Trends im Straßengüterverkehr: Sozialvorschriften

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Trends im Straßengüterverkehr: Sozialvorschriften
Trends im Straßengüterverkehr: Sozialvorschriften - Probleme und Lösungsvorschläge
Zwischenstand der
Studie (April 2013)
Hochschule Furtwangen University
Prof. Dr. Ing. Jochen Baier
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung ............................................................................................................................................... 1
2
Aktueller Stand im Straßengüterverkehr ................................................................................................ 3
3
Probleme mit den Sozialvorschriften ...................................................................................................... 5
3.1
Allgemeine Probleme......................................................................................................................... 5
3.2
Lenk- und Ruhezeiten........................................................................................................................ 6
3.3
Nichtanwendung der Vorschriften / Kontrollen................................................................................... 7
3.4
Probleme im Markt Straßengüterverkehr ........................................................................................... 8
4
5
Lösungsvorschläge .............................................................................................................................. 11
4.1
Flexiblere Pausenregelungen .......................................................................................................... 11
4.2
Tägliche Ruhezeit ............................................................................................................................ 11
4.3
Wochenendruhezeiten ..................................................................................................................... 12
4.4
Bestehende Regelungen flexibel anpassen..................................................................................... 13
4.5
Unternehmen / Disponenten zur Verantwortung ziehen / Kontrollen verschärfen ........................... 14
4.6
Sonderregelungen für Heimfahrt ..................................................................................................... 14
4.7
Vorschläge zum Thema europäischer Wettbewerb ......................................................................... 15
Fazit und Ausblick ................................................................................................................................ 16
Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................ 18
V
Vorwort
Die vorliegende Studie wurde am Lehrstuhl Logistik und Supply Chain Management der Hochschule Furtwangen
University (HFU) von Prof. Dr. Ing. Jochen Baier erstellt. Das Lehr- und Forschungsangebot dieses Schwerpunktes bezieht sich auf die Logistikprozesse im Regelkreis aus Fahrer, Fahrzeug und Umwelt.
Im Rahmen der Studie wurden im Eurotransportradio ET-Radio.de drei mehrstündige Sendungen zum Thema
„Nachbesserung der Lenk- und Ruhezeiten“ ausgestrahlt. Die Hörer wurden dazu aufgerufen ihre Meinungen und
Vorschläge per E-Mail an den Radiosender und an den Lehrstuhl Logistik und Supply Chain Management der
Hochschule Furtwangen University zu schicken oder auch direkt per Telefon live während den jeweiligen Radiosendungen ein entsprechendes Feedback zu den Sozialvorschriften abzugeben und Ideen zu diskutieren. Die
Basis dieser Studie stellt die Auswertung der 133 Rückmeldungen dar, die seitens der Berufskraftfahrer abgegeben wurden.
An dieser Stelle gilt den Berufskraftfahrern ein ganz besonderer Dank für die Verfassung und Abgabe der Rückmeldungen und der damit verbundenen Unterstützung dieser Studie. Dank auch dem Eurotransportradio für die
Zusammenarbeit und die Aufnahme der 3 Sendungen zum Thema Sozialvorschriften ins Programm, wodurch
eine Vielzahl von Kraftfahrern direkt erreicht werden konnte.
Furtwangen, Februar 2013
VI
Zusammenfassung
Die am 11.04.2007 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 561/2006, welche Regelungen für die Lenk-, Ruheund Fahrtunterbrechungszeiten sowie Vorschriften zu Haftung von Verkehrsunternehmen und Überwachung /
Sanktionen enthält, wurde mit dem Ziel eingeführt, die Arbeitsbedingungen der Berufskraftfahrer sowie die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern und die Wettbewerbsbedingungen zwischen Binnenverkehrsträgern zu
harmonisieren. Dies sollte durch klare und einfache Vorschriften gewährleistet werden, „die sowohl vom Straßenverkehrsgewerbe als auch den Vollzugsbehörden leichter zu verstehen, auszulegen und anzuwenden sind“. (vgl.
Verordnung (EG) Nr. 561/2006)
Der vorliegenden Studie lässt sich entnehmen, dass die geplanten Ziele nur teilweise erreicht wurden und die
eingeführten Vorschriften im Alltag der Berufskraftfahrer zu Problemen unterschiedlichster Art führen. So sind die
starren Lenk- und Ruhezeiten beispielsweise Ursache dafür, dass viele Fahrer am Wochenende ihr Zuhause
nicht erreichen, da sie die erlaubte Lenkzeit bereits aufgebraucht haben und dann (eventuell nur kurz) vor der
Heimat eine erneute Ruhepause einlegen müssen. Weiter werden die Vorschriften von den Fahrern alles andere
als einfach und leicht verständlich empfunden – oft wissen nicht einmal die Arbeitgeber und Disponenten ausreichend über die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 Bescheid. Die Rückmeldungen zeigen, dass das Wohl der Fahrer
bei den Sozialvorschriften oft zu kurz kommt und sich vor allem die Lenk- und Pausenzeitenregelungen als zu
starr und unflexibel erweisen. Die Fahrer wünschen sich hier mehr Spielraum. Neben Problemen im Markt „Straßengüterverkehr“ wie ungleichen Wettbewerbsbedingungen in Europa, niedrigen Löhnen oder der Tatsache,
dass die Fahrer oft selbst Be- und Entladen, müssen wurde auch Kritik daran geübt, dass für Verstöße gegen die
gesetzlichen Vorschriften, die ihm Rahmen von Kontrollen festgestellt werden, oft nur die Fahrer mit Punkten und
Bußgeldern bestraft werden. Die derzeitigen Regelungen zu Lenk- und Ruhezeiten bringen die Berufskraftfahrer
und Berufskraftfahrerinnen oftmals in die Situation, dass der eigene Biorhythmus nicht ausgeglichen ist. Ruhepausen sind nicht abhängig von den menschlichen Bedürfnissen, sondern von den zahlreichen Prozessen, welche auf diese Berufsgruppe einwirken. Als Beispiel sei hier die in der Branche bekannte Rampenproblematik
genannt.
VII
Gleichzeitig sind seitens der Fahrer zahlreiche Lösungsvorschläge zu den genannten Problemen eingegangen,
die ebenfalls in die Studie mit aufgenommen wurden. Diese reichen von dem Wunsch, die Wochenendruhezeit
auf 60 Stunden zu verlängern bis hin zu Ausnahmeregelungen für die Heimfahrt. Ebenfalls wurde gefordert, eine
Verkürzung der Wochenendruhezeit abzuschaffen, die täglichen Ruhezeiten auf 11 Stunden festzuschreiben und
die Arbeitgeber bzw. Disponenten bei Strafen stärker zu integrieren. Vielen Rückmeldungen war zu entnehmen,
dass auch eine starre Aufteilung des 24-Stunden Zeitraums in 12 Stunden Arbeitszeit und 12 Stunden Ruhezeit
große Zustimmung finden würde. Andere Ideen waren u.a. ein EU-weit einheitliches Arbeitszeitgesetz oder ein
Be- und Entladeverbot für die Fahrer.
1 Einleitung
Vorschriften für die zeitliche Regelung von Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer im Güter- und Personenverkehr gibt es
nicht erst seit in Kraft treten der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 am 11.04.2007. Bereits in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts wurden durch den starken Wachstum des Personen- und Güterverkehrs Gesetze erforderlich, um die
Fahrer vor Überlastungen durch zu lange Lenkzeiten zu schützen. Zwischen 1959 und 1962 wurde das AETR geschaffen, (frz. Accord Européen sur les Transports Routiers, deutsch: „Europäisches Übereinkommen über die Arbeit
des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals“), welches in der Bundesrepublik Deutschland in
seiner ursprünglichen Fassung am 05.01.1976 in Kraft trat und bis heute gilt.1 Das AETR wurde seit seiner Einführung immer wieder verbessert und weiterentwickelt, so dass heute alle EG-Staaten sowie Albanien, Andorra, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Kasachstan, Kroatien, Liechtenstein, Mazedonien, Moldawien,
Montenegro, Norwegen, Russische Föderation, San Marino, Schweiz, Serbien, Türkei, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan und Weißrussland zu den Mitgliedern des Abkommens zählen.
Als Basis der Verordnung Nr. 561/2006 gilt die schon 1969 eingeführte Verordnung (EWG) Nr. 543/69 des Rates
vom 25.03.1969 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr. 2
Es gibt also bereits seit über 40 Jahren Gesetze zur Regelung der Lenk- und Ruhezeiten, die durch weitere nationale
Vorschriften, wie dem Fahrpersonalgesetz, der Fahrpersonalverordnung oder dem Arbeitszeitgesetz ergänzt werden.
1
vgl. http://beck-online.beck.de/default.aspx?bcid=Y-100-G-AETR
2
vgl. http://eur-law.eu/DE/Verordnung-EWG-Nr-543-69-Rates-25-Marz,14367,d und vgl. Sozialvorschriften im Straßenverkehr,
Industrie- und Handelskammer Stuttgart, Götz Bopp, 3. Auflage, Juni 2010, S. 6
2
Beabsichtigt war durch die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 einfachere und klarere Vorschriften einzuführen, um eine
wirksamere und einheitliche Durchsetzung mit Hilfe des digitalen Tachographen zu ermöglichen. Ebenfalls wollte
man eine Wettbewerbsharmonisierung im Straßenverkehrsgewerbe sowie bessere Arbeitsbedingungen für die Fahrer und die Sicherheit auf den Straßen erreichen.
Dass diese Ziele bis heute nur bedingt erreicht wurden und es an vielen Stellen Verbesserungsbedarf und Änderungswünsche seitens der Fahrer gibt, zeigen die im Rahmen dieser Studie ausgewerteten Rückmeldungen der
Berufskraftfahrer.
Aktueller Stand im Straßengüterverkehr
2 Aktueller Stand im Straßengüterverkehr
Güterverkehr und Logistik stellen ein Kernstück einer funktionierenden Ökonomie dar. Unternehmer in Handel und
Gewerbe sind von zuverlässigen Transporten abhängig. Eine große Anzahl der Beschäftigten im Industriesektor ist
direkt oder indirekt von einem funktionstüchtigen Logistiksystem abhängig. Bürger bestellen verschiedene Artikel im
Internet und erwarten kurze Zeit später bereits die Lieferung. Wird nicht binnen kürzester Zeit geliefert, wird der Verkäufer mit einer negativen Bewertung „bestraft“.
Durch die beständige Alterung der Gesellschaft entstehen neue Mobilitätsbedürfnisse, somit können im Logistiksektor neue Märkte erschlossen und eine besondere Verkehrswirtschaft entwickelt werden. Unternehmen profitieren
selbstverständlich von dem steigenden Bedarf an Transportleistungen. Dienstleister im Bereich Logistik und Güterverkehr werden nicht von gesellschaftlichen Veränderungen und dem demografischen Wandel verschont: Durch den
wachsenden Bedarf an Transporten steigt auch die Nachfrage nach qualifiziertem Personal. Bereits heute hat der
Sektor der Güterverkehrslogistik große Schwierigkeiten, gut ausgebildete Fachkräfte zu rekrutieren. Diese Problematik wird sich in den folgenden Jahrzehnten weiter verschärfen. Eine bedeutende Rolle nimmt zudem der technische
Fortschritt ein. Fortschreitende Innovationen und wachsender Wettbewerb lassen die Qualifikationsanforderungen an
die Fahrer der modernen Fahrzeuge ansteigen.
Wie hat ein modernes Güterkraftsystem in der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union auszusehen? Im Idealfall werden Güter kostengünstig, schnell, umweltfreundlich und leise transportiert: Dies ist keine leicht
zu lösende Aufgabe. Die Frage, die es hierbei ebenfalls zu berücksichtigen gilt: Was bedeutet dies für die Berufskraftfahrer selbst? Jede politische Entscheidung oder wirtschaftlicher Anspruch in diesem Gewerbe bedeutet eine
Veränderung für den Fahrer selbst, sei es das umweltfreundliche Fahren oder ein Überholverbot für LKWs. Entscheidungen werden dabei oft über die Köpfe der Fahrer hinweg gefällt, obwohl diese unmittelbar davon betroffen
sind.
3
3 Probleme mit den Sozialvorschriften
Bezüglich der im Jahre 2006 eingeführten Verordnung (EG) Nr. 561/2006 und der darin enthaltenen Vorschriften zu
den Lenk- und Ruhezeiten, Fahrtunterbrechungen, Haftung von Verkehrsunternehmen und Überwachung / Sanktionen ergeben sich im Alltag der Berufskraftfahrer eine Vielzahl von Problemen, die in den nachfolgenden Abschnitten
behandelt werden.
3.1 Allgemeine Probleme
Vielen Fahrern sind die vorliegenden Sozialvorschriften insgesamt zu starr und zu unflexibel, was zugleich als wesentliches Hauptproblem angesehen wird. Ein Ziel der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 war, die Vorschriften über die
Lenkzeiten klarer und einfacher zu gestalten, was nicht gelungen zu sein scheint. In etlichen der ausgewerteten
Rückmeldungen kam deutlich zum Ausdruck, dass die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 nur schwer zu
verstehen und zudem viel zu komplex sind. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass Fahrer, Unternehmen und Disponenten nur unzureichend über die Sozialvorschriften Bescheid wissen, was wiederum dazu führt, dass die geltenden Vorschriften in der Praxis oft nicht eingehalten oder umgesetzt werden (können). Teilweise gilt es bei den Fahrer
und Fahrerinnen sogar als widersprüchlich empfundene Regelungen in der Verordnung: Beispielsweise bei einer
Verkürzung der täglichen Ruhezeit von 11 auf 9 Stunden ist keine Ausgleichspflicht vorgesehen, wohingegen eine
Verkürzung der wöchentlichen Ruhezeit ausgeglichen werden muss.
Viele Fahrer fühlen sich durch die geltenden Vorschriften im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ungleich behandelt. So wird z.B. nicht beanstandet, dass Geschäftsleute im Pkw oft für deren geschäftliche Termine mehrere hundert Kilometer zurücklegen und sich an keine Lenkzeit halten müssen, wohingegen der Berufskraftfahrer bei der
kleinsten Lenkzeitüberschreitung bestraft wird. Auch anderen Berufsgruppen wie z.B. Notärzten ist es erlaubt 24Stunden-Schichten zu haben.
6
3.2 Lenk- und Ruhezeiten
In der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des europäischen Parlaments und des Rats vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr befinden sich die Vorschriften für Lenk- und Ruhezeiten
sowie für Fahrtunterbrechungen in Kapitel II, Artikel 6-9. Demnach müssen die Fahrer beispielsweise alle viereinhalb
Stunden eine 45 minütige Pause einlegen und dürfen maximal neun Stunden am Tag am Lenkrad sitzen. Zwei Mal
pro Woche dürfen hier auch zehn Stunden als Lenkzeit eingetragen sein. Ebenso müssen am Tag mindestens elf
Stunden Ruhezeit eingehalten werden, wobei diese bis zu dreimal pro Woche auf neun Stunden ohne Ausgleichspflicht gekürzt werden darf.
In über 23% aller eingegangenen Rückmeldungen wurde geäußert, dass diese Regelungen bezüglich der Lenk- und
Ruhezeiten sowie der Pausenzeiten zu unflexibel und zu starr seien, da der Straßenverkehr nicht einfach nach Fahrplan mit minutengenauen Abrechnungen organisiert werden kann. Staus, Reparaturen, ungünstige Wetterbedingungen oder Krankheit des Fahrers sind nicht planbar, weshalb diese unflexiblen und starren Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 den Fahrern und Fahrerinnen den Berufsalltag oft massiv erschweren.
Die Ruhezeiten von 11 Stunden bzw. 9 h werden als zu kurz angesehen und sind Grund für häufige Übermüdung.
Auch die Wochenendruhezeit erscheint vielen zu kurz, wobei vor allem die Abfahrt am Sonntagabend um 22 Uhr als
kritisch gewertet wird, da man dort nicht ausgeschlafen ist.
Die Aufteilung der 45 Minutenpause in eine Pause von exakt 15 Minuten und dann eine weitere Pause von 30 Minuten ist ebenfalls sehr unflexibel. Gewünscht wird sich hier mehr Spielraum für den Fahrer, der entscheiden möchte
ob z.B. die Pause 20 Minuten und dann weitere 25 Minuten oder 3 mal 15 Minuten betragen soll.
Andere geschilderte Fälle lassen erkennen, dass in bestimmten Bereichen die starren Lenkzeiten und Lenkzeitunterbrechungen nur sehr schwer einzuhalten sind. So soll im Folgenden einige der genannten Beispiele konkret beschrieben werden:

Auf Baustellen kann der Arbeitsbetrieb (üblicherweise 7:00 – 12:00 Uhr und 13:00 – 17:00 Uhr) nicht ruhen,
nur weil der Fahrer wegen einiger Minuten eine Lenkzeitpause von 45 Minuten einlegen muss. Geringe
Lenkzeitüberschreitungen von wenigen Minuten sind oft nicht zu vermeiden.

Auch Fahrer die im Ausland unterwegs sind, beispielsweise zuerst mit der Fähre von Deutschland nach
Finnland oder Norwegen und dann dort weiter auf der Straße berichten, dass die Einhaltung der Lenk- und
Probleme mit den Sozialvorschriften
Ruhezeiten nur schwer möglich ist, da in skandinavischen Ländern witterungsbedingt nicht jeder Parkplatz
angefahren werden kann.

Die Abfertigung beim Zoll oder an einer Rampe nimmt oft eine nicht planbare Zeit in Anspruch. Dies hat
eine direkte Konsequenz auf die Weiterfahrt und die damit verbundene Lenk- und Ruhezeit.
Auch bei der wöchentlichen Lenkzeit von maximal 56 Stunden kommt es zu Schwierigkeiten, da diese wöchentliche
Lenkzeit oft nicht gleich der wöchentlichen Arbeitszeit entspricht. Über 50% der Fahrerarbeiten mehr als 50 h in der
Woche, ca. ein Drittel arbeitet sogar mehr als 60 h. 3 Den Rückmeldungen ist zu entnehmen, dass viele Fahrer mit
diesen langen Arbeitszeiten nicht zufrieden sind und die Lenk- und Ruhezeiten sich nur schwer bzw. gar nicht mit
dem geltenden Arbeitszeitgesetz vereinbaren lassen. So kommt es häufig zu „15 h Schichten“, obwohl laut Arbeitszeitgesetz eine tägliche Stundenzahl von 10 nicht überschritten werden darf – eine Übermüdung seitens der Fahrer
ist vorprogrammiert.
In den gesamten Rückmeldungen wird am zweithäufigsten das Problem angesprochen, dass die Fahrer am Ende
der Woche nicht mehr genügend Lenkzeit zur Verfügung haben, um ihren Heimatort und damit ihre Familie zu erreichen. Oft muss aufgrund der gesetzlichen Vorgaben, mehr oder weniger unmittelbar vor der Heimat angehalten und
nochmals eine Ruhepause eingelegt werden. Im schlimmsten Fall hat der Fahrer vielleicht sogar das ganze Wochenende auf einem Parkplatz zu verbringen. Dies führt zu einer hohen Frustration der Fahrer, die das Wochenende
dann nicht mit Ihren Familien und Kindern verbringen können.
3.3 Nichtanwendung der Vorschriften / Kontrollen
Ob der Fahrer die Lenk- und Ruhezeiten gemäß der geltenden Verordnung einhält, wird mit Hilfe des digitalen Tachographen auf Knopfdruck festgestellt. Die Daten über die geleisteten Lenk- und Ruhezeiten werden in diesem
Gerät gespeichert und müssen für die vorangegangenen 28 Kalendertage mitgeführt werden. Wenn der Fahrer
gegen die Vorschriften verstößt und dies im Rahmen einer entsprechenden Kontrolle entdeckt wird, dann kann nicht
nur er sondern auch sein Arbeitgeber mit einem Bußgeld bestraft werden.
3
vgl. Studie Prof. Dr. Ing. Jochen Baier, Trends im Straßengüterverkehr, März 2012, S. 8
7
8
Die Berufskraftfahrer sind auch in diesem Bereich tagtäglich mit weiteren Problemen konfrontiert. In etlichen Rückmeldungen kam zum Ausdruck, dass die Bußgelder letztendlich vom Fahrer selbst bezahlt werden müssen und nicht
von Disponenten oder dem Arbeitgeber übernommen werden. Kommt es zur Vergabe von Punkten in Flensburg
werden auch diese alleine dem Fahrer zu Lasten gelegt. Oft ist es zudem so, dass die Fahrer Verstöße nur schwierig
vermeiden können, da seitens der Unternehmen und Disponenten eine viel zu straffe Tourenplanung vorgenommen
wird und die Fahrer deshalb großem Druck ausgesetzt sind. In einer weiteren von Prof. Dr. Ing. Baier durchgeführten
Studie ergab eine Umfrage, dass 17% der Fahrer nur selten die Lenk- und Ruhezeiten einhalten können, 11% schaffen dies gelegentlich und nur 19% sind dazu immer in der Lage.4
Vielfach wurde bemängelt, dass die Unternehmen seitens der Gewerbeaufsichtsämter zu wenig kontrolliert würden
und die Geldstrafen zu gering seien, um bei den Arbeitgebern die gewünschte Wirkung zu zeigen. Auch die Willkür
der kontrollierenden Ordnungsbeamten sorgt bei den Fahrern für Unmut, da bei Verstößen die Strafe scheinbar von
der Laune des Kontrolleurs abhängen kann. Vergibt der eine lediglich eine Ermahnung erhält man bei einem anderen für den gleichen Verstoß ein Bußgeld.
Problematisch werden auch die unterschiedlichen Regelungen bezüglich des Strafmaßes innerhalb der EU gesehen:
Verstöße die in einem Land begangen wurden werden bei einer Kontrolle in einem anderen Land sofort sanktioniert,
mit dem Problem, dass die Bußgeldsätze innerhalb der EU nicht einheitlich sind. Diese Tatsache wird von vielen
Fahrern und Fahrerrinnen als sehr unfair angesehen.
3.4 Probleme im Markt Straßengüterverkehr
Der Konkurrenzkampf findet aufgrund des ähnlichen Leistungsangebots hauptsächlich im Preissegment statt. Alle
Unternehmer verfolgen aus diesem Grund das Ziel der größtmöglichen Kostenminimierung. Durch die Europäisierung hat sich der Druck vor allem seitens der Ost-Erweiterung verschärft. Die Berufskraftfahrer und Berufskraftfahrerinnen sind in ihrer Branche der entsprechend sehr hohen Wettbewerbsintensität und einem spürbaren Kostendruck ausgesetzt. Effizienzsteigerungen gehen oft zu Lasten der Lastkraftwagenführer. Diese Entwicklung erfordert
einen ambitionierteren Einsatz und viel Flexibilität, Fahrer haben häufiger wechselnde Routen und längere Arbeitszeiten.
4
vgl. Studie Prof. Dr. Ing. Jochen Baier, Trends im Straßengüterverkehr, März 2012, S. 7
Probleme mit den Sozialvorschriften
Auch das Problem der ungleichen Wettbewerbsbedingungen in Europa wurde in einigen Rückmeldungen angesprochen, wobei die sehr niedrigen Löhne der Berufskraftfahrer ein großer Kritikpunkt sind. 29% der Berufskraftfahrer
verdienen weniger als 1500 EUR pro Monat, 37% gaben an zwischen 1500 und 2000 EUR zu erhalten.5
In etlichen Rückmeldungen wurde auch beanstandet, dass immer öfters die Fahrer das Be- und Entladen durchzuführen haben. Hintergrund könnte eventuell eine kontinuierliche Personaleinsparung des Auftraggebers sein. Zahlreiche Fahrer berichten, dass sie zum Teil mehrere Stunden pro Tag damit beschäftigt sind den Lkw zu beladen bzw.
zu entladen.
Die Vergabe von Zeitfenster für die Ladetermine scheint oft nicht effizient organisiert zu sein. So muss beispielsweise bereits bei der Beladung ein Zeitfenster für eine Rückladung gebucht werden, obwohl das Fahrzeug eventuell
noch nicht einmal fertig für die Hinfahrt beladen wurde. In der praktischen Anwendung dieses Schedulings dürfen
keine Umstände wie zum Beispiel Stau, Nebel oder Umleitungen eintreten, da sonst das vergebene Zeitfenster nicht
eingehalten werden kann. Eine dynamische Anpassung der Zeitfenster an die jeweilige Situation ist nicht implementiert.
Auch angesprochen wurde die schlechte Parkplatzsituation für Lkw. Bemängelt wurde, dass es nicht nur zu wenig
Parkplätze gibt, sondern auch, dass die vorhandenen Parkplätze sich nur in den wenigsten Fällen für die Nacht eignen, da die Kabinen mit der Front zur Fahrbahn stehen müssen oder keine Einteilung in Fahrzeugkategorien (z.B.
Fahrzeuge mit Kühlaggregat) stattfindet. Auch die Tatsache, dass zahlreiche Fahrer bei Fahrzeugen ohne Standklimaanlage den Motor kontinuierlich laufen lassen ist nicht nur aus Umweltgesichtspunkten kritisch zu bewerten.
5
vgl. Studie Prof. Dr. Ing. Jochen Baier, Trends im Straßengüterverkehr, März 2012, S. 17
9
4 Lösungsvorschläge
Im Rahmen der Studie wurden die Berufskraftfahrer nicht nur aufgefordert sich über Probleme hinsichtlich der Sozialvorschriften zu äußern, sondern zugleich auch gebeten, Lösungs- und Verbesserungsvorschläge zu nennen. In
den nachfolgenden Abschnitten wird beschrieben, wie denkbare Änderungen und Verbesserungen aussehen könnten.
4.1 Flexiblere Pausenregelungen
Nach 4,5 Stunden Lenkzeit muss eine Lenkzeitunterbrechung von mindestens 45 Minuten eingelegt werden, welche
in 2 Abschnitte aufteilbar ist (1. Abschnitt mindestens 15 Minuten, 2. Abschnitt mindestens 30 Minuten). Hinsichtlich
dieser Regelung wird sich seitens der Fahrer mehr Flexibilität gewünscht.
Vorgeschlagen wurde, die Aufteilung der 45 Minuten in das Ermessen des Fahrers zu legen. Somit kann dieser
selbst entscheiden, ob er beispielsweise zuerst 20 Minuten Pause macht, gefolgt von weiteren 25 Minuten oder ob er
3 mal 15 Minuten Lenkzeitunterbrechung einlegen möchte. Es wurde auch der Wunsch geäußert, die Pausenzeit von
mindestens 45 Minuten auf mindestens 60 Minuten zu verlängern, um mehr Zeit für die persönliche Erholung zu
bekommen.
4.2 Tägliche Ruhezeit
Die tägliche regelmäßige Ruhezeit beträgt mindestens 11 Stunden innerhalb von 24 Stunden wobei eine dreimalige
wöchentliche Verkürzung auf mindestens 9 Stunden ohne Ausgleichspflicht möglich ist. Wie in dem jüngst veröffent-
12
lichen Stressreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin bekannt gegeben wurde, ist es in der
Arbeitswissenschaft allgemein, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten, psychischer Belastung und gesundheitlichen Beschwerden gibt. 6 In diesem Kontext darf das hohe Alter der Berufskraftfahrer nicht vernachlässigt werden: Derzeit beträgt das Durchschnittsalter der Fahrer in Deutschland 44 Jahre, Tendenz
steigend. Mit zunehmendem Alter steigt gleichzeitig das Bedürfnis an längeren Ruhephasen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass den Rückmeldungen zu entnehmen war, dass die Ruhezeitenverkürzung seitens der Fahrer nicht
als wünschenswert angesehen wird.
Als Verbesserung des Regelwerks wurde beispielsweise eine Verlängerung der Ruhezeiten um jeweils eine Stunde
auf 12 Stunden und 10 Stunden Vorgeschlagen oder alternativ die Ruhezeiten auf 11 Stunden festzuschreiben, ohne
die Möglichkeit der Verkürzung. Ebenfalls wurde der Vorschlag gemacht, die Ruhezeiten lediglich 2 Mal pro Woche
oder sogar nur ein Mal pro Woche verkürzen zu dürfen. Im Falle der Möglichkeit einer Ruhezeitenverkürzung sollte
diese zumindest zu einem späteren Zeitpunkt wieder nachgeholt werden müssen.
Seitens der Mehrzahl von Fahrern und Fahrerinnen kam jedoch der Vorschlag, eine feste Aufteilung der täglichen
Arbeitszeiten einzuführen, d.h. ohne Verkürzungsmöglichkeiten oder Ausnahmen. Dies hätte den Vorteil, dass die
Regelungen leicht verständlich und einfach zu kontrollieren wären. Gefordert wurde mehrfach eine 12/12-Aufteilung,
d.h. 12 Stunden Arbeit mit flexiblen Pausen, sowie darauffolgend 12 Stunden Ruhezeit. Auch 13 Stunden Arbeit und
11 Stunden Ruhezeit oder 10 Stunden Arbeitszeit mit 14 Stunden Ruhezeit wurden vorgeschlagen, wenn gleich
allerdings von nur wenigen Fahrern.
Die derzeitigen Vorschriften erschweren zum einen die Kontrolle der eigenen Lenk- und Ruhezeit für die Fahrer, zum
anderen hat die aktuelle Regelung einen negativen Einfluss auf den Biorhythmus des Berufskraftfahrers bzw. der
Berufskraftfahrerin. Insofern könnte eine allgemeine und einheitliche Verlängerung der täglichen Ruhezeit auf 12
Stunden eine sinnvolle Lösung darstellen.7
4.3 Wochenendruhezeiten
Die wöchentliche Ruhezeit beträgt regelmäßig 45 Stunden, wobei unter bestimmten Voraussetzungen eine Verkürzung auf 24 Stunden möglich ist. D.h. durch eine gleichwertige Ruhepause kann die verkürzte Ruhepause ausgegli-
6
Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: http://www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/Gd68.pdf
Die regelmäßige tägliche Ruhezeit kann auch heute bereits 12 Stunden betragen, sie muss dann in zwei Teilen genommen werden, wobei der erste Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 3 Stunden und der zweite Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 9 Stunden umfassen muss;
7
chen werden, die ohne Unterbrechung vor dem Ende der 3. Folgewoche erfolgt sein muss. Seitens der Fahrer wurde
mehrfach der Wunsch geäußert, die Wochenendruhezeit zu verlängern. Als Verlängerungszeit wurden beispielsweise 48 Stunden oder aber auch 60 Stunden genannt. Die Wochenend-Ruhezeitenverkürzung sollte ganz abgeschafft
werden. Vorschläge wie eine Anwendung der Arbeitszeiten in Industrie und Verwaltung, d.h. keine Ruhezeit zu definieren, sondern eine Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche für Lkw-Fahrer wurde ebenfalls mehrfach gewünscht.
Um eine Verträglichkeit von Familie und Beruf im Straßengüterverkehr zu ermöglichen, sind die genannten Vorschläge zum Teil als diskussionswürdig zu sehen8. Eine Verlängerung der wöchentlichen Ruhezeit würde positive
Effekte bei der Motivation der Berufskraftfahrer nach sich ziehen.
Hinsichtlich der Abfahrtszeit ab Sonntag 22.00 Uhr wurde der Vorschlag gemacht, diese auf frühestens Montagmorgen um 05.00 Uhr zu verlegen. Auch dies zeigt einen unumstrittenen Vorteil für die Familie und Beruf, der Fahrer
bzw. die Fahrerin kann mehr Zeit mit der Familie verbringen und montags ausgeschlafen mit der Arbeit beginnen.
Unter Berücksichtigung der Bedienzeiten an den Rampen würde dieser Vorschlag sogar die gesamten Logistikprozesse besser planbar machen. In einigen Rückmeldungen wurde sogar die Forderung laut ein Wochenendfahrverbot
einzuführen und es zur Pflicht zu machen, dass die Fahrer ihre Ruhepause am Wochenende zu Hause verbringen.
Dieser Vorschlag ist jedoch mit vielen Prozessen, insbesondere im Handel und bei den Packetdiensten, nicht umsetzbar.
Eine weitere Idee war, ein monatliches Stundenkontingent für den Fahrer (von z.B. 180 h) festzulegen, welches
nicht überschritten werden darf.
4.4 Bestehende Regelungen flexibel anpassen
Entgegen den im vorangegangenen Abschnitt gemachten Vorschlägen die Lenk- und Ruhezeiten in fixe Abschnitte
einzuteilen, wurde in einer Vielzahl an Rückmeldungen der Wunsch geäußert, die derzeit geltenden Regeln mit mehr
Flexibilität zu gestalten und somit an die Bedürfnisse der Fahrer anzupassen. Ziel hierbei ist die Schaffung eines
größeren Toleranzbereichs. Möglich wäre beispielsweise die Lenkzeiten in flexiblere Blöcke aufzuteilen, so dass ein
erster Block mit 3 Stunden ein zweiter mit 5 Stunden, 2 mal 5 Stunden oder eventuell auch 3 mal 3 Stunden gefahren werden dürfte.
8
Siehe auch die parallele Studie „Familie und Beruf im Straßengüterverkehr“
14
Eine weitere Ideen war die Vorschriften aus den in Kapitel 3.2 geschilderten Problemen hinsichtlich der Lenk- und
Ruhezeiten im internationalen Transportverkehr an diese unterschiedlichen Arbeitsbedingungen (Nahverkehr, Fernverkehr, internationaler Fernverkehr) anzupassen.
4.5 Unternehmen / Disponenten zur Verantwortung ziehen / Kontrollen verschärfen
Im Falle von Kontrollen und der damit verbundenen Strafen, sei es in Form von Bußgeldern oder Punkten, werden
diese oft alleine vom Fahrer getragen. Hier sind sich die Fahrer einig, dass sowohl die Disponenten als auch die
Arbeitgeber stärker in die Pflicht genommen und bei den Strafen mit herangezogen werden müssen9, so dass der
Fahrer straffrei bleibt. Ebenfalls halten viele Fahrer stärkere Kontrollen durch das Amt für Arbeitsschutz in den Betrieben hinsichtlich der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes für unabdingbar. Eine Anhebung der Geldstrafen könnte
dazu beitragen, dass sich Arbeitgeber noch besser bemühen sich an das Arbeitszeitgesetz halten.
Besonders die Verhängung von Strafen für Lenkzeitüberschreitungen die im Minutenbereich liegen wurden kritisiert.
Hier wird mehr Toleranz gewünscht und gefordert, dass es keine Minutenbestrafungen mehr gibt. Außerdem sollten
die Kontrollen lediglich von Fachpolizisten bzw. speziell geschulten Polizisten bzw. dem BAG durchgeführt werden.
Der Rückmeldung eines Fahrers konnte der Wunsch entnommen werden, dass der Fahrer bei einer Selbstanzeige
straffrei bleibt, da die Fahrer oft nur aufgrund des hohen Drucks von Arbeitgebern und Disponenten Verstöße begehen.
Aufgrund der Komplexität der Verordnung (EG) Nr. 561/2006des Rates vom 15. März 2006 wäre es sinnvoll, Pflichtlehrgänge für Arbeitgeber und Disponenten einführen, da diese oft weniger Bescheid wissen als die Fahrer selbst.
4.6 Sonderregelungen für Heimfahrt
In Kapitel 3.2 wurde auf das Problem der Heimfahrt eingegangen. Viele Fahrer müssen kurz vor Erreichen des Zuhauses aufgrund fehlender Lenkzeiten nochmals eine Ruhepause einlegen und können deshalb nicht rechtzeitig
bzw. überhaupt nicht bei ihrer Familie sein.
Artikel 10 (3) der EU VO 561/2006 sieht dies eigentlich schon vor: Das Verkehrsunternehmen haftet für Verstöße von Fahrern des Unternehmens, selbst wenn der Verstoß im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates oder eines Drittstaates begangen wurde. Fraglich scheint jedoch die Umsetzung seitens der Vollzugsbeamten!
9
Lösungsvorschläge diesbezüglich waren beispielsweise, dass die Fahrer eine Lenkzeitverlängerung für die Heimfahrt erhalten oder eine Ausnahmeregelung für die Heimfahrt eingeführt wird. Ein Fahrer schlägt vor, dass jeder
Fahrer 3 Stunden zusätzlich auf ein „Heimfahrtskonto“ erhält, die nicht dem Disponenten als zusätzlich Zeit zur
Frachtbeförderung genutzt werden dürfen. Die Heimatadresse könnte vor Fahrtantritt festgelegt und die Einhaltung
damit per GPS kontrolliert werden. Ein anderer Fahrer schlug eine straffreie Zone von 30 Minuten pro Tag vor die
dazu benutzt werden könnte, den Parkplatz oder das Zuhause zu erreichen.10
4.7 Vorschläge zum Thema europäischer Wettbewerb
Die EU VO 561/2006 sollte europaweit zur Anwendung kommen und somit etwaige national abweichende Vorschriften wie z.B. einheitlich geregelten Arbeitszeiten oder auch ein europaweit abgestimmter und einheitlicher Bußgeldkatalog wurde vorgeschlagen. Die Schaffung von gleichen und fairen Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU, auch
in punkto Aus- und Weiterbildung, ist ein Anliegen der Berufskraftfahrer und Berufskraftfahrerinnen. .
Da sich viele Fahrer immer mehr zum Be- und Entladen eingesetzt werden, obwohl dies nicht zu deren Aufgabenbereich gehört, wäre insoweit ein gesetzliches Be- und Entladeverbot für Fahrer notwendig.
Artikel 12: Sofern die Sicherheit im Straßenverkehr nicht gefährdet wird, kann der Fahrer von den Artikeln 6 bis 9 abweichen, um einen geeigneten Halteplatz zu erreichen, soweit dies erforderlich ist, um die Sicherheit von Personen, des Fahrzeugs
oder seiner Ladung zu gewährleisten. Der Fahrer hat Art und Grund dieser Abweichung spätestens bei Erreichen des geeigneten Halteplatzes handschriftlich auf dem Schaublatt des Kontrollgeräts oder einem Ausdruck aus dem Kontrollgerät oder im
Arbeitszeitplan zu vermerken.
10
16
5 Fazit und Ausblick
Die in der Studie geschilderten Probleme sowie die Tatsache, dass aufgrund des wachsenden Bedarfs an
Transporten die Nachfrage nach qualifizierten Berufskraftfahrern in Zukunft erheblich steigen wird, macht deutlich, dass es äußerst wichtig ist die bestehenden Sozialvorschriften entsprechend nachzubessern. Immerhin finden über 45% der Berufskraftfahrer ihren Job als belastend, davon 8,23% sogar als sehr belastend und ganze
38,74% würden ihren Beruf jungen Menschen nicht weiterempfehlen.11
Unter den derzeitigen Voraussetzungen scheint es eher schwierig, die zukünftige Jugend für diesen Beruf zu
begeistern und somit Nachwuchsfahrer für die Branche zu finden. Bereits jetzt mangelt es der Logistik an Fachkräften. Ein weiterer Umstand der die Situation verschärfen wird ist jener, dass „in den nächsten zehn Jahren
rund 30 Prozent des Fahrerpersonals die Altersgrenze erreicht. Jährlich scheiden also etwa 30.000 Lkw-Fahrer
aus dem Berufsleben aus.12 Für die Wirtschaft wird es eventuell zu erheblichen Problemen kommen, da gleichzeitig mit steigendem Güterverkehr gerechnet wird.13 Es ist also äußerst wichtig, den Beruf für junge Menschen
attraktiver zu machen und die Arbeitsbedingungen für die derzeit im Beruf befindlichen Kraftfahrer zu verbessern. Deshalb sind entsprechende Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 unabdingbar.
Die aus den 133 Nennungen der teilnehmenden Berufskraftfahrer und Berufskraftfahrerinnen ergeben sich zahlreiche Problembeschreibungen und auch bereits davon abgeleitete Lösungsvorschläge. Um zu überprüfen, ob
die hier beschriebenen Probleme repräsentativ für die gesamte Berufsgruppe stehen sollte im nächsten Schritt
vgl. Trends im Straßengüterverkehr – Aktueller Status und Meinungen der Berufskraftfahrer in Deutschland, Prof. Dr. Ing.
Jochen Baier, März 2012, S. 4, 18
11
12
vgl. http://www.transportrecht-goldenstein.de/berufskraftfahrer-gefaehrlicher-mangel-an-fachkraeften.html
13
Siehe Studie von BGL.
eine breit angelegte Umfrage geplant und durchgeführt werden. Im Rahmen dieser könnten die mit dieser Studie
vorliegenden Lösungsvorschläge hinsichtlich einer breiten Zustimmung in der Berufsgruppe abgefragt werden.
Die Grundgesamtheit der zu befragenden Fahrer und Fahrerinnen sollte mindestens 1000 sein. Als Plattform
bieten sich hierzu Events der Branche an, z.B. dem Truck Grand Prix oder sog. Trucker- Treffen etc., direkte
Interviews an LKW- Ratsanlagen und Autohöfen sowie die Nutzung der neue Medien für eine online- Umfrage.
18
Literaturverzeichnis
Trends im Straßengüterverkehr – Aktueller Status und Meinungen der Berufskraftfahrer in Deutschland, Prof.
Dr. Ing. Jochen Baier, März 2012
Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des europäischen Rates vom 15. März 2006
Sozialvorschriften im Straßenverkehr, Industrie- und Handelskammer Stuttgart, Götz Bopp, 3. Auflage, Juni 2010
Verordnung (EWG) Nr. 543/69 des Rates vom 25. März 1969 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, vgl. http://eur-law.eu/DE/Verordnung-EWG-Nr-543-69-Rates-25-Marz,14367,d
Europäisches Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), vgl. http://beck-online.beck.de/default.aspx?bcid=Y-100-G-AETR
Sozialvorschriften im Straßenverkehr, Bayrischers Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Januar 2008, vgl. http://www.verwaltung.bayern.de/egovportlets/xview/Anlage/3912729/SozialvorschriftenimStraenverkehr.pdf
Fachkräftemangel
in
der
Logistikbranche
-
Mangel
an
Nachwuchs;
Colditz,
Hans-Peter,
http://www.eurotransport.de/news/fachkraeftemangel-in-der-logistikbranche-287870.html
Studie warnt vor Nachwuchsmangel bei Fernfahrern; http://www.verkehrsrundschau.de/studie-warnt-vornachwuchsmangel-bei-fernfahrern-1153586.html

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