Liedpredigt - Evangelisch in Rheinfelden
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Liedpredigt - Evangelisch in Rheinfelden
Christuskirche zu Rheinfelden/Baden Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr – 13. November 2011 Joachim Kruse, Pfr. Liedpredigt: Befiehl du deine Wege EG 361 Das sagt sich so leicht, liebe Gemeinde: Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des der den Himmel lenkt. Wie fiele uns es nicht leicht zu widersprechen. Ach und weh zu klagen – der trübe November, die knappe Zeit, der viele Stress, die schwere Krankheit, die Not beim Abschiednehmen, ja, sterben. Wir alle kennen diese Gefühle. Nicht nur im November. Unser Herz kränkelt immer wieder, Trost suchend, sich nach Geborgenheit sehnend. Und denken wir an die großen Fragen: da liegt täglich ein Weh und Ach auf allem. Nichts ist mit allertreuster Pflege! Noch immer tobt Krieg an vielen Orten der Welt, mit dem Trauma von Flucht und Vertreibung, noch immer hungern Kinder sinnlos, noch immer kriseln Banken und Finanzen, prägt die Gier nach immer Mehr deren, unser Handeln, noch immer verdreckt sich die Erde mehr und mehr. Wie oft denken wir: was sind das schwierige Zeiten! Wo führt das nur hin! Was kann bloß helfen?! Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des der den Himmel lenkt? Ja, Paul Gerhardt dichtet es so. Und auch er lebte weiß Gott in einer schwierigen Zeit. Das Land, halb Europa, war verwüstet vom 30-jährigen Krieg, landauf landab ausgezehrt die Menschen von Pest und Hungersnöten. Und: er kannte sehr persönlich Schicksalsschläge: nach einem Streit wurde er zeitweilig als Pfarrer von Gräfenhainichen südlich von Berlin abgesetzt. Seine Frau starb nach nur 13 Jahren Ehe. Von seinen 5 Kindern hat ihn nur ein einziges überlebt. Und doch sind die Lieder von Gerhardt voller Vertrauen auf Gott. Ein Mensch, der allen Grund hätte zu klagen, schreibt ein Lied wie „Du meine Seele singe“. Ein Mensch, der soviel Schlimmes erleiden musste, schreibt ein Lied wie „Lobet den Herren, alle die ihn ehren“. Ein Mensch, der Grund genug hätte, sich völlig verlassen vorzukommen, schreibt ein Lied wie „Befiehl du deine Wege“. Was macht er da? Und warum? Und was sagt es uns heute? Paul Gerhardt schreibt auf, was ihn trägt und hält. Trotz allem. Gott hat die Welt erschaffen und er erhält sie, mit allertreuster Pflege. Dieses Bekenntnis ist Grundlage seines Lebens, in der ersten Strophe ist das entfaltet. Aber Gott kümmert sich nicht nur um das große Ganze: um Wolken, Luft und Winde. Sondern er sorgt sich auch um jeden einzelnen Menschen, so klein er auch sein mag. Der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann. Das Motiv des Weges wird hier wunderbar ausgestaltet. Gott ist mit uns auf dem Weg. Aber er geht nicht einfach nebenher, sondern er weist auch den Weg. Er führt uns auf den Weg, den wir auch gehen können, du und ich. Genau angemessen und nicht zu schwer. Dann stimmt die worklife-balance. Wir müssen nicht immer selbst krampfhaft danach suchen. Wir müssen nicht immer selbst unsere Entscheidungen unendlich durchdenken, Projekt und Aktionen kreieren, sondern können einfach darauf vertrauen, dass es schon gut werden wird, dass Gott uns einen richtigen Weg aufzeigt. Darum können und dürfen wir Gott unseren Lebensweg in seine Hände legen. Das ist sein Credo. Und dies wird in der zweiten Strophe weitergeführt. Wir müssen auf Gott vertrauen, wenn es uns gut gehen soll. Wir können uns nicht nur auf unsere eigenen Fähigkeiten verlassen. Oft ist es gut, einmal von sich selbst wegzuschauen, weg von den eigenen Lebenszusammenhängen – hin zu dem unendlich Größeren, hin zu Gott. Unsere Leiden und Sorgen müssen wir nicht in uns hineinfressen, wir dürfen sie vor Gott tragen und zu ihm beten, ihn für uns bitten. 4. Weg hast du allerwegen, an Mitteln fehlt dir's nicht; dein Tun ist lauter Segen, dein Gang ist lauter Licht; dein Werk kann niemand hindern, dein Arbeit darf nicht ruhn, wenn du, was deinen Kindern ersprießlich ist, willst tun. Dieser Weg mit Gott ist aber keine Einbahnstrasse, etwa: Gott befiehlt und ich empfange. Nein, für Paul Gerhardt gehört mein Reden zu Gott mit dazu. Tun wir das? Werden wir noch still im Umgetriebe unseres Lebens, still vor Gott? Gibt es das in Ihrem Wochenrhythmus noch – bewußte Stille? Also: schweigen – und hören, dann auch neu, IHN, der alle Wege kennt? Das Kirchenjahr hat diese Sonntage des inneren Sammelns vor Gott in den November gelegt – Volks-trauertag, Bußund Bettag am Mittwoch, der kommende Ewigkeitssonntag. Wir dürfen sie als Angebot nehmen - vor dem Umtriebigen des Advent. In den Strophen drei und vier ändert sich darum die Sprechrichtung: Es wird nicht mehr über Gott gesprochen, sondern zu Gott. Treue, Gnade und Segen – das sind die drei Dinge, die Gott auszeichnen. Gute Eigenschaften. Eigenschaften eines Gottes, auf den ich vertrauen kann. Auf einen solchen Gott kann ich mich stützen, kann mich verlassen, er weiß, was richtig ist. Paul Gerhardt stellt hier die Ewigkeit Gottes und seiner Treue und Gnade der Sterblichkeit des Menschen gegenüber. Gott ist unendlich größer als ein Mensch. Es gilt zuweilen wohl, einen hohen Berg zu Gott aufzusteigen. Aber Gott zieht uns nach oben, zieht uns zu sich. Für Paul Gerhardt ist klar: Gott weiß nicht nur alles, er hat auch die Mittel, alles zu tun. Da regt sich Widerspruch bei uns: manchmal verstehen wir Gottes Handeln nicht, finden es gar ungerecht und grausam. Warum sind Kriege da? Weshalb sterben Menschen? Wann gibt es eine Erde mit so viel Ungerechtigkeit? Wir wissen so viel – dank der globalen Medien, doch manchmal können wir es kaum aushalten, was wir wissen. Paul Gerhardt sagt uns: wir haben auch nicht das Wissen um die Welt, wie Gott es hat. Manchmal empfinden wir unser Leben als schlecht, nicht vom Segen Gottes begleitet. Aber vielleicht stellt sich später doch heraus, dass Gott mit seinem Segen an uns gehandelt hat – nur eben anders, als von uns erwartet. Im Lied beschreibt uns Paul Gerhardt mit Kinder Gottes. Und vielleicht ist es bei uns oft nicht anders: Als Kinder können wir Handlungen unserer Eltern manchmal nicht verstehen und finden sie vielleicht auch ungerecht. Doch später, mit dem Abstand einiger Jahre, erkennen wir, dass Eltern doch angemessen gehandelt haben. 6. Hoff, o du arme Seele, hoff und sei unverzagt! Gott wird dich aus der Höhle, da dich der Kummer plagt, mit großen Gnaden rücken; erwarte nur die Zeit, so wirst du schon erblicken die Sonn der schönsten Freud. 7. Auf, auf, gib deinem Schmerze und Sorgen gute Nacht, lass fahren, was das Herze betrübt und traurig macht; bist du doch nicht Regente, der alles führen soll, Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl. 8. Ihn, ihn lass tun und walten, er ist ein weiser Fürst und wird sich so verhalten, dass du dich wundern wirst, wenn er, wie ihm gebühret, mit wunderbarem Rat das Werk hinausgeführet, das dich bekümmert hat. Schwere und traurige Zeiten gehören zum Leben dazu. Wir haben daran zu tragen, und wir tun gut daran, sie zu verarbeiten, um wieder fröhlich und froh zu sein. Es geht so viel leichter und schneller die Hoffnung zu begraben. Paul Gerhardt benutzt für diese Schwermut das eindrucksvolle Bild der Höhle: Eine finstre Kammer im Stein, ich bin ganz allein darin. Es ist dunkel, es ist kalt. Ich bin von Kummer geplagt. Doch die Sonne leuchtet mir wieder. Paul Gerhardt nimmt gerne die Sonne als Bild für Gott. Die Sonne leuchtet in die Höhle und weist mir den Weg hinaus: lass fahren, was das Herze betrübt und traurig macht. Gott hilft mir, er kommt zu mir in den tiefsten Abgründen meiner Gefühle, im größten Kummer, in der tiefsten Traurigkeit. Das Vertrauen auf Gott erreicht in den Strophen 7 und 8 den Höhepunkt: Ich gebe mich vollkommen in die Hände Gottes, lasse mich von ihm regieren. Alle meine Sorgen, meine Traurigkeit, meinen Kummer gebe ich ab an Gott. Und ER nimmt alles von mir. „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ (1Petr 5,6-7). Genau darum geht es: den Lebensweg mit Gott gehen bedeutet, sich völlig auf Gott zu verlassen, ganz auf ihn zu vertrauen. Gott nimmt mir ab, was mich belastet. 9. Er wird zwar eine Weile mit seinem Trost verziehn und tun an seinem Teile, als hätt in seinem Sinn er deiner sich begeben und sollt'st du für und für in Angst und Nöten schweben, als frag er nichts nach dir. 10. Wird's aber sich befinden, dass du ihm treu verbleibst, so wird er dich entbinden, da du's am mindsten glaubst; er wird dein Herze lösen von der so schweren Last, die du zu keinem Bösen bisher getragen hast. 11. Wohl dir, du Kind der Treue, du hast und trägst davon mit Ruhm und Dankgeschreie den Sieg und Ehrenkron; Gott gibt dir selbst die Palmen in deine rechte Hand, und du singst Freudenpsalmen dem, der dein Leid gewandt. Das Gefühl der Gottverlassenheit ist ja auch Paul Gerhardt nicht fern. Ja manchmal scheint es wirklich so, als würde es Gott überhaupt gar nicht kümmern, was mit uns geschieht. Manchmal sieht es so aus, als wäre ihm unser Leben völlig egal. Und auch wieder kennen wir hier ein Weh und Ach aus unserem Leben, auch Wut und Enttäuschung! Doch für Paul Gerhardt ist das nur der Anschein. Wenn ich wage, mein Vertrauen auf Gott zu setzen, dann werde ich auch seine helfende Hand spüren. Ich kann darauf hoffen, dass er auf irgendeine Weise mein Leid wenden kann. Dann finde ich auch zu Lob und Dank. Wenn ich von dem befreit bin, was mich bedrückt, dann kann ich wieder frei aufatmen, zu mir finden, meine Stimme zum Lob Gottes, zum Singen und Danken ansetzen. Das kann jeder und jede auf sein und ihre Weise - und muss nicht so schön tönend klingen wie beim Markgräfler Vokalensemble heute. Ein Halleluja findet jeder und jede! So wie in der elften Strophe: „Halleluja! Lobe den HERRN, meine Seele! Ich will den HERRN loben, solange ich lebe, und meinem Gott lobsingen, solange ich bin.“ Am Ende, in der Schlussstrophe, da nimmt alles die Form eines Gebets ein. 12. Mach End, o Herr, mach Ende mit aller unsrer Not; stärk unsre Füß und Hände und lass bis in den Tod uns allzeit deiner Pflege und Treu empfohlen sein, so gehen unsre Wege gewiss zum Himmel ein. Dieses Gebet fasst das Lied noch einmal zusammen: Die Not wird noch einmal genannt. Wir bitten Gott, dass er uns daraus befreit, dass er uns Kraft und Stärke gibt. Wir vertrauen auf ihn und seine Treue. Wir glauben, dass er sich um uns sorgt, dass wir ihm nicht egal sind. Doch die letzte Strophe weist auch noch über den Rest des Liedes hinaus – so wie es bei Paul Gerhardts Liedern fast immer ist: Auf den Himmel, der kommt (und das ist nicht der Himmel, der ist!), dieser Himmel ist das ewige Leben bei Gott. Denn Gott begleitet uns nicht nur bis zu unserem Tod, sondern er empfängt uns auch danach in der Ewigkeit. Und wieder gilt: es liegt nicht an uns, den Weg dorthin zu finden. Es ist Gott, der uns dahin führt. Befiehl dem Herrn dein Weg und hoff auf ihn. Er wird’s wohl machen. (Ps 37,5, Übers. Gerhardt) Das ist in einem Satz zusammen gefasst die Kernaussage des Liedes. Es ist ein Zitat aus Psalm 37. Paul Gerhardt hat diesen Satz kunstvoll in sein Lied eingebaut, indem er immer das erste Wort anhand dieses Satzes auswählt. Im Gesangbuch finden Sie diesen Satz schräg gedruckt. Man kann ihn einfach von oben nach unten lesen. Insofern ist das Lied „Befiehl du deine Wege“ eigentlich nichts anderes, als eine Auslegung, eine Predigt dieses einen Satzes, der uns helfen kann, durch alle unsere Nöte und Sorgen zu gehen: Befiehl dem Herrn dein Weg und hoff auf ihn. Er wird’s wohl machen. Amen.