Verfahren zur 3D

Transcrição

Verfahren zur 3D
Markus Weber
Das auf der CD-Rom
„Glaziologie in 3D“
verwendete Verfahren zur
3-Visualisierung
Ein Leitfaden zur Erstellung von Stereobildern mit der Farb-Anaglyphen-Methode
Kommission für Glaziologie
der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München
Wichtiger Hinweis:
Der farbigen Abbildungen der vorliegenden Abhandlungen sind
überwiegend als Rot-Cyan-Anaglyphen ausgeführt. Diese Bilder
wirken mit dem bloßen Auge verschwommen. Dies ist aber kein
Fehler! Mit einer passenden Filterbrille betrachtet, liefern die Bilder
einen realen 3D-Eindruck.
Diejenigen Bilder, die mit der Anaglyphenbrille betrachtet werden
besonders
sollen, sind in der Bildlegende durch das Symbol
gekennzeichnet. Die Brille selbst liegt der CD-Rom „Glaziologie in
3D“ bei oder kann z. B im Internet unter www.3D-Brillen.de bezogen werden.
Dieses Dokument ist Bestandteil der CD-Rom „Glaziologie in 3D“!
Herausgeber
Anschrift
Kommission für Glaziologie
der Bayerischen Akademie
der Wissenschaften
Marstallplatz 8
80539 München
℡ 089 21031- 196
089 21031 -100
@ [email protected]
© KfG, 2002
Alle Rechte vorbehalten. Die Wiedergabe von Auszügen oder auch einzelner
Abbildungen des Dokuments erfordern die Zustimmung des Autors bzw. der
Kommission für Glaziologie der Bayerischen Akademie, München.
ISBN
3-7696-3500-9
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Vorwort
3D-Bilder, die ein reales Raumerlebnis vermitteln, sind mangels einfacher Wiedergabeverfahren immer noch nicht sehr weit verbreitet. Daher ist die Reaktion vieler Menschen, die
noch nie mit den Methoden der Stereoskopie in Berührung gekommen sind und denen zum
ersten Mal ein Anaglyphenbild vorgeführt wird, zunächst nur Staunen. Dies ist umso verwunderlicher, wird dabei doch nur eine natürliche Fähigkeit des Menschen bemüht, nämlich die
des räumlichen Sehvermögens. Dieses ist zwar primär eine intellektuelle Leistung des Gehirns, es kann aber auch als eine Erweiterung der sinnlichen Wahrnehmung verstanden werden. In der Wissenschaft werden spezielle Methoden zur Visualisierung von komplexen
räumlichen Formen seit langem verwendet, seltener jedoch zur Präsentation unserer natürlichen Umwelt. Der Begriff „3D“ ( 3-dimensional = Länge x Breite x Höhe) ist heute zu einer
cleveren Werbefloskel verkommen, wird er doch einer ganzen Palette von Produkten, vom
Minigolfschläger bis zur Zahnbürste, dem Handelsnamen gerne als Attribut zugewiesen,
sofern es nur entfernt irgend etwas mit Räumlichkeit zu tun hat. Selbst im Bereich der Computergrafik bezeichnet das Kürzel überwiegend Verfahren, die sich nur der - wenn auch besonders rafinierten- Projektion dreidimensionaler Formen auf eine zweidimensionale Fläche
bedienen. Zu dieser Art von „3D-Visualisierung“ waren allerdings bereits unsere Vorfahren
vor 500 Jahren fähig.
Die Glaziologie ist eine Wissenschaft, die sich mit den natürlichen Vorkommen von Schnee
und insbesondere von Eis auf der Erde befasst. Diese stellen einerseits ein wichtiges Regulativ und eine bedeutende Süßwasserreserve im Wasserhaushalt dar, andererseits sind die beobachteten Veränderungen der Eisressourcen ein wichtiger Indikator für die Stabilität unseres
Klimas. Unter den gegenwärtigen Klimabedingungen findet man in unseren Breiten Schnee
und Eis ganzjährig nur noch in den vergletscherten Regionen der Hochgebirge. Die Gletscherwelt ist faszinierend, ihre wahren räumlichen Formen bleiben aber wegen deren Abmessungen weitgehend der unmittelbaren Wahrnehmung durch das menschlichen Auge verborgen. Die Fähigkeit des Raumsehen ist, angepasst an unsere natürlichen Mobilitätsfähigkeiten,
auf das unmittelbare Umfeld begrenzt. Obwohl wir uns heute dank technischer Hilfsmittel
sehr viel schneller als noch vor 200 Jahren bewegen können, konnte die Evolution darauf innerhalb so kurzer Zeiträume nicht reagieren. Größere Geländeformen erscheinen uns zweidimensional. Wir erkennen nur rational, dass es sich bei den Elementen einer in der Ferne
sichtbaren Bergkulisse um höchst komplexe dreidimensionale Gebilde handelt. Der Verstand
lässt erkennen, dass die Berge sehr hoch sein müssen, da sie vertraute Objekte wie Bäume
oder Häuser in der Ferne weit überragen. Wir haben jedoch kein Gefühl dafür, wie steil die
aufragenden Hänge wirklich sind. Allenfalls Erfahrungswerte von vergangenen Ausflügen in
die Berge lassen eine verstandesmäßige Einschätzung auf Grund des Erscheinungsbildes zu.
Die vorliegende CD-Rom „Glaziologie in 3D“ macht die tatsächliche Form der Berge und
Gletscher mit Hilfe der Stereofotografie in Form einer „echten“ 3D-Visualisierung sichtbar
und damit geradezu greif- bzw. begreifbar. Anhand einer automatisch ablaufenden Diaschau
mit einer Fülle von ausgewählten farbigen 3D-Darstellungen, ergänzt durch zusätzliches
Text- und Bildmaterial, wird die Welt der Gletscher und ihre Veränderung im Klimawandel
dem Publikum nahegebracht. Druckbare großformatige Kalenderblätter in derselben Technik
ermöglichen das einmalige Raumerlebnis auch im Alltag. So verblüffend die Wirkung der
3D-Bilder auch sein mag, das ihnen zugrundeliegende Verfahren ist nahezu so alt wie die
Fotographie selbst und kann heute dank der Möglichkeiten der modernen Bildverarbeitung
nahezu von jedermann auf einem Personal Computer nachvollzogen werden. Die Rot-ZyanAnaglyphenmethode wurde allein deshalb gewählt, da sie von allen aktuell verfügbaren Möglichkeiten der 3D-Visualisierung die einfachste mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis ist.
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„Glaziologie in 3D“
Vorwort
KFG2000B
An der Kommission für Glaziologie wird die 3D-Visualisierung bereits seit einigen Jahren zur
Illustration der Forschungsobjekte und –ergebnisse eingesetzt. Früher wurden dabei Stereoskope, das Keilbrillenverfahren und die Projektion mit Polarisationsbrillen verwendet. Die
Publikationen der NASA im Zusammenhang mit Mars-Landung des Pathfinder 1997 und die
damals allerorts mit dem Anaglyphenverfahren präsentierten 3D-Bilder lenkten die Aufmerksamkeit zurück auf dieses uralte Prinzip bei der Wiedergabe von Stereobildern. Durch die
inzwischen verfügbaren Möglichkeiten zur elektronischen Bildverarbeitung gewann es wieder
an Attraktivität. Bereits die erste CD-Rom-Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen
der KfG [16] enthielt daher Bilder nach der Anaglyphenmethode. Die Einrichtung einer eigenen Homepage (www.Glaziologie.de) schuf die Basis, die teilweise spektakulären Bilder in
einfacher weise einem breiten Kreis an Interessenten zu präsentieren. Die Verfügbarkeit der
neuen Medien und die Durchführung einer Reihe von Feldexperimenten auf dem Vernagtferner (HyMEX98 und HyMEX2000), bei denen innovative Methoden der Dokumentation gefordert waren, lieferten den Anstoß zur Fortentwicklung des Verfahrens. Es folgten Ausstellungen und Präsentationen für die breite Öffentlichkeit (u.a. auf der EXPO 2000 in Hannover), welche dort stets auf reges Interesse stießen. Das Anaglyphenverfahren erwies sich auch
als für die Großprojektion als geeignet und konnte dank besserer Verfügbarkeit von Folienbrillen auch verstärkt bei wissenschaftlichen Vorträgen zur Illustration der Sachverhalte eingesetzt werden.
Die Präsentationen erregten allgemeine Aufmerksamkeit und Erstaunen, verbunden mit der
Frage nach der Herstellungsweise der Bilder, ist das Verfahren trotz der umfangreichen computergestützten Visualisierungsmöglichkeiten selbst in der Wissenschaft offenbar nur wenigen Experten bekannt. Dabei bietet es nicht nur in der Wissenschaft und Werbung sehr eindrucksvolle Möglichkeiten bei Darstellung und Dokumentation und ist nicht zuletzt auch für
den Hobbyfotografen interessant. Deshalb reifte der Entschluss, die wichtigsten Informationen zur Aufnahme und Wiedergabe von Stereobildern mittels des Farbanaglyphenverfahrens
zusammenzufassen und auf der neuen CD-Rom der KfG zu veröffentlichen. Dabei wird die
These vertreten, dass der Eingang in die dritte Dimension heute nahezu jedermann offen steht.
Allerdings werden selbst für den mit den Grundprinzipen der Stereoskopie vertrauten Leser
einige Detailfragen zu den Zusammenhängen und Vorgehensweisen aufkommen. Ein Sammlung dieser immer wieder an den Autor herangetragenen Fragen wurde in dem nachfolgenden
Fragenkatalog zusammengefasst und im Rahmen der Möglichkeiten behandelt. Die Vermittelung von Grundwissen, z.B. zur grundlegenden Bedienung der benutzten Anwenderprogramme oder zur Fotografie, muss natürlich ausgeklammert werden. Dieses kann man sich notfalls
in vielfältiger Weise aus anderen Quellen beschaffen. Die minimale Vorraussetzung für das
„IMAX-3D des kleinen Mannes“ ist lediglich eine Ausrüstung, wie sie gegenwärtig nahezu
jeder Hobbyfotograf besitzen dürfte, bestehend aus
einem konventioneller Kleinbild-Fotoapparat,
einem zeitgemäßen Multimedia-PC inkl. Bildverarbeitungsprogramm,
einem Farb-Tintenstrahldrucker.
Zusammen mit dem vorliegenden Leitfaden dürfte nach einer relativ kurzen Experimentierphase die erfolgreiche Herstellung von Raumbildern in der hier demonstrierten Weise mit
einer Vielzahl von Motiven aus allen möglichen Fachgebieten kein Problem darstellen. Viel
Vergnügen wünscht Ihnen dabei
Markus Weber
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im Juni 2002
Fragenkatalog (Inhalt)
1. Wie entsteht die Tiefenwahrnehmung?
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2. Was ist ein Anaglyphenbild?
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3. Warum wirkt das Anaglyphenbild farbig?
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4. Kann es sein, dass ich überhaupt keinen Raumeffekt sehen kann?
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Prinzip der Stereofotografie – natürliches Raumsehen - Parallaxe
Anaglyphenverfahren – Bildtrennung mittels komplementärer Farbfilter
Rot-Zyan-Brille – Spektrum – Grenzen der Farbwiedergabe
Gründe für eingeschränktes räumliches Sehvermögen
Warum sehe ich zwar den Raumeffekt, nicht aber die erwarteten
5. Farben?
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Dominanz des rechten Auges – Filterfarben - Farbabgleich Monitor – Drucker – LCD-Bildschirm
6. Wie betrachte ich die 3D-Bilder optimal am Bildschirm und auf Papier?
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Kann man die 3D-Bilder auch mit einem modernen Videoprojektor auf
7. eine Leinwand projizieren?
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Betrachterabstand – Formtreue – orthostereoskopischer Punkt – Ratschläge
3D-Projektion – Pixelauflösung - Ausgabe auf Farbdia - Platzierung der Zuschauer
8. Warum wirken große Objekte wie Spielzeug?
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9. Warum das altmodische Anaglyphenverfahren?
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Modellwirkung – Liliputismus - Gigantismus
Geschichte – alternative 3D-Verfahren - Shutterbrille – Pulfrich-Effekt
Kann man Anaglyphenbilder selbst erzeugen?
10. Voraussetzungen - Grundlegende Arbeitsschritte
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11. Wird für die Aufnahme der Stereobilder eine Spezialkamera benötigt?
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12. Was bedeutet die Einschränkung des Verfahrens auf ruhende Motive?
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13. Welche Motive sind für das Verfahren völlig ungeeignet?
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Was gilt es bei der Orientierung der Aufnahmeachsen der
14. Stereohalbbilder zu beachten?
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Stereokamera - Grundprinzip der Stereofotografie mit einer einzelnen Kleinbildkamera
Stillleben – Fehler durch Bewegung – Stereoszenen mit Menschen – Stereoeffekt durch Bewegung
Ungünstige Farben – Schatten – Beleuchtung - Standorte - Vordergrund – Bewegung - Blende
Überlappung – Freihandaufnahme - Fehler bei der Aufnahme – Resultierende Verzerrungen
15. Wie wähle ich den richtigen Abstand für die Stereobasis?
Theorie der Basisbestimmung bei Fernaufnahmen – Deviation - Brennweite - Faustformeln - Praxis
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Was gilt es bei Luftaufnahmen zu beachten?
16. Luftbilder -Basis in Relation zur Geschwindigkeit – Wolkenbilder – ungünstige Flugphasen
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Sind Stereoaufnahmen auch im Nahbereich mit weniger als 3 m
17. Abstand möglich?
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Nahpunkt und Fernpunkt – Begrenzung des Tiefenbereichs einer Szene
18. Analog oder Digital?
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19. Welche Software eignet sich zur Herstellung von Anaglyphenbildern?
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Wie erstellt man grundsätzlich ein Anaglyphenbild mit Adobe®
20. Photoshop® oder Corel™ PhotoPaint®?
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Konventionelle Kamera gegen Digitalkamera – Methoden und Probleme beim Scannen
Klassische Programme – Photoshop, PhotoPaint – Freeware aus dem Internet – JPEG oder BMP?
Bildverbesserung – Bildretusche - Vorgehensweise bei der Montage von Rot-Zyan-Anaglyphen
21.
Kann man Stereobilder künstlich erzeugen?
2D-Bilder in 3D-Bilder umwandeln – Gittermodell – Landschaften mit 3D-Programmen
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22. Kann man 3D-Panoramen erstellen?
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23. Wie erzeugt man Schriften, die scheinbar im Raum schweben?
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24. Kann man Fotomontagen von Anaglyphenbildern erstellen?
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25. Wo erhält man Folienbrillen?
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26. Wo gibt es weitere Informationen zum Thema 3D-Bilder?
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360°-Panoramen – Hilfsprogramme – Aufnahme von 3D-Panoramabildern
3D-Schriften im Anaglyphenverfahren – Bildbeschriften in 3D mit Photoshop
Probleme beim direkten Einkopieren von Anaglyphenbilder – Keilbrillen als Hilfe bei Fotomontagen
Rot-Zyan-Brillen im Internet
Informationen im Internet - Literaturliste
Anhang
Testbild zur Farbeinstellung von Monitor und Projektoren für Rot-Zyan-Brillen
Stichwortindex
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„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
1. Wie entsteht die Tiefenwahrnehmung?
Unsere Augen liefern jeweils ein perspektivisches Abbild der räumlichen Umwelt von zwei
unterschiedlichen Ursprüngen, die entsprechend dem durchschnittlichen Augenabstand etwa
6.5 cm seitlich versetzt sind. Diese natürliche Parallaxe bewirkt zunächst eine entfernungsabhängige Parallelverschiebung der korrespondierenden Bildpunkte der weitgehend inhaltsgleichen Teilbilder. Das Gehirn ist auf noch nicht genau bekannte Weise in der Lage, diese zu
einem einzigen Bild zu verschmelzen und dabei die seitliche Verschiebung in eine unmittelbare Tiefenwahrnehmung umzusetzen.
Diese intuitive Raumwahrnehmung erlernen wir normalerweise in frühester Jugend. Wir sehen nicht das verschwommene Bild, das die mathematischen Überlagerung der Teilbilder in
der nachstehenden Abbildung 1 suggeriert, sondern ein klares Bild mit einer Tiefenwirkung,
welche uns Abstand und Form der Objekte quasi erfühlen lässt. In dem gezeigten Beispiel
erscheinen die Bildbereiche mit dem größten seitlichen Versatz dem Betrachter am nächsten,
während die nahezu identischen Bildbereiche in den Hintergrund zu treten scheinen.
Abb. 1) Stereobild: Der Tiefeneindruck eines Stereobildes entsteht in Analogie zum natürlichen Raumsehen durch die
Umsetzung der horizontalen Verschiebung zusammenpassender Bildinhalte zweier von seitlich versetzten Standpunkten aus
aufgenommenen Teilbildern in eine Tiefeninformation. (Fotos: Markus Weber)
Das System Auge-Gehirn bewältigt diese Transformation normalerweise vollautomatisch. Es
ermöglicht uns innerhalb eines Segmentes des Gesichtsfeldes, das sich von etwa 1 m bis zu 10
m Abstand erstreckt, räumliche Entfernungen sehr gut abzuschätzen. Bei größeren Abständen
ist die optische Auflösung des Auges nicht mehr ausreichend, um den wegen der nur 6,5 cm
Augenabstand und dem optischen Abbildungsmaßstab dort nur noch winzigen Versatz in eine
echte Raumwahrnehmung umzusetzen. Dies hat zu Folge, dass man ab etwa 10 m Entfernung
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
die Welt mehr oder weniger plan wie auf den Teilbildern im oberen Teil der Abbildung 1
sieht.
Bei einem Objektabstand von unter einem Meter wächst die seitliche Verschiebung der korrespondierenden Bildpunkte so sehr an, dass das Gehirn nicht mehr in der Lage ist, die Bildverschmelzung durchzuführen. Man sieht kein Raumbild mehr, sondern ein Doppelbild. Dieser Vorgang wird im Volksmund auch als „Schielen“ bezeichnet. Man kann zwar auch im
Nahbereich bei einem nicht allzu ausgedehnten Objekt mit Mühe die Überlappung erzwingen,
der Hintergrund wird dann jedoch unbewusst ausgeblendet. Räumliches Sehen ist also nur in
einen begrenzten Abstandsbereich möglich, es wird durch einen Nahpunkt und einen Fernpunkt begrenzt.
Erfahrungsgemäß erlebt man die beste Raumwahrnehmung etwa in einem Abstand von 1 bis
2 m. Dies entspricht ca. dem 20fachen des Augenabstandes. Für diese Distanzen, die für den
Menschen im Alltagsleben wohl die wichtigsten darstellen, wurde das räumliche Sehvermögen durch die Evolution optimiert. Formen mit Ausdehnungen im Bereich von wenigen Metern erleben wir somit unmittelbar intuitiv. Größere Objekte, wie etwa Geländeformen oder
gar Berge können dagegen nur rational erfasst werden. Die Stereofotografie, welche das Prinzip des beidäugigen natürlichen Raumsehens nachahmt, ermöglicht bei der Aufnahme die
Verwendung einer wesentlich größeren Basis als nur die des Augenabstandes. Somit kann
auch bei sehr großen Objekten ein merklicher Bildversatz und damit die Erweiterung des
Raumsehens auch auf sehr große Objekte erreicht werden, so dass wir einen völlig neuen
Eindruck von deren komplexen räumlichen Aufbau erhalten können.
2. Was ist ein Anaglyphenbild?
Das räumliche Sehvermögen lässt sich in gewissem Rahmen täuschen. Unter der Voraussetzung, das ein Bild mit der natürlichen parallelen Augenstellung betrachtet wird, kann das Gehirn nicht unterscheiden, ob es sich um ein direkt im Auge entstandenes Bild handelt oder um
eine Fotografie. Führt man daher zwei korrekt aufgenommene Teilbilder derselben Szene
jeweils getrennt einem Auge zu, dann entsteht automatisch ebenfalls ein mehr oder weniger
natürlicher Raumeindruck. Der geringe Augenabstand erfordert, dass die Bildmittelpunkte
beim gleichzeitigen Betrachten nicht mehr als ca. 6 cm seitlich auseinander liegen dürfen.
Legt man also die Teilbilder nebeneinander, darf das Einzelbild eine maximale Breite von 6
cm nicht überschreiten. Die gleichzeitige Betrachtung von breiteren Bildern würde zwangläufig eine sehr unangenehme divergente Augenstellung erfordern. Solch kleinformatigen Bilder
können nur von Menschen mit ausgeprägter Kurzsichtigkeit oder mit Hilfe einer speziellen
Brille nah genug betrachtet werden, um das Gesichtfeld befriedigend auszufüllen. Größere
Bilder müssen daher zwangsläufig übereinander gelegt werden. Je nach den Abmessungen
kann diese Überlappung bis nahe 100% betragen, so das der potentielle Bereich für eine stereoskopische Betrachtung auf einen schmalen Streifen beschränkt bliebe.
Deshalb wurde bereits im vorletzten Jahrhundert nach einer einfachen Methode gesucht, die
übereinander liegenden Bilder quasi durchsichtig zu machen. Bereits 1853 bzw. 1858 wurde
unabhängig voneinander durch Wilhelm Rollmann und J. Ch. D´Almeida das den Bildern auf
dieser CD-Rom zugrundeliegende, prinzipiell sehr einfache Anaglyphenverfahren in seinen
Grundzügen erfunden.
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„Glaziologie in 3D“
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Abb. 2)
Anaglyphenverfahren: Die farbigen Teilbilder von Abb. 1 werden farblich so manipuliert, dass sie durch
eine entsprechende rote und zyanfarbene Folie betrachtet, nahezu weiß erscheinen. Anschließend werden die Bilder übereinandergelegt und die einzelnen Bildpunkte multipliziert. Dadurch erhält man ein farbiges Anaglyphenbild, das durch die
passende Brille betrachtet, jedem Auge nur ein Teilbild vorführt.
Ursprünglich eignete sich das Verfahren nur für Schwarzweißbilder. Man verwendet dafür
zwei einfache, in Komplementärfarben (z.B. Rot und Grün) gefärbte Gläser und druckte das
linke und das rechte Teilbild jeweils in einer dieser Farben übereinander. Betrachtet man das
Ergebnis mit einer zweifarbigen Filterbrille, so sieht man im Idealfall mit einem Auge nur das
komplementärfarben eingefärbte Teilbild. Das gleichfarbige erscheint praktisch weiß, wie
man in der Abbildung 2 leicht überprüfen kann. Die Überlagerung dagegen erscheint als echtes Raumbild. Das ohne Filter verschwommen wirkende Anaglyphenbild kann nun prinzipiell
beliebige Ausmaße annehmen, allerdings mit der Einschränkung, dass der Versatz der korrespondierenden Bildpunkte den Augenabstand nicht wesentlich übersteigen darf.
3. Warum wirkt das Anaglyphenbild farbig?
Im Vor-Computer-Zeitalter waren Anaglyphenbilder auch als Rot-Grün-Bilder bekannt. Es
wurden ursprünglich schwarzweiße Teilbilder einfach in den Komplementärfarben Rot und
Grün übereinander gedruckt. Mit einer rot-grünen Filterkombination betrachtet, erhielt man
den gewünschten Raumwahrnehmungseffekt in einem Schwarzweißbild. Das eigentliche Anaglyphenbild entstand erst durch den Druck.
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Im Zeitalter der Bildverarbeitung am Computer kann die Manipulation und die Überlagerung
der Teilbilder mit geeigneter Software wesentlich feinfühliger durchgeführt werden. Man ist
benötigt zwar ebenfalls komplementäre Grundfarben zur optischen Trennung der Teilbilder,
kann diese Operation aber auch auf farbige Teilbilder anwenden, wie es in der Abbildung 2
demonstriert wird.
Abb. 3) Absorbtion des Farbspektrums durch unterschiedliche Filterfarben: Die Abbildung verdeutlicht die Wirkung
einer roten (Oben), grünen (Mitte) und zyanfarbenen (Unten) Filterfolie auf das Farbspektrum (ganz Oben). Durch die ZyanFolie erscheint das Spektrum zwar auch stark verändert, zeigt aber mehr Nuancen als das grüne. Rot-Töne werden nur
schwach wiedergeben. Das Rotfilter wandelt das Spektrum in ein Schwarzweißbild um. Der Abbildung kann entnommen
werden, welche Farbtöne mit dem Farbanaglyphenverfahren neben Grautönen einigermaßen natürlich wiedergegeben werden können.
Für Farbbilder wählt man statt dem grünen Filter besser ein zyanfarbenes. In Abbildung 3
wird die Wirkung verschiedener Folienfilter auf das Farbspektrum verdeutlicht. Das unvermeidbare Rot- oder besser Magentafilter löscht weite Teile des Spektrums aus, hellrote Bereiche erscheinen weiß, der Rest grau bis schwarz. Es lässt damit mehr oder weniger nur Grauanteile des ursprünglichen Bildes durch. Das früher übliche Grünfilter teilt das Spektrum in
einen dunklen, bläulichen Bereich und einen hellen mit einem leichten Grünstich. Auch hier
erscheint das Resultat ähnlich wie dem Rotfilter praktisch als Graustufenbild.
Wählt man jedoch statt des grünen Filters eines mit einer Mischung aus Blau und Grün, die
etwa dem Zyan-Ton in der Mitte des Spektrums entspricht, dann ist dieses für einen großen
Teil des Farbspektrums durchlässig, so dass eine begrenzte Zahl von Farbnuancen darstellbar
sind. Neben den immer realistisch erscheinenden Grautönen bleiben damit auch Blau-, Gelbund Grün-Töne einigermaßen erhalten. Lediglich die Rot-Töne wirken sehr dunkel. Magentafarben werden in Richtung blau verfälscht und helles Grün erhält einen leichten Gelbstich.
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„Glaziologie in 3D“
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Abb. 4) Erscheinungsbild der Teilbilder durch die Farbfilter: Ungefähr so wie hier dargestellt sehen die Teilbilder des
Anaglyphenbildes in Abb. 2 aus. Durch das rote Filter erscheint das Stereohalbbild in Graustufen, im zyanfarbenen dagegen
farbig mit einem Blaustich. Rot-Töne fehlen weitgehend. Mit einem guten Farbfilter wirkt das rechte Bild noch etwas farbtreuer als hier wiedergegeben.
Das Erscheinungsbild der Teilbilder des Anaglyphenbildes in Abbildung 2 wird in der Abbildung 4 näherungsweise veranschaulicht. Auf dem linken Auge ist man demnach farbenblind,
das rechte Auge sieht dagegen ein Farbbild, dem allerdings die Rot-Töne fehlen. Das Gehirn
aber ist offensichtlich bis zu einem gewissen Maße in der Lage, die fehlenden Farben des linken Bildes entsprechend dem Erscheinungsbild des rechten Auges zu ergänzen bzw. zu ignorieren, so dass man mit etwas Übung das Raumbild als Farbbild zu sehen glaubt. Dieses wirkt
umso natürlicher, je mehr nicht zu kontrastreiche Blau, Grün bis Gelb- oder Braun-Töne das
Bild dominieren. Sehr kräftige Kontrastfarben dagegen werden mit dem Farbanaglyphenverfahren schlecht bis gar nicht wiedergegeben, wie etwa die rote Zunge des Beispielbildes.
Sind die Farben des Ausgangsbildes zu kontrastreich bzw. zu dunkel oder zu hell, dann wird
die optische Trennung der Teilbilder ungenügend. Man glaubt sogenannte "Geisterbilder" zu
sehen, da Fragmente des rot eingefärbten linken Teilbildes auch im rechten Bild erscheinen.
In der Natur und besonders im Gebirge ist das Farbspektrum mit überwiegenden Grün-,
Braun-, Grau- und Zyan-Tönen häufig so günstig, dass die Farbverfälschung in den Anaglyphenbildern erträglich bleibt. Bei der Erstellung des Bildes wird die Farbanpassung
durch geeignete Filterung zusätzlich optimiert. Bedauerlicherweise kann jedoch bei der Naturfotografie auch bei größter Sorgfalt der Geisterbildeffekt nicht immer vermieden werden, da
je nach Beleuchtungsverhältnissen Kontrastfarben z.B. von Pflanzen vorhanden sind.
Bei 3D-Aufnahmen aus der vom Menschen gestalteten Umwelt ist das Problem noch deutlicher, da sehr oft grelle Farbtöne auch im roten Bereich des Spektrums bei der Gestaltung der
Objekte gewählt werden. Diese können mit dem Farbanaglyphenverfahren nur sehr begrenzt
wiedergegeben werden.
4. Kann es sein, dass ich überhaupt keinen Raumeffekt sehen kann?
Diese Frage muss leider uneingeschränkt mit ja beantwortet werden. Da die Umsetzung der
Anaglyphenbilder in eine Tiefenwahrnehmung durch das räumliche Sehvermögen im Gehirn
erfolgt, muss diese Fähigkeit auch beim Betrachten von Stereobildern vorhanden sein. Es gibt
Menschen, bei denen das Raumsehen eingeschränkt oder gar nicht vorhanden ist, weil bei9
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
spielsweise die Sehleistung der Augen sehr unterschiedlich ist oder gar nur noch auf einem
Auge vorhanden ist. Eine weitere Gruppe leidet unter Fehlstellungen der Augen (Schielkrankheiten) oder unter Abbildungsfehlern. Auch erlittene Kopfverletzungen und Krankheiten können zum Verlust der unmittelbaren Tiefenwahrnehmung führen. Wer im Alltag keine Tiefenwahrnehmung hat und die Welt quasi nur 2-dimensional wie im Kino erlebt, kann auch in den
Anaglyphenbildern keinen Effekt erkennen.
Für Menschen mit nur einem intakten Auge bleibt die 3D-Welt in der Regel verschlossen. Für
diejenigen jedoch, die nur wegen auf beiden Augen nicht vollständig korrigierter Kurzsichtigkeit kein richtiges Raumsehen entwickeln konnten, jedoch im Nahbereich Bilder problemlos
scharf sehen können, öffnet sich mit Hilfe der Anaglyphenbilder die Möglichkeit, die Fähigkeiten zum Raumsehen zu reaktivieren und zu trainieren. Das regelmäßige Betrachten der 3DBilder wirkt sich auf alle Fälle positiv auf das räumliche Sehvermögen aus. Wer nicht unter
die erstgenannte Personengruppe mit nur einem sehfähigen Auge fällt, sollte daher nicht zu
früh aufgeben, sondern immer wieder erneut versuchen, ob der 3D-Effekt nicht doch irgendwann wieder erlebt werden kann. Oft bieten in diesem Fall auch die mit einem Stereorauschen erzeugten, vor einigen Jahren weit verbreiteten „Magic Eye“-Bilder eine große Hilfestellung.
5. Warum sehe ich zwar den Raumeffekt, nicht aber
die erwarteten Farben?
Verfahrensbedingt erscheint nur das rechte, durch den zyanfarbenen Filter betrachtete Teilbild
des Anaglyphenbildes wirklich in Farbe. Das linke Teilbild wird durch das Magentafilter nur
als Graustufenbild wahrgenommen. Zur Auswertung der Tiefeninformation genügen dem
Gehirn diese Grauwerte. Analog zur Erscheinung des „Rechtshänders“ wird aber üblicherweise der Information des rechten Auges die höhere Priorität zugemessen. Da die Farbe mehr
oder weniger nur Schmuckwert ist, genügt offensichtlich die Information des „Leitauges“, um
auch das Raumbild farbig erscheinen zu lassen.
Ist man dagegen als ausgeprägter „Linkshänder“ mehr auf das linke Auge fixiert, werden die
Farben des rechten Teilbildes möglicherweise schlichtweg ignoriert. In diesem Fall erscheint
das Anaglyphenbild bedauerlicherweise nur als Graustufenbild. Da das Anaglyphenverfahren
einer gewissen Norm unterliegt und demnach der langwellige Anteil des Spektrums dem linken Auge und der kurzwellige dem rechten Auge zugeordnet werden soll, sind die Bilder
primär für die Majorität der „Rechtsäuger“ ausgelegt. Für den „Linksäuger“ bleibt daher nur
der Versuch, sich intensiv auf das rechte Teilbild zu konzentrieren und damit doch noch die
farbige Wahrnehmung zu erlangen.
Die rechts- oder linksseitige Orientierung ist allerdings nur ein möglicher Grund, weshalb die
farbige Wahrnehmung beeinträchtigt werden kann. Ein weiterer limitierender Faktor ist die
Qualität der verwendeten Filterbrillen. Während der Farbton und Dichte des Magenta-Filters
wegen seiner stärkeren Absorptionseigenschaften einen größeren Toleranzbereich verträgt,
muss das Zyan-Filter sowohl in Farbton als auch Dichte auf die Bilder und deren Monitorwiedergabe optimiert sein. In Europa sind Filterfolien mit der reinen Komplementärfarbe
Blau im Umlauf, welche ähnliche Eigenschaften wie das reine Grünfilter besitzen und weite
Bereiche des grün-gelben Anteils des Spektrums eliminieren.
Eine gute Farbwiedergabe der hier dargebotenen Anaglyphenbilder ist nur mit rot-hellblauen
(zyanen) Folienbrillen nach dem US-Standard zu erwarten, die für die Standard-RGB10
„Glaziologie in 3D“
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Monitorfarben optimiert sind. Ob Ihre Folienbrille tatsächlich für die farbige Wiedergabe der
3D-Bilder geeignet ist, kann sehr einfach anhand des im Anhang beigefügten Testbildes überprüft werden: Das Testbild enthält das gesamte RGB-Farbspektrum sowie dessen Wiedergabe durch das Rotfilter und das Zyan-Filter einer optimalen Anaglyphenbrille. Zusätzlich
sind ein rotes Testbild, ein zyanfarbenes sowie das 3D-Komposit wiedergegeben. Betrachten
Sie das Spektrum im oberen Teil der Abbildung nur durch das Zyanfilter und vergleichen Sie
dessen Erscheinungsbild mit der Wiedergabe in der Abbildung. Können Sie eine weitgehende
Übereinstimmung feststellen, ist ihre Anaglyphenbrille geeignet bzw. die Farbwiedergabe des
Monitors gut eingestellt.
Ist die Farbwiedergabe und die Kontrasteinstellung des Monitors gut auf die verwendete Anaglyphenbrille eingestellt, dann sollte das linke Testbild am unteren Bildrand beim Betrachten durch die Brille im rechten Auge komplett weiß erscheinen und die Bildunterschrift nicht
lesbar sein. Im linken Auge sollte dagegen ein kontrastreiches Schwarzweißbild mit einer
schwarzen Bildunterschrift erkennbar sein. Das mittlere Testbild sollte im linken Auge völlig
weiß, im rechten Auge dagegen farbig mit schwarzer Bildunterschrift erscheinen. Das ganz
rechte Testbild enthält das Überlagerung, das durch die Brille als farbiges Bild mit Tiefenwahrnehmung erkennbar sein sollte.
Ist man mit dem Testergebnis unzufrieden, kann versucht werden, die Einstellung der Farbsättigung, der Helligkeit und den Kontrast des Monitors anzupassen. Ratsam ist beispielsweise, den Monitor auf eine Farbtemperatur von 6500K oder 5500K einzustellen. Eine weitere
Option bietet die Regelung des Gammawertes.
Das Testbild eignet sich auch für die Farbkalibrierung der Ausdrucks auf einem Farbdrucker.
Meist besitzt die Ausgabe auf einem modernen 6-Farb-Tintenstrahl-Photodrucker mit Farbmanagement (z.B. Epson Stylus Photo) eine so gute Qualität und Farbtreue, dass die Bilder
unter guten Lichtverhältnissen betrachtet ein ähnlich gutes wenn nicht gar besseres Raumerlebnis bieten wie die Monitordarstellung. Allerdings gilt es zu bedenken, dass der RGBFarbraum eines Röhren-Monitors einen 5 bis 10fach höheren Umfang besitzt als die reflektierende Papierfläche, was zu erheblichen Detailverlusten führt.
Ähnliches gilt leider auch für die heute weit verbreiteten LCD-Flachbildschirme, Notebooks
und Videoprojektoren. Diese Ausgabegeräte geben Farbverläufe entgegen der angegeben
Spezifikation (SVGA, HighColor etc.) sichtbar gröber und farbstichiger wieder als ein herkömmlicher Röhrenmonitor. Auf solchen Geräten können Anaglyphenbilder nach dem heutigen Stand der Technik nur unter Qualitätseinschränkung betrachtet werden.
6. Wie betrachte ich die 3D-Bilder optimal am Bildschirm und auf Papier?
Die Wirkung eines jeden Bildes, auch das eines zweidimensionalen Bildes, ist wesentlich
vom Betrachterstandpunkt und den herrschenden Licht- und Kontrastverhältnissen abhängig.
Am besten wird ein Bild in seiner Gesamtheit bei einer Blickrichtung senkrecht zum Bildmittelpunkt und einem Abstand, unter dem der Bildrahmen etwa 2/3 des Blickfeldes ausfüllt,
wahrgenommen. Zu wenig Licht oder Spiegelungen wirken immer störend.
Diese gelten in noch schärferem Maße für das Betrachten eines Anaglyphenbildes. Die Wirkung eines 3D-Bildes ist extrem vom Betrachterstandpunkt abhängig. Genaugenommen gibt
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
es nur einen einzigen Punkt im Raum, von dem aus das Bild bei einer vorgegebenen Bilddiagonale der ursprünglichen Intention bei der Erstellung entspricht. Nur von diesem sogenannten orthostereoskopischen Punkt erscheinen dreidimensionale Objekte formtreu. Von allen
anderen Punkten aus wirken die Gegenstände mehr oder weniger verzerrt. Die hier präsentierten Bilder wurden so angefertigt, dass der orthostereoskopische Punkt sich etwa auf einer Linie senkrecht durch den Bildmittelpunkt befindet. Die genau Lage des Punktes in Relation zur
Bilddiagonale wird bei der Montage des Anaglyphenbildes entgültig festgelegt und kann daher später nicht mehr verändert werden.
Abb. 5)
Abhängigkeit des Tiefeneindrucks vom Betrachtungsabstand: Die Tiefenwirkung eines Stereobildes
wächst mit dem Betrachterabstand, hier simuliert durch die Wiedergabe desselben Bildes in drei unterschiedlichen Größen.
Obwohl die Bildverschmelzung bei den kleineren Bildversionen leichter gelingt, wirkt dort das Tal sehr viel tiefer als auf dem
großen Bild. (Fotos: M. Weber)
Der orthostereoskopische Punkt befindet sich bei einer bildschirmfüllenden Darstellung auf
einem 19´´-Monitor etwa im Abstand von 50 bis 70 cm von der Mattscheibenmitte. Vergrößert man den Betrachtungsabstand, befindet sich also hinter dem Punkt, dann verstärkt sich
die Tiefenwirkung. Betrachtet man in Abbildung 4 alle drei Bilder gleichzeitig mit der Anaglyphenbrille und vergleicht die Wirkung, so erscheint das Tal bei den kleineren Bildern
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„Glaziologie in 3D“
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länger, bzw. die Beschriftung relativ zu den Gebäuden näher im Vordergrund. Bei letzterer
wurde der Versatz konstant gehalten. Mit der Verstärkung des Raumeffektes erscheinen jedoch die Objekte gleichzeitig unnatürlich verlängert. Am formtreuesten wirkt die große Version des Bildes. Die verkleinerte Wiedergabe des Bildes in der Abbildung simuliert die Vergrößerung des Betrachtungsabstandes. Verringern sie des Betrachtungsabstand, wird die
Raumwirkung geringer und die Objekte erscheinen weniger tief. Den Effekt kann man dadurch erklären, dass das Gehirn eine klare, fest programmierte Vorstellung von der Tiefenwirkung bei dem vorgegebenen Augenabstand hat. Entfernt man sich in der Natur von einem
Objekt, nimmt auf der Netzhaut der seitliche Versatz stärker (im Quadrat) ab als die Größe
(linear). Im 3D-Bild stehen Versatz und Objektgröße jedoch in einem festen vorgegebenen
Verhältnis. Er erscheint aus größerer Distanz überproportional groß und führt daher zu einer
Überinterpretation der Tiefenwirkung durch das räumliche Sehvermögen. (siehe dazu auch
HERBIG [3]).
Betrachtet man ein flaches Bild an der Wand von unten, oben oder seitlich, dann erscheint es
perspektivisch verzerrt. Da das 3D-Bild noch weitere Information enthält, wird dadurch zusätzlich die Wahrnehmung der räumlichen Formen stark verfälscht. Die Blickrichtung sollte
allzu nicht allzu stark von der optimalen abweichen.
Zusammenfassend erhalten Sie am Bildschirm oder einem Papierausdruck ein optimales
Raumerlebnis, falls die folgenden Grundregeln beachtet werden:
Benutzen Sie immer die oben gezeigte Rot-Zyan-Folienbrille nach dem US-Standard
(keine Rot-Grün-Brille), denn nur diese ist für das an Monitoren übliche RGB-Spektrum
optimiert! Die in Europa mehr verbreitete Rot-Blau-Brille nimmt dem Bild sehr viel Helligkeit und Farbbrillanz.
Stellen Sie, falls die Option verfügbar ist, Ihren Monitor auf die Farbtemperatur 6500K
oder 5500K ein.
Regeln Sie Helligkeit und Kontrast des Monitors sowie eventuell den Gammawert optimal ein.
Betrachten Sie den Monitor oder den Ausdruck senkrecht zum Bildmittelpunkt aus einer Distanz, die etwa dem 3 bis 4-fachen der Bilddiagonale entspricht.
Benutzen Sie zum Ausdruck einen 6-Farb-Fotodrucker, da dieser die Pastellnuancen
der Originalbilder besser reproduziert.
Benutzen sie zum Ausdruck das Farbmanagement ihres Druckers, so dass die Ausdrucke dem Monitorbild möglichst optimal entsprechen (Siehe auch [10]).
Vermeiden Sie unter allen Umständen störende Lichtreflexe auf dem Monitor oder den
Ausdrucken!
Indem Sie diese Ratschläge beherzigen, schaffen Sie die allerbesten Voraussetzungen zum
Genießen der Raumbilder. Allerdings bleibt noch das Problem des Raumsehens selbst. Dieses
setzt einigermaßen gleich gutes Sehvermögen auf beiden Augen (ohne z.B. permanentes
Schielen) voraus. Um eine gute Tiefenwirkung zu erreichen, wurde die Parallaxe (der Unterschied im Betrachtungswinkel) der Bilder meist größer gewählt als man es normalerweise
gewohnt ist. Deshalb können in Einzelfällen Schwierigkeiten bei der Konvergenz (Ver13
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
schmelzen der Teilbilder im Gehirn) auftreten. Aber diese Fähigkeit kann durch Übung verbessert werden. Es ist daher zu Anfang besser, einen etwas größeren Betrachtungsabstand (ca.
1 bis 2 m) vom Bildschirm bzw. Ausdruck einzunehmen und sich wie im Alltag nur auf den
Vordergrund oder den Hintergrund des Bildes zu konzentrieren. Dann fällt das Betrachten
leichter. Generell wird der Raumeindruck umso besser, je länger man das Bild betrachtet. Hat
sich jemand jedoch bereits erfolgreich an den Autostereogrammen („Magic Eye“, [12]) versucht, dann wird er mit den hier präsentierten Bildern sicherlich keine Schwierigkeiten haben.
7. Kann man die 3D-Bilder auch mit einem modernen
Videoprojektor auf eine Leinwand projizieren?
Prinzipiell kann diese Frage mit Ja beantwortet werden. Die Qualität der Vorführung ist natürlich stark von der verwendeten Ausrüstung abhängig. In der Praxis leidet die Wiedergabequalität noch unter der unzureichenden Farbwiedergabe und Pixelauflösung der verfügbaren Projektoren (Beamer). Meist erscheinen die Farben zu dunkel und kontrastreich. Dies führt zu
einer unvollständigen Trennung der Teilbilder, was sich in der Wahrnehmung von so genannten Störbildern äußert. Eine kleinere Auflösung als 1024x768 Bildpunkte verwischt zu viele
Bilddetails und gibt seitlichen Versatz verfälscht wieder, was die Raumwahrnehmung beträchtlich stört. Allerdings ist mit der zunehmenden Nachfrage von Projektoren für DVDHeimkinos eine Verbesserung der Wiedergabe und des Preis-Leistungs-Verhältnis der Geräte
zu erwarten, so dass die genannten Probleme in naher Zukunft kein ernstes Hindernis mehr
darstellen dürften.
Abb. 6) Großprojektion von Anaglyphenbildern: Die Projektion der 3D-Bilder in einem Vortragssaal ermöglicht auch
einem großen Auditorium das Erlebnis des 3D-Effekts. Der Verhältnisse im Raum sollten jedoch allen Zuschauern den
möglichst lotrechten Blick auf die Bildwand erlauben. Ist der Saal sehr langgestreckt, erleben nur diejenigen in Nähe des
orthostereoskopischen Punktes eine formtreue Raumwahrnehmung. Günstig ist die Abstufung der Plätze wie hier gezeigt.
(Foto: Friedrichs)
Sehr viel besser ist zur Zeit die Ausgabe der Anaglyphenbilder auf Farbdiafilm mittels einem
Filmbelichter, wie sie z.B. von Agfa angeboten wird. Die Qualität des so erzeugten Dias ist
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„Glaziologie in 3D“
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bezüglich Farbtreue, Schärfe und Auflösung unübertroffen. Die Großprojektion der Farbanaglyphendias in einem geeigneten Saal (Abbildung 6) kann ein spektakuläres Erlebnis bieten. Wichtig ist eine ausreichende Helligkeit des Projektors, da die Folienbrillen sehr viel
Licht absorbieren.
Bei der Projektion in einem größeren Raum müssen außerdem die in Frage 6 näher erläuterten Probleme beachtet werden. Die üblicherweise angewandte Projektion auf eine ebene
Leinwand erlaubt nur wenigen Zuschauern den Aufenthalt im optimalen Bereich um den orthostereoskopischen Punkt. Wichtig ist die Wahl eines günstigen Projektionsmaßstabs in Relation zur Länge des Raumes. Befinden sich die vorderen Plätze im Verhältnis zur Bilddiagonale zu nahe an der Leinwand, können Probleme bei der Bildverschmelzung auftreten und
gleichzeitig die Tiefenwirkung vermindert sein. Auf den hinteren Plätzen wirkt diese dagegen
übertrieben, von der Seite beeinträchtigen starke Verzerrungen das Raumerleben. Da eine
gekrümmte Leinwand, wie bei dem IMAX-3D-Verfahren üblicherweise nicht zur Verfügung
steht, ist die Vorführung auch in größeren Räumen nur für eine begrenze Anzahl von Zuschauern sinnvoll. Trotzdem sind die bislang gewonnenen Erfahrungen beim Einsatz der Methode im Rahmen von Vorträgen hinsichtlich der Wirkung sehr positiv. Bei der Auswahl des
Bildmaterials ist natürlich darauf zu achten, dass nur Bilder mit korrekten stereoskopischen
Eigenschaften präsentiert werden, da ansonsten ungeübte Zuschauer schnell überfordert werden und rasch ermüden.
8. Warum wirken große Objekte wie Spielzeug?
Abb. 7)
Liliputismus: In Stereobildern, die wegen einer sehr viel größeren Stereobasis als der natürliche Augenabstand eine deutlich gesteigerte Tiefenwirkung besitzen, wirken große Objekte wie etwa Häuser, aber auch Berge wie
verkleinerte Modelle. Dies ist die unmittelbare Folge der Eichung unseres räumlichen Sehvermögens auf den natürlichen
Augenabstand und wird als Liliputismus bezeichnet. (Fotos: M. Weber)
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Die Stereofotografie bietet die einzigartige Möglichkeit, sehr große Objekte, die unter dem
natürlichen Sehen nur flächenhaft erscheinen, mit räumlicher Wahrnehmung sichtbar zu machen. Gerade dies macht den hauptsächlichen Reiz des Verfahrens aus. Der reale Raumeindruck entsteht unmittelbar dadurch, dass man die Beobachterbasis entsprechend verbreitern
kann.
Das räumliche Sehvermögen lässt sich auf diese Weise täuschen, dass es Objekte wie beispielsweise Häuser oder gar Berge formrichtig wiedergibt. Andererseits hat unser Raumempfinden trotzdem Schwierigkeiten damit, etwas zu sehen, was es natürlicherweise nach langjähriger Erfahrung eigentlich gar sich sehen kann. Das Häusermeer einer Stadt wie in Abbildung 7 kann normalerweise nur als Modell derartig räumlich erscheinen. Oder ganze Bergmassive als verkleinerte Nachbildungen in Form eines Relief. Deshalb erscheinen alle mit
einer größeren Basis als dem Augenabstand stereoskopisch aufgenommenen Objekte intuitiv
stark verkleinert. Dieser Effekt ist in der Stereoskopie wohlbekannt und wird „Liliputismus“
oder Modellwirkung genannt. Man sieht eine Landschaft wie ähnlich wie der Riese Gulliver
die der Liliputaner. Es handelt sich um eine zwangsläufige Folge der gesteigerten Tiefenwirkung und kann unter Umständen als störend empfunden werden.
In umgekehrter Weise wirken sehr kleine Objekte, falls sie sehr nahe mit einer Basis kleiner
dem natürlichen Augenabstand aufgenommen werden, übernatürlich groß. Dieser Effekt wird
analog „Gigantismus“ genannt, und ist ein interessantes Ausdrucksmittel.
9. Warum das altmodische Anaglyphenverfahren?
Man fragt sich, ob die heutige Hochtechnologiewelt zur 3D-Wiedergabe immer noch nicht
mehr bieten kann als das 1853 von Wilhelm Rollmann bzw. 1858 von J. Ch. D´Almeida erfundene Anaglyphenverfahren? Bereits ein Jahr nach der Erfindung der Fotografie wurde das
erste Stereopaar erstellt. 1856 wurden Stereobetrachter in großer Zahl verfügbar, die Stereoskopie war im vorletzten Jahrhundert sehr viel weiter verbreitet als heute. Im Audiobereich ist
Stereophonie seit 30 Jahren Standard, da offensichtlich der Aufwand, den Ton in mehreren
Kanälen zu verarbeiten und zwei oder gar mehr Lautsprecher aufzustellen, vergleichsweise
gering und billig ist. Im visuellen Bereich ist eine analoge Vorgehensweise am PC deutlich
schwieriger, da die Verarbeitung von Bilddaten um ein Vielfaches aufwendiger ist als die von
Audiodaten.
Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass es bereits heute Bildformate gibt, die stereoskopische Bildinhalte abspeichern und mit geeigneter Soft- und Hardware wiedergeben, wie
z.B. das JPS-Format. Die heutigen PC´s sind durchaus leistungsfähig genug, um die erforderlichen zwei Bilder gleichzeitig verarbeiten zu können. Es gibt jedoch kaum Verfahren, die
ohne zusätzliche Hilfsmittel diese Bilder den Augen getrennt zuführen können. Zwar gibt es
aufwendige Konstruktionen wie den sogenannten Datenhelm (oder auch Headdisplay, siehe
Abbildung 8), aber eine solche Ausrüstung mit einer dem Bildschirm vergleichbaren Auflösung kann man sich als Normalbenutzer kaum leisten.
Weitere Verbreitung finden hingegen sogenannte Shutterbrillen, welche durch wechselseitiges Abdunkeln die sehr schnell (mindestens mit 50Hz) abwechselnd auf dem Monitor gezeigten Teilbilder dem jeweiligen Auge richtig zuordnen soll. Preiswerte Produkte dieser Art liefert z. B. der Grafikkartenhersteller ELSA (z.B. ERAZOR III LT für ca. 60.- € oder die Firma
ASUS. Der erfolgreiche Einsatz dieser Produkte scheitert jedoch meist an den Fähigkeiten der
verfügbaren Monitore, welche häufig die erforderliche Bildwechselfrequenz von über 100Hz
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„Glaziologie in 3D“
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nicht leisten oder das notwendige Synchron-Signal für die Brille nicht liefern können. Ein für
Shutterbrillen geeigneter Monitor ist sündhaft teuer. Mit LCD-Flachbildschirmen ist das Verfahren überhaupt nicht anwendbar. Vielfach fehlt es auch nur an geeigneten Gerätetreibern für
die Grafikkarte mit den verwendete Betriebssystem.
Abb. 8) Verschiedene 3D-Verfahren: Es gibt selbstverständlich bessere Verfahren zur Wiedergabe von Stereobilder als
das Anaglyphenverfahren, von denen eine Auswahl hier wiedergegeben sind. Die modernen Geräte wie das Headdisplay
oder der Linsenrasterschirm sind jedoch noch sehr teuer und noch nicht wesentlich wirkungsvoller als das hier präsentierte
Anaglyphenverfahren.
Die Shutterbrille wurden ursprünglich für 3D-Computerspiele entwickelt. Das Ergebnis bei
der Anwendung des Verfahrens für Fotografien ist leider nicht wesentlich besser als das des
hier demonstrierten Anaglyphenverfahren. Die Bildformate sind meist kleiner und die für den
Effekt so wichtige Pixelauflösung lässt zu wünschen übrig. Auf Papier ausdrucken kann man
derartige Bilder schon gleich zweimal nicht.
Noch besser wäre ein Verfahren, das überhaupt kein Hilfsmittel benötigt. Tatsächlich wurden
derartige Spezialdisplays, die auf dem Linsenrasterverfahren basieren, inzwischen entwickelt
(Abbildung 8). Die Kosten dafür sind aber noch sehr hoch (ca. 20´000 €), da eine sehr komplexe Ansteuerung erforderlich ist.
All diese Probleme kennt das Anaglyphenverfahren nicht. Es ist das preiswerteste und einfachste Verfahren, um für jedermann ein 3D-Erlebnis sowohl am PC als auch in Printmedien
zu ermöglichen. Mit einer besseren Verfügbarkeit von Rot-Zyan-Brillen auch in Deutschland
könnte dessen Verbreitung zunehmen. Höhere Leistungen beim Datentransfer im Internet und
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
damit verbunden eine geringere notwendige Kompressionsrate wird auch in diesem Medium
die Bildqualität verbessern.
Prinzipiell kann man das Anaglyphenverfahren auch für bewegte Bilder, also Filme und Videos verwenden. Die Wirkung ist aber schlechter als bei den für die Kinoprojektion verwendeten Polarisationsverfahren. Schuld daran ist vor allem der Pulfrich-Effekt (entdeckt von
Carl Pulfrich, 1858 – 1927). Dieser besteht darin, dass ein helleres Bild vom Auge schneller
wahrgenommen wird als ein dunkleres. Da das durch das rote Filter betrachtete Teilbild normalerweise dunkler erscheint als das durch das Zyanfilter, erkennt man es die Szene einige
Sekundenbruchteile später. Bei Standbildern fällt dieser Effekt nicht ins Gewicht, bei bewegten Bildern kann er sich aber störend auswirken.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass gerade der zuvor erwähnte Pulfrich-Effekt
versuchsweise als weitere Präsentationsmöglichkeit von 3D-Filmen im Fernsehen genutzt
wurde. Dieses hat nämlich das Problem der Kompatibilität für den Zuschaueranteil, der ein
neues Spezialverfahren nicht nutzen kann oder will, ähnlich der Einführung des Farbfernsehens. Daher kam ein Anaglyphenverfahren eigentlich nicht infrage. Vielmehr wurden speziell
angefertigte Folienbrillen verkauft, die lediglich ein Auge etwas abdunkeln, ansonsten das
Farbspektrum nahezu unverändert lassen. Dann werden Kameraschwenks oder –Fahrten gezeigt, die durch die Brille betrachtet tatsächlich einen gewissen Tiefeneindruck entstehen lassen, da durch die Verzögerung das rechte und linke Auge geringfügig unterschiedliche Perspektiven sehen. Dieser dauert allerdings nur solange an wie die Bewegung und ist wegen der
nur geringen Basis nicht besonders spektakulär. Ruhende Szenen können nicht gezeigt werden. Zuschauer ohne die Brille sehen die Sendung völlig normal. Bekannt wurde das Experiment durch die RTL-Sendung „Tutti Frutti“. 1998 wurde der Versuch vom Sender PRO7 mit
einer Reihe von Naturfilmen wiederholt. Wer noch in Besitz einer derartigen Brille ist, kann
den Effekt leicht anhand einer Sendung mit Kameraschwenks nach rechts ausprobieren, z. B.
bei einer Fußballübertragung. Zum Betrachten von Anaglyphenbildern ist diese Brille aber
ungeeignet. Der große Durchbruch zum 3D-Fernsehen war das Pulfrich-Verfahren bislang
nicht, aber ein durchaus interessanter Ansatz.
10. Kann ich Anaglyphenbilder selbst erzeugen?
Damit kommen wir möglicherweise zur interessantesten Frage dieser Ausführungen. Noch
vor wenigen Jahren hätte man diese Frage eindeutig mit „Nein“ beantworten müssen. Die
Herstellung von Anaglyphenbildern, und seinen diese auch nur in Schwarzweiß gehalten, war
hochspezialisierten Fachleuten in Druckereien vorbehalten. Heute dagegen ist die Produktion
auch von farbigen 3D-Bilder auf jedem „Aldi-PC“ kein Hexenwerk mehr, falls man über gängige Bildverarbeitungsprogramme und die notwendigen Kenntnisse darüber verfügt. Die
Wiedergabe der Raumbilder am Bildschirm stellt überhaupt kein Problem dar und mit einem
phototauglichen Farb-Tintenstrahldrucker kann man auch die Ergebnisse in guter Qualität zu
Papier bringen. Notfalls bieten seit neuestem auch verschiedene Fotolabors im Internet diese
Dienste an. Da sich die Fotografie sowieso immer mehr auf den PC verlagert, besitzt heute
nahezu jeder Hobbyfotograf das nötigste Werkzeug zur Erstellung von 3D-Bildern in der Art,
wie sie hier vorgestellt werden. Die detaillierte Schilderung aller Arbeitsgänge, Zusammenhänge und insbesondere der notwendigen Bedienerschritte auf dem Computer mit verschiedenen Programmen würde allerdings diesen Beitrag leicht zu einem umfangreichen Fachbuch
erweitern. Deshalb kann hier der Weg von der Aufnahme der Stereobilder mit einem herkömmlichen Fotoapparat bis zum fertigen Anaglyphenbild allenfalls skizziert und angedeutet
werden. Einige grundlegende Fragen werden nachfolgend behandelt, Fachwissen zur Bildbe18
„Glaziologie in 3D“
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arbeitung muss jedoch vorhanden sein oder sich an anderer Stelle beschafft werden. Allerdings bedarf es nur einiger rudimentärer Grundkenntnisse und etwas Praxis, um relativ
schnell zu brauchbaren Resultaten zu gelangen.
Der generelle Weg zum fertigen Anaglyphenbild erfordert lediglich die drei grundlegende
Arbeitsschritte:
1. Die Aufnahme der Stereo-Teilbilder
2. Digitalisierung und Übertragung der Bilddaten auf den PC
3. Korrektur der Bilder und Montage der Anaglyphenbilder mittels einem
Bildbearbeitungsprogramm zur Ausgabe auf einem geeigneten Medium.
11. Wird für die Aufnahme der Stereobilder eine
Spezialkamera benötigt?
Es sind tatsächlich Spezialkameras zur Herstellung stereoskopischer Aufnahmen auf dem
Markt verfügbar. Diese sind relativ teuer, handelt es sich dabei schließlich um Spezialkonstruktionen. Üblicherweise sind sie mit zwei nebeneinander in einem festen Abstand montierten Objektiven und einem Verschlusssystem ausgestattet, dass die gleichzeitige Belichtung
zweier Aufnahmen auf dem Film erlaubt. Da der Objektivabstand meist zwischen 6 und 10
cm beträgt, entspricht die damit erzielbare Tiefenwirkung in etwa der des menschlichen Auges. Der Vorteil einer solchen Kamera liegt darin, dass die beiden Stereohalbbilder gleichzeitig aufgenommen werden können. Damit sind auch 3D-Aufnahmen von bewegten Szenen
möglich. Der Einsatzbereich deckt damit überwiegend das Gebiet der Hobbyfotografie im
Abstand des natürlichen Raumsehens bis etwa 10 m ab.
Eine weitere Option stellen spezielle Spiegelaufsätze für Objektive von Spiegelreflexkameras
dar. Das Spiegelsystem erlaubt die ebenfalls gleichzeitige Belichtung zweier Halbbilder in
einem seitlichen Abstand von wenigen Zentimetern auf einem Kleinbildnegativ. Allerdings
kann nur die halbe Bildfensterbreite für eine Aufnahme genutzt werden. Sowohl die speziellen Stereokameras als auch die Zusätze für herkömmliche Kleinbildkameras sind in der Praxis
nicht weit verbreitet, da die Raumwirkung wegen der geringen Basislängen im Verhältnis
zum Aufwand nicht sehr spektakulär ist.
Beschränkt man sich auf weitgehend bewegungslose Motive, dann genügt auch ein ganz gewöhnlicher Photoapparat als Eintrittskarte in die Stereofotografie. Die beiden erforderlichen
Teilaufnahmen werden nicht gleichzeitig, sondern hintereinander aufgenommen. Der Vorteil
dieser Methode besteht darin, dass nahezu beliebige Abstände für die Stereobasis gewählt
werden können. Letzteres erlaubt eine beträchtliche Erweiterung des Bereichs, in dem eine
Raumwahrnehmung möglich ist. Die Vorgehensweise ist prinzipiell sehr einfach: Man photographiert zunächst die Szene in gewohnter Weise, bewegt sich dann um eine angemessene
(siehe dazu die Frage 14) Strecke nach rechts und macht ein weiteres Bild von der Szene. In
den meisten Fällen benötigt man dazu nicht einmal ein Stativ. Die Kamera muss keine besondere Ausstattung haben, lediglich ein automatischer Filmtransport ist vorteilhaft.
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
12. Was bedeutet die Einschränkung des Verfahrens
auf ruhende Motive?
Bewegt sich ein Objekt zwischen der Aufnahme der Stereoteilbilder, dann verändert sich seine Lage auf der Bildebene nicht mehr allein durch den Standortwechsel. Das Gehirn interpretiert bei der Auswertung eines Stereobildes jede Verschiebung von korrespondierenden Bildpunkten als Raumtiefe, unabhängig davon, wodurch sie entstanden ist. Die Folge ist eine störende Irritation, da das bewegte Objekt nicht mehr in die Umgebung zu passen scheint. Bewegt es sich beispielsweise nach rechts, erscheint es zu nahe im Vordergrund, bei einer
Linksbewegung rückt es zu weit nach hinten. Häufig führt diese Irritation zu einem völligen
Zerfall des Raumbildes, d. h. das Bild erscheint als Doppelbild.
Bewegte Objekte sind zwar meist Lebewesen oder Maschinen, aber auch Pflanzen oder Wolken können mit dem Wind bewegt werden. Um bewegte Objekte in 3D abzubilden, benötigt
man normalerweise eine Spezialkamera, die beide Stereohalbbilder gleichzeitig aufnehmen
kann. Das einfache Verfahren der Aufnahme von zwei Bildern mit einem herkömmlichen
Fotoapparat kann allenfalls noch zur Darstellung von einzelnen Menschen oder Persongruppen angewandt werden, deren Verhalten man kontrollieren kann. Man muss sich in Zeit der
Anfänge der Fotografie zurückversetzen, als die Fotomodelle wegen der langen damals erforderlichen Belichtungszeiten in bewegungsloser Starre verharren mussten.
Häufig droht aber gerade das Problem unkontrollierter Bewegungsabläufe innerhalb der Szene das ansonsten wunderbare Stereobild unbrauchbar zu machen. In seltenen Fällen kann eine
geschickte Retusche bei der digitalen Bildverarbeitung noch helfen, diese erfordert aber tiefere Kenntnisse. Anderseits kann aber auch der Bewegungseffekt geplant genutzt werden, von
Objekten ohne Hintergrund eine dreidimensionale Ansicht zu erhalten, die anders gar nicht
möglich wäre, wie zum Beispiel von einem vorbeifliegenden Flugzeug oder von rasch vorbeiziehenden Wolken ( Abbildung 9).
Abb. 9)
Stereoeffekt durch Bewegung: Bei diesem Bild wurde die schnelle Bewegung der Wolken einer heranziehenden Gewitterfront genutzt, um einen 3D-Effekt zu erzeugen. Zwar veränderte sich die Form der Wolken schnell, ihre
Zuggeschwindigkeit war jedoch so hoch, dass das Stereopaarbild bereits nach einer Sekunde aufgenommen werden konnte. Leider ist die Zugrichtung nicht hundertprozentig senkrecht zur Blickrichtung orientiert. (Fotos: M. Weber)
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„Glaziologie in 3D“
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13. Welche Motive sind für das Verfahren völlig ungeeignet?
Als ambitionierter Stereophotograf steht man oft vor dem Problem, ein wunderbares Motiv
vorzufinden, das äußerst vielversprechend für eine 3D-Wiedergabe scheint, sich aber nach der
Erzeugung des Anaglyphenbildes als totaler Flop erweist. Dieser kann ursächlich in den
Schwächen des Farbanaglyphenverfahren begründet sein, aber auch im Prinzip der Stereophotographie selbst. Um allzu viele Enttäuschungen zu ersparen, seien hier die wesentlichen Einschränkungen für Motive, die sich aus der Kombination der einfachen Stereophotografie mit
dem Anaglyphenverfahren ergeben, kurz angeführt:
Wie in Frage 3 bereits näher erläutert, erlaubt das beschriebene Rot-Zyan-Verfahren
keine befriedigende Wiedergabe von Motiven in allzu kräftigen Rot-Tönen. Das knallrote
Feuerwehrauto oder der wunderschöne Rosenstrauß beispielsweise mögen in natura und
auf einem Farbbild noch so herrlich wirken, im Anaglyphenbild wird von der Pracht nur
noch ein schwarzweißes Geflimmer ohne große Raumwirkung übrigbleiben. Gut geeignet
sind dagegen Objekte mit hellen Farben im gelben, grünen oder blauen Bereich des
Spektrums.
Das Motiv sollte keine allzu starken Hell-Dunkel-Kontraste aufweisen. Tiefe Schatten
oder leuchtende Flächen führen unweigerlich zu unschönen Geisterbildern. Die Anaglyphenfilter absorbieren leider sehr viel Licht, daher eignet sich das Verfahren nur
schlecht zur Darstellung von dunklen Flächen. Gut geeignet sind dagegen strukturierte
Schneelandschaften.
Man sollte darauf achten, dass bei Aufnahmen mit der Sonne im Rücken der Schatten
des Fotographen nicht in das Bild reicht. Verändert man für die Aufnahme des zweiten
Teilbildes die Position, ändert sich damit auch die Lage des Schattens, so dass dieser später im 3D-Bild zu schweben scheint. Verwenden sie nach Möglichkeit auch keinen Blitz,
denn dadurch verändern sich nicht nur die Schatten der Objekte, sondern auch deren Beleuchtungswinkel. Diese Probleme sind übrigens unabhängig vom verwendeten 3DWiedergabeverfahren.
Vermeiden Sie Bilder, die große Menschenansammlungen, fließenden Verkehr, unruhige Wasserflächen oder rotierende Maschinen zeigen. Die unvermeidlichen Bewegungseffekte in derartigen Szenerien können auch mit noch so intensiver Retuschearbeit kaum
mehr korrigiert werden. So interessant die 3D-Wiedergabe des Treibens auf dem grellbunten Münchner Oktoberfest auch wäre, es bedarf dazu Spezialkameras und einem besonderen Wiedergabeverfahren. Auch das Bild einer Meeresbrandung am Strand gelingt
wahrscheinlich nur sehr selten. Unter Umständen jedoch kann man die im Mittel relativ
stationäre Raumansicht eines tosenden Wasserfalls oder eines Springbrunnens einigermaßen dreidimensional verewigen.
Ebenfalls unergiebig ist der Versuch der Wiedergabe von sehr filigran und komplex
aufgebauten 3D-Objekten. Natürlich ist der Blick schräg in die Konstruktion des Eiffelturms oder eines Zeppelins sehr interessant, ein gutes Stereobild benötigt aber immer einen klaren Bezugshorizont, an dem die Teilbilder orientiert werden können. Wird ein Motiv jedoch zu komplex und ist es dabei zusätzlich noch sehr kontrastreich, dann kann es in
einem Stereobild nicht mehr in Tiefenwahrnehmung umgesetzt werden. Für Schräg orientierte Aufnahmen lässt sich ohne starre Hilfsvorrichtung die Kamera ohnehin kaum korrekt parallel verschieben.
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Informationen zur 3D-Visualisierung
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Prinzipiell ist ein erhöhter Standpunkt für gelungene 3D-Bilder immer eine gute Wahl.
Allerdings ist Berggipfel häufig der denkbar schlechteste Ort, um das Panorama der benachbarten Berge und den atemberaubenden Tiefblick realistisch einzufangen. Solche
Motive benötigen in der Regel eine gewaltige Basis von 50 Metern und mehr, um die nötige Tiefenwirkung zu entfalten. So viel freier Raum ist auf den wenigsten Berggipfeln verfügbar. Man kann jedoch nach einem benachbarten, möglicht gleich hohen Gipfel Ausschau halten. Möglicherweise bietet sich dort die Möglichkeit zur Aufnahme eines zweiten Stereoteilbildes. Besser macht man die Aufnahmen etwas tiefer am Berg oder am besten gleich vom Flugzeug aus (siehe auch die Frage 16!). In diesem Zusammenhang sei
darauf hingewiesen, dass sich normalerweise eine Seilbahngondel auch bei freier Aussicht nicht als Plattform für Stereobilder eignet, da sie sich üblicherweise nicht horizontal, sondern schräg aufwärts bewegt. Dies entspräche einer diagonalen Augenanordnung,
die in der Natur kaum vorkommt. Ein derartiges Bildpaar lässt sich nicht zu einem Stereobild vereinigen.
Bei Aufnahmen im unmittelbaren Nahbereich ist darauf zu achten, dass der Hintergrund nicht zu unruhig und bzw. zu stark strukturiert ist, da sich dann das Raumsehvermögen nicht auf den Vordergrund konzentrieren kann. Ein solches Bild verschmilzt kaum,
man spricht in dieser Situation vom Zerfall des Raumbildes. Abhilfe schafft am ehesten
das Spiel mit der Schärfentiefe, denn ein unscharfer Hintergrund beruhigt die Szene. Störend sind auch Gegenstände, die im Vordergrund halb in das Bild hereinragen oder sogar
nur in einem Teilbild enthalten sind. In einem solchen Fall kann allenfalls eine passende
schwarze Maske im Bild als Blende Abhilfe schaffen (siehe Abbildung 10).
Abb. 10)
Blende: Auf diesem Bild ragen auf der rechten Seite Äste in den Bildausschnitt, die nur im rechten Teilbild
enthalten sind. Diese wirken sehr störend, da sie zu weit im Vordergrund erscheinen. Eine einfache Abdeckung beruhigt das
Bild. Der Baum links vor der Almhütte ist ebenfalls nur in dem linken Teilbild enthalten, erscheint daher ebenfalls in der Papierebene. Hier ist die Störung jedoch nicht so dramatisch. (Fotos: M. Weber)
Obwohl die voranstehende Liste der Einschränkungen zunächst lang erscheint, sollte man sich
nicht bei seinen Versuchen nicht entmutigen lassen. Es bleiben immer noch unzählige Motive
übrig, die auf einfache Weise höchst spektakulär in drei Dimensionen abgebildet werden können. Außerdem ist Filmmaterial oder Massenspeicher bei Digitalkameras gegenwärtig so
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„Glaziologie in 3D“
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preiswert, dass auch einige Fehlschläge verkraftet werden können. Da auch hier die alte Erfahrung gilt, dass man aus Fehlern nur lernen kann, führen viele Versuche letztlich auch zu
einer großen Anzahl gelungener Resultate.
14. Was gilt es bei der Orientierung der Aufnahmeachsen der Stereohalbbilder zu beachten?
Wie bereits in einigen Fragen zum Prinzip der Stereophotographie eingehend erläutert, benötigt man in der Praxis für ein 3D-Bild immer mindestens zwei Bilder derselben Szene von
zwei seitlich versetzten Standpunkten. Je größer deren Abstand, desto intensiver ist später die
zu erwartende Tiefenwirkung des Stereobildes. Die Teilbilder müssen sich hinreichend überlappen, also in etwa den selben Bildinhalt zeigen.
Abb. 11) Mögliche Orientierungsfehler bei der Aufnahme und deren Auswirkungen: Bei Freihandaufnahmen mit einer
einzigen Kamera kann es leicht zu Fehlern bei der Orientierung kommen, die je nach verwendeter Brennweite und Ausmaß
relative Verzerrungen des Inhaltes der Halbbilder zur Folge haben. Deren Natur wird hier dargestellt. Richtig (3) ist nur die
völlig parallele Aufnahmerichtung im Fall b). Sämtliche anderen Möglichkeiten liefern mehr oder weniger kritische Fehler (f).
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Informationen zur 3D-Visualisierung
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Wer sich noch nicht sehr intensiv mit der Stereophotografie beschäftigt hat, könnte glauben,
dass sich aus jedem Bildpaar, auf dem dieselben Objekte abgebildet sind, ein 3D-Bild herstellen lässt. Dies stimmt leider nicht, die Überlappung des Bildausschnitts ist zwar eine notwendige Bedingung, aber keine hinreichende. Beide Teilbilder müssen zusätzlich die identische
Orientierung aufweisen. Auch das natürliche Raumsehen erfordert eine korrekte Augenstellung. Stimmt diese nicht, dann spricht man von „Schielen“. Zwar kann das Gehirn beim Verschmelzen der Halbbilder derartige Richtungsfehler in erstaunlichem Maße korrigieren, der
Vorgang ist aber nach kurzer Zeit sehr ermüdend. Deshalb sollte man versuchen, Orientierungsfehler bereits bei der Aufnahme zu vermeiden.
Bei Freihandaufnahmen sind Orientierungsfehler nicht völlig vermeidbar. In der Abbildung
11 sind die am häufigsten gemachten Fehler und deren Auswirkung auf die Stereohalbbilder
skizziert. Lediglich die im Abbildungsteil b) dargestellten exakt parallel ausgerichteten Aufnahmeachsen liefern im Überlappungsbereich (grau) ein uneingeschränkt nutzbares und fehlerloses Stereobild, d. h. Bildpunkte eines Objektes werden allein wegen der Verlagerung des
Aufnahmestandpunktes verschoben. Jegliches Auseinanderlaufen (Divergenz) oder Zusammenlaufen (Konvergenz) der Aufnahmeachsen führt unweigerlich zu Verzerrungen der Abbildung auf dem Film gegenüber der stereoskopisch korrekten Wiedergabe der Parallaxe in Teilabbildung a).
Diese Verzerrungen sind in den Stereohalbbildern zunächst nicht erkennbar. Sie lassen sich
in der Praxis auch mit den Methoden der Bildverarbeitung nur sehr eingeschränkt korrigieren,
da sie meist vom verwendeten Objektiv abhängen und im Gegensatz zur vereinfachten Darstellung in der Abbildung in Wirklichkeit nicht linear sind. Am wenigsten problematisch sind
verdrehte Aufnahmen wie im Abbildungsteil e) angedeutet. Dieser Fehler kann bei der Montage der Bilder leicht korrigiert werden. Völlig katastrophal wirken sich die divergierenden
Aufnahmeachsen im Abbildungsteil a) und d) oder gar deren Kombination aus, denn diese
Augenstellung ist völlig unnatürlich. Ein Stereopaar mit diesem Fehler ist bis auf einen kleinen Teilbereich um die Bildmitte völlig unbrauchbar.
Durch die korrekte Parallelverschiebung der Aufnahmeachsen kann das gesamte Bildformat
für das Stereobild nicht vollständig ausgenutzt werden, es wird immer um einen gewissen
Randbereich (rot und blau markiert) beschnitten. Dies verführt dazu, die Aufnahmeachsen
wie in Abbildung 11 c) konvergieren zu lassen. Eine konvergente Augenstellung ist beim natürlichen Stereosehen durchaus zulässig, da Abbildungsfehler dieser Art durch die gekrümmte
Hornhaut korrigiert werden. Auf der in einer Kamera verwendeten planen Filmebene entstehen jedoch unweigerlich wachsende Verzeichnungen zu den seitlichen Rändern des Stereobildes, die zu einer störenden Verzerrung des Raumeindruckes führen. Wenn auch der Fehler
nicht ganz so gravierend ist wie bei divergierenden Aufnahmeachsen, so sollte man in dennoch zu vermeiden versuchen.
Es könnte nun der Eindruck entstanden sein, dass die freihändige Aufnahme von Stereoaufnahmen nahezu unmöglich sei, denn die Einhaltung von exakt parallelen Aufnahmeachsen ist
schlichtweg schwierig. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Probleme je nach Motiv gar
nicht so gravierend sind. Einerseits ist das räumliche Sehvermögen je nach Trainingszustand
erstaunlich fehlertolerant, andererseits nimmt mit zunehmenden Objektabstand die Neigung
zur Fehlorientierung der Aufnahmen deutlich ab. Lediglich im Nahbereich bis zu 2 Metern
Entfernung ist die Verwendung eines Stativs dringend zu empfehlen. Ein motorisierter Filmtransportmechanismus ist auf alle Fälle bei der Vermeidung von Fehlorientierungen sehr hilfreich.
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„Glaziologie in 3D“
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15. Wie wähle ich den richtigen Abstand für die Stereobasis?
Wer sich mit dieser elementaren Frage beschäftigt, muss sich vergegenwärtigen, dass die
Tiefenwirkung eines Stereobildes durch die Länge der Stereobasis bei der Aufnahme entgültig festgelegt wird und Korrekturen bei der Wiedergabe nur noch in sehr beschränktem Maße
möglich sind. Ein zu geringer Basisabstand ergibt ein Stereobild, das flach und uninteressant
wirkt (Abbildung 12). Wurde dagegen eine zu große Basis verwendet, ist die Tiefenwirkung
im günstigsten Fall übertrieben und die Wiedergabe der Objekte nicht mehr formtreu. Meist
jedoch wird man aber wesentliche Teile des Vordergrundes und des Hintergrundes nicht mehr
gleichzeitig verschmelzen können, d. h. es kommt zu dem gefürchteten Bildzerfall, das Bild
kann dann in seiner Gesamtheit nicht mehr räumlich wahrgenommen werden (Abbildung 13).
Mangelhafte Tiefenwirkung wegen zu kleiner Stereobasis: Dieses Beispiel einer Szene, aufgenomAbb. 12)
men von einem Berggipfel, zeigt kaum eine Raumwirkung. Der Nahpunkt ist über einen Kilometer entfernt, so dass eine
Basislänge von mindestens 30 m angemessen wäre, um einen soliden Raumeindruck zu vermitteln. Die beiden Teilaufnahmen wurden jedoch nur in einem Abstand von ca. 1 m gemacht. (Fotos: L. Braun)
Stereobilder, die überwiegend zum Zwecke einer 3D-Visualisierung angefertigt werden, sollten auch bei Einsatz einer verstärkten Tiefenwirkung natürlich und ästhetisch wirken. Im Gegensatz dazu gibt es auch technische Bilder, wie beispielsweise Luftbilder zu Vermessungszwecken, die anderen Anforderungen genügen. Sie werden in der Regel senkrecht mit einem
möglichst ökonomischen Anteil an Überdeckung aufgenommen und wirken bei stereoskopischer Betrachtung höchst unnatürlich. Durch den relativ großen Basisabstand erscheinen alle
Objekte mit vertikaler Ausdehnung stark überhöht. Für die Ausmessung dieser Bilder ist dieser Effekt eher dienlich als störend, als Basismaterial für die Erstellung von ästhetischen Anaglyphenbildern sind sie eher ungeeignet. Auf der 1999 von der KfG herausgegebenen CDROM „Klimaerwärmung-Gletscher-Gebirgsabflüsse“ sind Anaglyphenbilder einer Luftbildbefliegung des Vernagtferners im Jahre 1997 enthalten, die derartige 3D-Ansichten mit extremer Überhöhung zeigen. Dort wurde die Basislänge schlichtweg zweckgebunden und nicht
25
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
nach ästhetischen Gesichtspunkten gewählt. Bei Senkrechtaufnahmen wirkt der Effekt auch
nicht im selben Maße störend wie bei Schrägansichten. Diese sollten wirklich einigermaßen
natürlich wirken und deshalb sollte man sich bereits bei der Aufnahme der Bilder über deren
spätere Wirkung Gedanken machen.
Abb. 13)
Bildzerfall wegen zu großer Stereobasis: Obwohl diese Aufnahme eine interessante Tiefenwirkung
zeigt, können Vorder- und Hintergrund nicht gleichzeitig räumlich wahrgenommen werden. Es wurde zwar versucht bei der
Montage den seitlichen Versatz (Deviation) etwas zu verringern und den Horizont tiefer in den Hintergrund zu legen, dennoch hat man bei diesem Bild große Mühe, das Bild als gesamtes zu verschmelzen. Die Basis wurde in Relation zum Abstand zu den nächsten Objekten mit vermutlich über einem Meter zu groß gewählt, so dass der resultierende Versatz auf
dem Kleinbilddia mit 36 mm Breite den zulässigen Grenzwert von ca. 1.2 mm deutlich überschreitet. Für diese Situation wäre
eine Basislänge von maximal 25 cm zulässig gewesen. (Fotos: L. Braun)
Die Wahl des geeigneten Abstandes für die Stereobasis ist eine Wissenschaft für sich. Man
kann das Problem prinzipiell nach mathematischen oder empirischen Grundlagen untersuchen. Gerhard P. Herbig beispielsweise bietet auf seiner Internetseite (www.herbig-3d.de)
eine ganze Reihe von guten Aufsätzen ( [1] bis [5]) zum Herunterladen an, in denen er sich
intensiv mit der Fragestellung nach der optimalen Stereobasis theoretisch auseinandersetzt
und eine umfangreiche mathematische Formelsammlung anbietet. Diese soll dem Leser an
dieser Stelle erspart bleiben, denn für das Anfertigen von Anaglyphenbilder genügen in der
Praxis weitgehend empirische Ansätze, da das Verfahren Fehler bei der Wahl der Basisweite
in beschränktem Maße während der Montage der Teilbilder korrigieren kann. Plant man jedoch zur Präsentation der Stereobilder mit einen Stereobetrachter oder gar die Projektion
mittels Polarisationsfiltern, dann kommt man um eine möglichst genaue Berechnung der Basislänge im Einzelfall nicht herum. In diesem Fall muss auf der Originalquellen [3] bis [6]
verwiesen werden. Sie erhalten dort sehr umfangreiche Hintergrundinformationen zur Theorie der Aufnahme von Stereobildern bis zu deren Projektion auf Großbildleinwänden mit dem
klassischen Polarisationsverfahren.
Möchte man sich nicht mit mathematischen Formeln herumschlagen, so kann man sich an den
Gegebenheiten des natürlichen Raumsehens orientieren. Dieses deckt bei einem Augenabstand von rund 10 cm den Bereich von einem sich in etwa 3 m Entfernung befindlichen Nah26
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
punkt bis zu einem Fernpunkt in ca.10 m Abstand ab. Für fast alle Nahszenen des täglichen
Lebens ist daher ein seitlicher Versatz von wenigen Zentimetern eine gute Wahl. Möchte man
dagegen den natürlichen Tiefenbereich künstlich mit den Mitteln der Stereofotographie erweitern, also den Fernpunkt weiter hinausschieben, muss man die Aufnahmebasis proportional
vergrößern. Der Vergrößerungsfaktor kann allerdings nicht willkürlich, sondern muss den
Anforderungen angepasst gewählt werden. Erweitert man die Stereobasis um den Faktor 10
auf einen Meter, dann erscheinen Objekte bis zu einer Entfernung von 100 m in natürlicher
Weise räumlich.
Abb. 14) Deviation: Verdeutlichung des tatsächlichen seitlichen Versatzes auf dem Negativ für das 3D-Bild in Abbildung 13.
Der Richtwert von 1,2 mm für die maximale Deviation wird fast im gesamten Bild überschritten. Nach diesem Kriterium liegt
fast der komplette Vordergrund der Aufnahme vor dem Nahpunkt des Bildes.
Allerdings steckt man immer in einer Zwickmühle, denn die Verzehnfachung der Basis hat
extreme Auswirkungen auf die Abbildung des Nahbereichs ab etwa 3 m. Für nahgelegene
Objekte wächst der Versatz derartig an, dass die Verschmelzung zu einem Raumbild sehr
mühsam werden oder gar unmöglich sind. Ein objektiver Grenzwert für den maximal gerade
noch tolerierbaren Versatz kann nicht angegeben werden, da das räumliche Sehvermögen
individuell ausgeprägt ist. Generell ist der Mensch eher gewohnt, große Teile seiner Umwelt
nicht dreidimensional zu sehen, deshalb stört ein zu geringe Tiefenwirkung weniger als eine
übertriebene. Einen Richtwert zu deren objektiven Beurteilung liefert jedoch die Deviation,
das ist die Differenz zwischen dem maximalen seitlichen Versatz am nächsten Punkt des Bildes und dem kleinstmöglichen am Fernpunkt [2]. Diese sollte erfahrungsgemäß 1/30stel der
Bildbreite nicht überschreiten ([1], [6]). Auf das gängige Kleinbildformat mit einer Breite von
36 mm übertragen, entspricht die maximale Deviation einer Strecke von 1,2 mm auf dem Negativ oder Dia (Abbildung 14).
Der empirische Wert einer maximalen Deviation von 1,2 mm gilt es bei der Erstellung von
ermüdungsfrei ansehbaren 3D-Aufnahmen streng einzuhalten. In Ausnahmefällen können
auch Werte bis 3 mm verkraftet werden, mit denen sich eine sehr viel intensivere Raumwirkung erzielen lässt. Nur wird der Anteil derjenigen Zuschauer, die bei dem Verschmelzen
eines solchen Bildes Schwierigkeiten haben, bei großen Deviationswerten rasch wachsen.
27
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Diese sind eigentlich nur dann angebracht, wenn man im Nahbereich besondere Effekte erzielen möchte (Mehr dazu unter Frage 17!). Für Landschaftsaufnahmen liegt der Fernpunkt gewöhnlich am Horizont, also im Sinne der Denkweise eines Fotografen in unendlicher Entfernung. Daher ist die Basislänge allein durch den Teil des Vordergrundes beschränkt, der noch
im Bild erscheinen soll. Ist die Basislänge vorgegeben, dann bestimmt die maximal tolerable
Deviation den Nahpunkt, d. h. die minimale Entfernung zu den nächstgelegenen Objekten, die
im Bild sichtbar sein dürfen. Wie groß ist jedoch in der Praxis dieser minimale Abstand?
Da es sich bei dem Richtwert von 1,2 mm um eine absolute Größe handelt, wird rasch klar,
dass die Länge der Stereobasis zusätzlich von der verwendeten Objektivbrennweite abhängen
muss, denn diese bestimmt wiederum den Abbildungsmaßstab auf dem Film. In der Kleinbildfotographie wird das 50 mm-Objektiv als Normalobjektiv bezeichnet, da Brennweite und
Bilddiagonale in etwa übereinstimmen und damit der Bildwinkel dem natürlichen Gesichtsfeld entspricht. Deshalb kann diese Brennweite auch am besten als Referenz für das natürliche
Stereosehen herangezogen werden. Unter Verwendung eines Normalobjektivs verschiebt sich
demnach der Nahpunkt bei einer Verzehnfachung der Basis auf ca. 1 Meter ebenfalls um das
10fache auf 30 m, denn bereits dort wird die maximal zulässige Deviation von 1,2 auf dem
Kleinbildfilm erreicht. Räumliche Gegenstände im Vordergrund, die weniger als 30 m entfernt sind, dürfen nicht mehr im Bildfeld sichtbar sein. Ab der Distanz von 100 m sind die
Bildinhalte deckungsgleich. Eine Basis um einen Meter eignet sich somit gut zur 3DDarstellung von Gebäuden oder Objekten mit ähnlichen Dimensionen.
Ein hoher Berg, wie beispielsweise die Zugspitze, stellt ein Objekt mit Abmessungen von
einigen Kilometern in jeder Richtung dar, das erst aus einer Distanz von mehreren Kilometern
überhaupt überschaubar wird. Für dessen 3D-Visualisierung ist eine Stereobasis in der Größenordnung von mindestens 100 m erforderlich, wobei der Bereich bis zum Nahpunkt, also
die aus dem eigentlichen Stereobild ausgeblendet sein sollte. Dies dürfte in der Praxis eigentlich nur noch von einem erhöhten Aussichtspunkt auf einem benachbarten Berg oder einem
Flugzeug aus realisierbar sein.
Beschränkt man sich auf Fernaufnahmen mit dem Normalobjektiv, dann ist die Abschätzung
der erforderlichen Länge der Stereobasis relativ einfach: Wählt man ca. 1/20stel der Entfernung zum nächsten Punkt der Szene oder etwa 1/10tel der Distanz zum Mittelpunkt (z.B. ein
Berggipfel), liegt man sowohl unter theoretischen als auch empirischen Gesichtspunkten in
den meisten Fällen richtig. Kann wegen der örtlichen Gegebenheiten nicht genügend Distanz
zum Vordergrund eingehalten werden oder muss wegen Platzmangel eine kleinere Basis gewählt werden, dann wird die Tiefenwirkung des 3D-Bildes zwar geringer sein als erhofft, aber
immer noch besser als mit dem gewöhnlichen Auge. Das Verwenden eines Weitwinkel- oder
Teleobjektive verändert den Abbildungsmaßstab vergleichbar mit einem größeren Abstand
oder der Annäherung an das Objekt und erfordert damit eine größere bzw. kleinere Basisweite
gegenüber dem Normalobjektiv. Die tatsächlichen Verhältnisse für bestimmte Objektive können der Abbildung 15 entnommen werden. Zur Objektivwahl wäre noch anzumerken, dass im
allgemeinen die korrekte Parallelausrichtung der Aufnahmeachsen der Teilbilder (Abbildung
11) mit einem extremen Weitwinkel- oder Teleobjektiv schwieriger ist als mit der Normalbrennweite.
In der Praxis sind umständliche Berechnungen der erforderlichen Basislänge bis auf die Anwendung der einfachen Faustformel kaum praktikabel. Man kann sich häufig nicht allzu lange
mit den Vorbereitungen für eine Aufnahme aufhalten, sondern möchte lediglich ein zusätzliches Bild fotografieren, um später auch ein Stereopaar von einer interessanten Szene zu besitzen. Deshalb sollte man ruhig auch dam der bewährten Methode „Versuch und Irrtum“ ver28
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
fahren und einfach pragmatisch vorgehen. Nach einigen Experimenten und mit der damit gewonnen Erfahrung (wir lernen schließlich aus Fehlern!) könnte das gelegentliche 3D-Bild
neben den herkömmlichen Fotos bald zur Routine werden und die Möglichkeiten der Darstellung interessanter Motive erweitern. Aber es ist dabei äußerst vorteilhaft, sich zuvor mit dem
theoretischen Hintergrund der Stereofotografie beschäftigt zu haben und diesen bei der Anwendung im Hinterkopf zu behalten.
Abb. 15) Diagramm zur Abschätzung der Stereobasis bei Fernaufnahmen: Dieses Diagramm liefert Anhaltspunkte für
die optimale Wahl der Stereobasis in Abhängigkeit von der Entfernung zum Nahpunkt für gängige Objektivbrennweiten aus
der Kleinbildfotografie. Der Fernpunkt liegt immer im Unendlichen. Weitwinkelobjektive erfordern gegenüber dem Normalobjektiv eine größere Basislänge, Teleobjektive eine kürzere. Zum Beispiel erfordert die Aufnahme eines Objektes in 400 m
Entfernung mit einem 50mm-Normalobjektiv eine Basis von 10 m.
Es sich bewährt, für die praktischen Anwendung die Motive grob in drei Kategorien einzuordnen und die Stereobasis entsprechend zu wählen. Vorab sei noch angemerkt, dass es generell sinnvoll ist, sich anzugewöhnen, immer zuerst das linke Bild aufzunehmen und anschließend das für das rechte Auge. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass die
Resultate auf dem Film später leicht augenrichtig zugeordnet werden können. Da die Aufnahme auf dem Film auf dem Kopf belichtet wird und der Filmstreifen zum seitenrichtigen
Betrachten um 180° gedreht werden muss, kann die Stereowirkung in den meisten Fällen sofort nach der Filmentwicklung durch die Schielblickmethode ( [12]) getestet werden. Das
Kriterium für die kategorische Einordnung der Motive richtet sich primär nach deren
Abmessungen:
29
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Die erste Kategorie umfasst Motive des täglichen Lebens im Nahbereich von 3 m bis
ca. 10 m. In diesem Fall sollte die Stereobasis nur unwesentlich vom natürlichen Augenabstand von 6.5 cm abweichen und höchstens 10 cm betragen. Dies lässt sich leicht durch
eine einfache Wiegebewegung mit dem Oberkörper zwischen den Aufnahmen realisieren
(Schaukelmethode). Denken Sie aber speziell bei dieser Art von Aufnahmen daran, dass
kein fest an der Kamera montierte Blitz zur Ausleuchtung der Szene benutzt werden darf
bzw. der Schatten des Fotografen nicht in den Bildausschnitt ragt!
Die zweite Kategorie beinhaltet Aufnahmen von größeren Objekten wie beispielsweise
Gebäude, Bäume oder Verkehrsflugzeuge. Diese befinden sich gewöhnlich im Abstand
von mehr als 10 m und weniger als 100 m. Für diese Situation sind Basislängen zwischen
50 cm und einem Meter angemessen, welche am einfachsten durch einen Schritt nach
rechts erreicht werden (1-Schrittmethode). Befindet sich das Motiv näher als 50 m, sollte
der Schritt etwas kleiner ausfallen. Häufig erfordern derartige Aufnahmen bereits einen
etwas erhöhten Standort, da der Vordergrund erst ab ca. 20 m bis 30 m Entfernung im
Bild erscheinen darf.
In die dritte Kategorie fallen Landschaftsaufnahmen mit sehr großen dreidimensionalen Formen wie Hügel und Berge. Solche Aufnahmen können im allgemeinen nur von
günstigen Aussichtspunkten gelingen. In der Regel werden die örtlichen Gegebenheiten
die Basislänge limitieren, denn die Strecke muss erstens senkrecht zum Motiv ausgerichtet werden und zweitens möglichst waagerecht verlaufen. Ist kein störender Vordergrund
im Bild, dann gilt die Devise, die Basis möglichst so groß zu wählen, wie es die Bedingungen vor Ort erlauben. Der beschränkte Raum auf einem Berggipfel ist selten wirklich
für Stereobilder geeignet, günstigere Vorraussetzungen kann dagegen aber das Flachdach eines Hochhauses bieten, wie das Beispiel in Abbildung 6 von der Dachterrasse des
Hochhauses von Montparnasse in Paris zeigt.
Besonders größere Entfernungen können der in der erforderlichen Genauigkeit nur schwer
abgeschätzt werden. Wer weiß schon, ohne eine Landkarte zur Verfügung zu haben, wie weit
der Fuß des benachbarten Berges von einem Parkplatz an einem Aussichtspunkt einer Passstrasse wirklich entfernt liegt? Ist man sich seiner Einschätzung nicht sicher, so bietet sich an,
mehr als nur zwei Aufnahmen zu machen. Herbig [5] empfiehlt, die Basis zunächst grob abzuschätzen, die erste Aufnahme zu machen, anschließend eine weiteres Bild im Abstand von
einem Drittel dieser Basislänge aufzunehmen, sich dann für die dritte Aufnahme um den vollen Basisabstand weiter zu bewegen, und zuletzt noch für ein viertes Foto die Strecke um 2/3
der Basis zu verlängern. Mit Hilfe der gewonnenen vier Bilder lassen sich dann 6 Stereopaare
mit unterschiedlicher Basislänge kombinieren, von denen sicher eines die gewünschte optimale Wirkung zeigen dürfte.
16. Was gilt es bei Luftaufnahmen zu beachten?
Bei einem beträchtlichen Teil der Gebirgsbilder auf der vorliegenden CD-Rom handelt es sich
um Schrägaufnahmen aus der Luft. Ein Flugzeug stellt nämlich eine optimale Plattform dar,
um Landschaftsformen und Gebirgsmassive in drei Dimensionen wiederzugeben. Viele der in
den Fragen 14 und 15 angesprochenen Probleme wie ein störender Vordergrund, die Ausrichtung und Länge der Stereobasis sowie die korrekte parallele Orientierung der Teilaufnahmen lösen sich quasi von selbst, da die Basis durch die Flugbahn vorgeben wird. Die hohe
Geschwindigkeit der Flugbewegung lässt auch das Problem der Nichtgleichzeitigkeit der Aufnahmen weitgehend in den Hintergrund treten. Die Bewegung eines Flugzeuges ist außerdem
entgegen der landläufigen Meinung sehr viel stabiler und ruhiger als die jedes anderen Fortbewegungsmittels am Erdboden. Die Wahrscheinlichkeit für das Gelingen eindrucksvoller
30
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
3D-Aufnahmen aus der Luft liegt daher bei nahezu 100%, sofern einige wenige grundlegenden Einschränkungen beachtet werden.
Die Aufnahmen des Hinteren Ötztals oder des Wettersteins wurden während speziell zu diesem Zweck mit maximal 5000 m hoch fliegenden Kleinflugzeugen und Hubschraubern
durchgeführten Flügen gewonnen, die optimale Bedingungen bezüglich Zeitpunkt, Flugweg
und Geschwindigkeit boten. Die niedrige Flughöhe und Geschwindigkeit erlaubte das Öffnen
von Fenstern und Türen während des Fluges, so dass keine Reflexe oder Trübungen an Fensterscheiben die Qualität der Bilder beeinträchtigen. Die Durchführung derartiger Fotoflüge
erfordert das exklusive Chartern eines Flugzeugs mit Piloten, ein nicht immer ganz billiges,
aber je nach Zeck durchaus lohnendes Vergnügen. Es ist auch nicht so schwierig wie man
glaubt, bieten doch eine ganze Reihe von Luftsportgruppen an kleinen Flugplätzen die Möglichkeit zu individuellen Rundflügen an, die gar nicht teuer sein müssen.
Abb. 16)
Wolkenbilder: Auch Wolken sind dreidimensionale Objekte und damit ein lohnendes Motiv. Gewitterwolken reichen auch über Europa in Höhen, die deutlich über dem Gipfelniveau des Mt. Everest liegen. Dieses Beispiel
wurde im Juli 1999 auf einem Linienflug von Düsseldorf nach München aufgenommen. (Fotos: M. Weber)
Der Normalbürger bekommt jedoch eher bei Linienflügen die Gelegenheit, in die Luft zu
kommen. Diese werden im allgemeinen mit modernen, hochfliegenden Jets durchgeführt, und
man hat außer durch die Wahl des Reiseziels keinen Einfluss auf die Flugroute. Fliegt man
beispielsweise von München an das Mittelmeer, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass
der Flug die Alpen überquert und man mit etwas Glück durchaus berühmte Motive wie die
Ötztaler Alpen, das Ortlermassiv oder den Montblanc vor die Linse bekommt. Letzterer wirkt
auch aus 10´000 m Höhe noch recht imposant und bietet damit ein äußerst lohnendes 3-DMotiv. Ein Flug nach Norden wird dagegen überwiegend über flaches Terrain führen, das bis
auf vereinzelte Mittelgebirgszüge wenig Interessantes mit vertikaler Ausdehnung bietet. Leider lohnt sich über dem Norddeutschen Tiefland oder dem Meer eine 3D-Aufnahme aus einem Linienflugzeug auch dann nicht, falls man nur den atemberaubenden Blick in die Tiefe
verewigen möchte. Denn durch den Liliput-Effekt (Frage 8) bleibt davon nur sehr wenig er31
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
halten. Mit einer solchen Aufnahme kann allenfalls der Beweis angetreten werden, dass die
Erdoberfläche trotz der Erdkrümmung im wesentlichen eine horizontale Flache darstellt.
Wesentlich interessanter wird die Szenerie, falls sich über flachen Land Wolken gebildet haben. Diese sind nämlich in Wirklichkeit ebenfalls sehr gut strukturierte dreidimensionale Gebilde, welche selbst Alpenberge an Ausdehnung im allgemeinen bei weitem übertreffen. Da
sie jedoch ihre Form erstaunlich rasch verändern, können sie vom Boden aus nur selten in 3D
fotografiert werden. Die benötigte Basislänge liegt im Bereich von 250 Metern und mehr, und
damit verstreicht auf dem Weg bis zur zweiten Aufnahme einfach viel zu viel Zeit. Ein Verkehrsflugzeug legt jedoch diese Strecke bei einer Reisegeschwindigkeit von 900 km/h innerhalb von nur einer Sekunde zurück. Da auch sehr aktive Wolkenberge innerhalb dieser kurzen
Zeitspanne praktisch stationär bleiben, ergibt sich die einmalige Möglichkeit, Eindrücke wie
in Abbildung 16 festzuhalten.
Die prinzipielle Vorgehensweise bei Stereoaufnahmen in Reiseflughöhe ist mit einer Fotoausrüstung mit motorisiertem Filmtransport besonders einfach: Die Kamera wird möglichst
nahe an das Fenster gehalten, um Störungen durch Reflexe und Schmutz an der Scheibe weitestgehend zu vermeiden. Zu beachten ist, dass die Belichtungsautomatik bei Luftaufnahmen
durch das Fenster häufig getäuscht wird und zu Überbelichtungen neigt. Die Bilder werden
oft blaustichig und kontrastarm. Um eine bessere Farbsättigung zu erhalten, empfiehlt sich
daher die Verwendung eines Polfilters und die generelle Unterbelichtung der Aufnahmen um
eine Blendenstufe. Wegen der großen Flughöhe von gewöhnlich 8 bis 12 km über Grund
braucht man sich über die Entfernung zum Nahpunkt ( siehe Frage 15) keine Gedanken zu
machen, der Abstand zum Horizont beträgt dagegen in der Regel zwischen 30 und 100 km.
Für Stereoaufnahmen in diesem Tiefenbereich sind Basislängen in der Größenordnung von
250 bis 1000 m sinnvoll (Abbildung 15). Da sich das Flugzeug auf geradem Kurs mit hoher
Geschwindigkeit an den zweiten Punkt der Stereobasis bewegt, muss man lediglich bewegungslos verharren und nach 1 bis 4 Sekunden ein zweites Mal auslösen. Man kann diese Intervalle auch auf bis zu 10 Sekunden ausdehnen, wenn der Nahpunkt schätzungsweise über
30 km entfernt liegt und sich der Raumeffekt auf großflächige Alpenregionen erstrecken soll.
Da die Landschaft je nach Lage des Fensterplatzes auf der rechten oder der linken Seite der
Kabine scheinbar von links nach rechts bzw. von rechts nach links vor dem Fenster vorüberzieht, müssen die Stereoteilbilder bei der Wiedergabe den Augen unterschiedlich zugeordnet
werden. Sitzt man in Flugrichtung links, dann befinden sich die Bilder wie gewohnt bereits
augenrichtig auf dem Film. Fotografiert man von der rechten Seite, müssen die Bilder später
vertauscht werden.
Falls man eine Kamera mit motorisiertem Filmtransport verwendet und diese nur bewegungslos halten muss, treten, solange das Flugzeug ruhig geradeaus fliegt, keinerlei Orientierungsund Verzerrungsfehler zwischen den Teilaufnahmen auf. Dies ist bei Verkehrsflügen in Reiseflughöhe die meiste Zeit über der Fall. Es gibt nur wenige Flugphasen mit Bewegungsabläufen, während denen Stereobilder prinzipiell nur eingeschränkt aufgenommen werden können:
Steig- und Sinkflugphasen: Befindet sich das Flugzeug im Steig- bzw. Sinkflug, ist
die resultierende Stereobasis nicht mehr horizontal ausgerichtet, es tritt also ein Orientierungsfehler auf. Dieser ist in größeren Flughöhen gewöhnlich vernachlässigbar. In Bodenähe, z. B. bei Start oder Landung, führt er jedoch zu deutlichen Verzerrungen in den
Teilbildern, welche den Raumeindruck beeinträchtigen. Dies ist schade, den gerade aus
niedriger Höhe könnte man auch andere 3D-Objekte aufnehmen.
32
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
Kurvenflug: Befindet sich das Flugzeug im Kurvenflug, entstehen Abbildungsfehler
durch zwangsläufig konvergierende Orientierungsachsen der Teilbilder, die zu Abbildungsverzerrungen im Randbereich der Stereoteilbilder führen. Falls die Kurve sauber
geflogen wird, also keine Schiebebewegungen stattfinden, kommt zusätzlich eine ständig
wechselnde Schräglage der Maschine hinzu. Der Ausgleich durch Korrekturen bei der Orientierung der Aufnahme ist sehr schwierig und gelingt selten. Falls er jedoch möglich
ist, kann ein Motiv durch einen Vollkreis vollständig dreidimensional abgebildet werden.
Heftige Turbulenz: Bei heftiger Turbulenz kommt es zu unberechenbaren Eigenbewegungen des Fluggerätes, die eine korrekte Orientierung der Teilbilder nahezu unmöglich
machen. Gerade über Gebirgsregionen oder bei Gewitter sind starke Luftwirbel recht
häufig und man sollte die Aufnahmen auf ruhige Flugphasen beschränken.
Zunächst muss noch auf ein weiteres Problem hingewiesen werden. Da man sich den Sitzplatz
auf einem Linienflug häufig nicht aussuchen kann, hat man allerdings auch direkt am Fenster
nicht immer ein völlig freies Sichtfeld. Teile des Bildes können durch die Tragflächen oder
Triebwerke verdeckt sein. Im Gegensatz zu regulären 2D-Flugaufnahmen, bei denen die
Sichtbarkeit im Bild dieses in der Regel interessanter gestalten, sollte dies bei Stereobildern
möglichst vermieden werden. Flugzeugteile verdecken nicht nur wichtige Bereiche des Bildes
sondern wirken als störender Rahmen, da sie nicht parallaxenrichtig abgebildet werden und
daher nicht räumlich erscheinen.. Möchte man dennoch nicht auf Stereoaufnahmen verzichten, empfiehlt es sich, die störenden Teile durch eine geeignete einheitliche Blende bei der
Bildverarbeitung abzudecken.
Gebirgslandschaften: Die Berge um den Comer See mit der Ortschaft Lecco. Dieses Bild wurde durch
Abb. 17)
die Scheiben eines in ca. 8´500 m NN. fliegenden Regionalflugzeugs mit Propellerantrieb aufgenommen. Man beachte die
Wirkung der über den Bergen schwebenden Wolken. Der Zeitunterschied zwischen den Teilaufnahmen betrug ca. 3 Sekunden. (Fotos: M. Weber)
33
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Kann man den Flug mit einem Kleinflugzeug durchführen, dann sind die Sichtverhältnisse
mit Sicherheit besser, denn ein großer Teil der Propellerflugzeuge sind sogenannte Hochdecker. Gewöhnlich lassen sich dort auch Fenster und Türen während des Fluges zumindest
soweit öffnen, dass man ohne störende Reflexe und Fensterscheiben fotografieren kann. Ein
Kleinflugzeug ohne Druckkabine kann natürlich nicht in die Höhen eines Jet vorstoßen, aber
die Gipfelregion der Alpen ist mit den meisten ein- bis zweimotorigen Maschinen erreichbar.
Die Reisegeschwindigkeit z.B. einer Cessna 172 Skyhawk ist mit etwa 55 m/s deutlich geringer als die eines Linienjets, dafür benötigt man aus einer Flughöhe zwischen 3000 m und
4500 m NN. auch nur Stereobasislängen zwischen 100 m und 200 m. Damit erhält man wiederum ein Zeitintervall zwischen den Aufnahmen von 2 bis 4 Sekunden. Dasselbe gilt für
propellergetriebene Regionalflugmaschinen, die in Höhen zwischen 6 km und 8 km mit einer
Geschwindigkeit von 120 m/s bis 150 m/s verkehren (Abbildung 17).
Prinzipiell können Stereobilder in ebenfalls durch nach einem wohlbemessenen Zeitintervall
ausgelöste Aufnahmen von sich am Boden fortbewegenden Fahrzeugen wie Automobile, Eisenbahn oder Schiffe gewonnen werden. Voraussetzung ist jedoch, dass der Fahrweg einigermaßen gerade und ohne große Höhenunterschiede verläuft. In der Regel wird man jedoch
Probleme mit dem allzu heterogenen Vordergrund bekommen, da der Nahpunkt der Aufnahme weit in der Ferne liegt. Seilbahnen eignen sich als Plattform nur, wenn man sich auf annähernd horizontal verlaufenden Fahrtabschnitten befindet, ansonsten entsteht der gleiche Fehler
wie bei einem Flugzeug im Steig- oder Sinkflug.
17. Sind Stereoaufnahmen auch im Nahbereich mit
weniger als 3 m Abstand möglich?
In der Antwort zu Frage 15 wird der Bereich bis zu einem Abstand von 3 m von der Stereofotografie weitgehend ausgeschlossen. Dies ist im wesentlichen darin begründet, dass dort der
Basisbestimmung das Modell des ermüdungsfreien natürlichen Raumsehens zugrundegelegt
wurde und der Horizont im Bildausschnitt enthalten sein sollte. Aber der Mensch kann natürlich auch im unmittelbaren Nahbereich räumlich sehen, was z.B. auch die Fähigkeit zur stundenlangen Arbeit am Computer und Schreibtisch belegt, bei der Tastatur, Monitor oder
Schreibblock nicht in einer 3-Meter Entfernung aufgestellt werden müssen. Diese hängt aber
mit der Begabung des Gehirns zusammen, momentan unwesentliche Eindrücke unbewusst zu
ignorieren.
Beim ermüdungsfreien Betrachten von Stereobildern kann die natürliche Fähigkeit zur Filterung offensichtlich nur unzureichend genutzt werden. Die Täuschung gelingt nur dann perfekt, wenn das Bild alle Vorraussetzungen des Fernblicks erfüllt. Theoretisch bedeutet dies
wiederum, dass der nächste und der fernste sichtbare Punkt einer Szene in einem bestimmten
Verhältnis zur Basislänge liegen müssen. In der Abbildung 18 ist die Entfernung des Fernpunktes in Abhängigkeit von der des Nahpunktes für eine Schar von hypothetischen Basislängen wiedergegeben. Die Kurven basieren auf einer Berechnungsformel der Stereobasis,
welche auch bei der „Stereo-Rechenscheibe für Normal und Fernaufnahmen“ verwendet
wird [5]. Die Kurvenschar verdeutlicht, dass der Bereich, in dem ein störungsfreies Raumsehen möglich ist, mit abnehmendem Abstand der Basis und zunehmender Basislänge sehr eng
wird. Möchte man trotzdem Bilder im Nahbereich erstellen, dürfen sie zwangsläufig keine
Elemente vor dem Nahpunkt und hinter dem Fernpunkt enthalten. Dieser wird durch die zu
der gewählten Basislänge gehörigen Kurve nach oben begrenzt. Eine Basislänge von 50 cm
beispielsweise erlaubt ab einem nächsten Punkt von 8 m eine maximale Tiefe der Szene von
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„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
knapp 14 Metern. Liegen noch wesentliche Elemente des Bildes hinter dieser Grenze, kann es
in seiner Gesamtheit nicht mehr räumlich wahrgenommen werden. Ein Negativbeispiel für
eine derartige Kombination ist in Abbildung 18 enthalten. Das Anaglyphenbild erlaubt zwar
mit etwas Mühe eine Verschmelzung im Vordergrund, die im Hintergrund sichtbare Szene
wirkt jedoch äußerst störend und führt bei jedem Betrachter unweigerlich zum Bildzerfall.
Dennoch gibt es auch für diese Art von Aufnahmen geeignete Strategien. Wäre die Aufnahme
in Abbildung 18 z.B. gegen einen einheitlich blauen Himmel statt gegen den Horizont aufgenommen worden, wäre sie nicht misslungen.
Abb. 18)
Das Problem mit dem Fernpunkt: Die Abbildung oben zeigt, dass der Fernpunkt bei Aufnahmen mit
einem Normalobjektiv mit zunehmender Stereobasis überproportional schnell in die Ferne rückt. Umgekehrt bedeutet dies,
dass im Nahbereich bei einer großen Basislänge der Entfernungsbereich, in dem ungestörtes Raumsehen möglich ist, sehr
eng bemessen ist. Selbst bei einer Basis von 30 cm beträgt er bei einem Nahpunktsabstand unter 3 m maximal 2-3 m. Befinden sich weiter entfernte 3D-Objekte im Bild kommt es unweigerlich zum Bildzerfall, wie das Beispiel auf der linken Seite
demonstriert. (Fotos: M. Weber)
Die Tafel in Abbildung 19 zeigt einige Beispiele, wie man auch im Nahbereich unterhalb von
3 m mit einer Stereobasis von mehr als 6,5 cm brauchbare Stereobilder erhalten kann. Generell kann man unter den folgenden Möglichkeiten oder einer Kombination davon wählen:
Begrenzung der Szene durch eine Wand: Am einfachsten fotografiert man das Motiv vor einer Wand. Dann ist die Tiefe des Raumes klar begrenzt. Ein gutes Beispiel für
diese Vorgehensweise ist das in einem Raum aufgenommene Demonstrations- und Testbild von Abbildung 1 bzw. Abbildung 2. Diese Methode erlaubt auch in der Nähe große
Basislängen.
Spiel mit der Schärfentiefe: Steht keine geeignete Wand zur Verfügung, kann man
auch den Schärfentiefenbereich des Objektives zum Ausblenden ungewünschter Bereiche
benutzen. Diese Methode wird in extremer Weise bei den IMAX-3D-Filmen eingesetzt,
denn sonst würden vielen Nahszenen die Tiefenwirkung fehlen. Sie erfordert aber ein gutes Objektiv, die Option der Belichtung mit Blendenvorwahl und ein entsprechendes foto35
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
grafisches Fachwissen. Beispiele für die Anwendung der Ausblendung des Hintergrundes
über den Schärfentiefenbereich zeigen die Bilder in Abbildung 19 oben.
Schrägaufnahmen von oben: Eine weitere Möglichkeit zur Begrenzung der raumtiefe liegt in Schrägaufnahmen von oben, von unten oder von der Seite. Man sollte dabei lediglich darauf achten, dass es wegen der fehlenden Horizontreferenz nicht zu Orientierungsfehlern zwischen den Stereohalbbildern kommt. Ein typisches Bild dieser Art ist
links unten in der Abbildung 19 wiedergegeben.
Verwendung von Tele- oder Weitwinkelobjektiven: Eine längere oder kürzere Objektivbrennweite erfordert eine kürzere oder längere Stereobasis, um das gleiche Ergebnis zu erhalten. Ein Weitwinkelobjektiv erlaubt kürzere Distanzen zum Nahpunkt als die
Verwendung eines Teleobjektives. Letzteres ermöglicht aber einen größeren Abstand zum
Objekt und außerdem einen tieferen Bereich, in dem die Schärfe reguliert werden kann.
Deshalb kann es günstig sein, ein Motiv statt aus der Nähe aus der Ferne mit einem Teleobjektiv mit der geplanten Basislänge aufzunehmen. Ein typisches Beispiel einer TeleStereoaufnahme zeigt die Abbildung 19 rechts unten.
Abb. 19)
Stereobilder aus dem Nahbereich: Es gibt mehrere Möglichkeiten, um die Bedingungen zwischen
Nahpunkt und Fernpunkt auch im Nahbereich einzuhalten: Links oben wurde vor einer Wand fotografiert, rechts oben wurde
nur mit der Tiefenschärfe der Hintergrund unscharf gestaltet. Links unten wurde einfach eine Schrägaufnahme gemacht und
rechts unten mit langer Brennweite gearbeitet. (Fotos: M. Weber)
36
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
18. Analog oder Digital?
Glaubt man Prognosen in den einschlägigen Medien, so wird die digitale Kamera die analoge
Kamera mit herkömmlichen Filmen und den notwendigen Fotolabordienstleistungen in naher
Zukunft ablösen. Da die Kombination der Stereohalbbilder zu einem Anaglyphenbild auf jeden Fall eine digitale Version der Vorlagen auf dem PC erfordert, muss diese Vorhersage keine schlaflosen Nächte bereiten. Während die Digitalkameras in den letzten Jahren mehr dem
Qualitätsstandard einer einfachen Billigkamera entsprachen, hat sich dies allmählich zum
Besseren geändert. Inzwischen gibt es Modelle, die einer modernen Spiegelreflexkamera mit
35mm-Keinbildfilm an Funktionalität in nichts nachstehen (z. B. Canon EOS D60).
Um ein Anaglyphenbild zu erstellen, das auf einem Tintenstrahldrucker einen Ausdruck im
Format DINA4 in sehr guter Qualität oder in DINA3 mit noch guter Qualität erlaubt, müssen
die Teilbilder mindestens in einer Ausgangsauflösung von ca. 2000 x 1400 Pixel vorliegen.
Dies entspricht mit 2,7 Megapixel einer Bildauflösung, die inzwischen selbst die billigsten
Digitalkameras abliefern können.
Der wesentliche Vorteil einer Digitalkamera gegenüber dem konventionellen Fotoapparat mit
Filmen besteht jedoch in der sofortigen Verfügbarkeit der Bilder in digitaler Form zur Weiterverarbeitung. Bei der Verwendung von letzterem erhält man zwar nach in der Regel einer
Woche im Labor ein Negativ oder Dia mit einer optimalen Auflösung, dieses muss aber zunächst einmal PC-tauglich digitalisiert werden. Dieses ist neben dem unvermeidlichen Qualitätsverlust auch noch mit erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand oder Kosten verbunden.
Um eine digitale Version eines Bildes zu erhalten, gibt es gegenwärtig die folgenden Optionen:
Image-CD: Fast jedes Fotolabor bietet inzwischen die Dienstleistung an, die Fotos
gleich zusammen mit dem Entwicklungsauftrag auf eine CD-Rom zu brennen. Die zusätzlichen Kosten betragen durchschnittlich um € 7.- . Damit handelt es sich eindeutig um
die billigste Variante der Digitalisierung. Die Qualität der Ergebnisse ist jedoch je nach
Anbieter sehr variabel und kann erfahrungsgemäß mit gerade noch brauchbar bis
schlecht bewertet werden. Die Auflösung liegt erfahrungsgemäß immer unter dem geforderten Limit, nur schwer nachvollziehbar ist aber vor allem die niedrige Qualitätsstufe
der immer im verlustbehaftet komprimierten JPEG-Format gelieferten Bilddateien angesichts des auf einer CD-R verfügbaren Speicherplatzes. Eine Nachbearbeitung der Bilddateien zur Qualitätsverbesserung und Retusche ist auf jeden Fall erforderlich.
Kodak PhotoCD: Qualitativ deutlich besser, aber gleichzeitig um einiges teurer ist
es, die entwickelten Filme beim Fotofachhandel auf die spezielle Kodak PhotoCD übertragen zu lassen. Das Verfahren existiert schon seit den 1980er Jahren, ist qualitativ sehr
hochwertig, aber teuer (ca. € 100.- für 100 Bilder). Wegen der hohen Kosten und der
langen Bearbeitungszeiten ist PhotoCD gegenüber der Image-CD praktisch am aussterben. Trotz der besseren Qualität und der hohen Auflösung von ca. 4000 x 2400 Pixel ist
ebenfalls ein erheblicher nachträglicher Arbeitsaufwand für die Bildverbesserung und Retusche erforderlich.
Flachbildscanner: Flachbildscanner am heimischen PC sind gegenwärtig sehr
preiswert und durchaus leistungsfähig. Mit diesen Geräten kann man farbige Papierbilder
in einer relativ hohen nominalen Auflösung (600-1200 DPI) komfortabel einscannen.
Trotzdem ist von dieser Methode dringend abzuraten und sie sollte allenfalls im äußersten
Notfall zum Einsatz kommen. Jede Form des Digitalisierens von analogen Daten ( in diesem Fall ist der Film das analoge Medium) ist mit Informationsverlusten und zusätzlichem
37
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Rauschen verbunden, was die Datenqualität mindert. Die modernen Papierabzüge sind
aber nichts als Analogausgaben bereits digitalisierter Daten. Werden diese erneut digitalisiert, dann kommt es zu weiteren Qualitätsverlusten ähnlich beim Erstellen einer Kopie
von einer Kopie. Der Kontrastumfang eines gescanten DigiPrints beträgt nur noch einen
Bruchteil dessen auf dem Film. Aber gerade feine Nuancen sind für die Erstellung von
Anaglyphenbilder sehr wichtig. Außerdem stimmt das Seitenverhältnis der Papierbilder
nicht mit dem des Originalnegatives oder -Dias überein. Oft erhält man willkürliche Ausschnitte, kann also gar nicht das ganze Bild nutzen. Es ist nicht einmal gewährleistet, das
die beiden Teilbilder im identischen Vergrößerungsmaßstab geliefert werden.
Filmscanner: Inzwischen sind eine große Zahl spezieller Filmscanner für den Heimgebrauch auf dem Markt, mit denen Negativ- oder Diafilmstreifen im Format 24x36 mm
und in den meisten Fällen auch im APS-Format direkt mit einer sehr hohen Auflösung
digitalisiert werden können. Außer den Anschaffungskosten im Bereich zwischen € 500.und € 1000.- fallen keine weiteren Kosten an. Der erforderliche Arbeits- und Zeitaufwand
ist ähnlich dem für einen Flachbettscanner zu veranschlagen. Von allen vorangegangen
aufgezählten Methoden zur Bilddigitalisierung liefert der Filmscan die besten Ergebnisse
bezüglich Auflösung und Qualität. Allerdings erfordern auch moderne Geräte ein erhebliches Maß an Fachkenntnis und Erfahrung beim Scannen und der Bildbearbeitung [12].
Die Rohprodukte der Scanner sind allesamt für die direkte Weiterverarbeitung untauglich.
Unabhängig von der gewählten Digitalisierungsmethode für Kleinbildfilme treten zwei wesentliche Probleme auf, die einen mehr oder weniger erheblichen Aufwand an Nachbearbeitung erfordern. Der erste ist ein meist vom verwendeten Filmtyp und dem Scanner abhängiger
Farbstich, der mit Hilfe von Bildbearbeitungsmethoden meist optimal korrigiert werden kann.
Dies ist unbedingt erforderlich, denn die beiden Stereohalbbilder dürfen sich im Farbeindruck
möglichst nicht unterscheiden. Das zweite schwerwiegende Problem sind Fusseln, Staubteilchen, Kratzer und Fingerabdrücke, die sich unvermeidbar auf den Filmflächen festsetzen und
durch den beträchtlichen Vergrößerungsfaktor überdimensional als weiße (im Negativ) oder
schwarze (im Dia) Flecken und Linien in den Bildern erscheinen. Bei einfachen Fotos mögen
sie lediglich Schönheitsfehler sein, die toleriert werden können oder auch nicht, bei Stereobildern stellen sie auf jeden Fall einen Störfaktor dar, der unbedingt beseitigt werden muss.
Da die Verunreinigungen an zufälligen Stellen immer nur in einem Teilbild sichtbar sind,
werden sie nicht räumlich, sondern in der Papierebene schwebend wahrgenommen. Damit
fallen sie sofort ins Auge. Es gibt zwar heute bereits Filmscanner, welche mit Funktionen zur
automatischen Erkennung und Korrektur von Störungen durch Schmutz und Kratzer auf der
Scanvorlage ausgestattet sind (z. B. Nikon Coolscan 4000), aber diese arbeiten nicht immer
zuverlässig, so dass gelegentliche „Handarbeit“ mit den Retuschewerkzeugen eines Bildverarbeitungsprogramms trotzdem erledigt werden muss. Diese gehört zu den zeitaufwendigsten
Tätigkeiten bei der Vorbereitungen zur Erstellung von Anaglyphenbildern.
Bei Verwendung einer guten Digitalkamera entfallen bis auf eine gelegentliche Farbkorrektur
und Kontrastaufbesserung diese mühsamen mit dem Scannen verbundenen Vorbereitungen.
Berücksichtigt man noch die laufenden Kosten für Filmmaterial und Laborleistungen, dann
spricht eigentlich alles für die Digitalkamera. Lediglich die Anschaffungskosten liegen zur
Zeit mit ca. € 3´000.- bis 4´000.- deutlich über denen einer sehr guten konventionellen Spiegelreflexausrüstung mit einer meist besseren Optik zusammen mit einem guten Filmscanner.
Der zu beobachtende Preisverfall im Sektor der Digitalausrüstungen und die Verbesserungen
von deren optischen Systeme wird aber in naher Zukunft auch dieses Argument entkräften.
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„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
19. Welche Software eignet sich zur Herstellung von
Anaglyphenbildern?
Bei Anaglyphenbildern handelt es sich um sogenannte Bitmaps, dass sind Dateien, die Daten
enthalten, die Farbe und Helligkeit der in einem starren Raster angeordneten Bildpunkte (Pixel) beschreiben. Programme, mit denen derartige Bilddaten angezeigt und manipuliert werden können, nennt man bitmaporientiert. Gegenwärtig ist eine Vielzahl an Programmen, die
mit einen mehr oder minder reichhaltigen Funktionsumfang zum Bearbeiten von Bitmapdateien ausgestattet sind, für alle Systemplattformen auf dem Markt,. Meist enthalten sie in irgendeiner Weise das Attribut „Photo“ im Namen. Die Vielfalt dieser Programme lässt sich
wiederum grob in zwei Gruppen gliedern: Die erste Kategorie enthält die Programme, die für
bestimmte Aufgaben spezialisiert wurden und deshalb einen eher beschränkten Funktionsumfang besitzen, dafür aber einfach zu bedienen sind. Ein typische Vertreter dieser Gattung ist
das preiswerte Programmpaket Photo Express® von Ulead™, das die komfortable Verwaltung von Bilddateien und ein paar Manipulationen wie z. B. die Änderung der Größe, einfache Korrekturen von Farbstichen, von groben Bildfehlern und der Schärfe gestattet, sowie
einfache Optionen zum Ausdruck von Bildern bietet. Bis auf geringe Hilfeleistungen bei der
Vorbereitung kann dieses Programm keinen Beitrag zum Herstellen eines Anaglyphenbildes
leisten.
Die zweite Gruppe beinhaltet die sogenannten „Alleskönner“, bei denen das Attribut preiswert
allerdings nicht immer angebracht ist. Der berühmteste Vertreter ist das Programmpaket Photoshop® von Adobe™, das ursprünglich in der Mac-Welt beheimatet war und besonders im
professionellen Sektor des Desktop-Publishing weit verbreitet ist. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass es auch im obersten Sektor der Preisgestaltung zu finden ist. Eine Volllizenz
der aktuellen Version 7.0 schlägt mit über € 1000.- zu Buche, dafür kann man mit diesem
Werkzeug dank einiger besonderer Eigenschaften so ziemlich alles auf dem Gebiet der Computergraphik realisieren, was man sich nur vorstellen kann. Andererseits erfordert seine sinnvolle Nutzung ein erhebliches Grundwissen und Erfahrung in diesem Fach, was dem Einsteiger das Leben nicht gerade leicht macht. Dankenswerterweise erleichtert das umfangreiche
Literaturangebot, das zu diesem Programm verfügbar ist (z.B. [7] und [8]) letztendlich doch
den Zugang. Neben seinen nahezu unbegrenzten Funktionen und Erweiterungsmöglichkeiten
machen es vor allem die brillanten stufenlosen Vorschaumöglichkeiten und das einmalige
Konzept der Arbeitsebenen ganz klar zum Favoriten zur Bewältigung der hier gestellten Anforderungen. Unter Umständen sind Vorgängerversionen billiger zu bekommen. Sinnvoll wäre dies ab der Version 5.5.
Nur etwa die Hälfte der Vollversion von Photoshop kostet dagegen die Corel™Draw® Suite,
zur Zeit verfügbar in der Version 10. Dieses ebenfalls für die Erstellung professioneller
Druckvorlagen bestimmte Programmpaket ist eigentlich ein vektororientiertes Malprogramm. Es enthält jedoch das Modul PhotoPaint®, welches auf die Bearbeitung von Bitmapdateien spezialisiert ist und viele elementare Funktionen für diese Aufgabe enthält. Man kann
damit durchaus ähnliche Ergebnisse wie mit dem großen Bruder Photoshop erhalten, wenn
auch etwas mühsamer. Die Vorschau ist nicht ganz so ausgefeilt und statt des Ebenenkonzepts
muss man sich mit Objekten herumschlagen. Auch hierfür gibt es umfangreiche Einführungsliteratur (z.B. [13], [14]), und wer das Konzept gewohnt ist, kann damit durchaus ähnliche
Resultate wie mit dem teuren Adobe-Produkt erhalten.
Für die Anwendung des Farbanaglyphenverfahrens ist ein gutes Farbmanagement unerlässlich. Dieses muss dafür sorgen, dass die Ausgabe des Bildes auf weiteren Ausgabegeräte wie
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
z.B. dem Drucker der Monitordarstellung möglichst ähnlich wird. Jeder, der einmal sich mit
dem Ausdruck von Farbfotos oder Grafiken beschäftigt hat, kennt das Problem. Meist hatte
das Ergebnis auf dem Papier nur wenig Ähnlichkeit mit dem Monitorbild. Inzwischen sind
jedoch sinnvolle Standards durch das ICC ( International Color Consortium) verfügbar, die in
den neueren Versionen von beiden genannten Grafikprogrammen unterstützt werden. Sie
wurden zwar hauptsächlich für die digitale Übergabe von Vorlagen an Druckereien entwickelt, sind aber durchaus auch im Amateurbereich einsetzbar. Obwohl diese Thematik im
Kontext der Erstellung von Stereobildern außerordentlich wichtig ist, kann sie hier nicht weiter vertieft werden. Stattdessen muss auf einschlägige Literatur wie auf das Buch von R. Gierling [10] verwiesen werden, in dem die Anwendung des modernen Farbmanagements sowohl
anhand von Photoshop als auch Corel Draw eingehend erläutert wird. Rudimentäre Hinweise
dazu liefert bereits [15].
Wem die Anschaffung eines der beiden Alleskönner schlichtweg zu teuer ist, kann zunächst
mit den abgespeckten Versionen von Photoshop sein Glück versuchen. Es gibt zur Zeit im
wesentlichen zwei Varianten auf dem Markt:
die Limited Edition (LE), die einen großen Teil des Funktionsumfangs der alten Version 5.0 (ohne Farbmanagement) besitzt und häufig als kostenloses Zubehör zu Scannern
oder Digitalkameras mitgeliefert wird, und deren Nachfolger,
das seit 2001 auch eigenständig für ca. € 90.- im Handel erhältliche Adobe™ Photoshop® Elements. Mit diesem bietet Adobe für einen Bruchteil des Preises der Vollversion
annähernd den Leistungsumfang von Photoshop® 6.0. Die Einschränkungen des Funktionsumfangs sind für den professionellen Einsatz zur Bildverarbeitung zwar gravierend,
dennoch reichen die verfügbaren Funktionen für die wesentlichen Aufgaben wie die Bildverbesserung , -Retusche und den Ausdruck völlig aus. Leider fehlt völlig die Manipulationsmöglichkeit der Gradationskurven und das Menü zum Einstellen der Farbbalance.
Dadurch wird die Montage der Anaglyphenbilder um einiges aufwendiger als in der Vollversion oder in Corel Photopaint, sie ist aber mit ein paar Tricks (siehe Frage 20) zu bewerkstelligen. Inzwischen ist dieses Programm eine beliebte Beigabe beim Kauf von
Scannern und Digitalkameras. Es ist überwiegend für den anspruchsvollen Amateur gedacht, weniger für den Profi, daher unterscheidet es sich in einigen Punkten in der Bedienoberfläche von der Vollversion. Dafür wurde es um Funktionen wie etwa die Unterstützung bei der Erstellung von Panoramen erweitert, die nicht einmal in Photoshop 7.0
enthalten sind. Den einfachen Zugang zu den wesentlichen Möglichkeiten bietet ein
preiswertes bhv-Einsteigerseminar [15].
Neben den genannten Beispielen gibt es sicherlich noch weitere Programme, welche sich bei
der Erstellung von Anaglyphenbildern eignen (Z.B. GIMP). Sie sollten jedoch unbedingt auch
große Bilder in vertretbaren Zeiten bearbeiten können und die folgenden Werkzeuge und Fähigkeiten besitzen, die dem in der Bildbearbeitung erfahrenen Anwender geläufig sein dürften:
Für die Vorbereitung und Verbesserung der Stereohalbbilder:
Stufenloses Verändern der Bildgröße mittels der Methoden der bikubischen Interpolation oder Resampling
Interaktive Werkzeuge zum Drehen und Verzerren (Entzerren) des Bildes (Perspektivenkorrektur)
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„Glaziologie in 3D“
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Manuelle (nicht nur automatische) Tonwertkorrektur auf Histogrammbasis. (Stichwort
Highkey und Lowkey-Bilder) zur Verbesserung von Kontrast, Helligkeit und Detailfülle.
Regelung des Gammawertes und der Gradationskurven.
Zur Beseitigung von Farbstichen werden Werkzeuge für die Darstellung und Manipulation der Farben in den verschiedenen Farbräumen (RGB, CMYK und LAB) benötigt.
Interaktiv regelbar sollte die Farbbalance mindestens in drei Bereichen des Tonspektrums sein. (Die häufig in einfacheren Programmen angebotene Auswahl aus einer Palette mit unterschiedlichen Korrekturvorgaben genügt in der Regel nicht!)
Individuelle Regelung der Farbsättigung in den 6 Grundfarbbereichen Rot, Gelb,
Grün, Zyan , Blau und Magenta.
Regelbare Filter zur Verbesserung der Bildschärfe oder zur Weichzeichnung.
Retuschewerkzeuge wie Störungsfilter und Kopierstempel zum Entfernen von Verschmutzungsspuren und störender Bildelemente. (Die Funktion „Rote Augen entfernen“ genügt nicht!)
Für die Montage der Anaglyphenbilder:
Weitgehende interaktive Funktionen zum Zusammenfügen von Bitmaps mit entsprechender Vorschaumöglichkeit (Getrennte Manipulationsmöglichkeiten wie Farbänderungen, Verschieben, Skalieren, Verzerren etc.)
Funktionen zur Kombination von Pixel ( Addition, Subtraktion, Multiplikation, negative Multiplikation etc.)
Werkzeuge zur Auswahl und Freistellung von Bildbereichen
Speicherung in gängigen Bildformaten mit verlustfreier (für Archiv und Ausdruck)
Kompression und verlustbehafteter Kompression (Multimedia-Präsentation, Internet)
Funktionen zur interaktiven Beschriftung
Nahezu sämtliche dieser Anforderungen erfüllt bereits das preiswerte Programm Photoshop®
Elements. Die Vollversionen von Adobe™ und Corel® bieten darüber hinaus noch eine Vielzahl von weiteren Werkzeugen für die Bildbearbeitung, die unter anderem auch die Basis zur
Erstellung von virtuellen Stereobildern bilden. Alle Programme enthalten selbstverständlich
auch eine sogenannte Twain-Unterstützung von Scannern und Digitalkameras zum direkten
Import von digitalen Bildern.
Wem die Investition für die abgespeckten Programmversionen immer noch zu hoch erscheinen, oder die Anwendung der Programme selbst zu kompliziert, dem bleibt noch der Blick auf
das Angebot an kostenlosen Programmen im weltweiten Netz (WWW). Dort gibt es einen
Verbund, den „3D-Web-Ring“, in dem der überwiegende Teil der Internetseiten vereinigt
sind, die sich mit der dreidimensionalen Darstellung und der Stereoskopie beschäftigen. Neben vielen Bildbeispielen und Informationen zur Methodik findet man dort vereinzelt auch
Spezialsoftware, die kostenlos heruntergeladen werden kann. Mit Hilfe von einigen dieser
Programme lassen sich sogar ohne besondere Vorkenntnisse Anaglyphenbilder erstellen.
Ein hübsches brauchbares Programm dieser Art ist der Anaglyph Maker des Japaners Takashi
Sekitani, das gegenwärtig in der Version 1.06 von dessen Homepage www.Stereoeye.com
kostenlos heruntergeladen werden kann (Größe der WINZIP-Datei: 419 kb). Eine spezielle
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Installation ist nicht erforderlich, die Dateien können in ein beliebiges Verzeichnis entpackt
und dort anschließend das Programm AnaMaker.exe gestartet werden. Es erscheint die in Abbildung 20 wiedergegebene Oberfläche mit einigen wenigen Funktionen. Die Erzeugung eines Anaglyphenbildes erfordert nur wenige Mausklicke:
Laden des linken und rechten Stereoteilbildes im .BMP- oder .JPEG-Format
Auswahl der Darstellungsmethode (z. B. „Color“ für Farbanaglyphen)
Erzeugen des Anaglyphenbild mit der Schaltfläche „Make 3D-Image“
Die Vorschau ist nur rudimentär. Bei großformatigen Bildern hat man nur die Wahl zwischen
einer Miniaturansicht (Condense) oder einem Ausschnitt (Fullsize). Die Möglichkeiten für
nachträgliche Korrekturen sind dagegen sehr beschränkt. Das Programm bietet lediglich die
Möglichkeit, die Stereoteilbilder nach rechts und links, bzw. nach oben und unten gegeneinander zu verschieben. Dreh- oder perspektivische Fehler, die bei der Aufnahme entstanden
sind, oder gar Farbstiche können nicht korrigiert werden.
Abb. 20)
Anaglyph Maker 1.06: Bildschirmoberfläche des Programms zur einfachen Erzeugung von Anaglyphenbilder des Japaners Takashi Sekitani. Auf sehr einfache können nicht zu große Stereopaare zu einem Anaglyphenbild oder einem Kombinationsbild für Shutterbrillen zusammengefügt werden. Das frei verfügbare Programm ist für farbige
und schwarzweiße Stereopaare geeignet. Diese dürfen allerdings keine Aufnahmefehler aufweisen. Korrekturmöglichkeiten
sind auf einfaches Verschieben gegeneinander und die Einstellung von Helligkeit und Kontrast beschränkt. (Beispielbilder:
M. Weber)
Neben der Stereobilderzeugung nach dem Anaglyphenverfahren erzeugt es auch Bilder nach
dem Interleave-Verfahren zum Betrachten mit Shutterbrillen. Die fertigen Anaglyphenbilder
können sowohl im Windows-BMP-Format oder mit verlustbehafteter Komprimierung im
JPEG-Format abgespeichert werden. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass
man Stereobilder möglichst in optimaler Qualität und der vollen Farbinformation ablegen
sollte. Möchte man die Bilder im Internet oder mit einem Webbrowser präsentieren, kommt
man um das platzsparende JPEG-Format nicht herum. Das darin benutzte Kompressionsverfahren beruht aber unter anderem auf der Angleichung der Farbtöne der Pixel innerhalb einer
mehr oder weniger großen Umgebung unter der Annahme, dass das Auge geringe Unter42
„Glaziologie in 3D“
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schiede kaum unterscheiden kann. Dadurch gehen jedoch nicht nur Detailinformationen verloren, sondern es entstehen auch typische Artefakte, wie z.B. Stufen und Flächen. Bei Stereobildern nimmt dadurch die Intensive der Raumwirkung ab, da das räumliche Sehvermögen
insbesondere auf die Differenzen zwischen den Teilbildern und damit die Detailfülle reagiert.
Deshalb entsteht ein perfekter Raumeindruck schneller bei komplexen Bildern als bei der
Darstellung einfacher geometrischer Formen. Die Bildschirmdarstellung eines unkomprimierten BMP-Anaglyphen oder auch dessen Ausdruck wirkt immer besser als die einer JPEGVersion. Werden JPEG´s weiter bearbeitet und das Resultat wiederum im JPEG-Format abgespeichert, reduziert sich die Qualität immer weiter. Daher gilt:
Archivierung von Anaglyphenbildern immer in einem verlustfrei komprimierenden
Format wie „BMP“ oder „TIFF“!
Falls man dennoch auf das JPEG-Format zwangsläufig zurückgreifen muss, sollte man wenigstens beim Abspeichern eine hohe Qualitätsstufe (mindestens 10) wählen. Inzwischen gibt
es übrigens eine Weiterentwicklung des beliebten Formates mit der Bezeichnung JPEG2000.
Dieses Format enthält auch eine Option zur verlustfreien Kompression bei gleichzeitig erheblich geringerem Speicherplatzbedarf. Allerdings wird dieses Format von den gängigen Bildund Textverarbeitungsprogrammen noch nicht unterstützt.
Abb. 21)
3D Stereo 3.0: Ein weiteres Programm zur einfachen Erzeugung von Anaglyphenbilder der französischen Arbeitsgruppe MEDIA RELIEF. Es ähnelt in der Funktionalität dem Anaglyph Maker, unterstützt jedoch nur das Windows-3.1-BMP-Format. Zusätzliche Extras sind die Optionen zum Vertauschen der Augenzuordnung der Teilbilder und eine
einfache Diaschau. (Beispielbilder: L. Braun)
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Anaglyph Maker ersetzt zwar keine Bildverarbeitungssoftware, ist aber dennoch ein nützliches Werkzeug. Man kann damit leicht testen, ob sich die gemachten Aufnahmen zur Anaglyphendarstellung überhaupt eignen, wesentliche Orientierungsfehler bei der Aufnahme
gemacht wurden, die Zuordnung der Teilbilder augenrichtig gewählt und sich insgesamt eine
weitere Bearbeitung des Bildpaares überhaupt lohnt. Da es sich um ein uneingeschränktes
Gratisprodukt handelt, verzeiht man die Mängel gerne („Einem geschenkten Gaul schaut man
nicht ins Maul“).
Nahezu funktionsgleich mit Anaglyph Maker ist das Programm 3D Stereo von MEDIA RELIEF ( Abbildung 20). Es kann von der Internetseite http://pro.wanodoo.fr/relief/ als WINZIPDatei (3ds3.zip, 786kb) heruntergeladen werden und durch Entpacken in ein beliebiges Verzeichnis installiert werden. Auch dieses Programm besitzt keinerlei Funktionen zur Bildverbesserung oder zum Ausgleich von Orientierungsfehlern bei der Aufnahme. Außerdem werden nur BMP-Bilddateien unterstützt. Sind diese größer als das maximale Bildfenster, sieht
man nur einen Ausschnitt, in dem das Bild jedoch verschoben („scroll“) werden kann. Die
Programmierung basiert offensichtlich auf Windows 3.11, daher werden längere Verzeichnisund Dateinahmen nicht vollständig angezeigt. Interessant ist jedoch die integrierte Diaschau,
mit dem die Dateien in einem Verzeichnis automatisch angezeigt werden.
Auch dieses Programm, das als Shareware vertrieben wird, also bei Registrierung kostenpflichtig werden soll, kann zur provisorischen Erzeugung von Farbanaglyphen benutzt werden, setzt aber weitere Bildverarbeitungsprogramme voraus. Für entgültige Bilder kann es nur
eingesetzt werden, falls diese keine orientierungsbedingten Aufnahmefehler aufweisen.
20. Wie erstellt man grundsätzlich ein Anaglyphenbild mit Adobe® Photoshop® oder Corel™
PhotoPaint®?
Die in Frage 19 beschriebenen Freeware- und Sharewareprogramme vereinfachen die Montage eines Anaglyphenbildes zwar beträchtlich, da aber die Funktionen zur Korrektur von Fehlern bei der Aufnahme spärlich sind, kommt man um den Einsatz einer „richtigen“ Bildverarbeitung in der Regel nicht herum. Prinzipiell könnte man die vorbereitenden Tätigkeiten zur
Bildverbesserung und Retusche vor der Montage mit einem Standardprogramm erledigen, da
diese aber unbedingt mit Vorschaukontrolle erfolgen muss, wäre der ständige Wechsel zwischen den Programmen auf Dauer ineffizient. Deshalb wird man mit der Zeit die komplette
Erstellung des Anaglyphenbildes mit der bevorzugten Bildverarbeitung durchführen wollen.
Für die gängigen Programme Adobe™ Photoshop® und Corel™ Photopaint® soll an nachfolgend die Vorgehensweise skizziert werden. Leider muss eine Grundkenntnis der Programme vorausgesetzt werden oder auf einschlägige Literatur wie [7], [8], [13], [14] oder [15]
verwiesen werden. Selbstverständlich gibt es auch versionsabhängige Unterschiede, auf die
nur beschränkt eingegangen werden kann.
Bildkorrekturen
Der erste Schritt zum perfekten Anaglyphenbild besteht in der Aufbereitung der Rohbilder.
Unabhängig von der Quelle, sei es ein Scan, Bilddateien von einer ImageCD oder sogar von
einer Digitalkamera, zeigen die Bilder in der Rohform Tonwertmängel, Farbstiche und sonstige Fehler. Die Anaglyphenmethode bedingt in sich einen Qualitätsverlust, so dass das Resultat nach der Kombination zweier mangelhafter Bilder leider nur noch schlechter wird. Je op44
„Glaziologie in 3D“
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timaler die Teilbilder hinsichtlich Farbe, Kontrastverhältnisse und Schärfe sind, desto besser
wird letztendlich das 3D-Bild wirken. Dabei ist auch darauf zu achten, dass die Farbunterschiede zwischen den Teilbildern minimiert werden, denn die Toleranzspanne ist in dieser
Hinsicht bei Stereobildern außerordentlich gering.
Abb. 22) Bildverbesserung: Die Tafel dokumentiert die wichtigsten Schritte bei der Verbesserung eines extrem blaustichigen Scan eines unterbelichteten Diapositivs mit Adobe Photoshop 7. Funktionen wie die Tonwertkorrektur mit einem
Histogramm, Grauabgleich und Regelung der Farbsättigung in individuellen Bereichen des Spektrums sind in jedem besseren Bildbearbeitungsprogramm in ähnlicher Weise enthalten. Die Ablauf der Manipulationen sollte in der dargestellten Reihenfolge durchgeführt werden. Der Einsatz von automatischen Korrekturfunktionen hätte das Ergebnis nur noch verschlechtert. (Beispielbild: L. Braun)
Niemand kennt das natürliche Erscheinungsbild eines Motivs besser als der Fotograf selbst.
Jedes Abbild auf Film birgt Verfälschungen, die von Unzulänglichkeiten des verwendeten
Materials und der Ausrüstung herrühren. Kommerzielle Fotolabors wenden empirische Standardkorrekturen an, die einen Kompromiss aus den technischen Möglichkeiten und dem
durchschnittlichen Geschmack der Masse darstellen. Höchste Qualität erfordert jedoch die
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
manuelle Arbeit in einem Fotolabor. Während der Normalanwender damit völlig überfordert
wäre und diesen Weg den Profis überlassen muss, eröffnet die moderne Bildverarbeitung
erstmals den Weg zu perfekten Bildern für jedermann. Es ist erstaunlich, was man selbst aus
flauen, farbstichigen Dias oder Negativen noch herausholen kann. Dennoch muss man sich
darüber im Klaren sein, dass digitale Filter keine Wunder bewirken können. Eine Information,
die schlichtweg nicht im Datenmaterial enthalten ist, kann durch keine noch so ausgefeilte
mathematische Methode herausgekitzelt werden. Die digitale Bildverarbeitung kann lediglich
störende Elemente aus dem Bildmaterial entfernen. Unter Umständen bleibt anschließend
vom ursprünglichen Motiv kaum mehr etwas übrig und das Bild ist schlichtweg misslungen.
Deshalb gilt es, bei der Digitalisierung des Bildmaterials durch eine maximale optische Auflösung eine möglichst umfangreiche Informationsmenge zu sammeln (Oversampling), um bei
der Verbesserung entsprechend viele Fehler durch Filterung der Daten wegwerfen zu können.
Auch gute Filmscanner liefern a priori bei Diapositiven blaustichige und von Negativen rotstichige Ergebnisse. Dies verwundert zunächst, wirken doch die Dias beim direkten Betrachten noch recht natürlich. Aber dies ist meist nur eine Täuschung, resultierend aus der Kombination der verwendeten künstlichen Lichtquellen und dem erstaunlichen Adaptionsvermögen
des natürlichen Sehens. Man glaubt ja auch durch die farbigen Gläser einer Sonnenbrille die
Farben in natürlicher Weise zu sehen. Das „Auge“ des Scanners ist dagegen unbestechlich.
Deshalb kommt der Farbkorrektur die wichtigste Bedeutung zu. Sie ist sogar so wichtig, dass
ihr umfangreiche Bücher gewidmet werden. Eines der Besten ist übrigens das inzwischen in
der zweiten Auflage erschienene von Wargalla [9]. Darin wird eine Fülle von Methoden zur
Verbesserung von Bildern mit Photoshop beschrieben. Die automatischen Funktionen helfen
nur bei Bildern, die einen großen Umfang an Farbtönen und Helligkeitsstufen aufweisen, in
den aber eher gängigen Fällen, wie in Abbildung 22 ein Beispiel dargestellt ist, kommt nur
das manuelle Verfahren mit den im Menüpunkt Bild"Einstellungen verfügbaren Funktionen
Tonwertkorrektur, Farbbalance und Farbton/Sättigung zur Korrektur von Mängeln in Frage.
Die oben aufgezählten Funktionen zur Bildverbesserung sind übrigens bereits in vollem Umfang in der ab ca. € 75.- erhältlichen Version Photoshop® Elements enthalten. Man findet sie
dort im Menüpunkt Überarbeiten. Prinzipiell verfügt auch das Konkurrenzprodukt Corel™
Photopaint® über eine ähnlich umfangreiche Werkzeugpalette. Daher können auch mit diesem Programm prinzipiell die erforderlichen Verbesserungen der Bilder vorgenommen werden, sind aber wegen der weniger komfortablen Vorschaumöglichkeiten etwas umständlicher.
Dies gilt auch für das meist erforderliche Nachschärfen der Bilder, das unbedingt mit einem
gut regelbaren Filter, z.B. der verbreiteten „Unschärfemaske“, erfolgen sollte.
Bildretusche
Während die Tonwert- und Farbkorrekturen für den versierten Anwender relativ zügig erledigt werden können, erfordern die in den meisten Fällen zusätzlich erforderlichen Retuschearbeiten viel Zeit und Erfahrung. Wurden die Bilder mit einer Digitalkamera aufgenommen,
erübrigt sich wenigstens das unangenehme Beseitigen der Störungen durch Verschmutzungen
und Beschädigungen des Negativs oder Diapositivs. Bei Scans von analogen Vorlagen müssen diese Fehler auf jeden Fall korrigiert werden, da sie später den Raumeindruck in erheblicher Weise beeinträchtigen.
Die zweite Art von Retusche besteht im Entfernen von Bildelementen, die in den Teilbildern
nicht stereoskopisch korrekt enthalten sind. Meist handelt es sich dabei um Objekte, die sich
zwischen den Aufnahmen bewegt haben, aber auch um solche, die versehentlich nur in eines
Teilbild hineinragen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die verfügbare Werkzeugpalette für
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eine effiziente Bildretusche ist bei Corel™ Photopaint® schlichtweg nicht ausreichend. Diese
kann eigentlich nur mit Photoshop® erfolgreich durchgeführt werden, denn bislang bietet nur
dieses Programm praxisgerechte Funktionen dazu. Zum Entfernen von störenden Linen,
Punkten und Flecken durch Fussel, Staub und Kratzer wird in den Versionen 5.5 und 6.0 sowie der Elements-Ausgabe ein spezieller Filter „Staub und Kratzer entfernen“ (Abbildung 23)
angeboten. Je nach Einstellung von Wirkdistanz und Schwellenwert passt er die Pixelfarbe
einer Störung so an die Umgebung an, dass sie nicht mehr weiter störend auffällt. Der Filter
zeigt jedoch nur bei sehr hohem Kontrast zwischen der Störung und Hintergrund die gewünschte Wirkung. Keinesfalls darf er auf das Gesamtbild angewandt werden, da in der Wirkung einem extremen Weichzeichner ähnelt. Dies ist natürlich in den „sauberen“ Bereichen
des Bildes nicht erwünscht. Deshalb muss der Wirkbereich mittels des Auswahlwerkzeuges
auf die unmittelbare Umgebung der Störung beschränkt werden, um nicht zu viel des Bildes
zu verändern. Folglich muss jeder Defekt einzeln oder u.U. in mehreren Teilen manuell selektiert und mit individuellen Einstellungen korrigiert werden, was außerordentlich mühsam
werden kann. In der Praxis bewährt sich das Werkzeug nur bei punktförmigen Bildfehlern vor
relativ gleichfarbigen Flächen, wie etwa Teilen des Himmels. Die Entfernung von großflächigen Fusseln erfordert oft mehrere Ansätze.
Abb. 23) Staub entfernen mit Filter: Photoshop® bietet zum Entfernen von Störungen durch Verschmutzung und Kratzer
einen speziellen Filter an. Dieser darf jedoch nicht auf das ganze Bild angewandt werden, sondern nur auf einen kleinen
Ausschnitt (a) um die Störung. Mit zwei Reglern kann die Wirkung kontrolliert werden (b).
Führt jedoch der „Staub und Kratzer entfernen“ -Filter nicht zum gewünschten Ergebnis, hilft
das Werkzeug „Kopierstempel“ weiter, welches in der Standard-Werkzeugpalette von Photoshop® zu finden ist. Die Bezeichnung „Stempel“ deutet bereits auf dessen Anwendungsweise
hin: es muss ähnlich wie ein Stempel auf einem Stempelkissen immer wieder in unmittelbarer
Nähe neu aufgesetzt werden. Mit Hilfe der Funktion kann ein beliebig großer, normalerweise
kreisförmiger Bildbereich an eine andere Stelle kopiert werden, wobei ein fließender Übergang geschaffen wird. Auf diese Weise kann man Störungen aller Art mit Bildinformationen
aus deren unmittelbaren Umgebung quasi wegstempeln. Anleitungen und Beispiele zur effizienten Anwendung dieses vortrefflichen Werkzeuges findet man in [7] und [15].
In der neuesten Vollversion 7.0 von Photoshop® wurde der Kopierstempel weiter entwickelt
und als „Reparaturpinsel“ in die Werkzeugpalette neu eingeführt. Er passt die kopierten Pixel automatisch an die Umgebung an und schafft damit nahezu unsichtbare Übergänge. Das
neue Werkzeug wirkt sehr überzeugend und es können damit auch kontrastarme und großflächigere Störungen wie z.B. Flecken unauffällig entfernt werden.
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Der Kopierstempel oder besser noch der Reparaturpinsel ist das optimale Hilfsmittel, um typische Störungen durch sich bewegende Objekte zu eliminieren. Ein Demonstrationsbeispiel
zeigt die Abbildung 24. Die zwischen den beiden Aufnahmen weiter gewanderten Personen
(markiert durch einen Pfeil ) scheinen durch die stereoskopisch falsche Position im ursprünglichen 3D-Bild zu schweben. Dies stört den Gesamteindruck und deshalb müssen sie aus dem
Bild entfernt werden. Die erforderliche Manipulation sollte bereits in den Basisbildern durchgeführt werden, kann aber auch im fertig montierten Anaglyphenbild erfordern. In der Kopie
wurden die Personen durch Teile des Hintergrundes überpinselt. In den meisten Fällen genügt
eine derartige Korrektur.
Abb. 24)
Retusche von störenden Objekten: Auf diesem Bild wirken die Personen störend, da sie sich zwischen den Aufnahmen bewegt hatten (Pfeil). In der Kopie (vorne) wurden sie mittels dem neuen Retuschewerkzeug von
Photoshop® 7.0 entfernt. Dieses Werkzeug wird ähnlich dem Kopierstempel (in der Werkzeugpalette links direkt unter dem
Retuschepinsel) verwendet. (Beispielbild: M.Weber)
Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die beschriebene Retusche kein Allheilmittel sein kann, da man die an der entsprechenden Stelle perspektivisch korrekte Bildinformation nicht zur Verfügung hat. Daher kann man somit durch die Manipulation unter Umständen sogar noch schlimmere Störungen künstlich erzeugen. Für großflächige Objekte hilft
sie sowieso nur selten.
Anaglyphenmontage mit Adobe™ Photoshop®
Nachdem die Stereohalbbilder in der beschriebenen vorbereitet wurden, kann die entgültige
Montage des Anaglyphenbildes erfolgen. Die wesentlichen Schritte werden nachfolgend für
die Version 5.5 beschrieben. Der Arbeitsablauf ist in den späteren Programmversionen identisch. Für die optimale Montage wirken sich das Ebenenkonzept und die schnellen Vorschaumöglichen von Photoshop® äußerst hilfreich aus.
48
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
Zunächst erzeugt man ein neues Dokument mit weißem Hintergrund und Abmessungen, die
etwa 25% mehr Pixel umfassen als die der Teilbilder. Dann wird zunächst das dem rechten
Auge zugeordnete Halbbild in die erste Ebene kopiert. Das Teilbild für das linke Auge wird
anschließend in die zweite Ebene eingefügt. Diese Reihenfolge muss unbedingt eingehalten
werden, ansonsten kommt es später zur falschen Zuordnung der Bilder im Auge mit dem unschönen Effekt, dass die Tiefenwirkung invertiert wird.
Abb. 25) 1. Schritt: Nach dem Laden der Teilbilder in der richtigen Reihenfolge wird die erste Ebene (rechtes Auge) ausgewählt und für diese die Funktion Gradationskurven aktiviert. (Beispielbild: L. Braun)
Abb. 26) Rechtes Bild einfärben mit der Gradationskurve: Im Menü Gradationskurven wird der rote Kanal gewählt und
die Gerade von der linken unteren Ecke ganz nach oben gezogen (Pfeile). (Beispielbild: L. Braun)
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Im ersten Schritt wird die erste Ebene ausgewählt und auf diese die Funktion
Bild"Einstellen"Gradationskurven angewandt (Abbildung 25). In dem sich öffnenden Fenster wird die üblicherweise diagonal von links unten nach rechts oben verlaufenden Tonwertabstufung grafisch dargestellt. In einem Auswahlfenster darüber kann man wahlweise den
RGB-Summenkanal oder die einzelnen Farbkanäle für Rot, Grün und Blau auswählen. Für die
Ebene 1 wählt man den roten Kanal und zieht die Gradationslinie an ihrem linken Ende um
45° nach oben in die linke Ecke (Abbildung 26). Jetzt erscheint die erste Ebene und damit das
rechte Halbbild hellrot eingefärbt. Die Änderung wird mit Ok bestätigt. Durch Ausblenden
der darüber liegenden 2. Ebene kann man das Stereohalbbild für das rechte Auge sichtbar
machen. Es sollte durch das rote Filter der Anaglyphenbrille nahezu weiß erscheinen.
Anschließend wählt man die 2. Ebene und ruft für diese das Menü zur Änderung der Gradationskurven auf. Um Ebene Nr. 2 in dem gewünschten hellen Zyan-Ton einzufärben, muss
zunächst die Gradationskurve für den grünen Kanal nach links oben gezogen werden und
danach zusätzlich die Kurve für den blauen Kanal (Abbildung 27).
Abb. 27) Linkes Bild einfärben: Um das Bild in der 2. Ebene im Zyan-Ton einzufärben, muss sowohl die Gradationskurve
für den grünen Kanal als auch die des blauen in gleicher weise verändert werden.
Jetzt gilt es, die beiden Ebenen zu einem Farbbild zu kombinieren. Dazu wählt man einfach
für die zweite Ebene die Option Multiplizieren statt Normal und das Anaglyphenbild erscheint
in seiner Rohform. Mit dieser Aktion hat man letztlich das erreicht, was auch die in der Frage
19 vorgestellten Spezialprogramme zu leisten vermögen. Wurden bei den Ausgangsaufnahmen keinerlei Fehler bezüglich der Orientierung gemacht, ist das Farbanaglyphenbild an dieser Stelle bereits nahezu fertig. Dies ist aber in der Praxis eher selten der Fall. Daher ist es
günstig, dass in der Bildverarbeitung noch weitere Korrekturmöglichkeiten verfügbar sind.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist es sinnvoll, die Anaglyphenbrille zur Kontrolle der weiteren Schritte aufzusetzen.
50
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
Abb. 28)
Unterschiedliche Tiefenwirkung durch Überlappung: Je nach Wahl des überlappenden Bereiches
der beiden Halbbilder (rechts) wird mit demselben Bildpaar eine völlig unterschiedliche Raumwirkung erzeugt. Im Beispiel
oben wird der Gipfel im Hintergrund in die Papierebene gelegt. Dadurch erhält der vordere Gipfel einen sehr großen seitlichen Versatz und erscheint deutlich vor dem Papier. Das wirkt unnatürlich und führt leicht zum Bildzerfall. Beim mittleren Bild
wurde der Versatz im Vordergrund etwas reduziert, ein Teil der Objekte liegen vor der Bildebene und ein Teil dahinter. Für
dieses Beispiel mit dem relativ freistehenden Objekt im Vordergrund scheint die Wirkung noch tolerabel, entspricht aber nicht
dem natürlichen Raumsehen. Das unterste Bild wurde derart montiert, dass eine Art „Schaukasteneffekt“ entsteht: nahezu
alle Bildelemente erscheinen hinter der Papierebene. Dadurch wird der Versatz im Mittelgrund und Hintergrund sehr groß
und man hat dort Mühe bei der Verschmelzung. Da dieser Eindruck jedoch dem natürlichen Empfinden am nächsten kommt,
ist die 3D-Wirkung bei dieser Art der Montage offensichtlich am besten. (Beispielbilder: M.Weber)
Im Gegensatz zu anderen Präsentationsformen von 3D-Bildern bietet die Anaglyphenmethode
sehr viele Freiheiten bei der Montage und damit bei der Erzielung der Tiefenwirkung. Photo51
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
shop erlaubt im Menüpunkt Bearbeiten"Frei transformieren nahezu beliebige interaktive
Veränderungen der Bildgeometrie der individuellen Ebenen (Abbildung 29). Die unmittelbar
wirkende Vorschau erlaubt dabei die unmittelbare Kontrolle der Manipulationen. Dadurch
können sowohl die Bilder auf beste Wirkung getrimmt, als auch kleinere Aufnahmemängel
nachträglich korrigiert werden.
Zwar werden die wesentlichen Eigenschaften der 3D-Wirkung eines Stereobildes bereits bei
der Aufnahme durch die Wahl der Basislänge festgelegt, gewisse Eigenschaften wie etwa die
Formtreue und die Position, an der einzelne Elemente des Bildes in der Tiefe des Raumes
erscheinen, lassen sich durchaus noch bei der Montage (Rahmung) regeln. Der wichtigste
Parameter ist dabei die Wahl des Überlappungsbereiches. In Abbildung 28 ist ein Beispiel
wiedergegeben, wie sich die Tiefenwirkung positiv oder negativ durch Verschieben der Photoshop-Ebenen gegeneinander verändern kann. Das Verschieben der Teilbilder gegeneinander
in horizontale und vertikale Richtung kann höchst einfach nach Auswahl einer der beiden
Ebenen mit dem Verschieben-Werkzeug der Werkzeugpalette erfolgen.
Abb. 29)
Korrekturen von Aufnahmefehlern: Die häufigsten Mängel des halbfertigen Stereobildes beruhen auf
der fehlerhaften Orientierung der Aufnahmeachsen der beiden Teilbilder. Auch grobe Fehler können wenigstens teilweise
durch Korrekturen an der Bildgeometrie verbessert werden. Die Funktionen Frei transformieren und Transformieren leisten
dabei gute Dienste.
Häufig stellt man jedoch fest, dass ein alleiniges gegeneinander Verschieben der Teilbilder
noch nicht für den optimalen 3D-Eindruck ausreicht. Gewöhnlich zeigt das erzeugte Anaglyphenbild immer noch erhebliche Mängel, welche in der Regel die Folge von Orientierungsfehlern der Aufnahmeachsen (siehe auch Frage 14) sind. Obwohl die resultierenden
Verzeichnungen in der Praxis nichtlinear sind, eignen sich die Optionen der Funktionen Frei
transformieren oder Transformieren für eine näherungsweise Korrektur.
52
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
Welche Korrektur letztlich angebracht ist, hängt von der Art der bei der Aufnahme gemachten
Elementarfehler ab. In der nachfolgenden Tabelle werden die wichtigsten und die mögliche
Abhilfe zusammengefasst (vgl. auch Abbildung 11 in Frage 14):
In der Praxis besteht die Schwierigkeit meist darin, die Art der bei der Aufnahme gemachten
Fehler allein anhand der Störungen bei der Stereobetrachtung überhaupt zu erkennen. In der
Regel ist die Missorientierung der Aufnahmeachsen eine Linearkombination aus mehreren der
in der Tabelle aufgeführten Elementarfehlern, die zudem im Ergebnis ähnliche Wirkungen
zeigen. Dem kann man nur auf die Spur kommen, indem man Korrekturen iterativ durchführt.
Am häufigsten sind jedoch einfache Dreh- bzw. Kippfehler. Diese können relativ leicht am
Verlauf des Horizontes abgelesen werden, denn da sich dieser im Allgemeinen in der Nähe
des Fernpunktes befindet, sollten dort keine perspektivischen bedingten Unterschiede mehr
zwischen den Teilbildern auftreten.
Abb. 30)
Korrektur eines Kippfehlers: Bei freihändigen Aufnahmen sind Fehler bei der waagrechten Ausrichtung der Kamera praktisch unvermeidbar. Sie können jedoch relativ einfach durch Verdrehen der Teilbilder gegeneinander
ausgeglichen werden. Der Verlauf des Horizontes oder gegebenenfalls auch linienförmige Bildelemente im Hintergrund
leisten dabei wertvolle Orientierungshilfen.
53
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Daher hat sich die Vorgehensweise bewährt, zunächst einmal mit dem Ausgleich eventueller
Drehfehler zu beginnen (Abbildung 30). Diese können nämlich bei Freihandaufnahmen kaum
vermieden werden, sind aber durch einfaches Verdrehen der Teilbilder gegeneinander leicht
zu korrigieren. Erscheint der notwendige Drehwinkel relativ groß, sollte man versuchen, den
Horizontverlauf durch gegensinniges Verdrehen beider Teilbilder relativ waagrecht zu halten.
Meist verändert sich durch die Manipulation auch der gemeinsame Fluchtpunkt, so dass zusätzlich eine erneute Festlegung des Überlappungsbereiches erforderlich ist. Erst wenn nach
der Kipp-Korrektur immer noch kein befriedigender 3D-Eindruck in allen Bereichen des Bildes festgestellt wird, kann man sich an geometrischen Verzerrungen der Teilbilder versuchen,
sollte dabei aber äußerst behutsam vorgehen (Abbildung 31).
Abb. 31)
Korrektur von Verzeichnungen: Divergente oder konvergente Aufnahmeachsen verursachen Verzerrungen in den Randbereichen, welche in erster Näherung trapezförmig sind. Mit der Option „Perspektivisch verzerren“ lassen sich solche Fehler teilweise ausgleichen. Meist müssen sie aber auf beide Teilbilder gegensinnig angewandt werden.
Photoshop® enthält einen umfangreichen Vorrat an Werkzeugen, um Bilder zu verzerren.
Nicht alle sind für Korrekturen wirklich geeignet. Dank der Vorschaumöglichkeiten lassen
sich die Manipulationen jedoch leicht überprüfen. Letztlich ist es eine Frage der Erfahrung,
ob und wie man die Bilder hinsichtlich Verzerrungen verbessert.
Ist man mit dem Resultat weitgehend zufrieden, sollte man die Bildränder so beschneiden,
dass nur der vollständig überlappende Bereich im entgültigen Anaglyphenbild enthalten ist.
Wurde eine Drehung oder geometrische Verzerrung benötigt, gehen zusätzliche Teile des
Bildes an den Rändern verloren. Zum Beschneiden des Bildes wählt man einfach den optimalen Ausschnitt mittels dem rechteckigen Auswahlwerkzeug und führt die Funktion
Bild"Freistellen aus (Abbildung 32). Damit ist das Anaglyphenbild nahezu fertig. Es können
nun noch einige wenige Farbabpassungen mit der Einstellung Farbton/Sättigung im Bereich
der Rot-Töne (Ebene 1) und der Zyan-Töne (Ebene 2) durchgeführt werde. Auf diese Weise
kann einerseits die Feinabstimmung auf die verwendete Anaglyphenbrille erfolgen, andererseits gegebenenfalls starke Kontraste, die zu unliebsamen Geisterbildern führen können, etwas abgemildert werden (Abbildung 33).
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„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
Abb. 32)
Freistellen des entgültigen Anaglyphenbildes: Im entgültigen Anaglyphenbild soll nur der Bereich
erscheinen, in dem sich beide Teilbilder vollständig überlappen. Dieser wird mit dem Auswahlwerkzeug markiert und anschließend mit der Funktion Freistellen ausgeschnitten.
Abb. 33)
Letzte Farbanpassungen: Zuletzt können noch vor oder nach dem Zusammenführen der Ebenen letzte
Farbtonanpassungen im Bereich der Rot- und Zyan-Töne zum Abmildern von extremen Kontrasten durchgeführt werden.
55
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Nach diesen letzten Korrekturen ist das Farbanaglyphenbild entgültig fertig. Nach der Reduktion der beiden überlagerten Ebenen auf die Hintergrundebene im Ebenen-Menü kann das
Bild abgespeichert werden. Dabei ist möglichst ein Bitmap-Dateiformat mit verlustfreier
Kompression zu verwenden, wie beispielsweise Windows-BMP oder das Tiff-Format.
Anaglyphenmontage mit Adobe™ Photoshop® Elements
Prinzipiell sind die Unterschiede zwischen der Vollversion von Photoshop® 6.0/7.0 und der
für ca. € 75.- erhältlichen Spar-Version hinsichtlich der Verfügbarkeit der für die Erstellung
eines Anaglyphenbildes benötigten Funktionen erfreulicherweise gering. Die Benutzeroberfläche (Abbildung 34) ist für einen anderen Benutzerkreis entworfen als die Profiversion, deshalb sind bei der Elements-Version einige Abweichungen in der Menüstruktur festzustellen.
Wem jedoch bislang die Vollversion vertraut ist, hat nach einer kurzen Eingewöhnungsphase
kaum Orientierungsprobleme, und der Neuling muss sowieso eine Lernphase überwinden.
Abb. 34) Weitere Methode zum Maskieren der Teilbilder: Ein Teilbild kann auch dadurch rot maskiert werden, indem in
einer zusätzlichen erstellten Ebene ein Rechteck ausgewählt (maskiert) wird, das mit einem Farbton gefüllt wird, der möglichst dem des Anaglyphenfilters entspricht. Anschließend wird diese Ebene mit der darunter liegenden, welche das farbige
Stereohalbbild enthält, negativ multipliziert. (Beispielfoto: M. Weber)
Generell unterscheidet sich der Ablauf der Arbeitsgänge bei der eigentlichen Erstellung eines
Anaglyphenbildes unter Photoshop® Elements nicht wesentlich von dem vorher beschriebenen in der Vollversion. Das Konzept der Ebenen wurde in der Spar-Version vollständig übernommen, so dass die Basisbilder in derselben Weise in ein neues Dokument geladen werden
können. Die Funktion Gradationskurven zur Farbmaskierung der Teilbilder sucht man jedoch
vergebens. Da der Weg über diese nur einer von vielen ist, werden hier noch zwei weitere
Möglichkeiten beschrieben, die jeweils unterschiedliche Vorteile haben.
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„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
Eine recht einfache Methode zeigt die Abbildung 34. Sie hat den Vorteil, dass die Maske den
Eigenschaften der Farbfilter der verwendeten Anaglyphenbrille angepasst werden kann. Um
das geladene Farbbild für das rechte Auge einzufärben, fügen Sie zunächst vor die Ebene 1
eine neue Arbeitsebene ein. Auf dieser wählen sie mit dem Auswahlwerkzeug einen Bereich,
der in den Abmessungen in etwa das Originalbild überdeckt. Danach setzen Sie die Vordergrundfarbe auf einen Rot-Ton, welcher durch das rote Filter der Anaglyphenbrille betrachtet
möglichst weiß erscheint. Mit dieser Vordergrundfarbe färben Sie die selektierte Fläche auf
der Hilfsebene mit der Funktion Bearbeiten"Fläche ein. Anschließend stellen Sie für die
Hilfsebene die Eigenschaft Normal auf negativ multiplizieren um. Wenn jetzt noch im Menü
Ebenen die Hilfsebene auf die darunter liegende Ebene1 reduziert wird, erhalten sie ein im
optimalen Farbton maskiertes Stereohalbbild. Die Vorgehensweise für das dem linken Auge
zugeordneten Bildes mit einer Zyan-Maskierung erfolgt in analoger Weise. Die Multiplikation
der fertig maskierten Teilbilder ergibt das Anaglyphenbild.
Abb. 35) Maskieren der Teilbilder über die Tonwertkorrektur: Statt über das in Photoshop® Elements nicht vorhandene
Menü mit den Gradationskurven können die Stereohalbbilder auch über die Tonwertkorrektur maskiert werden. Dazu muss
lediglich das Dreieck für den Tonwertumfang ganz unten von der linken Ecke ganz auf die rechte Seite geschoben werden
(Pfeile). Für die Rotmaskierung ist der rote Kanal zu wählen, für die Zyanmaskierung zuerst der grüne Kanal und anschließend der blaue Kanal. Das Menü für die Tonwertkorrektur findet man in Photoshop® Elements man unter dem Menüpunkten
Überarbeiten"Helligkeit/Kontrast"Tonwertkorrektur.
Eine weiteres Verfahren zum Maskieren der Bilder bildet die Anwendung der bewährten
Tonwertkorrektur. Diese im Zusammenhang mit dem Thema „Bildverbesserung“ bereits als
wesentlich erwähnte Funktion entspricht eigentlich der Manipulation der Gradationskurve.
Das mit der Vollversion identische Menü findet man etwas überraschend unter dem Menüpunkt Überarbeiten"Helligkeit/Kontrast"Tonwertkorrektur. Wählt man diesen Punkt, dann
erscheint das in Abbildung 35 wiedergegebene Untermenü, das unter anderem auch das
Histogramm der Tonwerte des Bildes beinhaltet. Dort können durch Verschieben der kleinen
Dreiecke Manipulationen vorgenommen werden. Wählt man den roten Kanal und verschiebt
57
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
das Dreieck links unten an der Darstellung der Grauwertabstufung ganz nach rechts, dann
erhält man ein rot maskiertes Bild. Um wie in Abbildung 35 ein zyanfarbenes zu erhalten,
muss der Vorgang zunächst auf den grünen Kanal und anschließend zusätzlich auf den blauen
Kanal angewendet werden.
Abb. 36)
Korrektur von Verzeichnungen mit Photoshop® Elements: Auch in der Spar-Version des Bildbearbeitungsprogramms findet am alle Funktionen zum freien Drehen, Skalieren und Verzerren der Teilbilder. Man findet sie
unter dem Menüpunkt Bild"Transformieren.
Die Farbanaglyphenbilder können also bereits mit Photoshop® Elements als die preiswerteste
Variante eines Bildverarbeitungsprogramms problemlos in professioneller Qualität erstellt
werden. Ebenso ist die ganze Palette der zur Bildtransformationen notwendigen Funktionen
(Abbildung 36), sowie die notwendigen Filter zum Scharfzeichnen und sogar Effektfilter wie
in der Vollversion vorhanden.
Anaglyphenmontage mit Corel™ PhotoPaint®
Auch das Programm PhotoPaint®, ein Bestandteil der CorelDraw Graphicsuite, eignet sich
vortrefflich zum Anfertigen von farbigen Anaglyphenbildern. Zur Zeit ist die Versionsnummer 10 im Handel, diese unterscheidet sich jedoch benutzerseitig kaum von seinen Vorgängern Nr. 9 und Nr. 8. Die nachfolgend demonstrierte Vorgehensweise ist mit der in der Version 8 identisch. Auf den ersten Blick scheint die Konzeption des Programms völlig verschieden zu Photoshop. Aber dieser Eindruck täuscht, beide Programme dienen letztlich der Manipulation von Bitmapdateien. Allerdings ist die Funktionalität von PhotoPaint gegenüber Photoshop deutlich eingeschränkt, insbesondere was die Möglichkeiten zur Bildretusche und Fotomontagen betrifft. Doch das stört nicht weiter, denn die für Anaglyphenbilder benötigten
grundlegenden Funktionen sind alle verfügbar.
58
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
Im Unterschied zu dem Ebenenkonzept von Adobe werden in Corel´s PhotoPaint® die Bildelemente als Bitmap-Objekte übereinander gestapelt. Diese können ähnlich den Ebenen in
Photoshop beliebig verändert und auch miteinander verknüpft werden. Auch PhotoPaint®
bietet eine komfortable interaktive Vorschau, diese ist aber deutlich langsamer als die des
Konkurrenzproduktes. Ein wesentlicher Unterschied der Programme besteht jedoch darin,
dass PhotoPaint prinzipiell im druckorientierten CMYK-Farbraum arbeitet. Die Vorschau
repräsentiert a priori die Farbwiedergabe auf dem Papier. Das kann von Vor- aber auch von
Nachteil sein, da die Rot-Zyan-Brille eigentlich für die RGB-Wiedergabe am Monitor optimiert ist.
Abb. 37) Laden der Teilbilder in Corel™ PhotoPaint®: Der Screenshot zeigt die Benutzeroberfläche von Photopaint beim
Laden der Stereohalbbilder. Das Erscheinungsbild der Farbenpalette auf rechten Seite deutet auf die CMYK-Darstellung hin,
welche am Bildschirm die Wiedergabe im Druckbild emulieren soll. Die Teilbilder werden als Bitmapobjekte mit der Funktion
Datei" Importieren in das Arbeitsdokument eingefügt. Auch hier muss zunächst das rechte, das linke Halbbild erst danach
bzw. darüber eingefügt werden, um später die augenrichtige Zuordnung zu gewährleisten. (Beispielfoto: L. Braun)
Zunächst muss auch in PhotoPaint® ein um leeres Dokument mit weißem Hintergrund erstellt werden, das etwas (25%) größer als die Stereoteilbilder gewählt werden sollte. Die Vorschau wird nicht automatisch der Bildfenstergröße angepasst, daher muss sie manuell auf eine
sinnvolle Verkleinerung eingestellt werden. In das Arbeitsdokument können die beiden vorbereiteten Stereohalbbilder mit der Funktion Importieren im Datei-Menü als Bitmap-Objekte
eingefügt (Abbildung 37) werden. Die Reihenfolge, zunächst das Bild für das rechte Auge,
darüber das für das linke Auge, muss strikt eingehalten werden. In der Version 10 wird mit
dem Laden des Bildes zunächst eine Miniaturvorschau an den Mauszeiger geheftet, das maßstäblich korrekte Einfügen in die Bildmitte erfolgt durch einen Klick mit der rechten Maustaste. Man muss sehr behutsam sein, denn das Objekt kann durch unachtsame Aktionen jederzeit per Drag and Drop in seiner Form verändert werden, was zunächst unerwünscht ist.
Durch Platzieren des Mauszeigers auf das Objekt und „Ziehen“ bei gleichzeitig gedrückter
59
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
rechter Maustaste kann das obere Halbbild gegenüber dem unteren in horizontaler und vertikaler Richtung verschoben werden.
Die Umwandlung der beiden Objekte in ein Anaglyphenbild ist mit PhotoPaint deutlich einfacher als mit den anderen behandelten Programmen. Mit Hilfe der sogenannten Objekteigenschaften können sich überlappende Bitmaps unter Anwendung eines Zusammenführungsmodus in Wechselwirkung treten. Letzterer wird im Fenster Objekteigenschaften im Auswahlfenster Zusammenführen eingestellt (Abbildung 38). Dieses Fenster öffnet man mit einem
Klick mit der rechten Maustaste auf das obere Objekt und der Wahl Objekteigenschaften.
Die Auswahl Zusammenführen enthält 28 Optionen, deren Wirkung meist nicht unmittelbar
der Bezeichnung entnommen werden kann und auch in der Hilfe nicht näher erläutert wird.
Die Liste endet mit den Farben Rot, Grün und Blau. Der erste Modus Rot bewirkt mit einem
Mausklick exakt das, was benötigt wird, nämlich die Rot-Zyan-Maskierung der beiden Bilder.
Abb. 38)
Rot-Zyan-Maskierung mit Corel PhotoPaint® 10: Das Erzeugen eines Rot-Zyan-Anaglyphenbildes ist
mit PhotoPaint besonders einfach: Nach dem Laden der Halbbilder einfach mit der rechten Maustaste auf das oberste Objekt klicken, dann in dem sich öffnenden Menüfenster das oben im Screenshot sichtbare Untermenü Objekteigenschaften
öffnen. Wählt man in der Auswahl Zusammenführen (Pfeil) die Option Rot, dann erhält man direkt ein Bild in den Farben Rot
und Zyan.
Ohne einen speziellen Funktionsaufruf können die Bitmapobjekte gegeneiner gedreht und
geometrisch verzerrt werden. Ein einfacher Klick mit der linken Maustaste auf das Objekt
schaltet nacheinander in den Modus Freies Drehen (Abbildung 38), Skalieren (gekennzeichnet durch Pfeile an den Ecken ) oder Verzerren (Abbildung 39 oben). Durch „Ziehen“ mit
gleichzeitig gedrückter linker Maustaste im Bereich der Symbole an den Ecken lässt sich das
ausgewählte Objekt beliebig interaktiv verändern und damit Missorientierungen und Verzerrungen ausgleichen. Die Änderung wird nach der Neuberechnung der Vorschau angezeigt.
60
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
Abb. 39)
Geometrische Veränderungen mit Corel PhotoPaint® 10: Oben: Das ausgewählte Objekt lässt sich
einfach durch Anfassen und Ziehen eines der Symbole an den Ecken mit gedrückter linker Maustaste drehen oder verformen. Unten: Am Ende müssen die Objekte noch mit dem Hintergrund kombiniert werden.
61
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Die Änderungen wirken zunächst nur auf die Vorschau. Um das Ergebnis der Manipulation
auch in Detailbereichen des Originals beurteilen zu können, sollte man den Vorschaumaßstab
zeitweise auf 100% vergrößern. Um die Änderungen entgültig auf das Dokument zu übertragen, werden am Schluss die Bitmapobjekte durch dem Befehl Objekt "Kombinieren"Kombinieren: Alle Objekte auf Hintergrund ähnlich dem Befehl „auf Hintergrundebene
reduzieren“ in Photoshop mit dem Hintergrund vereinigt (Abbildung 39 unten).
Zuschneiden des Bildes mit Corel PhotoPaint® 10: Zur Fertigstellung des Anaglyphenbildes wird mit
Abb. 40)
dem Auswahlwerkzeug der Ausschnitt mit vollständiger Überlappung der Teilbilder gewählt und das Bild mit der Funktion
Beschneiden auf dieser Maske zugeschnitten.
Zum Abschluss gilt es noch, das Anaglyphenbild von den nicht überlappenden Randbereichen
zu befreien. Dafür enthält das Menü Bild die Funktion Beschneiden, die in völliger Analogie
zum Befehl Freistellen in Photoshop die Reduktion des Bildes auf einen zuvor mit dem Auswahlwerkzeug festgelegten rechteckigen Bereich ermöglicht (Abbildung 40).
Das fertige Anaglyphenbild kann anschließend nicht direkt zur weiteren Verwendung gespeichert werden, sondern muss mit der Funktion Datei"Exportieren als Windows-BMP-Datei
oder Tiff-Datei archiviert werden.
Letztlich führen alle drei hier vorgestellten Programme bei ähnlicher Vorgehensweise zu einem identischen Ergebnis. Welche Software man entgültig als das ideale Werkzeug zur Herstellung von Anaglyphenbildern erklärt, bleibt den individuellen Vorlieben und Vorstellungen
überlassen. Vielleicht diktiert auch der Geldbeutel. Jedes der Produkte hat individuelle Stärken und Schwächen. Die ersteren kann man nutzen, die letzteren bei genauer Kenntnis trickreich überwinden.
62
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
21. Kann man Stereobilder künstlich aus 2D-Bildern
erzeugen?
Sucht man im Internet unter dem Begriff „3D-Bilder“, so stößt man gelegentlich auf Angebote, die versprechen, eine gewöhnliche 2D-Fotografie gegen viel Geld mittels spezieller Computersoftware in ein echtes Raumbild verwandeln zu können. Meist belegen die Anbieter ihre
Fähigkeiten anhand von wenigen spektakulären Beispielen, wie etwa eine dreidimensionale
Version eines berühmten Gemäldes. Auch die 3D-Visualisierung von Comics ist ein beliebtes
Demonstrationsobjekt (z.B. www.3DWebsite.de). Was ist generell davon zu halten?
Nun, die vorangegangen Seiten haben uns gelehrt, dass die korrekte Rauminformation nur aus
dem Unterschied zweier von einem unterschiedlichen Standort aus aufgenommenen Bildern
erhalten werden kann. Ein 2D-Bild dagegen erlaubt zwar die Interpretation der räumlichen
Verhältnisse auf der Basis von Erfahrungswerten anhand der Größenproportionen von Bildelementen und dem Verlauf von Leitlinien, quantitative Tiefeninformationen erfordern jedoch
zusätzliche rationale Kenntnisse der Szene. Der Sachverhalt unterscheidet sich dabei keinesfalls von dem natürlichen Raumsehen, denn auch dort können Objekte jenseits des Fernpunkt
nicht mehr räumlich wahrgenommen werden. Um ein einfaches Beispiel zu nehmen: wir haben schlichtweg gelernt, dass sich eine wie auf einem Plakat in der Ferne sichtbare Bergkulisse aus charakteristischen räumlichen Formen zusammensetzt, die sowohl eine vertikale aus
auch eine horizontale Ausdehnung besitzen. Auf spezielle Merkmale, wie etwa die Steilheit
oder die Neigungsrichtung der Berghänge können wir allenfalls aus dem Gesamteindruck und
der Erfahrung schließen. Die realen Verhältnisse verdeutlichen erst die Stereofotografie oder
ein stark verkleinertes dreidimensionales Modell der Landschaft, welche die großen Formen
in den Bereich des natürlichen Raumsehens überführen.
Abb. 41)
Synthetisches Stereobild I: Hier wurde auf der Grundlage eines 2D-Bildes ein Anaglyphenbild geschaffen, bei dem eine Kopie des ursprünglichen Bildes in der Weise geometrisch verzerrt wurde, dass der Eindruck einer
nach hinten geneigten ansteigenden Ebene entsteht. Den Detailstrukturen fehlt dagegen die Raumwirkung.
Ein sehr einfaches räumliches Modell stellen z. B. aufklappbare Kinderbücher dar, in denen
räumliche Objekte wie Bäume oder Tiere quasi als „Pappkameraden“ eine dreidimensionale
Szene bilden. Etwas ähnliches kann mit der Anaglyphenmethode und Photoshop relativ
leicht nachvollzogen werden. Isoliert man in einem Bild einzelne, vorwiegend vertikal stehende Objekte, und verschiebt diese proportional zum angenommen Abstand vom Betrachter
seitwärts, entsteht ein Tiefeneindruck genau dieser Art. Formen werden dabei aber noch nicht
dreidimensional erkennbar sein. Eine noch einfachere Methode wird in der Abbildung 41 demonstriert. Hier wurde lediglich ein Bild in Photoshop dupliziert und die Kopie derart mit
einer Matrix verzerrt, dass in der Anaglyphendarstellung der Eindruck einer nach hinten ge63
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
neigten, ansteigenden Ebene entsteht. Der Effekt wirkt zunächst verblüffend, da er durchaus
den Vorstellungen von den realen Verhältnissen in erster Näherung entspricht. Das Licht- und
Schattenspiel unterstützt den Eindruck noch zusätzlich
Um die Szene jedoch wirklich realistisch werden zu lassen, muss man die Koordinaten eines
jeden Bildpunktes im Raum kennen. Mit dieser Information kann die erforderliche Deviation
explizit berechnet werden. Näherungsweise genügt auch ein digitales Modell der Szene. Je
feiner dieses Modell ist, desto realistischer kann man mit diesen Informationen die Stereohalbbilder rekonstruieren. Die Abbildung 42 demonstriert, wie hoch aufgelöst ein solches
Modell sein muss, um die Realität einigermaßen wiedergeben zu können.
Abb. 42)
Digitales Geländemodell: Auf der linken Seite wird demonstriert, dass man zur mathematischen Beschreibung der Oberfläche einer realen Geländeform sehr viele Stützpunkte auf einem regelmäßigen Gitter benötigt. Der
Geländeausschnitt besitzt eine Kantenlänge von 4x4km. Hat man nur 25 Punkte zur Verfügung (oben), sind weder Grate,
noch Täler erkennbar. Erst ab der zehnfachen Dichte an Stützpunkten wird die grobe Struktur der Landschaft sichtbar (Mitte). Vergleichbar mit der Realität (rechts in einer 3D-Luftaufnahme) wird die synthetische Darstellung erst ab etwa 1250
Punkten (unten).
In der Kartografie wird unter anderem das Verfahren angewandt, Luftbilder oder Satellitenfotos auf der Basis eines Geländemodells so zu entzerren, dass durch die Erhebungen in der
Landschaft bedingte perspektivische Verzerrungen minimiert werden. Solche sogenannten
Orthophotos stellen im Ergebnis eine senkrechte Projektion des Geländes auf die Kartenebene
dar und werden dadurch winkeltreu. Zur Erstellung einer künstlichen 3D-Ansicht aus einem
zweidimensionalen Bild benötigt man dasselbe Verfahren in umgekehrter Richtung: man benötigt zunächst ein digitales, hochaufgelöstes Gitter- oder Drahtmodell und die Abbildungs64
„Glaziologie in 3D“
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parameter der Szene, um anhand dieser Daten für eine vorgegebene Stereobasis die notwendige perspektivische Verzerrung des Bildes zur Erstellung der Teilbilder bestimmen zu können.
Das in Abbildung 42 gezeigte Beispiel zeigt den noch relativ einfachen Fall der Darstellung
einer Ebene mit vertikalen Formen. Zu deren Beschreibung genügt eine einfache orthogonale
Matrix. Schwieriger ist die Darstellung von beliebig in den Raum ragenden 3D-Objekten.
Dafür sind komplexe sogenannte Drahtmodelle erforderlich. Um ein digitales Drahtmodell zu
erstellen, benötigt man entweder einen 3D-Scan der Szene oder aber ein Stereobildpaar. Damit schließt sich der Kreis.
Inzwischen sind jedoch die Möglichkeiten zur Visualisierung von virtuellen 3D-Welten sehr
weit fortgeschritten. Es gibt unzählige Computerprogramme, mit denen durch die Kombination von Standardformen wie Würfel, Kegel etc. sehr realistische räumliche Szenen aufgebaut
werden können. Der Weg der Konvertierung eines 2D-Bildes in ein 3D-Bild besteht also darin, die dargestellte Szene möglichst realitätsnah virtuell nachzubilden. Dies gelingt mit vertretbarem Aufwand sicherlich nur bei einfach strukturierten Szenen, denn bei der 3DVisualisierung wird nur die Form des Modells räumlich wiedergegeben. Das ursprüngliche
2D-Foto oder Bild dient später nur noch als sogenannte Textur, es hat quasi die Funktion einer Tapete, die über das Gittermodell gespannt wird. Mittels geeigneter 3D-Software kann
eine solche künstliche Szene von zwei verschiedenen Punkten aus auch stereoskopisch dargestellt werden Dies ist auch die Basis für die Darstellungen, die unter dem Begriff „Virtual
Reality“ bekannt sind. Die erwähnten Anbieter für eine 2D nach 3D-Konvertierung nutzen
beide Methoden, die Erstellung eines 3D-Modells und das einfache Verzerren einzelner Bereiche des Bildes. Den wirklichen Raumeindruck können sie damit allenfalls annähern.
Abb. 43) Sehr komplexes Gittermodell: 3D-Visualisierung eines sehr engmaschigen digitalen Höhenmodell einer Hochgebirgsregion. Das Modell besteht aus einem Datensatz mit Höhenangaben auf einem rechtwinkligen Gitter, das in der
Natur eine Maschenweite von 20 m besitzt. Die Höhendaten wurden durch das Vermessen von Stereo-Luftbildern bestimmt.
Trotz der hohen Datendichte wirkt die Darstellung gegenüber der Realität noch immer stark vereinfacht.
65
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Während die computergenerierten Szenen der „Virtual Reality“ trotz hochentwickelten Methoden zur Wiedergabe der Texturen und Oberflächeneffekte immer noch sehr steril wirken,
gelingt die Darstellung dreidimensionaler Geländeansichten schon sehr viel besser, da es digitale Geländemodelle mit ausreichend hoher Auflösung existieren (Abbildung 42/43). Da
aber auch diese Modelle gegenüber der Wirklichkeit immer noch stark vereinfacht sind, sind
künstliche Ansichten nur sehr bedingt mit eines natürlich gewonnenen 3D-Luftbild vergleichbar. Wird jedoch bei der 3D-Darstellung des Geländemodells die Beleuchtung berücksichtigt
und die Oberfläche mit einem hochaufgelösten Foto (Textur) kombiniert, ist der Eindruck
sehr realistisch.
Der Nutzen einer künstlichen 3D-Geländedarstellung besteht darin, dass man jederzeit die
Formen einer beliebige Region aus einer beliebigen Blickrichtung verdeutlichen kann. Die
Erstellung von geeigneten Luftbildern oder gar Gipsmodellen ist dagegen aufwändig. Inzwischen sind preiswerte Programme, die mittels digitalen Geländemodellen und der Kombination mit Luft- oder häufiger Satellitenbildern 3D-Ansichten von Landschaften generieren, weit
verbreitet. Obwohl die Möglichkeit, nahezu beliebige Blickrichtungen und Ansichten zu wählen, geradezu zur Fertigung von echten Stereobildern einlädt, sind die Programme leider nur
bedingt dazu geeignet. Dies liegt in den Eigenschaften der verwendeten 3D-Algoritmen begründet, die sich auf die Projektion in Richtung zum Modellmittelpunkt beschränken und daher keine Parallelverschiebung des Beobachtungspunktes zulassen. Es können maximal der
Azimut- bzw. der Elevationswinkel variiert werden, was letztlich zu dem Problem konvergierender Bildachsen führt. Ein Beispiel zeigt die Abbildung 44.
Abb. 44)
Synthetisches Stereobild II: Dieses Stereobild wurde aus zwei Screenshots eines 3D-Visualisierungsprogramms montiert, welche die interaktive Änderung des Azimutwinkels bei der Betrachtung des Geländes zulässt.
Die Abbildung ist dadurch im stereoskopischen Sinne nicht völlig ideal, liefert aber trotzdem mit Hilfe einiger nachträglicher
Korrekturen einen erträglichen plastischen Eindruck. Die Beschriftungen wurden nachträglich in das Anaglyphenbild eingefügt. (Erstellt unter Verwendung der CD-Rom „Eye in the Sky“ der Herold Business Data AG)
Eine Ausnahme bildet der bekannte Flugsimulator von Microsoft „Flightsimulator 2002“, zu
dem es detaillierte Zusatzszenerien für viele Gebirgslandschaften gibt und mit dem quasi
„echte“ stereoskopische „Luftaufnahmen“ gemacht werden können. Die Bildorientierung und
Perspektivendarstellung ist dort absolut perfekt. Allerdings bleibt auch hier die Realitätsnähe
wegen der notwendigerweise stark generalisierten Landschaftsdarstellung gegenüber realen
Luftaufnahmen weit zurück. Aber die Entwicklung wird weitergehen, und das Gebiet der
künstlichen 3D-Visualisierung hat sicherlich eine interessante Zukunft.
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„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
22. Kann man 3D-Panoramen erstellen?
Eine Spezialität, die noch vor wenigen Jahren nur wenigen Spezialisten vorbehalten war, ist
die Fotografie von 360° umfassende lückenlose Landschaftspanoramen [17]. Für deren Aufnahme waren vor dem Aufkommen der elektronischen Bildverarbeitung höchst komplizierte
Kamerakonstruktionen erforderlich. Heute dagegen genügt als Grundlage eine den Vollkreis
abdeckende Serie von Kleinbildaufnahmen. Die Kombination zu einem zusammenhängenden
Panoramabild ohne störende Übergänge erledigen anschließend speziell dafür entwickelte
Computerprogramme. Dank deren Fähigkeiten ist bei der Aufnahme nicht einmal unbedingt
ein Stativ erforderlich.
Abb. 45) 360°-Panorama: Ein 360° umfassendes Panorama, aufgenommen von einem Standpunkt in der Mitte eines
Hochgebirgstal. Der Anblick wirkt durch die plane Projektion sehr ungewohnt. Der linke Bildbereich zeigt den Blick talaufwärts, der rechte in Richtung Talausgang. Erst eine sphärische Projektion lässt die räumlichen Formen wieder in gewohnter
Weise erscheinen. Das Panorama wurde aus 12 freihändig mit einem Weitwinkelobjektiv aufgenommenen Einzelfotos zusammengesetzt. [Fotos: M. Weber]
Obwohl eigentlich nur zweidimensional, werden Panoramen, sofern sie 360° vollständig abdecken, ebenfalls dem Komplex der 3D-Präsentationen zugeordnet. Sie eignen sich nicht nur
zur Dokumentation eines großartigen Rundblicks von einem Berggipfel, sondern insbesondere auch zur Veranschaulichung dreidimensionaler Geländeformen. Die 360°-Rundumsicht hat
eigentlich die Form eines Zylinders, also eine dreidimensionale Form. Wird diese abgerollt
und plan wiedergegeben, wirkt das Panorama zunächst etwas ungewohnt, da sich durch den
gekrümmten Horizont zwangsläufig Verzerrrungen ergeben (Abbildung 45). Spezielle Hilfsprogramme (Betrachter, Viewer) erlauben jedoch die abschnittsweise Wiedergabe am Computermonitor unter einer sphärischen Projektion. Durch interaktive Auswahlmöglichkeit des
Ausschnittes und damit quasi der Blickrichtung wird das Gefühl vermittelt, tatsächlich inmitten der Landschaft zu stehen und sie sehr realitätsnah zu erleben. Man erkennt die Formen der
Berge und Täler durch den zusammenhängenden Rundblick in gleicher Weise wie in der Natur. Deshalb wurden auch Beispiele dieser Art der Darstellung dem Material der CD „Glaziologie in 3D“ hinzugefügt.
Zur Herstellung von Panoramen ist anzumerken, das ein horizontal nivellierbares Stativ bei
der Aufnahme auf jeden Fall hilfreich, aber nicht unbedingt erforderlich ist. Die Einzelbilder
müssen jedoch auch freihändig unbedingt von einem einzigen Standort aus aufgenommen
werden. Der Versuch, ein Panorama einfach durch Zusammenkleben von sich überlappenden
Papierabzügen anzufertigen, ist in der Regel zum Scheitern verurteilt. Dies gelingt nur ansatzweise, wenn die Überlappungsbereiche sehr groß gewählt und eine lange Brennweite
verwendet wurde. Das eigentliche Problem stellen gar nicht so sehr die Farbunterschiede im
Bereich der Überlappungszonen dar als vielmehr die durch die optische Abbildung entstehenden perspektivischen Verzerrungen, welche zu den Bildrändern hin zunehmen. Die bei der
Aufnahme von Stereobildern den 3D-Effekt bewirkende Deviation wird hier zum Problem.
Liegen die Bildsegmente in digitaler Form vor, wird die übergangslose Montage durch eine
Reihe von für den PC verfügbaren Programmen beträchtlich erleichtert [19,20]. Gute Panoramageneratoren berücksichtigen Abbildungsverzeichnungen anhand der Aufnahmeparameter
67
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Filmformat, Objektivbrennweite und Orientierung der Aufnahmeachse. Stehen keine Korrekturfunktionen zu Verfügung, ist ein korrektes Zusammenfügen nur bei über 50%iger Überlappung der Bildsegmente und einem kleinen Bildformat möglich.
Teilweise enthalten bereits die preiswerten Bildverarbeitungspakete Hilfsprogramme zur Panoramaerstellung. Im allgemeinen wird auch gleich das passende Programm mitgeliefert, um
die Panoramen quasi in 3D zu betrachten. Zu Nennen wäre da in erster Linie das Tool COOL
360™ von Ulead® Systems, das in dem preiswerten Paket zur Fotoaufbesserung Photo Express™ enthalten ist. Der zugehörige Betrachter (Viewer) kann sowohl als eigenständige Anwendung (UVP.EXE) oder als sogenanntes Browser-Plug-In zur Einbindung der Panoramen
in HTML-Seiten genutzt werden. In diesem Zusammenhang sei jedoch angemerkt, dass der
aktuell gültige Browser Internet Explorer 6 die Einbindung von Plug-Ins von Fremdanbietern
leider nicht mehr unterstützt.
Die Vollversion von Adobe Photoshop® bietet erstaunlicherweise keine Unterstützung zur
Panoramenerstellung, jedoch ist sie unter der Bezeichnung Photomerge im kleinen Bruder
Photoshop® Elements enthalten. Obwohl in diesem Programm die Arbeitsabläufe ähnlich
weitgehend automatisiert ablaufen wie in COOL 360, ist letzteres eindeutig unterlegen. Der
verfügbare Arbeitsspeicher des benutzten PC beschränkt in erheblichem Maße die Auflösung
der Panoramen, Funktionen zur Korrektur der Objektivverzeichnung fehlen völlig und die
Qualität der Überblendung lässt zu wünschen übrig. Mit Photomerge lassen sich allenfalls
solche Bilder einigermaßen zu einem Panorama verbinden, die keinerlei Aufnahmefehler
aufweisen.
Bislang die beste Unterstützung für die Panoramenmontage bietet immer noch das ca. € 80.teure Programm PhotoVista® 2.0 von MGI-Soft. Zwar hat es ebenfalls Mängel (die Einzelbilder müssen auf das Pixel die gleichen Abmessungen haben, Korrekturen bei nicht parallelen
Aufnahmeachsen oder Verkippung des Horizontes sind überhaupt nicht vorgesehen, es unterstützt nur den Import und Export von wenigen Grafikformaten etc.), die Qualität der Überblendung und die Handhabung ist jedoch einmalig. Es können praktisch beliebig große Panoramen erstellt werden. Auch zu dieser Anwendung gehört ein Betrachtungsmodul, das aber
nicht in Abwesenheit des Hauptprogramms oder nur als Browser-Plugin betrieben werden
kann. Wegen der restriktiven PlugIn-Politik von Microsoft bietet MGI aktuell kein PlugIn
mehr an. Für die Erstellung hochwertiger Panoramen ist PhotoVista® aber trotzdem eindeutig
das Programm der Wahl.
Wegen der Verzerrungen in den Randbereichen der Teilbilder bleiben in den Rohergebnissen
von PhotoVista und COOL 360 häufig hässliche Lücken am oberen und unteren Bildrand.
Diese können entweder unter erheblichem Verlust an Bildhöhe abgeschnitten werden oder
besser mit den Werkzeugen Kopierstempel und Reparaturpinsel von Photoshop® ergänzt
werden. Die wenigen Stellen, an denen die Überblendung wegen nicht mehr korrigierbaren
Aufnahmefehlern missglückt ist, sollten ebenfalls retuschiert werden. Aber die Mühe lohnt
sich, denn die Wirkung eines gut retuschierten, hochaufgelösten 360°-Panoramas, wiedergeben in einem guten Betrachter oder auf einem überdimensionalen Posterdruck, ist schon einmalig. Bleibt die Frage, ob diese Wirkung mit einem 3D-Anaglyphenpanorama sogar noch
einmal übertroffen werden kann?
Großformatige 3D-Panoramen sind spätestens seit der Veröffentlichung des „Monster Panoramas“ der Pathfinder-Mission 1997 ein Begriff [18]. Letzteres wurde jedoch mit einer extra
dafür konstruierten Spezialkamera (IMP) mit zwei Bildsensoren aufgenommen, die in wesentlichen Komponenten am Max-Plank-Institut für Aeronomie in Katlenburg-Lindau entwi68
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
ckelt wurde. Die Anforderungen an die korrekte Ausrichtung der Aufnahmeachsen sind bei
einem 3D-Panorama um ein Vielfaches höher als bei einem einfachen Stereophoto. Sowohl
die Horizontausrichtung als auch der Basisabstand müssen zwischen allen Teilaufnahmen
exakt übereinstimmen. Ersteres legt die Verwendung eines Stativs nahe, die zweite Bedingung ist mit einer Monokamera nahezu unerfüllbar. Generell sind zur Aufnahme von Stereopanoramen zwei Vorgehensweisen möglich, die in der nachfolgenden Abbildung 46 verdeutlicht werden.
Abb. 46) Die Aufnahme eines Stereopanorama: Um ein korrektes 360°-Stereopanorama zu erhalten, müssten die Aufnahmen paarweise mit einer fixen Basislänge erfolgen. Die Drehachse sollte den Mittelpunkt der Basis bestimmen. Genutzt
werden können jeweils nur die Bereiche mit vollständiger Überlappung. Aufnahmen dieser Art erfordern eigentlich eine spezielle mechanische Konstruktion. Einfacher ist es, zwei vollständige 360°-Panoramen von zwei Standorten mit der Hilfe
eines Stativs mit identischer Horizontnivellierung aufzunehmen. Der Nachteil besteht jedoch darin, das die Länge der Stereobasis winkelabhängig wird damit in der Verlängerung der Basis überhaupt kein 3D-Effekt mehr auftritt. Die maximale
Tiefenwirkung ergibt sich ist in den Sektoren senkrecht zur Basis. Ein so gewonnenes Stereopanorama besitzt keine formtreue Wiedergabe und eignet sich allenfalls für die 3D-Darstellung von Segmenten unter 180°.
Ein natürliches 360°-Stereopanorama kann nur mit der im Abbildungteil 46a) skizzierten
Aufnahmeanordnung erhalten werden. Die Stereobasis sollte durch eine starre Verbindung
Verbindung aufgespannt werden, durch deren Mittelpunkt die Drehachse des Systems verläuft. Beide Kameras bewegen sich so auf einer festen Kreislinie. Dies widerspricht zwar der
Forderung der Panorama-Generatorprogramme, welche die Drehachse durch den Kameramittelpunkt erwarten. Da jedoch die Basislänge klein gegenüber der Nahpunktsentfernung sein
muss, ist diese Abweichung noch im Toleranzbereich der Programme. Wesentlich Problematischer ist die strikte Einhaltung die horizontalen Orientierung und der geometrischen Anordnung. Da der für das entgültige Stereopanorama nutzbare Überlappungsbereich sogar kleinere
Segmente umfasst als die Teilbilder eines 2D-Panoramas, sind sehr viele Aufnahmen (bei
einer 35-mm-Kleinbildkamera mit einem 50mm-Normalobjektiv sind ca. 36 Einzelaufnahmen
nötig ) zur Abdeckung eines Vollkreises erforderlich. Diese können unmöglich freihändig
ohne Orientierungsfehler fotografiert werden. Man benötigt in der Regel eine relativ aufwändige Hilfskonstruktion, auf der entweder zwei Kameras fest montiert oder eine Kamera auf
einer Schiene verschoben werden kann.
69
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Da das beschriebene Spezialstativ im Handel nicht ohne weiteres erhältlich ist, bleibt die perfekte dreidimensionale Panoramaaufnahme dem feinmechanisch begabten Bastler vorbehalten. Man kann sich zwar auch mit Freihandaufnahmen an dem Problem versuchen, sollte aber
keine allzu hohen Erwartungen an das Resultat pflegen. Im Rahmen der auf dem Vernagtferner 1998 und 2000 durchgeführten HyMEX-Experimente wurde zu Dokumentationszwecken
die Aufnahme von mehreren Bildserien zur Fertigung einer vollständigen 3D-Ansicht des
Messplatzes vorgenommen. Dabei wurde 1998 unter anderem auch die Freihandmethode
versucht. Die Erstellung eines vollständigen 360°-Panorama erlaubte das Gelände auf Grund
der Neigung nicht, jedoch konnten Segmente bis zu 140° abgedeckt werden. Ein Beispiel ist
in der Abbildung 47 unten wiedergegeben. Die Aufnahmen entstanden durch Pendelbewegungen um einen imaginären Drehpunkt. Leider konnten die Basisabstände nicht mit der notwendigen Genauigkeit konstant gehalten werden, so dass in den Überlappungsbereichen der
Teilbilder unschöne Störungen sichtbar werden. Hilfreich wäre gewesen, wenn man zuvor die
Aufnahmepunkte in irgendeiner Weise in Form eines Sterns markiert hätte.
Abb. 47)
Anaglyphenpanorama: Gezeigt werden zwei nach unterschiedliche Vorgehensweisen hergestellte 3DPanoramen, die beide einen Winkelbereich von ca. 140° überdecken. Für das obere Bild wurden entsprechend Abbildung
46b) zwei vollständige Bildserien mit einem Stativ von zwei unterschiedlichen Standpunkten aus aufgenommen. Diese wurden zunächst zu jeweils einem Panoramastreifen zusammengesetzt und dann beide Streifen zu einem Anaglyphenbild
überlagert. Bei dem unteren Bild wurde eine Serie von freihändigen Stereopaaren von einem Standpunkt aus aufgenommen
(Abb. 46a), die zuerst in Anaglyphen-Teilbilder umgesetzt und diese dann anschließend zu einem Gesamtpanorama kombiniert wurden. [Fotos: M. Weber]
Zwei Jahre später wurde ein neuerlicher Versuch unternommen und dabei auch die Methode
im Abbildungsteil 46 b) angewandt. Der wesentliche Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass die Aufnahme eines durchgängigen Panoramas mit oder ohne Stativ ohne Wechsel
des Standortes eher gelingt. Damit kann zumindest gewährleistet werden, dass das gewonnene
Bildmaterial zur Anfertigung zweier 2D-Panoramas geeignet ist, die wiederum als Halbbilder
zur Herstellung eines Anaglyphenpanoramas dienen können. Probleme an den Überlappungsstellen treten dabei nicht auf, so dass das Ergebnis einen wesentlich homogeneren Gesamteindruck bietet (Abbildung 47 oben). Ein weiterer bedeutsamer Vorteil liegt darin, dass man
nicht auf die parallele Ausrichtung der Aufnahmeachsen achten muss, sondern lediglich die
Aufnahmeebenen übereinstimmen müssen, was allerdings keinesfalls trivial ist.
Ein wesentlicher Nachteil ist jedoch die Abhängigkeit der effektiven Basislänge, die durch
den Abstand der Radiale durch die Aufnahmestandorte (Abbildung 46b) bestimmt ist, vom
Sektorwinkel des Panoramas. Sie variiert zwischen ihrem maximalen Betrag in den Abschnitten senkrecht zur Verbindungslinie zwischen den Aufnahmestandorten und Null in der Verlängerung der Standlinie. Damit ist die Methode für eine durchgehende 3D-360°-Ansicht ungeeignet. Allenfalls Segmente mit einem Winkelbereich von deutlich unter 180° können in
dieser Weise abgedeckt werden. Dabei ist die Standlinie senkrecht zur Winkelhalbierenden
des Segments auszurichten und in ihrer Länge den Bedingungen bezüglich des Nahpunktentfernung (Frage 15) anzupassen. Je nach Umfang des Kreisausschnitts wird die Raumwirkung
70
„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
des Stereopanoramas zu den Rändern hin abnehmen. Die Folge ist letztlich eine nicht formtreue Wiedergabe der Szene. Man könnte also ein Stereobild dieser Art als Pseudo-3DPanorama bezeichnen, denn es liefert kein natürliches Abbild der räumlichen Verhältnisse,
sondern ist lediglich ein Panorama mit 3D-Effekt.
Im Bewusstsein dieser Einschränkungen ist das einfache Verfahren sicherlich ein praktikabler
Weg, um ohne besondere Hilfsmittel zu einem dreidimensionalen Panoramafoto zu gelangen.
Dieses hat natürlich nicht die Qualität des oben zitierten professionellen „Monsterpanorama“
der NASA. Die Aufnahme eines „richtigen“ Stereopanoramas dürfte weiterhin den Spezialisten vorbehalten bleiben.
23. Wie erzeugt man Schriften, die scheinbar im
Raum schweben?
Natürlich sprechen gut gemachte Anaglyphenbilder für sich allein. In der Regel aber sollen
sie über den bloßen Aha-Effekt hinaus auch Inhalte und Informationen vermitteln. Dazu können Texteinträge innerhalb des 3D-Bildes sehr hilfreich sein. Diese dürfen aber auf gar keinen Fall den 3D-Effekt behindern. Bereits in normalen 2D-Fotos wirken Beschriftungen häufig als Fremdkörper, da sie einerseits sehr kontrastreich sein müssen, um überhaupt lesbar zu
sein, andererseits nicht beliebig an die Stelle platziert werden können, welche sie eigentlich
beschreiben sollen.
Abb. 48)
Schwebende Schriften I: Soll ein 3D-Bild weitergehende Informationen vermitteln, ist es sinnvoll, auch
Texte zu integrieren. Im Gegensatz zu Beschriftungen in Fotos, die meist schlecht lesbar sind und störend wirken, kann man
in Stereobildern Texte sogar perspektivisch korrekt platzieren. Damit werden sie nicht zum Störfaktor, sondern zur wertvollen
Orientierungshilfe. Die Schriftzüge können entweder gleich bei der Anfertigung der Anaglyphenbilder oder nachträglich in ein
fertiges Bild eingefügt werden. [Fotos: M. Weber]
71
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
In einem Stereobild ist dies etwas völlig anderes. Sofern die eingefügten Kommentare ebenfalls mit einem Tiefeneffekt ausgestattet sind, fügen Sie sich sehr harmonisch in das Gesamtbild ein. Ein Beispiel zeigt die Abbildung 48. Dort werden wichtige Orientierungspunkte so
beschriftet, dass der Schriftzug einem Helikopter gleich an der Stelle schwebt, die er kennzeichnen soll.
Im Raum schwebende Schriften zählen letztlich ebenfalls zu der Gattung „künstliche 3DDarstellungen“, die im Abschnitt zu Frage 21 behandelt wurden. Da es sich hier aber prinzipiell um zweidimensionale Objekte im Sinne eines Banners handelt, sind zu ihrer Darstellung
keine komplexen Drahtgittermodelle erforderlich. Um ein 2D-Objekt in einem Stereobild
räumlich erscheinen zu lassen, genügen einfache geometrische Transformationen.
Abb. 49)
Schwebende Schriften II: Dieses Anaglyphenbild, das als Titel einer Vortragsveranstaltung diente,
demonstriert die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, die sich durch das einfache Transformieren der Schriften bieten. Zu
seiner Gestaltung waren keinerlei digitale Modelle nötig, sondern das Bild wurde vollständig interaktiv allein durch Manipulation der Schriften mit den Standardwerkzeugen von Photoshop® erzeugt. [Kleines Foto: Torsten Naeser]
Generell gilt jedoch für die 3D-Darstellung eines Schriftzuges dasselbe wie für die Wiedergabe eines beliebigen räumlichen Objektes: Er muss jedem Auge getrennt ein Abbild aus unterschiedlicher Perspektive zugeführt werden. Schreibt man konventionell auf ein fertiges Anaglyphenbild, so erscheint die Schrift bei 3D-Betrachtung unabhängig vom restlichen Inhalt
des Bildes in der Papierebene. Trägt man sie jedoch an horizontal unterschiedlichen Positionen in beide Stereohalbbilder ein, erscheint sie im Raumbild je nach Art des Versatzes vor
oder hinter der Papierebene. Beliebige perspektivische Verzerrungen gegeneinander führen zu
weiteren Effekten. Die Abbildung 49 demonstriert eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie
Schriftzüge im Vorder- bzw. Hintergrund platziert werden können, aber auch, wie sie durch
weitere geometrische Verzerrungen sogar beliebig in den Raum orientiert erscheinen. Bei
dieser Abbildung wurden keine komplizierten Berechnungen durchgeführt, sondern lediglich
die Standardfunktionen des Bildbearbeitungsprogramm zur Ausgabe und Veränderung von
Texten verwendet. Die Wirkung wurde dabei interaktiv mittels der Vorschau begutachtet.
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„Glaziologie in 3D“
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Wie erstellt man nun konkret solche dreidimensionalen Schriftzüge? Gleich vorneweg: es
wird unbedingt eines der unter Frage 19 beschriebenen Programme der Adobe™ Photoshop®-Familie benötigt. Man muss jedoch nicht gleich allzu tief in den Geldbeutel greifen,
denn die preiswerte Elements-Version enthält bereits alle notwendigen Funktionen. Allein
Photoshop´s Ebenkonzept, verbunden mit den ausgezeichneten Möglichkeiten zur Ausgabe
von Schriften und der schnellen, interaktiven Vorschau ermöglichen die nachfolgend beschriebene einfache Vorgehensweise. Dem Autor ist gegenwärtig kein anderes Programm
bekannt, welches über ähnlich funktionelle Werkzeuge verfügt.
Doch zunächst gilt es noch auf einige wenige grundsätzliche Dinge hinzuweisen. Der beabsichtigte Schriftzug muss prinzipiell so in jedem Stereohalbbild erscheinen, als sei er Bestandteil der Szene. Man kann ihn sofort während der Montage des Anaglyphenbildes, problemlos
aber auch nachträglich einfügen. Die Vorgehensweise ist in beiden Fällen nahezu identisch.
Damit der Schriftzug im späteren Anaglyphenbild einerseits gut sichtbar wird, andererseits
eine befriedigende optische Trennung für den 3D-Effekt erlaubt, muss er farblich mehrere
Bedingungen gleichzeitig erfüllen, die im wesentlichen von der Hintergrundfarbe abhängen:
Prinzipiell gibt es nur zwei grundsätzliche Optionen zur farblichen Gestaltung der
Schrift, nämlich hell vor dunklem Hintergrund oder dunkel vor hellem Hintergrund.
Die im Zyan-Fenster der Anaglyphenbrille sichtbare Schrift muss so eingefärbt werden, dass sie - durch das Rotfilter betrachtet - möglichst genau in der Farbe des Hintergrundes erscheint. Dasselbe gilt umgekehrt für das Rot-Fenster.
Die Helligkeitskontraste der beiden Schriftzüge - nicht deren Farbton - sollen bei beidäugiger Betrachtung möglichst gleich sein.
Falls der Schriftzug farbig erscheinen soll, wird die Farbe durch das Erscheinungsbild
im Zyan-Filter bestimmt.
Diese Bedingungen schränken die farblichen Gestaltungsmöglichkeiten der Schriften deutlich
ein. Kräftige Farben, wie sie bei der Beschriftung von konventionellen Farbbildern gerne gewählt werden, scheiden bei der Beschriftung von Anaglyphenbildern weitestgehend aus. Rote
Schriftbanner sind überhaupt nicht möglich, für dunkle Schriftfarben wird das Spektrum auf
den Bereich von Schwarz bis Dunkelblau begrenzt. Kann die Variante einer helleren Schrift
gewählt werden, sind je nach Hintergrund etwas mehr Farbtöne zulässig, im wesentlichen
weißliche, blassgelbe, hellblaue und hellgrüne Tönungen. Da die Farbgebung grundsätzlich
dem Hintergrund angepasst werden muss, ist es nahezu unmöglich, einem als Anaglyphenbild
vorbereiteten Schriftzug, beispielsweise ein Logo, durch Überlagerung in ein fertiges Anaglyphenbild zu integrieren. Wie dies doch zu bewerkstelligen ist, wird im nachfolgenden
Abschnitt zu Frage 25 behandelt.
Zur Veranschaulichung der Variationsmöglichkeiten zur Farbgebung bei 3D-Schriften bei
unterschiedlichen Hintergründen dient die Abbildung 50. Deckt man zunächst die drei rechten Spalten der Abbildung ab und betrachtet die äußerst linke durch die Anaglyphenbrille, so
erkennt man, von hinten nach vorne treppenförmig angeordnet, verschiedene Beispiele von
Schriftzügen in unterschiedlichen Farben. Die beiden mittleren Spalten zeigen die Originalfarben der einzelnen Stereokomponenten. Die rechte davon ist nur durch die rote Folie der
Brille zu erkennen, die linke dagegen nur durch die zyanfarbene Folie. Die ganz rechte Spalte
gibt an, welche Füllmethode im Programm Photoshop® bei der Kombination der Komponenten der oberen Ebene zugewiesen werden muss. Vor hellem Hintergrund kommen eigentlich
nur dunkle Farben in Frage, welche im Anaglyphenbild letztlich nahezu schwarz erscheinen.
Nur ein dunkler Hintergrund erlaubt auch hellere, bunte Farben.
73
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Farbkombination von Vorder- und Hintergrund bei Anaglyphenbildern: Auch für 3D-Schriften gilt,
Abb. 50)
dass jeweils eine ausschließlich für das rechte (Zyan) bzw. das linke Auge (rot) sichtbare Version des Schriftzug erkennbar
sein muss. Ein seitlicher Versatz (Deviation) bewirkt, dass die Schrift vor oder hinter der Papierebene erscheint. Mit der
Anaglyphenbrille betrachtet, wird der Effekt in der linken Spalte sichtbar (Sie können dabei den rechten Teil der Abbildung
abdecken!). Die Farbe des Schriftzuges muss derart gewählt werden, dass er vor dem Hintergrund (!) jeweils mit dem einen
Auge gut sichtbar und mit dem anderen gleichzeitig unsichtbar wird (mittlere Spalten). In der letzten Spalte die in Photoshop für die obenliegende Ebene einzustellende Füllmethode angegeben.
Etwas problematisch sind Übergänge. Dort muss jeweils ein Farbton gewählt werden, welcher
durch den komplementären Filter betrachtet dem Hintergrund am nächsten kommt. Gelingt
dies nicht hinreichend, wird die Schrift im Anaglyphenbild durch störende „Geisterbilder“
unscharf erscheinen.
Da die Farbgebung der Schriften letztendlich ebenfalls eine Rot-Zyan-Maskierung darstellt,
muss bei der Erstellung der 3D-Texte wiederum von den Grundfarben Rot und Zyan ausgegangen werden. Die Abbildung 50 verdeutlicht, dass bei dunklen Schriften eine Verschiebung
der roten Komponente nach rechts die scheinbare Verlagerung des Schriftzuges nach hinten
zur Folge hat, denn dunkle Rot-Töne sind nur für das rechte Auge sichtbar. Decken sich die
Komponenten vollständig ab, erscheint die Schrift in der Papierebene. Eine Verschiebung
nach links bringt sie weiter nach vorne. Bei hellen Schriften kehrt sich die Situation um, denn
helle Rot-Töne sind jetzt nur dem linken Auge sichtbar. Folglich lässt jetzt die Verschiebung
der rechten Komponente die Schrift vor die Papierebene treten.
Soviel zur Theorie, kommen wir zur Praxis. Nachdem das zu beschriftende Anaglyphenbild in
Photoshop® geladen wurde, sollte man sich entscheiden, ob an der geplanten Stelle besser
eine dunkle oder helle eine Schrift erscheinen soll. Im Falle der Entscheidung für dunkel auf
hellem Hintergrund wird zunächst der Text mit dem Textwerkzeug an der gewünschten Position in roter Farbe ausgegeben. Größe, Schrifttyp und Stil sind dabei frei wählbar. Durch diese Aktion wird eine zusätzliche Ebene in das Dokument eingefügt. Im nächsten Schritt gilt es,
den Rot-Ton der Schrift mittels dem Farbwähler interaktiv so einzuregeln, dass sie im roten
Filter der Anaglyphenbrille unsichtbar wird. Anschließend wird die Textebene dupliziert und
seitlich leicht verschoben. Als Füllmodus der neuen Ebene wählt man „Abdunkeln“ oder
„Multiplizieren“. Ändert man den Farbton der Kopie des Schriftzuges in Richtung Zyan,
wird der 3D-Effekt sichtbar. Jetzt gilt es noch den Zyan-Ton so einzuregeln, dass die störend
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„Glaziologie in 3D“
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Schatten um die Schrift weitestgehend verschwinden und der Raumeffekt optimal
wird(Abbildung 51). Durch Verschieben der Textebenen gegeneinander kann die Position im
Raum variiert werden. Benötigt man eine helle Schrift auf dunklem Hintergrund, beginnt man
in der gleichen Weise mit einer hellblauen Schrift. Die Kopie sollte dann rötlich eingefärbt
werden.
Abb. 51)
Einfügen eines 3D-Schriftzuges in ein Anaglyphenbild: Dieser Photoshop® 7- Screenshot zeigt die
wichtigste Phase bei der Integration eines Schriftzuges in ein Anaglyphenbild. Nachdem der Schriftzug in einem Rot-Ton an
der gewünschten Stelle des Bildes ausgegeben wurde, wird die Textebene kopiert. Durch Verschieben in horizontaler Richtung erhält der Text die Tiefenwirkung. Anschließend wird die Schriftfarbe mit dem Farbwähler so eingeregelt, das störende
Schatten verschwinden. Vor dem hellen Hintergrund wird als Füllmodus „Abdunkeln“ eingestellt. [Foto: M. Weber]
Weitere Gestaltungsmöglichkeiten bietet die Vielfalt an Funktionen zum Skalieren, Drehen,
Verzerren und Verbiegen der Schriften. Wünscht man beispielsweise den einfachen perspektivischen Effekt einer Vergrößerung der Schrift vom Hintergrund zum Vordergrund, so skaliert man sie einfach entsprechend. Erscheint jedoch die Orientierung des Textes parallel zur
Papierebene zu langweilig oder unpassend, kann man ihm problemlos auch andere Richtungen zuweisen. Wendet man beispielsweise für die blaue Komponente die Funktion „frei Skalieren“ an und streckt diese um einen geringen Betrag gegenüber der roten, dann erstreckt sich
der Schriftzug diagonal durch den Raum (Abbildung 52). Eine Streckung in der Vertikalen
lässt ihn nach vorne oder hinten kippen. Noch interessantere Variationen ergeben sich aus der
Kombination der Anwendung mehrerer Methoden nacheinander, wie Neigen, Drehen und
perspektivisches Verzerren. Dabei müssen dann aber beide Komponenten in geeignetem Maße verändert werden. Dies gilt auch bei der Verwendung der Text-Verbiegen-Funktion (Abbildung 53).
Trotz der vorhandenen Möglichkeiten muss man immer darauf achten, dass man den Effekt
nicht übertreibt. Die entstehenden Deviationen müssen im Rahmen des ursprünglichen Bildes
bleiben, sonst kann dieses nicht mehr störungsfrei betrachtet werden. Ein sehr gutes Stereobild kann durch zu viel an Effekthascherei seine ursprünglichen Wirkung verlieren.
75
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Abb. 52)
3D-Effekte durch einfache Transformation des Schriftzuges: Mit dem Frei-Transformieren- Werkzeug kann der Schriftzug in vielfältiger Weise verändert werden. Streckt man beispielsweise eine Komponente der Schrift in
horizontaler Richtung, erscheint der Text diagonal im Raum.
Abb. 53)
Weitere Effekte durch Verbiegen des Schriftzuges: Die Funktion zum interaktiven Verbiegen der
Texte bietet in Photoshop® weitere kreative Möglichkeiten für räumliche Effekte.
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„Glaziologie in 3D“
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24. Kann man Fotomontagen von Anaglyphenbildern
erstellen?
Im Abschnitt zur Frage 23 wurde bereits erwähnt, dass das direkte Einkopieren von Komponenten eines Anaglyphenbildes in ein anderes nur in seltenen Fällen gelingt. Dabei gibt es
dafür eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten, die vom Hinzufügen eines 3D-Logos über
das Einfügen von mit einem 3D-Programm generierte Schriften bis hin zu raffinierten
Fotomontagen (Abbildung 54) reicht. Die Ursache der Schwierigkeiten beruht im
wesentlichen auf den folgenden zwei Eigenschaften der Anaglyphenbilder:
Das Farbanaglyphenbild eines Objektes enthält gleichzeitig auch ein Abbild des Hintergrundes, denn jedes Pixel ist das Ergebnis des Produktes der beiden maskierten
Teilbilder. Die Hintergrundinformation kann nicht isoliert werden. Passen Farbe und
Muster nicht zu der des neuen Hintergrundes, wirkt er als Fremdkörper.
Ein Anaglyphenbild ist durch die Aufnahmebasis und die Rahmung in seiner Tiefenwirkung festgelegt. Jedes Objekt, das aus einer deutlich abweichenden Perspektive
abgebildet wird, wirkt als Fremdkörper. Die Parallaxe muss in etwa stimmen, damit
sich ein harmonischer Gesamteindruck ergibt.
Abb. 54)
3D-Bild mit direkt einkopierten Anaglyphen-Objekten: Das Beispiel zeigt Möglichkeiten und Grenzen einer direkten Fotomontage von Anaglyphenbildern. Die Hütte links steht in der Realität wesentlich höher auf der Moräne. Sie wurde aus einer anderen 3D-Aufnahme isoliert und links in den Vordergrund eingefügt. Obwohl die Hütte unter einer
gegenüber dem großen Bild abweichenden Perspektive mit deutlicherer Tiefenwirkung und eigentlich viel zu klein zu sehen
ist, fallen die Unterschiede am linken Rand im Vordergrund des großen Bildes kaum auf. Dort erwartet man intuitiv einen
intensiven Tiefeneffekt und die wahren Größenverhältnisse sind in einem 3D-Bild wegen des Liliputeffekts sowieso kaum
abschätzbar. Der schwebend einkopierte 3D-Schriftzug oben rechts dagegen wurde auf weißem Hintergrund erstellt und
fügt sich daher vor dem Himmelsblau nicht übergangslos ein. [Fotos: L. Braun)
Die Problematik wird anhand einer Fotomontage (Abbildung 54) verdeutlicht, die auf den
ersten Blick gar nicht so schlecht gelungen wirkt. Darin wird eine 3D-Szene durch das direkte
Einkopieren von Ausschnitten aus anderen Anaglyphenbildern um eine Berghütte und einen
77
Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
dreidimensionalen Schriftzug erweitert. Die Hütte links unten befindet sich in der Realität an
einem völlig anderen Ort und ist in Wirklichkeit erheblich größer. Dass sich der Ausschnitt
dennoch einigermaßen harmonisch in das Gesamtbild einfügen lässt, liegt an der trickreichen
Anordnung, welche deutliche Unterschiede der Teilaufnahmen hinsichtlich Perspektive und
auch der Intensität der Tiefenwirkung weitestgehend verbergen. Beim Hüttenbild ist die
Blickrichtung von links unten nach rechts oben, im Zielbild nahezu horizontal. Dadurch erscheint die Hütte weit im Vordergrund und würde vor den meisten Bereichen der Szene
scheinbar in der Luft schweben. Dem wurde Rechnung getragen, indem der Ausschnitt mit
der Hütte zunächst stark verkleinert und vom Hintergrund freigestellt wurde. Im linken Teil
des Zielbildes reicht der Vordergrund relativ nahe an den Betrachter heran, so dass dort intuitiv eine stärkere Tiefenwirkung der Objekte erwartet wird und diese nicht weiter stört. Zwar
stimmen die Größenverhältnisse der Objekte nicht überein, aber diese können in einem Anaglyphenbild wegen des im Abschnitt Frage 8 beschriebenen Liliputeffekts sowieso nicht
richtig eingeschätzt werden.
Auch der in das Bild schwebend einkopierte dreidimensionale Buchstabenblock wurde vor
dem Einkopieren von seinem weißen Hintergrund freigestellt. Um das Objekt herum werden
trotzdem störende Schatten sichtbar, da an den durch das Filter der Anaglyphenbrille ausgeblendeten Stellen immer noch der ehemals weiße Hintergrund sichtbar bleibt. Da dieser nicht
vom Objekt isolierbar ist, kann er leider nicht durch den Hintergrund des Zielbildes ersetzt
werden. Bei dem Objekt mit der Hütte sind die Unterschiede in Farbe und Muster zwischen
altem und neuen Hintergrund geringer, so dass die Übergänge nicht unmittelbar als Störung in
Erscheinung treten. In der Praxis treten die beschriebenen Probleme fast immer auf, so dass
das Gelingen einer 3D-Photomontage durch einfaches Einkopieren eher selten ist.
Perfekte 3D-Montagen sind folglich eine höhere Kunst der Stereobildbearbeitung. Damit die
zuvor beschriebenen Schwierigkeiten mit Hintergrund und Parallaxe vermieden werden, müssen die stereoskopischen Teilansichten der Zusatzobjekte zunächst einzeln von ihrem ursprünglichen Hintergrund freigestellt werden und anschließend in Form einer Fotomontage
direkt in die originären Stereohalbbilder eingefügt werden, damit sie sich übergangslos in die
Szene einfügen. Die Einzelbilder der bearbeiteten Stereopaare müssen als Original in den natürlichen Farben verfügbar sein, denn letztere können nachträglich nur noch sehr eingeschränkt aus einem fertigen Anaglyphenbild herausgefiltert werden. Bei dem Bild für das linke Auge ist die Farbinformation überhaupt nicht mehr vorhanden und dem rechten Teilbild
fehlt weitestgehend die Information des roten Kanals. Erst nach erfolgter Montage können
die fertig veränderten Teilbildern wieder zu einem Anaglyphenbild vereint werden.
Eine gelungene Fotomontage ist schon bei gewöhnlichen Fotos nicht trivial, wird aber bei
Stereobildern noch dadurch zusätzlich erschwert, dass die Manipulationen in beiden Teilbildern parallel durchgeführt werden müssen und jede Änderung die 3D-Wirkung des neuen
Objektes und möglicherweise die des Zielbildes beeinflusst. Daher ist eine ständige Kontrolle
der Manipulationen mit einem 3D-Wiedergabeverfahren notwendig. Die Anaglyphenmethode
eignet sich dafür nicht, da jede noch so kleine Änderung die umständliche Überführung des
Bildpaares in ein Rot-Zyan-Bild erfordern würde.
Die einfachste Möglichkeit zur Kontrolle bestünde darin, die beiden Teilbilder nebeneinander
auf dem Monitor darzustellen und ständig mit der Schielblickmethode stereoskopisch zu betrachten. Da der Parallelblick ohne optische Hilfe nicht jedermanns Sache ist und rasch zur
Ermüdung führt, sind hierbei enge Grenzen erreicht. Bequemer ist die vertikal gestaffelte
Darstellung der Bilder in einem Dokument (Abbildung 55), welche die dreidimensionale Betrachtung mit einer einfachen KMQ-Keilbrille aus transparentem Kunststoff erlaubt.
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„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
Abb. 55) Montage von 3D-Objekten in bestehende Stereobilder: Möchte man einem Anaglyphenbild bereits existierende 3D-Objekte hinzufügen, sollte man die Montage in den ursprünglichen Stereohalbbildern durchführen. Die Wirkung der
Montage und der Bearbeitung mit Transformationsfunktionen kann mit einer KMQ-Keilbrille (unten links) überprüft werden.
Da dieses Verfahren die gleichzeitige Darstellung beider Halbbilder auf dem Monitor erfordert, ist die Montage in der Detailauflösung weniger genau als bei der Einrichtung der Anaglyphenbilder. [Fotos: M. Weber]
Abb. 56)
Anaglyphenbild mit einkopierten Objekten: Die Abbildung zeigt das aus den Halbbildern in Abbildung 54 produzierte Anaglyphenbild. Die Objekte fügen sich harmonisch ein. Auch der Schriftzug erscheint in der Originalfarbe. Falls eine KMQ-Brille verfügbar ist, kann anhand von diesem Bild die Qualität der Farbwiedergabe im Anaglyphenbild
mit der des Originalstereopaares (Abbildung 54) verglichen werden.
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Eine Keilbrille ist in der Abbildung 55 unten links dargestellt. Sie ist mit zwei gegensinnig
montierten, keilförmigen Prismen ausgestattet, welche die parallele Blickrichtung des Auges
schräg nach oben bzw. nach unten umzulenken vermögen. Damit können zwei übereinander
angeordnete Bilder mit parallelem Augenstand betrachtet werden. Der Betrachter sieht je
nach Bauart der Brille in der Regel zunächst drei übereinander angeordnete Bilder, von denen
das mittlere den gewünschten Stereoeffekt zeigt. Der Vorteil der Keilbrillenmethode gegenüber den Anaglyphenbildern besteht darin, dass farbige Stereobilder ohne Farbverfälschung
betrachtet werden können. Der hauptsächliche Nachteil ist jedoch, dass es in Abhängigkeit
von Brille und Bildformat nur eine einzige Distanz senkrecht zum Monitor oder Papier gibt,
die eine Bildverschmelzung erlaubt. Außerdem können keine vergrößerten Ausschnitte des
Stereopaares betrachtet werden, da immer beide Halbbilder vollständig auf dem Bildschirm
zu sehen sein müssen. Die verfügbare Bildauflösung und die Genauigkeit beim Positionieren
ist also gegenüber den Anaglyphenbildern deutlich geringer.
Trotz dieser Nachteile gelingt normalerweise die Fotomontage der Stereobilder mit der beschriebenen Methode. Perspektivische Abweichungen können durch individuelle Verzerrung
der Objekte in der bereits in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Weise korrigiert werden bzw. bei flachen Objekten sogar ein Raumeffekt erzeugt werden. Gegenüber der
im vorigen Abschnitt beschriebenen Methode der direkten 3D-Beschriftung der Anaglyphenbilder kann die Farbe der Schrift hier beliebig gewählt werden. Sie wird in dem späteren Anaglyphenbild im Rahmen der Möglichkeiten des Verfahrens in den gewählten Farben erscheinen.
Die Abbildung 56 zeigt das aus den Montagen der beiden Habbilder von Abbildung 55 hergestellte Farbanaglyphenbild. Im Gegensatz zu den Beispielen in Abbildung 54 fügen sich hier
die künstlichen Objekte ohne störende Übergänge in das 3D-Bild ein. Selbst der integrierte
Schriftzug erscheint in der gewünschten blauen Farbe. Der Vergleich der durch die Anaglyphenbrille betrachteten Abbildung 56 mit der Abbildung 55 demonstriert außerdem die
das Maß an Farbtreue, welche überhaupt mit dem Anaglyphenverfahren erreichbar ist. Bei
einem überwiegend durch die Farben Grün und Blau dominierten Bild, wie im vorliegenden
Beispiel, ist die Farbwiedergabe bis auf den Verlust der Rotanteile natürlich.
25. Wo erhält man Folienbrillen?
Natürlich wird die Entwicklung in der 3D-Darstellung am PC fortschreiten, aber wir werden
wohl noch eine zeitlang mit der Rot-Cyan-Brille und den in diesem Leitfadenbeschriebenen
Methoden leben müssen, falls wir reale dreidimensionale Bilder unserer Umwelt erleben wollen. Obwohl Folienbrillen höchst einfach und billig zu produzieren sind, kann man sie nicht
einfach im Laden kaufen. In seltenen Fällen gab es sie bereits als Beilage in renommierten
Zeitschriften wie Stern, Bild der Wissenschaft [21], National Geographic etc., wenn diese
einen mit Anaglyphenbildern illustrierten Beitrag enthielten. Auch in Büchern, die beispielsweise Bilder von der Mars-Mission des Pathfinder (z.B. [18]) enthalten, sind gelegentlich
Rot-Cyan-Brillen oder häufiger Rot-Grün-Brillen beigelegt.
In Deutschland waren bis vor etwa einem Jahr Rot-Cyan-Folienbrillen überhaupt nicht zu
erhalten. Man konnte sich allenfalls je eine magenta- und eine cyanfarbene transparente Folie
beschaffen und daraus etwas ähnliches basteln. Gute Folienbrillen sind jedoch an das Farbspektrum gängiger Computermonitore (RGB) angepasst. Man konnte sie noch am komfortabelsten via Internet aus den USA beziehen, beispielsweise von www.Reel3D.com. Wegen der
hohen Versandkosten ist eine Bestellung allerdings erst ab etwa 50 bis 100 Stück (ca. € 30.-)
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„Glaziologie in 3D“
KFG2000B
rentabel. Auch Anbieter von Shareware und Freeware zur Anaglyphenverfahren bieten gelegentlich Folienbrillen an.
Seit etwa einem Jahr gibt es auch in der Nähe von München einen Anbieter von Folienbrillen
und sonstigem 3D-Zubehör. Es ist die Firma
Phillip Kurzenberger GmbH
Luitpoltstr. 31
82152 Krailling
089-85661689
Man kann die Brillen auch über die Internetseite www.3D-Brillen.de beziehen.
26. Wo gibt es weitere Informationen zum Thema
3D-Bilder? - Literaturliste
Obwohl der vorliegende Leitfaden das Thema Anaglyphenbilder und Stereobilder so erschöpfend behandelt, dass der Leser in der Lage sein müsste, in eigener Regie solche Bilder zu
erstellen, bleiben sicherlich noch weitere Fragen offen. Spezielle Details zur 3D-Fotografie
und der Theorie der stereoskopischen Abbildung, aber auch zu den verwendeten Computerprogrammen finden sich in der folgenden Referenzliste an Beiträgen, Büchern und Zeitschriftenartikel:
Literaturliste
Gerhard P. Herbig
[1] „Die 3 goldenen Regeln der Stereophotografie“
PDF-Dokument, 5 S. - Download unter www.herbig-3d.de
Gerhard P. Herbig
[2] „Die 70 Minuten-Bedingung und ihre Folgen“
PDF-Dokument, 2 S. - Download unter www.herbig-3d.de
Gerhard P. Herbig
[3] „Zur Wahl der richtigen Stereobasis“
PDF-Dokument, 2 S. - Download unter www.herbig-3d.de
Gerhard P. Herbig
[4] „Tiefenwahrnehmung bei der Stereoprojektion“
PDF-Dokument, 9 S. - Download unter www.herbig-3d.de
Gerhard P. Herbig
[5] „Anmerkung zur Stereofotografie mit verkleinerter oder vergrößerter Basis“
PDF-Dokument, 4 S. - Download unter www.herbig-3d.de
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Informationen zur 3D-Visualisierung
M. Weber
Leo H. Bräutigam
[6] „Stereophotografie mit der Kleinbildkamera“,
Wittig Fachbuchverlag, Hückelhoven, 1996, ISBN 3-930359-31-6
Michael Gradias
[7] „Das große Buch Photoshop 5.5“
Data Becker GmbH & Co. KG, Düsseldorf, 1999, ISBN 3-8158-2005-7
R. Gutmann & A. Tönjes
[8] „Adobe Photoshop 5.5 – Das Einsteigerseminar“
bhv-Verlag, Kaarst, 2000, ISBN 3-8287-1038-7
Hennig Wargalla
[9] „Farbkorrektur mit Photoshop und Scan-Programmen“
MITP-Verlag, Bonn, 1999, ISBN 3-8266-0503-9
Rolf Gierling
[10] „Farbmanagement“
MITP-Verlag, Bonn, 2001, ISBN 3-8266-0679-5
Power!
[11] „Scanner und Bildbearbeitung“
SYBEX Verlag, Düsseldorf, 1999, ISBN 3-8155-0282-9
A. Hagke & I. Rauschert
[12] „3D-Illusionsbilder –Programmieren mit Turbo Pascal“
Markt&Technik Buch- und Softwareverlag, München, 1995, ISBN 3-87791-721-6
K Eisenkolb & H. Weickard
[13] „Corel Draw 8“
bhv-Taschenbuch, Kaarst, 1999, ISBN 3-8287-5010-9.
I. Kommer & D. Mersin
[14] „Corel Draw 10 – Das Einsteigerseminar”
bhv-Verlag, Bonn, 2002, ISBN 3-8266-7000-0
K. Kettermann
[15] „Adobe® Photoshop® Elements – Das Einsteigerseminar“
bhv-Taschenbuch, Verlag moderne Industrie Buch AG, Bonn, 2002, ISBN 3-8266-7223-2
Kommission f. Glaziologie
[16] „Klimaerwärmung – Gletscher – Wie verändern sich die Gebirgsabflüsse?“
CD-Rom CD-1999-1, KfG-BadW, München, 1999, ISBN 3-7696-3500-0 (€ 10.-)
Günther Osterloh
[17] „Breite Bilder hoher Berge“
Berge, Nr. 6/2001, S.97
Holger Heuseler, Ralf Jaumann, Gerhard Neukum
[18] „Die Mars Mission“
BLV-Verlagsgesellschaft mbH, München, 1998, ISBN 02019-8
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KFG2000B
Andreas Bleul
[19] „Rundumsicht – Sieben Panorama-Programme für Windows“
c´t 14/2002, S. 96
Andreas Bleul
[20] „Rundum perfekt – Panoramabilder leicht erstellen“
c´t 14/2002, S. 102
Bild der Wissenschaft
[21] Titelthema „Die Welt in 3D“
Bdw 5/1999, 4 Beiträge
Andreas Sauerland, Marcus Rieß
[22] „Die 50 besten Photoshop-Tipps“
PC Pra@is, Heft 08/2002, S. 60
Die Thematik „Anaglyphenbilder“ scheint in der Literatur ansonsten nur spärlich behandelt
zu werden. Aber dieser Eindruck täuscht. Es ist nur überwiegend ein Thema von Spezialzeitschriften, wie beispielsweise das „3D-Magazin“ (Anschrift: R. Bode, Oerter Pütt 28, 45721
Haltern-Flaesheim, Internet: www.stereoscopy.com/3D-magazin ).
Die umfangreichsten Informationen findet man jedoch im World Wide Web. Schon eine kurze
Recherche im Internet lässt erkennen, das vielerorts fieberhaft an dem Problem der 3DVisualisierung gearbeitet wird. Es gibt sogar einen speziellen Zusammenschluss von mehreren 100 Websites zu diesem Thema, einen sogenannten internationalen WEB-Ring. Trifft
man auf eine Seite des Web-Ring, kann man sich per Mausklick zu den weiteren Seiten leiten
lassen. Einen guten Einstieg bieten z.B. die Seiten www.stereoskopie.de oder
www.Stereoscopy.com.
Ja und nicht zuletzt gibt es noch eine Fülle von Material und weitere Links auf der Homepage
der Kommission für Glaziologie der BAdW www.Glaziologie.de. Dort findet man direkt unter www.Glaziologie.de/stereo eine ganze Galerie weiterer Anaglyphenbilder, die ständig
erweitert wird.
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Testbild
Dieses Bild ist ein Testbild, das der Überprüfung der Einstellung und Farbwiedergabe des
Monitors und des Farbdruckers im Zusammenhang mit der verwendeten Rot-Zyan-Brille
dient. Alles ist optimal, wenn das Farbspektrum in der obersten Zeile durch die jeweiligen
Folien der Brille erscheint wie in den Zeilen darunter abgebildet. Das Bild links unten soll
durch die Zyan – (Blau)-Folie völlig weiß erscheinen, durch die rote Folie als Schwarzweißbild. Das mittlere sollte durch die rote Folie weiß erscheinen und als Farbbild durch die ZyanFolie. Das Bild ganz rechts sollte den gewünschten 3D-Effekt zeigen.
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