Insekten-Gallen - Mikroöko- systeme auf Weiden

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Insekten-Gallen - Mikroöko- systeme auf Weiden
Verfasser: Prof. Dr. E. THENIUS, Institut fur
Paläontologie, Geozentrum, AlthanstraBe 14,
A-1090 Wien.
Schriften: CRICK, F. (1990): Bin irres Unternehmen. Die Doppelhelix und das Abenteuer Molekularbiologie. - 1-243; Piper,
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und friihe Evolution des Lebens. Fernstudium Naturwiss. Evolution der Pflanzen- und Tierwelt. -1-189, Dtsch. Inst. Fernstudien
Aus dem Naturmuseum
Exponat des Monats Oktober:
Insekten-Gallen - Mikroökosysteme auf Weiden
Mikroökosysteme sind Kleinstlebensräume,
die durch ein kompliziertes Beziehungsgeftige
verschiedener Arten charakterisiert sind. Solche
Systeme finden wir z. B. in Pilzen, Bliitenköpfen,
Univ. Tubingen. * MAROULIS, L. (1981): Symbiosis in Cell Evolution. - Freeman, San Francisco. * O'BRIEN, S. J. (1986): The ancestry of the giant Panda: Is the Panda a bear? Is it a racoon?
Molecular analysis provides new insight, into this long-standing
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Molekulare und ..adaptive" Evolution. Ergänzungen zu einer
Arbeitshypothese. - Z. Zool. Syst. Evol.-Forsch., 27:94-105.
Hohlräumen von Stengeln und Pflanzengallen.
Letztere werden oft fur krankhafte Deformierungen gehalten. Weniger bekannt 1st, daB es sich
hierbei um das Ergebnis eines ausgewogenen
Wechselspiels zwischen einem Erreger und der befallenen Pflanze handelt. Gallen (auch Cecidien
genannt) bieten den Bewohnern Schutz und Nahrung, ihr Aussehen unterscheidet sich oft deutlich, sogar zwischen nahe verwandten Arten auf
derselben Wirtspflanze. Zu den häufigsten Gallenerzeugern auf Weiden (Salix spp.) gehören Arten
der Familie der Echten Blattwespen (Tenthredinidae: Gattungen Euura, Phyllocolpa und Pontania) bzw. der Gallmticken (Cecidomyiidae: Gattungen Daslneura, Iteomyla und Rabdophaga),
die unterschiedliche und z. T. sehr auffällige
Gallentypen (Abb. 1, 2) an jungen Blättern und
Austrieben ihrer Wirtspflanzen erzeugen.
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1. Galle der Blattwespe Pontania hastata auf Salix
hastata.
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2. ,,Weidenrose", Galle der Gallmiicke Rabdophaga
rosaria auf Salix aurita.
Natur und Museum, 130 (10), Frankfurt a. M., 1.10. 2000
Zur Galleninduktion geben bestimmte Entwicklungsstadien der Erreger ihre gallenbildendén
Wirkstoffe kurz- oder längerfristig an die Pflanze
ab. Gallenbildungen sind nur an wachstumsfähigen Pflanzenteilen möglich. Voraussetzung fiir
ein ungestörtes Gallenwachstum ist die präzise
Plazierung und Dosierung der Wirkstoffe, die in
der Pflanze gezielte, die Wucherung stimulierende
und kontrollierende physiologische Vorgänge
auslösen.
Die Entstehung der Gallen von Blattwespen
unterscheidet sich deutlich von der anderer
Insekten. Die Arten (Gattungen Euura, Phyllocolpa und Pontania) wählen zur Galleninduktion
und Eiablage ein fiir sie spezifisches Organ (Blatt,
Bliitenknospe, SproB) ihrer Wirtspflanze. Der Initialreiz fiir die Gallenwucherung wird immer
durch das eiablegende Weibchen gesetzt. Aus akzessorischen Driisen des Legeapparates werden
die cecidogenen Wirkstoffe zusammen mit dem
Ei in das Pflanzengewebe injiziert. Im Gegensatz
dazu entstehen die Gallen der Gallmiicken durch
Sekretabgabe der Larven. Das Weibchen legt
mehrere Eier auf der Pflanzenoberfläche ab, die
schliipfenden Larven geben die ftir die Gallenbildung notwendigen Wirkstoffe ab.
Die Entwicklung gallenerzeugender Blattwespen und Gallmiicken erfolgt immer innerhalb
der Galle. Die Larven ernähren sich vom gebotenen Nährgewebe der Galleninnenwand. Zur Verpuppung verlassen die Blattwespen-Larven ihre
Gallen und spinnen am Erdboden oft zwischen
der Laubstreu einen festen Kokon. Nur wenige
Arten des SproBgallen- und Knospengallentyps
(Gattung Euura) verpuppen sich gewöhnlich
innerhalb der Galle. Die Gallmucken-Larven verbleiben bis auf wenige Ausnahmen (Vertreter der
Gattungen Dasineura und Iteomyia) zur Verpuppung in den Gallen, die von den meisten Arten in
Knospen und im SproBbereich angelegt werden.
Die Blattwespen sind nach dem Schltipfen im
Friihjahr sofort zur Paarung und Eiablage bereit,
die erwachsenen Gallmiicken benötigen noch
einige Tage zur Reifung.
Die Gallenerzeuger werden im Laufe ihrer
larvalen Entwicklung von einem artenreichen
Feindkomplex attackiert. So konnten in den Gallmiicken-Gallen iiber 50, in den BlattwespenGallen sogar iiber 90 Feindarten nachgewiesen
werden. Solche mehr oder weniger spezialisierten
Parasitoide treten zu verschiedenen Phasen der
Entwicklung ihrer Wirte auf. Zur Uberwindung
der Barriere Gallenwand wenden sie unterschiedNatur und Museum, 130 (10), Frankfurt a. M., 1.10.2000
liche Strategien an, belegen die Wirtslarve mit
einem Ei und töten sie im Verlauf ihrer eigenen
Entwicklung allmählich ab.
Jens-Peter Kopelke & Jens Amendt
Sonderausstellung
Borstenwiirmer - schillernde
Bewohner der Meere
Die Borstenwiirmer, auch Vielborster (Polychaeta) genannt, gehören zusammen mit den
Wenigborstern (Oligochaeta) und den Egeln
(Hirudinea) zum Tierstamm der Ringelwiirrner
(Annelida). Mit ca. 10000 Arten stellen die Borstenwurmer eine der artenreichsten Tiergruppen
dar. Fossile Nachweise sind bereits seit dem Mittleren Kambrium (vor ca. 520-500 Mio. Jahren)
bekannt; sogar einige Funde aus dem Präkambrium (vor mehr als 540 Mio. Jahren) werden als
mögliche ,,Wiirmer" gedeutet. Die Borstenwurmer
sind somit eine der ältesten bekannten Tiergruppen, die sich erfolgreich bis in unsere Tage durchsetzen konnte. Dies ist nicht zuletzt auch die
Erklärung fiir ihren Artenreichtum und ihre
Formenfiille.
Die rezenten Borstenwurmer kommen vorwiegend im Meer vor; nur wenige Vertreter leben
auch im Brackwasser, SiiBwasser oder in feuchten
Böden. Da sie in nahezu alien marinen Lebensräumen in groBer Arten- und Individuenzahl zu
finden sind, bilden sie einen wichtigen Bestandteil
im Nahrungsnetz des Meeres, insbesondere als
Nahrungsgrundlage fiir Fische und Krebstiere.
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht spielen Borstenwiirmer eine Rolle, z. B. als Angelköder, die im
Watt gesammelt oder in Aquakulturen geziichtet
werden.
Leider werden die Borstenwurmer zusammen
mit einer ganzen Reihe wirbelloser Tiere (z. B.
Spinnen, Krebse, usw.) als sogenannte ,,Ekeltiere"
angesehen, die im Ruch stehen, dem Menschen
als Parasiten oder Krankheitsiiberträger gefährlich zu werden und daher bei vielen Betrachtern
geringes Interesse oder gar Abscheu hervorrufen.
Die Ursache hierfiir ist meist die mangelnde Vertrautheit des Menschen mit diesen Lebewesen,
die durch ihre geringe GröBe sowie ihre relative
Seltenheit bzw. die Unzugänglichkeit ihrer Lebensräume (z. B. Meer, Tiefsee) bedingt ist. Die
meisten marinen Vertreter können aufgrund des
hohen Wassergehaltes ihrer Körper nicht einfach
getrocknet werden wie etwa Insekten, sondern
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