in vivo vor Ort in der Kochschule von Alfons Schuhbeck

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in vivo vor Ort in der Kochschule von Alfons Schuhbeck
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„in vivo‘‘ --- Das Magazin der Deutschen Krebshilfe vom 19.08.2011
In vivo vor Ort in der Kochschule von Alfons Schuhbeck
Annika de Buhr, Moderatorin:
Wer Krebs-Patient ist und eine Bauchoperation hinter sich hat, der wagt sich oft nur sehr langsam
und vorsichtig an das Thema Ernährung heran. Wieder Freude am Essen haben, das können Patienten aber lernen --- bei einem Kochkurs der besonderen Art, einmal im Monat in München. Kein geringerer als Starkoch Alfons Schuhbeck ist dabei der Herr am Herd. Da wird aber nicht einfach nach
Lust und Laune gekocht, sondern nach einem Konzept, das in enger Zusammenarbeit mit dem Klinikum rechts der Isar entwickelt wurde. Mit und durch Alfons Schuhbeck wird der Kochkurs zum
Erlebnis, kann ich Ihnen bestätigen --- ich war nämlich vor Ort.
Sprecherin:
Bei schönstem Sonnenschein spazieren wir durch München. Im Zentrum der Marienplatz, wo das
imposante Rathaus steht. Nur ein paar Schritte entfernt befindet sich das Platzl. Dieser Ort war im
Mittelalter Teil des Handwerkerviertels. Hier sind wir mit Alfons Schuhbeck verabredet.
Annika de Buhr, Moderatorin:
Ich gehe heute in die Schule, in die Kochschule, um dort Alfons Schuhbeck über die Schulter zu
schauen. Der kocht nämlich für bauchoperierte Krebs-Patienten, um ihnen das Essen wieder
schmackhaft zu machen.
Sprecherin:
Wir treffen den Sternekoch bei den letzten Vorbereitungen, bevor der Kurs losgeht.
Alfons Schuhbeck, Sternekoch:
Magst du auch Schnittlauch schneiden?
Annika de Buhr, Moderatorin:
Sie können das besser entschieden, viel besser als ich. Worum wird es denn heute hier gehen?
Welche Rezepte haben Sie vorbereitet? Welche Ideen haben Sie?
Alfons Schuhbeck, Sternekoch:
Also wir fangen da beim Frühstück an und machen da was mit Magerquark, Omega3-Öl, mit Früchten, mit Müsli, das man auch mit kleinen Dingen satt wird. Dann zeigen wir einen Brotaufstrich, den
man als Suppe, als Soße, als Creme verwenden kann, also dass man mit möglichst wenigen Dingen
sehr vielseitig kochen kann.
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Annika de Buhr, Moderatorin:
Was ist das Konzept oder nach welchem Prinzip kochen Sie?
Alfons Schuhbeck, Sternekoch:
Das ist modulartig, dass man die Dinge, die man sich herrichtet auch vielseitig verwenden kann,
damit man sich das einfrieren kann, dass es im Kühlschrank haltbar ist. Ist ja klar, wenn man heute
sechs bis neunmal am Tag essen sollte, damit man nicht Gewicht verliert, ist es ganz wichtig, dass
man keine große Latte an Produkten braucht, sondern dass man mit den wenigen Dingen sehr variantenreich kochen kann.
Sprecherin:
Das dreistündige Seminar richtet sich an Patienten, die an der Bauchspeicheldrüse, am Magen, der
Speiseröhre oder am Darm operiert wurden. Viele von ihnen nehmen durch die Erkrankung sehr
stark ab --- so auch Brunhilde E.. Im Januar wurde ein Tumor aus ihrer Bauchspeicheldrüse entfernt
und sie verlor zehn Kilogramm Gewicht.
Annika de Buhr, Moderatorin:
Wie ist es das denn bei Ihnen? Welche Probleme haben Sie?
Brunhilde E., Bauchspeicheldrüsen-Patientin:
Ich habe relativ viele Blähungen und ich weiß eigentlich im Prinzip nicht, was ich essen kann oder
was ich essen soll.
Annika de Buhr, Moderatorin:
Wie haben Ihnen denn die Ernährungsberatungen vorher gefallen?
Brunhilde E., Bauchspeicheldrüsen-Patientin:
Eigentlich waren viel zu viele Sachen drin, die ich nicht essen soll und nicht essen darf. Das hat
mich schon sehr irritiert. Hier denk ich mal ist es schon ganz gut, ich probier es einfach mal aus,
weil das geht so nicht, es fehlt einem so viel an Ernährung, man darf so viel nicht essen und dann
wird es sehr einseitig.
Sprecherin:
Ganz anders bei Alfons Schuhbeck: Er möchte mit leckeren und einfachen Gerichten erreichen,
dass das Essen vielseitig ist und Freude bereitet. Los geht es mit einem Brotaufstrich.
Alfons Schuhbeck, Sternekoch:
So jetzt machen wir was, dass man jetzt dieses modulare Kochen sieht. Wir haben jetzt hier einen
Brotaufstrich gemacht mit Frischkäse und haben praktisch Kräuter drunter gegeben. Sie könnten
jetzt auch Pesto drunter geben. Wenn Sie es nicht selber haben im Garten, kaufen Sie sich ein Glas
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Pesto und das haben wir dann daruntergehoben. Jetzt können wir das hier wunderbar als Brotaufstrich verwenden. Probier mal gleich, damit du siehst, dass dein Körper das auch mag.
Sprecherin:
Dieser Brotaufstrich kann auf viele Arten zubereitet werden, beispielsweise mit Limette, getrockneten Tomaten, Schnittlauch oder Räucherlachs. Und er dient als Basis für viele weitere Gerichte.
Alfons Schuhbeck, Sternekoch:
Aus dem gleichen Brotaufstrich mach ich jetzt eine Suppe. Ich könnte auch eine Soße machen und
das gebe ich dann in die gekochten Nudeln rein. So, Sie sehen, das geht wunderbar.
Sprecherin:
Doch der Reihe nach. Als erstes bereitet Alfons Schuhbeck eine Suppe zu.
Alfons Schuhbeck, Sternekoch:
Geb jetzt die Suppe her, geb hier eine Geflügelbrühe rein oder eine Gemüsebrühe. Sie können auch
eine Instantbrühe nehmen jeder Zeit, dann müssen sie kein Hähnchen auskochen stundenlang.
Und jetzt geb ich eigentlich hier nur noch diesen Brotaufstrich rein.
Annika de Buhr, Moderatorin:
In die Kalte? Nein.
Alfons Schuhbeck, Sternekoch:
Die wird schon warm. Schalten wir jetzt ein. So, und jetzt lassen wir es einmal aufkochen, mixen es
auf und fertig. Sie könne es nochmal ein bisschen nachwürzen mit Muskatnuss, wenn Sie wollen
oder schauen, was Sie gern haben, aber ansonsten ist das schon fertig.
Sprecherin:
Natürlich dürfen die Teilnehmer gleich probieren, ob es auch schmeckt. Dr. Marc Martignoni verteilt
Enzyme, die mit dem ersten Bissen eingenommen werden sollen. Er operiert am Klinikum rechts der
Isar Krebs-Patienten und hatte die Idee zu diesem Kochkurs.
PD Dr. Marc Martignoni, Chirurg am Klinikum rechts der Isar, München:
Die Bauchspeicheldrüse setzt Enzyme frei, die für die Verdauung enorm wichtig sind und zwar von
den Kohlenhydraten und den Fetten. Und wenn wir jetzt die Bauchspeicheldrüse letztendlich operiert haben, dann ist es so, dass natürlich ein Teil der Enzyme fehlt und die Bauspeicheldrüse auch
ein bisschen in der Produktion sich selber runterfährt. Und ohne diese Enzyme, werden Sie keine
Verdauung haben.
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Sprecherin:
Dies gilt auch für Magenoperierte, auch sie sollten Enzyme zu sich nehmen, da bei ihnen die Produktion ebenfalls gestört ist. Nur dann werden Nährstoffe gut verwertet und die Patienten können
ihr Körpergewicht halten. Als nächstes wird aus dem Brotaufstrich eine Nudelsoße zubereitet.
Alfons Schuhbeck, Sternekoch:
Jetzt geben wir die Nudeln praktisch dann in diese Brühe rein, mit dem Brotaufstrich, das hab ich
jetzt gemacht mit Frischkäse und ein bisschen Bruschetta, ein bisschen Tomate, man kann auch
getrocknete Tomaten nehmen, ein bisschen Oregano kann man rein geben oder verschiedene Gewürze, die Sie halt gern haben. Auch da fahr ich jetzt einmal mit dem Mixer rein. So fertig ist die
Soße. Einmal aufkochen, damit sich die Gewürze ein bisschen entwickeln können. Gebe jetzt die
Nudeln drauf und die Nudeln saugen jetzt die komplette Flüssigkeit auf.
Sprecherin:
Nicht alle Patienten haben nach einer Bauchoperation Probleme mit dem Gewicht. Der Ernährungsmediziner Prof. Volker Schusdziarra erklärt, wie man das Essen mit mehr oder weniger Kalorien zubereiten kann.
Prof. Dr. Volker Schusdziarra, Zentrum für Ernährung TU München:
Naja, es ist Butter und es ist Öl, nicht?! Damit können Sie arbeiten, das sind die beiden Komponenten die Sie zusetzen können und das muss man selber rausfinden für sich, wie viel man verträgt.
Sprecherin:
Mit der Schale einer unbehandelten Orange, einer Zitrone oder Limette kann der Geschmack auf
einfache Weise variiert werden. Neben den Kalorien ist für bauchoperierte Patienten wichtig, dass
sie viele kleine Mahlzeiten am Tag essen.
Annika de Buhr, Moderatorin:
Man muss sich doch an diese mehreren Portionen, sechs oder acht Portionen, muss man sich doch
regelrecht erinnern, oder?
Prof. Dr. Volker Schusdziarra, Zentrum für Ernährung TU München:
Ja, das ist wichtig, dass wir nach der Eieruhr essen, man muss das Ding alle zwei Stunden wieder
neu einstellen. Man vergisst es nämlich, wenn der Magen weg ist fehlt der Antrieb in Form des
Hungergefühls. Das Hungergefühl ist weg.
Sprecherin:
Um das Zubereiten von bis zu acht Mahlzeiten am Tag zu erleichtern, empfiehlt Alfons Schuhbeck
in größeren Mengen zu kochen und Gerichte wie Brotaufstrich, Suppe oder Soße einzufrieren.
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Alfons Schuhbeck, Sternekoch:
Und wir manchen jetzt einmal eine Kartoffelsuppe und hier machen wir dann auf einer Kartoffelsoße den Lachs. Hier hab ich einen Lachs, Sie können auch einen Zander nehmen , einen Waller nehmen, einen Saibling nehmen, eine Forelle nehmen, den habe ich eigentlich nur auf den Teller gelegt, habe ein bisschen Öl drauf gegeben, dass er nicht festklebt. Geben jetzt eine Klarsichtfolie
drüber, jetzt werden Sie sagen: „Um Gottes Willen der spinnt ja, die geht ja kaputt.‘‘ Sie geht nicht
kaputt, die geht bis 140 Grad. Wir geben das bei 80 Grad in den Ofen hinein, weil ich möchte, dass
Sie keinen harten festen Fisch essen, sondern einen butterweichen Fisch. Und der geht jetzt für 12
bis 14 Minuten, je nach Stärke von dem Fisch, in den Ofen rein und derweilen mache ich mir erst
die Kartoffelsuppe und dann mache ich die Kartoffelsoße und derweilen ist der Fisch fertig.
Sprecherin:
Zuerst die Kartoffelsuppe, sie kann durch Zutaten und Gewürze ganz einfach abgewandelt werden.
Wichtig ist: alles selber auszuprobieren. Erlaubt ist, was schmeckt.
Alfons Schuhbeck, Sternekoch:
Wenn Sie jetzt sagen, da möchte ich gerne eine gelbe Rübe drin haben und da möchte ich gern Sellerie drin haben, dann geben Sie es hinein. Und wenn Sie sagen, aber Zwiebel möchte ich auch
noch drin haben, dann geben Sie es hinein. Ich wollte Ihnen nur sagen, wie schnell so etwas geht.
Ich mache jetzt aus dem gleichen dann eine Kartoffelsoße, die es zum Lachs gibt. Die halte ich nur
ein bisschen dicker, gebe ein paar mehr Kartoffeln rein, schon haben Sie eine Kartoffelsoße .Ich
könnte jetzt ein anderes Gewürz dazugeben, schon schmeckt es wieder anders.
Sprecherin:
Wenn das Eiweiß aus dem Fisch austritt, ist er fertig und kann weiterverarbeitet werden. Ein bisschen aufpassen sollten magenoperierte Patienten bei scharf gebratenen Gerichten, wie beispielsweise Bratkartoffeln.
PD Dr. Marc Martignoni, Chirurg am Klinikum rechts der Isar, München:
Im Magen fängt die Verdauung an, stimmt nicht. Der Magen hat eine Reservoire-Funktion, also eine
Aufbewahrungsfunktion, dass ich nicht so häufig essen muss, und er hat eine Zerkleinerungsfunktion. Wenn der fehlt, dann ist natürlich was, was gebraten ist, was scharf angebraten ist, was eine
harte Oberfläche hat, relativ schwer aufzuspalten, rein mechanisch im Magen. Die Verdauung fängt
ja erst im Dünndarm an, wenn der Bauchspeicheldrüsensaft dazu kommt und der Gallensaft dazu
kommt. Dann sollte man unter Umständen probieren, ob man das Gebratene noch essen kann.
Wenn Sie es nicht essen könne, dann ist natürlich Fleisch, wie wir es dann nachher machen mit
dem Hühnchen, deutlich besser.
Johann N., Darmkrebs-Patient:
Aber was mir hier ein bisschen fehlt, ich esse sehr gern Salat, in allen Varianten.
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Prof. Dr. Volker Schusdziarra, Zentrum für Ernährung TU München:
Der Salat ist kalorienlose Füllung. Wenn jemand jetzt von der Essensmenge her kein Problem hat,
also solange der Magen noch drin ist, können Sie ohne weiteres Gemüse, auch in Form von Salat,
natürlich zusätzlich essen. Nur wenn jemand Probleme hat vom Gewicht her und der Magen ist partiell vielleicht gar nicht mehr da oder auch ganz weg, dann werden Sie mit dem Salat nicht wirklich
glücklich werden, weil Sie sich den Bauch vollstopfen mit dem Salat, aber es kommt keine Energie
raus.
Alfons Schuhbeck, Sternekoch:
Und jetzt sage ich vielen herzlichen Dank, ihr seid aus meiner Sicht her ein super Publikum gewesen, ihr habt brav gegessen, tolle Gäste und wenn ihr jetzt noch Hunger habt, dann kochen wir
noch weiter.
Sprecherin:
Doch nach den vielen Probierportionen sind alle satt und beeindruckt.
Annika de Buhr, Moderatorin:
Haben Sie so richtig was gelernt hier heute?
Gerhard S., Darmkrebs-Patient:
Ich denke ja, also diese Erkenntnis, dass man so kleine Mahlzeiten öfter am Tag zu sich nehmen
sollte, das ist glaub ich etwas, wo ich daraus gelernt hab, bei dem Kochkurs, das wirklich nützlich
ist.
Annika de Buhr, Moderatorin:
Wie fanden Sie es?
Johann N., Darmkrebs-Patient:
Ich fand es auch toll und ich muss echt bewundern, dass man eigentlich, wenn man es betrachtet,
so einfach und so simpel in einer Weise eine Menge kreieren kann eigentlich, wo man gar nicht
daran denkt, sonst denk man immer, was man rein mischen muss und machen und dann ist es eigentlich ganz einfach und schmeckt auch noch gut. Und ich denke auch, das ist sehr wichtig für
unsere Genesung, weil es auch zum allgemeinen Wohlbefinden beiträgt.
Sprecherin:
Der Kochkurs hat allen Teilnehmern nicht nur viel Spaß gemacht, sondern auch viele alltagstaugliche Ideen vermittelt.
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Annika de Buhr, Moderatorin:
Ich glaube dieses Konzept, das hat mich überzeugt. Dieses Kochen nach Modulen, da muss man
eben nicht bei jedem Essen, bei jeder Mahlzeit mit dem Kochen ganz von vorne anfangen. Ich glaube, den einen oder anderen Tipp, den nehme ich mir mit nach Hause.
Sprecherin:
Alfons Schuhbeck hat heute aus Frischkäse mit Kräutern vier Gerichte zubereitet. Einen Brotaufstrich, Soße zum Tatar, Suppe und eine Nudelsoße. So einfach kann schmackhafte Küche sein.

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