche Aufwertung. Alkohol wird deshalb
nicht selten zur Stärkung des Selbstbewusstseins eingesetzt und in
zunehmend hohen Dosen konsumiert.
Vor allem die Söhne aus Sucht
belasteten Familien tragen ein
deutlich höheres Risiko, selbst
auch abhängig zu werden.
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20. Bedachtsamer Alkoholkonsum für gefährdete Jugendliche
Da Jugendliche aus Suchtfamilien selbst ein höheres Risiko zur
Entwicklung einer Suchtkrankheit tragen, empfiehlt sich ihnen, auf
einen sorgsamen und kontrollierten Umgang mit Alkohol zu achten.
Kontrolliertes Trinken heißt, seinen Alkoholkonsum auf disziplinierte Art und Weise an einem festgelegten Plan auszurichten und ihm
nicht einfach in momentanen Launen zu folgen. Für Personen mit
einer Suchtdiagnose treffen die folgenden Empfehlungen allerdings
nicht zu, da ihnen nur die völlige Abstinenz hilft:
• Sich Grundinformationen über das Suchtmittel Alkohol aneignen
(Wissen über Alkoholgehalt verschiedener Getränke, Berechnung
der Blutalkohol-Konzentration (BAK), Bewusstsein über die Auswirkungen erhöhten Alkoholkonsums). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Männer nicht mehr wie 30g, für Frauen bis
zu 20g reinen Alkohol pro Tag – also eineinhalb bzw. eine Flasche
Bier oder dreiachtel bzw. einviertel Liter Wein - zu sich zu nehmen.
Natürlich sind Suchtkranke, körperlich Vorgeschädigte und Schwangere von dieser Empfehlung ausgenommen, denn ihnen ist völlige
Abstinenz anzuraten.
• Nicht täglich Alkohol konsumieren, sondern 1–2 abstinente Tage
pro Woche einlegen.
• Alkohol nicht als zentralen Teil des Lebens betrachten, ihn vielmehr bewusst und mit Genuss konsumieren; darauf achten, sich mit
dem Alkoholkonsum wohl zu fühlen.
• Keinen Alkohol vor oder während Aktivitäten trinken, die Gefahren
für einen selbst oder für andere bergen können (Auto lenken, Ski
fahren).
• Auch nicht, um mit Problemen leichter zurecht zu kommen, stattdessen lernen auf alkoholfreie Weise zu entspannen; Hobbys und
Interessen ohne Bezug zu Alkohol pflegen.
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• Ein Trinktagebuch führen, in das Art und Menge der täglich getrunkenen Alkoholika eingetragen sowie einige Rahmenbedingungen
des Konsums wie Zeit, Ort, anwesende Personen und Auslöser des
Trinkens festgehalten werden. Das Trinktagebuch verschafft einen
raschen Überblick über das aktuelle Trinkverhalten (Wie hoch fallen
tägliche und wöchentliche Höchstmengen aus? Wann und mit wem
wird üblicherweise getrunken? Kommen alkoholfreie Tage vor? Gibt
es wiederkehrende Trinkauslöser. . .).
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Kontrolliertes Trinken heißt,
seinen Alkoholkonsum auf
disziplinierte Art und Weise an
einem festgelegten Plan auszurichten
Es lassen sich noch weitere konkrete Strategien zurechtlegen wie
etwa:
_ Nicht vor einer bestimmten Uhrzeit (z.B. 18:00 Uhr) Alkohol
trinken
_ Vor und nach jedem alkoholischen Getränk ein nicht alkoholisches
konsumieren.
_ Getränke mit niedrigem Alkoholgehalt bevorzugen.
_ Sich für jedes Glas mindestens eine halbe Stunde Zeit lassen.
_ Alkohol nicht alleine trinken.
_ Eine Auswahl nicht-alkoholischer Lieblingsgetränke anschaffen.
_ Keinen Alkohol auf Vorrat kaufen.
_ Typische „Verführungssituationen“ erkennen und in diesen
zukünftig gänzlich auf Alkohol verzichten.
_ Körperlichen Aktivitäten nachgehen.
_ Möglichkeiten der alkoholfreien Entspannung üben.
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21. Der Rückfall
Angehörige haben sich klar zu machen, dass der Rückfall des Suchtpatienten – selbst nach intensiver Behandlung – zur Krankheit
„gehören“ kann. Vier Jahre nach Beendigung einer Entwöhnungsbehandlung weisen über 50% der Patienten einen Rückfall auf. Frauen
fällt es deutlich schwerer im gleichen Zeitraum eine Abstinenz aufrecht zu erhalten als Männern. Solche Rückfälle existieren auch bei
anderen seelischen Erkrankungen, etwa Angststörungen oder Depressionen, aber auch bei allen anderen Süchten wie dem Rauchen,
der Essstörung oder der Drogenabhängigkeit.
Es ist zu kurzsichtig, Abstinenz als alleinigen Gradmesser
schlechthin für den Erfolg einer
Suchbehandlung anzusehen
Da Rückfälle bei somatischen (z.B. Herzinfarkt) oder psychischen
Störungen in der Regel keine Schuldvorwürfe und Versagensäußerungen der anderen nach sich ziehen, ist es nicht einzusehen, warum
diese gerade bei der Suchterkrankung angebracht sein sollen. Es ist
zu kurzsichtig, Abstinenz als alleinigen Gradmesser schlechthin für
den Erfolg einer Suchbehandlung anzusehen! Immerhin sind Abhängige nach einer Behandlung oft gefordert, mit ganz verschiedenen
Anforderungen in ihrem Alltag fertig zu werden. Rückfälle entstehen
denn auch durch vielseitige, sich wechselseitig beeinflussende Faktoren. Zu ihnen zählen etwa unangenehme Gefühlszustände wie depressive Verstimmungen, Ängste, Gereiztheit, Gefühle der Leere oder
Sinnlosigkeit. Zudem spielen problematische soziale Bedingungen
wie etwa andauernde Spannungen in der Familie, eine sozial isolierte
Lebensweise etc. eine wichtige Rolle. Und schließlich können auch
Risiken wie Trinkaufforderungen durch andere, ein generell hoher
Alkoholkonsum in der Familie oder am Arbeitsplatz, feucht fröhliche
Feiern etc. die Abstinenz gefährden.
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Neben diesen Kriterien beeinflussen noch eine Reihe anderer Alltagsmerkmale das Rückfallrisiko. Hierzu zählen etwa ein Lebensstil,
der von Überforderung, zuviel Arbeit, wenig Ausgleich und Entspannung geprägt ist. Oder einschneidende Lebensereignisse wie Tod,
Trennung oder Geburt nahestehender Personen, berufliche oder
private Veränderungen, unzureichende Bewältigungskompetenzen
etwa im Umgang mit Problemen, kritischen Lebensereignissen oder
in der Kontaktaufnahme zu anderen Menschen, Gedanken an Alkohol, Illusionen hinsichtlich eines kontrollierten Trinkens sowie eines
positiven Gemütszustandes durch Alkohol. Auch fest eingefahrene Trinkgewohnheiten bilden eine entsprechende Gefährdung, bei
Unaufmerksamkeit wieder in den Kreislauf des Trinkens zu geraten.
Ein allgemein niedriges Selbstwertgefühl bzw. rasche Kränkbarkeit
des Selbstbildes erleichtern ebenfalls Rückfälle. Anhaltende unangenehme körperliche Zustände (Schmerzen) können ebenso den Drang
nach Alkohol verstärken. Permanente Über- oder Unterforderungen
am Arbeitsplatz, anhaltende Arbeitslosigkeit, widrige Lebensumstände untergraben die Abstinenzhaltung. Auch die Sehnsucht,
Gefühle und Euphorie intensiver zu erleben, stärken oft den Wunsch
nach Alkohol. Dennoch stellen diese Motive keine notwendigen Rückfallsauslöser dar.
22. Dem Rückfall entgegenwirken
Funktionierende soziale Beziehungen, die Teilnahme an Selbsthilfegruppen und Therapiegesprächen sowie spezifische Alkoholpräventionsprogramme machen dagegen wertvolle Hilfen gegen einen
Rückfall aus. Es soll aber deutlich werden, dass die Aufrechterhaltung der Abstinenz mitunter kein leichtes Unternehmen darstellt.
Und ein Rückfall ist nicht einfach unkritisch allein dem Suchtkranken
anzulasten, vielmehr wirken hierfür meist viele Bedingungen zusammen. Es ist wichtig, dass Angehörige einen Rückfall nicht gleich als
Versagen des Patienten oder gar als Katastrophe abtun. Als entscheidend erweist sich vor allem die Bereitschaft des Suchtpatienten zur raschen Inanspruchnahme professioneller Hilfe und neuerlicher (ambulanter) Behandlung. Die Angehörigen haben sich klar zu
machen, dass letztlich nur der Suchtkranke selbst dieses Problem
wieder in den Griff bekommen muss. Allerdings können sie eine
wertvolle Unterstützung bieten, indem sie das neuerliche Trinken in
ernster, persönlicher aber nicht vorwurfsvoller Weise ansprechen,
ihre Sorgen und Ängste dem Suchtkranken gegenüber ausdrücken,
ihn motivieren, Kontakt mit einer Fachambulanz, dem Hausarzt oder
einer anderen Vertrauensperson aufzunehmen, ihn auch gegebenenfalls zum Ambulanzbesuch begleiten.
Entscheidend ist die rasche Inanspruchnahme professioneller
Hilfe und Behandlung
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23. Zusammenfassung: Empfehlungen für den Umgang mit Suchtkranken
• Hören Sie auf, dem Alkoholabhängigen zu helfen. Richtig helfen
heißt (fast) immer nicht helfen.
Entscheidend ist die rasche Inanspruchnahme professioneller
Hilfe und Behandlung
• Gestehen Sie sich Ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche ein;
äußern Sie klar und bestimmt, was Sie wollen.
• Öffnen Sie sich nach außen, sprechen Sie mit den Menschen in
Ihrer Nähe, mit Freunden, Verwandten, Kollegen über das
Suchtproblem in Ihrer Partnerschaft.
• Hören Sie auf, den alkoholkranken Partner nach Ihren
Vorstellungen verändern zu wollen.
• Hören Sie auf, Schuld bei ihm oder bei sich selbst zu suchen.
• Lassen Sie den ohnehin vergeblichen Kampf um die Flasche;
kontrollieren Sie seinen Alkoholkonsum nicht länger.
• Tragen Sie nicht mehr seine Last, lassen Sie den Suchtkranken in
einen eigenen Schwierigkeiten stecken, die er sich selbst
geschaffen hat.
• Wenn Sie etwas ankündigen, führen Sie es konsequent aus.
• Vorhaltungen und Vorwürfe führen zu nichts; zumeist erreichen
Sie dadurch nur das Gegenteil.
• Versuchen Sie keinesfalls, ihm heimlich irgendwelche Medikamente
zu verabreichen.
• Fragen Sie sich, wie es um Ihren eigenen Alkohol- und
Medikamentenkonsum bestellt ist.
• Lassen Sie sich keinesfalls mehr auf die üblichen, so endlosen wie
fruchtlosen Diskussionen, Versprechungen und Vertröstungen ein.
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24. Literaturempfehlungen
Aßflag Reinhold. Die heimliche Unterstützung der Sucht: Co-Abhängigkeit. Neuland: Geesthacht. 1999.
Beattie Melody. Die Sucht gebraucht zu werden. München.1990.
Doll Antje. Endlich reden. Frauen von alkoholabhängigen Männern
berichten. Serie Piper Frauen: München, Zürich.
Kellermann Bert & Gronau Uwe. Suchtkrankheit überwinden. Basisinformationen für Suchtkranke. Neuland: Geesthacht: 1996.
Kolitzus Helmut. Die Liebe und der Suff . . . Schicksalsgemeinschaft
Suchtfamilie. Kösel: München. 1997.
Lambrou Ursula. Familienkrankheit Alkoholismus. Im Sog der Abhängigkeit. Rororo: Hamburg. 1990.
Lambrou Ursula. Helfen oder aufgeben? Ein Rageber für Angehörige
von Alkoholikern. Rororo: Hamburg. 1996.
Norwood Robin. Wenn Frauen zu sehr lieben. Die heimliche Sucht,
gebraucht zu werden. Rororo: Hamburg. 1990.
Schaef Anne Wilson. CoAbhängigkeit. Die Sucht hinter der Sucht.
W.Heyne: München. 1986.
Zobel Martin (Hrsg.). Wenn Eltern zuviel trinken. Risiken und Chancen für die Kinder. Psychiatrie-Verlag: Bonn. 2001.
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