Jetzt kommt der Power-CIO - Medizin-EDV
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Jetzt kommt der Power-CIO - Medizin-EDV
TITELSTORY Jetzt kommt der Power-CIO Karrieremaßstab für IT-Manager ist die Produktivitätsverbesserung von Wolf-Dietrich Lorenz IT im Machtkampf mit Medizin-Professoren? Ist der bessere CIO ein Mediziner? Die IT – der Buhmann im Krankenhaus? So ist es immer wieder zu lesen, doch stimmt das? Zu IT-Kritik von Seiten der Ärzteschaft, Optionen für mehr Kooperation und den Mediziner als Chief Information Officer „CIO“ im Krankenhaus nehmen IT-Experten Stellung. Ihr Credo: Man soll sich vor platten Verallgemeinerungen hüten. Franz Jobst ist nicht nur IT-Experte im Gesundheitswesen, sondern auch ein durch seinen Job gereifter Philosoph. „Kritik“ gehört für ihn zum Business. „Wer mit allem zufrieden ist, scheint ‚glücklich‘ zu sein, wird sich aber nicht weiterentwickeln.“ Der IT-Leiter (ZIK) des Universitätsklinikums Ulm weiß aber auch: „Nicht begründende“ 8 Ausgabe 6/2007 Kritiken und nicht dialogbereite Kritiker sind schlecht. Die böseste Kritik für einen Informatiker ist eigentlich: „Sie haben ja keine Ahnung, was wir brauchen.“ Das zeuge von einer Unternehmenskultur der geduldeten Abgrenzung: IT hat die (Informations-) Technik zu machen und sich nicht um die Inhalte zu kümmern. „Da akzeptiert man lieber einen Techniker als CIO als einen Arzt als ‚Chief Process Officer‘, der noch glaubt, dreinreden zu können, wie man arbeiten soll.“ Häufige Kritik und berechtigte Kritik Einige Kritikpunkte scheinen in den Krankenhäusern mehr Berechtigung als andere zu haben. Doch Schwarz-Weiß-Ma- lerei ist unangebracht. Für Udo Poth fehlt es einerseits noch in einzelnen Bereichen an der notwendigen Funktionstiefe. „Andererseits wird schon über zuviel IT geklagt“, meint der Leiter des Rechenzentrums im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Dies liege allerdings oftmals aus Sicht der Ärzte an der nicht intuitiven Gestaltung des Userinterface. „Gerade den letzten Missstand versuchen wir am MRI durch eine ‚echte‘ Oberflächenintegration der unterschiedlichen Systeme mit Hilfe der serviceorientierten Architektur zu beseitigen.“ Hier knüpft Christoph Seidel mit häufigen Kritikpunkten an: Verbesserungswürdige IT-Unterstützung der klinischen Abläufe, Performanceprobleme, mangelnde Ergonomie und ineffiziente Arbeitsun- terstützung von DV-Programmen sowie unzureichende Verfügbarkeit des Supportes wie Hotline und Vorortservice. „Grundsätzlich sind Kritikpunkte in irgendeiner Form immer berechtigt und ernst zu nehmen“, betont der Geschäftsbereichsleiter IT und Organisation des Städtischen Klinikums Braunschweig und promovierte Humanbiologe. „Insbesondere geben sie einer offensiven IT-Strategie die Chance, positive Veränderungen gerade mit denjenigen, die diese Kritik äußern, im IT-Bereich einzuleiten und nachhaltig voranzutreiben.“ IT-Leiter begreifen sich zunehmend als Service-Anbieter für eine unternehmensweite Architektur und Infrastruktur. Für Fachabteilungen heißt das, Business-Prozesse und eine entsprechende technologische Umsetzung selbst erarbeiten zu müssen. Zwar ist es noch nicht so weit, dass der IT-Chef nur noch als Mittler zwischen internem Bedarf und IT auftritt. Doch lässt sich der Trend beobachten, nachdem die IT die Umsetzung von Prozessen den Fachabteilungen selbst zuweist. Dann ist der Prozess Sache der Fachbereiche, die Architektur liegt nach wie vor bei der IT-Management-Abteilung, die dann mit im Boot ist. Ein in fast allen Krankenhäusern geäußerter Kritikpunkt ist, dass die DV zu teuer wäre. Helmut Schlegel meint dazu: „Ärzte sehen aus ihrer originären Aufgabenstellung heraus natürlich zuerst die Wünsche in der medizintechnischen Unterstützung von Diagnostik und Therapie. Da aus Knappheit an Finanzmitteln viele sinnvolle Bedarfe nicht befriedigt werden, schielt man auf die Ausgaben der DV, deren direkten Nutzen man als Mediziner nicht immer sofort sieht.“ Der IT-Leiter der Klinikgruppe Klinikum Nürnberg weiter: „Sobald man aber selber eine DV-Lösung benötigt, verschieben sich diese Bewertungsgrenzen.“ Es gibt noch viel Kritik an der in DV gebundenen Mehrarbeit für den Kliniker. „Nicht aber die DV zwingt zur Kodierung der DRGs und zur Erfassung der Daten der Qualitätssicherung, sondern die DV bietet hier nur unterstützende Werkzeuge an“, gibt Helmut Schlegel zu bedenken. Berechtigt sei seiner Meinung nach die Kritik dann, wenn Daten mehrfach erfasst werden müssen (Systembrüche, fehlende Integrationen usw.) und wenn dies interimsweise (also doppelt) noch auf einem anderen Medium (Papier) erfolgen muss, weil in kaum einem Krankenhaus eine flächendeckende (WLAN) DV-Nutzung schon möglich ist. Ein permanenter Diskussionspunkt ist weiterhin der Spagat zwischen klinikweiten zentralen DV-Lösungen und den Wünschen der Mediziner nach „best-of-breed“-Lösungen. „Der Mediziner sieht für sich den Vorteil in der optimalen Prozessunterstützung. Die Probleme und Kosten, die durch die zu schaffende Interoperabilität entstehen, ignoriert man“, kritisiert der IT-Leiter der Klinikgruppe Klinikum Nürnberg. An diesen Stellen prallen dann die Interessen der das Gesamtunternehmen vertretenden DV mit denen des „tayloristisch“ denkenden Mediziners systemimmanent aufeinander. Bei den geäußerten Kritikpunkten geht es aber meist nicht um generelle Machtansprüche, sondern – ganz profan – um die Einflussnahme, die benötigt wird, um die eigenen Interessen der Klinik gegenüber anderen durchsetzen zu können.“ IT mit Medizin/Pflege/ Verwaltung zusammenschweißen Udo Poth ist selbstbewusst. „IT-Systeme können in hohem Maße dazu beitragen, die informationsintensiven Prozesse im Krankenhaus effizienter zu gestalten.“ Dies sei nicht schlussendlich durch den Kauf eines Produktes getan, sondern bedürfe eines aufwändigen personalintensiven Prozesses der Einführung. Sein Credo lautet: „Hierfür ist das fachspezifische Personal, ausgestattet mit den notwendigen Prozesskenntnissen und einer entsprechenden Entscheidungskompetenz, nach Möglichkeit in der Design-, Implementierungs- und Einführungsphase freizustellen.“ Helmut Schlegel nennt fünf Punkte, deren Umsetzung mehr Kooperation und Verständnis erzeugen könnten. „Bevor diese Punkte aber überhaupt in der Gänze relevant sein können, muss die Unternehmensstrategie den planenden und handelnden Führungskräften bekannt sein“, schränkt der IT-Leiter der Klinikgruppe Klinikum Nürnberg ein. Punkt 1: Die Kommunikation einer DV-Strategie, deren konsequente Umsetzung unter konstanter Unterstützung der Klinikleitung und eine zwangsweise damit verbunden evolutionäre Fortentwicklung dieser Strategie. Punkt 2: Transparente und objektiv nachvollziehbare Entscheidungen für oder gegen DV-Projekte und deren Kommunikation. Punkt 3: Festlegung von klinikinternen (DV-)Standards und deren konsequente Einhaltung. Die permanente Anpassung dieser Standards als Resultat der Einflüsse des Marktes und der Technologieentwicklungen. Punkt 4: Die Entscheidung zu einem gemeinsamen übergreifenden Projektportfolio für Investitionen (Bau, Technik, DV) und die Umsetzung nach Prioritäten für das Haus. Punkt 5: Entscheidungsgremien (z. B. IT-Board), die interdisziplinär mit kompetenten und hochkarätigen Vertretern besetzt sind und deren Vorschläge an die Klinikleitung keine weitere Nachbearbeitung mehr bedürfen. Machtkämpfe hinter den Kulissen Ein gemeinsam von den Bereichen IT/ Medizin/Pflege/Verwaltung erarbeitetes ITRahmenkonzept, das von den Entscheidungsträgern des Klinikums verabschiedet, getragen und kommuniziert wird, könnte nach Ansicht von Christoph Seidel zu mehr Kooperation verhelfen. Dieses ITR a h m e n ko n z e p t sollte insbesondere beinhalten: die aus den formulierten Zielen der Betriebsleitung und Geschäftsführung abgeleiteten IT-Ziele, eine Bestandsaufnahme der IT mit Helmut Schlegel, Klider IT-Organisatinikgruppe Klinikum on sowie den aktuNürnberg: „Bei den ellen und künftigen geäußerten KriIT-Projekten. „Ent- tikpunkten geht es scheidend für die meist nicht um geNachhaltigkeit die- nerelle Machtanser Veränderung in sprüche, sondern – Hinblick auf die IT ganz profan – um ist, dass dieses Rah- die Einflussnahme, die benötigt wird, menkonzept auch um die eigenen Inin der Praxis mit teressen der Klinik regelmäßig tagen- gegenüber andeden Ausschüssen ren durchsetzen zu gelebt und fortge- können.“ schrieben wird.“ 9 Ausgabe 6/2007 TITELSTORY Passgenau fügt sich hier lange Erfahrung von IT-Leitern wie Franz Jobst an. Ein guter Informatiker ist nach seiner Einschätzung immer der Berater des Anwenders. IT präge die Arbeitsabläufe und letztere kennt der Anwender schließlich am besten. „Mit der optimalen Ausgestaltung von Standard-Software und gezielten individuellen Ergänzungen lassen sich Wettbewerbsvorteile in der Krankenversorgung erzielen“, unterstreicht ITLeiter Jobst des Ulmer Universitätsklinikums. „Informatiker sind dafür ausgebildet, den Werkzeugkasten IT so zu organisieren, dass der Anwender seine Bedürfnisse darin erfüllt findet.“ Dabei ist es bei den divergierenden Interessen in großen Klinika, insbesondere Universitätsklinika, die Krankenversorgung und die Forschung unter einen Hut bringen, dringend nötig, sich nicht allein an den Wünschen einer einzelnen Abteilung oder Berufsgruppen auszurichten. „In der IT-Fachpresse“, zitiert Jobst, war kürzlich zu lesen: „Die Business-Verantwortlichen interessieren sich offenbar eher für die Effektivität als für die Effizienz des IT-Managements. Dass die IT ihre Anforderungen richtig umsetzt, ist ihnen also wichtiger als die Produktivität, die sie dabei erzielt.“ Deshalb sei es (auch im Krankenhaus) wichtig, welche Stellung die Informatik in der Gesamtorganisation hat. „Wer die IT ‚be- herrscht‘, kann sie zum Wohle des Gesamtbetriebes einsetzen“, postuliert der Ulmer IT-Leiter. „Deshalb gibt es auch (meist hinter den Kulissen und unter vorgeschobener Argumentation) Machtkämpfe um das ‚Beherrschen‘ der IT.“ Maßgebliche IT-Entscheidungen: oben, unten, in der Mitte? Diese Scharmützel treten besonders bei maßgeblichen IT-Entscheidungen und der Frage, wer denn nun entscheide, hervor. Für IT-Leiter Helmut Schlegel liegt der Fall klar: „Die IT-Strategie muss von der ITAbteilung, vom ‚CIO‘, erstellt und in einem permanenten, mindesten jährlichen Update-Prozess an die Entwicklungen des Marktes, der Technologie und die Unternehmensplanung (business alignment) angepasst werden. Die Leitung des Hauses oder ein von ihr bestelltes Organ (IT-Board) sollte diese dann absegnen. Der IT-Leiter der Klinikgruppe Klinikum Nürnberg weiter: „Operative Entscheidungen müssen, um Flexibilität und Agilität zu gewähren, alleinig in der Zuständigkeit der IT liegen.“ Zu schnell könnten sonst kleine Schenkungen oder „wir machen mal schnell selber“ zu Kostengräbern erster Ordnung ausufern (vor allem durch Bindung personeller Ressourcen über permanente Bastelei). Um schließlich aus den vielen gewünsch- Ärzte auch als CIO: Die drei Ärzte des Mammazentrums Hamburg haben gemeinsam mit dem Kaufmann Dr. Harald Berninghaus das Krankenhaus Jerusalem gekauft. In der Investitionssumme von zehn Millionen Euro ist auch die moderne High-Tech-Diagnostik enthalten. Team des Krankenhaus Jerusalem (v.l.) Dr. Timm Schlotfeldt, Dr. Harald Berninghaus, PD Dr. Kay Friedrichs und Professor Eckhard Goepel. ten bzw. beantragten DV-Projekten jene herauszufiltern, die für das Haus die „richtigen“ sind, eignet sich nach Schlegels Erfahrung ein interdisziplinär besetztes Gremium mit hochkarätigen Kollegen aus den Unternehmensbereichen (IT-Board, DVAusschuss) am besten. „Aufgabenstellung ist es, über transparente und nachvollziehbare Methoden das Projektportfolio des Hauses – unter Beachtung der finanzierbaren Machbarkeiten – festzulegen.“ Auf ein ausgleichendes Vorgehen setzt Christoph Seidel. „Als gemeinsam getragene Entscheidung von einem ITStrategieausschuss und einem IT-Projektausschuss.“ Idealerweise sollte der IT-Projektausschuss aus maßgeblichen Vertretern des ärztlichen Dienstes, der Pflege und Administration mit dem CIO als Vorsitzenden zusammengesetzt sein. Der IT-Projektausschuss sollte, so der Geschäftsbereichsleiter IT und Organisation CIO Städtisches Klinikum Braunschweig, einen eigenen Entscheidungsrahmen haben und größere, richtungweisende Entscheidungen für den IT-Strategieausschuss vorbereiten. Dieser sollte unter dem Vorsitz des Geschäftsführers aus den Mitgliedern der Betriebsleitung (ärztlicher Direktor, Pflege- und Verwaltungsdirektor) und dem CIO bestehen. Einen taktisch klugen Einstieg ganz oben wählt Profi Udo Poth. „IT-Entscheidungen, die maßgeblich die Gesamtziele eines Krankenhauses tangieren, sollen und müssen durch die Geschäftsführung bzw. den Vorstand befürwortet werden. Ohne einen Mentor lässt sich kein System mit strategischer Ausrichtung einführen.“ Neben der qualitativen Verbesserung der Prozesse durch das neue System würden natürlich die quantitativen Betrachtungen in Form der Investitionsrechnungen mit der zugehörigen Risikobetrachtung eine herausragende Rolle spielen. Vorsicht vor platten Verallgemeinerungen „Die wichtigen IT-Entscheidungen sind eben die, geeignete Technologien für die Produktivität im Klinikum bereitzustellen“, weiß Franz Jobst. „Für fachspezifische Arbeitsabläufe darf man dabei die Zeit für den Dialog zwischen dem Fachmann für die betriebliche Funktion und dem Fach- 10 Ausgabe 6/2007 TITELSTORY mann für die Integration mit bestehenden (und geplanten) „Technologien“ nicht zu knapp einplanen, selbst wenn das Ziel nicht die Anforderungsspezifikation für eine Individualprogrammierung ist.“ Der Dialog zur Entscheidungsvorbereitung sollte auch bei der Auswahl von existierender Software (oder von Outsourcing-Partnern) gründlich und an der Arbeitsprozessgestaltung im Gesamthaus orientiert sein. Die Entscheidung selber müsse jeweils in gerader Linie von der Unternehmensleitung abgeleitet werden können, d.h. dass die grundsätzlichen Vorgaben vom Vorstand direkt kommen müssten, die Einzelentscheidungen würden aber natürlich delegiert. Der IT Leiter aus dem Ulmer Universitätsklinikum macht sich kaum mehr Illusionen. „Während in Wirtschaftsbetrieben die Informatik eine starke Rolle spielt, liegt hierbei in Krankenhäusern häufig einiges im Argen. Noch nicht einmal in Großklinika, die fast alle aus dem ‚öffentlichen Dienst‘ kommen, ist die Bereitschaft zu finden, in qualifizierte Informatiker zu investieren.“ Bezahlung nach dem „gehobenen Dienst“ gemäß den einschlägigen Ausführungsbestimmungen der Behörden sei meist das oberste Diktat; und die Tat- Franz Jobst, Universitätsklinikum Ulm: „Informatiker sind dafür ausgebildet, den Werkzeugkasten IT so zu organisieren, dass der Anwender seine Bedürfnisse darin erfüllt findet.“ 12 Ausgabe 6/2007 sache, dass der Wirtschaftsbetrieb nebenan mit seiner Flexibilität stark differenziert und für gute Informatiker auch deutlich über den Branchentarif gehe, führe dazu, dass nicht gerade die „crème de la crème“ der Informatiker im Gesundheitswesen arbeite. „Aber Geld ist nicht alles“, betont der IT-Leiter abgeklärt, „und deshalb haben die MedizininformatikLehrstühle mit der Möglichkeit, Personal bis zur Habilitation zu qualifizieren, zum Teil sehr gute Leute.“ Genau diese Lehrstühle könnten Kaderschmieden für einen neuen Typus des CIO sein. Dessen Markenzeichen ist interdisziplinäre Kompetenz als Arzt und Informatiker. Ist der bessere CIO im Krankenhaus ein Mediziner? „Wenn der Mediziner sich die Voraussetzungen erarbeitet, die ein klassischer CIO im Klinikum hat, dann könnte dieser wegen der Nähe zu den Kernprozessen theoretisch ein besserer CIO sein“, geht Helmut Schlegel der Frage nach. Nicht jeder Mediziner durchlief nach Meinung des ITLeiters indes eine fundierte Informatikausbildung mit Netzwerktechnik, SWEntwicklungsmethoden etc., vielen mangele es an betriebswirtschaftlichem und vertragsrechtlichem Grundlagenwissen. Fast immer fehlten Erfahrungen aus der privaten Wirtschaft. Die seien vor allem dann vorteilhaft, wenn der CIO auf der anderen Seite des Tisches, der Anbieterseite, gesessen hätte. Diese Erfahrung führe in Vertragsverhandlungen zu manch ungeahntem Vorteil für das Haus. „Man kann aber auf jeden Fall attestieren, dass sich eine Wandlung in der CIOLandschaft vollzieht“, beobachtet Schlegel. „Vor 25 Jahren waren die IT-Leiter in Kliniken meist „Eigengewächse“ aus der Krankenhausverwaltung, um 1990 wurden die Stellen meist mit Informatikern besetzt, die aus der privaten Wirtschaft kamen, als momentanen Trend kann man feststellen, dass zunehmend Ärzte mit Informatikausbildung erfolgreich Fuß fassen.“ Man solle sich doch einmal die adäquate Fragestellung vornehmen: „Ist der bessere Vorstand im Krankenhaus ein Arzt?“ Schlegel ahnt: „Wir sollten uns hüten, platten Verallgemeinerungen nachzugehen. Letztlich beeinflusst eine Vielzahl von Ausprägungen an Persönlichkeitsmerkmalen sowie Umgebungsvaria- blen, ob ein CIO ein guter CIO ist oder in dem Umfeld überhaupt sein kann.“ Theorie und Praxis beim Krankenhaus-CIO Unabhängig von seiner Grundausbildung sollte ein CIO die Managementwerkzeuge für die unterschiedlichen ITAufgabenbereiche, gepaart mit fundierten betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, beherrschen. Diese Erfahrung gibt Udo Poth weiter. „Dabei tun sich natürlich die Personen mit einer soliden Informatikkarriere und den daraus gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen leichter als eine Person mit einer Fremdausbildung.“ Auch in den unterschiedlichen Branchen der Industrie weisen die meisten CIO eine Informatik- oder betriebswirtschaftliche Ausbildung auf. Christoph Seidel beschreibt die Aufgaben eines CIOs als „hochgradig interdisziplinär“. Neben einer soliden Ausbildung im IT-Bereich seien vertiefte Kenntnisse der klinischen Abläufe und der administrativen Prozesse mit einem Sinn für die ökonomischen Herausforderungen eines Krankenhausbetriebes erforderlich. So könne, meint der Geschäftsbereichsleiter IT und Organisation CIO Städtisches Klinikum Braunschweig, diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden. Eine Idealvoraussetzung wäre sicherlich ein technisch-/naturwissenschaftliches Studium im Bereich der Medizinischen Informatik, Informatik oder Mathematik mit einem Doppelt- bzw. Ergänzungsstudium im Bereich der Ökonomie im Gesundheitswesen oder Medizin. „Ausschlaggebend ist jedoch dann eine umfangreiche praktische Erfahrung in genau diesen Bereichen, so dass sich die erforderlichen Kenntnisse auch in der praktischen Erfahrung erwerben und ständig erweitern lassen.“ Franz Jobst verdeutlicht das Phänomen des neuen CIO, indem er es hinterfragt. An wen soll nun „der Vorstand“ die Aufgabe des Managements des Entscheidungsprozesses delegieren? An einen „CIO“ beim kaufmännischen Vorstand? Beim ärztlichen Vorstand? Seinem Stellvertreter? Beim Forschungsdirektor (= Dekan der medizinischen Fakultät)? Bei der leitenden Pflegekraft? Oder eben, wie es recht geschickt von der Medizininformatiker-Fachgesellschaft gefordert wird, an einen CIO TITELSTORY nischen Vorstandes? Wie viele sind denn unter den erfolgreichsten Unternehmenschefs habilitiert? Wird hier nicht Praxis und Wissenschaft vermischt?“ Klinikleitung für das „Gesamtunternehmen“ in der Pflicht Dr. Christoph Seidel, Städtisches Klinikum Braunschweig: „Ausschlaggebend ist eine umfangreiche praktische Erfahrung in genau diesen Bereichen, so dass sich die erforderlichen Kenntnisse auch in der praktischen Erfahrung erwerben und ständig erweitern lassen.“ Udo Poth, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München: „Dabei tun sich natürlich die Personen mit einer soliden Informatikkarriere und den daraus gewonnenen Erkenntnissen und Erfahren leichter als Personen mit Fremdausbildung.“ direkt im Vorstand? In diesem Zusammenhang werde ein habilitierter Medizininformatiker, der nicht selten eine Ausbildung als Arzt und Informatiker habe, häufig als „ebenbürtiger Professor“ im Vorstand als beste Lösung empfunden. „Aber“, bringt Jobst es auf den Punkt, „wie viele habilitierte Betriebswirte gibt es denn in der Position eines kaufmän- Mit ihren Entscheidungen ist die Klinikleitung nicht allein für die Gesamtziele eines Krankenhauses, sondern zugleich für ein „Gesamtunternehmen Krankenhaus“ verantwortlich. Dazu geben IT-Leiter ihre praxisbezogenen Impulse. Udo Poth, IT-Experte im Klinikum rechts der Isar der TU München, antwortet aus Sicht der IT. „Unabhängig von meinem Klinikum sollten sich die Krankenhäuser der strategischen Bedeutung und Ausrichtung der IT bewusst werden, und das hört nicht bei der „Abrechnung“ auf.“ Durch die optimale IT-Unterstützung der primären Prozesse – der medizinischen Prozesse - unter dem Gesichtspunkt der Kosten-und-Nutzen-Betrachtung könne die IT einen adäquaten Beitrag zum „Gesamtunternehmen Krankenhaus“ liefern. „Hierfür ist unter anderem eine verbesserte Personalausstattung mit einer marktgerechten Bezahlung notwendig.“ Diesen Aspekt vertieft auch Christoph Seidel. Das Management solle den Rahmen für ein effektives und zielgerichtetes Zusammenarbeiten der einzelnen Bereiche schaffen, um aktuelle und künftige Herausforderungen zu lösen. Dafür ist ein Gespühr erforderlich, welche Effizienz die IT zu leisten in der Lage ist. Der Geschäftsbereichsleiter IT und Organisation CIO Städtisches Klinikum Braunschweig: „Dies erfordert natürlich auch Investitionen im IT-Bereich und eine Positionierung der IT im Kernbereich des Unternehmens.“ Ein „Key Performance Index“ bei den komplexen Strukturen – gerade von Universitätskliniken wie in Ulm – legt fest, inwieweit die Entscheidungsfindung sich auf die sachlichen Inhalte konzentrieren kann. „Wenn das Leitbild von kooperationswilligen Partnern in diesem Prozess gelebt wird, können natürlich am ehesten die konstruktiven Beiträge aller Beteiligten zu einem optimalen Ergebnis genutzt werden“, steuert Franz Jobst seine Ulmer Erfahrungen bei. „Fast immer helfen aber als Ergänzung nur ganz eindeutige Hierarchien, die Kompromissen in Kommissionen überlegen sind“, so der IT-Leiter aus Ulm weiter. „Und dann ist es eigentlich egal, ob der „Informations-Manager“ im Vorstand sitzt oder Mediziner oder Informatiker ist: Wenn sein Hauptziel nicht Machtgewinn und seine Hauptaufgabe nicht Positionsverteidigung ist, sondern die Klinikleitung ihm den Rücken für den Prozess der Produktivitätsverbesserung frei hält, sind die besten Voraussetzungen gegeben.“ Städtisches Klinikum Braunschweig Blueberry vor Klinik: Kommunikationstechnologie im Alltag z.B. Fernüberwachung in der Krankenpflege/ Quelle: Netzlink Informationstechnik GmbH 14 Ausgabe 6/2007