Rassismus in oberösterreichischen Medien

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Rassismus in oberösterreichischen Medien
Rassismus
in oberösterreichischen Medien
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Endbericht im Rahmen der Lehrveranstaltungen
229.012 PJ Projektmanagement I und 229.022 PJ Projektmanagement II
Wintersemester 2010/11 und Sommersemester 2011
Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik an der Johannes Kepler Universität Linz
Impressum Eigentümerin, Herausgeberin und Verlegerin:
Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik
Johannes Kepler Universität Linz
Altenbergerstraße 69
A-4040 Linz-Auhof
Autor_innen:
Achleitner, Vera, Baratti, Julia Katharina, Binder, Kurt, Binder, Verena, Breuer, Sarah
Kerstin, Brunbauer, Magdalena, Desch, Gernot, Gassner, Michaela, Gföllner, Andrea,
Haider, Reinhard, Hauder, Gerlinde, Hittenberger, Christoph, Lang, Philip, Lehner, Tanja,
Maier, Nina, Mendl, Daniel, Müller, Christian, Offenhuber, Holger, Pangratz, Claudia,
Peters, Elena, Pühringer, Elisabeth, Rohrmoser, Carmen, Salat, Johanna, Salchegger,
Sabrina, Schindlbauer, Alexander, Schulz, Christoph, Stieger, Nicole, Streicher, Lukas,
Sunitsch, Clemens Georg, Wilhelm, Romana
Lehrveranstaltung:
229.012 PJ Projektmanagement I und 229.022 PJ Projektmanagement II
Wintersemester 2010/11 und Sommersemester 2011
Lehrveranstaltungsleiter:
MMag. Thomas Philipp, Dr. Andre Zogholy
Erscheinungsjahr:
2011
Layout:
LIquA - Linzer Institut für qualitative Analysen
Druck:
Abteilung Wirtschaftsservice an der Johannes Kepler Universität Linz
Bestell- bzw. Downloadmöglichkeit:
LIquA - Linzer Institut für qualitative Analysen
Untere Donaulände 10
A-4020 Linz
Tel. + Fax: ++43 732 21 69 74
Web: http://www.liqua.net
E-Mail: [email protected]
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Inhalt und Aufbau des Endberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Methodischer Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1 Erhebungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1.1 Desk Research . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1.2 Qualitative Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1.3 Stadtteilbegehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.2 Analyse- und Interpretationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.2.1 Analyse der Daten aus dem Desk Research . . . . . . . .
1.2.2.2 Transkription, Analyse und Interpretation der Interviews
1.2.2.3 Mediendiskursanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.3 Dokumentationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Charakterisierung der analysierten Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.1 Tageszeitung “Die Presse” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.2 Tageszeitung “Der Standard” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.3 Tageszeitung “Neue Kronen Zeitung” . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.4 Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten” . . . . . . . . . . .
1.3.5 Tageszeitung “Salzburger Nachrichten” . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.6 Tageszeitung “Neues Volksblatt” . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.7 Tageszeitung “Kurier” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 Zusammenfassung
2.1 Rassismus und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Arigona Zogaj: Die Verschärfung der Asylpolitik . . . . . . . . . . . . .
2.3 Yankuba Ceesay: Die Bedingungen der Schubhaft . . . . . . . . . . . . .
2.4 Kopftuchverbot an Linzer Schulen: Angst vor dem Islam . . . . . . . . .
2.5 Die ’Türkenkonflikte’ im Neustadtviertel: Integration auf Stadtteilebene
2.6 Die ’Operation Spring’ in Linz: Das Bild vom afrikanischen Drogendealer
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3 Rassismus und Medien
3.1 Rassismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.2 Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.2.1 Rassenbegriff nach Gobineau . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.2.2 Rassenideologie nach Chamberlain . . . . . . . . . . . . .
3.1.3 Formen des Rassismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.4 Entstehung von Rassismus und geschichtlicher Hintergrund . . . .
3.1.5 Rassismus im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Aufgabe und Rolle von Medien in der Gesellschaft . . . . . . . . .
3.2.2 Macht über Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Rassismus in den Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.1 Berichterstattung über Migrant_innen: Stereotype und Vorurteile .
3.3.2 Sprachgebrauch: Begriffe und Metaphern . . . . . . . . . . . . . . .
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3.3.3
Strategien zur Vermeidung von Rassismus . . . . . . . . . . . . . .
3.3.3.1 Strategie 1: Vermeidung von Rechtsextremismus und Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.3.2 Strategie 2: Sensibilisierung und Erweiterung der Medienlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.3.3 Strategie 3: Erweiterung der rechtlichen Grundlagen . . .
3.3.3.4 Strategie 4: Ausbau interkultureller Bildung . . . . . . .
3.3.3.5 Strategien der Expert_innen . . . . . . . . . . . . . . . .
4 Arigona Zogaj: Die Verschärfung der Asylpolitik
4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Die Geschichte der Familie Zogaj: Überblick über die Ereignisse . . . . . .
4.2.1 Frankenburg: Umfeld von Arigona Zogaj . . . . . . . . . . . . . .
4.2.2 Stimmungswandel in Frankenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3 Das österreichische Asylgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.1 Aktuelle Gesetzeslage für Asylwerber_innen in Österreich . . . . .
4.3.2 Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.2.1 Hearing zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 . . . .
4.3.2.2 Meinungen von Abgeordneten des Nationalrates zum FrÄG
2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.3 Asylpolitik auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.4 Antragstellung eines Asylverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4 Der mediale Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.1 Medialer Diskurs im Fall Zogaj . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.2 Materialaufbereitung für die Mediendiskursanalyse . . . . . . . . .
4.4.3 Auswahl der Printmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.4 Mediendiskursanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.5 Feinanalyse der Tageszeitung “Der Standard” . . . . . . . . . . . .
4.4.5.1 Artikel vom 1. Oktober 2007: “Mädchen aus Kosovo droht
mit Selbstmord. Abschiebe-Drama: Mutter im Spital” . .
4.4.5.2 Artikel vom 9. Oktober 2007: “Arigona schweigt zu Hilfsangeboten” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.5.3 Artikel vom 21./ 22. Juni 2008: “Krankes Asylrecht” . . .
4.4.5.4 Artikel vom 27./ 28. Dezember 2008: “Schweigen im Ministerium” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.5.5 Artikel vom 15. Jänner 2009: “Rehlein-Augen” . . . . . .
4.4.5.6 Artikel vom 14./ 15. November 2009: “Exklusiv und illegal:
’Krone’ im Fahnder-Visier” . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.5.7 Artikel vom 15. Juni 2010: “Der Stärkere gibt niemals nach”
4.4.5.8 Zweiter Artikel vom 15. Juni 2010: “Arigona Zogaj bekommt für Ausreise Frist gestellt” . . . . . . . . . . . . .
4.4.5.9 Artikel vom 24. Juni 2010: “Der Angstbeißer-Staat” . . .
4.4.5.10 Artikel vom 9. November 2010: “Zogaj-Rückkehr in zwei
Wochen” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.5.11 Artikel vom 25. November 2010: “Familie Zogaj nach vier
Monaten wieder in Österreich” . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.6 Feinanalyse der Tageszeitung “Neue Kronen Zeitung” . . . . . . . .
4.4.6.1 Artikel vom Oktober 2007: “Abschiebungsbescheid in OÖ
ausgesetzt” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.6.2 Artikel vom Juni 2008: “Selbstmordversuch. Mutter von
Arigona Zogaj wollte sich umbringen” . . . . . . . . . . .
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4.4.6.3
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Artikel vom 15. Jänner 2009: “Wilder Schlagabtausch um
Zogajs in der Politik” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.6.4 Artikel vom 16. Juli 2010: “Abschiedskuss für Arigona
Zogaj am Flughafen Salzburg” . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.6.5 Artikel vom 16. Juli 2010: “Geheimaktion” um ArigonaFlug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.6.6 Artikel vom 24. November 2010: “Familie Zogaj ist wieder
zurück in Österreich” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.7 Feinanalyse der Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten” . .
4.4.7.1 Artikel vom 15. Oktober 2007: “Platter hat Arigona nichts
versprochen” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.7.2 Artikel vom 17. Oktober 2007: “Rückkehr in die Schule
als Spektakel” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.7.3 Artikel vom 21/22. Juni 2008: “Mutter Zogaj ’braucht
Therapie’ Abschiebung verzögert sich” . . . . . . . . . . .
4.4.7.4 Artikel vom 1. Juli 2008: “Zogajs: Kein neuer BleiberechtsAntrag” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.7.5 Artikel vom 17. November 2009: “Wer will schon Bambis
Mörder sein?” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.7.6 Artikel vom 9. November 2010: “Rückkehr der Zogajs
verzögert sich: weitere Visa-Unterlagen nötig” . . . . . . .
Rassismus im Kontext mit Arigona Zogaj in österreichischen Medien . . .
4.5.1 ECRI-Länderbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.5.2 Medienwirksame Aktionen im Zusammenhang mit Arigona Zogaj .
4.5.2.1 Studie “Der Fall Arigona” . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.5.2.2 Berichterstattung in der Kronen Zeitung: . . . . . . . . .
4.5.2.3 Berichterstattung in den Oberösterreichischen Nachrichten
4.5.2.4 Berichterstattung im Standard . . . . . . . . . . . . . . .
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5 Yankuba Ceesay: Die Bedingungen der Schubhaft
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5.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
5.2 Der Fall “Yankuba Ceesay” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
5.2.1 Die Person Yankuba Ceesay . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
5.2.2 Yankuba Ceesay in Schubhaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
5.2.3 Ursache für Yankuba Ceesays Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
5.2.3.1 Todesursache laut Menschenrechtsbeirat und Unabhängigem Verwaltungssenat Oberösterreich . . . . . . . . . . . 103
5.2.3.2 Zweifel an der offiziellen Todesursache . . . . . . . . . . 103
5.2.4 Ansicht der Expert_innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
5.2.5 Mediale Falldarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
5.2.6 Rechtmäßigkeit der Anhaltung Ceesays in Schubhaft . . . . . . . . 108
5.2.7 Zusammenfassung der Widersprüche zwischen den Falldarstellungen 108
5.3 Die Schubhaft in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
5.3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
5.3.1.1 Begriffsabgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
5.3.1.2 Personen in Schubhaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
5.3.1.3 Haftdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
5.3.2 Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
5.3.2.1 Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
5.3.2.2 “Gelinderes Mittel” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
5.3.2.3 Haftentlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
5.3.2.4 Aktuelles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
Räumliche und strukturelle Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . 117
5.3.3.1 Strukturelle Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 117
5.3.3.2 Räumlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
5.3.3.3 Verständigungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 118
5.3.3.4 Alltag in Schubhaft – Der Tagesablauf . . . . . . . . . . . 118
5.3.3.5 Medizinische Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
5.3.3.6 Hungerstreik und Selbstverletzung . . . . . . . . . . . . . 119
5.3.4 Die Menschen in Schubhaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
5.3.4.1 Minderjährige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
5.3.4.2 Psychischer Zustand von Schubhäftlingen . . . . . . . . . 123
5.3.4.3 Information und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . 124
5.3.5 Ansprechpartner_innen in der Schubhaft . . . . . . . . . . . . . . 126
5.3.5.1 Beamt_innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
5.3.5.2 Dolmetscher_innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
5.3.5.3 Kontakt mit der Außenwelt . . . . . . . . . . . . . . . . 129
5.3.5.4 Schubhaftbetreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
5.3.5.5 Rechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
Der mediale Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
5.4.1 Auswahl der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
5.4.2 Feinanalyse der Tageszeitung “Neue Kronen Zeitung” . . . . . . . . 136
5.4.2.1 Artikel vom 5. Oktober 2005: “Schubhäftling starb in Zelle” 136
5.4.2.2 Artikel vom 6. Oktober 2005: “Schubhäftling soll ’verdurstet’ sein” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
5.4.2.3 Artikel vom 7. Oktober 2005: “Nach Hungerstreik aus
Krankenhaus spaziert” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
5.4.3 Feinanalyse der Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten” . . 140
5.4.3.1 Artikel vom 5. Oktober 2005: “18-jähriger Schubhäftling
starb im Hungerstreik” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
5.4.3.2 Artikel vom 6. Oktober 2005: “Herztod in Zelle durch
Flüssigkeitsmangel” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
5.4.4 Feinanalyse der Tageszeitung “Der Standard” . . . . . . . . . . . . 143
5.4.4.1 Artikel vom 6. Oktober 2005: “Tod in Schubhaftzelle bleibt
rätselhaft” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
5.4.4.2 Artikel vom 8. Februar 2006: “Tod in Schubhaft: Neue
Zweifel” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
5.4.5 Gesamtanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
5.4.5.1 Neue Kronen Zeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
5.4.5.2 Oberösterreichische Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . 150
5.4.5.3 Der Standard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
5.3.3
5.4
5.5
6 Kopftuchverbot an Linzer Schulen: Angst vor dem Islam
6.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Die Debatte um das Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.2 Kopftuch als Identifikation und Abgrenzung . . . . . . . .
6.2.3 Kulturelle Aspekte des Kopftuches . . . . . . . . . . . . .
6.2.4 Symbolische Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.5 Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.5.1 Islamische Rechtslage im österreichischen Gesetz
6.2.5.2 Historischer Abriss . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6.3
6.2.5.3 Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich . . . . . . 164
6.2.5.4 Islamischer Religionsunterricht in Österreich . . . . . . . 165
6.2.5.5 Islamische Bekleidungsvorschriften in Österreich . . . . . 165
6.2.5.6 Islamische Rechtslage in der Europäischen Union . . . . . 167
6.2.6 Kopftuch und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
6.2.7 Wahrnehmungs- und Stimmungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Der mediale Diskurs: Otto-Glöckel-Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
6.3.1 Einführung in das Ereignis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
6.3.2 Diskursive Aufarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
6.3.3 Feinanalyse der Tageszeitung “Der Standard” . . . . . . . . . . . . 178
6.3.3.1 Artikel vom 25. Jänner 2006: “Keine Kopftücher für Linzer
Lehrerinnen” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
6.3.3.2 Artikel vom 2. März 2006: “Kopftuchstreit: Neuer Ärger
mit blauen Pickerln” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
6.3.3.3 Artikel vom 8. März 2006: “Kopftuchstreit: Kopftuchstreit
als Affront” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
6.3.4 Feinanalyse der Tageszeitung “Die Presse” . . . . . . . . . . . . . . 182
6.3.4.1 Artikel vom 24. Jänner 2006: “Konflikt um Kopftuch” . . 182
6.3.4.2 Artikel vom 27. Jänner 2006: “Zeichen der Unterwerfung
und Aufenthaltsrecht absprechen” . . . . . . . . . . . . . 184
6.3.5 Feinanalyse der Tageszeitung “Kronen Zeitung” . . . . . . . . . . . 185
6.3.5.1 Artikel vom 21. Jänner 2006: “Islamisten torpedieren
Integrationsversuche an Linzer Volksschule mit 75 Prozent Ausländeranteil – Unverschämte Ansprüche: ’MoslemVäter fordern Kopftuch für Lehrerinnen” ’ . . . . . . . . . 185
6.3.5.2 Artikel vom 22. Jänner 2006: “Islamische Lehrer forderten
in Linzer Volksschule: Zensur für Adventlieder” . . . . . . 186
6.3.5.3 Artikel vom 23. Jänner 2006: “Nein zu Integration ist
Chancen-Killer” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
6.3.5.4 Artikel vom 24. Jänner 2006: “Weil fünf türkische Mitglieder kaum jemals bei den Sitzungen in Linz auftauchen:
Integrationsbeirat ist lahm gelegt” . . . . . . . . . . . . . 189
6.3.5.5 Artikel vom 28. Jänner 2006: Nach Riesenwirbel um KopftuchAffäre will Landesschulratspräsident mit Islam-Vorsitzendem
die Wogen glätten und meint: Gegenseitiger Respekt ist
die einzige Lösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
6.3.5.6 Artikel vom 29. Jänner 2006: “Nach dem Kopftuch-Skandal
im selben Haus wird heftig diskutiert – Ein Lokalaugenschein der Krone zeigt, dass es auch ganz anders geht:
Linzer Hauptschule als buntes Babylon im Mini-Format” . 192
6.3.6 Feinanalyse der Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten” . . 193
6.3.6.1 Artikel vom 21. Jänner 2006: “Aufregung um Moslems” . 193
6.3.6.2 Artikel vom 24. Jänner 2006: “Kopftuch-Pflicht: ein Wahnsinn” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
6.3.6.3 Artikel vom 26. Jänner 2006: “Linzer Kopftuch-Affäre
könnte bald Staatsanwalt beschäftigen” . . . . . . . . . . 195
6.3.6.4 Artikel vom 27. Jänner 2006: “Kopftuch-Affäre: Bin Lehrerinnen meiner Tochter doch dankbar” und “Man muss
jetzt wieder zur Ruhe kommen” . . . . . . . . . . . . . . 196
6.3.6.5 Artikel vom 8. März 2006: “Lehrerjob nur noch mit Strafregisterauszug” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
6.4
6.5
Der mediale Diskurs: Stelzhamerschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.1 Einführung in das Ereignis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.2 Diskursive Aufarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.3 Feinanalyse der Tageszeitung “Der Standard” . . . . . . . . . . . .
6.4.3.1 Artikel vom 18. Mai 2004: “Kopftuch für die Schülerinnen
generell erlaubt” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.3.2 Artikel vom 19./20. Mai 2004: “Kopftuch für Gehrer kein
Thema” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.3.3 Artikel vom 21. Mai 2004: “Das Kopftuch nicht verbieten”
6.4.4 Feinanalyse der Tageszeitung “Die Presse” . . . . . . . . . . . . . .
6.4.4.1 Artikel vom 18. Mai 2004: “Kein ’Kopftuch-Erlass” ’ . . .
6.4.4.2 Artikel vom 19. Mai 2004: “Zahl der Volksschüler sinkt
rapide” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.5 Feinanalyse der Tageszeitung “Kronen Zeitung” . . . . . . . . . . .
6.4.5.1 Artikel vom 15. Mai 2004: “Erst verboten, dann von oberster Stelle erlaubt: Mit Kopftuch im Unterricht sorgte für
Ärger in Schule” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.5.2 Artikel vom 16. Mai 2004: “Kleidungs-Verbote in Schulen
für die Katz’. Kinder nicht von Unterricht aussperren.
Dekolletee und Kopftuch erlaubt” . . . . . . . . . . . . .
6.4.5.3 Artikel vom 17. Mai 2004: “Vater der 13-jährigen türkischen Schülerin in Linz stellt nach ’Kapperl-Erlass’ klar:
’Bin Islamist’ – Kopftuch bleibt” . . . . . . . . . . . . . .
6.4.5.4 Artikel vom 18. Mai 2004: “Moslems wollen Tracht festschreiben lassen. Kirche schlägt ’Tauschhandel’ aus. Kopftuch unterm Kreuz bleibt” . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.6 Feinanalyse der Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten” . .
6.4.6.1 Artikel vom 15. Mai 2004: “Linzer Hauptschul-Direktorin
erließ Kopftuchverbot für junge Muslimin” . . . . . . . .
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199
199
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217
218
7 Die “Türkenkon ikte im Linzer Neustadtviertel”: Integration auf Stadtteilebene
221
7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
7.2 Das Linzer Neustadtviertel und die so genannten “Türkenkonflikte” . . . . 222
7.2.1 Chronik der so genannten “Türkenkonflikte” im Linzer Neustadtviertel222
7.2.1.1 Folgen der “Türkenkrawalle” . . . . . . . . . . . . . . . . 222
7.2.1.2 Die Politisierung der Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . 223
7.2.1.3 Das Neustadtviertel in den Gemeinderatsdebatten 1992
und 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
7.2.2 Hintergrund über Konflikte zwischen Türk_innen und Kurd_innen 225
7.2.2.1 Das kurdische Volk: geschichtlicher Hintergrund . . . . . 225
7.2.2.2 Die PKK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
7.2.2.3 Die Grauen Wölfe – Die “Ülkücü Bewegung” . . . . . . . 227
7.2.3 Das Linzer Neustadtviertel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
7.2.3.1 Expert_innenmeinungen zum Linzer Neustadtviertel . . . 231
7.2.3.2 Bewohner_innenmeinungen zum Linzer Neustadtviertel . 233
7.2.3.3 Türkische Vereine in Linz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
7.2.3.4 Stadtteilbegehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
7.3 Das Thema Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
7.3.1 Integration in der politischen Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . 237
7.3.2 Integration in Oberösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
7.3.3
7.4
7.5
Integration auf Stadtteilebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
7.3.3.1 Die Bedeutung des Stadtteilentwicklungskonzeptes für das
Neustadtviertel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
7.3.3.2 Quartiersmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
7.3.3.3 Migrations- und Integrationsbeirat der Stadt Linz . . . . 243
7.3.3.4 Integrationsmaßnahmen- und projekte in Linz . . . . . . 243
Der mediale Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
7.4.1 Feinanalyse der Tageszeitung “Neue Kronen Zeitung“ . . . . . . . . 247
7.4.1.1 Artikel vom 21. November 1992: “Schlacht im Türkenviertel: 15 Beteiligte abgeschoben!” . . . . . . . . . . . . . . . 247
7.4.2 Feinanalyse der Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten“ . . 249
7.4.2.1 Artikel vom 25. November 1992: “Folgen des Türkenkrawalls” 249
7.4.3 Feinanalyse der Tageszeitung “Salzburger Nachrichten“ . . . . . . . 249
7.4.3.1 Artikel vom 23. November 1992: “’Es ist nicht mehr wie
früher, jetzt hab ich Angst” . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
7.4.4 Feinanalyse der Tageszeitung “Kurier“ . . . . . . . . . . . . . . . . 251
7.4.4.1 Artikel vom 22. November 1992: “Straßenkampf im Linzer
Neustadtviertel” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
7.4.5 Feinanalyse der Tageszeitung “Neues Volksblatt“ . . . . . . . . . . 253
7.4.5.1 Artikel vom 24. November 1992: “Linz wurde Nebenkriegsschauplatz des türkisch-kurdischen Konfliktes” . . . . . . 253
7.4.6 ORF-Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
7.4.6.1 Nachrichtensendungen vom 21., 22. und 23. November 1992254
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
8 Die ’Operation Spring’ in Linz: Das Bild vom afrikanischen Drogendealer
8.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2 Operation Spring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.1 Die Polizeiaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.1.1 Marcus Omofuma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.1.2 Obiora C-Ik Ofoedu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.1.3 Emmanuel Chukwujekwu . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.2 Der große Lauschangriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.2.1 Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.2.2 Anwendung bei der “Operation Spring” . . . . . . . . . .
8.2.2.3 Rechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.3 Film “Operation Spring” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.4 Anonyme Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3 Das Bild des “afrikanischen Drogendealers” . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3.1 Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3.1.1 Historische Entwicklung der österreichischen Drogenszene
8.3.1.2 Entstehungsgeschichte des schwarzen Drogendealers . . .
8.3.1.3 Der Schwarze Drogendealer . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3.2 Die “nigerianische Drogenmafia” . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3.2.1 Konzept der “nigerianischen Drogenmafia” . . . . . . . . .
8.3.2.2 Fakten und Fiktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3.2.3 Konstruktion der “nigerianischen Drogenmafia” . . . . . .
8.3.3 Stereotyp “Schwarz = Drogendealer“ . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3.3.1 Woher kommt das Vorurteil? . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3.3.2 Initiatoren von Vorurteilen . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3.4 Rassismus im Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3.4.1 Rassistische Praktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259
259
260
262
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276
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277
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278
281
283
283
8.4
8.5
8.3.4.2 Mediale Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
Der mediale Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
8.4.1 Feinanalyse der Tageszeitung “Neue Kronen Zeitung” . . . . . . . . 288
8.4.1.1 Artikel vom 28. Mai 1999: “Drogen-Ring der Nigerianer
gesprengt” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
8.4.1.2 Artikel vom 29. Mai 1999: “Schon 1000 Nigerianer in Haft:
Drogenring hatte viele Helfer” . . . . . . . . . . . . . . . 290
8.4.1.3 Artikel vom 31. Mai 1999: “Suchtgift-Tests in Bankfilialen!” 292
8.4.1.4 Leserbrief vom 3. Juni 1999: “Gratulation!” . . . . . . . . 293
8.4.1.5 Leserbrief vom 3. Juni 1999: Drogenmafia . . . . . . . . . 294
8.4.1.6 Artikel vom 19. Juni 1999: “Rauschgift unter der Perücke
versteckt” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
8.4.1.7 Artikel vom 28. Juni 1999: “Illegale” . . . . . . . . . . . . 295
8.4.2 Feinanalyse der Tageszeitung “Der Standard” . . . . . . . . . . . . 297
8.4.2.1 Artikel vom 28. Mai 1999: “Festnahmen im Dutzend” . . 297
8.4.2.2 Kommentar vom 28. Mai 1999: “Die Amtshandlung” . . . 298
8.4.2.3 Artikel vom 29./30. Mai 1999: “Termin der Massenverhaftungen einige Male aus Angst vor Verrat verschoben –
Monsterprozeß nach Razzia” . . . . . . . . . . . . . . . . 299
8.4.2.4 Artikel vom 12. Juni 1999: “Razzia: 43 von über 100 Verdächtigen noch in Haft” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
8.4.2.5 Kommentar vom 15. Juni 1999: “Richter und Dealer” . . . 300
8.4.3 Feinanalyse der Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten” . . 301
8.4.3.1 Artikel vom 28. Mai 1999: “Mit Lauschangriff Drogenring
gesprengt: 70 Verhaftungen” . . . . . . . . . . . . . . . . 301
8.4.3.2 Artikel vom 29. Mai 1999: “100 Verhaftungen von Dealern
waren ’erst der Anfang” ’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
8.4.4 Feinanalyse der Tageszeitung “Die Presse” . . . . . . . . . . . . . . 305
8.4.4.1 Artikel vom 28. Mai 1999: “Erfolg für den ersten großen
Lauschangriff: Fahnder sprengen Drogenring” . . . . . . . 305
8.4.4.2 Kommentar vom 29. Mai 1999: “Die Guten, die Bösen und
das allgemeine Misstrauen” . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
1 Einleitung
Dieser Forschungsbericht fasst die Ergebnisse der Studierenden der Lehrveranstaltungen
“PJ Projektmanagement I” und “PJ Projektmanagement II” zusammen, die im Wintersemester 2010/11 und Sommersemester 2011 am Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik
an der Johannes Kepler Universität Linz abgehalten wurden. Das Forschungsthema der
Lehrveranstaltung lautete für beide Semester “Rassismus in oberösterreichischen Medien”.
Rassismus ist in Österreich ein beinahe allgegenwärtiges Phänomen. Egal ob es sich
um alltäglichen oder strukturellen Rassismus handelt, eine Zunahme von Vorurteilen
und Diskriminierungen ist die Folge. Neben dem Feld der Politik kommt den Medien in
diesem Zusammenhang eine besondere gesellschaftliche Verantwortung zu. Nicht selten
werden durch Medien rassistische Vorurteile gefestigt, andererseits können diese aber
auch dazu beitragen, solche abzubauen. Vor allem wenn in den Medien die Konstruktion
eines “Ausländer_innenproblems” forciert wird, d. h. Migrant_innen als Ursache von
gesellschaftlichen Problemen festgemacht werden, gehen hiermit weitreichende Entwicklungen einher. Das Forschungsthema behandelt zentrale gesellschaftliche Problemfelder
und umfasst unzählige Fragestellungen:
• Wie wird in den Medien Rassismus dargestellt?
• In welchen Kontexten wird dieses Problem dargestellt?
• Wie werden Strukturen und Bedingungen für Rassismus dargestellt?
• Wie wird das Thema Rassismus im Kontext von Einwanderung, Asyl oder Gesetzgebung abgehandelt?
• Wie wird Rassismus durch Medienbeiträge verstärkt, wie kann er dadurch abgebaut
werden?
• Welcher sprachliche aber auch symbolische und bildhafte Gebrauch lässt sich im
Zusammenhang mit Rassismus auffinden?
Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung wurden in der Lehrveranstaltung besondere
Schwerpunkte auf die Vermittlung von Forschungsmethoden und Projektmanagementfähigkeiten sowie die begleitende Öffentlichkeitsarbeit gelegt (Interview im Freien Radio,
Presseaussendungen an lokale Tageszeitungen, ...). Die Ergebnisse der Lehrveranstaltung wurden im vorliegenden Forschungsbericht zusammengefasst und im Juli 2011 im
Wissensturm in Linz präsentiert.
1.1 Inhalt und Aufbau des Endberichts
Der Endbericht umfasst die Ergebnisse der studentischen Arbeiten, die im Rahmen
der Lehrveranstaltungen erarbeitet wurden. 33 Studierende der Studienrichtung Sozialwirtschaft setzten sich in sechs Themengruppen mit den folgenden Themenbereichen
auseinander:
13
• Themengruppe 1 “Arigona Zogaj: Die Verschärfung der Asylpolitik”: Magdalene
Brunbauer, Andrea Gföllner, Philip Lang, Tanja Lehner, Claudia Pangratz
• Themengruppe 2 “Yankuba Ceesay: Die Bedingungen der Schubhaft”: Kurt Binder,
Gernot Desch, Nina Maier, Elisabeth Pühringer, Christoph Schulz
• Themengruppe 3 “Kopftuchverbot an Linzer Schulen: Angst vor dem Islam”: Julia
Katharina Baratti, Reinhard Haider, Gerlinde Hauder, Sabrina Salchegger, Nicole
Stieger, Romana Willhelm
• Themengruppe 4 “Die ’Türkenkonflikte’ im Neustadtviertel: Integration auf Stadtteilebene”: Vera Achleitner, Verena Binder, Sarah Kerstin Breuer, Christian Müller,
Carmen Rohrmoser, Georg Clemens Sunitsch
• Themengruppe 5 “Die ’Operation Spring’ in Linz: Das Bild vom afrikanischen
Drogendealer”: Michaela Gassner, Christoph Hittenberger, Daniel Mendl, Holger
Offenhuber, Alexander Schindlbauer, Lukas Streicher
• Themengruppe 6 “Rassismus und Medien”: Eva Maria Ertl, Elena Peters, Julia
Rabeder, Johanna Salat
Nach der im Anschluss folgenden allgemeinen Erläuterung der Methoden und Vorgehensweisen sowie einer kurzen Charakterisierung der analysierten Medien, die im Rahmen der
Lehrveranstaltung ausgewählt wurden, werden in den daran anschließenden Kapiteln die
einzelnen Ergebnisse der Themengruppen präsentiert. Kapitel 2 bietet eine Zusammenfassung der sechs Themenbereiche. Die Kapitel 3 bis 8 beschäftigen sich mit theoretischen
Auseinandersetzungen der einzelnen Themengruppen mit dem Themenkomplex “Rassismus
in oberösterreichischen Medien”. Ausgehend von einer allgemeinen Auseinandersetzung
mit dem Thema “Rassismus in Medien” wird der Bogen von einzelnen diskursiven Ereignissen hin zu thematischen Verbindungslinien und komplexeren Zusammenhängen
gezogen. Am Ende jedes Kapitels findet sich ein zugehöriges Fazit, am Ende der gesamten
Forschungsarbeit ein Anhang mit einem Tabellen- und Abbildungsverzeichnis und dem
Literaturverzeichnis.
1.2 Methodischer Zugang
In der vorliegenden Arbeit wurden ausschließlich Methoden der qualitativen Sozialforschung eingesetzt, d. h. der Fokus lag auf der Erhebung nicht standardisierter Daten
sowie deren Auswertung. Das methodische Konzept lässt sich in folgende Arbeitsphasen
einteilen, die in einem zirkulären Prozess durchlaufen wurden:
• Erhebungsphase
• Analyse- und Interpretationsphase
• Dokumentationsphase
14
1.2.1 Erhebungsphase
1.2.1.1 Desk Research
Im Zuge eines Desk Research wurden die Literaturauswahl vorgenommen und Materialrecherchen durchgeführt. Dabei wurde großer Wert darauf gelegt, potenzielle Quellen
auszuwählen, die inhaltlich sowohl das jeweilige untersuchte diskursive Ereignis, das
zugehörige kontextuelle Thema als auch die Darstellung beider Bereiche in ausgewählten
(ober)österreichischen Tageszeitungen erfassen.
1.2.1.2 Qualitative Interviews
Qualitative Interviews wurden auf mehreren Ebenen durchgeführt:
• Qualitative leitfadengestützte Interviews mit verschiedenen Interviewpartner_innen
• Flash-Interviews mit Bewohner_innen des Linzer Neustadtviertels
• Flash-Interviews mit ausgewählten Personen verschiedener Bevölkerungs- und Altersgruppen
Qualitative leitfadengestützte Interviews wurden mit verschiedenen Interviewpartner_innen
durchgeführt, u. a. mit betroffenen Personen, Expert_innen diverser NGOs, Politiker_innen, Rechtsexpert_innen sowie Menschenrechtsaktivist_innen. Dadurch sollten die
Sicht- und Handlungsweisen der Interviewpartner_innen sowie die sozialen Phänomene
in ihrem kulturellen Umfeld verstanden und erklärt werden.
Bei diesen Einzelinterviews, die in Form von face-to-face-Gesprächen durchgeführt wurden,
orientierten sich die Studierenden an einem Interviewleitfaden, der gemäß seiner Funktion
als methodisches Hilfsmittel nur ein Grundgerüst an Interviewfragen darstellte, das je
nach Interviewpartner_in, insbesondere bei den Expert_innen, umstrukturiert, gekürzt
oder um neue Fragen erweitert wurde.
Da sich die Studierenden im Rahmen der Interviews auf eine bestimmte Problemstellung
bezogen, die bereits vor dem Feldeintritt analysiert und in einem Interviewleitfaden
verarbeitet wurde, kamen problemzentrierte Interviews zum Einsatz.
1.2.1.3 Stadtteilbegehung
Im Rahmen der Forschungsarbeiten der Themengruppe 4, die sich mit den “Türkenkonflikten” im Linzer Neustadtviertel beschäftigte, wurden zwei Stadtteilbegehungen
durchgeführt. Die Stadtteilbegehung ist ein Beobachtungsverfahren, welches dazu dient,
Eindrücke und Wahrnehmungen aus dem Stadtteil zu sammeln. Im Vorfeld wurden
demografische Informationen über das Neustadtviertel gesammelt und eine Route mit
Schwerpunkt auf die religiöse und soziale Infrastruktur festgelegt.
1.2.2 Analyse- und Interpretationsphase
Die Analyse und Interpretation der im Rahmen der Erhebungsphase gewonnenen Daten
wurde folgendermaßen vorgenommen:
15
1.2.2.1 Analyse der Daten aus dem Desk Research
Hierbei wurden die im Desk Research erhobenen Daten, Dokumente, Studien, Protokolle,
Materialien und Berichte mittels einfacher Kodierungs- und Kategorisierungsverfahren
eingehend analysiert.
1.2.2.2 Transkription, Analyse und Interpretation der Interviews
Im Zuge der Transkription erfolgte die wortgetreue Übernahme des Interviewtextes in
schriftlicher Form. Nach Kodierung und Kategorisierung erfolgte eine Triangulation mit
den Daten aus dem Desk Research.
1.2.2.3 Mediendiskursanalyse
Bei der im Rahmen des Projektes angewandten Mediendiskursanalyse wurde eine Vorgehensweise gewählt, die sich an Siegfried Jäger und den von ihm herausgearbeiteten
theoretischen und methodischen Aspekten der Kritischen Diskursanalyse orientiert. Folglich wurden die untersuchten Zeitungsartikel sowohl einer Grob- als auch einer Feinanalyse
unterzogen, deren Ergebnisse in eine Gesamtanalyse eingearbeitet wurden. Zunächst
sollte allerdings erläutert werden, weshalb eine Diskursanalyse dieser Art im Rahmen
dieses Projektes überhaupt zur Anwendung gekommen ist. In diesem Zusammenhang
ist darauf hinzuweisen, dass es bei der Kritischen Diskursanalyse grundsätzlich darum
geht, zu ergründen, wie Wissen überhaupt entsteht und weitergegeben wird und welchen
Beitrag es zur Gestaltung und Entwicklung von Gesellschaften leistet.1 Folglich ist es
nahe liegend, gerade auf der Diskursebene der Medien, denen bei der Vermittlung von
Alltagswissen und der Meinungsbildung in einer Gesellschaft bekanntlich eine bedeutende
Rolle zukommt, eine solche Diskursanalyse durchzuführen.
Im Zuge der Mediendiskursanalysen wurde die Darstellung der diskursiven Ereignisse
“Arigona Zogaj”, “Yankuba Ceesay”, “Kopftuchdebatte an Linzer Schulen”, “Die ’Türkenkonflikte’ im Linzer Neustadtviertel” und “Die ’Operation Spring’ in Linz” im Hinblick auf das
Thema “Rassismus in den Medien” in folgenden acht (ober)österreichischen Tageszeitungen
untersucht:
• Die Presse
• Der Standard
• Neue Kronen Zeitung
• Oberösterreichische Nachrichten
• Salzburger Nachrichten
• Neues Volksblatt
• Kurier
Darüber hinaus wurden drei Beiträge aus der ORF-Sendung “Bundesland heute” analysiert.
1
vgl. Jäger 2000.
16
1.2.3 Dokumentationsphase
Auf Grundlage dieser Arbeitsschritte wurde abschließend das Material verdichtet und
in Form des vorliegenden Forschungsberichtes aufbereitet. Die vorliegende Arbeit wurde von den Studierenden in der Zeit von zwei Studiensemestern (wöchentlich je drei
Lehrveranstaltungseinheiten) erstellt.
1.3 Charakterisierung der analysierten Medien
1.3.1 Tageszeitung “Die Presse”
Die Presse vertritt laut dem Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ)
“[...] in Unabhängigkeit von den politischen Parteien bürgerlich-liberale
Auffassungen auf einem gehobenen Niveau. Sie tritt für die parlamentarische Demokratie auf der Grundlage des Mehrparteiensystems und für ihre
Rechtsstaatlichkeit ein. ’Die Presse’ bekennt sich zu den Grundsätzen der
sozialen Gerechtigkeit bei Aufrechterhaltung der Eigenverantwortlichkeit des
Staatsbürgers, zur Wahrung des privaten Eigentums unter Beobachtung seiner Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft, zu den Grundsätzen der
sozialen Marktwirtschaft, zur freien unternehmerischen Initiative und zum
Leistungswettbewerb. Sie verteidigt die Grundfreiheiten und Menschenrechte
und bekämpft alle Bestrebungen, die geeignet sind, diese Freiheiten und Rechte
oder die demokratische rechtsstaatliche Gesellschaftsordnung zu gefährden.
’Die Presse’ betrachtet es als journalistische Standespflicht, ihre Leser objektiv
und so vollständig wie nur möglich über alle Ereignisse von allgemeinem
Interesse zu informieren. Stellung zu nehmen und Kritik zu üben wird von
der ’Presse’ als ihre Aufgabe und ihr unveräußerliches Recht angesehen.” 2
Die betonte Unabhängigkeit kommt auch in der verwendeten Sprache zum Ausdruck.
Der Verein Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen konstatiert der Tageszeitung “Die Presse”
im Zeitraum von 2007 bis 2010 folgende Auflagenzahlen und Reichweiten:3
Jahr
2007
2008
2009
2010
Reichweite (%)
3,8
3,4
3,7
3,8
267.000
241.000
262.000
271.000
Tabelle 1.1: Auflagenzahlen und Reichweiten der Tageszeitung “Die Presse” 2007 – 2010
Der Österreichischen Auflagenkontrolle (ÖAK) kann entnommen werden, dass die Presse
im Wochenschnitt (Montag bis Samstag) 2010 eine Druckauflage von 97.091 Stück hatte.4
2
vgl. Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) 2011a.
Verein Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen 2011b.
4
vgl. Österreichische Au agenkontrolle (ÖAK) 2010b.
3
17
1.3.2 Tageszeitung “Der Standard”
Der Standard bezeichnet sich selbst als österreichische, unabhängige Tageszeitung, die
eine liberale Blattlinie und das Ziel, dem gehobenen Niveau seiner Leser_innen durch eine
gründliche Berichterstattung gerecht zu werden, verfolgt. Siegfried Jäger weist allerdings
darauf hin, dass eventuelle Selbsttitulierungen von Zeitungen als “unabhängig” oder
“überparteilich” nicht unbedingt der “wahren” ideologischen Diskursposition einer Zeitung
entsprechen müssen und solchen Bezeichnungen immer kritisch begegnet werden sollte.5
Laut dem Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) tritt der Standard
“[...] für die Wahrung und Förderung der parlamentarischen Demokratie
und der republikanisch-politischen Kultur, für rechtsstaatliche Ziele bei Ablehnung von politischem Extremismus und Totalitarismus, für die Stärkung der
wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit des Landes nach den Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft, für Toleranz gegenüber allen ethnischen und religiösen
Gemeinschaften sowie für die Gleichberechtigung aller Staatsbürger_innen
und aller Bundesländer der Republik Österreich” 6 ein.
Dem Verein Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen weist für den Standard im Zeitraum
von 2007 bis 2010 folgende Auflagenzahlen bzw. Reichweiten aus:7
Jahr
2007
2008
2009
2010
Reichweite (%)
5,0
5,5
5,6
5,3
Leser_innen gesamt
352.000
383.000
394.000
374.000
Tabelle 1.2: Auflagenzahlen und Reichweiten der Tageszeitung “Der Standard” 2007 –
2010
Zudem kann der von der ÖAK (Österreichische Auflagenkontrolle) erstellten “Auflagenliste
Jahresschnitt 2010” entnommen werden, dass der Standard im Wochenschnitt (Montag
bis Samstag) eine Druckauflage von 104.004 Stück zu verzeichnen hat.8 Bezüglich seiner
Leser_innenschaft kann festgehalten werden, dass er prozentuell von mehr Männern als
Frauen und überwiegend von gebildeten Personen im Alter zwischen 35 und 49 Jahren
gelesen wird. Im Zeitraum 2009/2010 waren 27,8 Prozent seiner Leser_innen Maturant_innen. 38,6 Prozent derselben Bezugsgröße konnten ein abgeschlossenes Studium
vorweisen.9 Dies kann nicht zuletzt darauf zurückgeführt werden, dass im Standard auf
einem vergleichsweise hohen sprachlichen Niveau berichtet wird und regelmäßig Beiträge
international bekannter Persönlichkeiten und Expert_innen veröffentlicht werden. Die
Berichterstattung beinhaltet meist viele Fakten und Hintergrundinformationen. Die Länge
der Artikel ergibt sich nicht aufgrund ausschweifender Formulierungen, sondern aufgrund
des reichen Informationsgehaltes.
5
vgl. Jäger 2000.
Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) 2011b.
7
vgl. Verein Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen 2011b.
8
vgl. Österreichische Au agenkontrolle (ÖAK) 2010b, S. 10.
9
vgl. Der Standard 2010b, S. 4.
6
18
1.3.3 Tageszeitung “Neue Kronen Zeitung”
Laut einer vom Verein Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen durchgeführten Studie im
Jahr 2010 wird die “Neue Kronen Zeitung” (kurz auch “Kronen Zeitung” oder “Krone”) in
Österreich täglich von etwa 2.764.000 Personen gelesen. Dies entspricht einer Reichweite
von 38,9 Prozent. Diese Zahl hat sich in den letzten fünf Jahren kaum verändert und
macht die Krone zur österreichischen Tageszeitung mit der größten Leser_innenschaft10 ,
wobei in etwa 83 Prozent des Umsatzes durch den Verkauf von Abonnements erzielt
werden.11
Mit 817.549 verkauften Exemplaren im Wochenschnitt (Montag bis Samstag) ist die
Kronen Zeitung die auflagenstärkste und erfolgreichste Tageszeitung Österreichs. Von der
Sonntagsausgabe werden im Schnitt sogar 1.341.209 Stück verkauft.12
Bezeichnend für die massenfokussierte Blattlinie der Kronen Zeitung sind die von ihr
veröffentlichten relativ knappen Artikel und die vergleichsweise beträchtliche Anzahl
kommentarhafter Kolumnen. Zudem warnte die Krone angesichts der Zunahme an Asylwerber_innen und Migrant_innen in der Vergangenheit mehrmals vor “Überfremdung”,
weshalb ihr nicht zuletzt deswegen schon öfter eine tendenziöse und subjektive Berichterstattung vorgeworfen wurde. Obwohl sich die Krone offiziell zu keiner politischen Ideologie
bekennt, ist in den Artikeln vielfach eine rechtspopulistische Haltung erkennbar. Viele
der Artikel sind bewusst nach einem Gut-gegen-Böse-Schema aufgebaut, um verstärkte
Emotionen und Bilder bei den Leser_innen zu erzeugen. Artikel über Asyl- und Migrationsthemen sind überdurchschnittlich oft von subjektiver Berichterstattung geprägt.
1.3.4 Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten”
Die Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten” (kurz auch “OÖNachrichten” oder
“OÖN”) wurde im Jahr 1945 von Julius Wimmer mit Unterstützung der amerikanischen
Besatzungsmacht gegründet. Bereits nach vier Monaten wurde die Partnerschaft aufgelöst
und die Oberösterreichischen Nachrichten wurden zu einer unabhängigen Tageszeitung.13
Laut der ÖAK betrug die Druckauflage der überregionalen Abonnement-Tageszeitung im
ersten Halbjahr 2010 im Wochenschnitt (Montag bis Samstag) 132.596 Stück.14 Angaben
der Oberösterreichischen Nachrichten zufolge lesen in etwa 675.000 Personen mindestens
einmal pro Woche eine ihrer Ausgaben. Die Leser_innenzahl liegt am Wochenende im
Schnitt bei 390.000 Personen. Die Auflagenzahl ist in den letzten Jahren tendenziell
gestiegen. Die Reichweite der OÖN liegt bei ca. 4,8 Prozent. Bei den 20- bis 29-jährigen
Leser_innnen entspricht die Reichweite nur 3,9 Prozent, wohingegen bei den Leser_innen
im Alter von 50 aufwärts eine Reichweite von 6,2 Prozent erreicht wird.15
Die Oberösterreichischen Nachrichten weisen einen starken Regionalbezug auf. Die Berichterstattung erfolgt in einer leicht verständlichen Sprache, die scheinbar eine breite
Leser_innenschicht ansprechen soll. Es finden sich oft populistische Formulierungen in
den Artikeln, jedoch bleibt die Objektivität großteils gewahrt.
10
vgl.
vgl.
12
vgl.
13
vgl.
14
vgl.
15
vgl.
11
Verein Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen 2011a.
APA-OTS Originaltext-Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung 2010.
ebd.
Oberösterreichische Nachrichten 2011.
Österreichische Au agenkontrolle (ÖAK) 2010a.
Verein Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen 2011a.
19
1.3.5 Tageszeitung “Salzburger Nachrichten”
Die “Salzburger Nachrichten” haben eine tägliche Auflage von 253.000 Stück. Dies entspricht einer Reichweite von 9,3 Prozent in Österreich.16 Vor allem im Bundesland Salzburg
erreicht die Tageszeitung Leser_innen von 73,2 Prozent pro Auflage.17 Aber auch darüber
hinaus sprechen die Salzburger Nachrichten rund 40 Prozent der Leser_innen unter den
Entscheidungsträger_innen außerhalb Salzburgs an, besonders stark in Wien, Niederösterreich, der Steiermark und Tirol. In etwa 90 Prozent der Leser_innen haben die Salzburger
Nachrichten abonniert, was auf eine hohe Kund_innenbindung schließen lässt. Der Leser_innenanalyse der Entscheidungsträger_innen (LAE) zufolge kann die Tageszeitung
als Nachrichten für Führungskräfte eingestuft werden.18
1.3.6 Tageszeitung “Neues Volksblatt”
Das “Neue Volksblatt” erscheint täglich von Montag bis Samstag mit einer täglichen
Auflage von durchschnittlich 23.400 Exemplaren. Die maximale Reichweite liegt in Oberösterreich bei rund fünf Prozent und in gesamt Österreich bei etwa einem Prozent. Die
Hauptverbreitung liegt in Oberösterreich, speziell in Linz, Wels und Steyr. Das “Neue
Volksblatt” hat einen Abonnent_innenanteil von etwa 89 Prozent.19
Die Tageszeitung steht unter Einfluss der Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Geschäftsführer ist derzeit der Landesparteisekretär der ÖVP. Das “Neue Volksblatt” ist demnach
dem christlich-sozialen Gedankengut verpflichtet.
1.3.7 Tageszeitung “Kurier”
Der “Kurier” erschien zum ersten Mal am 18. Oktober 1954 unter dem Namen “Neuer
KURIER” als Nachfolger des “Wiener Kurier”, den der amerikanische Informationsdienst
in Österreich seit August 1945 herausgab. Seit 2010 ist Helmut Brandstätter Chefredakteur des Kuriers. Laut OEAK (Österreichische Auflagenkontrolle) hat der Kurier im
Wochenschnitt eine Druckauflage von 208.276 Exemplaren.20
Der Kurier ist eine unabhängige Tageszeitung, der sich unter anderem dem europäischen
Einigungsprozess und dem System der Sozialen Marktwirtschaft und Berücksichtigung der
Ökologie sowie der Achtung vor allen Glaubens- und Religionsgemeinschaften verpflichtet
fühlt.
16
vgl.
vgl.
18
vgl.
19
vgl.
20
vgl.
17
20
Verein Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen 2011a.
Salzburger Nachrichten 2011.
ebd.
Neues Volksblatt 2011.
Österreichische Au agenkontrolle (ÖAK) 2011.
2 Zusammenfassung
2.1 Rassismus und Medien
Es existieren verschiedene Definitionen von Rassismus. Grundsätzlich wird damit die
Einteilung von Menschen in angeblich naturgegebene Gruppen aufgrund ihrer ethnischen, nationalen oder religiösen Zugehörigkeit sowie die hierarchische Einstufung dieser
Gruppen gemeint. Außerdem ist Rassismus unmittelbar mit Stereotypen, Vorurteilen
und Feindlichkeit den “Anderen” gegenüber verbunden. Als “Beginn der rassistischen
Zeitrechnung” gilt die Entdeckung Amerikas. Hierbei wurde erstmals die Konstruktion
des “Anderen” aufgrund physiognomischer, biologischer und kultureller Differenzen in
Kombination mit Herabwürdigung erwähnt. Im 19. Jahrhundert waren Kategorisierung
und Entwicklung verschiedener Rassenkonstrukte weit verbreitet. Großen Einfluss auf
die Entwicklung der Rassenideologie übten Gobineau und Chamberlain aus. Diese zwei
Rassentheoretiker und einige andere Rassenideologen hatten auch großen Einfluss auf die
Entstehung des Nationalsozialismus.
Im Teilkapitel “Medien” wird auf die Funktionen der Medien in der Gesellschaft, ihre
Wirkungsweisen auf das Publikum und im Speziellen auf ihren Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess eingegangen. Die Informationsfunktion wird als zentrale Funktion
der Medien hervorgehoben, was den Anspruch der Medien auf eine neutrale Berichterstattung der Wirklichkeit erklärt. Zu anderen wichtigen Aufgaben der Medien gehören
die Gestaltung von Diskursen, die Filterfunktion, die Thematisierungsfunktion und die
Öffentlichkeitsfunktion. Journalist_innen als sogenannte “Gatekeeper” bestimmen, welche
Inhalte an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden. Aus Ereignissen werden Nachrichten
aber erst gemacht, d. h. um einen Nachrichtenbeitrag zu verfassen, sollte ein Geschehen
zuerst in eine berichtbare Form gebracht werden. In diesem Zusammenhang wird vom
sogenannten Berichterstattungsmuster gesprochen. Durch diese narrativen Muster werden
Objektivität und Realitätsabbildung von Nachrichten vorgetäuscht und damit Glaubwürdigkeit erreicht. Andererseits stehen Journalist_innen zahlreiche Mittel zu Verfügung,
etwa sprachliche Figuren, Symbole und Bilder, um ein Ereignis interessant darzustellen.
Kollektivsymbole sind etwa ein wichtiges Mittel, um die emotionale Ebene des Publikums
anzusprechen. Sie bilden die in der Gesellschaft vorherrschende Meinung ab und sorgen
dafür, dass Nachrichten dem Gesamtbild einer Gesellschaft nicht widersprechen. Ständig
wiederholte mediale Aussagen, genauer gesagt der sogenannte mediale Diskurs, verfestigen
sich im Bewusstsein der Massen und prägen menschliche Einstellungen, Denkweisen und
Verhalten, daher ist die Macht der Medien über die Gesellschaft nicht zu unterschätzen.
Medien verfügen über einen großen Einfluss auf menschliches Verhalten und Denken. Diese
Macht ist aber sehr ungleich verteilt. So sind Medienmacher auf die Wünsche potenzieller
Rezipient_innen ausgerichtet, damit ihre “Informationen” gut ankommen.
Das folgende Teilkapitel beschäftigt sich mit der Berichterstattung über Migrant_innen,
mit dem Sprachgebrauch in Zusammenhang mit dieser Berichterstattung sowie mit den
Strategien zur Vermeidung von Rassismus in den Medien. In diesem Teil werden die
21
interessantesten Ergebnisse der geführten Expert_inneninterviews einbezogen. Alle befragten Interviewpartner_innen wiesen darauf hin, dass die Berichterstattung in Bezug
auf Einwanderer_innen überwiegend diskriminierend und problemorientiert ist. Sie ist
nicht direkt sondern eher subtil rassistisch. Einerseits werden Migrant_innen meistens
im negativen Kontext (Drogen oder Kriminalität) dargestellt, andererseits wird immer
wieder eine Verbindung des Geschehens mit dem Migrationshintergrund, der Hautfarbe
und Religion der Beteiligten hergestellt, was tendenziell zu einer Zunahme von Vorurteilen
in der Leser_innenschaft führen kann. Das Individuum wird dabei verallgemeinert und
als Repräsentant_in einer homogenen Gruppe gesehen, die negativ beurteilt wird. Für die
Berichterstattung über Schwarze Menschen in Österreich ist zum Beispiel das Zurückgreifen auf Stereotype des Opfers oder des Täters charakteristisch. Schwarze treten entweder
in der Rolle eines Opfers von Rassismus, Gewalt oder Naturkatastrophen oder in der
Rolle eines/einer Täters/Täterin auf, zum Beispiel als schwarzafrikanische_r Drogendealer_in. Eine stereotype Darstellung, d. h. die Reduktion einzelner Individuen auf wenige
Merkmale, schürt Missverständnisse und Angst in der einheimischen Bevölkerung. In
den letzten Jahren ist aber eine positive Veränderung der Berichterstattung in mehreren
österreichischen Medien über Migrant_innen festzustellen. Sie ist offener, freundlicher
und “globalisierter” geworden. Diese Tendenz hat u. a. damit zu tun, dass Migrant_innen
selbst eine aktive Rolle in der Berichterstattung über Migrant_innen übernommen haben.
Was den Sprachgebrauch angeht, ist Vorsicht vor allem beim Aussuchen passender Begriffe für verschiedene Migrant_innengruppen wichtig. Es ist nicht das Gleiche, wenn
das rassistische Wort “Neger” statt “Afro-Österreicher_in” verwendet wird. Es wird
Journalist_innen empfohlen, Migrant_innen gegenüber Respekt zu zeigen und die Selbstdefinitionen von Migrant_innen zu verwenden. Einige Termini wurden in der vorliegenden
Arbeit auf das Vorhandensein des rassistischen Beigeschmacks überprüft, wie beispielsweise “Ausländer_in”, “Flüchtling”, “Vertriebene_r”, “Verfolgte_r,” “Asylant_in” oder
“Asylbewerber_in”, u. a. auch die Bezeichnungen für Menschen mit dunkler Hautfarbe. In
der deutschen Sprache ist der Begriff “schwarz” negativ besetzt. Das veranschaulichen
folgende Ausdrücke: Schwarzfahren, Schwarzmalen, Schwarzarbeit. Darum lehnen manche
Menschen mit dunkler Hautfarbe die Bezeichnung “Schwarze” ab. Viele Afrikaner_innen
stehen aber stolz zu dieser Bezeichnung trotz der negativen Konnotation des Wortes in
europäischen Kulturen. Im Deutschen gibt es genug andere wegen ihrer beleidigenden
Nebenbedeutungen inakzeptable Bezeichnungen für Menschen mit dunkler Hautfarbe:
“Mohr”, “Bimbo”, “Nigger”, “Neger”. Der Name der österreichischen Nachspeise “Mohr im
Hemd” sorgt etwa für Aufregung unter Schwarzen. Es gibt allerdings keine “Therapie” für
rassistisch infizierte Wörter wie “Neger”. Sie werden immer wieder negative Einstellungen
und rassistische Denkweisen auslösen.
Die Suche nach passenden Wörtern zur Beschreibung der sich ständig verändernden Wirklichkeit ist ein komplizierter Prozess und verlangt gewisse Kreativität. Journalist_innen
greifen oft zu Metaphern, wenn sie keine präzisen Bezeichnungen für Erscheinungen finden,
wobei sie aber der Gefahr unterlaufen, diese Sachverhalte zu verzerren, d. h. entweder ihre
Bedeutung zu mildern oder zu übertreiben. Beispielsweise kommen im Migrationsdiskurs
metaphorische Ausdrücke aus dem Bereich Wasser besonders oft vor. Diese Metaphern
lösen Geflechte von Assoziationen und Emotionen beim Publikum aus, auch weil sie auf
Kollektivsymbole der Gesellschaft zurückgreifen. Wasser-Metaphern beziehen sich auf das
berühmte Boot-Symbol, wo Boot für die Gesellschaft steht und Flut (äußere Gefahren),
Sturm (besonders große, äußere Gefahren) oder “alle in einem Boot” (Gemeinschaft,
Sozialpartnerschaft) im Kontext auftauchen. So wird das Thema Zuwanderung mit den
Themen Ausgrenzung, Gefahr und Überforderung des eigenen Systems durch das schwer
22
kontrollierbare Gegen-System in Zusammenhang gebracht. Es fördert die Verfestigung
rassistischer Denkweisen und Einstellungen.
Die während der Literaturrecherche ausgearbeiteten Strategien zur Vermeidung von
Rassismus wurden in vier Gruppen unterteilt:
1. Vermeidung von Rechtsextremismus und Aufklärung
2. Sensibilisierung und Erweiterung der Medienlandschaft
3. Erweiterung der rechtlichen Grundlagen
4. Ausbauen interkultureller Bildung
Dazu kamen noch die von den Expert_innen vorgeschlagenen Strategien wie beispielsweise
das Streben nach der objektiven Darstellung von Migrant_innen oder die öffentliche
Bekämpfung von Rassismus.
Obwohl es viele Vorgaben zur Gestaltung medialer Texte gibt, verfügen Journalist_innen
aufgrund ihres fachlichen Wissens über viel Macht bei der Verfassung der Texte. Die
Wirkungsbreite und -tiefe medialer Texte verlangt von den Autor_innen Sorgfalt und
Gewissenhaftigkeit beim Schreiben. Wenn objektive Berichterstattung als die wichtigste
Aufgabe der Medien wahrgenommen wird, sollte bei der Auswahl von Begriffen und
Metaphern besonders aufgepasst werden, da sie viel mit der emotionalen Ebene der
Wahrnehmung zu tun haben. Der Gebrauch zweideutiger Begriffe und negativ konnotierter
Ausdrücke im Migrationsdiskurs führt oft zur Verfestigung rassistischer Denkweisen und
rassistischen Verhaltens in der Bevölkerung.
2.2 Arigona Zogaj: Die Verschärfung der Asylpolitik
Rassismus ist in Österreich allgegenwärtig und findet auf vielfältige Weise seinen Ausdruck. Neben der Politik wird insbesondere den Medien eine besondere gesellschaftliche
Verantwortung zugeschrieben. Die Kritik der Europäischen Kommission gegen Rassismus
und Intoleranz hinsichtlich rassistischer Tendenzen im öffentlichen Diskurs in Österreich
ist anhand der verschiedenen Berichterstattungen untersuchbar.
Dem Kapitel liegen die Ereignisse rund um Arigona Zogaj und die geänderten gesetzlichen
Bestimmungen der Asylpolitik der letzten zehn Jahre zugrunde. Bei Arigona Zogaj
handelt es sich um ein aus dem Kosovo stammendes, nunmehr 18-jähriges Mädchen, das
gemeinsam mit seiner Familie einige Jahre illegal in Österreich lebte. Nach Ausschöpfen
aller Rechtsmittel und nach Abschluss aller langjährigen Verfahren wurden Arigona und
ihre Familie Mitte des Jahres 2010 in den Kosovo abgeschoben, bevor sie im November
2010 wieder legal mittels Schülervisum bzw. Arbeitsvisum nach Österreich einreisen
durften.
Im Jahr 2007 versteckte sich die damals 15-jährige Arigona aus Angst vor einer Abschiebung und lenkte damit die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das österreichische
Fremdenrecht. Anhand einiger definierter ereignisbezogener Meilensteine wurde in der
vorliegenden Arbeit untersucht, ob und wie in den österreichischen Medien Rassismus in
Sprache, Symbolik oder Bildern dargestellt, durch Medienbeiträge verstärkt oder abgebaut
wird.
23
Zu Beginn des Kapitels wird ein Überblick über die chronologischen Ereignisse seit der
illegalen Einreise der Familie vermittelt. Ergänzend dazu werden das österreichische
Asylgesetz und die ausschlaggebenden Kriterien für die Gesetzesänderungen der letzten
zehn Jahre näher beleuchtet. Dabei werden zuerst die historischen Grundlagen des österreichischen Asylgesetzes und anschließend die Änderungen in der Asylgesetzgebung seit
Anfang der 1990er-Jahre in Österreich näher betrachtet. Das Kapitel gibt auch eine kurze
Zusammenfassung der wichtigsten Punkte des aktuell beschlossenen Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 wieder und beleuchtet anhand von diversen Meinungen österreichischer
Abgeordneter und Expert_innen, ob man von einer Verschärfung der Asylpolitik sprechen
kann. Außerdem erfolgt ein Überblick über die prägendsten europäischen Programme
und Verordnungen der letzten zwei Jahrzehnte. Abschließend wird auf das Verfahren der
Antragstellung eines Asylverfahrens in Österreich in groben Zügen eingegangen.
Im Anschluss daran folgt eine Mediendiskursanalyse anhand ausgewählter ereignisbezogener Berichte aus drei österreichischen Tageszeitungen (Der Standard, Kronen Zeitung,
Oberösterreichische Nachrichten), die sich an einzelnen Meilensteinen des diskursiven
Ereignisses “Arigona Zogaj” orientiert.
2.3 Yankuba Ceesay: Die Bedingungen der Schubhaft
Die Analyse der Ereignisse rund um den Fall “Yankuba Ceesay” beginnt mit der Ankunft
des damals noch minderjährigen Mannes am 11. März 2004 in Österreich. Der in Gambia
geborene Asylwerber kam über Italien nach Österreich. Seinen eigenen Angaben zufolge
war der Grund seiner Flucht ein politischer. Einen Tag nach seiner Ankunft in Österreich
stellte Ceesay beim Amt für Jugend und Familie der Stadt Wien einen Asylantrag. Im
Juli 2004 wurde er aufgrund des Besitzes von Cannabis und des damit verbundenen
Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz (SMG) festgenommen. Nach der Verbüßung seiner
Haftstrafe in der Justizanstalt Wien-Josefstadt und der Justizanstalt Linz (JA Linz)
stand die Ablehnung seines Asylantrages bereits fest. Da Ceesay zum Zeitpunkt seiner
Haftentlassung bereits volljährig war, keinen ordentlichen Wohnsitz nachweisen konnte und
nicht im Besitz gültiger Reisedokumente war, wurde die direkte Überstellung von der JA
Linz in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) Linz veranlasst, wo er die Zeit vom 12. September
2005 bis zu seiner Abschiebung verbringen sollte. Um gegen die Haftbedingungen zu
protestieren, gab Ceesay am 28. September 2005 seinen Eintritt in den Hungerstreik
bekannt. Trotz des massiven Gewichtsverlustes wurde sein Allgemeinzustand bis zu
seinem Todestag am 4. Oktober 2005 von den Polizeiamtsärzten für gut befunden. Die
feststellbare Schwäche des Afrikaners sei laut Berichten nur simuliert gewesen, dennoch
veranlasste der Polizeiamtsarzt nach Rücksprache mit der Chefärztin die Überstellung
in das Allgemeine Krankenhaus (Akh) Linz. Die fachärztlichen Untersuchungen hätten
ergeben, dass eine stationäre Aufnahme Ceesays im Akh Linz nicht notwendig war. Aus
diesem Grund erfolgte seine Rückverlegung in das PAZ Linz. Da sich Ceesay während der
Untersuchungen wenig kooperativ zeigte und passiven Widerstand leistete, wurde er in
eine Sicherungszelle verlegt, in der er von einem Stationsbeamten kurze Zeit später tot
aufgefunden wurde.
Die Berichte des Menschenrechtsbeirates (MRB), der Medien, der Expert_innen und des
Landesgerichtes Linz über den Fall “Yankuba Ceesay” weisen erhebliche Unterschiede
auf. Um Klarheit über die Umstände des Falles, im Besonderen den Todeshergang,
zu gewinnen, wurden intensive Recherchearbeiten durchgeführt, die neben einem Desk
24
Research auch Expert_inneninterviews und eine Mediendiskursanalyse des diskursiven
Ereignisses umfassten.
Des Weiteren wird in der vorliegenden Arbeit nicht nur ein Einblick in die prekären
Verhältnisse und die strukturellen Rahmenbedingungen in den oberösterreichischen PAZ,
sondern auch in die “menschliche Komponente” der Schubhaft gegeben. Die “zwangsweise
außer Landes Geschafften” werden meist zu Unrecht mit illegalem und rechtswidrigem
Verhalten in Verbindung gebracht, da viele Menschen glauben, dass Schubhaft eine Strafe
sei. Um für eine diesbezügliche Aufklärung zu sorgen, wurde das Thema sowohl auf der
rechtlichen als auch auf der sozialpolitischen Ebene beleuchtet.
Was die Schubhaftverfahren in Österreich betrifft, sollte festgehalten werden, dass diese
von zahlreichen Novellierungen und Änderungen in den letzten Jahren geprägt sind. Die
oftmals prekären Verhältnisse in den österreichischen Polizeianhaltezentren erachten viele
Organisationen als Anlass, um ihre Stimmen gegen solche Einrichtungen zu erheben.
Die vorliegende Arbeit soll darauf aufmerksam machen, dass ein bloßer Verwaltungsakt,
wie er im Falle der Schubhaft gegeben ist und der laut österreichischem Recht keine Strafe
darstellt, einen massiven Eingriff in die persönliche Freiheit, das Leben und die Integrität
der Betroffenen darstellt und in den meisten Fällen weitreichende persönliche Folgen mit
sich zieht.
2.4 Kopftuchverbot an Linzer Schulen: Angst vor dem Islam
Das Ziel dieses Kapitels ist eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Thema “Kopftuch” und “Islam in den Medien”. Dazu erfolgte eine Analyse der Berichterstattung in
einzelnen österreichischen Printmedien im Zusammenhang mit der Kopftuchdebatte an
Linzer Schulen. Konkret ging es dabei um zwei Ereignisse: Eines betraf den Konflikt
zwischen Eltern und Lehrer_innen an der Otto-Glöckel-Schule im Jahr 2006, das zweite
Ereignis fand 2004 an der Stelzhamerschule statt, wo einer Schülerin der Schulbesuch
verwehrt wurde, weil sie ein Kopftuch trug. Im Rahmen von Diskursanalysen wurde
die Medienberichterstattung folgender Zeitungen untersucht: Die Presse, Der Standard,
Kronen Zeitung und Oberösterreichische Nachrichten.
Besonderes Augenmerk lag auf der Gestaltung der Berichte sowie dem Einsatz von
sprachlichen Mitteln, Begriffen und Redewendungen. Dabei wurde analysiert, wie die
Artikel und Beiträge formuliert und ausgestaltet waren, ob die Berichterstattung neutral,
objektiv, positiv oder eher negativ gehalten und ob rassistische Inhalte bzw. Aussagen
vorkamen.
Des Weiteren wurden Interviews mit folgenden Expert_innen geführt: Klaus Luger (Vizebürgermeister der Stadt Linz), Kurt Lehner (Bezirksschulinspektor Linz-Stadt), Carla
Amina Baghajati (Forum Muslimische Frauen), Gabriele Riemenschneider (Bezirksschulinspektorin), Waltraud Padosch (Direktorin der Otto-Glöckel-Schule in Linz).
Mit Hilfe von 20 Flash-Interviews, die am Campus der JKU Linz durchgeführt wurden,
konnten zusätzliche Erkenntnisse hinsichtlich der allgemeinen Stimmung in Bezug auf das
Thema Kopftuch gewonnen werden.
Die Analyse der Berichterstattung zur Kopftuchdebatte in Linz an der Otto-Glöckel-Schule
und der Stelzhamerschule ergab ein sehr differenziertes Bild im Hinblick auf Wortwahl,
25
Schreibstil, Darstellung und Stellenwert bzw. Häufigkeit der Berichterstattung. Auffällig
in der gesamten Berichterstattung der Printmedien war, dass die betroffenen Väter kaum
zu Wort kamen. Die in den Medien dargestellte “Kopftuchdebatte” wurde hauptsächlich
zwischen Politiker_innen geführt. Interessant erscheint auch die Tatsache, dass sich
die beiden Ereignisse an den Linzer Schulen, trotz der mit involvierten Expert_innen
geführten Interviews, nicht vollständig rekonstruieren ließen.
In der Berichterstattung wurde (bewusst oder unbewusst) Diskriminierung aufgrund der
Religionsausübung bzw. des Sichtbarmachens der eigenen Religionszugehörigkeit vermittelt
und eine grundsätzliche Ablehnung der islamischen Kultur sehr offen kommuniziert.
Botschaften dieser Art wurden in den Berichten vor allem durch die Haltung “Wir
und die Anderen” betont. Die Berichterstattung war insgesamt wenig sachlich und sehr
unausgeglichen.
2.5 Die ’Türkenkonflikte’ im Neustadtviertel: Integration
auf Stadtteilebene
Das Thema “Integration auf Stadtteilebene” ist ein Aufgabengebiet, das jede Stadt und
jede Gemeinde betrifft. Die Relevanz des Themas für die Stadt Linz wird besonders
deutlich, wenn die Ereignisse vom November 1992 betrachtet werden. Bei einer türkischen
Vereinseröffnung im Linzer Neustadtviertel kam es zu massiven Ausschreitungen zwischen
Kurd_innen und Türk_innnen sowie österreichischen Autonomen. Auslöser des Konflikts
war die Einreise des rechtsextremen, türkischen Parlamentsabgeordneten Yasar Erbaz.
Dieser hatte eine Führungsposition in der Ülkücü-Bewegung, auch “Graue Wölfe” genannt,
inne. Seit diesem Ereignis trägt das Neustadtviertel den Beinamen “Türkenviertel”. Bei
einer Gesamtbevölkerung von 189.845 Einwohner_innen in Linz beträgt der Anteil an
Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft 15,2 Prozent. Von diesem Anteil ist
die größte Gruppe mit 14,6 Prozent jene aus Bosnien und Herzegowina. Der Anteil der
türkisch-stämmigen Personen macht dagegen nur 10,6 Prozent aus.
Im Rahmen der Projektarbeit wurden Interviews mit Expert_innen aus dem politischen
sowie aus dem medialen Bereich durchgeführt. Trotz durchaus unterschiedlicher Ansichten
zum Thema “Integration” sind sich die Expert_innen in einem Punkt einig: Integration
ist als dynamischer Prozess zu verstehen, der niemals endet.
Ein Teil des Kapitels ist dem allgemeinen Themenschwerpunkt Integration sowie dem
Thema Integration auf Stadtteilebene gewidmet. Einerseits werden die Integrationsbemühungen in Oberösterreich und Linz beschrieben, etwa durch Vorstellung des Integrationsleitbildes des Landes Oberösterreich. Eine wichtige Funktion in der Integrationspolitik
in Linz übernimmt seit 1996 der Migrations- und Integrationsbeirat der Stadt Linz.
Darüber hinaus wurde bereits Anfang der 1990er-Jahre ein “Ausländer-Ombudsmann”
eingeführt und 1991 ein Linzer Integrationsbüro gegründet. Seit 2010 existiert in Linz ein
eigenes Maßnahmenpaket für Integration unter dem Titel “Für den Zusammenhalt unserer
Gesellschaft”. Dieses Paket umfasst 21 Projekte in neun verschiedenen Themengebieten.
Der Themenschwerpunkt Integration auf Stadtteilebene befasst sich auch mit dem Stadtteilentwicklungskonzept für Linz-Mitte, welches eine Verbesserung der täglichen Umwelt
anstrebt. In diesem Zusammenhang spielt auch das Thema Quartiersmanagement eine
tragende Rolle. Quartiersmanagement untersucht die Situation im Stadtteil, wie beispielsweise zur Verfügung stehende Freizeiteinrichtungen, und entwickelt Möglichkeiten zur
26
Verbesserung des Zusammenlebens. Die Wohnbaupolitik muss beispielsweise so gestaltet
sein, dass eine Durchmischung der Bevölkerung erreicht wird, um einer möglichen sozialen
Segregation entgegenzuwirken.
Um herauszufinden, wie die Medien mit dem diskursiven Ereignis der so genannten
“Türkenkonflikte” im Linzer Neustadtviertel umgingen, wurde eine Mediendiskursanalyse
durchgeführt. Dazu wurden Zeitungsberichte aus den Tageszeitungen mit den höchsten
Auflagen herangezogen, darüber hinaus drei Beiträge aus den ORF-Sendungen “Österreich
Heute” und “Oberösterreich Heute” analysiert.
2.6 Die ’Operation Spring’ in Linz: Das Bild vom
afrikanischen Drogendealer
Die “Operation Spring” in Österreich ging als die größte Polizeiaktion der Zweiten Republik ein. Es handelte sich um eine groß angelegte Polizeiaktion, welche am 27. Mai 1999
in mehreren Städten Österreichs gleichzeitig stattfand. Sie konzentrierte sich vorrangig
auf Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Die Aktion wurde genau 26 Tage nach dem Tod
des Schubhäftlings Marcus Omofuma durchgeführt und richtete sich gegen eine angebliche “nigerianische Drogenmafia”. Im Zuge des Einsatzes stürmten 850 Sicherheitskräfte
verschiedene Asylwerber_innenwohnheime und Wohnungen in verschiedenen Städten
Österreichs. Es wurden dabei ungefähr 100 verdächtige Personen, größtenteils Afrikaner_innen , verhaftet. Unter den Verhafteten befand sich auch Charles Ofoedu, der von
den Medien zum “mutmaßlichen Drogenboss” deklariert wurde. Die Vermutung der Polizei
gegenüber Ofoedu erwies sich jedoch als falsch, woraufhin der Anklagepunkt bereits
am 13. Oktober 2000 fallen gelassen werden musste. Bekannt wurde die Polizeiaktion
in den Medien vor allem deshalb, da in ihrem Zuge erstmals die Techniken des großen
Lauschangriffes eingesetzt wurden.
Der Grund für die Verknüpfung von Schwarzen mit Drogendelikten ist vor allem in
Österreichs Medienlandschaft zu suchen. Geprägt durch Ausführungen einzelner österreichischer Tageszeitungen wurde das durch die “Operation Spring” entstandene Bild
vom “afrikanischen Drogendealer” von der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung
unreflektiert übernommen und somit zu einem Stereotyp und Vorurteil gegenüber Afrikaner_innen. Laut Amnesty International trägt in Österreich vor allem die auflagenstärkste
Tageszeitung in Österreich, die “Neue Kronen Zeitung” schuld daran. Darin werden Afrikaner_innen im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen in Österreich signifikant öfter als
Kriminelle hervorgehoben. Christian Cakl vom Verein “SOS-Menschenrechte Österreich”
sieht den hauptsächlichen Grund für die negative Darstellung von Schwarzafrikaner_innen
dabei eher nicht in einer fremdenfeindlichen Tendenz in den Medien, sondern im vorherrschenden Sensationsjournalismus. Im Zuge der Arbeit wurden auch Gründe für die
Entstehungsgeschichte des Vorurteils abseits der “Operation Spring” recherchiert.
Ein Teil der Arbeit widmet sich der Berichterstattung österreichischer Tageszeitungen
über die “Operation Spring”. Die analysierten Printmedien kommen zum Teil aus dem
Raum Oberösterreich, die restlichen Medien stellen österreichische Tageszeitungen dar.
Ausgewählt wurden auflagenstarke Tageszeitungen, welche in Oberösterreich und Österreich vertrieben werden. Des Weiteren ist zur Auswahl der Printmedien vor allem zu sagen,
dass durch die ausgesuchten Medien versucht werden sollte, ein möglichst breites Bild der
österreichischen Presselandschaft darzustellen. Deswegen wurde die Berichterstattung von
27
vier österreichischen Tageszeitungen, Neue Kronen Zeitung, Der Standard, Oberösterreichische Nachrichten und Die Presse, miteinander verglichen. Dabei wurden signifikante
Unterschiede in der Berichterstattung der ausgewählten Printmedien erkennbar, von
relativ objektiver Berichterstattung bis hin zur Forcierung von Vorurteilen gegenüber
Afrikaner_innen.
Nicht nur während oder kurz nach der großangelegten Polizeiaktion “Operation Spring”,
auch heute noch sind Afrikaner_innen von rassistischen Diskriminierungen und Stereotypisierungen betroffen. Die Zielsetzung der Arbeit war es, die “Operation Spring” in Linz und
das Bild vom “afrikanischen Drogendealer” zu beleuchten und dabei die Rolle der Medien
zu analysieren. Im Zuge dessen wurde ersichtlich, dass die Medienberichterstattung das
Bild der/des Schwarzen bei den Rezipient_innen stark beeinflusst.
28
3 Rassismus und Medien
3.1 Rassismus
Rassismus ist ein Problem, mit dem sich die Menschheit tagtäglich beschäftigt. Obwohl
sich die Gesellschaft schon weit entwickelt hat, finden sich immer wieder rassistische
Übergriffe auf der gesamten Welt. Aktuelle politische Entwicklungen, wie beispielsweise
das Minarett-Verbot in der Schweiz, weisen auf die große Problematik hin. Daher wird im
Kapitel “Rassismus” auf verschiedene Definitionen eingegangen, auf die Grundlagen des
Rassismus im 19. Jahrhundert, den Rassenbegriff nach Gobineau, die Rassenideologie von
Chamberlain, spezielle Formen des Rassismus und zuletzt auf die Entstehung und den
geschichtlichen Hintergrund, um einen Überblick über die Thematik zu verschaffen.
Aufgrund geschichtlicher Hintergründe wie beispielsweise der Schlechterstellung (inferior,
subordinate) gesamter Menschengruppen, Völker und Bevölkerungsgruppen muss vor allem
darauf geachtet werden, dass man Rassismus heutzutage nicht verharmlost. Intoleranz,
Fremdenangst, Fremdenfeindlichkeit oder auch Xenophobie sind zu harmlose Worte, die
die Diskriminierung aller Menschen außerhalb einer bestimmten “Rasse” – meist der
Weißen – darstellen.1
3.1.1 Definitionen
Es gibt viele verschiedene Begriffsauffassungen und Interpretationsmöglichkeiten, wodurch
eine gemeinsame Begriffsdefinition von Rassismus nicht möglich ist. Manchmal wird der
Begriff in einem breiteren, manchmal in einem engeren Kontext verstanden. Wikipedia
beschreibt beispielsweise Rassismus ganz einfach als
“[...] soziales Phänomen anhand pseudowissenschaftlicher Analogieschlüsse aus
der Biologie.” 2
Im Oxford Online Wörterbuch ist folgende Definition zu finden:
“The believe that all members of each race possess characteristics, abilities,
or qualities specific to that race, especially so as to distinguish it as inferior or
superior to another race or races. [...] prejudice, discrimination or antagonism
directed against someone of a different race based on the believe that one’s
own race is superior.” 3
Eng betrachtet versteht sich Rassismus als
1
vgl. Birungi 2007, S. 56
vgl. Wikipedia, Die freie Enzyklopädie 2011
3
vgl. Oxford Dictionaries 2011
2
29
“[...] Ideologien, welche die Menschheit in eine Anzahl von biologischen Rassen
mit genetisch vererbbaren Eigenschaften einteilen und die so verstandenen
’Rassen’ hierarchisch einstufen.” 4
Und weiter betrachtet ist Rassismus beschrieben als
“[...] Ideologien und Praxisformen auf der Basis der Konstruktion von Menschengruppen als Abstammungs- und Herkunftsgemeinschaft, denen kollektive
Merkmale zugeschrieben werden, die implizit und explizit bewertet und als
nicht oder nur schwer veränderbar interpretiert werden.” 5
Das Wörterbuch der Sozialpolitik beschreibt Rassismus folgendermaßen:
“Rassismus bezeichnet eine Ideologie, die Menschen aufgrund physiognomischer oder kultureller Eigenarten oder aufgrund ihrer ethnischen, nationalen
oder religiösen Zugehörigkeit in angeblich naturgegebene Gruppen – so genannte Rassen – einteilt und diese hierarchisiert. Menschen werden nicht als
Individuen, sondern als Mitglieder solcher pseudoverwandtschaftlicher Gruppen mit kollektiven, weitgehend als unveränderbar betrachteten Eigenschaften
beurteilt und behandelt.” 6
George Fredrickson wiederum greift die ethnozentrische Begriffsauffassung auf:
“Rassismus entspringt einer Denkweise, wodurch ’sie’ sich von ’uns’ dauerhaft unterscheiden, ohne dass es die Möglichkeit gäbe, die Unterschiede zu
überbrücken. Dieses Gefühl der Differenz liefert ein Motiv beziehungsweise
eine Rechtfertigung dafür, dass ’wir’ unseren Machtvorteil einsetzen, um den
ethnorassisch Anderen auf eine Weise zu behandeln, die wir als grausam oder
ungerecht ansehen würden, wenn Mitglieder unserer eigenen Gruppe davon
betroffen wären.” 7
Zuletzt sollte noch erwähnt werden, dass auch die Vereinten Nationen gegen Rassismus
ankämpfen. Daraus resultiert auch das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung aller
Formen von Rassendiskriminierung. Der entsprechende Ratifizierungsantrag wurde am 21.
Dezember 1965 verabschiedet und mit 4. Jänner 1969 trat das Abkommen erstmals in Kraft.
Die Vereinten Nationen verweigern den Gebrauch des Wortes “Rassismus”, stattdessen wird
“rassistische Diskriminierung” verwendet und eine Verbindung mit den Menschenrechten
wird immer aufgezeigt. Des Weiteren wird deklariert, dass Rassendiskriminierung
“[...] jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen
Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung,
Beschränkung oder Bevorzugung [bedeutet], die zum Ziel oder zur Folge
hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben
von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen,
sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens
vereitelt oder beeinträchtigt wird.” 8
4
Informationsplattform humanrights.ch 2010
Zerger 1997, S. 54
6
Galizia o. J.
7
Fredrickson 2004, S. 16
8
O ce of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR) 1965
5
30
3.1.2 Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts
Rassentheoretiker gibt es viele, unter ihnen befinden sich u. a.:
• Houston Stewart Chamberlain
• Ludwig Ferdinand Clauß
• Savitri Devi
• Arthur de Gobineau
• Kurt Hildebrandt
• Samuel Morton
• Josiah Clark Nott
• Karl Schemann
Das 19. Jahrhundert wird durch Christian Geulen als das Jahrhundert mit dem vielfältigsten und breitesten Rassenbegriff beschrieben. Historiker, Politiker, Anthropologen,
Geographen und Reformer beschäftigten sich in dieser Zeit mit der Kategorisierung
und Entwicklung verschiedener Rassenkonstrukte. “Rasse” wurde damals nicht nach der
Hautfarbe sondern anhand von Eigenschaften konstruiert. In der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts hat sich die Idee des Rassenkampfes aufgrund des Kampfes gegen die
kolonialisierten Völker weiterentwickelt. Rassenkampf, Rassenmischung und Rassenerzeugung – drei Begriffe, die das 19. Jahrhundert im Sinne der Entstehung des Rassismus
beschreiben.9
Um zwei diese oben angeführten Rassentheoretiker besser kennen zu lernen und um deren
Theorie zu verstehen, wird auf sie in den nachfolgenden Kapiteln näher eingegangen.
3.1.2.1 Rassenbegri
nach Gobineau
In Detlev Claussens Buch “Was heißt Rassismus” ist ein Kapitel Arthur de Gobineau
gewidmet. Hierbei stellt Gobineau Fragen wie beispielsweise
“[...] im Inneren eines sozialen Körpers liegt die Ursache seiner Auflösung;
aber welche ist diese Ursache? – Die Degeneration, [...] die Nationen sterben,
wenn sie aus degenerierten Bestandteilen zusammen gesetzt sind.” 10
Als degeneriertes Volk wurden Völker betrachtet, welche schlecht regiert wurden, ihre
Reichtümer missbrauchten, fanatisch und gottvergessen waren. Als Zirkelbeweis führt
Gobineau an:
“So geht eine Nation unter den sozialen Plagen unter, weil sie degeneriert ist,
und sie ist degeneriert, weil sie untergeht!” 11
9
vgl. Geulen 2007, S. 63 .
vgl. Claussen 1994, S. 28
11
vgl. ebd.
10
31
Gobineau meint auch, dass ein Untergang der Völker daher kommt, dass fortwährend ihr
Blut mit anderem Blut vermischt wird und dies zum Verfall eines Menschen beziehungsweise eines ganzen Volkes führt:
“Die ungleichartigen Bestandteile, welche fortan in ihm [dem Menschen des
Verfallens] vorherrschen, bilden eine ganz neue und in ihrer Eigenart nicht
glückverheißende Nationalität; er gehört denen, die er noch für seine Väter
ausgibt, nur sehr in Seitenlinien an. Er, und seine Zivilisation mit ihm, wird
unmittelbar an dem Tag sterben, wo der ursprüngliche Rassenbestand sich
derartig in kleine Teile zerlegt und in den Einlagen fremder Rassen verloren
erweist, dass seine Kraft fortan keine genügende Wirkung mehr ausübt.” 12
Er stellt sich auch der Frage, ob es Wertunterschiede zwischen verschiedenen Völkern
gibt und beantwortet diese Frage mit einem eindeutigen “Ja”. Zuerst vergleicht er die
Menschen jeder Nation auf physiologische Unterschiede sowie innere Formen. Gobineau
schreibt, dass man nicht zwischen einem Greis und einem reifen Mann vergleichen kann,
genauso wie man einen reifen Mann nicht mit einem Jüngling vergleichen kann. Menschen
und Nationen fangen mit der Zeit an, sich den Gegebenheiten zu stellen und sich einen
Rang in der Weltordnung einzuverleiben – entweder durch kriegerische oder friedliche
Handlungen. Da es nicht jeder menschlichen “Familie” gelingt den ersten Rang zu erhalten,
müssen sie sich daher an die allgemeinen Regeln halten. Er schreibt weiter:
“Die Stärkeren bringen die Schwächeren um, die Schwächeren suchen eine
möglichst große Entfernung zwischen sich und den Stärkeren zu bringen; darauf
beschränkt sich die ganze Staatskunst dieser Embryonen von Gesellschaften,
die sich seit Anbeginn des Menschengeschlechtes in einem so unvollkommenen
Zustand fortpflanzen, ohne es jemals zu einem besseren haben bringen zu
können.” 13
Weiter schreibt Gobineau, dass der einfachste Weg ein Krieg anstatt des friedlichen Weges
wäre. Danach werden die Kriegsgefangenen einfach zu Sklaven gemacht.
3.1.2.2 Rassenideologie nach Chamberlain
Houston Stewart Chamberlain ist einer der einflussreichsten Vordenker der Rassenideologie
wie auch der Rassenreligion während des Kaiserreichs und der darauffolgenden Weimarer
Republik (Deutschland). Chamberlain schreibt über die arische Herrenrasse und über
die Bedrohung durch die beziehungsweise den Angriff der jüdischen “Rasse”, welche die
Weltherrschaft an sich reißen wolle. Daher forderte er die Bekämpfung jeder jüdischen
Einflussnahme auf die Gesellschaft und verlangt im selben Zuge auch eine planmäßige
Rassenzucht.14
Nach Chamberlains Verständnis lässt sich die “Rasse” im Blut jedes Menschen bestimmen
– somit ist die “Rasse” genetisch bedingt, wobei sich die Merkmale nicht in biologischer
Hinsicht zeigen, sondern in der geistig-seelischen Grundeinstellung wie beispielsweise der
“Weltanschauung”. Biologische Merkmale sind laut Chamberlain zwar Indizien, zu welcher
“Rasse” der- oder diejenige gehört, aber auch nicht mehr. Es scheint, dass grundsätzlich
12
Claussen 1994, S. 29
Ebd., S. 31
14
vgl. Kleinhans 2011
13
32
alle “Rassen” gleichgestellt sind, bis auf die Arier, und diesen spricht er auch die hervorragendsten Attribute zu, wie schöpferisches Genie, Willenskraft, Mut, Ausdauer oder
Idealismus. Als großen Gegenspieler zu den Ariern bezeichnet er die Juden. Die jüdische
Glaubensgemeinschaft bezeichnet er grundsätzlich nicht als “Rasse”, sondern bevorzugt
die Bezeichnung “das Produkt einer Mischung”.15 Chamberlain zeigt auf, dass der Religion in diesem Fall eine sehr große Wertschätzung zufällt. Er weist auf die Unterschiede
zwischen Judentum und Christentum hin und dass Jesus zwar als Jude aufgewachsen sei,
jedoch keiner war und schlussendlich aufgrund der Feindschaft zum jüdischen Glauben
gekreuzigt wurde. Chamberlain sieht eine eindeutige rassentheoretische Überlegenheit
der Arier gegenüber den Juden und weist daher darauf hin, dass das germanisch-arische
Blut rein bleiben und die daraus resultierende Herrschaftsrasse veredelt werden müsse.16
Chamberlain vergleicht auch bei Tierrassen die “guten Rassen” mit den “schlechten”.
Beispielsweise meint er, dass zwischen Menschen genauso ein Unterschied besteht wie
zwischen Bulldogge, Pudel, Windhund und Neufundländer. Es käme auf die Spezialisation
des Menschen an – diese bringe die edlen “Rassen” hervor.17
3.1.3 Formen des Rassismus
Rassismus in den alten Formen besteht weiterhin, jedoch nimmt er in den letzten Jahren
auch in neuer Ausprägung zu, beispielsweise in der Schweiz im Zuge des Diskurses über
das Verbot des Baus von Minaretten. Die Rechte auf Menschenwürde und Gleichheit sind
zwar im Mittelpunkt der Grundrechte, jedoch sind sie weiterhin gefährdet. Rassistische
Ausgrenzung auf Grund anderer Kulturen, Religionen und auch der Hautfarbe wird
weiterhin ausgeübt.
Wulf Hund meint in seinem Buch “Rassismus”, dass man unter folgenden Formen des
Rassismus unterscheiden sollte:
1. Kultivierte vs. Barbaren: Geprägt wird der Begriff “Barbar” von den Griechen und
die Vorstellung ist immer mit Minderwertigkeit verbunden. Der Begriff “Barbar”
wird auch von konservativen Kreisen in Bezug auf die angebliche Überfremdung der
Vereinigten Staaten und Europas verwendet. Im antiken Griechenland wurde etwa
zwischen Griechen und Barbaren unterschieden und auch zwischen freien Männern
und Frauen bzw. Sklaven. Diese Diskriminierung ist demnach nicht nur auf die
“Rasse” sondern auch auf das Geschlecht bezogen.18
2. Reine vs. Unreine: In diesem Fall handelt es sich um die Kontamination sozialer
Muster, die als zeitlich begrenzt gesehen wird beziehungsweise sich durch Rituale
reinigen lässt, bis hin zur entsozialisierenden Unreinheit, die dauerhaft ist und als
vererbbar gilt. Sichtbar ist das beispielsweise im indischen Kastensystem, da die
Unberührbaren vollkommen aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Für diese
gelten auch ganz spezielle Regeln bezüglich ihres Auftretens, der Existenz, Behausung usw. Teesta Setalved erklärte diesbezüglich bei der internationalen Konferenz
gegen Rassismus und Kastendiskriminierung in Delhi: “To argue that caste-based
discrimination – through exclusion, dehumanisation, segregation, violent atrocities
and practices – is a distinct form of racism [. . . ] a fifth of the population in South
Asia has to endure bitter prejudice [. . . ] legitimised by a tradition of superior and
15
vgl.
vgl.
17
vgl.
18
vgl.
16
Kleinhans 2011
ebd.
Claussen 1994, S. 69
Hund 2007, S. 36 .
33
inferior, pure and impure.” Jedoch ist diese Unterscheidung nicht nur in Indien
bekannt sondern auch in Europa – hauptsächlich in Portugal und Spanien während
der Reconquista.19
3. Erwählte vs. Teufel: Hierbei geht es wieder um Religion. Bis in die Neuzeit wurde
in gewissen katholischen Kreisen der Katholizismus als die einzig wahre Religion
angesehen und alle anderen (Islam, Judentum etc.) wurden als Machwerke des
Teufels angesehen und ihnen wurden Formen der Verschwörung zugesprochen. Es
wurden aber auch Zigeuner, indigene Amerikaner, Schwarze oder vermeintliche
Hexen als in Verbindung mit dem Teufel stehend angezeigt.20
4. Zivilisierte vs. Wilde: Diese Unterscheidung ist immer von der Zivilisation abhängig.
Entweder gehört man einer bestimmten Menschengruppe oder einem Volk an, die
über eine gewisse Wegmarke hinaus gegangen sind und einen Entwicklungsgrad
ihrer Technologien sowie die Einordnung in Religionen gefunden haben oder eben
nicht.21
3.1.4 Entstehung von Rassismus und geschichtlicher Hintergrund
Bei der Entstehung des Rassismus wird neuerdings oft auf Europa verwiesen und in
diesem Zusammenhang von einer Engführung auf Europa gesprochen. Dabei wird von
Soziolog_innen wie Karin Priester, George M. Fredrickson und Mark Terkessidis die
Entstehung des Rassismus mit der Geschichte Spaniens nämlich konkret der Entdeckung
Amerikas 1492 und der Reconquista verknüpft.22
Die Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus, der territoriale Anspruch der Spanier, die systematischen Ausbeutung fremder Kolonien und die dazugehörige Versklavung
der Ureinwohner führte demnach zum heutigen Rassismus.23
Hierbei wurden erstmals die “Anderen” aufgrund physiognomischer/biologischer und
kultureller Differenzen im Zusammenhang mit Herabwürdigung erwähnt. Das “Eigene” und
das “Fremde” wurden verbreitet und führten im Endeffekt zu struktureller Diskriminierung,
Ausbeutung und auch zum Genozid.24
Bis zum Ende des Mittelalters gab es keine Rassentheorie. Diese entwickelte sich erst im 18.
Jahrhundert durch die Untermauerung von Theorien über verschiedene Menschenrassen
und durch diese wurden Ausgrenzung und Diskriminierung bis hin zur Tötung legitimiert.25
Der Begriff “Rassismus” selbst ist noch relativ jung. Die erste Definition von Rassismus
wurde von der Amerikanerin Ruth Benedikt 1940 publiziert. Zuvor war das Phänomen zwar
bekannt, trat aber nicht unter dem Begriff “Rassismus” auf. Bei dem Phänomen Rassismus
ging es früher darum, dass die Welt generell in verschiedene Kategorien eingeteilt ist
und dass die verschiedensten Menschen-Kategorien als miteinander konkurrierend galten.
Rassismus ist heutzutage nicht mehr nur als ideologisches Problem zu sehen, sondern auch
unter sozialen Aspekten – es wird nicht mehr nur auf die Hautfarbe geachtet, sondern
19
vgl.
vgl.
21
vgl.
22
vgl.
23
vgl.
24
vgl.
25
vgl.
20
34
Hund 2007, S. 43 .
ebd., S. 53 .
ebd., S. 61 .
Broden 2006
ebd.
ebd.
ebd.
auch auf Klasse und Geschlecht sowie eine soziale Differenz. Es besteht jedoch noch immer
die Unterteilung in weiße, schwarze, rote und gelbe “Rasse”.26
Patricia Birungi schreibt in ihrem Buch “Rassismus in Medien” auch über die verschiedenen
sprachlichen Abstammungen des Wortes “Rassismus”:27
• Raza (Spanisch)
• Raça (Portugiesisch)
• Razza (Italienisch)
• Race (Französisch)
• Race (Englisch)
Ähnliche Begriffe und Abstammungen wurden laut Immanuel Geiss auch im Arabischen
und Mongolischen gefunden. Jedoch wurde “Rasse” nicht als Menschengruppe einer
gewissen Hautfarbe, einer Kultur oder eines Geschlechtes verstanden, sondern wurde eher
im Kontext der Familie oder Generation gesehen. Im Gegensatz dazu unterschied “Rasse”
im Spanien des 15. Jahrhunderts zwischen “guter oder schlechter Herkunft”. Somit war
“Rasse” ein sozialer Begriff mit dem Hinweis auf die Adelsklasse. Jedoch wurde der Begriff
“Rasse” anfangs noch ohne Wertung verwendet, erst später wurde ein negativer Wert
hinzugefügt.28 Geiss erklärt diesbezüglich:
“Rassismus ist, wie die Wortbildung aus ’ismus’ nahe legt, eine moderne
Erscheinung. Er lässt sich als Gebäude systematisierter Ideen begreifen –
niedergeschrieben und veröffentlicht in Büchern, Aufsätzen, Artikeln und
Gesetzen –, das über die zentrale Bedeutung von ’Rasse’, wie auch immer
definiert, in Gesellschaft, Politik und Geschichte Auskunft gibt [...] In der
Neuen Welt artikulierte sich Rassismus schon seit dem 18. Jahrhundert als
Rechtfertigung der Sklaverei gegen den wachsenden Druck einer aufklärerischen
Öffentlichkeit.” 29
3.1.5 Rassismus im Nationalsozialismus
Durch die Kombination aus Mendels Vererbungslehre, Darwins Evolutionstheorie und
dem daraus entstandenen Sozialdarwinismus und Gobineaus Lehre bezüglich der Reinheit
der “Rassen” entstand eine neuer Zweig des Rassismus – die “Rassenhygiene” oder auch
Erbgesundheitslehre “Eugenik” genannt. Deren Aufgabe war es, die “Rasse” bzw. den
“Volkskörper” rein zu halten, damit keine minderwertigen Elemente die reinen Menschen
beeinflussen konnten. Später erweiterte Chamberlain die Theorie insofern, als die Arier
oder auch Germanen als die “Guten” beschrieben wurden, den Kampf gegen die “Bösen”
aufnehmen sollten und somit für die Weltherrschaft auserkoren wurden.30 Burger-Villingen
beschreibt, dass Arier und Juden die Polarisierung von Gott und Teufel repräsentieren.31
26
vgl. Birungi 2007, S. 54 f.
vgl. ebd., S. 56
28
vgl. ebd., S. 56 f.
29
Ebd.
30
vgl. Weckebrod 2009, S. 9
31
vgl. Mosse 1979, S. 106
27
35
Um einen richtigen Germanen zu erkennen, hat Joseph Gall (1758 - 1828), Begründer der
Schädellehre, durch Rückschlüsse angeborener Schädelformen physische Wesensmerkmale
der arischen “Rasse” definieren zu können vermeint.32 Als großer Feind wurden die Juden
bezeichnet, und dass diese die Weltherrschaft streitig machen würden. Daher wäre auch ein
Kampf auf Leben und Tod nötig. Diese Ideen fanden am Ende des 19. und zu Beginn des
20. Jahrhunderts in Großbritannien und in Deutschland starken Anklang.33 Chamberlain,
ein Wegbereiter für das Dritte Reich, schrieb in seinem Buch “Die Grundlagen des
XIX. Jahrhunderts”, dass die Schädelmaße und die äußere Erscheinung des Gehirns
charakterisieren, um welche Person es sich handle, denn ein Gebäude würde auch durch
die verwendeten Materialien charakterisiert werden.34
Einige der Rassentheoretiker, Rassenideologen und Rassenhygieniker hatten großen Einfluss auf die Entstehung des Nationalsozialismus und persönlichen Einfluss auf Adolf
Hitler. Zu ihnen gehören insbesondere:35
• Arthur de Gobineau
• Houston Stewart Chamberlain
• Alfred Rosenberg
• Guido von List
• Ludwig Schemann
• Ludwig Woltmann
• Jörg Lanz von Liebenfels
• Alfred Ploetz
Hitlers Drang zum Nationalismus und die einhergehende territoriale Expansion mit dem
Anspruch auf biologische Überlegenheit prägte die Zeit des Dritten Reiches zwischen
1933 und 1945.36 Hitler vertrat auch die Idee der absoluten Souveränität, welche als
Legitimierung diente, um einen Eroberungskrieg zu starten, um genug Lebensraum für
die geplante Expansion seiner Arier zu schaffen. Der Raumeroberungskrieg Hitlers war
somit als Feldzug zur Ausrottung von Nicht-Ariern gemeint.37 Pohlmann schreibt:
“Bei Hitler wird ein biologistischer Rassismus – die Gegenideologie gegen die
Gleichheitspostulate der französischen Revolution – zur Basis eines Antisemitismus.” 38
Aufgrund der ersten Rassentheorien von Gobineau und Chamberlain entwickelte sich im
nationalsozialistischen Deutschland eine Art von “Rassen”-Diskurs, um eine Rechtfertigung
für die Vernichtung von Juden zu gewährleisten.39 Sechs Millionen Juden, aber auch
körperlich behinderte Personen und psychisch kranke Menschen, wurden ermordet oder
teilweise zwangssterilisiert um den “Volkskörper reinzuhalten”.40
32
vgl. Mosse 1979, S. 100
vgl. Weckebrod 2009, S. 4
34
vgl. Mosse 1979, S. 106
35
vgl. ebd. und Becker 1990
36
vgl. Mohr 2006, S. 2
37
vgl. Pohlmann 1992, S. 159
38
Ebd., S. 161
39
vgl. Weckebrod 2009, S. 5
40
vgl. Pohl 2003, S. 41 .
33
36
3.2 Medien
“Mediengesellschaft” ist nur eine von mehreren Bezeichnungen für unsere Gesellschaft,
trotzdem unterstreicht sie die besondere Stellung von Medien in der modernen Welt.
Printmedien, Internet, Fernsehen, Radio werden manchmal metaphorisch “Fenster zur
Welt” genannt. Sie stellen eine Informations- aber auch eine Unterhaltungsquelle dar. Um
die eigenartige Bedeutung von Massenmedien für Menschen heutzutage zu analysieren,
werden in diesem Abschnitt einige wichtige Funktionen von Medien in der Gesellschaft
zusammengefasst. Des Weiteren wird auf einzelne Faktoren, die auf die Konstruktion
von Berichterstattung einen unmittelbaren Einfluss ausüben, eingegangen. In diesem
Zusammenhang werden mögliche Restriktionen der medialen Darstellung der Wirklichkeit
aufgezeigt.
3.2.1 Aufgabe und Rolle von Medien in der Gesellschaft
Als zentrale Funktion von Medien wird die Informationsfunktion gesehen. Die primäre
Aufgabe von Medien ist es, Wissen über unterschiedliche politische, soziale oder ökonomische Themen in der Gesellschaft zu verbreiten. Massenmedien sind Kommunikationsmittel
im Prozess der Massenkommunikation, wobei Menschen, und zwar das Publikum, die
Rolle der Rezipient_innen übernehmen. Massenkommunikation wird als ein einseitiger,
öffentlicher, indirekter Prozess gesehen, in dem Informationen – etwa über bestimmte
Ereignisse – durch unterschiedliche Arten von Medien, zum Beispiel Printmedien oder
Fernsehen vermittelt werden. Zwar sind Medien keine primäre Informationsquelle, sie sind
aber oft in Bezug auf bestimmte Themen die erste und einzige Informationsquelle, da
die direkte Erfahrung mit diesen oder jenen Ereignissen wegen räumlicher oder zeitlicher
Distanz für Rezipient_innen unmöglich ist.41 Aus dieser wichtigen gesellschaftlichen
Aufgabe von Medien könnte geschlossen werden, dass mediale Berichterstattung objektiv
authentisch und unvoreingenommen sein sollte. Die Frage, ob Berichterstattung überhaupt
wertneutral und objektiv sein kann, ist aber nicht einfach zu beantworten.
Ferner wird auch auf andere Aufgaben von Medien eingegangen, die mit deren Informationsfunktion unmittelbar verbunden sind, und die die Frage nach der Möglichkeit und
Relevanz der objektiven Darstellung von Ereignissen durch Medien aufzuklären versuchen.
In der Welt passieren täglich Millionen von Ereignissen. Es wäre unmöglich über alles, was
allein in Österreich an einem Tag passiert ist, in einer Zeitung oder in einer Fernsehsendung
zu berichten. Medien erfüllen im Zusammenhang damit eine Filterfunktion, d. h. sie wählen
aus, über welche Angelegenheiten und Fragen berichtet wird. Ereignisse, die in Medien
oft vorkommen, werden von Rezipient_innen als besonders relevant wahrgenommen, aber
Themen, die in Medien weniger oder überhaupt nicht auftreten, werden für unwichtig
gehalten, daher kann man von der Thematisierungsfunktion von Medien sprechen. 42
Siegfried Jäger bezeichnet Medien als sogenannte Mittler zwischen Politik und Alltag.
Durch Vermittlung von Medien werden politische und manche wissenschaftliche Themen
in den Alltag übertragen und gewinnen damit an Relevanz. Medien geben vor, was in der
Öffentlichkeit besprochen wird, und daher spricht man in diesem Zusammenhang von der
Öffentlichkeitsfunktion von Medien.43
41
vgl. Birungi 2007, S. 31
vgl. Dorer und Marschik 2006, S. 24
43
vgl. Jäger 2000, S. 18
42
37
Medien bestimmen auch, welche Inhalte an das Publikum weitergeleitet werden, wodurch
sie einen unmittelbaren Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess in der Gesellschaft
haben. Sie verbreiten unterschiedliche Denkweisen und Bilder unter Rezipient_innen.
Die Auswirkungen von Massenkommunikation auf die Menschen können auf drei Ebenen
betrachtet werden: auf der emotionalen Ebene, der kognitiven Ebene sowie der Ebene der
Einstellungen und des sozialen Verhaltens.44 Das durch Medien verbreitete Wissen prägt
die Wahrnehmung der Realität von Rezipient_innen und kann sogar ihre Handlungen
beeinflussen.
Offensichtlich sind Menschen von Medien sehr beeinflussbar und Massenkommunikation
wird, wie bereits erwähnt, normalerweise als ein einseitiger Prozess aufgefasst, d.h. Informationen fließen vom Sender zum Empfänger ohne Feedback. Trotzdem hängt unsere
Wahrnehmung der durch Medien vermittelten Informationen von mehreren Faktoren
ab. Wenn beispielsweise etwas gelesen wird, was der eigenen Meinung oder Erfahrung
widerspricht, wird diese Information entweder nicht ernst genommen oder kritisiert. Stuart
Hall, ein britischer Soziologe, unterscheidet drei Arten der Wahrnehmung von Medieninhalten durch Rezipient_innen: dominant-hegemonial, ausgehandelt und oppositionell.45
Vermittelte Denkweisen und Einstellungen können genau, nur teilweise oder überhaupt
nicht durch das Publikum übernommen werden. Patricia Birungi unterscheidet folgende
Aspekte, durch welche Rezipient_innen die Wahrnehmung von vermittelten Informationen
und den Wirkungsprozess von Medien beeinflussen können:46
• die Persönlichkeit der Rezipient_innen
• etwa Geschlecht, Alter, Intelligenz
• die persönliche soziale Situation
• etwa die Gruppenzugehörigkeit und die Zugehörigkeit zu sozialen Schichten
• die Interpretation der Faktoren Kommunikator, Aussage und Art des Mediums
durch die Rezipient_innen
• etwa wie das Prestige des Kommunikators von Rezipient_innen gesehen wird.
Gesellschaftliche Faktoren, bereits erworbenes persönliches Wissen und eigene Erfahrungen
bestimmen also Wirkungsweisen von Medien und dürfen nicht unterschätzt werden.
Zusammenfassend könnte gesagt werden: Wenn ein Thema wie “Asylant_innen” oder
“Türkin_innen in Österreich” oft in den Medien vorkommt, wird auch im Alltag davon
vermehrt gesprochen. Sogar Menschen, die keinen persönlichen Bezug zum Thema haben
und mit Menschen anderer Herkunft kaum zu tun haben, werden häufiger ihre Meinung zu
dieser Frage äußern oder wahrscheinlich die in Medien vermittelte Meinung wiedergeben.
Im Gegenteil, wenn es persönliche Erfahrungen mit Menschen anderer Herkunft gibt,
werden die in den Medien geäußerten Meinungen kritischer hinterfragt und mit der
persönlichen Haltung verglichen.
Medientheorie beschäftigt sich aber nicht nur mit den Medieninhalten und deren Wirkungsweise auf Rezipient_innen, sondern auch damit, auf welche Art und Weise Informationen
durch Medien vermittelt werden, d.h. mit der Art der Darstellung verschiedener Themen
in medialen Berichten. Dadurch, wie sie über bestimmte Ereignisse berichten, können
44
vgl. Birungi 2007, S. 29
vgl. Dorer und Marschik 2006, S. 25
46
vgl. Birungi 2007, S. 32
45
38
Medien bestimmte Rezeptionsweisen vorgeben. Eine einseitige, stereotypisierende Darstellung etwa eines migrationsbezogenen Themas wird eher negative Einstellungen und
Denkweisen hervorrufen. Dagegen könnte eine umfassende Darstellung der gleichen Frage
aus unterschiedlichen Perspektiven neutrale bis hin zu positiven Reaktionen auslösen.47
Die Filterfunktion von Medien ist auch eng mit der Art der Darstellung verbunden. Die
Art und Weise des Filterns kann viel über die Einstellungen zu dem, was berichtet wird
offenbaren, etwa über das Bild des “Fremden” oder das Bild des “Eigenen”.48 In einer
Gesellschaft, in der “eigenen” Frauen Eigenschaften wie Emanzipation, Unabhängigkeit und
Gleichberechtigung gegenüber Männern zugestanden werden, werden etwa muslimische
Kopftuchträgerinnen eher als unterdrückt und verängstigt präsentiert. Diese Darstellung
gibt einerseits feindliche Einstellungen zu Fremden in der Gesellschaft wieder und trägt
andererseits zur Verfestigung der positiven Einschätzung des Selbstbildes bei.
Journalist_innen werden als “Gatekeeper” bezeichnet, weil sie aus einzelnen Ereignissen diejenigen Auswählen, die den Anforderungen an Nachrichten entsprechen. Journalist_innen
bestimmen also Medieninhalte.49 Trotzdem ist Inhalt nicht das einzige Merkmal, das einen
einfachen Vorfall von einer Nachricht unterscheidet. Aus Ereignissen werden Nachrichten
gemacht. Dafür stehen Journalist_innen zahlreiche Mittel zu Verfügung: sprachliche
Figuren, Symbole, Bilder etc. Kollektivsymbole sind beispielsweise ein wichtiges Mittel
zum Ansprechen des Publikums. Sie bilden die in der Gesellschaft vorherrschende Meinung ab und sorgen dafür, dass Nachrichten dem Gesamtbild einer Gesellschaft nicht
widersprechen.50
Um einen Nachrichtenbeitrag zu verfassen, sollte man zuerst ein Geschehen in eine
berichtbare Form bringen, d. h. nach den Vorgaben eines Bericherstattungsmusters
vorgehen. Martin Luginbühl weist darauf hin, dass diese Berichterstattungsmuster einen
“Komplex von bestimmten Ausprägungen einzelner narrativer Mittel” aufweisen, zum
Beispiel: Welche Instanzen erzählen von einem Ereignis? Welche Akteur_innen kommen
in einer Erzählung vor? Aus welchen Perspektiven wird erzählt? Wie wird der Eindruck
der Authentizität vermittelt? Durch diese narrativen Muster werden Objektivität und
Realitätsabbildung von Nachrichten vorgetäuscht und es wird Glaubwürdigkeit erreicht.51
An dieser Stelle ist es notwendig, die Rolle von Medien als Vehikel und Gestalter von
Diskursen zu erwähnen. Mit dieser Funktion von Medien setzt sich u. a. auch Siegfried
Jäger auseinander. Unter Diskursen versteht er gemäß Michel Foucault “Redeweisen, an
die Handlungen gekoppelt sind und die insofern Macht ausüben”. Eine ständig wiederholte
mediale Aussage als Teil des sogenannten medialen Diskurses verfestigt sich im Bewusstsein
der Massen und prägt menschliche Einstellungen, Denkweisen und Verhalten. Daher ist
die Macht der Medien über die Gesellschaft nicht zu unterschätzen, und Medien sind
dafür (mit-)verantwortlich, in welche Richtung sich gesellschaftliches Massenbewusstsein
entwickelt.52
Diskurse sind keine stabilen Einheiten, sondern sie verändern sich mit der Zeit: manche ihrer Teile werden aufrechterhalten, manche modifiziert oder durch neue ersetzt.53
Diskurse als Speicherräume des gesamtgesellschaftlichen Wissens verändern sich somit
47
vgl.
vgl.
49
vgl.
50
vgl.
51
vgl.
52
vgl.
53
vgl.
48
Dorer und Marschik 2006, S. 24
Farrokhzad 2006, S. 57
Birungi 2007, S. 49
Jäger 2000, S. 23
Luginbühl 2007, S. 54 f.
Jäger 2000, S. 18 f.
ebd., S. 18 .
39
zusammen mit dem gesellschaftlichen Bewusstsein. Sie sind keine Abbildung der Meinung
des Publikums, sondern sie sind die Meinung des Publikums.54 Die oben genannten
Berichterstattungsmuster sorgen dafür, dass innerhalb von Diskursen auf symbolischer
Ebene eine bestimme “Ordnung der Dinge” geschaffen wird. Diese Ordnung kann sehr
unauffällig und trotzdem sehr wirksam sein. Als Teil des medialen Diskurses verweisen
narrative Muster “auf gesellschaftliche Strukturen, Werte und Einstellungen und deren
Veränderung in der Zeit”.55
Im Zusammenhang mit dem Thema “Rassismus und Medien” ist vielleicht noch eine Funktion von Medien zu erwähnen: Medien stellen auch gewisse Bausteine zur Konstruktion
von individuellen und kollektiven Lebensentwürfen dar.56 Da in medialen Diskursen die
Meinung der gesamten Gesellschaft wiedergegeben ist, spielen sie eine wichtige Rolle bei
der Sozialisation von Menschen. Durch Wahrnehmen und Vergleichen von Medieninhalten
kann ergründet werden, womit eine Identifikation statt finden sollte, um ein Teil der
Gesellschaft zu werden. Dieser Prozess erfolgt aber zumeist intuitiv und nicht bewusst.
Zusammenfassend könnte vereinfacht gesagt werden, dass Rassismus in Medien vorhanden
ist, weil die Öffentlichkeit rassistisch denkt und handelt. Andererseits sorgt rassistische
Berichterstattung für die weitere Verbreitung und Verfestigung rassistischer Denkweisen.
Interessanterweise könnten Medien auch der Ort sein, wo “Fremde” zu “Eigenen” werden,
d. h. wo Angst vor “anders sein” überwunden werden kann, da medialer Diskurs ein
einzigartiges Mittel zur Veränderung des Bewusstseins von Massen ist.
3.2.2 Macht über Medien
Wie im vorigen Abschnitt gezeigt wurde, verfügen Medien über eine große Macht über
menschliches Verhalten und Denken, da sie zentrale Meinungsbildungsinstanzen darstellen.
An dieser Stelle wäre es interessant aufzuzeigen, wie Machtverteilung über Medien selbst
aussieht. Siegfried Jäger sieht die Situation so:
“[...] und man sollte nicht so naiv sein, zu übersehen, erstens, dass die
Macht über die Diskurse (und über die Medien) sehr ungleich verteilt ist, und
zweitens, dass – da Diskurse Macht haben und Handeln zur Folge haben – das
Austragen von Konflikten auch immer wieder gewalttätige Formen annehmen
kann.” 57
Medien werden von verschiedenen Organisationen produziert, zum Beispiel von bestimmten
Zeitungen (Oberösterreichische Nachrichten), Fernsehkanälen (ORF), Radiostationen
(Ö3) usw. Manche dieser Organisationen werden vom Staat, manche privat finanziert.
Grundsätzlich herrscht Redefreiheit in den Medien, allerdings ist das auf das einzelne
Medium bezogen relativ zu sehen, da durchaus Einschränkungen – etwa aufgrund der
Blattlinie oder der Besitzverhältnisse – gegeben sein können.
Außerdem müssen alle Medien produzierenden Organisationen, unabhängig davon, ob
sie privat oder aus Gebühren finanziert sind, langfristig gewinnbringend sein oder zumindest ihre Kosten decken können. Nachrichten müssen gut verkauft werden, damit eine
Zeitung, ein Fernsehkanal oder eine Radiostation im freien Wettbewerb überleben kann.
54
vgl. Jäger 2000, S. 19
Luginbühl 2007, S. 54 f.
56
vgl. Dorer und Marschik 2006, S. 25
57
Jäger 2000, S. 20
55
40
Journalist_innen möchten nicht irgendwelche Geschichten erzählen und streben nicht
unbedingt nach objektiver Darstellung der Realität, sie suchen eher nach Geschichten,
die sie sich gut verkaufen lassen, d. h. Geschichten, die den Interessen und Einstellungen
des Publikums entsprechen.58
Medienmacher sind also auf Wünsche potenzieller Rezipient_innen ausgerichtet, damit
ihre “Informationen” gut verkauft werden können. Rezipient_innen brauchen ständige
Stimulation, damit ihre Aufmerksamkeit erhalten bleibt. Ansprechen des Publikums auf
emotionaler Ebene ist wahrscheinlich die beste Weise, es interessiert zu halten.59 Daher
“only bad news are good news”, weil Berichterstattung über Gewaltereignisse einfach
stärker die Emotionen des Publikums anspricht. Medien stehen vor der Aufgabe, eine
mittlere Linie zwischen den Zwängen des Marktes und den Wünschen des Publikums
einzuhalten.60
Wie also gezeigt wurde, haben die die Medien finanzierenden Instanzen (Staat oder
Geldgeber) sowie die Mehrheit des Publikums Macht über Massenmedien. Mehrheit und
Elite kontrollieren demnach den Meinungsbildungsprozess der gesamten Gesellschaft. Es
wird hier aber nicht darauf eingegangen, wer mehr Macht über die Medien hat. Menschen
mit Migrationshintergrund gehören jedenfalls zu keiner kontrollierenden Instanz. Der
kanadische Soziologe Augie Fleras meint im Zusammenhang damit:
“By changing peoples attitudes without an awareness, that their attitudes are
changing, those in positions of power secure control and compliance through
consent and consensus rather than coercion. The ’normalizing’ of conventional
patterns of power and privilege as natural and inevitable as well as universal
and superior also reflects a systemic bias within the news media.” 61
Durch Medien werden Vorstellungen darüber, was “normal” und was “anders” oder “nicht
normal” ist, wer Macht haben darf und wer nicht, und welcher Teil der Bevölkerung
privilegiert oder nicht privilegiert ist, in der Gesellschaft verbreitet und als “natürlich”
verfestigt. Medien brauchen keine Gewalt, um die Meinung derer, die Macht haben,
durchzusetzen.
Trotz der oben angeführten Überlegungen zum Thema “Macht über Medien” kommt im
wissenschaftlichen Diskurs oft die Frage nach der Aufgabe von Medien, zur Integration
von Menschen mit Migrationshintergrund beizutragen, vor. Da Österreich erst vor wenigen
Jahrzehnten zum Einwanderungsland geworden ist, gehört dieses Thema seit relativ kurzer
Zeit zu den heißen Diskussionsthemen in der Öffentlichkeit. In den USA, die von Anfang
an eine multikulturelle Gesellschaft waren, ist Ende der 1940-er-Jahre der sogenannte
Hutchins-Report erschienen, in dem Folgendes zu den Aufgaben von Medien in einer
freien demokratischen Gesellschaft zählte:62
1. present a truthful, comprehensive and intelligent account of the day’s events in a
context which gives them meaning
2. provide a forum for the exchange of comment and criticism
3. project a representative picture of the constituent groups in the society
58
vgl. Geiÿler 2006, S. 258
vgl. Birungi 2007, S. 29 f.
60
Starck 2006, S. 173
61
Fleras 2006, S. 201
62
Starck 2006, S. 150
59
41
4. present and clarify the goals and values of the society
5. provide full access to the day’s intelligence.
3.3 Rassismus in den Medien
Alle im Rahmen der vorliegenden Arbeit befragten Expert_innen und Journalist_innen
haben bestätigt, dass Rassismus in Medien vorhanden ist.63 Besonders tief ist er in
Printmedien verwurzelt.64 Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie
an der Johannes Kepler Universität Linz, Petra Aigner, ein Journalist aus Wien und der
CEO von M-Media, Simon Inou, machen einen klaren Unterschied zwischen Qualitätsmedien, zum Beispiel dem “Standard”, die eher liberal sind und Rassismus nicht verbreiten
wollen, und Boulevardzeitungen, zum Beispiel der “Krone”, die eher konservativ sind
und den Rassismus weniger bekämpfen. Qualitätsmedien bemühen sich, Menschen mit
Migrationshintergrund korrekt darzustellen und zu fördern. Boulevardmedien dagegen
greifen auf rassistische Themen zurück, da sie ein gewisses Publikum damit ansprechen
möchten.65
Was andere Medien betrifft, zum Beispiel das Fernsehen, so wird dort eher versucht,
Personen mit Migrationshintergrund politisch korrekt und neutral zu präsentieren.66
Patricia Birungi unterstreicht allerdings, dass Menschen mit Migrationshintergrund im
Fernsehen eher unterrepräsentiert sind.67 Simon Inou weist darauf hin, dass Rassismus
im Fernsehen seltener als in den Printmedien vorkomme, trotzdem passiere es manchmal,
zum Beispiel der Gebrauch des “N*”-Wortes in der Sendung “Austrias Next Topmodel” auf
Puls 4.68 Die Konsequenz daraus war der Ausschluss der Kandidatin. Mit Radiosendern
wie Ö1, Radio Orange in Wien oder Radio FRO in Oberösterreich hätte er aber sehr gute
Erfahrungen gemacht. Sie setzen sich mit Migrationsthemen aktiv auseinander und haben
einen wesentlichen Beitrag zum Abbau von Rassismus geleistet.69
3.3.1 Berichterstattung über Migrant_innen: Stereotype und Vorurteile
Die Art und Weise der medialen Berichterstattung über Migrant_innen ist sehr wichtig
und zwar aus folgendem Grund:
“Je nachdem, ob und wie Medien Minderheitenthemen, Fragen der Integration
von Migrant_innen oder stereotype und negative Darstellungen der ’anderen’
aufgreifen, können sie für die gesellschaftlichen Integrationsprozesse förderlich
oder hinderlich sein.” 70
Berichterstattung über Migrant_innen, d. h. das bewusste Auswählen der Geschehnisse
und sprachlichen Mittel kreieren eine Medienrealität, die zu realen Einstellungen und
63
vgl. Interview mit Aigner 2011, Interview mit Birungi 2011, Interview mit Inou 2011 und Interview mit
Jäger 2011
64
vgl. Interview mit Inou 2011
65
vgl. Interview mit Aigner 2011 und Interview mit Inou 2011
66
vgl. Interview mit Aigner 2011
67
vgl. Interview mit Birungi 2011
68
vgl. Akinyosoye 2011
69
vgl. Interview mit Inou 2011
70
Dorer und Marschik 2006, S. 25
42
realem Handeln im Alltag führt.71 Positive Darstellung und objektives Informieren über
die Situation von Zuwanderer_innen in der Aufnahmegesellschaft kann in zunehmender
Aufklärung der Bevölkerung und Veränderung ihrer Einstellungen zu Migrant_innen und
Mitbürger_innen resultieren. Negative Darstellung erzeugt und verfestigt rassistische
Haltungen.72
Alle der befragten Interviewpartner_innen haben darauf hingewiesen, dass die Berichterstattung in Bezug auf Einwanderer_innen überwiegend diskriminierend ist.73 Aber die
Berichterstattung über Migrant_innen ist nicht direkt sondern eher subtil rassistisch.
Rassismus in Medien entsteht dadurch, dass Migrant_innen vielfach im negativen Kontext
(Drogen oder Kriminalität) dargestellt werden. Typische Themen in der Berichterstattung
über Migrant_innen sind “Kriminalität von Ausländer_innen”, insbesondere in Bezug
auf Drogen, des weiteren kritische Positionen zur “fremden” Religion (Islamophobie), und
nur wenige positive Themen wie Asylstatus, Schwierigkeiten mit Einreisebewilligungen
und Staatsbürgerschaft. Diese fördern eine gewisse Liberalisierung der Gesetzgebung.74
Patricia Birungi unterstreicht im Interview, dass eine Überbetonung des Migrationsstatus
zur Steigerung der Quote in Berichten von Printmedien verwendet wird. Bedenklich sieht
sie die Hervorhebung von Hautfarbe, Religion und Staatsbürgerschaft in Zusammenhang
mit der Berichterstattung über Straftaten, was zu konkreten negativen Konsequenzen für
Individuen, die dieser Gruppe angehören, führen kann und hinderlich für die Integration
dieser Gruppe ist. Die Herstellung einer Verbindung des Geschehens mit dem Migrationshintergrund, der Hautfarbe und Religion der Betroffenen führt tendenziell zu einer
Zunahme von Vorurteilen in der Leser_innenschaft:
“Das Individuum wird dabei verallgemeinert und als Repräsentant einer homogenen Gruppe gesehen, die negativ gesehen (oder gemacht) wird. Der Einzelne
wird zum wandelndem Klischee oder Stereotyp.” 75
Als weit verbreitete Stereotypen gelten dabei folgende:76
1. Alle Schwarzen sind gute Musiker_innen oder Sportler_innen
2. Alle Roma und Sinti sind Bettler_innen oder Diebe
3. Alle Jüdinnen und Juden sind reich und unethisch.
Bemerkenswert ist, dass auf den ersten Blick positive Aussagen wie “Schwarze sind
sportlich” auch als rassistische Stereotypen aufgefasst werden, die rassistische Haltungen
erzeugen.77 Warum das so ist, folgt aus der Definition von Rassismus von Siegfried Jäger.
Rassismus ist demnach
“[...] eine Haltung, die aus drei zusammengehörenden Komponenten besteht:
eine Gruppe von Menschen mit biologischen und/oder kulturellen Argumenten
als ’Rasse’ zu konstruieren; diese Gruppe meist negativ (aber auch positiv) zu
bewerten; und dies aus einer Herrschaftsposition heraus zu tun.” 78
71
vgl. Interview mit Birungi 2011
vgl. Interview mit Jäger 2011
73
vgl. Interview mit Aigner 2011, Interview mit Birungi 2011, Interview mit Inou 2011 und Interview mit
Jäger 2011
74
vgl. Interview mit Aigner 2011
75
Interview mit Birungi 2011
76
vgl. Interview mit ebd.
77
vgl. Interview mit Jäger 2011
78
Interview mit ebd.
72
43
Die Erschaffung von Stereotypen ist somit eine Voraussetzung für die Diskriminierung
von Minderheiten und die Entstehung von Rassismus. In der Sozial- und Kommunikationswissenschaft werden Stereotype als vereinfachende, verallgemeinernde, schematische
Reduzierungen einer Erfahrung, Meinung oder Vorstellung auf ein (meist verfestigtes,
oft ungerechtfertigtes und gefühlsmäßig beladenes) Vorurteil verstanden. Die Bildung
von Stereotypen stellt ein rationelles Verfahren des Individuums zur Reduktion der
Komplexität seiner realen Umwelt dar. Für Stereotype ist die Tendenz charakteristisch,
sich zu verselbständigen, mit der Gefahr, als eine allumfassende Erklärung zu dienen.
Dadurch werden die vorhandenen Differenzierungen verwischt und Konflikte zwischen
gesellschaftlichen Gruppen verschärft.79
Simon Inou verweist in seinem Interview auf die problemorientierte Berichterstattung
über Migrant_innen. Sie werden nicht als normale Menschen, die in Österreich leben und
jeden Tag zur Arbeit gehen, dargestellt. Sie werden immer als ein Problem dargestellt.
Für die Berichterstattung über Schwarze Menschen in Österreich ist das Zurückgreifen
auf die Stereotype von Opfer oder Täter charakteristisch. Schwarze treten entweder in der
Rolle eines Opfers von Rassismus, Gewalt oder Naturkatastrophen oder in der Rolle eines
Täters auf, zum Beispiel als schwarzafrikanische Drogendealer_innen.80 Die 2008 von
“blackaustria” durchgeführte Kampagne “Leiberltausch” setzte sich mit klassischen Vorurteilen gegen Schwarze in Österreich auseinander. Österreichische Prominente posierten
in T-Shirts mit den Aufschriften “Sozialschmarotzer_in”, “Drogendealer_in” “Scheinasylant_in”, “Taschendieb” und “Scheinehemann” bzw. “-frau”. Die Kampagne sollte zeigen,
wie einfach es ist, nur wegen des Aussehens ein Opfer von Vorurteilen zu werden. Die
T-Shirts in verschiedenen Farben sind bis heute online erhältlich. Ein Jahr vorher fand
eine andere Kampagne statt, die zum Abbau von typischen Vorstellungen über Schwarze
Menschen, nämlich als Opfer, Hilfsbedürftige oder Kriminelle dienen sollte. Plakate mit
Bildern von erfolgreichen aktiven Schwarzen Menschen in Österreich, zum Beispiel von
einer Tagesmutter, einem Regisseur, einer Radio-Moderatorin, einem Musiker und einer
Studentin wurden gedruckt und an öffentlichen Orten aufgehängt.81
Ein anderer Stereotyp, der in Medien und im Alltag besonders oft vorkommt, ist der
Glaube, dass kopftuchtragende Frauen unterdrückt und dumm sind, obwohl es dafür keine
wissenschaftlichen Beweise gibt.82 Stereotype Darstellungen muslimischer Frauen, d. h.
die Reduktion einzelner Individuen auf wenige Merkmale, schüren Missverständnisse und
Angst in der einheimischen Bevölkerung.
Patricia Birungi, Petra Aigner und Simon Inou weisen aber auch auf eine positive Veränderung der Berichterstattung über Migrant_innen hin. In den letzten fünf Jahren
sei die Berichterstattung in vielen österreichischen Medien freundlicher und offener geworden.83 Personen mit Migrationshintergrund werden von manchen Medien (Standard,
ORF-Sendung “Heimat, Fremde Heimat”, ...) sogar willkommen geheißen.84 Birungi meint,
dass die Berichterstattung globalisierter geworden ist und sich gewisse Tendenzen nicht
mehr finden lassen, da sie von der Leser_innenschaft nicht mehr akzeptiert werden.
Beispielsweise ist “Neger” heute ein Schimpfwort und wird von Journalist_innen nicht
verwendet.85 Inou unterstreicht die aktive Rolle der Gesellschaft und der Migrant_innen,
79
vgl.
vgl.
81
vgl.
82
vgl.
83
vgl.
84
vgl.
85
vgl.
80
44
Brockhaus Enzyklopädie 2011
Interview mit Inou 2011
Schulter 2007
Interview mit Inou 2011
Aigner 2011, Birungi 2011 und Inou 2011
Aigner 2011.
Interview mit Birungi 2011
insbesondere für die Verbesserung der Berichterstattung. Migrant_innen haben die Aufgabe selbst in die Hand genommen, sie haben sozusagen nicht weiterhin bloß zugesehen,
welche Bilder von ihnen verbreitet wurden, sondern diese Bilder aktiv kritisiert.86
3.3.2 Sprachgebrauch: Begriffe und Metaphern
Es ist seit langem bekannt, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Sprache,
Denken, Weltanschauungen und sozialen Praktiken der Menschen gibt. Gegenseitige
Beeinflussungen zwischen Sprache und Kultur, zwischen menschlichem Verhalten und
Handeln, menschlicher Denkweise und Sprachstruktur stellen ein äußerst interessantes
Untersuchungsgebiet dar. Im folgenden Zitat unterstreicht Sigmund Freud die besondere
Macht des Wortes und der Sprache über die Menschen:
“Wir wollen übrigens das Wort nicht verachten. Es ist doch ein mächtiges
Instrument, es ist das Mittel, durch das wir einander unsere Gefühle kundtun,
der Weg, auf den anderen Einfluss zu nehmen. Worte können unsagbar wohl
tun und fürchterliche Verletzungen zufügen. Gewiss, zu allem Anfang war die
Tat, das Wort kam später, es war unter manchen Verhältnissen ein kultureller
Fortschritt, wenn sich die Tat zum Wort ermäßigte. Aber das Wort war
ursprünglich ein Zauber, ein magischer Akt, und es hat noch viel von seiner
alten Kraft bewahrt.” 87
Sprache ist ein Mittel zum Ausdruck eigener Gefühle, zur Beeinflussung anderer Menschen,
sie ist unabdingbar für Kommunikation. Außerdem können Worte Glückseligkeit aber
auch fürchterliche Schmerzen zufügen. Dem Wort liegt ein magischer Akt, ein Zauber
zugrunde, dessen Kraft sich der Kraft der Tat angleicht. Es ist wichtig, die richtigen
und präzisen Worte finden zu können, um einen bestimmten Sachverhalt zu beschreiben.
Falsche Wortwahl kann zu Missverständnissen und zum Versagen der Kommunikation
führen.
Die meisten Medien arbeiten mit Worten und Bildern und verschiedenen Text-BildKombinationen, die unterschiedliche Wahrnehmungsweisen beim Publikum hervorrufen.
Besonders starke Emotionen lösen gut zusammen passende Texte und Bilder aus. Ein
Beispiel dafür wäre ein Artikel mit dem Titel “Die Integration von Ausländern ist gescheitert” und daneben ein Bild von einer Frau mit Kopftuch mitten in einer österreichische
Stadt. In diesem Fall bekräftigt das Bild den Sinn des Titels. 88 Die Wirkungskraft so
einer Text-Bild-Kombination ist groß und wird die Denkweise von Leser_innen wesentlich
prägen. Der vorsichtige Umgang mit Worten und Bildern ist daher für Journalist_innen
von großer Bedeutung und muss erlernt werden.
Vorsicht ist vor allem beim Aussuchen passender Begriffe wichtig. Wenn Medien über
Sachverhalte, die mit “Ausländer_innen” zu tun haben, berichten, stehen Journalist_innen
vor der Aufgabe, die richtige Bezeichnung für diese oder jene Gruppe von Migrant_innen
zu finden. Begriffe wie “Zigeuner”, “Neger”, “Farbiger”, “Mulatte”, “Mischling” werden
heutzutage wegen ihrem rassistischen Beigeschmack normalerweise vermieden, obwohl
sie im Alltag noch durchaus üblich sind. Statt “Neger” schreiben Journalist_innen heute
“Afro-Österreicher”, statt “Zigeuner” “Sinti” oder “Roma”. Das war aber nicht immer so.
Minoritäten mussten dafür kämpfen, dass sie nicht mit von der Mehrheit ausgewählten
86
vgl. Interview mit Inou 2011
Freud 1972, S. 214
88
vgl. Farrokhzad 2006, S. 62 f.
87
45
Begriffen bezeichnet werden, sondern mit denen, die ihrer Meinung nach ihre Identität
widerspiegeln. Das ist ein gewisser Befreiungsakt der Migrant_innen von der Macht der
Sprecher_innen bzw. der Mehrheit. Es sollte zu den professionellen Regeln von Journalist_innen gehören, die Person, über die geschrieben wird, mit der Identitätsbezeichnung
zu versehen, die die Person selbst bevorzugt.89 Es könnte vermutet werden, dass jeweils
das Gleiche gemeint sei, egal ob der Begriff “Neger”, “Nigger” oder “Afro-Österreicher”
verwendet wird, d.h. es wäre demnach sinnlos, nach neuen “raffinierten” Ausdrücken für
unpassend gewordene Begriffe zu suchen. Neue Begriffe wirken auch oft künstlich und gehen nur langsam in die Alltagssprache ein. Ein Einblick in Gestaltung und Wahrnehmung
verschiedener Termini mag erklären, warum die Suche nach passenden Bezeichnungen
trotzdem so wichtig ist.
Wie im Kapitel 3.2.1 erwähnt, gehört die Verbreitung des Wissens über unterschiedliche
politische, soziale und ökonomische Themen in der Gesellschaft zu den primären Aufgaben
von Medien. Dabei sollte die Realität möglichst genau und objektiv dargestellt werden.
Die soziale Wirklichkeit entwickelt sich aber ständig und Journalist_innen können nicht
immer auf bereits existierende Ausdrücke zurückgreifen, da diese vielfach überholt oder in
bestimmten Situationen nicht mehr ausreichend sind. So stellt sich zum Beispiel die Frage,
ob in Bezug auf die zweite und dritte Generation von in Österreich bzw. Deutschland aus
der Türkei eingewanderten Familien der Begriff “Ausländer” wirklich verwendet werden
kann. Das Einwanderungsland ist für solche “ausländische Jugendliche” die Heimat, sie
sind österreichische bzw. deutsche Bürger_innen und ihre Deutschkenntnisse sind viel
besser als ihre Kenntnisse der Muttersprache ihrer Elten bzw. Großeltern. Darf jemand
überhaupt als “Ausländer” bezeichnet werden, der wahrscheinlich noch nie in seinem Leben
außerhalb Österreichs gewesen ist? Ralf Koch empfiehlt Journalist_innen in seinem Buch
“Medien mögen’s weiß”, in diesem Fall Migrant_innen gegenüber Respekt zu zeigen und die
Selbstdefinitionen der Migrant_innen zu verwenden. Das setzt aber bei Journalist_innen
aus der Mehrheitsbevölkerung die Bereitschaft zum Perspektivenwechsel und zu Flexibilität
voraus.90
Interessanterweise existieren für ähnliche Menschengruppen ähnliche Begriffe. So finden
sich beispielsweise in Bezug auf Migrant_innen in Österreich folgende Bezeichnungen:
“Flüchtlinge”, “Vertriebene”, “Verfolgte”, “Asylant_innen”, “Asylbewerber_innen”, “Scheinasylant_innen”, “Wirtschaftsflüchtlinge” oder “Asylbetrüger_innen”. Je nachdem, mit
welchem Begriff Journalist_innen in ihrem Artikel Migrant_innen bezeichnen, werden
beim Publikum unterschiedliche Emotionen und Gedanken ausgelöst. Zum Beispiel heben
die Begriffe “Vertriebene” und “Verfolgte” die Tatsache hervor, dass den Betroffenen
Unrecht angetan wurde, und rufen bei Leser_innen Mitleid und den Wunsch zu helfen
hervor. Die Verwendung der Begriffe “Scheinasylant_in”, “Wirtschaftsflüchtling” oder
“Asylbetrüger_in” führt eindeutig zur Entwicklung negativer Einstellungen gegenüber
Menschen anderer Herkunft, da diese Worte den moralischen Aspekt unterstreichen und
die Motive von Asylant_innen infrage stellen. Die Termini “Flüchtling” und “Asylant_in”
sind kompliziert und nicht eindeutig. Das Wort “Flüchtling” hatte in deutschsprachigen
Ländern zumindest bis in die Mitte der 1960-er Jahre eine negative Konnotation und wurde
sogar als Schimpfwort, zum Beispiel “echter Flüchtling”, verwendet. Diese Tatsache spielt
eine gewisse Rolle, wenn das Wort für die Bezeichnung von Migrant_innen verwendet
wird. Die abwertende Einstellung zu einer Person wird dabei erhalten bleiben und trifft besonders stark in Kombinationen wie “Wirtschaftsflüchtling” oder “Berufsflüchtling” hervor.
Um das im Begriff enthaltene negative Urteil zu mildern, wird das Wort oft präzisiert, zum
Beispiel “Bosnien-” oder “Kosovo-Flüchtling”. Angesichts der besonderen Aktualität des
89
90
Koch 1996, S. 31 f.
Ebd., S. 35 .
46
Themas Einwanderung und der Verwendung des Wortes “Flüchtling” als Sammelbegriff
für Migrant_innen mit unterschiedlichem Hintergrund sind in den letzten Jahren einige
eher neutrale Zusammensetzungen mit dem Wort entstanden: “Flüchtlingsstand” oder
“Flüchtlingsland”.91 Trotz seiner negativen Konnotation stellt das Wort “Flüchtling” den
Betroffenen als Opfer dar. Zwar flüchtet man aus eigenem Willen, trotzdem muss es
einen Grund für die Flucht geben, man flüchtet vor einem Feind, einer Gefahr oder
Katastrophe. Bei dem Begriff “Asylant_in” tritt dagegen die Beziehung der Flüchtlinge
zum Aufnahmeland hervor. Asylant_in ist jemand, der in einem fremden Land um Asyl,
d.h. Aufnahme und Schutz ersucht. Es wird zwischen Asylant_innen und Asylbewerber_innen unterschieden. Asylant_innen sind diejenigen, deren Anspruch auf Asyl in
einem Asylverfahren bestätigt wurde. Bei Asylbewerber_innen wurde dieser Anspruch
noch nicht bestätigt. Das ursprünglich neutrale Wort “Asylant_in” wurde allerdings in den
letzten Jahrzehnten stark rassistisch stigmatisiert, die meisten Kombinationen mit diesem
Wort sind eher negativ konnotiert: “Asylantendruck”, “Asylantenproblem”, “Asylbetrug”
etc. 92
Interessant ist auch ein näherer Blick auf Begriffe, die zur Bezeichnung Schwarzer Menschen
verwendet werden. In der deutschen Sprache ist der Begriff “Schwarz” äußerst negativ
besetzt. Das veranschaulichen folgende Ausdrücke: “Schwarzfahren”, “Schwarzmalen”,
“Schwarzarbeit” 93 oder “Schwarzhandel”, “Schwarzsehen”, “Schwarze Messe”, “Schwarze
Magie”, “Schwarzer Freitag”, “Schwarzer Mann”, “Schwarze Hölle Afrikas”.94 Daher ist
klar, warum manche Menschen mit dieser Hautfarbe die Bezeichnung als “Schwarze”
ablehnen. Viele Afrikaner_innen stehen aber stolz zu dieser Bezeichnung trotz des
negativen Beigeschmacks des Wortes in europäischen Kulturen. Im Deutschen gibt es
genug andere, wegen ihrer beleidigenden Nebenbedeutungen inakzeptable Bezeichnungen
für Menschen mit dunkler Hautfarbe: “Mohr”, “Bimbo”, “Nigger”, “Neger”. Der Name der
österreichischen Nachspeise “Mohr in Hemd” sorgt auch für Aufregung unter Schwarzen.95
Wer präzise und vorsichtig mit Begriffen umgehen möchte, sollte Rücksicht auf unterschiedliche Konnotationen von Wörtern nehmen. Entscheidend ist nicht nur die Definition
des Wortes, die im Wörterbuch steht, sondern auch die Assoziationen und Emotionen, die
diese Wörter bei Rezipient_innen hervorrufen. Es gibt keine “Therapie” für rassistisch
infizierte, verdorbene Wörter, wie zum Beispiel “Zigeuner” oder “Neger”.96 Sie werden
immer wieder negative Einstellungen und rassistische Denkweisen auslösen, sogar wenn
eine Journalist_in sie neutral verwenden möchte.
Doch bedeutet eine Verwendung neuer Begriffe alleine noch keine Veränderung der/des
Sprechenden in eine positive Richtung. Koch sagt zu diesem Thema:
“Der Wortwechsel allein ist kein Schutz vor Rassismus und auch nicht
unbedingt Ausdruck einer nicht-rassistischen Haltung. Ein Hamburger Roma
brachte diese Erfahrung auf den Punkt: ’Früher hieß es Scheiß-Zigeuner, heute
Scheiß-Roma.’ Man kann in der Tat Roma sagen und weiterhin Zigeuner
denken, also auch einen ’neuen’ Begriff benutzen, um die alten Stereotypen,
Klischees und Vorurteile fortzuschreiben.” 97
91
vgl. Jung, Niehr und Böke 2000, S. 27
vgl. ebd., S. 29
93
vgl. Achaleke und Inou 2009, S. 2
94
vgl. Birungi 2007, S. 24 f.
95
vgl. Interview mit Inou 2011
96
Koch 1996, S. 41 f.
97
Ebd., S. 43
92
47
Sprache und Denkweise beeinflussen einander wechselseitig. Um rassistische Haltungen
in der Bevölkerung abzubauen, reicht es nicht, sich einfach beliebige neue Begriffe für
Migrant_innen auszudenken. Sinnvoll wäre, nach Definitionen zu suchen, die aus der
Perspektive von Migrant_innen ihre Identität am besten beschreiben. Neue Wörter sollten
Aspekte wie Respekt für andere Kulturen und Akzeptanz in den Vordergrund stellen. Das
Verwenden und vor allem Verstehen solcher Wörter könnte zum Abbau von Klischees und
Vorurteilen über Migrant_innen führen.
Im Zusammenhang mit seinen Konnotationen ist auch der Begriff “Ausländer_in” selbst
sehr interessant. Auf den ersten Blick scheint er neutral und unvoreingenommen zu sein.
Bei diesem Wort tritt die Zugehörigkeit zu einer anderer Nationalität in den Vordergrund.
“Ausländer_in” bedeutet “nicht von hier, aus einem anderen Land”, ein “Fremder” aus
der Perspektive der Mehrheitsgesellschaft. Der Begriff “Ausländer_in” wird automatisch
dem Begriff “Inländer_in” bzw. “Österreicher_in” oder “Einheimisch” gegenübergestellt.
Das Wort steht vor allem für die Ausgrenzung aus der Aufnahmegesellschaft. Es ist
wichtig zu bemerken, dass das Wort “Ausländer_in” vor allem für Flüchtlinge, ehemalige Gastarbeiter_innen und ihre Familien steht, nicht aber für “EU-Ausländer_innen”
oder andere “westliche Ausländer_innen”. Das heißt etwa, dass Flüchtlinge, ehemalige
Gastarbeiter_innen und ihre Familien aufgrund von Aussehen, Sprache und kultureller
Unterschiede ausgegrenzt und damit diskriminiert werden.98
Die Suche nach passenden Wörtern zur Beschreibung einer sich ständig verändernden Wirklichkeit ist ein komplizierter Prozess und verlangt gewisse Kreativität. Journalist_innen
greifen oft zu Metaphern, wenn sie keine präzisen Bezeichnungen finden. Im folgenden
Zitat wird erklärt, was Metaphern sind:
“Metaphern werden im allgemeinen gebraucht, um neuartige, komplexe oder
abstrakte Phänomene in bekannte, konkrete oder einfache Zusammenhänge
’bildlich’ zu übertragen und damit das Bezeichnete für die Leser_innen und
Hörer_innen zu veranschaulichen, zu vereinfachen und plausibel zu machen.
Dabei ist mit dem Gebrauch von Metaphern häufig ein Effekt der Übertreibung und Dramatisierung oder auch der Untertreibung und Euphemisierung
verbunden.” 99
Der Gebrauch von Metaphern dient zur Erklärung und Veranschaulichung unbekannter
Sachverhalte, er unterläuft aber die Gefahr, diese Sachverhalte zu verzerren, d.h. entweder
ihre Bedeutung zu mildern oder zu übertreiben. Im Migrationsdiskurs kommen metaphorische Ausdrücke aus den Bereichen “Wasser” und “Krieg” besonders oft vor. Sie werden
verwendet, um den Vorgang der Zuwanderung als Massenbewegung darzustellen oder um
unterschiedliche Zuwanderungsgruppen zu bezeichnen.100
Die Wasser-Metaphorik ist bei Journalist_innen besonders beliebt, wenn es um Migration
geht. “Wasser” symbolisiert eine gewaltige und potenziell gefährliche Naturkraft, die
eventuell durch zivilisierte Menschen kontrolliert und gesteuert werden sollte. Allgemein
implizieren Wasser-Metaphern die Bedeutung “(zu) viel an Zuwanderer_innen”, einzelne
metaphorische Ausdrücke können aber in drei Gruppen unterteilt werden. Die erste Gruppe
umfasst Strom-, Zustrom- und Wellen-Metaphern, dazu gehören zum Beispiel: “Massenzustrom”, “Migrationswelle”, “Gastarbeiterzustrom”, “Asylbewerber-Strom”, “Türken-Welle”
etc. Diese Metaphern sind nicht immer eindeutig negativ gemeint, z.B. der Begriff “Migrationswelle” kommt neutral vor und löst keine besonderen negativen Emotionen aus.
98
vgl. Jung, Niehr und Böke 2000, S. 73 .
Ebd., S. 131
100
vgl. ebd.
99
48
Trotzdem vermitteln sie das Bild einer “(zu) großen Masse” an Zuwanderung, so dass
das Aufnahmeland überfordert wird. Die nächste Gruppe ist aus Regulierungsbegriffen
wie “eindämmen”, “kanalisieren”, “abschotten” etc. gebildet. In diesen Begriffen tritt die
Notwendigkeit der Lenkung von Zuwanderer-Strömen, damit diese nicht gefährlich werden,
in den Vordergrund. Migrantin_innen werden hier als passive Objekte und Einheimische
als aktive Akteur_innen aufgefasst. Zur letzten Gruppe gehören Flut- und SchwemmeMetaphern, zum Beispiel “Ausländerschwemme”, “überfluten”, “überschwemmen”. Sie
wirken fast immer negativ bewertend und werden mit einem Übermaß an Zuwanderung,
das reduziert werden muss, assoziiert.101
Metaphern sind unter Journalist_innen populär, nicht nur weil sie komplizierte Zusammenhänge klar darzustellen helfen, sondern auch, weil sie das Publikum intensiv ansprechen.
Bildhafte Ausdrücke können ein Geflecht von Assoziationen und Emotionen auslösen
und damit die Aufmerksamkeit eines/einer Leser_in erhöhen. Wenn ähnliche bildhafte
Ausdrücke oft in den Medien vorkommen und in ähnlichem Sinn von unterschiedlichen
Autor_innen eingesetzt werden, dann kann es in diesen Fällen um Kollektiv-Symbole bzw.
journalistische Symbole gehen. Träger von Kollektiv-Symbolen ist eine gesellschaftliche
Gruppe oder eine ganze Gesellschaft und es besteht ein Zusammenhang journalistischer
Symbole mit Soziokultur, d. h. mit allen kulturellen, sozialen und politischen Interessen
und Bedürfnissen einer Gesellschaft beziehungsweise einer gesellschaftlichen Gruppe.102
Im Lexikon aktueller journalistischer Kollektiv-Symbole von Jürgen Link sind das BootSymbol und das Deich-Flut-Symbol neben anderen Kollektiv-Symbolen genannt. Das
Boot-Symbol repräsentiert die Gemeinschaft aller Mitglieder einer Gesellschaft in scharfer
Abgrenzung zur Umwelt, die mehr oder weniger gefährlich gesehen wird. Gesellschaft
wird als System aufgefasst und die Idee der System-Solidarität steht im Vordergrund.
Im Rahmen dieses Kollektiv-Symbols steht “Boot” für “Gesellschaft”, “Flut” für “äußere
Gefahren”, “Sturm” für “besonders große äußere Gefahren” und “alle in einem Boot”
für “Sozialpartnerschaft”.103 Mit dem Boot-Symbol ist ein anderes Kollektiv-Symbol
aus dem Bereich “Wasser” eng verbunden, nämlich das Deich-Flut-Symbol. Es stellt
das Gegen-System als eine Naturkatastrophe dar, vor der man sich schützen sollte, die
defensive Perspektive wird dabei betont.104 Durch den Gebrauch von Wasser-Metaphern
in der Berichterstattung über Migrant_innen wird unmittelbar auf Kollektiv-Symbole
aus dem Bereich des Wassers verwiesen. Wenn das Thema Zuwanderung ständig mit
den Themen “Ausgrenzung”, “Gefahr oder Überforderung des eigenen Systems durch
das schwer kontrollierbare Gegen-System” assoziiert wird, fördert das die Verfestigung
rassistischer Denkweisen und Einstellungen. Auf Kollektiv-Symbole kann nicht nur mit
Wörtern, sondern auch mit Bildern verwiesen werden.
Für den Migrationsdiskurs sind auch Krieg-Metaphern von Bedeutung, zum Beispiel
“Invasion”, “Anmarsch” oder “Türkenansturm”. Krieg-Metaphern dienen eindeutig zur
negativen Darstellung der Zuwanderung, sie rufen das Bild eines massenhaften Eindringens
in fremdes Territorium hervor.105 Krieg-Metaphern verweisen auch auf das kollektive
Krieg-Symbol, das für besonders scharfe Widersprüche zwischen dem eigenen und dem
extremen und chaotischen Gegen-System steht.106
Medien sollten informieren, bilden sowie unterhalten. Journalistische Texte sollten allgemein verständlich, klar und interessant gestaltet sein. Um diesen Kriterien zu entsprechen,
101
vgl.
vgl.
103
vgl.
104
vgl.
105
vgl.
106
vgl.
102
Jung, Niehr und Böke 2000, S. 131 .
Link 1978, S. 223 f.
ebd., S. 198 f.
ebd., S. 207 f.
Jung, Niehr und Böke 2000, S. 134
Link 1978, S. 214
49
müssen Journalist_innen über ausgezeichnetes Sprachwissen und Sprachgefühl verfügen.
Damit ein Artikel Interesse und Spannung erweckt, sollten stilistische und sprachliche
Mittel richtig verwendet werden. Prägnante, konkrete und kurze Ausdrücke sorgen für eine
hohe Qualität eines Artikels, während emotionell konnotierte Wörter Spannung schaffen.
Journalistischer Sprachgebrauch ist sehr von persönlichen Vorlieben von Journalist_innen
abhängig. Obwohl es viele Vorgaben zur Gestaltung medialer Texte gibt, verfügen Journalist_innen aufgrund ihres fachlichen Wissens über viel Macht bei der Verfassung von
Texten. Die Wirkungsbreite und -tiefe medialer Texte verlangt von Autor_innen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit beim Schreiben. Wenn objektive Berichterstattung als die
wichtigste Aufgabe von Medien wahrgenommen werden soll, sollte bei der Auswahl von
Begriffen und Metaphern besonders aufgepasst werden, da sie mit der emotionalen Ebene
der Wahrnehmung viel zu tun haben. Der Gebrauch zweideutiger Begriffe und negativ
konnotierter Ausdrücke im Migrationsdiskurs führt oft zur Verfestigung rassistischer
Denkweisen und rassistischen Verhaltens in der Bevölkerung.
3.3.3 Strategien zur Vermeidung von Rassismus
Die Strategien zur zukünftigen Vermeidung von Rassismus lassen sich in vier Hauptgruppen
unterteilen. Diese Hauptgruppen lassen sich ebenfalls noch in Untergruppen unterteilen.
3.3.3.1 Strategie 1: Vermeidung von Rechtsextremismus und Aufklärung
Die Aufklärung über Rechtsextremismus und die dazugehörigen Konsequenzen müssen
in der Bevölkerung genauestens definiert werden und nicht nur durch punktuelle, meist
aktuelle Sonderberichterstattungen. In fortwährenden Berichten sollte das alltägliche
Leben von Rechtsextremist_innen oder rechtsextremistischen Gruppierungen aufgezeigt
werden, und auch deren politische Vorstellungen. Es sollten auch vermehrt Berichte über
die Vergangenheit Österreichs und Deutschlands gebracht werden, um die Konsequenzen
noch deutlicher aufzuzeigen. Des Weiteren soll bei den Konsequenzen erwähnt werden,
dass Rechtsextremismus nicht nur eine politische Einstellung ist, sondern dass bei einer
Wiederholung sich die Gesellschaftsordnung verändert in Richtung Diktatur, Krieg, Verfolgung und Ausgrenzung – vor allem die Erwähnung, dass Ausgrenzung jeden betreffen
kann, sollte immer wiederholt erwähnt werden.107
Es sollte vermehrt auf die “Nicht-Springerstiefel-Typen” geachtet werden, denn diese verweisen sehr oft auf Kontakte nach außen. Diese Personen werden auch oft als
Möchtegern-Intellektuelle bezeichnet, die ihr rechtsextremes Gedankengut in die Öffentlichkeit tragen, um durch die Überintellektualisierung der Nähe zum Nationalsozialismus
zu entkommen.108
3.3.3.2 Strategie 2: Sensibilisierung und Erweiterung der Medienlandschaft
Da meist von Menschen mit Migrationshintergrund in Bezug auf kriminelle Handlungen berichtet wird, muss die zukünftige Berichterstattung in der Medienlandschaft viel sensibler
und sorgfältiger gestaltet werden. In diesem Sinne sollten Journalist_innen oder Reporter_innen nicht nur die oberflächlichen Fakten aufarbeiten, sondern auch die Hintergründe
107
108
vgl. Jäger 2000, S. 9
vgl. ebd.
50
und Umstände. Dies sollte jenen durch Schulungen und Weiterbildungen näher gebracht
werden. Den Journalist_innen soll auch die Macht der Medien verdeutlicht werden, damit
diese ein Verständnis dafür bekommen, welche Ergebnisse ihre Berichterstattung hat.109
Ebenfalls sehr wichtig ist, dass Einwanderer_innen und Flüchtlinge im Fernsehen, in
Filmen und Werbung und auch Zeitungsberichten als normale Bestandteile der Gesellschaft
betrachtet werden, und dass allen deutlich gemacht wird, dass sie nicht die Ursache für
gesellschaftliche Probleme sind, sondern dass diese Probleme auch ohne jene entstanden
wären.110
Im ECRI-Bericht über Österreich wird erwähnt, dass vor allem das Klima der Ausgrenzung und der Feindseligkeit abgebaut werden muss – also ist auch im Vorhinein schon
zu vermeiden, dass ein solches Klima überhaupt entstehen kann. Eine Bewusstseinsweiterbildung für Angehörige im Medienberuf wäre daher von großer Bedeutung. Der
Ehrenkodex für die österreichische Presse (im Auftrag des Österreichischen Presserats)
wurde als Selbstregulierung der Printmedien gesehen und hatte gute Ansätze, jedoch ist
der Österreichische Presserat seit 2002 nicht mehr tätig – daher sollte dieser unverzüglich
seine Tätigkeit wieder aufnehmen.111
Parncutt empfiehlt die künftige Verbannung von rassistisch hinterlegten Wörtern in Medien, als auch vermehrte positive Berichterstattung über Afrikaner_innen. Nebensächliche
Hinweise auf die Hautfarbe sollten auch vermieden werden, Nelson Mandela und Kofi
Annan sollten nicht als “Schwarzafrikaner” angesehen sondern als Helden. Strategisch
interessant wäre in Zukunft die Verwendung von Reporter_innen mit Migrationshintergrund bzw. eine Berichterstattung, wie Einwanderer_innen, Asylbewerber_innen etc.
Österreich sehen.112
3.3.3.3 Strategie 3: Erweiterung der rechtlichen Grundlagen
Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz fordert von Österreich
die Ratifizierung des Protokolls Nr. 12 der Europäischen Menschenrechtskommission.
Dieses Protokoll ist eines der wichtigsten Rechtsinstrumente zur Bekämpfung von Rassendiskriminierung. Die Ratifizierung würde effizienteres Arbeiten auf nationaler Ebene
gewährleisten.113 Eine weitere Empfehlung im ECRI-Bericht ist die raschere Erhaltung der
österreichischen Bürgerschaft und eine flexiblere Handhabe von Doppelstaatsbürgerschaften, jedoch sind hierbei die Regierung beziehungsweise manche Fraktionen gegenteiliger
Ansicht.114 Eine konkrete strafrechtliche Bestimmung zur Bekämpfung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit wäre auch nötig. Österreich verfügt über einen einzigen Paragraphen
im Strafgesetzbuch bezüglich Verhetzung (Ÿ283 StGB), jedoch kommt dieser selten zum
Tragen, da oftmals das Verbotsgesetz in Kraft tritt. Daher wäre eine Erweiterung der
Gesetze zur Bekämpfung von Rassismus und auch zum Schutz von Einwanderer_innen
nötig.115
Im Sinne der Suche nach Strategien auf gesetzlicher Ebene wird die Notwendigkeit
einer verbesserten Ausbildung aller in der Strafgerichtsbarkeit beschäftigten Personen
109
vgl.
vgl.
111
vgl.
112
vgl.
113
vgl.
114
vgl.
115
vgl.
110
Jäger 2000, S. 9
ebd.
Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) 2010b, S. 33 f
Parncutt 2004, S. 8
Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) 2010b, S. 13
ebd., S. 15
ebd., S. 16
51
hinsichtlich der Bestimmungen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gesehen, wie
auch die Sensibilisierung des Bewusstseins für Notwendigkeiten bezüglich Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit. Die Schaffung eines öffentlichen Organs gegen Diskriminierung,
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit – beispielsweise eine Gleichbehandlungsanwaltschaft
– wäre ebenfalls notwendig.116
3.3.3.4 Strategie 4: Ausbau interkultureller Bildung
Um beispielsweise Polizist_innen interkulturell besser auszubilden, wurden 56 zusätzliche
Stunden in der Grundausbildung hinzugefügt, um den Auszubildenden einen Einblick
in die Grundrechte zu zeigen. Im ECRI-Bericht wird gefordert, dass die interkulturelle Bildung verstärkt werden muss und dass dies vor allem zur fundierten Ausbildung
eines/einer Lehrer_in gehört. Des Weiteren muss darauf geachtet werden, dass es ausreichend Lehrer_innen mit nichtdeutscher Muttersprache bzw. Deutsch als Zweitsprache
gibt, um die interkulturelle Erziehung gewährleisten zu können.117
3.3.3.5 Strategien der Expert_innen
Patricia Birungi meint im Interview, dass es am wichtigsten wäre, Objektivität zu zeigen.
Sie bezieht sich dabei nicht nur auf die Medien, sondern auf die Gesellschaft im Generellen.
Es ist wichtig, den Leuten zu zeigen, dass Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit nicht
alleine die ausschlaggebenden Faktoren sind, um einen Menschen zu beurteilen. Sie
erwähnt als wichtigen Zwischenschritt, dass die Medien beginnen sollten, Integration in
der Gesellschaft positiv zu belegen. Das Wort die “Anderen” sollte zu einem gemeinsamen
“uns” weiterentwickelt werden, und die Medien sollten eine breite Vielfalt der Gesellschaft
widerspiegeln. Ein generelles Anerkennen, dass jemand, der “Schwarz” ist, gleichzeitig
auch Österreicher_in sein kann, sollte auch erreicht werden.118
Siegfried Jäger weist eindrücklich darauf hin, dass Medien generell kritisch gegenüber jeder
Art “rassistischer Berichterstattung” auftreten sollen und diese auch öffentlich bekämpfen
sollten.119
Petra Aigner meint, dass es immer auf die Bevölkerungsschicht ankommt. Das Vermeiden
von Rassismus kann mitunter schwieriger sein bei ungebildeten oder weniger gebildeten
Bevölkerungsschichten, die beispielsweise die “Krone” als Tageszeitung bevorzugen. Die
Medien können im Bereich der Vermeidung jedoch sehr behilflich sein. Das öffentlichrechtliche Fernsehen (ORF) zeigt u. a. politisch korrekte Sendungen wie “Am Schauplatz”,
die manchmal Themenbereiche behandeln (z. B. Flucht und Asyl), die bei antirassistischer Aufklärungsarbeit helfen. Aigner weist darauf hin, dass die Meinungsbildung zum
Thema “Rassismus” nicht nur über die Medien stattfindet. Die Medien können aber die
Informationsfunktion nützen und dabei die fremde Kultur der Mehrheitsgesellschaft näher
bringen.120
Simon Inou ist der Ansicht, dass die ständige Erwähnung der Themen “Rassismus”
und “Antirassismus” in den Medien den Rassismus in der Bevölkerung abbauen könnte.
116
vgl.
vgl.
118
vgl.
119
vgl.
120
vgl.
117
52
Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) 2010b, S. 16
ebd., S. 18
Interview mit Birungi 2011
Interview mit Jäger 2011
Interview mit Aigner 2011
Er ist der Meinung, dass Projekte in Schulen zum Thema “Interkulturalität” helfen
würden, um schon von klein auf zu lernen, wie mit dem Thema umgegangen werden
sollte, und dass eine gewisse Akzeptanz schon im jungen Alter aufgebaut werden kann.
Er erwähnt auch, dass das Thema “Rassismus” in österreichischen Medien nicht sehr
gut hinterlegt ist, da noch immer der geschichtliche Hintergrund in den Köpfen der
Österreicher_innen lastet. In Österreich wird das Wort “Diskriminierung” öfter verwendet
als das Wort “Rassismus” – eben aufgrund der Vergangenheit. Wichtig ist einfach, dass
Betroffene die Probleme aufzeigen, und dass eine Gemeinschaft aus Migrant_innen und
Österreicher_innen gemeinsam arbeitet und positive Ergebnisse präsentiert.121
121
vgl. Interview mit Inou 2011
53
4 Arigona Zogaj: Die Verschärfung der
Asylpolitik
4.1 Einleitung
Gibt es Rassismus in den Medien überhaupt, die doch wertfrei und unabhängig berichten
sollen? Rassismus ist nicht immer eindeutig erkennbar, sondern versteckt sich gerne im
Detail. Aber auch – oder gerade durch – diese versteckte Form von Rassismus wird viel dazu
beigetragen, die Sicht auf die Realität zu beeinflussen. Ob sich die Medienberichterstattung
immer im Einklang mit der Realität befindet, wird bezweifelt.1 Medien beeinflussen und
prägen die Gesellschaft und gesellschaftliche Veränderungen gehen immer mit medialen
Veränderungen einher.2
Die Macht der Medien ist enorm und Medien schaffen es, Vorurteile aufzubauen und
in der Gesellschaft zu festigen. Anhand der Ereignisse rund um Arigona Zogaj und der
Verschärfung der Asylpolitik wird untersucht, in wie fern Rassismus in den österreichischen
Medien dargestellt wird. Dabei wird sowohl auf sprachlichen, symbolischen und bildhaften
Gebrauch Bezug genommen. Bei Arigona Zogaj handelt es sich um ein aus dem Kosovo
stammendes Mädchen, das gemeinsam mit seiner Familie einige Jahre illegal in Österreich
lebt. Nach Ausschöpfen aller Rechtsmittel und nach Abschluss aller langjährigen Verfahren
wird die gut integrierte Familie Mitte des Jahres 2010 in den Kosovo abgeschoben, bevor
sie im November 2010 wieder legal mittels Schüler- und Arbeitsvisa nach Österreich
einreisen konnte. Im Jahr 2007 versteckt sich die damals 15-jährige Arigona aus Angst
vor einer Abschiebung und lenkt somit die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf das
österreichische Fremdenrecht, wodurch eine medienwirksame Diskussion über das geltende
humanitäre Asyl- und Bleiberecht eingeleitet wird.
Im Zuge der Forschung wurde das behandelte Thema im Wesentlichen in zwei Bereiche
gegliedert:
Im ersten Teil wird zunächst auf die Geschichte und auf das Umfeld der Familie Zogaj
eingegangen, um einen Überblick über die Ereignisse zu erhalten. Des Weiteren behandelt
ein umfangreicher Teil den medialen Diskurs. Anhand von festgelegten, ereignisbezogenen
Meilensteinen in der Asyldebatte rund um die Familie Zogaj werden Berichte in “Der
Standard”, “Kronen Zeitung” und “Oberösterreichische Nachrichten” in Bezug auf Rassismus in Sprache und Bild untersucht. Erkenntnisse aus Interviews, die mit Personen aus
dem Umfeld der Familie Zogaj im Februar und März 2011 geführt wurden, stellen den
praxisbezogenen Bezug zu den rechtlichen Veränderungen dar, die seitens der österreichischen Regierung seit dem Jahr 2000 verankert wurden und zu einer Verschärfung der
heimischen Asylpolitik führten.
1
2
vgl. Birungi 2007, S. 19 .
vgl. ebd., S. 27
55
Der zweite Teil beschäftigt sich mit der österreichischen und europäischen Asylpolitik.
Hierbei wird insbesondere auf die aktuelle Gesetzeslage für Aslywerber_innen in Österreich
und auf die ausschlaggebenden Kriterien für Gesetzesänderungen eingegangen.
Neben der Mediendiskursanalyse werden Informationen auch auf Basis von Interviews
und per Mail übermittelten Fragebögen erhoben. So wurden im Februar 2011 ExpertInnenterviews mit folgenden Personen durchgeführt:
• Dr. Helmut Blum, Rechtsvertreter der Familie Zogaj
• Univ.Prof. Dr. Josef Weidenholzer, Präsident der Österreichischen Volkshilfe
• Mag. Eva Hötzendorfer, Lehrerin an der HBLW Landwiedstraße in Linz
• Asylkoordination Österreich, Wien
• Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, Wien
Die Vorgehensweise bei der Diskursanalyse erfolgte sowohl in einer Grob- als auch in
einer Feinanalyse, wobei bei der Recherche zur Asylpolitik die letzten zehn Jahre näher
beleuchtet wurden, weil im speziellen Fall der Familie Zogaj der Vater erstmals im Jahr
2001 einen Asylantrag in Österreich stellte.
4.2 Die Geschichte der Familie Zogaj: Überblick über die
Ereignisse
Arigona Zogaj, geboren am 12. Jänner 1992 in Istog/Kosovo, wohnhaft in Oberösterreich,
erregt seit 2007 mediale Aufmerksamkeit.3 Grund dafür ist die geplante Abschiebung
der gut integrierten Familie am 26. September 2007 nach mehreren negativen Asylbescheiden. Sowohl ihre vier Geschwister als auch ihre Eltern werden an diesem Tag von
der Fremdenpolizei abgeholt. Arigona wird telefonisch gewarnt und verschwindet, bevor
die Polizei eingetroffen ist. Daraufhin versteckt sich die damals 15-jährige Arigona aus
Angst vor einer Abschiebung und lenkt somit die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf
das österreichische Fremdenrecht.4
Mit der Flucht ihres Vaters Devat Zogaj aus Südserbien im Mai 2001 hat alles begonnen.
Ihr Haus im Kosovo (Kalican) wird niedergebrannt und Devat Zogaj flüchtet daraufhin mit
Hilfe von Schleppern in das oberösterreichische Frankenburg am Hausruck in der Hoffnung,
Asyl zu bekommen. Der Asylantrag wird abgelehnt.5 Dennoch reisen Arigona, ihre Mutter
Nurie sowie ihre vier Geschwister ein Jahr später nach.6 Auch der zweite Asylantrag des
Vaters wird abgewiesen und er erhält im Februar 2003 einen Ausweisungsbescheid. Die
gesamte Familie Zogaj wird von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck aufgefordert,
das Land bis 10. Mai 2005 zu verlassen. Allerdings stellt die Familie einen Antrag
auf Erstniederlassung aus humanitären Gründen. Dieser wird vier Monate später vom
Innenministerium ebenso abgelehnt wie die Berufung. Am 26. September 2007 wird die
Familie schließlich von der Fremdenpolizei in Frankenburg für ihre Abschiebung in den
3
vgl.
vgl.
5
vgl.
6
vgl.
4
56
John 2009
Eybl 2009, S. 67
John 2009
Der Standard 2010a
Kosovo abgeholt. Arigona aber taucht aus Angst vor der Abschiebung unter und ist zu
diesem Zeitpunkt spurlos verschwunden.7
Zu dieser Zeit stellt der damalige ÖVP-Innenminister Günther Platter den neuen Kriterienkatalog für das Bleiberecht der Öffentlichkeit vor.8 Nurie Zogaj wird der Aufenthalt
in Österreich einstweilen gestattet, um nach ihrer Tochter Arigona zu suchen. Die vier
Geschwister und der Vater von Arigona werden in den Kosovo abgeschoben. Am 30.
September 2007 gibt es in Form eines Briefes das erste Lebenszeichen von Arigona. In
ihrem veröffentlichten Brief droht sie mit Selbstmord, falls ihre Familie nicht zurück nach
Österreich dürfe.9 Am nächsten Tag findet dazu eine Versammlung der oberösterreichischen Landesregierung statt und gleichzeitig vereinbart der damalige Vizekanzler Wilhelm
Molterer mit dem damaligen Innenminister Günther Platter, bezüglich der weiteren rechtlichen Schritte das Urteil des Verfassungsgerichtshofes abzuwarten. Arigona und Nurie
dürfen für diese Zeit in Österreich bleiben.
Am 5. Oktober 2007 wiederholt Arigona ihre Selbstmorddrohung in einem vom ORF
veröffentlichten Video. 10 Das Video wird schnell publik und ab diesem Zeitpunkt beginnt
das starke mediale Interesse um das Flüchtlingsmädchen aus dem Kosovo. Dieser Asylfall hat eine österreichweite Debatte um das aktuell geltende Asylrecht zur Folge. Die
Videobotschaft von Arigona löst in ganz Österreich, speziell jedoch in ihrem Wohnort
Frankenburg, eine Welle der Solidarität aus. Es werden unter anderem Demonstrationen
für ein Bleiberecht der Familie Zogaj veranstaltet.11
Am 6. Oktober 2007 demonstrieren laut Angabe der Polizei rund 500 Menschen in
Frankenburg für den Verbleib bzw. die Zusammenführung der Familie Zogaj. Unter den
Demonstrant_innen sind auch Prominente wie der österreichische Entertainer, Schauspieler und Sänger Alfons Haider und Politiker_innen der SPÖ, ÖVP und den Grünen.
Arigonas Schulkolleg_innen starten gemeinsam mit der Gemeine Frankenburg eine Unterschriftenaktion. Auch die Grünen setzen sich mittels einer Unterschriftenaktion für
die Familie Zogaj ein. Sie übergeben im Juni 10.000 Unterschriften an Bundespräsident
Heinz Fischer.12
Am 9. Oktober 2007 findet ein persönliches Gespräch zwischen dem oberösterreichischen
Landeshauptmann Josef Pühringer und der unversehrt aus ihrem Versteck aufgetauchten
Arigona statt. Er teilt mit, dass sich Arigona bei Josef Friedl, dem Pfarrer der Gemeinde
Ungenach im Bezirk Vöcklabruck, aufgehalten hat und dass es ihr den Umständen
entsprechend gut geht.13 Am nächsten Tag werden der von den Grünen gegen Innenminister
Günther Platter gestellte Misstrauensantrag sowie ein Antrag auf Bleiberecht für die
Familie Zogaj vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt.
Am 12. Oktober 2007 gibt Arigona gemeinsam mit Pfarrer Josef Friedl eine Pressekonferenz,
in der sie nochmals betont, dass sie Österreich auf keinen Fall verlassen will. Knapp
eine Woche später besucht Arigona wieder die Schule. Zwei Monate später stellt sich
heraus, dass die Chancen, in Österreich bleiben zu können, immer geringer werden. Der
Verfassungsgerichtshof lehnt die Beschwerde der Familie Zogaj gegen die Verweigerung der
Erstniederlassung ab. Somit liegt die Entscheidung über den Verbleib der Familie endgültig
7
vgl.
vgl.
9
vgl.
10
vgl.
11
vgl.
12
vgl.
13
vgl.
8
Der Standard 2010a
Eybl 2009, S. 67
Der Standard 2010a
Die Presse 2010a
Kleine Zeitung 2007
Österreich 2010
Die Presse 2010a
57
bei dem damaligen Innenminister Günther Platter, der die Entscheidungskompetenz
bezüglich eines humanitären Aufenthaltes inne hat. Da er kein humanitäres Bleiberecht
ausspricht, werden Arigona und ihre Mutter informiert, dass sie bis zum Schulschluss im
Juli 2010 bleiben dürfen und danach das Land sofort verlassen müssen.14
Kurz vor Schulschluss, im Mai 2010, verübt Mutter Nurie einen Selbstmordversuch. Als
Gründe dafür werden in der Öffentlichkeit die bevorstehende Abschiebung sowie das
Nichtauffinden ihres Mannes Devat im Kosovo genannt. Selbst Arigonas Geschwister
im Kosovo wissen nicht, wo sich ihr Vater zu dieser Zeit aufhält.15 Aufgrund ihres
Selbstmordversuches und des attestierten labilen Zustandes wird die Abschiebung vorerst
aufgehoben.
Die mit 1. Juli 2008 als Nachfolgerin von Günther Platter neu angelobte Innenministerin
Maria Fekter (ÖVP) legt einen vom Verfassungsgerichtshof geforderten Entwurf für eine
Neuregelung des humanitären Bleiberechts vor, welcher im März 2009 vom Ministerrat
beschlossen wird. Im Oktober 2008 wird der Antrag auf Gewährung von Schülervisa für
die minderjährigen Geschwister Albin und Albona Zogaj abgelehnt. Die beiden versuchen
gemeinsam mit ihren inzwischen volljährigen Brüdern Alfred und Alban illegal über
Ungarn wieder nach Österreich einzureisen. Der Versuch scheitert allerdings, da sie
an der EU-Außengrenze zu Serbien aufgehalten werden. Mit Verweis auf das DublinAbkommen, einem völkerrechtlichen Vertrag über die Zuständigkeit von Asylanträgen,
übergibt Innenministerin Maria Fekter an die ungarischen Behörden, die jedoch die
Zuständigkeit ablehnen.
Im Jänner 2009 sind Arigona, ihre Mutter und ihre vier Geschwister für kurze Zeit wieder
in Österreich vereint und stellen abermals Asylanträge. Die beiden älteren Brüder Alfred
und Alban reisen Anfang Februar freiwillig zurück in den Kosovo. Die beiden jüngeren
Geschwister bleiben vorerst bei Arigona und ihrer Mutter in Österreich. Am 12. November
2009 gibt das Innenministerium die Ablehnung der Asylanträge von Nurie und ihren
Kindern bekannt. Der Asylgerichtshof prüft als letzte zuständige Instanz den Fall und
lehnt die Beschwerde im Juni 2010 endgültig ab. Innenministerin Maria Fekter rät der
Familie zu einer “freiwilligen” Ausreise, um später auf legalem Weg mittels Schülervisa,
Arbeitsvisum oder Heirat wieder einreisen zu können.16
Auch die Bitten von Kardinal Christoph Schönborn und Bundespräsident Heinz Fischer
für ein humanitäres Bleiberecht bleiben ungehört. Die bevorstehende Abschiebung löst
abermals eine Demonstrations- und Protestwelle aus. Am 15. Juli 2010 tritt die Familie
ihren Rückflug in den Kosovo an und stellt im Heimatland umgehend die entsprechenden
Anträge für Schülervisa sowie ein Arbeitsvisum, um wieder legal nach Österreich einreisen
zu können. Diese Asylanträge werden im November 2010 positiv beschieden, zumal die
Herren Alfons Haider und Josef Friedl sowie eine weitere unbekannte Person sich bereit
erklären, für die Familie Zogaj zu bürgen.17 Am 24. November 2010 reist Arigona Zogaj
gemeinsam mit ihrer Mutter Nurie und ihren beiden jüngeren Geschwistern Albin und
Albona wieder nach Österreich ein. Ihre beiden älteren Brüder und der von der Mutter
inzwischen geschiedene Vater sind bis heute im Kosovo geblieben.18
14
vgl.
vgl.
16
vgl.
17
vgl.
18
vgl.
15
58
Der Standard 2008b
Oberösterreichische Nachrichten 2008
Die Presse 2010b
Der Standard 2010d
ders. 2010a
4.2.1 Frankenburg: Umfeld von Arigona Zogaj
In der 48,48 km² großen Gemeinde Frankenburg in Oberösterreich leben derzeit rund
5.200 Einwohner_innen – unter ihnen Arigona, Albin, Albona und Nurie Zogaj. 19 Der
Gemeinderat setzt sich seit der letzten Wahl im Jahr 2009 (Wahlbeteiligung: 83,98%)
folgendermaßen zusammen: SPÖ 41,96%, ÖVP 28,12%, FPÖ 16,74% und die FAL (Die
Grünen-Frankenburger Alternative) 13,18 %. Zum Vergleich im Wahljahr 2003 (Wahlbeteiligung 84,94%) verloren sowohl die ÖVP als auch die SPÖ Stimmen. Die FPÖ konnte
hingegen einen deutlichen Stimmengewinn verzeichnen, nämlich von 6,62% (2003) auf
16,74% (2009). 20
Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn man die Nationalratswahlen in Frankenburg der
Wahljahre 2006 (Wahlbeteiligung: 79,27 %) und 2008 (Wahlbeteiligung: 81,81%) betrachtet.
Auch hier verloren sowohl die ÖVP als auch die SPÖ an Stimmen. Die FPÖ wiederum
verzeichnete einen Stimmenanstieg (von 12,53% zu 27,91%). Auch das BZÖ verdreifachte
seine Stimmen von 2006 auf 2008 im Nationalrat (von 2,6% auf 7,47%).21
Wenn man die Wahlverluste der ÖVP und SPÖ und die Zugewinne der FPÖ und
des BZÖ in diesem Zeitraum betrachtet, so sind sicherlich auch die innerparteilichen
Konflikte und das Verhalten im “Fall Zogaj” nicht unwesentlich. Was die FPÖ und BZÖ
betrifft, so können zu diesem Fall keine innerparteilichen Konflikte festgestellt werden.
Sie haben durchgehend eine ablehnende Haltung gegenüber dem “Fall Zogaj”.22 “Jetzt
muss endlich konsequent abgeschoben werden” 23 oder “Jetzt dürfen wir gespannt sein, ob
die Innenministerin diesmal konsequent handelt” 24 sind beispielhafte Äußerungen von
FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache.
In der ÖVP hingegen teilen sich die Meinungen zum “Fall Zogaj”. Der innerparteiliche
Konflikt bezieht sich dabei vor allem auf Ex-Innenminister Günther Platter und Landeshauptmann Josef Pühringer. Günther Platter verweist durchgehend darauf, dass er nach
dem Gesetz handelt. Auch mit seiner oft zitierten Aussage, dass sich der Rechtsstaat
nicht erpressen lasse, zeigt er eine demonstrative Haltung dem “Fall Zogaj” gegenüber.
Landeshauptmann Josef Pühringer versucht einerseits hinter seinem Parteikollegen Platter
zu stehen, andererseits setzt er sich öffentlich für die Familie Zogaj ein. Innerparteiliche
Unterstützung erhält Platter durchaus von vielen seiner Parteikolleg_innen wie beispielsweise ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon oder ÖVP-Wissenschaftsminister Johannes
Hahn. Innerparteiliche Kritik an Platter hingegen üben neben Josef Pühringer auch
Angela Orthner (ÖVP) und Menschenrechtssprecher der ÖVP Wolfgang Großruck aus.25
Die Positionierung der einzelnen Parteien zum Thema Zogaj haben Einfluss auf die
Wahlergebnisse. “Auch wenn es banal wirkt: Mehrheitsfähige Wahlerfolge wurden in
Österreich noch nie mit liberalen Positionen zu Einwanderungsfragen errungen, sondern
immer mit deren Gegenteil.” 26 schrieb Irene Brickner treffend, Journalistin und Autorin
der Tageszeitung “Der Standard”.
19
vgl. Eybl 2009, S. 63
vgl. Marktgemeinde Frankenburg
21
vgl. ebd.
22
vgl. Eybl 2009, S. 76 f.
23
Freiheitliche Partei Österreich 2009
24
Ebd.
25
vgl. Eybl 2009, S. 77 .
26
Brickner 2007b, S. 24
20
59
4.2.2 Stimmungswandel in Frankenburg
Im Laufe der Zeit macht sich ein Meinungswandel in der Gemeine Frankenburg bemerkbar.
Anfangs sind Solidarität, Betroffenheit, Unterstützung und Mitgefühl die dominierenden
Haltungen gegenüber der Familie. Später heißt es “Die Frankenburger haben genug
von den Zogajs”. Die ständige, jahrelange Berichterstattung über die Familie hat die
Gemeinde polarisiert und die Stimmung im Ort ändert sich deutlich nach der Aussage
des Innenministers Günther Platter, dass sich Österreich nicht erpressen lassen dürfe, so
die Aussage von Michael Neudorfer, Bewohner aus Frankenburg.27
Eine weitere Bewohnerin aus Frankenburg meint, dass die Medien zu dem Stimmungsumbruch beigetragen haben. Einige sind genervt von der ständigen Medienpräsenz. Andere
wiederum haben sich von den Inhalten der Medien negativ beeinflussen lassen und ihre
Haltung gegenüber der Familie geändert, durchaus auch Bewohner_innen, die die Familie
persönlich kennen.28
Auch Eva Hötzendorfer, die Arigona Zogaj seit 2008 als Lehrerin für Geschichte und
Psychologie/ Philosophie an einer Linzer Schule unterrichtet, bestätigt in einem Interview
diesen medialen Stimmungswandel, den sie in ihrem schulischen Umfeld wahrgenommen hat. Der Frankenburger Bürgermeister Franz Sieberer nennt dafür noch andere
Gründe: Die ablehnende Haltung vor allem der Mutter gegenüber, als sie in Österreich
blieb, während ihre jüngeren Kinder Albin und Albona in den Kosovo abgeschoben wurden. Bewohner_innen sprechen auch von zerbrochenen Freundschaften und negativen
Auswirkungen aufgrund des “Falles Zogaj”. 29
4.3 Das österreichische Asylgesetz
Basierend auf der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 wird im österreichischen Asylgesetz der Flüchtlingsbegriff definiert. Dabei ist zu beachten, dass das österreichische
Asylgesetz selbst nicht beschreibt, was man unter Flüchtling genauer versteht, sondern
lediglich auf den Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention verweist:
“Flüchtling ist wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der
Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen
Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines
Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese
Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder
wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines
gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick
auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren” 30
Eine der Hauptursachen, warum in Österreich die Asyldebatte über soviel Konfliktpotential verfügt, liegt darin, dass seit den 1990er-Jahren, in denen es erstmals zu großen
Flüchtlingswellen in Europa gekommen ist, keine rechtliche Unterscheidung im Asylgesetz
1991 und 1997 zwischen Flüchtlingen und Migrant_innen gibt.
27
vgl.
vgl.
29
vgl.
30
vgl.
28
60
Meinhart 2010
Eybl 2009, S. 109 f.
ebd., S. 111 .
Art 1 Abschnitt A Z2 GFK
Das österreichische Asylgesetz von 1991 definierte Asyl als den Schutz, der einem Fremden
im Hinblick auf seine Flüchtlingseigenschaft in Österreich gewährt wird.31 Zu einer
deutlichen Verengung des Asylbegriffes kam es im Asylgesetz von 1997, welches den
Begriff Asyl als das dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht das Österreich Fremden
nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt, beschreibt.32 Im Gegensatz dazu
spricht man seit dem Asylgesetz 2005 nicht mehr von Asyl, sondern vom Status des
Asylberechtigten.33
4.3.1 Aktuelle Gesetzeslage für Asylwerber_innen in Österreich
Seit 1. Jänner 2006 ist in Österreich das Fremdenrechtspaket 2005 in Kraft, welches aufgrund der neuen Statusrichtlinien der EU das Asylgesetz von 1997 ablöste. Hintergründe
für die Schaffung des Asylgesetz 2005 waren die Probleme mit straffälligen Asylwerber_innen zu lösen, die Dublin-Verfahren zu sichern und vor allem das Asylverfahren zu
beschleunigen.34
Flüchtlinge, welche Asyl erhalten, haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und sind in
wesentlichen Belangen den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.35
4.3.2 Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011
Mit Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 werden das Niederlassungs- und
Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 und das Staatsbürgerschaftsgesetz 2005 novelliert. Diese
Änderungen dienen vor allem dazu, den europarechtlichen Vorgaben gerecht zu werden.
Konkret werden durch dieses Fremdenrechtspaket folgende Richtlinien der EU erfüllt:
• Richtlinie 2009/50/EG des Rates vom 25. Mai 2009 über die Bedingungen für
die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer
hochqualifizierten Beschäftigung, ABl. L 155 vom 18.6.2009 S. 17, CELEX Nr.
32009L0050
• Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.
Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedsstaaten
zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L348 vom 24. 12.
2008 S. 98 ff.
• Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni
2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber,
die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen, ABl. L 168
vom 30. 6. 2009 S. 24 ff.36
31
vgl.
vgl.
33
vgl.
34
vgl.
35
vgl.
36
vgl.
32
Ÿ 1 Z2 AsylG 1991
Ÿ 1 Z2 AsylG 1997
Ÿ 2 Abs 1 Z15 AsylG 2005
Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 2005b
Huber, Öllinger und Steiner-Pauls 2004, S. 91
Regierungsvorlage: Bundes(verfassungs)gesetz 2011
61
Der wohl wichtigste Punkt der Änderung im Asylgesetz ist die neue Mitwirkungspflicht
für Asylwerber_innen. Asylwerber_innen müssen sich für den Zeitraum von längstens
120 Stunden am Beginn des Asylverfahrens durchgehend in der Erstaufnahmestelle
zur Verfügung halten. Das Ziel dabei ist die ständige Erreichbarkeit des Asylwerbers,
um einen reibungslosen und effizienten Ablauf des Verfahrens gewährleisten zu können.
Wird dies nicht erfüllt, kann eine Schubhaft eingeleitet werden. Diese Bestimmung (bloß
strafrechtliche Sanktion bei Nichterfüllung) stellt keine Freiheitsentziehung iSd PersFrBVG
und Art. 5 EMRK dar und entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz werden neue Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot –
Karte und Rot-Weiß-Rot – Karte plus) geschaffen. Es soll der Forderung einer verantwortungsvollen Zuwanderungspolitik genüge getan werden. Sowohl die Auswirkung auf den
Arbeitsmarkt, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft, die zu erwartende
Integrationsfähigkeit und sicherheitsrelevante Aspekte sind hierbei von Bedeutung.
Des Weiteren wird die Blaue Karte der EU eingeführt. Ihre Gültigkeit beträgt grundsätzlich
zwei Jahre, kann jedoch auch kürzer ausgestellt werden. Es soll mit dieser Regelung den
Arbeitnehmer_innen aus Drittstaaten, die eine hochqualifizierte Beschäftigung in den
Mitgliedstaaten der Union annehmen wollen, attraktive Bedingungen schaffen.37
Auch wird eine bessere Kenntnis der deutschen Sprache gefordert. Vor allem betroffen
sind Drittstaatsangehörige, die sich dauerhaft im Bundesgebiet niederlassen wollen. Die
elementaren Kenntnisse der deutschen Sprache müssen bereits vor der Zuwanderung
nachgewiesen werden. Für bereits niedergelassene Drittstaatsangehörige sind die verlangten
Kenntnisse zur vertiefenden elementaren Sprachverwendung von bisher fünf Jahren auf
zwei Jahre verkürzt worden. Die Kenntnis der deutschen Sprache ist Voraussetzung, um ein
dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Österreich zu erwerben und in Folge die Österreichische
Staatsbürgerschaft zu erhalten.38
Die Änderungen des Fremdenpolizeigesetzes führen vor allem zur Steigerung der Effizienz im Bereich der Rückführung von Personen, die sich nicht rechtmäßig im Gebiet
der Mitgliedstaaten aufhalten. Gegen Drittstaatsangehörige, die sich nicht rechtmäßig
in Österreich aufhalten, ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. In dieser Rückkehrentscheidung ist immer ein Einreiseverbot für das gesamte Gebiet der Mitgliedstaaten
enthalten, das von der Dauer je nach den Umständen variiert. Während des Verfahrens der
Rückkehrentscheidung ist dem Betroffenen eine rechtskundige Person mit Spezialwissen
auf dem Gebiet des Fremdenwesens amtswegig zur Seite zu stellen. Neu ist auch die Regelung bezüglich der Dauer der Schubhaft. Die Schubhaftdauer muss nach den Umständen
des Einzelfalles festgelegt werden. Besonders Bedacht zu nehmen ist auf Minderjährige.
Ein wichtiger Punkt ist weiters, dass nun in regelmäßigen Abständen amtswegig zu prüfen
ist, ob die Voraussetzungen der Inhaftnahme weiterhin vorliegen. Auch ist dies wie bisher
durch Antrag des Drittstaatsangehörigen möglich.
4.3.2.1 Hearing zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011
Am 5. April 2011 beginnen die parlamentarischen Beratungen zum neuen Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011. Wesentliche Inhalte dabei sind die Einführung der Rot-Weiß-Rot-Karte
37
38
vgl. Regierungsvorlage: Bundes(verfassungs)gesetz 2011
vgl. ebd.
62
für Zuwanderer, die fünftägige Anwesenheitspflicht für Asyslwerber_innen in den Erstaufnahmestellen, die neuen Schubhaftregelungen, sowie die verschärften Bestimmungen
für Zuwanderer in Bezug auf den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse.39
Kritische Stimmen kommen dabei etwa von Universitätsprofessor Hans-Jürgen Krumm
vom Institut für Germanistik der Universität, welcher die in Hinkunft geforderten Deutschkenntnisse als eine unrealistische Anforderung bezeichnete und dies in weiterer Folge für
etwa die Hälfte der Betroffenen eine echte Barriere sein werde.
Prinzipiell befürwortet Hans-Jürgen Krumm das Verlangen von Deutschkenntnissen,
jedoch nur in einem “vernünftigen” Ausmaß. Seiner Einsicht nach ist es unzumutbar die
Lernanforderungen zu verdoppeln und parallel dazu die Lernzeit zu halbieren und die
Förderungen zu kürzen. Diese neue Bestimmung führe nicht zur gewünschten Integration,
sondern eher im Gegenteil zu einer Demotivation der Asylsuchenden.40
Auf der anderen Seite untermauern zur Rechtfertigung der künftigen fünftägigen Anwesenheitspflicht für Asylwerber_innen zum einen Wolfgang Taucher, Direktor des Bundesasylamts anhand von statistischen Zahlenmaterialien, dass das Untertauchen der
Asylwerber_innen während des Verfahrens ein existierendes Problem sei. Als weiteren
positiven Aspekt nennt die ehemalige Innenministerin Maria Fekter auch, dass unmündige
Minderjährige in Zukunft nicht mehr in Schubhaft genommen werden dürfen.
Gerhard Hesse, Leiter des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts, zeigt sich überzeugt
davon, dass die auf 120 Stunden beschränkte Anwesenheitspflicht in den Erstaufnahmestellen nicht auf das verfassungsrechtlich normierte Grundrecht auf Schutz der persönlichen
Freiheit verstoße. Sollte ein/ Asylwerber_in in dieser Zeit den Behörden nicht zur Verfügung stehen, hat dies einen Festnahmeauftrag zur Folge. Erlaubt sei ein Verlassen der
Erstaufnahmestelle aufgrund familiärer Fürsorgepflichten, aus medizinischen Gründen
und zur Befolgung einer behördlichen Ladung.41
Bezüglich der Einführung der Rot-Weiß-Rot-Karte nennt Margit Kreuzhuber, Vertreterin
der Wirtschaftskammer Österreich, die Notwendigkeit dem drohenden Facharbeitermangel und der demographischen Notwendigkeit entgegenzuwirken. Dabei sollen besonders
hochqualifizierte Arbeitskräfte und Fachkräfte in Mangelberufen angesprochen werden.
Kriterien für den Erhalt der Rot-Weiß-Rot-Karte sind hauptsächlich das Alter, die Berufserfahrung und Deutschkenntnisse.42
Shukri Krunz, von der Initiative Liberaler Muslime Österreich, begrüßt im Gegensatz
zu Krumm zwar die Einführung der verpflichtenden Deutschkenntnisse vor Zuzug, weist
aber daraufhin, dass Deutschkenntnisse alleine nicht unbedingt zu einer erfolgreichen
Integration führen. So müssten laut Krunz auch Lösungen für die teils hohe Konzentration
von Migrant_innen in manchen Wohnvierteln gefunden werden und darüber hinaus
auch die Förderung zur Bildung und Weltoffenheit von Migrantenkindern stärker forciert
werden.43
Rechtsanwältin und Asylrechtsexpertin Nadja Lorenz spricht klar von einer Verschlechterung bzw. Verschärfung der Asylpolitik, da in Zukunft auch 16 - bis 18-Jährige in
Schubhaft genommen werden könnten, gelinderen Mitteln nicht mehr wie bisher Vorrang
39
vgl.
vgl.
41
vgl.
42
vgl.
43
vgl.
40
Pressedienst des Parlaments 2011a
ebd.
ebd.
ebd.
ebd.
63
zu geben sei und darüber hinaus die Höchstdauer der Schubhaft auf zwei Monate festgelegt wurde. Laut Lorenz sei aus den Erläuterungen auch nicht ersichtlich, wozu diese
Verschärfung diene, da es sich auch jedenfalls nicht um EU-Vorgaben handle. Außerdem
fordere Sie die Schubhaftbestimmungen nicht weiter zu verschärfen, sondern im Gegenteil
auch für Familien gelindere Mittel vorzuziehen.
Betreffend der Rechtsberatung sei es laut Gerhard Hesse positiv zu bewerten, dass
in Zukunft Betroffene von Amts wegen ein Rechtsberater zur Verfügung gestellt wird.
Weiters führt er aus, dass das Bundeskanzleramt Präferenz für juristische Personen
hege. Im Gegensatz dazu äußert sich Nadja Lorenz sehr kritisch, da ihrer Meinung nach
Rechtsbeistand bzw. Rechtsvertretung immer Parteilichkeit bedeutet. Im Bereich der
Ausweisung illegal in Österreich aufhältiger Fremder vermisst sie einen Instanzenzug zu
einer unabhängigen Stelle, wie dies ihrer Ansicht nach die EU einfordert.44
4.3.2.2 Meinungen von Abgeordneten des Nationalrates zum FrÄG 2011
Das im April 2011 beschlossene Fremdenrechtspaket kann nicht alle von den Parteien
eingebrachten Anträge mit aufnehmen. So fand zum Beispiel der von den Grünen eingebrachte Antrag auf ein Bleiberecht für bereits gut integrierte Familien keine Mehrheit,
genauso wie der Vorschlag des BZÖ, welches straffällig gewordene “Ausländer” sofort
abschieben und zusätzlich ein “Ausländercheck-Modell” für Zuwanderer einführen wollte.45
Darüber hinaus stellte die FPÖ einen Antrag auf bessere Deutschkenntnisse für zuwanderungswillige Fremde, Budgetkürzungen im Bereich Asyl- und Fremdenwesen und
auf verpflichtende Untersuchungen, wenn Zweifel an der behaupteten Minderjährigkeit
eines/einer Asylwerber_in bestehen.46
Nach der Meinung von Walter Rosenkranz (FPÖ) werde das neu beschlossene Fremdenrechtspaket für einen massiven Zustrom auf dem Arbeitsmarkt, als auch auf das heimische
Sozialsystem sorgen. Sein Kollege Leopold Mayerhofer (FPÖ) befürchtet sogar Lohndumping, Teuerungen und Inflation. Seiner Ansicht nach werde nicht im Interesse Österreichs
gehandelt, da durch dieses Paket auch Armut und Kriminalität steigen werden47
Dahingegen sieht Günter Kössl (ÖVP) die beschlossenen Maßnahmen als einen richtigen
Weg für Österreich an. Durch dieses Paket werde der Illegalität ein Riegel vorgeschoben
und dafür für eine geregelte, geordnete Zuwanderung gesorgt. Durch die Forderung nach
besseren Deutschkenntnissen und einem geregelten Arbeitsmarkt kommt es, so Kössl, zu
einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten.48
Abgeordnete Alev Korun (Grüne) spricht sogar von einem Unrechtspaket, welches Sie
aufs Schärfste ablehne, da Unrecht Unrecht bleibe, auch wenn es in ein Gesetz hineingeschrieben werde. Konkret argumentierte Sie, dass die Daten der Asylwerber_innen an
den Verfolgerstaat übermittelt werden, ohne dass die Berufung der Asylwerber_innen abgewartet würde. Dies hätte unmittelbar zur Folge, dass die Familie der Asylwerber_innen
in der alten Heimat von massiven Repressionen bedroht sein werde.49
44
vgl.
vgl.
46
vgl.
47
vgl.
48
vgl.
49
vgl.
45
64
Pressedienst des Parlaments 2011a
ders. 2011b
ebd.
ebd.
ebd.
ebd.
Otto Pendl (SPÖ) verteidigt die Anwesenheitspflicht damit, dass man mit dieser Maßnahme sicherstellen will, dass all jene, welche Asyl verdienten, es auch erhielten, wohingegen
Missbrauch verhindert werde. Des Weiteren sei die Anwesenheitspflicht rechtstaatlich
korrekt und sauber, und darüber hinaus auch im Interesse der Asylsuchenden, da die
Behörden nun die Verfahren zügiger und rascher bearbeiten abschließen werden.50
Dass dieses Fremdenpaket reiner “Zynismus” sei, da Deutschkenntnisse als Waffe gegen
Migrant_innen eingesetzt werde, behauptet Albert Steinhauser (Grüne). Es ginge seiner
Meinung nach darum, Asylwerber_innen aus dem Straßenbild zu entfernen und Ihre
Freiheiten zu beschneiden. Im Bezug auf die Anwesenheitspflicht sei das Gesetz nicht nur
skurril, sondern auch menschrechtswidrig.51
4.3.3 Asylpolitik auf europäischer Ebene
Das Dubliner Übereinkommen, welches 1990 verabschiedet wurde, regelt, welcher Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Behandlung eines Asylgesuchs zuständig ist.
Grundlegend dabei ist, dass europaweit nur ein Asylantrag pro Person möglich ist. Für
den dafür notwendigen Informationsaustausch dient das “EURODAC-System”, welches
auf den gespeicherten Fingerabdrücken von Asylwerber_innen basiert.
Die Dublin-II-Verordnung von 2003, ersetzt die Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens durch eine gemeinschaftliche Rechtsvorschrift. Ziel dabei ist es, den für die Prüfung
zuständigen Mitgliedstaat so rasch wie möglich zu bestimmen und angemessene Fristen
für die einzelnen Verfahrensstadien festzulegen. Nach dem Dubliner Übereinkommen,
ist jener Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig, in dem der/die Asylwerber_in
nachweislich zuerst eingereist ist bzw. zuerst ein Visum beantragt hat.
Die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik beruht auf mehrjährigen Arbeitsprogrammen, wie dem “Tampere Programm” von 1999. Dieses hatte als Wesentliches
die Schaffung eines einheitlichen Asylsystems mit gemeinsamen Mindestnormen zum Ziel.
Die daraus abgeleitete “EURODAC-Verordnung” hatte unter anderem die Einführung
einer Fingerabdruck Datenbank zur Folge.52
Es folgt 2004 das “Haager Programm”, welches die Stärkung von Freiheit, Sicherheit und
Recht in der EU gewähren soll. Wichtigster Punkt der zehn beschlossenen Prioritäten
ist der Dritte, welcher auf die Einführung eines effizienten, einheitlichen Verfahrens im
Einklang mit den Werten und der humanitären Tradition der EU abzielt. Des Weiteren
sollten mit der Einrichtung der Frontex-Agentur, die europäischen Außengrenzen mit
intensiveren Kontrollen und Überwachung, sowie Schwerpunkt der Aufnahme biometrischer
Daten für mehr Sicherheit innerhalb der EU auch im Hinblick auf die Terrorismus Gefahr
bewirken.53
Das Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, welcher für die Prüfung der Anträge auf
internationalen Schutz von Staatenlosen und Drittstaatsangehörigen zuständig ist, wird
2008 erneuert. Diese Änderung der Dublin-II-Verordnung soll die Leistungsfähigkeit des
bisherigen Systems erhöhen und die Kooperation der einzelnen Mitgliedstaaten im Bezug
auf Aufnahmekapazitäten und bessere Zusammenarbeit forcieren. Darüber hinaus werden
50
vgl.
vgl.
52
vgl.
53
vgl.
51
Pressedienst des Parlaments 2011b
ebd.
Rat der Europäischen Union 1999
Europäische Kommission 2005
65
das Recht auf einen Rechtsbehelf gegen einen Überstellungsbeschluss und das Recht auf
eine rechtliche Beratung und wenn nötig, sprachliche Unterstützung zugesichert. Weiter
ausgebaut wird auch das Recht zur Familienzusammenführung durch die Einbeziehung von
Familienangehörigen, welche in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiären Schutz
genießen und die zwingende Zusammenführung mit abhängigen Familienmitgliedern.
Das aktuelle “Stockholmer Programm” mit einer Laufzeit von 2010 bis 2014 besagt einmal
mehr, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) auf einem europaweiten
fairen und wirksamen Verfahren beruhen sollte.
Es ist entscheidend, dass Personen unabhängig davon in welchem Mitgliedstaat sie ihren
Asylantrag stellen, eine gleichwertige Behandlung hinsichtlich der Aufnahmebedingungen
und die gleiche Behandlung hinsichtlich des Verfahrens und der Bestimmung des Status
erfahren. Dabei sollte als Ziel gelten, dass ähnliche Fälle in gleicher Weise behandelt
werden und zu dem gleichen Ergebnis führen.54
Besonders die erst kürzlich auftretenden Schwierigkeiten in Griechenland und auf der
italienischen Insel Lampedusa haben klar gezeigt, dass ein fortlaufender Prozess des
Vorantreibens und Verbesserns notwendig ist, um letztlich eine Vereinheitlichung eines
fairen Asylverfahrens gewährleisten zu können.
4.3.4 Antragstellung eines Asylverfahrens
Wenn eine Person in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gegenüber einer Sicherheitsbehörde Schutz vor Verfolgung sucht, dann gilt dies bereits als Stellen eines
Asylantrags. Verfügen die Flüchtlinge, wie in den meisten Fällen, zu diesem Zeitpunkt
jedoch über keine Aufenthalts- oder Einreisegenehmigung, so werden sie festgenommen
und in die Erstaufnahmestellen gebracht.55
Weiters besteht die Möglichkeit, einen schriftlichen Antrag beim Bundesasylamt einzureichen oder an jedem Flughafen in Österreich einen Antrag zu stellen. In jedem Fall
wird der Antragsteller danach einer Erstaufnahmestelle überbracht, um dort den Antrag
persönlich stellen zu können und in dessen Folge auch Fingerabdrücke genommen werden,
welche anschließend im “EURODAC-System” gespeichert werden. Danach bekommen die
Antragsteller_innen eine Verfahrenskarte, welche den Verfahrensablauf dokumentiert,
ausgestellt.56
In den Erstaufnahmestellen, welche sich in St. Georgen im Attergau, in Traiskirchen
und am Flughafen Schwecht befinden, werden dann die so genannten Zulassungsverfahren durchgeführt. Danach muss es innerhalb von maximal 72 Stunden zu einer ersten
Einvernahme zur Reiseroute und zu entscheidungsrelevanten Sachverhalten kommen. Es
soll dabei primär geklärt werden, ob Österreich für das Verfahren zuständig ist oder
nicht und des Weiteren kann bereits eine Entscheidung, ob Asyl gewährt wird oder nicht,
beschlossen werden.
Wie bereits im Aslygesetz 1997 kann ein Asylverfahren als unzulässig erklärt werden, wenn
Drittstaatsangehörigkeit vorliegt oder ein anderer Mitgliedstaat für das Asylverfahren
zuständig ist. Darüber hinaus kann das Zulassungsverfahren auf Grund von inhaltlichen
54
vgl. Rat der Europäischen Union 2010
vgl. Hafner 2004
56
vgl. ebd.
55
66
Erfordernissen abgelehnt werden, wenn zum Beispiel der Antrag nicht unter die Genfer
Flüchtlingskonvention fällt oder der Asylwerber falsche Angaben tätigt.57
Kommt es zu einem positiven Abschluss des Asylverfahrens, wird dem Antragsteller die
Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Konvention gewährt, das heißt es stehen diesem
nun ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, Zugang zum Arbeitsmarkt und der Anspruch auf
soziale Leistungen zu. Ab diesem Zeitpunkt können sich die Asylwerber_innen eine reale
Existenz aufbauen und sind österreichischen Staatsbürgern weitgehend gleichgestellt.58
4.4 Der mediale Diskurs
Die Geschichte der Familie Zogaj löste in ganz Österreich intensive Debatten zur Vorgehensweise und Rechtslage der österreichischen Asylpolitik aus. Auf politischer Ebene kam
es zu heftigen öffentlichen Diskussionen. Auch die Medien spielten dabei eine große Rolle.
Für Politiker_innen sind die Medien ein wichtiges Kommunikationsmittel zur Öffentlichkeit. Die gesellschaftlichen Eliten haben außerdem einen besonders leichten Zugang
zu Medien.59 Sie tragen zur Erzeugung und Verfestigung diverser Haltungen gegenüber
bestimmten Themen bei und beeinflussen bestehende Diskurse. Hauptaufgabe der Medien
ist es, die Gesellschaft über das tägliche Geschehen zu informieren, aber welches Wissen
und welche Informationen letztendlich in der Öffentlichkeit verbreitet werden, ist den
Medien selbst überlassen.
Nicht unwesentlich dabei ist die jeweils eingenommene politische Diskursposition. Es
wird ersichtlich, dass die Medien ein strukturierender Faktor bei der Herstellung von
Diskursen sind. Sie fungieren als Vermittler zwischen Politik und Alltag und können
dabei die Politikeransprachen verstärken. Der Begriff des medialen Diskurses meint unter
anderem, dass Medien bestimmte Inhalte und Aussagen immer wieder zur Sprache bringen,
sie immer wieder wiederholen und so die Wirkung dieser Inhalte verstärken. Ereignisse
werden als diskursive Ereignisse bezeichnet, wenn über sie vermehrt gesprochen wird und
sie eine mediale Bedeutung besitzen.60 Der “Fall Zogaj” kann eindeutig als diskursives
Ereignis bezeichnet werden.
4.4.1 Medialer Diskurs im Fall Zogaj
Oliver Gruber, Petra Herczeg und Cornelia Wallner haben bereits im Jahr 2008 eine Studie
über die mediale Berichterstattung der Geschichte Zogaj ausgearbeitet. Diese Arbeit mit
dem Titel “Integration und Inszenierung: Der ’Fall Arigona Zogaj’ in den österreichischen
Medien.” ist allerdings keine Diskursanalyse.61 Ziel dieser Studie war es herauszufinden,
wie im “Fall Arigona Zogaj” über die Themen Integration und Identität medial berichtet
wurde. Zu diesem Zweck wurden 1.900 Beiträge aus TV- und Printmedien vom Zeitraum
26. September bis 23. Dezember 2007 einer quantitativen Inhaltsanalyse unterzogen.
Das Resultat dieser Studie ist unter anderem, dass es sich hierbei um einen elitedominierten
Diskurs handelt. Inländische Politiker_innen kamen im betreffenden Zeitraum mit 36,4
57
vgl.
vgl.
59
vgl.
60
vgl.
61
vgl.
58
Hafner 2004
ebd.
Jäger 2007, S. 45
ders. 2000, S. 17 .
Eybl 2009, S. 72
67
% am meisten zu Wort, gefolgt von der Gruppe der Leserbriefschreiber_innen (17 %).
Danach folgten die Expert_innen mit 11 %. Den geringsten Anteil am öffentlichen Diskurs
nahmen die Betroffenen selbst ein, nämlich 10,9 %. Das zeigt, dass die Betroffenen bei der
Berichterstattung eine eher passive Rolle einnahmen. 62 Im Untersuchungszeitraum wurde
hauptsächlich über die Themen Asylverfahren, Bleiberecht und Immigration berichtet. 63
4.4.2 Materialaufbereitung für die Mediendiskursanalyse
In der vorliegenden Arbeit wurden alle wesentlichen, ereignisbezogenen Beiträge in
den Tageszeitungen “Der Standard”, “Neue Kronen Zeitung” und “Oberösterreichische
Nachrichten” innerhalb des Zeitraums Oktober 2007 bis November 2010 zum Thema
Arigona Zogaj recherchiert, gesichtet und archiviert. Obwohl die illegale Einreise des
Vaters bereits im Jahr 2001 stattgefunden hat, wurden für die Mediendiskursanalyse nur
Beiträge im genannten Zeitraum in Betracht gezogen, die von starkem medialen Interesse
geprägt waren.
4.4.3 Auswahl der Printmedien
Die Mediendiskursanalyse konzentrierte sich auf drei österreichische Printmedien: Die
“Neue Kronen Zeitung”, “Der Standard” und “Oberösterreichischen Nachrichten”. Was eine
allgemeine Charakterisierung dieser drei Tageszeitungen betrifft, wird auf das einleitende
Kapitel in diesem Forschungsbericht verwiesen, in dem diese skizziert sind. Diese drei
Printmedien wurden einer Grob- und Feindiskursanalyse unterzogen.
4.4.4 Mediendiskursanalyse
Der Fokus der Mediendiskursanalyse lag auf folgenden Ereignissen, welche sich im Zeitraum
2007 bis 2010 ereignet haben, wobei aus der großen Masse der vorzufindenden Beiträge
jeweils einige aussagekräftige Artikel je Meilenstein ausgewählt und für die Diskursanalyse
verwendet wurden:
• Oktober 2007: Wie wird über das Verschwinden von Arigona Zogaj und darauffolgend
über das Video, in dem sie mit Selbstmord droht, in den Medien berichtet?
• Zwischen 2008 und 2009: Ausgewählte aussagekräftige Artikel über die Berichterstattung zwischen 2008 und 2009, wie z .B. die Verschärfung des Fremdenrechtspaketes,
Arigona als Symbolfigur uvm.
• Juni 2010: Arigona Zogaj und ihre Familie werden aufgefordert, das Land zu
verlassen. Wie wird über die Ausreise in den Medien berichtet?
• November 2010: Arigona, ihre Mutter und Geschwister reisen legal mit Schülervisa
und Arbeitsvisum nach Österreich wieder ein. Wie wird über die Wiedereinreise
berichtet?
62
63
vgl. Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft der Stadt Wien 2008, S. 66
vgl. Eybl 2009, S. 74
68
4.4.5 Feinanalyse der Tageszeitung “Der Standard”
Insgesamt wurden 13 Artikel aus der Tageszeitung “Der Standard” einer Feinanalyse
unterzogen. Mithilfe der erwähnten Meilensteine wurden die Diskursebenen bereits begründet festgelegt und der Untersuchungszeitraum zeitlich begrenzt. Bei der Feinanalyse
wurde der Fokus auf die Fragmente “Institutioneller Rahmen, Text-Oberfläche, sprachlichrhetorische Mittel, inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation” gelegt, um eine
gewisse Überschaubarkeit zu gewährleisten. Nachfolgend findet sich die Analyse jedes
Artikels, aufsteigend nach Datum gereiht und anhand der festgelegten Fragmente.
4.4.5.1 Artikel vom 1. Oktober 2007: “Mädchen aus Kosovo droht mit Selbstmord.
Abschiebe-Drama: Mutter im Spital”
Es handelt sich um mehrere Artikel, die an diesem Tag erscheinen:
• S. 1, Titelseite, Redaktion
• “Suiziddrohung im Fall Zogaj”, S. 8, Chronik, Irene Brickner
• “Warum Platter hart bleiben muss”, S. 24, Kommentar, Irene Brickner
• Institutioneller Rahmen:
Es werden mit Ausnahme der Titelseite alle drei Artikel von derselben Autorin verfasst,
wenn auch in verschiedenen Rubriken. Erschienen sind diese Artikel aufgrund des Verschwindens von Arigona Zogaj. Das Mädchen ist vor seiner Abschiebung geflüchtet und
droht mit Selbstmord, wenn ihr bereits abgeschobener Vater und ihre Brüder nicht zurück
nach Österreich dürfen.
• Text- “Oberfläche”:
Bei der Betrachtung des Artikels auf Seite 8 mit der Headline “Suiziddrohung im Fall
Zogaj” handelt es sich um ein sehr konträres Gesamterscheinungsbild. Es wird über die
Selbstmorddrohung der verschwundenen Arigona Zogaj berichtet. Oberhalb dieses Artikels
ist ein weiterer Bericht mit großem dazugehörigen Bild über das “Eis essen im Wiener
Prater für den Weltrekord” vorzufinden. Einerseits die fröhlichen, eisessenden Kinder,
andererseits die suizidgefährdete Arigona Zogaj, die selbst noch ein Kind ist. Damit wird
der Eindruck vermittelt, dass ein Kind in unserer Gesellschaft eigentlich unbeschwert
aufwachsen sollte und nicht über eine bevorstehende Abschiebung und über Selbstmord
nachdenken müsste.
Der Kommentar “Warum Platter hart bleiben muss” ist zwar mit keinem direkten Bild in
Verbindung zu bringen, auffallend aber ist die große Karikatur des Panzers, abgebildet
mit Aussagen wie “Achtung, wir stehen über dem Gesetz” oder “Das haben wir noch
gebraucht... noch ein Aufstand”. Diese Bilder verstärken unbewusst die Aussage von
Minister Platter und veranschaulichen die Macht die einE Politiker_in in solch einem Fall
hat, nämlich dass sie/er über dem Gesetz steht und die Macht hat, Entscheidungen zu
treffen und sich nicht von einem 15-jährigen Mädchen einschüchtern lässt. Diese Aussage
“hart bleiben müssen” wird deshalb so betont, weil sie eine Antwort auf die Kritik sein
sollte, als diverse Zeitungen und Medien schrieben, dass sich der Staat von einem Mädchen
erpressen bzw. einschüchtern lasse.
69
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Nennenswert ist, dass bei der Titelstory extra erwähnt wird, dass ein Mädchen aus dem
“Kosovo” mit Selbstmord droht und von einem sogenannten “Abschiebe-Drama” die Rede
ist. Auch wird der Name Arigona selbst nicht erwähnt, sondern es wird nur von “dem
Mädchen” geschrieben.
Abbildung 4.1: Der Standard, 1. Oktober 2007, S. 8
Der Artikel auf Seite 8 wird mit “Suiziddrohung im Fall Zogaj” betitelt. Er beschreibt
einerseits die Selbstmordandrohung Arigonas und den Nervenzusammenbruch ihrer Mutter.
Andererseits wird auch erwähnt, dass laut der Wiener Rechtsanwältin Nadja Lorenz im Fall
eines gültigen Abschiebebefehls eine rechtlich korrekte Entscheidung vorliege. Es handelt
sich hier um eine sachliche Darstellung des Geschehens. Aussagen werden argumentiert
und begründet. Der Kommentar auf Seite 24 von derselben Autorin hingegen nicht.
Es wird deutlich darauf hingewiesen, warum Platter jetzt hart bleiben muss, nämlich
aufgrund der nächsten Wahlen. “Wenn es auch banal wirkt: Mehrheitsfähige Wahlerfolge
wurden in Österreich noch nie mit liberalen Positionen zu Einwanderungsfragen errungen,
sondern immer mit deren Gegenteil.”
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Vor allem bei der Betrachtung des Kommentars auf Seite 24 ist ersichtlich, dass der Fall
Zogaj mit den nächsten Wahlen in Verbindung gebracht wird. Es wird darauf hingewiesen,
dass Platter jetzt “hart bleiben muss”, da eine humane Lösung dieses Rechtskonflikts
ansonsten negative Auswirkungen auf die Wahlergebnisse haben könnte, weil mit einer
liberalen Positionierung bis dato noch keine mehrheitsfähigen Wahlerfolge erreicht wurden.
• Interpretation:
Es wird Kritik an Minister Günther Platter geübt und darauf hingewiesen, dass das
Vorgehen im Rechtsfall Zogaj in Hinblick auf die nächsten Wahlen berücksichtigt werden
muss. Alles in Allem kann gesagt werden, dass bei der Berichterstattung an diesem Tag
einerseits der Abschiebefall als Drama und als “menschenunwürdig” (Aussage von Josef
Pühringer, S. 8) dargestellt wird und andererseits wird berichtet, warum die Politik, im
70
Speziellen die Person Platter jetzt Härte zeigen und sich klar positionieren muss, nämlich
um einen Verlust der Wählerstimmen zu vermeiden.
4.4.5.2 Artikel vom 9. Oktober 2007: “Arigona schweigt zu Hilfsangeboten”
• Institutioneller Rahmen:
Am 9. Oktober 2007 werden insgesamt acht Artikel inklusive Titelstory und mehrere
Kommentare zum Fall Arigona und Asyl in einer Ausgabe gedruckt. Einer dieser Artikel
lautet “Arigona schweigt zu Hilfsangeboten”, S. 3, Rubrik “Thema”, verfasst von Markus
Rohrhofer und Irene Brickner.
• Text- “Oberfläche”:
Es werden drei Bilder der Videobotschaft, in der Arigona mit Selbstmord im Falle einer
Abschiebung droht, über den Bericht abgedruckt. Diese Bilder sollen die Emotionen der
Menschen ansprechen. Gleich darunter wird berichtet, dass in Steyr ein abgewiesener
Asylwerber versucht hatte, sich genau aus demselben Grund das Leben zu nehmen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Bei diesem Bericht werden sehr viele (insgesamt sechs) Zitate verwendet, wodurch der
Eindruck vermittelt wird, dass verschiedene Aussagen diverser Personen, die im Falle
Arigona Zogaj beteiligt sind, hintereinander abgedruckt werden. Es wird außerdem auch
wieder von einem Drama bzw. von “dramatischen Schicksalen” gesprochen. Damit soll auf
die Tragik dieses Falles hingewiesen werden.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Es wird versucht, mit den Bildern von Arigona Zogaj der Asylthematik “ein Gesicht zu
geben”. Der Bericht über den Selbstmordversuch des Asylwerbers in Steyr, einer oberösterreichischen Stadt, wird auch bewusst unterhalb des Berichts von Arigona gedruckt. Der
Asylwerber hatte auch zuvor angekündigt, dass er sich umbringen wird, falls er abgeschoben werde. Beide Berichterstattungen zusammen betrachtet sollten die Ernsthaftigkeit
der Aussage von Arionga Zogaj schildern.
• Interpretation:
Ziel dieses Berichtes ist es aufzuzeigen, dass die Selbstmorddrohung von Arigona Zogaj
wirklich ernst genommen werden müsse. Es wird verdeutlicht, dass etwas geschehen muss
in diesem Fall.
4.4.5.3 Artikel vom 21./ 22. Juni 2008: “Krankes Asylrecht”
• Institutioneller Rahmen:
Der Bericht mit der Headline “Krankes Asylrecht” erscheint in der Wochenendausgabe
vom 21./22. Juni 2008 unter der Rubrik “Kommentar” auf Seite 40. Verfasst wird der
Bericht von Markus Rohrhofer.
71
• Text- “Oberfläche”:
Der Bericht wird sehr kurz gehalten und es werden das Asylrecht, die Krankheit von
Mutter Nurie Zogaj und die “systematische Zerstörung” der Familie Zogaj angesprochen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Es werden weder Zitate verwendet noch auf wissenschaftliche Quellen hingewiesen. Der
Wortschatz ist als sehr zynisch zu bewerten. Anspielungen und eindeutig negative Aussagen
zum Thema Asylrecht prägen diesen Artikel.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Es wird das Gesellschaftsbild vermittelt, dass die Politiker_innen feige sind. Aus medizinischen Gründen ist eine Abschiebung zu diesem Zeitpunkt nicht möglich und somit
kann die Verantwortung der Politiker_innen vorerst auf die Medizin abgeschoben werden,
wobei die politische Härte krankheitsauslösend bewertet wird. Zukunftsvorstellungen
werden durch den Text nicht entworfen.
• Interpretation:
Das österreichische Asylrecht wird als krank bezeichnet. Krank deshalb, weil von einer
“systematischen”– also geplanten – Zerstörung der Familie Zogaj aufgrund politischen
Drucks gesprochen wird. Erst nachdem die Familie aufgrund des politischen Druckes
psychisch krank wird, kann die Abschiebung vorerst verhindert werden. Das heißt, es muss
erst zu einer Krankheit kommen, damit eine Familie aus einem nicht-österreichischen
Herkunftsland eine Chance auf Aufenthalt in Österreich hat, so der Bericht. Erst dann
werden Gnade und Milde gezeigt, da kranke Menschen nicht abgeschoben werden. Der
österreichische Umgang im Asylrecht wird von Anfang bis Ende des Berichts kritisiert
bzw. stark verurteilt.
4.4.5.4 Artikel vom 27./ 28. Dezember 2008: “Schweigen im Ministerium”
• Institutioneller Rahmen:
Der Bericht mit dem Titel “Schweigen im Ministerium” erscheint in der Wochenendausgabe
vom 27./28. Dezember 2008 unter der Rubrik “Kommentar” auf Seite 32. Verfasst wird der
Bericht von Irene Brickner bezugnehmend als Kritik auf das Schweigen des Ministeriums
im Fall Zogaj. Außerdem geht es um die Frage, inwiefern die Berichterstattung von
Fremden- und Asylproblemfällen zweckdienlich sei.
• Text- “Oberfläche”:
Ein kurzer Bericht, welcher keine Bilder oder Fotos beinhaltet. Es werden die Themenkomplexe Familie Zogaj, Saualm (Jörg Haiders “Sonderanstalt für verdächtige Asylwerber”
in Kärnten) und das Schweigen des Ministeriums angesprochen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Weder Zitate, Kollektivsymbole noch wissenschaftliche Quellen sind vorzufinden und der
Wortschatz kann als zynisch bewertet werden.
72
Abbildung 4.2: Der Standard, 27./28. Dezember 2008
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Der Bericht vermittelt, dass die Gesellschaft auf das Thema Asyl- und Fremdenrecht nur
aufmerksam wird, wenn die Politiker_innen Strenge zeigen. Wird hingegen über Liberalität
in der “Ausländerpolitik” gesprochen, interessiert das kaum jemanden. Zukunftsvorstellungen werden durch den Text implizit entworfen, indem am Schluss geschrieben wird,
dass in Österreich nun eine neue “ausländerpolitische Phase” begonnen hat, nämlich die
des Ignorierens von Problemen.
• Interpretation:
In dem Bericht tritt deutliche Kritik an der herrschenden Fremdenpolitik in Österreich
hervor. Konnten sich die Parteien und Politiker_innen zuvor nur durch mehr Strenge
und Härte im Asyl- und Fremdenrecht Gehör verschaffen, so bricht jetzt eine neue Ära
ein, nämlich die des Schweigens. Kritisiert wird, dass man jetzt gar nicht mehr darüber
spricht und vermehrt Ausreden dafür findet, warum nicht darüber gesprochen werden
kann. Asylprobleme werden ab jetzt einfach ignoriert.
4.4.5.5 Artikel vom 15. Jänner 2009: “Rehlein-Augen”
• Institutioneller Rahmen:
Der Bericht mit dem Titel “Rehlein-Augen” erscheint am 15. Jänner 2009 als Titelstory.
Es ist ein kurzer Bericht, verfasst vom Standard-Kolumnisten Hans Rauscher. Der Anlass
für das Erscheinen des Berichts ist die Aussage von Innenministerin Maria Fekter zum
73
Rechtsfall Zogaj: “Ich habe nach dem Gesetz vorzugehen, egal ob mich Rehlein-Augen
aus dem Fernseher anstarren oder nicht.”
• Text- “Oberfläche”:
Der Text wird kurz gehalten und beinhaltet keine Bilder oder Fotos.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Wortschatz ist als zynisch und sarkastisch zu bewerten. Es werden keine Zitate
verwendet oder auf wissenschaftliche Quellen hingewiesen. Es handelt sich hierbei um
eine Kolumne.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Die Aussage von Innenministerin Maria Fekter wird kritisiert und verurteilt. Maria
Fekter wird dabei als hartherzig dargestellt. Weiters wird darauf hingewiesen, dass solche
Aussagen den medialen Diskurs verstärken und es durchaus in der Gesellschaft Menschen
gibt die Fekters Aussage zustimmen.
• Interpretation:
Kernaussage der Kolumne ist, dass die Politik nicht klug mit dem “Thema Arigona”
umgegangen ist. Es wird Kritik an der Politik geübt, die zu dem medialen Diskurs
beitragen und mit solchen Aussagen den Diskurs noch verstärken. Klug wäre es von
der Politik gewesen, die Angelegenheit der Familie Zogaj unauffällig zu lösen und den
medialen Diskurs klein zu halten.
4.4.5.6 Artikel vom 14./ 15. November 2009: “Exklusiv und illegal: ’Krone’ im
Fahnder-Visier”
• Institutioneller Rahmen:
Der Bericht mit dem Titel “Exklusiv und illegal: ’Krone’ im Fahnder-Visier” erscheint
in der Wochenendausgabe vom 14./15. November 2009 unter der Rubrik ”Chronik” auf
Seite 10 und wird von Markus Rohrhofer verfasst. Anlass für das Erscheinen des Berichts
ist die erschienene Schlagzeile in der Kronen Zeitung, dass Arigona Zogaj abgeschoben
wird und der Bescheid dafür unterwegs sei. Da weder die Familie noch ihre Anwälte
von der Übermittlung des Bescheides Kenntnis hatten, wird seitens des Standards eine
Verfahrensklage wegen Amtsmissbrauchs eingeleitet.
• Text- “Oberfläche”:
Der Bericht erscheint gemeinsam mit einem Gesichtsfoto von Arigona Zogaj und mit
einem Ausschnitt der Schlagzeile der Kronen Zeitung. Das Foto zeigt eine nachdenkliche
und traurige Arigona Zogaj. Zentrale Aussage des Berichts ist die Berichterstattung durch
die Kronen Zeitung von Fakten, die für die Öffentlichkeit eigentlich nicht zugänglich sind.
Daraufhin wird vom Büro für Interne Angelegenheiten im Innenministerium ein Verfahren
eingeleitet, um nach der undichten Stelle im Innenministerium zu suchen. Wie es dabei
der Familie Zogaj geht bzw. was diese dazu zu sagen hat, wird in dem Bericht nicht
erwähnt. Es wird im Zitat von Volkshilfemitarbeiter Walter Deil aber darauf hingewiesen,
dass es für die Familie Zogaj am Besten sei, sie in Ruhe zu lassen.
74
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Es finden sich viele Zitate (insgesamt sechs) von diversen Expert_innen in dem Bericht.
Aussagen werden argumentiert und begründet. Es kommen keine Kollektivsymbole vor.
Der Wortschatz ist einfach.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Eine politische Haltung ist in dem Text nicht zu finden. Es wird darüber berichtet, welche
Folgen die Schlagzeile der Kronen Zeitung hat. Zukunftsvorstellungen sind im Bericht zu
finden, diese sind für die Familie Zogaj ungewiss.
• Interpretation:
Der Bericht spielt auf das Leck im Innenministerium an, welches der Kronen Zeitung zu
Gute gekommen ist. Es wird aber sehr sachlich über das Ereignis und seine möglichen
Folgen berichtet.
4.4.5.7 Artikel vom 15. Juni 2010: “Der Stärkere gibt niemals nach”
• Institutioneller Rahmen:
Dieser Artikel erscheint am 15. Juni 2010 von Irene Brickner. Er ist unter der Rubrik
“Kommentar” auf Seite 32 zu finden. Betitelt wird er mit “Der Stärkere gibt niemals nach”.
Der Anlass für das Erscheinen des Textes ist der Ausweisungsbescheid für die Zogajs, was
die endgültige Abschiebung der Familie zur Folge hatte.
• Text-“Oberfläche”:
Gemeinsam mit diesem Artikel wird ein Cartoon gedruckt. Das Interessante daran ist die
gesamte Aufmachung dieser Seite. Der Cartoon zeigt den Verfassungsgerichtshof, in dem
die Richter in eine Vuvuzela blasen. Dazu abgebildet sind Verbotszeichen sowie das Wort
“Vuvuzogajs”. Außerdem befinden sich links neben dem Artikel zwei weitere Artikel, die
sich aber eigentlich auf die Vuvuzelas beziehen, aber dennoch miteinander in Verbindung
gebracht werden können.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Es wird mit sehr viel Anspielung, Ironie aber auch mit einer klaren Stellungnahme zu
diesem Thema berichtet. Die Assoziation mit der Vuvuzela wird vom Standard bewusst
gewählt. Die beiden Artikel über den Vuvuzela-Lärm werden betitelt mit “Das endlich
stüü is” und “Wahnsinnige Wespen”.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Eine klare Linie ist erkennbar, nämlich dass die Politik eine ungerechtfertigte Härte im
Fall Zogaj an den Tag gelegt hatte. Es wird darauf hingewiesen, dass die Familie Zogaj das
Beispiel war, “an dem politisch ausgehandelt wurde, wie der österreichische Staat gegen
widerspenstigen Ausländern gegenüber vorgeht”. Auch dass die Medien daran beteiligt
gewesen sind, wird erwähnt.
75
• Interpretation:
Die ganze Seite 32 ist vollgepackt mit Ironie und hat dennoch ein klares Statement. Es
wird Kritik an der Politik bzw. dessen Härte “Der Stärkere gibt niemals nach” und am
Ausweisungsbescheid durch den Verfassungsgerichtshof geübt. Aber warum die ironische
Assoziation zwischen Vuvuzela und Arigona? Der Standard spricht damit auf die vielen
Beschwerden und das Gejammer an, die es bezüglich der aus Südafrika stammenden
Instrumente zu Zeiten der Fußballweltmeisterschaft in Afrika 2010 gegeben hat. In
Österreich wurde deshalb auch öffentlich darüber diskutiert, ob die Vuvuzelas verboten
werden sollten. Also Schluss mit Vuvuzelas, die doch nur stören und laut sind und Schluss
mit Zogajs (Vuvuzogajs). Vuvuzelas sollen zurück nach Afrika – Zogajs sollen zurück
in den Kosovo, so kann die Assoziation verstanden werden, die durch den Satz “Spießig
ist vor allem die Ignoranz gegenüber der Gewöhnungsflexibilität der Menschen” noch
bekräftigt wird.
4.4.5.8 Zweiter Artikel vom 15. Juni 2010: “Arigona Zogaj bekommt für Ausreise
Frist gestellt”
• Institutioneller Rahmen:
Dieser Artikel erscheint am 15. Juni 2010. Die Verfasser sind Irene Brickner und Markus
Rohrhofer. Der Artikel ist unter der Rubrik “Chronik” auf Seite 9 zu finden. Die Headline
lautet “Arigona Zogaj bekommt für Ausreise Frist gestellt”. Der Artikel beschäftigt sich
mit der gesetzten Frist, die die Familie in Folge des negativen Asylbescheides für die
Ausreise aus Österreich gesetzt bekommen hat.
• Text-“Oberfläche”:
Gemeinsam mit diesem Artikel werden zwei Bilder gedruckt. Auf dem einen Bild ist
Arigona Zogaj mit einem scheinbar gequälten Lächeln zu sehen und auf dem kleineren
Bild darunter Innenministerin Maria Fekter mit einem scheinbar zufriedenen Lächeln. Der
Artikel wird auf der rechten Seite (S. 9) abgedruckt und auf der linken Seite (S. 8) wird
über ein Nationalschutzgebiet berichtet. Das Interessante daran ist der Titel des Artikels:
“Ein neuer Schutz für die fließende Grenze”. Es heißt weiters “geprägt von dem Verhältnis
der Nachbarn”.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Es werden keine Kollektivsymbole verwendet und Aussagen werden argumentiert und
begründet. Der Artikel spricht die Themen Ausreise und Empfehlung für eine freiwillige
Ausreise an.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Es wird negativ über die Ausreise berichtet. Aussagen wie beispielsweise “Dass sie in
Österreich gut integriert ist, half ihr vor dem Verfassungsgerichtshof ebenso wenig wie der
Umstand, dass sie von Kindesbeinen an hier lebt” drücken aus, dass das Aufwachsen in
Österreich und Integration kein Garant dafür sind, auch in diesem Land bleiben zu dürfen.
Weder das eine noch das andere hatte Einfluss auf die Entscheidung der Politiker_innen.
Wie es weiter gehen wird, bzw. die Zukunftsvorstellungen werden als ungewiss beschrieben.
76
• Interpretation:
Der ganze Text drückt Enttäuschung aus. Dass ein so gut integriertes Mädchen wie Arigona
Zogaj nun ausreisen muss, macht die Machtlosigkeit gegenüber der Regierung und der
Politik sichtbar. Weder die gute Integration, noch die Deutsch- und die Dialektkenntnisse
oder der Umstand, dass sie in Österreich aufgewachsen ist, verhelfen Arigona Zogaj zu
einem rechtlich korrekten Verbleib in Österreich. Auch die Symbolik der Bilder ist nicht zu
übersehen. Arigona wird mit einem gequälten Lächeln abgebildet, Maria Fekter hingegen
mit einem erfreulichen und scheinbar siegesfreudigen Lächeln. Die Politik hat in diesem
Fall “gesiegt” und die Abschiebung veranlasst.
4.4.5.9 Artikel vom 24. Juni 2010: “Der Angstbeiÿer-Staat”
• Institutioneller Rahmen:
Der Bericht “Der Angstbeißer-Staat” erscheint am 24. Juni 2010, Autor ist Hans Rauscher.
Der Artikel ist auf der Titelseite zu finden und wird anlässlich des Urteils vom Verfassungsgerichtshof, dass die Familie Zogaj aus Österreich abgeschoben wird, verfasst. Der
kurze Bericht wird unter einem Text über Bundeskanzler Werner Faymann, der die ewige
Flamme in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem entzündete, abgelichtet. Außerdem
befindet sich ebenfalls auf der Titelseite der Bericht über die “freiwillige” Ausreise der
Familie Zogaj.
• Text-“Oberfläche”:
Der Artikel mit der reißerischen Überschrift “Der Angstbeißer-Staat” wird sehr kurz
gehalten. Auf Bilder, Cartoons oder ähnliche grafische Gestaltung wird verzichtet. Es
werden unter anderem die Beziehungskomponenten österreichischer Staat und Abschiebung
der Zogajs angesprochen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Ein einfacher und sehr sarkastischer Wortschatz machen diesen Bericht aus. Österreich
wird dabei mit einem sogenannten “Angstbeißer” verglichen. Damit sind Hunde gemeint,
die nicht über genügend innere Stabilität verfügen und ohne Anlass plötzlich zubeißen.
Der “Angstbeißer-Hund” wird als Metapher für den österreichischen Staat eingesetzt.
Zitate werden nicht verwendet.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Das Verhalten des Staates im Fall der Familie Zogaj wird mit diesem Bericht kritisiert. Der
Staat habe sich bei seiner Entscheidung von der FPÖ und deren Wunsch zur Abschiebung
beeinflussen lassen, so der Standard.
• Interpretation:
Der Vergleich Staat und Angstbeißer-Hund soll verdeutlichen, dass sich der österreichische
Staat im Fall Zogaj wie ein “Angstbeißer” verhalten hat. In der Tierpsychologie bezeichnet
man Angstbeißer-Hunde als Hunde, die sich vor Geräuschen, unbekannten Objekten und
fremden Menschen fürchten. Bei Berührung reagieren sie übersensibel und beißen aus
Furcht zu.
77
Dieser Bericht übt einen konkreten Einfluss auf den zugrundeliegenden Diskurs aus,
nämlich, dass der Staat “Angst” vor fremden Menschen hat und damit wird auf Arigona
Zogaj angespielt. Aus Angst vor negativen Reaktionen und aus Angst sich wirklich intensiv
mit dem Thema befassen zu müssen, schiebt er ein vollständig integriertes Mädchen ab
und verabsäumt damit auch noch, sie in der Zukunft als eine Fachkraft zu behalten, denn
Arigona wollte die Ausbildung zur Krankenschwester beginnen. Der Standard schreibt
deshalb “Der Angstbeißer-Staat ist auch dumm”.
4.4.5.10 Artikel vom 9. November 2010: “Zogaj-Rückkehr in zwei Wochen”
• Institutioneller Rahmen:
Der Bericht erscheint am 9. November 2010 unter der Rubrik “Chronik” auf Seite 10.
Anlass für das Erscheinen des Berichtes ist die Rückkehr der Familie Zogaj aus dem
Kosovo. Der Verfasser ist Markus Rohrhofer.
• Text-“Oberfläche”:
Der Bericht ist im Gegensatz zum dazugehörigen Bild relativ klein gehalten. Der Titel
lautet “Zogaj-Rückkehr in zwei Wochen”. Darunter “Behörden wollen ’rasch’ prüfen –
neue Bleibe gesucht”. Wobei das Wort “rasch” unter Anführungszeichen gesetzt wird. Auf
der Titelseite befindet sich kein Hinweis auf diesen Artikel. Es werden unter anderem die
Themen “Bürokratische Hürden” und “Suche nach neuer Bleibe” erwähnt.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Angespielt wird auf das Arbeitstempo der Behörden. Es werden lange Zitate verwendet,
Kollektivsymbole sind keine vorhanden. Das große Bild, auf dem Arigona Zogaj mit Alfons
Haider zu sehen ist, soll einen Zusammenhalt symbolisieren.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Es wird mit bestimmten Aussagen und bestimmten Wörtern, welche unter Anführungszeichen gesetzt werden, indirekt Kritik an den österreichischen Behörden geübt.
• Interpretation:
Durch das unter Anführungszeichen gesetzte Wort “rasch” wird auf das Arbeitstempo der
Behörden angespielt und bezweifelt, dass die Angelegenheit wirklich rasch geprüft wird.
Aber auch das verwendete Wort in der Unterüberschrift “Bleibe” ist bedenklich. Warum
wird nicht geschrieben das Wort “Wohnung” verwendet? Umgangssprachlich wird unter
Bleibe eine vorübergehende Unterkunft verstanden. Es ist eine Andeutung darauf, dass es
jederzeit wieder möglich sein kann, dass die Familie Zogaj Österreich verlassen muss.
4.4.5.11 Artikel vom 25. November 2010: “Familie Zogaj nach vier Monaten
wieder in Österreich”
• Institutioneller Rahmen:
Der Zeitungsbericht erscheint am 25. November 2010 unter der Rubrik “Chronik” auf
Seite 10, verfasst von Irene Brickner.
78
Abbildung 4.3: Der Standard, 25. November 2010
• Text-“Oberfläche”:
Der Bericht erscheint gemeinsam mit einem Foto der Familie Zogaj. Der Titel lautet
“Familie Zogaj nach vier Monaten wieder in Österreich”. Der Text und das Foto werden
relativ klein gehalten. Es werden unter anderem die Themen “Bürokratischer Hürdenlauf”
und die “Rückkehr” angesprochen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Das Bild auf dem die Familie Zogaj zu sehen ist, soll verdeutlichen, dass die Familie nun wieder zusammengeführt wurde. Der Text beinhaltet ausschließlich Zitate von
Volkshilfemitarbeiter Walter Deil.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Die Unterüberschrift “Bürokratischer Visa-Hürdenlauf bis zuletzt” soll wiederum die Meinung verdeutlichen, dass es in Österreich langwierige bürokratische Wege gibt. Zukunftsvorstellungen befinden sich in diesem Artikel nicht. Es wird ein wertfreies Menschenbild
vermittelt.
• Interpretation:
Kernaussagen des Textes sind der in der Rechtssage Zogaj lange bürokratische Weg und
die zusätzlichen Hürden durch nachzureichende kostenpflichtige Unterlagen. Auch wird
im Bericht erwähnt, dass die Familie Zogaj um Ruhe bittet und den Kontakt mit Medien
meiden möchte. Vielleicht ist das der Grund, warum dieser Bericht so kurz gehalten wird
und auch nicht auf der Titelseite zu finden ist, obwohl dies der erste Bericht über die
79
Wiedereinreise der Familie Zogaj gewesen ist. Der Bericht erscheint am 25. November
2010 und die Familie Zogaj hat einen Tag zuvor Österreich wieder auf legalen Weg mittels
Visa betreten. Möglicherweise ist beabsichtigt, die Bitten der Volkshilfe und der Familie
Zogaj zu respektieren. Aus Rücksicht wird deshalb dieser Bericht nicht auf der Titelseite
platziert. Stattdessen ist der Bericht erst auf Seite 10 mit den täglichen Sudoku-Rätseln
zu finden.
4.4.6 Feinanalyse der Tageszeitung “Neue Kronen Zeitung”
4.4.6.1 Artikel vom Oktober 2007: “Abschiebungsbescheid in OÖ ausgesetzt”
• Institutioneller Rahmen:
Dieser Artikel wird im Oktober 2007 in der Kronen Zeitung veröffentlicht und kann online
ohne exakte Datumsangabe eingesehen werden.
Er wird im Anschluss an die Selbstmordandrohung von Arigona Zogaj veröffentlicht, weil
die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck die Abschiebung von Arigona und ihrer Mutter
vorerst ausgesetzt hat und somit das Abschiebedrama eine glückliche Wende nehmen
konnte.
• Text-“Oberfläche”:
Gemeinsam mit dem Artikel im Umfang einer Seite erscheint ein großes Portraitfoto von
Arigona, die sich nachdenklich und traurig an einen Baumstamm lehnt. Die Überschrift
ist sachlich gehalten, wird jedoch sowohl in der kurzen Zusammenfassung unterhalb des
Bildes, als auch im ausführlichen Text durch viele Wortmeldungen sehr positiv gefärbt.
Rechtliche Erklärungen und Hinweise zur vorausgehenden Abschiebethematik fehlen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Abgesehen von der sachlichen Überschrift ist der Artikel sehr optimistisch formuliert
und verwendet viele positive Phrasen, wie z. B. “glückliches Ende finden”, “signalisieren,
dass ihr (Anmerkung: Arigona) nichts passiere” und “Hoffnung auf schnelle Lösung”.
Diese Phrasen werden durch viele Zitate im Text hervorgehoben, die vom Peter Salinger,
dem Bezirkshauptmann von Vöcklabruck, von Franz Sieberer, dem Bürgermeister der
Gemeinde Frankenburg am Hausruck, von Landesrat Rudi Anschober, dem Landessprecher
der Grünen, von Ursula Haubner, der Obfrau des BZÖ Oberösterreich und von Chris
Müller, dem Organisator einer geplanten Demonstration, angeführt sind.
Reaktionen auf die Aussetzung der Abschiebung von Arigona und ihrer Mutter werden
im Text nicht angeführt.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Der Artikel ist sehr hoffnungsvoll und positiv formuliert und bringt die “Pro-ArigonaStimmung” deutlich zum Ausdruck, einzig das Zitat des Bezirkshauptmannes, wonach
“die rechtliche Seite gegen sie ist, die öffentliche Meinung aber für sie”, zeigt auf, dass die
Fokussierung der emotionalen Seite gegenüber der rechtlichen Seite überwiegt.
80
• Interpretation:
Dieser Artikel wird am Beginn der medialen Informationsflut zu dieser Thematik veröffentlicht und ist ein Beweis für die zu diesem Zeitpunkt vorherrschende positive Einstellung
von Behörden, Politikern und Betroffenen. Die emotionale Fokussierung auf Menschlichkeit
anstelle der Exekutierung der bestehenden Rechtslage steht im Vordergrund.
4.4.6.2 Artikel vom Juni 2008: “Selbstmordversuch. Mutter von Arigona Zogaj
wollte sich umbringen”
• Institutioneller Rahmen:
Dieser Artikel im Ausmaß einer A4-Seite mit Bild wird ohne konkrete Datumsangabe
im Juni 2008 veröffentlicht und ist online abrufbar. Ein großes Bild der Gesichter von
Arigona und ihrer Mutter wird vor den Text gestellt, der sehr persönliche Kommentare
von Pfarrer Josef Friedl und Helmut Blum, dem Rechtsvertreter der Familie, wiedergibt.
Im Anschluss an den Text gibt es 592 Leserbrief-Kommentare.
• Text-“Oberfläche”:
Das Bild der beiden Frauen mit traurigen Blicken in eine unbestimmte Zukunft untermauert vor allem die emotionale Schilderung von Pfarrer Josef Friedl, wobei er die
Verschwiegenheitspflicht verletzt, indem er der Öffentlichkeit mitteilt, dass sich Nurie
Zogaj durch Öffnen der Pulsadern das Leben nehmen wollte.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Dieser Artikel basiert ausschließlich auf den Kommentaren von Pfarrer Josef Friedl und
Helmut Blum, dem Rechtsvertreter der Familie Zogaj. Mit direkten Zitaten (“Sie (Anmerkung: Nurie Zogaj) ist eigentlich schon immer psychisch labil. Von daher überrascht
das nicht”) und auch indirekten Zitaten (“er macht den Druck der baldigen Abschiebung für die Verzweiflungstat verantwortlich”) gibt Pfarrer Josef Friedl Einblick in den
psychischen Zustand von Nurie Zogaj. Helmut Blum wird in seinem Bemühen um Abschiebungsverzögerung direkt zitiert, als “die physische und psychische Gesundheit” der
Patientin berücksichtigt werden müsse und es “daher in der derzeitigen Situation sehr
unwahrscheinlich ist, dass eine Abschiebung durchgeführt werden kann”.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Politische Kommentare fehlen in diesem Artikel ebenso vollständig wie rechtliche Erklärungen und Verweise auf Gesetzespassagen. Der Artikel ist bestimmt durch die Bemühungen
der beiden Männer aus dem Umfeld von Arigona und ihrer Familie, Menschlichkeit vor
strenger Rechtsauslegung walten zu lassen.
• Interpretation:
Rechtliche Fakten fehlen vollkommen. In diesem Artikel wird mittels zahlreicher direkter
und indirekter Zitate von Pfarrer Josef Friedl und dem Rechtsanwalt Helmut Blum die
emotionale und zwischenmenschliche Ebene der Leser_innen angesprochen. Im Anschluss
an diese Ausführungen sind 592 Leserbrief-Kommentare angefügt, die in der Zeit vom 25.
Mai 2008 bis zum 23. Juli 2008 gepostet wurden. Die Inhalte dieser Kommentare sprechen
sich zum überwiegenden Teil gegen den Verbleib der Familie Zogaj aus und kommentieren
höchst emotional und persönlich beleidigend die Lebensumstände der Familie.
81
4.4.6.3 Artikel vom 15. Jänner 2009: “Wilder Schlagabtausch um Zogajs in der
Politik”
Abbildung 4.4: Neue Kronen Zeitung (krone.at), 15. Jänner 2009
• Institutioneller Rahmen:
Dieser vier A4-Seiten lange Artikel wird online am 15. Jänner 2009 veröffentlicht, erscheint
jedoch nicht in der Printausgabe. Zu Beginn des Artikels sind die Gesichter von Nurie
Zogaj und ihrer fünf Kinder im Passbildformat abgebildet. Im Anschluss daran beginnt
die seitenlange Diskussion der Parteienvertreter zum grundsätzlichen Verbleib bzw. zur
Abschiebung der Familie, nachdem Schlepper die vier Geschwister in Ungarn ausgesetzt
hatten und diese schließlich nach Oberösterreich weitergereist waren.
• Text-“Oberfläche”:
Die Bilder, die von der APA-Presseagentur wenige Tage vor Veröffentlichung des Artikels
aufgenommen worden sind, zeigen die Kinder hoffnungsvoll in die Kamera lächelnd,
während der Gesichtsausdruck der Mutter traurig und leer erscheint. Bereits in der ersten
Zusammenfassung vor dem detaillierten Artikel zeigt sich in einer ersten Diskussion, dass
Vertreter von SPÖ, ÖVP, FPÖ und den Grünen diese Thematik aus ihrem Blickwinkel
verbal verteidigen und somit die in der Öffentlichkeit vorherrschende geteilte Meinung
auch im Parlament repräsentieren.
82
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Dieser Artikel ist emotional sehr aufgeladen und bringt mittels vieler Zitate die unter
den Politikern vorherrschende Meinung zum Ausdruck. Der Ausspruch von Innenministerin Fekter zu den “Rehlein-Augen”, denen sie widerstehen könne und nur aufgrund der
rechtlichen Situation entscheiden werde, wird von ihrem Parteikollegen Stephan Tauschitz
und vom Abgeordneten Manfred Haimbuchner (FPÖ) bestätigt und von Vertretern der
ÖVP und den Grünen schärfstens kritisiert (“hirn- und herzlose Politik”). Neben verbalen
Attacken wird in diesem Artikel auch ein rechtlicher Bezug zur Einwanderungspolitik
über Drittländer genommen und Zoltan Horvath, der Chef der Internationalen Abteilung des ungarischen Amtes für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, gibt sachliche
Rechtsauskünfte zu Informationsersuchen an die österreichischen Behörden.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Dieser Artikel stellt einen hohen Bezug zu den heimischen Parteien und ihrer grundsätzlichen Haltung in der Asylfrage dar. In emotional aufgebrachter Weise wird die Diskussion
zwischen Vertretern der Parteien dargestellt, während sich die Betroffenen selbst nicht zu
Wort melden und nur in Form von Bildern dargestellt werden.
• Interpretation:
Die gespaltenen politischen Lager repräsentieren auch die geteilten Meinungen innerhalb
der österreichischen Bevölkerung, als nach beinahe zweijähriger Berichterstattung die
Fronten pro und contra der Familie Zogaj sehr gespalten sind, wenngleich das Thema
Asylpolitik nun nachhaltig in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird.
4.4.6.4 Artikel vom 16. Juli 2010: “Abschiedskuss für Arigona Zogaj am Flughafen
Salzburg”
• Institutioneller Rahmen:
Dieser Artikel wird am 16. Juli 2010 online auf der Homepage der Tageszeitung nach
Bekanntgabe der freiwilligen Ausreise von Nurie Zogaj und ihren minderjährigen Kinder
veröffentlicht und erscheint am selben Tag auch in der Printausgabe, worauf nachfolgend
noch detailliert eingegangen wird. Der Verfasser des Berichts wird nicht angegeben. Im
Anschluss an den Onlinebericht finden sich keine Leserbrief-Kommentare, da seitens
der Redaktion von der Veröffentlichung mangels Sinnhaftigkeit der Beiträge Abstand
genommen wird: “Da in den Storypostings keine sinnvolle Diskussion mehr stattgefunden
hat und gegen die Netiquette verstoßende Postings überhandgenommen haben, sehen wir
uns gezwungen, das Forum bis auf Weiteres zu deaktivieren.”
• Text-”Oberfläche”:
Neben zwei Bildern zu Beginn des Artikels kann in der Online-Ausgabe auch ein Video angeklickt werden, das 55 Sekunden lang Abschiedsszenen der Familienmitgliedern
von ihren Freunden am Flughafen zeigt und von einem Sprecher erklärt werden. Die
Berichterstattung erscheint mittlerweile ganz auf Arigona zugeschnitten, die als “das wohl
bekannteste Flüchtlingsmädchen des Landes” bezeichnet wird.
83
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Die Berichterstattung beginnt mit tränenreichen Abschiedsbildern von Arigona und ihrem
Freund, geht dann aber in eine sachliche Schilderung betreffend der Ausreisemodalitäten
der Familie Zogaj über und gibt nur kurze emotionale Einblicke (“Arigona war sehr
tapfer”, Familie ziemlich “geschlaucht”) wieder. Im zweiten Teil des Artikels werden
die rechtlichen Möglichkeiten der Familie Zogaj für eine legale Wiedereinreise mittels
Schülervisa für die Kinder und als Saisoniersarbeitskraft für die Mutter erklärt und ein
kurzer zusammenfassender Rückblick auf die familiären Ereignisse seit dem Jahr 2002
chronologisch aufgeschlüsselt.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Die rechtlichen Möglichkeiten einer Wiedereinreise werden zwar erläutert, es fehlt aber der
Hinweis darauf, dass diese Visa nur befristet ausgestellt werden können und die Lösung
dieses Themas somit nur temporär ist.
• Interpretation:
Dieser Artikel beendet nun ein fast neunjähriges in der österreichischen Asylpolitik und
stellt den Wunsch sowohl der Familie Zogaj als auch der österreichischen Bevölkerung
nach Ruhe und Normalität dar. Bis die Familie legal wieder einreisen darf, werden einige
Wochen vergehen und das Thema aus der täglichen Berichterstattung entfernt werden.
4.4.6.5 Artikel vom 16. Juli 2010: “Geheimaktion” um Arigona-Flug
• Institutioneller Rahmen:
Dieser Artikel erscheint in der Printausgabe, wobei bereits auf der Titelseite ein Foto mit
der Abschiedsszene von Arigona Zogaj und ihrem Freund Philipp zu sehen ist. Der Artikel
selbst ist auf Seite 12 in der Größe einer halben Textseite mit einem Bild abgedruckt .
• Text-”Oberfläche”:
Das Bild im Regionalteil der Zeitung zeigt die Familie Zogaj bei umarmenden Abschiedsszenen, während das Bild auf der Titelseite als Ausschnitt dieses Bildes nur den Abschiedskuss
von Arigona Zogaj und ihrem Freund Philipp in Vergrößerung darstellt.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Die beiden Autoren beschreiben das in einer “Geheimaktion” durchgeführte Abflugsprozedere der Familie aus Österreich und auch die rechtlichen Möglichkeiten einer legalen
Wiedereinreise zu einem späteren Zeitpunkt. Dabei wird von einer sachlichen Darstellungsform abgewichen. Es wird erwähnt, dass die Familie mit vier privat bezahlten Tickets
in der Business Class ausreisen wird und sich zuvor in der VIP-Lounge des Salzburger
Flughafens gestärkt habe.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Der Artikel vermittelt zwar die letzten Fakten zur Ausreise der Familie Zogaj inklusive
Abflug- und Landezeiten, informiert jedoch auch, dass die Familie vor dem Abflug in der
VIP-Lounge gewesen ist und dass die Flugtickets in Höhe von Euro 2.300,- privat bezahlt
wurden, womit sich bei den Leser_innen ein Interpretationsspielraum über eine eventuelle
Sonderbehandlung ergibt.
84
• Interpretation:
Es ist nicht nachvollziehbar, warum Details der Ticketpreise oder des Verweilens in der
VIP-Lounge vor dem Abflug medienwirksam erwähnt werden. Der Bericht endet damit,
dass “Österreichs bekanntestes Flüchtlingsmädchen” um 21.30 Uhr in Pristina gelandet
ist und somit ein Schlusspunkt in der jahrelangen Berichterstattung gefunden wurde.
4.4.6.6 Artikel vom 24. November 2010: “Familie Zogaj ist wieder zurück in
Österreich”
• Institutioneller Rahmen:
Nach einer wochenlangen Abstinenz erscheinen im November zur legalen Rückkehr der
Familie Zogaj wieder Berichte in den Medien. Dieser Artikel wird am 24. November 2010
auf der Homepage der Kronen Zeitung veröffentlicht und kann einen Tag später unter
dem geänderten Titel “Arigona wieder da: VIP-Service für Promi-Flüchtlingsmädchen”
auch in der Printausgabe auf Seite 10 des Regionalteils nachgelesen werden.
• Text-”Oberfläche”:
Zu Beginn des Artikels erscheint in gewohnter Weise ein Foto der Familie Zogaj, die
nach der Landung in Wien-Schwechat im Flughafenbus sitzt. In einer ersten kurzen
Zusammenfassung gleich im Anschluss an das Bild wird sachlich berichtet, dass Frau
Zogaj mit ihren minderjährigen Kindern, die namentlich unter Angabe ihres jeweiligen
Alters erwähnt werden, in Wien gelandet ist.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Sachlich wird darüber informiert, dass Frau Zogaj mittels Arbeitsvisum und die Kinder
mittels Schülervisa eingereist sind und keinen Medienkontakt wünschen. In der Folge wird
chronologisch die Geschichte der Familie in Österreich in den letzten Jahren seit 2001
erzählt. Im letzten Absatz werden kritische Kommentare der freiheitlichen Partei und des
BZÖ veröffentlicht, während die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Alev Korun, die
Familie “herzlich willkommen daheim” heißt.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Bis auf den letzten Absatz wird sachlich über die legale Einreise und die bisherigen
chronologischen Ereignisse berichtet. Im letzten Absatz werden die kritischen Kommentare
der FPÖ und des BZÖ erwähnt, die die Familie Zogaj als “freche Asylbetrüger” bezeichnen.
• Interpretation:
Die Berichterstattung verläuft sachlich und informativ und da die Familie nun ausdrücklich keinen medialen Kontakt mehr wünscht, kann davon ausgegangen werden,
dass zukünftig Kommentare zur Familie Zogaj unterbleiben werden. Von entbehrlichen
Leserbrief-Kommentaren wird insofern Abstand genommen, als der bereits erwähnte
Satz anstelle der Postings veröffentlicht wird: “Da in den Storypostings keine sinnvolle Diskussion mehr stattgefunden hat und gegen die Netiquette verstoßende Postings
überhandgenommen haben, sehen wir uns gezwungen, das Forum bis auf Weiteres zu
deaktivieren.”
85
4.4.7 Feinanalyse der Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten”
4.4.7.1 Artikel vom 15. Oktober 2007: “Platter hat Arigona nichts versprochen”
• Institutioneller Rahmen:
Der Bericht “Platter hat Arigona nichts versprochen” erscheint in den Oberösterreichischen
Nachrichten am 15.Oktober 2007. Er wird auf Seite 25 in der unteren Hälfte der Seite
abgedruckt. Der Autor dieses Artikels ist Helmut Atteneder. Der Grund für das Erscheinen
des Artikels ist ein Geheimgespräch zwischen Innenminister Platter und Arigona Zogaj,
bei dem Innenminister Platter Versprechungen gegeben haben soll, welche in dem Artikel
jedoch dementiert werden.
• Text-“Oberfläche”:
Der Text ist relativ kurz gehalten und nimmt ungefähr eine Viertel Seite der OÖN
ein. Dem Bericht beigefügt ist ein Bild, welches Arigona Zogaj hinter zwei Mikrofonen
von diversen Medien zeigt. Der Bildtitel lautet “Medienwirbel um Arigona”. Unter dem
Hauptbericht ist ein kurzer Bericht (“Stichwort”) angefügt, mit dem Titel “Kein Verfahren”.
In diesem kurzem Bericht wird geschrieben, dass es im Fall Arigona Zogaj kein Verfahren
wegen “Beihilfe zu unbefugten Aufenthalt” gibt.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Text ist sachlich und kurz gehalten und beinhaltet ausschließlich Zitate von Pfarrer
Friedl. Das Foto von Arigona Zogaj mit dem Titel “Medienwirbel um Arigona” spiegelt
den Inhalt des Textes wider.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
In diesem Text werden Meldungen über Arigona Zogaj und ihrem Geheimgespräch
mit Innenminister Platter von Pfarrer Friedl dementiert. Es wird gezeigt, dass Pfarrer
Friedl auch in den Kontroversen der Öffentlichkeit steht, weil er Arigona Unterkunft
gewährte. Des weiteren wird vermittelt, dass Arigona wieder die Schule besuchen will und
somit wieder zur Normalität zurückkehren möchte. Es wird auch die emotionale Seite
angesprochen, indem geschrieben wird, dass die Familie Zogaj das Ende des Ramadan
nicht gemeinsam feiern konnte, da ein Teil der Familie im Kosovo ist.
• Interpretation:
Es werden Meldungen über Versprechungen von Innenminister Platter an Arigona geschrieben. Pfarrer Friedl dementiert einen Großteil dieser Meldungen, um nicht noch ein
falsches Bild über die Situation zu geben. Er selbst wird in die Öffentlichkeit gezogen und
zeigt aber, sich davon nicht beeindrucken zu lassen.
86
4.4.7.2 Artikel vom 17. Oktober 2007: “Rückkehr in die Schule als Spektakel”
Abbildung 4.5: Oberösterreichische Nachrichten, 17. Oktober 2007
• Institutioneller Rahmen:
Der Bericht erscheint am 17. Oktober 2007 in den Oberösterreichischen Nachrichten auf
der Titelseite. Es wird der Bericht auf der Titelseite mit dem Titel “Rückkehr in Schule
als Spektakel” näher beleuchtet. In dieser Ausgabe gibt es einen weiteren Artikel auf der
Seite 24, welcher aber nicht näher behandelt wird.
• Text-“Oberfläche”:
Der Text ist sehr kurz und prägnant gehalten. Die Fortsetzung zu diesem Bericht ist auf
der Seite 24 zu finden. Das Bild untermauert die Textüberschrift. Zu sehen ist Arigona
Zogaj in einem Klassenzimmer, umstellt von Fotografen und Journalisten. Ihr Blick ist
nicht fröhlich bzw. glücklich und spiegelt nicht den freundlichen Empfang von Lehrern
und Schülern und ihre Rückkehr in die Schule wider.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Am Anfang des Textes stehen Schlagworte, welche die Leser_innen mitreißen. Der Text
macht den Leser neugierig und animiert zum Lesen des Hauptartikels. Der Wortschatz ist
einfach gehalten und es sind kurze Zitate eingebracht.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Einen politischen Hintergrund gibt es bei diesem Bericht nicht. Es wird gezeigt, dass
Arigona Zogaj im Mittelpunkt der Medien steht. Selbst die Rückkehr zur Schule wird zu
einem Medienspektakel gemacht.
• Interpretation:
Die Kernaussage dieses Berichtes ist, dass Arigona Zogaj eine normale Bürgerin sein
will, welche wie jede andere in ihrem Alter in die Schule gehen will. Jedoch ist aus der
Rückkehr ein Medienspektakel gemacht worden.
87
4.4.7.3 Artikel vom 21/22. Juni 2008: “Mutter Zogaj ’braucht Therapie’
Abschiebung verzögert sich”
• Institutioneller Rahmen:
Der Bericht erscheint in der Wochenendausgabe vom 21./22. Juni 2008 in den Oberösterreichischen Nachrichten. Der Artikel mit dem Titel “Mutter Zogaj ’braucht Therapie’
Abschiebung verzögert sich” ist auf der Seite 17 zu finden.
• Text-“Oberfläche”:
Der Bericht ist kurz gehalten. Beigefügt ist ein kleines Foto, welches nur Arigona Zogaj
zeigt. Auf dem Bild wirkt sie sehr fröhlich und gut gelaunt. Der Text handelt von
einem Gutachten über die Mutter, Nurie Zogaj, welches ihren schlechten psychischen
Gesundheitszustand bestätigt. Aus diesem Grund wurde die Abschiebung verschoben. Es
wird auch noch ein kurzer Rückblick auf die Chronologie der Familie Zogaj in Österreich
gegeben.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Es werden vermehrt Zitate und Aussagen von Politikern verwendet. Es gibt keine wissenschaftlichen Quellen.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Die Politik wirkt bei diesem Thema widersprüchlich. Es wird gesagt, dass erkrankte
Flüchtlinge nicht abgeschoben werden. Andererseits wird geprüft, ob Arigonas Mutter
im Kosovo gut genug versorgt werden könnte. Des weiteren heißt es, dass es besser für
Arigonas Weiterentwicklung wäre, wenn sie bei ihrer Mutter bliebe. Ihre Geschwister sind
zu dieser Zeit aber schon im Kosovo.
• Interpretation:
Die Abschiebung hat die Familie zerrissen. Der Vater und die Geschwister von Arigona
sind in den Kosovo abgeschoben worden. Arigona und ihre Mutter sollten ebenfalls sofort
abgeschoben werden, wenn sie wieder auftaucht. Als die Mutter jedoch krank wird, dürfen
beide bis zum Ende von Arigonas Schulzeit bleiben.
4.4.7.4 Artikel vom 1. Juli 2008: “Zogajs: Kein neuer Bleiberechts-Antrag”
• Institutioneller Rahmen:
Der Titel des Berichts lautet “Zogajs: Kein neuer Bleiberechts-Antrag”. Er erscheint
am 1. Juli 2008 in den Oberösterreichischen Nachrichten auf der Seite 5. Es wird bei
diesem Bericht kein Autor angegeben. Der Artikel informiert, dass die Familie Zogaj kein
Bleiberecht erhalten hat.
• Text-“Oberfläche”:
Der Bericht ist sehr kurz gehalten und sehr unscheinbar. Es ist ein kleines Foto beigefügt,
welches den Landesrat der Grünen, Rudi Anschober, zeigt. Im Bericht geht es darum,
dass für die Familie Zogaj kein weiterer Bleiberechtsantrag gestellt wird. Anschober wird
hierbei von der ÖVP und der SPÖ nicht unterstützt. Das Stichwort ist Gleichbehandlung.
88
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Wortschatz ist neutral und der Text ist sehr kurz. Es werden keine Kollektivsymbole
verwendet. Des weiteren gibt es nur ein kurzes Zitat (zwei Wörter).
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Die Grünen wollen einen weiteren Antrag stellen, jedoch sind die ÖVP und die SPÖ
dagegen. Die ÖVP argumentiert mit Gleichbehandlung von Asylbewerber_innen. Die
SPÖ jedoch will nur zustimmen, wenn die ÖVP zustimmt, mit der Argumentation, dass
der Antrag im Innenministerium weniger Gewicht hätte. Dies scheint eher eine Ausrede
zu sein.
• Interpretation:
In diesem Bericht geht es darum, dass die Familie Zogaj kein Bleiberecht erhalten hat.
Der Landesrat der Grünen, Rudi Anschober, wollte einen zweiten Antrag stellen lassen.
Er wird jedoch von der ÖVP und der SPÖ nicht unterstützt, da auf Gleichbehandlung
geachtet werden müsse.
4.4.7.5 Artikel vom 17. November 2009: “Wer will schon Bambis Mörder sein?”
• Institutioneller Rahmen:
Der Bericht erscheint in der Ausgabe vom 17. November 2009 in den Oberösterreichischen
Nachrichten. Es ist ein kurzer “Leitartikel” mit der Überschrift “Wer will schon Bambis
Mörder sein?”, welcher auf der Seite 5 zu finden ist. Der Artikel wird von Helmut Atteneder
verfasst.
• Text-“Oberfläche”:
Es ist ein kurzer Bericht, welcher auf der rechten Blatthälfte zu finden ist. Es wird
ein kurzer Rückblick auf die Geschichte der Familie gegeben. Des weiteren werden die
Zerissenheit der Familie und das politische Drama geschildert.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Es wird nicht auf wissenschaftliche Quellen hingewiesen und es werden auch keine Zitate
verwendet. Es gibt negative Äußerungen über das Asylgesetz, aber es wird auch die
Rechtsverbindlichkeit betont.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Der Text ist nicht als normaler Zeitungsbericht geschrieben, welcher informiert, sondern
es werden Fragen aufgeworfen. Es wird versucht, diese zu beantworten, aber gleichzeitig
auch positive und negative Gründe abgewogen.
• Interpretation:
Die Überschrift “Wer will schon Bambis Mörder sein?” sagt schon sehr viel über den Text
aus. Es wird darüber geschrieben, wer für das Bleiben der Familie Zogaj und wer für ihre
Abschiebung stimmt. Weiters wird die menschliche Seite angesprochen: ob es überhaupt
vertretbar und menschlich sei, eine Familie so zu zerreißen?
89
4.4.7.6 Artikel vom 9. November 2010: “Rückkehr der Zogajs verzögert sich:
weitere Visa-Unterlagen nötig”
• Institutioneller Rahmen:
Der Bericht erscheint am 9. November 2010 in den Oberösterreichischen Nachrichten in
der Rubrik “Land&Leute” auf der Seite 27.
• Text-“Oberfläche”:
Der Bericht ist relativ kurz gehalten und wird begleitet von einem kleinen Foto, welches
Arigona Zogaj zeigt. Der Titel lautet: “Rückkehr der Zogajs verzögert sich: weitere
Visa-Unterlagen nötig”.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Betont wird, dass die Familie Zogaj 14 Tage Zeit hat, die fehlenden Unterlagen nachzureichen. Weiters wird der Visa-Einreichungsvorgang erwähnt. Das Foto zeigt die lächelnde
Arigona Zogaj, was wohl dafür steht, dass sie einer Rückkehr nach Österreich positiv
entgegen sieht.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Der Bericht bezieht sich auf den Ablauf der Visa-Genehmigung und etwaige Probleme,
die bis zum Erhalt des gültigen Visa auftreten könnten. Es werden Zitate verwendet.
• Interpretation:
Der Bericht betont die Verzögerung der Wiedereinreise der Familie Zogaj aufgrund
fehlender Unterlagen, die binnen 14 Tagen bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft
nachgereicht werden können. Es wird nicht Stellung dazu bezogen, wie sicher die positive
Bewertung der Visa ist. “Entscheidet die BH positiv, könne die Familie kurz danach
nach Oberösterreich zurückkehren” sagt Walter Deil von der Volkshilfe. “Da sie dann im
Gegensatz zu ihrer Ausreise Reisepässe besitzen, kann die Familie auch mit dem Auto
fahren. Damals konnten sie nur fliegen.” Dies soll (ob provokativ oder nicht) auf die
damalige “illegale” Situation der Familie aufmerksam machen. “Sie sieht der Entscheidung
ihrer Rückkehr mit angespannter Erwartung entgegen.”
4.5 Rassismus im Kontext mit Arigona Zogaj in
österreichischen Medien
Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) kritisiert in ihrem
vierten und neuesten Länderbericht, der am 15. Dezember 2009 verabschiedet und am
2. März 2010 veröffentlicht wurde, rassistische Tendenzen im öffentlichen Diskurs in
Österreich und beschreibt mit Besorgnis den Beitrag mancher Medien zu einer feindseligen
Atmosphäre gegenüber Minderheiten und Asylsuchenden.64
64
vgl. Der Standard 2010c
90
4.5.1 ECRI-Länderbericht
Im Punkt 75 dieses Berichtes werden die österreichischen Behörden aufgefordert, “systematisch und auf das Entschlossenste alle Formen des Rassismus, der Fremdenfeindlichkeit
und des Antisemitismus in der öffentlichen politischen Diskussion zu verurteilen.” 65
Die Republik Österreich bestätigt im November 2009 in ihrem Kommentar zum ECRIBericht, dass sie auch weiterhin dem Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und
Antisemitismus verpflichtet bleibt und gesetzliche Rahmenbedingungen für die Implementierung dieser Verpflichtung schafft.66 Weiters bestimmt die Republik mit dem Bundesgesetzblatt Nr. 52/2009 eine Verordnung zur finanziellen Unterstützung und Unabhängigkeit
des wiederhergestellten österreichischen Presserates, einer Selbst-Regulierungsbehörde.67
Zusätzlich bekräftigt die Republik Österreich in diesem Kommentar, dass die österreichischen Zeitungen an den “Ehrenkodex der österreichischen Presse” gebunden sind, der
fremdenfeindliche und rassistische Berichterstattung verurteile.68
4.5.2 Medienwirksame Aktionen im Zusammenhang mit Arigona Zogaj
Im Jahr 2006 wurden täglich elf Menschen aus Österreich abgeschoben. Deren Schicksale
und persönliche Katastrophen sind fern der Öffentlichkeit geblieben – anders als das
Schicksal der Familie Zogaj, deren Abschiebung seit Ende des Jahres 2007 die Medien
beherrscht. Nicht in die oben angeführte Kritik der Europäischen Kommission fallen die
im Folgenden angeführten Aktionen von kapitalistischen Medien-Konzernen und Parteien
in Österreich:
• Das österreichische Massenblatt “Österreich” fordert nach dem Verschwinden von
Arigona Zogaj eine “menschliche Lösung für die Familie Zogaj” und startet online
auf www.oe24.at eine Protestmail-Aktion, wonach der damalige Innenminister Günther Platter den Rechtsfall neu aufrollen und unter humanitären Gesichtspunkten
beurteilen solle.
• Die Grünen Österreichs gestalten eine Petition an den Bundespräsidenten mit dem
Ersuchen, dass Familie Zogaj in Österreich bleiben dürfe. Die Bundessprecherin
Eva Glawischnig und die Menschenrechtssprecherin Alev Korun übergeben diese
Petition mit 10.000 Unterschriften am 30. Juni 2010. 69
• Weiters organisieren die Grünen Österreichs am 1. Juli 2010 einen Protestmarsch
in Wien unter dem Motto “Genug ist Genug”: Auf Basis divergierender Aussagen
nehmen daran bis zu 10.000 Personen teil und setzen damit ein eindeutiges Zeichen
für die Familie Zogaj und für die Menschlichkeit.70
• Auch die rechtskonservative Kronen Zeitung macht Stimmung für die Familie
Zogaj, als sich der inzwischen verstorbene Herausgeber Hans Dichand unter seinem
Pseudonym “Cato” entgegen der geltenden Rechtslage für das Verbleiben der Familie
Zogaj in Österreich ausspricht und betont: “Menschlichkeit muss vor Recht gehen”.71
65
vgl.
vgl.
67
vgl.
68
vgl.
69
vgl.
70
vgl.
71
vgl.
66
Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) 2010c
ebd.
Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 2009
Verein zur Selbstkontrolle der österreichischen Presse - Österreichischer Presserat o. J.
Glawischnig 2010
ebd.
Der Standard 2010c
91
4.5.2.1 Studie “Der Fall Arigona”
Im Zusammenhang mit der medialen Darstellung von Migrant_innen und deren Integration in Österreich kann auf die bereits erwähnte Studie aus dem Jahr 2007 verwiesen
werden, die von Gruber, Herczeg und Wallner als “Der Fall Arigona” betitelt wird. Die
Studie erscheint zu einem Zeitpunkt, als Arigona nach dem Abschiebungsbescheid im
Herbst 2007 untertaucht und sich als Protest für einige Wochen an einem geheimen Ort
aufhält. In dieser Studie werden in der Zeit von 26. September bis 20. Dezember 2007
ungefähr 1.900 Beiträge zum Thema Integration im weitesten Sinne in einer quantitativen
Inhaltsanalyse untersucht und zeigen unter anderem auf, dass im Beobachtungszeitraum
• ausgehend vom Fall “Arigona“ die Themen Bleiberecht und Asylverfahren debattiert
werden, unter Vernachlässigung der Themen wie Integration und Immigration,
• ein elitedominierter Diskurs vorherrscht, da am öffentlichen Diskurs mit 35 % die
Sprecher der inländischen Politik als eindeutige Mehrheit beteiligt sind, gefolgt von
den Leserbriefschreiber_innen mit 17 % und den Expert_innen mit 12 % – an
vierter Stelle der Sprechergruppen kommt mit 11 % erst die betroffene Familie selbst
zu Wort,
• im Qualitätsjournalismus “überwiegend sachlich” und in der Boulevardpresse “überwiegend emotional” berichtet wird.
Die Vorwürfe des ECRI-Berichtes sollen nun im speziellen Zusammenhang mit der Art
und Weise der Berichterstattung über das Schicksal der Familie Zogaj näher analysiert
werden.
4.5.2.2 Berichterstattung in der Kronen Zeitung:
Da die Kronen Zeitung in Österreich einen Marktanteil von 47 % besitzt und daher mit
täglich 2,9 Mio. Leser_innen die auflagenstärkste Zeitung in Österreich ist, wird zur
näheren Analyse von “Rassismus in den österreichischen Medien” zuerst auf diese Zeitung
Bezug genommen.
Hannes Naderhirn kritisiert in seiner Arbeit “Rassismus in österreichischen Medien anhand
der “Kronen Zeitung”, dass ihre Journalist_innen, die sogenannten “agents”, eine bewusste
Konstruktion betreiben, wonach Presseaussendungen und andere Mitteilungen kaum
Berücksichtigung in der redaktionellen Arbeit finden, sondern die emotionale der sachlichen
Argumentation vorgezogen wird.72
Diese Kritik kann insofern bestätigt werden, als die Kronen Zeitung durch die Veröffentlichung von vielen Leserbriefen die emotionale Darstellung des Themas noch zusätzlich
schürt und eine sachliche Darstellung damit in den Hintergrund gedrängt wird. Beispielhaft
wird hier ein Leserbrief in der Printausgabe der Zeitung vom 22. Jänner 2009 abgebildet –
zu diesem Zeitpunkt herrschte geringeres mediales Interesse an der Familie, dennoch wird
auf diese Weise die Abschiebeproblematik rund um die Familie Zogaj in der medialen
Berichterstattung aktuell gehalten.
Um die Auflagenstärke der Zeitung zu erhöhen, wird der Kronen Zeitung vom Grazer
Rechtsphilosophen Peter Strasser bereits im Jänner 2010 vorgeworfen, im Zusammenhang
72
vgl. Naderhirn 2008, S. 3
92
Abbildung 4.6: Neue Kronen Zeitung, 22. Jänner 2009
mit dem persönlichen Schicksal der Familie Zogaj “ein schmutziges, berechnendes und
hinterhältiges Spiel” zu treiben und führt exemplarisch aus:73
• dass der Kronen Zeitung die Ablehnung des Asylbescheides zugespielt wurde, bevor
die betreffende Familie selbst informiert wurde und
• das Schicksal der Familie benützt werden würde, um einerseits Quote und andererseits Stimmung in die eine oder andere Richtung zu machen.
Eva Hötzendorfer erwähnt im Interview ebenfalls genau jene Kritik und bestätigt als
persönlich Anwesende, dass Arigona Zogaj völlig unvorbereitet in der Früh durch die
Veröffentlichung in der Kronen Zeitung von der Ablehnung des Asylbescheides informiert
wurde.
Generell kann angeführt werden, dass sich im Zuge der Berichterstattung über das Schicksal
der Familie Zogaj in den vergangenen Jahren folgende über die Medien kolportierte
Irrtümer eingeschlichen haben, die von der Volkshilfe aufgeklärt wurden:74
• Der Rechtsvertreter Blum der Familie Zogaj bearbeitet den Fall entgegen der verbreiteten Meinung unentgeltlich, es werden keine Steuergelder für den Rechtsaufwand
bezogen,
73
74
vgl. Kleine Zeitung 2007
vgl. Oberösterreichische Nachrichten 2010
93
• die Familie lebt nicht auf Kosten des Staates – die Mutter ist als Hilfsarbeiterin
beschäftigt und der Vater stand in einem Arbeitsverhältnis, bis er im September
2007 das Land verlassen musste,
• es wurde kein Arbeitslosengeld bezogen,
• kein Mitglied der Familie sei “vorbestraft und kriminell” und ist in Österreich nicht
wegen eines Strafvergehens verurteilt worden,
• die Familie “dränge” nicht in die Medien – die Familie versuche vielmehr, öffentliche
Auftritte zu vermeiden und lehnte auch die Einladung zum Opernball ab,
• die Familie hätte mit 110 Einsprüchen den Staat “zum Narren gehalten” – diese
Zahl stimme nicht, wenngleich mehrere Einwendungen in einem Asyl-Verfahren
keine Seltenheit sind,
• die Familie werde seitens der Volkshilfe mit “Spendengeldern” unterstützt, entspricht
nicht der Wahrheit, vielmehr erfolgt die Betreuung der Familie im Rahmen des
Auftrages zur Flüchtlings- und Migrant_innenbetreuung,
• die Mutter täuscht ihre Krankheit nicht vor, sondern leide ärztlich nachgewiesen
unter schwerer psychischer Beeinträchtigung und sei auf medizinische Hilfe und
Medikamente angewiesen,
• Arigona wird eine Hochzeit in Österreich empfohlen, um legal bleiben zu können
– erstens verhindere eine Hochzeit nicht die Ausreise und zweitens könnte dieser
Schritt von Arigona erst mit 21 Jahren, also erst in drei Jahren, gesetzt werden,
• der Vorwurf der “Scheinasylanten” werde ungerechtfertigter Weise immer wieder
kolportiert.
Somit können die Vorwürfe der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz
(ECRI) bezüglich rassistischer Tendenzen in österreichischen Medien in Bezug auf die
Kronen Zeitung nur geringfügig entkräftet werden, als die eigenen Beobachtungen, die im
Punkt 4.6 angeführt sind, als auch die angeführten Beobachtungen von wissenschaftlicher
Seite die starke emotionale Fokussierung der Berichterstattung im Sinne einer Quotenhetze bestätigen, aufgrund derer eine feindselige Atmosphäre gegenüber Asylsuchenden
geschaffen werden kann.
4.5.2.3 Berichterstattung in den Oberösterreichischen Nachrichten
Die Oberösterreichischen Nachrichten halten sich in der Berichterstattung über den Fall
“Arigona Zogaj” eher zurück. Es wird auf eine neutrale Schreibweise geachtet. Auf Klischees,
Vorurteile und feindselige Phrasen wird verzichtet. Die Art der Berichterstattung lässt
darauf schließen, dass die Oberösterreichischen Nachrichten Partei für die Familie Zogaj
ergreifen. Oftmals wird die Politik und die teilweise vorherrschende Zwiespältigkeit der
Parteien beleuchtet. Ein Beispiel dafür gibt der Bericht vom 1. Juli 2008. In diesem Artikel
geht es um einen neuen Antrag auf Bleiberecht. Dabei spalten sich die Meinungen der
Parteien. Die Grünen sprechen sich für ein Bleiberecht aus, die ÖVP dagegen. Die SPÖ
würde nur zustimmen, wenn auch die ÖVP zustimmen sollte.
94
Die Oberösterreichischen Nachrichten setzen sich auch mit Personen aus dem Umfeld
der Familie Zogaj auseinander und führen unter anderem Interviews mit Arigonas Schulkolleg_innen.In diesen Interviews setzen sich die Schulkolleg_innen vehement für ein
Bleiberecht der Familie Zogaj ein.
Auf bildhafter Ebene präsentieren die Oberösterreichischen Nachrichten vorwiegend
emotionale Bilder von Arigona Zogaj und ihrer Familie. Vor allem die durch die Medien
entwickelte Bezeichnung des “Mädchens mit den Rehaugen” wird durch Fotos verstärkt,
auf welchen Porträtaufnahmen von einer traurig aussehenden Arigona zu sehen sind. Der
Medienrummel um ihre Person wird durch Bilder deutlich gemacht, auf denen sie von
Mikrofonen umringt zu sehen ist.
4.5.2.4 Berichterstattung im Standard
Der Standard hat mittels seiner Berichterstattung Partei für Arigona Zogaj ergriffen
und bleibt somit seiner Blattlinie treu, die unter anderem für Toleranz gegenüber allen
ethnischen und religiösen Gemeinschaften steht. Das Verhalten der Politik im “Fall Zogaj”
wird durchwegs kritisiert. Sowohl direkt als auch indirekt durch Sarkasmus, durch Symbolik
und durch das Einsetzen von Metaphern.
Die Intoleranz des österreichischen Staates gegenüber der Familie Zogaj wird durch
Kolumnen wie beispielsweise die von Hans Rauscher mit dem Titel “Angstbeißer-Staat”
vom 24. Juni 2010 verdeutlicht. Auch der politische Umgang mit diesem Thema in der
Öffentlichkeit wird negativ bewertet. Als Beispiel dient der sarkastische Bericht vom 15.
Jänner 2009.
Die Politik trägt somit auch negativ zum medialen Diskurs bei bzw. verstärkt diesen.
Weiters wird die Schwäche der heimischen Politik angesprochen. Anfangs wird durchaus
der Eindruck vermittelt, dass die Politik nach einer vernünftigen Lösung suche. Bald stellt
sich aber heraus, dass mit einer liberalen Positionierung in “Asyl- und Ausländerfragen”
auch Wählerstimmenverluste zu befürchten sind. Deshalb entscheidet sich die ÖVP
demonstrativ, “hart durchzugreifen”, um keine Stimmen an die politische Konkurrenz (z.
B. FPÖ) zu verlieren. Das wird mit dem Artikel “Warum Platter hart bleiben muss” vom
1. Oktober 2007 vermittelt.
Die anfängliche Euphorie, sich für eine vernünftige Veränderung der Asylgesetzgebung
einzusetzen, wird bald ersetzt durch den “[...] Ruf nach harter Gesetzesanwendung, wie er
inzwischen von allen Parlamentsparteien kommt.” 75 Das mangelhafte, als “krank bezeichnete” Asylrecht und die Machtlosigkeit gegenüber der Politik wird ebenfalls kritisiert.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Verantwortlichkeit im “Fall Zogaj”
vor allem den Politiker_innen zugeschrieben wird. Bei den sachlich gehaltenen Berichten
kamen zumeist Expert_innen und Politiker_innen zu Wort, deren Aussagen stets argumentiert und begründet werden. Im Gegensatz zu einzelnen Kolumnen und Kommentaren
sind diese Berichte in ihrer Aufmachung eher dezent gehalten. Vorallem anhand ausgewählter Kolumnen ist eine Kritik an der Vorgehensweise der heimischen Politik seitens
des Standards erkennbar und diese Kritik ist kontinuierlich das Spitzenthema bei der
Berichterstattung über den Fall Zogaj.
Festzuhalten ist auch, dass die Berichterstattung im Standard über das Thema Zogaj
sich nicht ausschließlich auf ein, sondern auf unterschiedliche Ressorts verteilt (Chronik,
75
Brickner 2008, S. 32
95
Kommentar, Titelseite). Die Namen der Autor_innen sind bei jedem Artikel vorzufinden,
was auf eine hohe Quellentransparenz hinweist. Hoher Bildanteil, der Einsatz von aufmerksamkeitserregenden Headlines (“krankes Asylrecht“, “Rehlein-Augen“) und das Ansprechen
von Konflikten innerhalb der Politik zeichnen die Berichterstattung im Standard aus. Der
hohe Text-Bildanteil trägt dazu bei, dass das Thema in der Gesellschaft präsent bleibt
und schafft gleichzeitig Authentizität und Aktualität.76
Was die rassistische Darstellung in diesem Fall betrifft, kann nur auf folgendes hingewiesen
werden: In Medien wird selten positiv über Migrant_innen berichtet. Es geht dabei vor
allem auch um die Art und Weise, wie über ein bestimmtes Thema berichtet wird, denn
neben der offenen gibt es auch die sogenannte stille Stigmatisierung. Konkretes Beispiel
dafür ist, dass durch das ständige Anführen der Herkunft einer Person die Leser_innen
immer wieder darauf hingewiesen werden, dass es sich um eine/n “Ausländer_in” handelt.77
Der Standard trägt somit auch unbewusst mit andauernden Aussagen wie “Aus dem Kosovo
stammende Familie”, “kosovarische Familie”, “Mädchen aus dem Kosovo”, “junge Kosovarin”
zu einer stillen Stigmatisierung bei. Hingegen sind direkte rassistische Äußerungen nicht
vorzufinden. Besonders auffällig ist auch, dass im Zusammenhang mit diesem Thema ein
grundlegender Diskurs über Integration fehlt und eine Debatte darüber, dass Österreich
ein Einwanderungsland ist, bei der Berichterstattung völlig außer Acht gelassen wird, so
die Anmerkung von Petra Herczeg in einem Interview mit Katrin Burgstaller im Standard
am 18. Juni 2008.78
4.6 Fazit
Den Medien wird eine immer größere Bedeutung hinsichtlich des Einflusses auf die Gesellschaft zugeschrieben. Medien können gezielt zum Erreichen eines bestimmten Diskurses
eingesetzt werden. Im Zeitalter der Massenmedien ist es allen Menschen möglich, rund
um die Uhr aktuelle Informationen zu jeglichen Themen zu erhalten. Dies hat zur Folge,
dass grundsätzliche Diskussionen über politische und gesellschaftliche Themen nicht mehr
ausschließlich innerhalb eines Elitekreises stattfinden, sondern auf gesamtgesellschaftlicher
Ebene.79
Das Problem ist – gerade bei einem so komplexen Thema wie dem Asyl- und Bleiberecht –
dass, wenngleich die Medien inhaltliche Aussagen von Expert_innen korrekt berichten, es
dennoch zu missverständlichen Interpretationen kommen kann, die auf ausschnittsweises
Zitieren oder auf aus dem Kontext gerissenen Aussagen basieren. Nicht nur aufgrund von
Formulierungen sondern auch auf auf Grund von gezielt eingesetzten Bildern, werden
Emotionen transportiert, die bei der/dem Empfänger_in missverständliche Reaktionen
auslösen können. Außerdem bleibt es den Medien selbst überlassen, worüber sie berichten,
was wiederum auf die große Beeinflussbarkeit der Medien hindeutet: Durch die Selektion
diverser Themen einerseits und durch die Fokussierung auf eine emotionale oder sachliche
Berichterstattung, kann bewusst ein bestimmter Diskurs erreicht werden und somit die
Meinung der Öffentlichkeit beeinflusst werden.
Auffällig bei der Betrachtung der ausgewählten Berichte aller drei untersuchten Printmedien ist, dass kontinuierlich einseitig über dieselben Themen (u. a. “Selbstmorddrohung”,
76
vgl.
vgl.
78
vgl.
79
vgl.
77
96
Morawa 2009, S. 28
ebd., S. 21 f
Der Standard 2008a
Krawinkler 2008, S. 27
“Abschiebung”, “Rückkehr” uvm.) berichtet wird. Wenngleich im Qualitätsjournalismus
eher sachlich berichtet wird, liegt der Fokus in der Boulevardpresse eher auf der emotionalen Berichterstattung, die auch dazu neigt, Themen die mit Migrant_innen assoziiert
werden, in der öffentlichen Diskussion meinungsbeeinflussend in die eine oder andere
Richtung steuern zu können.
“Im Hinblick auf die österreichische Asylpolitik kann man durch das kürzlich beschlossene
Fremdenrechtspaket 2011 durchaus von einer Verschärfung der Gesetzgebung sprechen.
Hier zu betonen ist die Erhöhung der verpflichtenden Deutschkenntnisse bei gleichzeitiger
Kürzung der Lernzeiten. Ein weiterer Aspekt ist, dass die in Österreich vorgeschriebene
Höchstdauer der Schubhaft über EU-Vorgaben hinaus geht.
97
5 Yankuba Ceesay: Die Bedingungen der
Schubhaft
5.1 Einleitung
Das Grundrecht auf persönliche Freiheit darf laut internationaler Menschenrechtsstandards und verfassungsrechtlichen Vorgaben nur in bestimmten Fällen entzogen werden.
Insbesondere seit den Verschärfungen durch das 2006 in Österreich in Kraft getretene
Fremdenrechtspaket, das unter anderem eine Inhaftierung von Asylwerber_innen bereits
während des Verfahrens und ohne Rücksichtnahme auf besonders schutzbedürftige Personen oder Situationen (Minderjährige, Traumatisierte, Familien etc.) ermöglicht, wird
sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene scharfe Kritik an Österreichs Zuwanderungspolitik, den Regelungen der Schubhaft in diesem Land sowie an den schlechten
Bedingungen in den österreichischen Polizeianhaltezentren, in denen die Schubhäftlinge
festgehalten werden, geübt.1
Um herauszufinden, inwieweit diese Kritik gerechtfertigt ist oder zurückgewiesen werden
kann, wurde der Fall “Yankuba Ceesay” eingehend untersucht. Hierbei handelt es sich um
einen aus Gambia stammenden Schubhäftling, der im Oktober 2005 nach mehrtägigem
Hungerstreik im Polizeianhaltezentrum in Linz verstorben ist. Die zentrale Frage, die sich
hierbei stellt, ist, unter welchen Umständen es zu diesem Todesfall kommen konnte.
Da dieses Ereignis auch von den Medien aufgegriffen wurde, wurde auch seine mediale
Darstellung analysiert. Hierbei sollte herausgefunden werden, inwieweit bei der Darstellung
des diskursiven Ereignisses “Yankuba Ceesay” in den (ober)österreichischen Tageszeitungen
“Kronen Zeitung”, “Oberösterreichische Nachrichten” und “Der Standard” von rassistischer
Berichterstattung gesprochen werden kann.
Bevor jedoch die Ergebnisse der durchgeführten Mediendiskursanalyse präsentiert werden,
wird zunächst näher auf den Fall und die Person “Yankuba Ceesay” sowie auf die Schubhaft
in Österreich eingegangen. Bei Letzterer werden die formalen, rechtlichen und strukturellen
Rahmenbedingungen, die Situation der Schubhäftlinge in den Polizeianhaltezentren sowie
die Rolle der dort arbeitenden Menschen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.
Den Schluss der Arbeit bildet ein Fazit, das die gewonnenen Ergebnisse zusammenfasst.
5.2 Der Fall “Yankuba Ceesay”
5.2.1 Die Person Yankuba Ceesay
Die Identität des ehemaligen und bereits verstorbenen Schubhäftlings Yankuba Ceesay
kann auch nach intensiver Recherche zum Teil nur vermutet werden, da es viele gegensätzliche Meinungen gibt, sowohl von den involvierten Behörden wie dem Polizeianhaltezentrum
1
vgl. Kussbach 2007, S. 2 f
99
(PAZ) Linz, dem Unabhängigen Verwaltungssenat Oberösterreich (UVS-Oö), dem Amt
für Jugend und Familie der Stadt Wien als auch von Vereinen und Organisationen wie
dem Menschenrechtsbeirat (MRB) und der Onlineplattform “Afrikanet”. Einem Bericht
der letztgenannten Organisation zufolge wurde Yankuba Ceesay am 2. März 1987 in
Serekunda, Gambia, geboren. Im Alter von 17 Jahren kam der noch nicht volljährige
Afrikaner als Asylsuchender über Italien nach Österreich. Laut eigenen Angaben war
er ein politischer Flüchtling, da sein Vater (Unbekannt), der angeblich einer in Gambia
verbotenen politischen Opposition angehörte und dessen Familie von den dort ansässigen
Behörden terrorisiert und misshandelt wurden.
Am 12. März 2004, einen Tag nach seiner Ankunft in Österreich, stellte Ceesay beim Amt
für Jugend und Familie der Stadt Wien einen Asylantrag. Drei Monate später erhielt er
aufgrund des Besitzes von Cannabis eine Anzeige gemäß dem Suchtmittelgesetz (SMG).
Am 6. August 2004 wurde Ceesay in einer Wohn- und Betreuungseinrichtung des Don
Bosco Flüchtlingswerkes in Liesing (Wien), wo individuelle Betreuung bereitgestellt wird
und er sich mit anderen minderjährigen Flüchtlingen ein Zimmer teilte sowie Deutschkurse
besuchte, untergebracht. In dieser Zeit erfolgten weitere Vorfälle gemäß dem SMG, die
immer wieder zu einer Anhaltung in der Justizanstalt Wien-Josefstadt führten. Ab der
Vollendung seines 18. Lebensjahres am 2. März 2005 war die Jugendwohlfahrt nicht
mehr für Yankuba Ceesay zuständig. Auch dem Zuständigkeitsbereich seiner bisherigen
Wohneinrichtung entfiel er.
Mit der Erlangung der Volljährigkeit veränderte sich ebenso die Rechtslage für Yankuba
Ceesay. Das Amt war nun nicht mehr zuständig und der von ihm gestellte Asylantrag war
bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht bearbeitet worden.2 Ein vom MRB veröffentlichter
Bericht, der sich mit dem Tod des Schubhäftlings Yankuba Ceesay eingehend auseinandersetzt, gibt Aufschluss über den Großteil der Zeit zwischen dem 2. März 2005 (Tag
der Volljährigkeit) und dem 12. September 2005 (Tag der Überstellung in das PAZ Linz).
Diesem Bericht zufolge verbüßte Yankuba Ceesay in der Zwischenzeit eine Freiheitsstrafe,
die er zum Teil in Wien und zum Teil in Linz absaß.3 Am 4. April 2005 verurteilte ihn
das Landesgericht Wien aufgrund von Übertretungen des Suchtmittelgesetzes zu sieben
Monaten unbedingter Haft. Seine Überstellung von der Justizanstalt (JA) Wien-Josefstadt
in die JA Linz erfolgte am 2. Mai 2005. Am 6. Juni 2005 wurde über den von ihm gestellten
Asylantrag negativ entschieden. Nachdem am 6. September 2005 das Landesgericht (LG)
Linz die Entlassung Yankuba Ceesays aus der JA Linz veranlasst hatte und nicht damit
gerechnet wurde, dass der Flüchtling sich am Tag der Abschiebung freiwillig zur Verfügung
stellen würde, wurde zur selben Zeit die Verhängung der Schubhaft bekanntgegeben. Zu
diesem Zeitpunkt war der Betroffene weder im Besitz eines ordentlichen Wohnsitzes noch
der erforderlichen Reisedokumente. Aus diesem Grund wurde Yankuba Ceesay am 12.
September 2005 direkt von der JA Linz in das PAZ Linz überstellt, wo er die Schubhaft
bis zum Zeitpunkt der Abschiebung verbringen sollte.4
5.2.2 Yankuba Ceesay in Schubhaft
Offiziell begann Ceesays Schubhaft am 12. September 2005 nach dem Urteil des LG
Linz, wobei sich Ceesay bereits zuvor in Haft befunden hatte. Da der von ihm gestellte
Asylantrag abgelehnt wurde und eine Überstellung in das PAZ Linz erfolgte, war er nicht
2
vgl. Inou 2006
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b
4
vgl. Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006
3
100
mehr länger ein Gefangener, sondern ein Schubhäftling. Ab diesem Zeitpunkt unterscheiden
sich die Berichte des MRB, die der Medien, die Ansichten von Expert_innen und die
Aufzeichnungen des LG Wien, die im Urteil vom 4. April 2005, Zl. 162 Hv 45/05 h
nachzulesen sind, zu einem beträchtlichen Grad voneinander. Auf diese Unterschiede muss
bei der Darstellung des Falles Rücksicht genommen werden, um wesentliche Ansichtspunkte
nicht außer Acht zu lassen.
Der MRB hat bei der Darstellung des Falles mit einer separat gebildeten Arbeitsgruppe
(AG) folgende Informationsquellen herangezogen: die Berichte einer Kommission des
Oberlandesgerichts (OLG) Linz, die Untersuchungsakten des Büros für Interne Angelegenheiten (BIA), die Akten der Bundespolizeidirektion (BPD) Linz, die des PAZ Linz
sowie die der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz GmbH. Bei der Aufnahmeuntersuchung am
12. September 2005, die am selben Tag, an dem seine Überstellung erfolgte, stattfand,
wurde Ceesays Allgemeinzustand bei einer Körpergröße von 1,70 Metern und einem
Körpergewicht von 76,5 Kilogramm für gut befunden. Somit gab es keinen Grund, die
Haftfähigkeit anzuzweifeln. Obwohl Ceesays Muttersprache nicht Englisch war, wurde ihm
ein Anamneseblatt in englischer Sprache ausgehändigt. Noch am selben Tag wurde ihm
von der zuständigen Schubhaftbetreuerin mitgeteilt, dass sein Asylverfahren rechtskräftig
abgeschlossen sei und die BPD Linz bei der Botschaft der Republik Gambia in Wien
einen Antrag auf die Ausstellung eines Heimreisezertifikates stellen würde.
Am 23. September 2005 wurde Yankuba Ceesay mit anderen Schubhäftlingen aufgrund
der Vorarbeit zu einem Fluchtversuch von der “Zelle 36” in eine andere Zelle verlegt.
Daraufhin versuchte der afrikanische Schubhäftling im Rahmen eines Gesprächs mit der
Schubhaftbetreuerin Kontakt zur Fremdenpolizei herzustellen. Auf dieses Bedürfnis wurde
jedoch nicht näher eingegangen und die Kontaktaufnahme blieb aus. Am 26. September
2005 wurde sein Allgemeinzustand vom Polizeiamtsarzt noch immer für gut befunden,
allerdings wurde ein Gewichtsverlust von 6,5 Kilogramm festgestellt. Bereits zwei Tage
später gab der Schubhäftling den Eintritt in den Hungerstreik bekannt, welcher vom
Polizeiamtsarzt auf den 27. September 2005, sieben Uhr zurückdatiert wurde.5 Der UVSOö gab den Eintritt in den Hungerstreik jedoch mit 28. September 2005 an und es
wurde nichts über eine vom Polizeiamtsarzt vorgenommene Rückdatierung erwähnt.6 Als
Grund für den Hungerstreik nannte Yankuba Ceesay die von ihm gewünschte, jedoch
nicht vorgenommene Rückverlegung in die “Zelle 36”. Am 28. September 2005 wurde vom
Polizeiamtsarzt ein Gewicht von nur mehr 67 Kilogramm festgehalten. Es wurden keine
Zweifel an der weiteren Haftfähigkeit Ceesays geäußert und als “individuelles kritisches
Gewicht” wurden weiterhin 54 Kilogramm angegeben. Ein dafür vorgesehenes Info-Blatt
für Hungerstreikende wurde nicht ausgehändigt, jedoch wurde laut den Aufzeichnungen
des Polizeiamtsarztes eine mündliche Aufklärung durchgeführt. In welcher Sprache diese
Aufklärung erfolgte, wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Außerdem wurde
festgehalten, dass Yankuba Ceesay jegliche Kommunikation mit dem Polizeiamtsarzt
verweigerte. Am 29. September 2005 erfolgte eine letzte kurze Konversation zwischen der
Schubhaftbetreuerin und dem Schubhäftling, im Zuge derer er ihr mitteilte, dass er sich
im Hungerstreik befinde.
Am 4. Oktober 2005, dem Todestag von Yankuba Ceesay, wurde der Allgemeinzustand des
Schubhäftlings noch immer für gut befunden. Sein Körpergewicht betrug mittlerweile 59
Kilogramm und die seit 30. September 2005 feststellbare Schwäche sei den Berichten zufolge
nur simuliert worden. Demonstrativer passiver Widerstand, der sich unter anderem darin
äußerte, dass der Afrikaner regelmäßig vom Sessel rutschte, veranlasste den diensthabenden
5
6
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b
vgl. Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006, S. 3
101
Polizeiamtsarzt nach einer Rücksprache mit der Chefärztin dazu, eine Überstellung Ceesays
in das Allgemeine Krankenhaus Linz (Akh Linz) vorzunehmen, um eine fachärztliche
Meinung einzuholen.
Weiterer passiver Widerstand wurde auf dem Weg in das AkH Linz dokumentiert: Der
Schubhäftling setzte sich im Lift des Polizeigebäudes auf den Boden und weigerte sich wieder aufzustehen. Den begleitenden Beamten, von denen einer Sanitäter war, genügte dies
als Grund, dem Schubhäftling beim Aussteigen aus dem Arrestantenwagen Handschellen
anzulegen und ihn in ein Dreirad zu setzen. Die Untersuchung Ceesays im Akh Linz wurde
von einem Assistenzarzt durchgeführt und war mit einigen Schwierigkeiten verbunden.
Laut dem Bericht des MRB verweigerte Yankuba Ceesay jegliche Kommunikation mit
dem Assistenzarzt, sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch. Folglich konnte auch keine
Eigenanamnese, sondern nur eine Fremdanamnese mit Hilfe der begleitenden Beamten
durchgeführt werden. Die Flüssigkeitszufuhr konnte rückwirkend nicht eruiert werden und
die weiteren Untersuchungen gestalteten sich als schwierig, da sich der Afrikaner sehr
unkooperativ verhielt. Eine Blutabnahme wurde schließlich unter der Anwendung von
Zwangsgewalt und der Fixierung seiner Hände und Füße durchgesetzt. Die Empfehlung
des Arztes lautete, den Schubhäftling bei einer weiteren Verschlechterung seines Zustandes
in eine Psychiatrie zu überweisen und ihn zwangszuernähren. Da man eine stationäre
Aufnahme Ceesays nicht für notwendig hielt, wurde er in das PAZ Linz rückverlegt.
Aufgrund des von ihm geleisteten Widerstandes erfolgte die Verlegung in eine Sicherungszelle. Die Übermittlung der Laborbefunde sollte sobald wie möglich stattfinden. Auf dem
Rückweg in das PAZ wurde wiederum passiver Widerstand dokumentiert, der sich in
diesem Fall dadurch äußerte, dass sich der Schubhäftling weigerte selbständig zu gehen.
Nachdem der Schubhäftling am späten Vormittag im PAZ Linz angekommen war, wurde
er aufgrund der potenziellen Eigen- und Fremdgefährdung, die dadurch begründet wurde,
dass er sich während der Blutabnahme im Akh auffallend aggressiv verhalten hätte, in
eine Sicherungszelle gebracht, wo ein Stationsbeamter etwa alle 30 Minuten nach ihm sah.
Dieser Stationsbeamte hatte jedoch weder eine Sanitätsausbildung noch war er im Besitz
von Englischkenntnissen. Der polizeiärztliche Dienst wurde etwa eine Stunde nach der
Ankunft des Schubhäftlings über die Ergebnisse der Untersuchung im Akh Linz sowie
seine Verlegung in die Sicherungszelle informiert. Im Zeitraum von 12:10 Uhr bis 12:50
Uhr befassten sich zwei Amtsärzte mit dem vorläufigen “Befund” des Akh Linz und kamen
zu dem Schluss, dass der Asylwerber aufgrund der unklaren Ergebnisse zu einer weiteren
Untersuchung in das Akh Linz überstellt und gegebenenfalls stationär behandelt werden
sollte.
Um 12:50 Uhr wurde der afrikanische Schubhäftling vom Stationsbeamten bei einer
routinemäßigen Überprüfung tot aufgefunden. Der Stationsbeamte verständigte einen
Sanitäter und den polizeiärztlichen Dienst. Versuche, den Schubhäftling wiederzubeleben,
gehen aus den Aufzeichnungen nicht hervor. Der Todeszeitpunkt wurde von der Notärztin,
die um 13:10 Uhr eintraf, auf 12:40 Uhr rückdatiert. Eine darauffolgende Obduktion sollte
Aufschluss über die Todesursache geben.7
5.2.3 Ursache für Yankuba Ceesays Tod
Der Tod des Schubhäftlings gab auch den Medien Anlass, über dieses Ereignis zu berichten.
Jedoch hielt sich das Ausmaß der Berichterstattung im Jahr 2005 im Vergleich zum
damals aktuelleren Fall von “Arigona Zogaj” in Grenzen. Obwohl ein Mensch ums Leben
7
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b
102
gekommen war, war das Medienaufkommen nicht vergleichbar mit dem rund um die Zogajs,
erwähnte der Rechtsanwalt, der sowohl der Rechtsbeistand von Yankuba Ceesay war und
auch der von den Zogajs ist.8 Trotz einer weniger intensiven Medienberichterstattung
wurde das Thema in vielen Tageszeitungen aufgegriffen, meist jedoch nicht auf den
Titelseiten abgedruckt. Oftmals wurde der Fokus auf eine nur kurze Berichterstattung
gelegt. Die meisten dieser Artikel nahmen unter anderem auf ähnliche Fälle, auf die
Zustände in der Schubhaft in Österreich und vor allem auf die potenzielle Todesursache
des Schubhäftlings Bezug. Diese Theorien unterschieden sich zum Teil wesentlich von
den offiziellen Ergebnissen, die in den Berichten des Menschenrechtsbeirats und des
Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich dokumentiert wurden. Die
letztgenannten Institutionen orientierten sich bei ihrer Berichterstattung, wie bereits
erwähnt, vor allem an den offiziellen Dokumenten und Akten des PAZ Linz, der BPD Linz,
des OLG Linz und an den Obduktionsergebnissen der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz
GmbH.9
5.2.3.1 Todesursache laut Menschenrechtsbeirat und Unabhängigem
Verwaltungssenat Oberösterreich
Der Menschenrechtsbeirat legte sich nicht auf eine Todesursache fest, sondern unterscheidet zwischen zwei möglichen Todesursachen, wobei beide Ergebnisse von einer äußerlichen
Gewalteinwirkung als Todesursache absehen. Die gerichtliche Obduktion ergab als Todesursache den Ausbruch einer Krankheit, der Sichelzellenanämie, die die Folge einer
unterbliebenen Flüssigkeitszufuhr war. Inwieweit die Flüssigkeitskarenz in diesem Fall
eine Rolle gespielt hat, konnte im Nachhinein jedoch nicht mehr festgestellt werden.
Die zweite mögliche Todesursache sieht im Unterschied zur Annahme einer Sichelzellenanämie das Ausbleiben einer Flüssigkeitszufuhr als hauptsächlichen Grund. Zwölf
Tage ohne Flüssigkeitszufuhr seien laut MRB tödlich. Darauf weisen auch die im Akh
Linz ausgestellten Blutbefunde hin, die ein Nierenversagen beschreiben. Eine erweiterte
medizinische Überwachung und eine damit in Verbindung vorgesehene laborchemische
Untersuchung hätten ab einem Körpergewicht von 62 Kilogramm einsetzen müssen. Dieses
Körpergewicht war bereits am 2. Oktober 2005 unterschritten. Auf die Frage, ob die
Schubhaft in diesem Sinne überhaupt rechtmäßig verhängt worden war, wird später noch
näher eingegangen.10
Der UVS-Oö gibt als Todesursache ebenfalls das Zusammenspiel von Flüssigkeitsmangel
und Sichelzellenanämie an, welches zu einer Verschiebung des Elektrolythaushaltes geführt
haben soll. Dieses löste bei Ceesay akute Herzrhythmusstörungen aus und führte den
Herztod des Schubhäftlings herbei. Von äußerlicher Gewalteinwirkung wurde erneut
abgesehen und es gab auch keine Hinweise auf die Konsumation von Drogen und/oder
Alkohol.11
5.2.3.2 Zweifel an der o ziellen Todesursache
Am 8. Februar 2006 wurde im Standard ein Zeitungsartikel mit dem Titel “Tod in Schubhaft: Neue Zweifel” veröffentlicht. Dieser Artikel, der den Fall “Yankuba Ceesay” behandelt,
8
Interview mit Blum 2011.
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b und Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006
10
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b
11
vgl. Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006, S. 5
9
103
bezieht sich auf neue Erkenntnisse bezüglich der Todesursache Ceesays, die erst fünf Monate nach dem Ereignis laut wurden. Der Autor berichtete über den Allgemeinmediziner
und Tropen-Spezialisten Walter Gockner, der sich für den Standard noch einmal genau
mit dem Obduktionsbericht auseinandersetzte. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die
Sichelzellenanämie als Todesursache ausscheide, da der Sauerstofftransport bei Yankuba
Ceesay an seinem Todestag bei 98 Prozent gelegen habe. Gockner gehe davon aus, dass
die Todesursache mit einem Nierenversagen zusammenhänge, da der Laborbefund eine
Harnstoffvergiftung und ein beidseitiges Nierenversagen belegen könne. Ceesay hätte in
drei Wochen 17,5 Kilogramm verloren und einen Flüssigkeitsmangel von etwa zehn Litern
aufgewiesen. Obwohl den Aufzeichnungen der Polizeiberichte zufolge der Hungerstreik
Ceesays nur sechs bis sieben Tage gedauert habe, gaben Mithäftlinge an, dass der Gambier
insgesamt zwölf Tage nichts zu sich genommen hätte. Zudem wird berichtet, dass sich die
Mediziner_innen im Akh Linz auch für eine stationäre Aufnahme ausgesprochen hätten,
wenn ihnen diese Tatsache bekannt gewesen wäre.12 Der Artikel schließt mit einem Zitat
Gockners: “Yankuba C. ist verdurstet. Zwölf Tage ohne Flüssigkeit sind tödlich – egal
welche Hautfarbe man hat.” 13
5.2.4 Ansicht der Expert_innen
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden auch Interviews mit Expert_innen geführt.
Diese Expert_innen sind Menschen, die sich in ihrem Alltag mit Schubhäftlingen oder
Schubhaft beschäftigen bzw. beschäftigt haben und deshalb über spezifisches Wissen und
Erfahrungen diesbezüglich verfügen. Unter anderem wurden diesen Personen auch Fragen
zum Fall selbst gestellt. Die Antworten darauf fielen zum Teil sehr unterschiedlich aus
und spiegeln die teils gegensätzlichen Meinungen zu dieser Thematik sehr gut wider.
Uche Njoku Anselem, gebürtiger Nigerianer, mittlerweile österreichischer Staatsbürger und
Geschäftsführer der Black Community Oberösterreich, meinte in einem Interview, dass
der Fall “Yankuba Ceesay” einer der Auslöser dafür gewesen sei, dass es die Organisation
Black Community heute überhaupt gebe. Was die Todesursache Ceesays betreffe, wisse er
nur das, was in den Medien publiziert worden wäre. Seiner Meinung nach sei es schwierig
zu beurteilen, ob die Darstellung in den Medien wahr sei oder nicht, wenn die Person,
über die geschrieben werde, bereits tot sei.14 Ein Mitarbeiter der Polizeidirektion in
Linz gab bei einem Interview bekannt, dass seiner Meinung nach die an diesem Fall
beteiligten Beamt_innen von den Medien damals erheblich “durch den Dreck gezogen”
worden wären, vor allem die verantwortliche Polizeiärztin. Als Todesursache gab er an,
dass er irgendeine Herzkrankheit in Erinnerung hätte, an der der ehemalige Schubhäftling
ohnehin gestorben wäre. Zudem hielt er fest, dass sich seit diesem Fall im Umgang mit
den Schubhäftlingen einiges verändert haben soll. Während Schubhäftlinge vor diesem
Ereignis zum Teil zu erheblichem Schaden gekommen wären, hätte sich die Situation
danach grundlegend verändert. Seit dem Fall “Yankuba Ceesay” würden Schubhäftlinge
bei den geringsten Anzeichen einer Beeinträchtigung von den Amtsärzt_innen in ein
Krankenhaus überstellt.15
Ein weiteres Interview, das mit einer Schubhaftbetreuerin geführt wurde, ergab keine
zusätzlichen Ergebnisse bezüglich des Falles “Yankuba Ceesay”, da ihr dieses Ereignis
nicht im Detail bekannt war. Jedoch betonte sie, dass es ihrer Meinung nach nicht üblich
12
vgl. Rohrhofer 2006
zit.n. ebd.
14
Interview mit Njoku 2011a
15
vgl. Anonymisiertes Interview 3 2011
13
104
sei, einen Schubhäftling von einem Krankenhaus zurück in ein PAZ zu überstellen, solange
er noch nicht körperlich fit sei. In diesem Zusammenhang erwähnte sie auch, dass die
Schubhäftlinge, sobald sie “fit” genug wären, diese Gelegenheit nutzen würden, um aus der
Krankenanstalt “abzuhauen”. Das ist für die Schubhäftlinge auch der angestrebte Zweck
eines Hungerstreiks und der einzige Weg, mit dem sie die Haftdauer selbst möglicherweise
beeinflussen können. Dieser solle jedoch unter geregelter Aufsicht stattfinden, um körperlichen Schaden zu vermeiden. Falls es zu körperlichen Beeinträchtigungen der Inhaftierten
kommen sollte, sollten sie auf jeden Fall in ein Krankenhaus überstellt werden. Dies
geschehe in der Praxis auch. Es würden ständig Untersuchungen durchgeführt, um die
körperliche und psychische Gesundheit der Schubhäftlinge zu gewährleisten. Der Mensch
müsse auf jeden Fall stets im Vordergrund stehen. Ein Problem sieht die Schubhaftbetreuerin jedoch in den Kriterien, die erfüllt sein müssen, um einen Schubhäftling in
eine Krankenanstalt überstellen zu dürfen. Da unter anderem der Gewichtsverlust eine
große Rolle spiele, falle es vor allem Menschen, die bereits vor der Schubhaft krank seien,
schwerer, Gewicht zu verlieren als denjenigen, die vor dem Hungerstreik deutlich mehr
“Masse” hätten.16
Christian Cakl, Geschäftsführer des Vereins SOS-Menschenrechte, mit dem ebenfalls
ein Interview geführt wurde, gab zu verstehen, dass sich der Verein prinzipiell gegen
Schubhaft ausspreche. Er deutet den Hungerstreik als legitimes Mittel, um zu zeigen,
dass man sich in einer Notsituation befände. An den speziellen Fall “Yankuba Ceesay”
erinnerte sich Cakl nicht genau, da er sich zu dieser Zeit in einer anderen beruflichen
Situation befunden hätte und der Verein SOS-Menschenrechte im Jahr 2005 nicht mehr
die Schubhaftbetreuung inne gehabt hätte. Soweit sich Cakl erinnern könne, hätte man
im Fall “Yankuba Ceesay” bereits früher medizinische Maßnahmen ergreifen müssen,
um den letalen Ausgang, zu dem es unter keinen Umständen hätte kommen dürfen, zu
verhindern. Die Einzel- bzw. Isolationszelle Ceesays wurde seiner Meinung nach zu wenig
beobachtet. Ceesay hätte die gleiche Aufmerksamkeit bekommen müssen wie ein/eine
Staatsbürger_in in einer ähnlichen Situation. An dieser Stelle verwies er insbesondere auf
Erste-Hilfe-Maßnahmen bzw. Notmaßnahmen, die jeder Person zugute kommen sollten.17
In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass der Menschenrechtsbeirat in seiner
Beschreibung des Sachverhalts “Yankuba Ceesay” angab, dass eine Durchführung von
Erste-Hilfe-Maßnahmen nicht dokumentiert worden war.
5.2.5 Mediale Falldarstellung
In den Medien wurde der Fall der Öffentlichkeit ebenfalls auf verschiedenste Art und Weise
präsentiert. Die Kronen Zeitung zum Beispiel veröffentlichte am 5. und am 6. Oktober
2005 jeweils einen kurzen Bericht über das Geschehen. Diese beiden Berichte decken
sich inhaltlich jedoch nur teilweise mit den bereits erwähnten Fakten. Gemeinsamkeiten
lassen sich dahingehend feststellen, dass man bei der Identität Ceesays nur Vermutungen
anstellen konnte und dass sich der Betroffene seit 28. September 2005 im Hungerstreik
befunden hatte.18 Im zweiten Krone-Artikel wird auch Bezug auf die Verschiebung
des Elektrolythaushaltes, was bei Ceesay zu einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Versagen
geführt haben soll, genommen. Zudem wird auch über die Flüssigkeitskarenz sowie die von
Suchtgiftdelikten geprägte Vergangenheit des Betroffenen berichtet. Widersprüche ergeben
sich jedoch bezüglich des angegebenen Zeitraumes, in dem der Hungerstreik stattgefunden
16
Anonymisiertes Interview 4 2011
Interview mit Cakl 2011a
18
vgl. Neue Kronen Zeitung 2005c
17
105
haben soll. Während die Kronen Zeitung schrieb, dass sich der aus Gambia stammende
Asylwerber nur fünf Tage im Hungerstreik befunden hätte, weisen die Berichte des MRB
und des UVS-Oö darauf hin, dass zwischen Ceesays Eintritt in den Hungerstreik und seinem
Ableben mindestens sieben Tage (28. September 2005 bis 4. Oktober 2005) vergangen
wären. Weiters wird in diesem kurzen Artikel kein Bezug auf die erbbedingte Krankheit
(Sichelzellenanämie) genommen. Überdies wurde den Leser_innen die Tatsache, dass sich
Yankuba Ceesay aufgrund eines delirischen Zustandes aggressiv verhalten haben soll,
durch die Aussage “[...] Stunden vor seinem Tod hatte der Afrikaner eine Krankenschwester
attackiert” , die vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen ist, vermittelt.19
Ein anderer Artikel, der bereits einen Tag nach dem Tod von Yankuba Ceesay im Regionalteil der Oberösterreichischen Nachrichten auf der Seite 22 veröffentlicht wurde, beschreibt
den Tod des Afrikaners ebenfalls. Bei dieser Veröffentlichung gibt es einige Punkte, die
nicht mit den Darstellungen des Sachverhaltes in anderen Berichten übereinstimmen.
Kullman, der Autor des Artikels, schrieb, dass der Schubhäftling nur die Aufnahme von
fester Nahrung verweigerte. Die eingeschränkte Flüssigkeitszufuhr wurde jedoch noch nicht
erwähnt. Diese Tatsache mag zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch nicht bekannt
gewesen sein. Die Information, dass dem Mann Informationsblätter über die möglichen
Gesundheitsfolgen eines Hungerstreiks ausgehändigt wurden, stimmt mit der des UVS-Oö
überein,20 widerspricht jedoch der Berichterstattung des MRB, im Zuge derer erwähnt
wurde, dass die Aufklärung mündlich durchgeführt wurde.21 Weiters wird auch in diesem
Schreiben das aggressive Verhalten des Schubhäftlings im Akh Linz angesprochen, jedoch
auf eine andere Art als im vorher erwähnten Artikel in der Kronen Zeitung. Die Kronen
Zeitung berichtet, dass Ceesay eine Krankenschwester “attackiert” hätte, während der
Autor der Oberösterreichischen Nachrichten im Bezug auf Ceesays Verhalten lediglich von
einer “Widersetzung” spricht: “Doch im Akh widersetzte er sich plötzlich der Blutabnahme
und trat mit den Füßen nach den Krankenschwestern.” 22 Diese Beschreibung ähnelt auch
der des UVS-Oö, der ebenfalls von einer Widersetzung bei der Behandlung ausging, im
Zuge derer Krankenschwestern getreten wurden.23 Als Ursache für Ceesays Tod wurde eine
Herzschwäche vermutet. Es wurde aber auch erwähnt, dass die tatsächliche Todesursache
zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss wäre. Die mögliche Erbkrankheit (Sichelzellenanämie)
schien zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, da die gerichtsmedizinische Obduktion noch
nicht stattgefunden hatte.24
Ein am 6. Oktober 2005 im Standard veröffentlichter Artikel stellt nicht bloß die Identität
des Schubhäftlings in Frage, sondern insbesondere sein offizielles Alter. Laut dem Verein
Menschenrechte soll der angeblich aus Gambia stammende Afrikaner zum Zeitpunkt
seines Todes bereits 22 Jahre alt gewesen sein. Zudem erwähnen die Autor_innen eine
“elektrolytische Verschiebung” als mögliche Todesursache und berufen sich dabei auf
die Ergebnisse einer vorläufigen Obduktion. Weiters wird angegeben, dass zu diesem
Zeitpunkt die Ursache für eine solche Verschiebung noch unklar gewesen sei. Ceesays
Verhalten im Akh Linz wird in diesem Artikel ebenso wenig thematisiert wie die Aushändigung von Informationsblättern über die Folgen eines Hungerstreiks. Ähnlich wie in
Kullmanns Artikel in den Oberösterreichischen Nachrichten ist auch im Standard-Artikel
von keiner Flüssigkeitskarenz die Rede. Es wird sogar Polizeisprecher Grufeneder zitiert,
der behauptet, dass der Schubhäftling sehr wohl Flüssigkeit zu sich genommen habe.
19
vgl. Neue Kronen Zeitung 2005b
vgl. Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006, S. 3
21
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b
22
Kullmann 2005
23
vgl. Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006, S. 4
24
vgl. Kullmann 2005
20
106
Weiters wird berichtet, dass der Gesundheitszustand des Patienten “nicht alarmierend”
gewesen wäre. In diesem Zusammenhang wird weiter unten auch auf den guten Ruf des
Linzer PAZ hingewiesen, indem der Menschenrechtsbeiratsvorsitzende Erwin Felzmann
zitiert wird: “Das Linzer Polizeianhaltezentrum war uns bisher als vorbildlich bekannt.” 25
Am 7. Oktober 2005 wurde zudem in allen drei analysierten Tageszeitungen, der Kronen
Zeitung, den Oberösterreichischen Nachrichten und dem Standard, über die/den mit dem
Fall “Ceesay” zusammenhängende(n) Entlassung/Ausbruch eines Zellengenossen Ceesays
aus einem Linzer Krankenhaus berichtet. Der Artikel im Standard unterscheidet sich
inhaltlich wesentlich von dem in der Kronen Zeitung und dem in den Oberösterreichischen
Nachrichten. In Ersterem wird von der am 5. Oktober 2005 stattgefundenen Überstellung
eines nigerianischen Schubhäftlings, der sich wie Ceesay seit 28. September 2005 im
Hungerstreik befand, in das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz berichtet.
Dieser soll zu jener Zeit bereits ein polizeiliches Haftentlassungsschreiben im Gepäck
gehabt haben. Im Krankenhaus soll er wieder zu essen begonnen haben, weshalb bereits
einen Tag nach seiner Überstellung ins Krankenhaus bekannt gegeben wurde, dass er
unmittelbar vor seiner Entlassung stehe. Weiters ruft der Artikel noch einmal den Fall
“Yankuba Ceesay” in Erinnerung und gibt Auskunft über die diesbezüglichen Ansichten
der Staatsanwaltschaft, insbesondere Dietmar Gutmayers, aber auch die der damaligen
ÖVP-Innenministerin Liese Prokop, die sich beide für eine umgehende Klärung des Falles
aussprachen. Ein weiterer Punkt, der im Standard kurz angesprochen wurde, ist die
80-köpfige, mit schwarzen Armbinden solidarisierte Mahnwache für Yankuba Ceesay, die
sich vor der Linzer Polizeidirektion versammelt hat , um gemeinsam zu trauern.26
Der am selben Tag erschienene Bericht in der Kronen Zeitung unterscheidet sich sowohl
inhaltlich als auch die Länge betreffend von den Berichten in den anderen beiden Zeitungen.
In dem am 7. Oktober 2005 in der Kronen Zeitung erschienenen Artikel wird, nachdem
zu Beginn kurz eine Verbindung zum Fall “Ceesay” hergestellt wurde, in nur zwei Sätzen
über die aufgrund der “Haftunfähigkeit” ausgesprochene Entlassung des Nigerianers
sowie seine Überstellung ins Spital berichtet. Es wird jedoch nicht erwähnt, in welches
Krankenhaus der 19-Jährige überstellt wurde. Überdies wird den Leser_innen suggeriert,
dass der betroffene Schubhäftling nach der Behandlung aus dem Krankenhaus geflohen
sei, wobei von “Flucht” nicht wörtlich die Rede ist: “[...] und der Patient spazierte davon.
Als die Polizei kam, war er schon weg.” Die Mahnwache sowie die Forderungen der
Staatsanwaltschaft und der damaligen Innenministerin werden in diesem Artikel nicht
erwähnt.27
In den Oberösterreichischen Nachrichten wurde am 7. Oktober 2005 berichtet, dass
der nigerianische Mithäftling von Yankuba Ceesay ebenfalls zur Untersuchung in das
Akh Linz überstellt worden war. Im Standard wurde allerdings berichtet, dass er ins
Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern gebracht worden war. Auch im Artikel in
den Oberösterreichischen Nachrichten wird auf die gerichtlichen Erhebungen und die
Staatsanwaltschaft Linz bzw. Dietmar Gutmayer Bezug genommen. Über die Mahnwache
vor der Bundespolizeidirektion Linz wird ebenfalls berichtet, jedoch ist hier von nur 40
Teilnehmer_innen die Rede. Weiters wird kurz auf den Fall “Yankuba Ceesay” eingegangen,
indem über den Blutbefund des Akh Linz berichtet wird, der nach Akh-Labor-Chef Herbert
Stekel auf ein beginnendes Nierenversagen hingewiesen haben soll. Überdies wird auch
Bezug auf das österreichische Schubhaftsystem genommen, indem auf die im Zeitraum von
2002 bis 2005 österreichweit gesunkene Zahl von Schubhäftlingen hingewiesen wird. Zudem
25
vgl. Brickner et al. 2005
vgl. Rohrhofer 2005
27
vgl. Neue Kronen Zeitung 2005a
26
107
wird angeführt, dass seit Juni 2005 aus allen drei oberösterreichischen Polizeianhaltezentren
(Linz, Wels und Steyr) insgesamt vier Schubhäftlinge ausgebrochen sind.28
5.2.6 Rechtmäßigkeit der Anhaltung Ceesays in Schubhaft
Am 15. November 2005 wurde vom Bruder und den Eltern des verstorbenen Yankuba
Ceesay sowohl eine “Schubhaftbeschwerde” als auch eine “Maßnahmenbeschwerde” beim
UVS-Oö eingebracht. Dabei wurden vor allem die Rechtmäßigkeit der Anhaltung in
Schubhaft und die Art und Weise des Vollzugs in Frage gestellt. Im Besonderen wurde
auf folgende Fälle Bezug genommen: Fehlende medizinische Betreuung, nicht begründete
Anhaltung in einer Sicherungszelle, Nichtaufhebung der Haft trotz Haftunfähigkeit sowie
Nichtanhaltung in einer Krankenzelle. Weiters wurde angezweifelt, dass den Behörden die
Identität Ceesays nicht bekannt gewesen sei, da der Jugendwohlfahrtsbehörde, die den
damals Minderjährigen bei seinem Asylverfahren vertreten hatte, die Identität zur Gänze
bekannt gewesen war.
Die belangte Behörde hingegen, in diesem Fall die BPD Linz, verlangte die Abweisung
der Beschwerde mit folgenden Begründungen: Zum einen sei die Anhaltung Ceesays in
Schubhaft gerechtfertigt gewesen, da man davon ausgehen konnte, dass er zum Zeitpunkt
der Abschiebung nicht zur Verfügung stehen würde. Zum anderen bezweifelte die BPD
Linz, dass es sich bei den Beschwerdeführer_innen überhaupt um leibliche Verwandte
des Verstorbenen handle und der Anwalt der Familie Ceesay, Helmut Blum, überhaupt
über eine Prozessvollmacht verfüge.
Der UVS-Oö entschied am 13. Februar 2006, dass das verfassungsmäßig unbeschränkt
geschützte Recht auf eine menschenwürdige Behandlung verletzt worden war. In diesem
Zusammenhang wird vor allem auf das Ausbleiben eines Suchttests bzw. einer Hämoglobinelektrophorese, der/die Hinweise auf die erbbedingte Krankheit hätte geben können,
Bezug genommen. Nach der Feststellung Letzterer hätte in weiterer Folge eine Zwangsernährung stattfinden müssen, um den Blutzellenzerfall zu vermeiden. Weiters entschied
der UVS-Oö, dass die Anhaltung von Yankuba Ceesay in Schubhaft im Nachhinein als
rechtswidrig angesehen werden kann. Dies entschied er mit der Begründung, dass sich die
Verhängung von Schubhaft dann als rechtswidrig erweist, wenn von der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel hätten angewendet werden können. Somit wurde den Beschwerden
des Bruders, Lamine Ceesay, dessen Identität vor Gericht anerkannt wurde, stattgegeben,
während die Beschwerden der Eltern wegen fehlender Prozesslegitimation abgewiesen
wurden.29
5.2.7 Zusammenfassung der Widersprüche zwischen den Falldarstellungen
In diesem Abschnitt soll noch einmal kurz auf die einzelnen Widersprüche in den verschiedenen Berichterstattungen von den Expert_innen, den Medien und den bereits genannten
Vereinen und Organisationen eingegangen werden.
• Aushändigung von Informationsblättern
28
29
vgl. Novak und Rohrhofer 2005
vgl. Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006, S. 6 und 14
108
Der erste Punkt betrifft die Aushändigung eines Informationsblattes über die Folgen eines
Hungerstreiks. In den mit Expert_innen geführten Interviews wurde dieser Aspekt nicht
erwähnt. In den Oberösterreichischen Nachrichten wurde im Artikel vom 5. Oktober 2005
berichtet, dass dem Schubhäftling Yankuba Ceesay Informationsblätter über die Folgen
eines Hungerstreiks ausgehändigt worden waren. In welcher Sprache die Informationen
vermittelt wurden, wird hier nicht erwähnt.30 Im Gegensatz zu den Oberösterreichischen
Nachrichten wurde in den im Standard und in der Kronen Zeitung analysierten Artikeln
überhaupt nicht auf die Aushändigung von Informationsblättern eingegangen.
Dem Bescheid des UVS-Oö kann die Information entnommen werden, dass dem Schubhäftling die erforderlichen Informationsblätter über die Folgen eines Hungerstreiks in
seiner Muttersprache ausgehändigt worden waren.31 Dem Bericht des MRB hingegen
ist zu entnehmen, dass Yankuba Ceesay kein Informationsblatt für Hungerstreikende
ausgehändigt wurde, sondern die Aufklärung in Anlehnung an das Formular mündlich
erfolgt ist.32
• Ursache für Yankuba Ceesays Tod
Die Todesursache Ceesays war das zentrale Thema, das die meisten interviewten Expert_innen, Redakteur_innen und involvierten Organisationen und Vereine beschäftigte.
Obwohl die Intensität der Berichterstattung über den Fall im Laufe der Tage abnahm,
erschien auch noch Wochen nach dem Ereignis der eine oder andere Artikel, der die
Leser_innen über neue Erkenntnisse bezüglich der Todesursache Ceesays informierte.
Über Letztere wurde vor allem kurz nach seinem Tod wild spekuliert. Etwa fünf Monate
nach dem Tod Ceesays berichtete der Standard darüber, dass die bisher als offizielle
Todesursache geltende angeborene Sichelzellenanämie als solche ausscheide, da der Sauerstofftransport bei Yankuba Ceesay an seinem Todestag bei 98 Prozent gelegen hätte
und dieser Wert viel zu hoch sei, um auf eine Blut-Anämie rückschließen zu können.
Den Angaben eines Allgemeinmediziners und Tropen-Spezialisten zufolge sei Yankuba
Ceesay aufgrund eines zwölf-tägigen Flüssigkeitsentzuges gestorben.33 Auch ein damaliger
Mithäftling des verstorbenen Asylwerbers sagte aus, dass Ceesay sowohl die Aufnahme
von Nahrung als auch von Flüssigkeit für die Dauer von zwölf Tagen verweigert hätte. Im
Rahmen einer Gerichtsverhandlung, bei der verschiedene Zeug_innen vernommen wurden,
kam man schließlich zu dem Ergebnis, dass der Zeuge den Verstorbenen nicht 24 Stunden
lang durchgehend beobachtet und Yankuba Ceesay somit die Gelegenheit gehabt hätte,
Flüssigkeit zu sich zu nehmen.34 Auch der MRB gibt eine zwölf-tägige Flüssigkeitskarenz
als eine mögliche Todesursache an.
• Yankuba Ceesays Identität
Die Identität des in Schubhaft verstorbenen Afrikaners kann nicht genau bestimmt
werden, da er ohne die erforderlichen Reisedokumente nach Österreich gekommen ist.
In einem am 6. Oktober 2005 im Standard veröffentlichten Artikel wird festgehalten,
dass die Identität Ceesays zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt werden könne und
der Verein Menschenrechte annehme, dass der Schubhäftling zu seinem Todeszeitpunkt
bereits 22 Jahre alt gewesen sein dürfte. Den eigenen Angaben Ceesays zufolge sei er
erst 18 Jahre alt gewesen.35 In einem am darauf folgenden Tag veröffentlichten Artikel
30
vgl.
vgl.
32
vgl.
33
vgl.
34
vgl.
35
vgl.
31
Kullmann 2005
Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006, S. 3
Menschenrechtsbeirat 2007b, S. 8
Rohrhofer 2006
Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006, S. 9 f.
Brickner et al. 2005
109
im Standard wird auch am offiziell bekannten Herkunftsland Ceesays gezweifelt: “[...] wo
Ceesay, der nach seinen eigenen Angaben im Asylverfahren aus Gambia stammte, kurz
darauf verstarb.” 36 Auch in einer am 5. Oktober 2005 in der Kronen Zeitung gedruckten
Kurzmeldung hieß es: “Der vermutlich aus Gambia stammende Mann [...].” 37 Und auch
in den Oberösterreichischen Nachrichten wird Folgendes festgehalten: “[...] da während
seiner Haft sein Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden war und seine Identität nicht
einwandfrei geklärt werden konnte.” 38
In einem am 12. Oktober 2005 in den Oberösterreichischen Nachrichten veröffentlichten
Artikel wird schließlich die Sprecherin der Plattform Zivilcourage, Gülcan Gigl, zitiert,
die die Vorgehensweise der Polizei bei der Klärung der Identität Ceesays scharf kritisierte.
Ihrer Plattform sei es innerhalb von zwei Tagen möglich gewesen, letztere festzustellen
und Yankuba Ceesays Bruder, Lamine Ceesay, in Deutschland ausfindig zu machen.39 Der
MRB und der UVS-Oö sehen ebenfalls keinen Grund, warum die Identität von Yankuba
Ceesay angezweifelt werden sollte.40
• Aggressives Verhalten bei ärztlicher Untersuchung
Die Tatsache, dass sich Ceesay bei der Blutabnahme, die im Rahmen einer ambulanten
Untersuchung im Akh Linz gemacht wurde, unkonventionell verhalten hat, steht außer
Frage. Über sein genaues Verhalten wurde in den analysierten Medien, wie bereits im
Unterabschnitt 1.3.2 festgehalten, unterschiedlich berichtet.
• Passiver Widerstand bei Rücküberstellung vom Krankenhaus in das PAZ Linz
Über einen angeblich passiven Widerstand Ceesays bei der Rücküberstellung vom Akh
Linz in das PAZ Linz wurde in den drei analysierten Tageszeitungen nicht berichtet.
Auch im Bericht des UVS-Oö kann diesbezüglich keine Information gefunden werden. In
Letzterem ist nur von passivem Widerstand bei der Überstellung vom PAZ Linz in das
eben genannte Krankenhaus die Rede.41 Im Bericht des MRB wird allerdings sehr wohl
von passivem Widerstand Ceesays bei der Rücküberstellung vom Akh Linz in das PAZ
Linz ausgegangen, indem festgehalten wird, dass sich Ceesay bei der erneuten Ankunft im
PAZ Linz weigerte selbständig zu gehen. Aus diesem Grund wurde er von den begleitenden
Beamten “angehoben”.42
• Wiederbelebungsmaßnahmen
Die Frage, wer Wiederbelebungsmaßnahmen nach dem Auffinden des toten Schubhäftlings
ergriffen hatte, scheint neben vielen anderen schon erwähnten Punkten ebenfalls noch nicht
geklärt zu sein. Die Kronen Zeitung schrieb am Tag nach dem Todesfall Ceesays, dass der
Schubhäftling von einem Sanitäter regungslos am Boden seiner Zelle gefunden wurde und
der Notarzt später nur mehr den Tod feststellen konnte.43 In einem am selben Tag in den
Oberösterreichischen Nachrichten veröffentlichten Artikel wird hingegen festgehalten, dass
der Leichnam nicht von einem Sanitäter, sondern von einem Betreuer gefunden wurde
36
Rohrhofer 2005
Neue Kronen Zeitung 2005c
38
Kullmann 2005
39
vgl. Novak 2005
40
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b, S. 7 und Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006, S. 2.
41
vgl. ebd., S. 4.
42
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b, S. 8
43
vgl. Neue Kronen Zeitung 2005c
37
110
und erfolglose Wiederbelebungsversuche des Amts- und Notarztes getätigt wurden.44 Den
Artikeln im Standard konnten überhaupt keine Informationen betreffend Wiederbelebungsmaßnahmen entnommen werden. Der MRB berichtete, dass der Stationsbeamte, der
den Toten aufgefunden hätte, einen Sanitäter gerufen und den polizeiärztlichen Dienst
verständigt hätte. Wiederbelebungsmaßnahmen wurden nicht dokumentiert.45 In den
Aufzeichnungen des UVS-Oö werden Wiederbelebungsmaßnahmen ebenfalls nicht erwähnt.
Die verständigte Notärztin und die Polizeiärzte konnten nach dem Eintreffen in der Zelle
nur mehr Ceesays Tod feststellen.46
• Dauer des Hungerstreiks
Divergierende Meinungen existieren in der medialen Berichterstattung auch bezüglich der
Dauer des Hungerstreiks Ceesays. In dem am 5. Oktober 2005 in der Kronen Zeitung
veröffentlichten Artikel wurde der Eintritt Ceesays in den Hungerstreik mit 28. September
2005 datiert,47 während ein_e Krone-Redakteur_in am darauf folgenden Tag die Dauer
des Hungerstreiks mit fünf Tagen festhält.48 Da Ceesay jedoch am 4. Oktober 2005
gestorben ist, müsste der Hungerstreik insgesamt sieben Tage gedauert haben.
Zudem wird im Bericht des MRB ein anderes Datum des Eintritts Ceesays in den
Hungerstreik angeführt als im Bericht des UVS-Oö. Während der MRB den 27. September
2005 als Beginn des Hungerstreiks festlegt, wird im Bericht des UVS-Oö wie in den
analysierten Tageszeitungen der 28. September 2005 angegeben.49
5.3 Die Schubhaft in Österreich
5.3.1 Allgemeines
Schubhaft ist seit jeher ein prekäres Thema, das untrennbar mit dem Begriff der Abschiebung verknüpft ist. Die Überschneidung besteht darin, dass die “zwangsweise außer Landes
Geschafften” 50 zuvor in Schubhaft genommen werden, ohne jedoch straffällig geworden zu
sein. Die Bezeichnung “Schubhäftling” ist deshalb problematisch, da mit Haft in der Regel
illegales oder rechtswidriges Verhalten assoziiert wird. Schubhaft ist aber keine Strafe,
auch wenn sie sich in ihren Bedingungen wie eine äußert.51
5.3.1.1 Begri sabgrenzungen
Juristisch gesehen handelt es sich bei der Inschubhaftnahme um ein rein fremdenpolizeiliches Verfahren. Gemäß der Rechtsprechung (FrG, Ÿ 61) ist der Freiheitsentzug ein
Mittel zur Sicherung einer geplanten Ausweisung oder Auslieferung. Laut dem Bundesverfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrBVG, Art. 2, Abs. 1
Z 7) ist die Freiheitsberaubung dann legitim, wenn eine Person von einem gegen sie
schwebendem Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.52 Aus der Sicht des
44
vgl. Kullmann 2005.
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b, S. 8
46
vgl. Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006, S. 4
47
vgl. Neue Kronen Zeitung 2005c
48
vgl. ders. 2005b
49
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b, S. 7, Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006,
S. 3, Neue Kronen Zeitung 2005c, Kullmann 2005 und Sauer 2005.
50
Kohler 1998, S. 107.
51
vgl. Radl 2000, S. 22
52
vgl. Kux 2001, S. 15 f und Menschenrechtsbeirat 2007b, S. 11
45
111
VwGH wird die Notwendigkeit der Schubhaft durch das vorangegangene Gesamtverhalten
begründet. Darunter fällt oftmals Folgendes: ein fehlender Sichtvermerk sowie eine fehlende Aufenthaltsgenehmigung, verfälschte Reisedokumente, eine fehlende Beschäftigung
und Unterkunft, fehlende Mittel zur Lebensbestreitung sowie Ausreiseunwilligkeit trotz
rechtlicher Möglichkeit.53
Die Schubhaft ist somit ein Mittel zum Zweck, das:54
• der Vorbereitung der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes
• der Sicherung der Abschiebung
• und der Zurückschiebung oder der Durchbeförderung dient.
Begriffe wie “Ausweisung”, “Aufenthaltsverbot”, “Ab-” und “Zurückschiebung” werden
in der Alltagssprache oftmals fälschlicherweise als Synonyme verwendet.55 Aus diesem
Grund soll an dieser Stelle eine klare Abgrenzung der eben genannten Begriffe erfolgen:
• Abschiebung
Unter “Abschiebung” wird eine Maßnahme verstanden, die der Durchsetzung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes dient. Der Begriff kann aber auch den Prozess
der Ausweisung bezeichnen. Der/Die Betroffene wird dabei gegen seinen/ihren Willen,
in sein/ihr Heimatland oder ein anderes gebracht. Durchgeführt wird eine Abschiebung
vor allem dann, wenn die Ausreise der jeweiligen Person nicht zeitgerecht erfolgt ist, es
ein besonderes Interesse an ihrer Ausweisung gibt, sie trotz eines Aufenthaltsverbotes
wieder nach Österreich gereist ist oder die “Wahrung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und
Sicherheit” 56 Österreichs gefährdet ist. Dass Formulierungen wie letztere einen breiten
Interpretationsspielraum offen lassen, der nicht selten auf Kosten der Schubhäftlinge geht,
wird dabei oft vernachlässigt.
• Ausweisung
Eine “Ausweisung” liegt dann vor, wenn einer Person von einer fremdenpolizeilichen
Behörde die Weisung erteilt wird, das österreichische Bundesgebiet unter der Einhaltung
einer bestimmten Frist zu verlassen. Diese Weisung wird in der Regel mit einem Bescheid
untermauert. Die Gründe für eine solche Ausweisung können sein, dass sich jemand illegal
in einem Land aufhält, keine Aufenthaltsberechtigung besitzt oder diese verloren hat und
auch sonst keinen Sichtvermerk vorweisen kann. Eine Ausweisung kann allerdings auch
dann erfolgen, wenn durch diese Person die Gefahr besteht, die öffentliche Ruhe, Ordnung
und Sicherheit in Österreich beispielsweise aufgrund von Schwarzarbeit, Prostitution oder
Vorsatztaten zu gefährden. Diejenigen, die bereits einen Aufenthaltstitel besitzen, können
ihn auch wieder verlieren, wenn z. B. eine Scheinehe vorliegt. Die Ausweisung selbst
untersagt dem/der Betroffenen wieder einreisen zu dürfen.57
• Zurückschiebung und Durchbeförderung
53
vgl. Kohler 1998, S. 113 f
vgl. Kux 2001, S. 8
55
vgl. Hut ess 2002, S. 11 f
56
Ebd., S. 11
57
vgl. ebd., S. 11 f
54
112
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Zurückschiebung und der Abschiebung ist, dass
bei Ersterer eine sich unrechtmäßig in einem Land befindliche Person innerhalb von sieben
Tagen wieder in ihr ursprüngliches Heimatland zurückgewiesen werden kann. Innerhalb
dieser Frist ist der Heimatstaat aufgrund eines internationalen Rückübernahmeabkommens
verpflichtet, diese wieder aufzunehmen.
Von “Durchbeförderung” wird dann gesprochen, wenn eine Person vom Ausland ins
Ausland durchbefördert wird. Ermöglicht wird dies aufgrund eines zwischenstaatlichen
Abkommens.58
• Aufenthaltsverbot
Das Aufenthaltsverbot besagt, dass ein_e “Fremde_r” 59 von einer Behörde dazu angehalten wird, das Land unverzüglich oder innerhalb einer bestimmten Frist zu verlassen. Was
das Aufenthaltsverbot jedoch von den bisherigen anderen Begriffen unterscheidet, ist, dass
die Person nur für eine bestimmte Zeit nicht in das Inland einreisen darf. Dies bedeutet,
dass nach dieser Frist durchaus wieder ein Recht besteht, einreisen zu dürfen. Erlassen
wird dieses Verbot meist unter der Begründung, analog zum Begriff “Ausweisung”, deroder diejenige würde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit stören. Diese drei
Schlagworte sind deshalb so relevant, da sie Parameter sind, die in der Konvention zum
Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 8, Abs. 2) genannt sind. Gerechtfertigt wird ein Aufenthaltsverbot des Weiteren durch Freiheitsstrafen oder gesetzliche
Übertretungen wie beispielsweise Verwaltungsübertretungen, Prostitution und Zuhälterei,
Schlepperei, Scheinehen oder illegale Beschäftigungen. Zu beachten ist, dass bei der
Verhängung des Aufenthaltsverbotes auf die Integration des/der Betroffenen sowie auf
seine/ihre “familiären und sonstigen Bindungen” 60 im Inland Rücksicht zu nehmen ist. Wie
in dieser Beschreibung gesehen werden kann, bietet sich auch hier für Beamt_innen ein
großer Spielraum für Interpretationen der Gesetzeslage, da “Rücksicht” weder quantitativ
noch qualitativ gemessen werden kann. Viel deutlicher hingegen ist die Festlegung, dass
maximal für zehn Jahre ein Aufenthaltsverbot auferlegt werden kann. In schwerwiegenden
Fällen, wie bei Schlepperei und einer Verurteilung zu einer unbedingten Haftstrafe kann
auch ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zur Anwendung kommen. Hier sei betont, dass es
sich wiederum nur um eine gesetzliche “KANN”-, aber nicht “MUSS”-Bestimmung handelt,
was erneut das Urteilsvermögen der Behörde auf die Probe stellt.61
5.3.1.2 Personen in Schubhaft
Grundsätzlich müssen Menschen in Schubhaft, wenn sie sich illegal im Land aufhalten
und/oder keinen Aufenthaltstitel besitzen. Ein Aufenthaltstitel kann jedoch wegen eines vorliegenden Versagungsgrundes auch wieder entzogen werden. Diejenigen, die bei
ihrer Aufgreifung ihre Identität nicht belegen können oder wollen, werden mit einem
58
vgl. Hut ess 2002, S. 13
Die Bezeichnung Fremder ist von symbolhaftem Charakter und wird oftmals in Zusammenhang mit
rassistischen Äuÿerungen oder Grundhaltungen gebracht. Der/die oder das Fremde impliziert eine
Ausgrenzung jener Personen, die nicht fremd und somit bekannt sind. Dass fremde Menschen aber auch
Menschen desselben Landes sein können, wird oftmals nicht näher bei der Verwendung des Begri es
berücksichtigt. Auf Grund dieser Problematik wird dieser Begri zunächst unter Anführungszeichen
verwendet, was als Hinweis für die oft breite oder irritierende Auslegung dieses Wortes zu verstehen
ist.
60
Ebd., S. 12
61
vgl. ebd.
59
113
Aufenthaltsverbot geahndet, was bis zu Abschiebung und Schubhaft führen kann.62 Konkret bedeutet dies auch, dass bei der Inhaftnahme keine Unterscheidung getroffen wird
zwischen Menschen, die eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung haben oder jenen, die
bestens integriert sind und seit Jahrzehnten in Österreich ansässig sind:
“Gar nicht so lange aus. Da ist jemand abgeschoben worden, der hat schon
neun Jahre in Österreich gelebt, hat sich integriert und hat übersehen, dass
er sich um eine neuerliche Aufenthaltsbewilligung bewirbt, da hat das Gesetz
zugeschaut und wir haben ihn abschieben müssen. Wo du genau weißt, der
Mensch ist brav, der arbeitet, der ist integriert, der hat eine Familie, da ist
alles da. Ja, es ist leider halt so, nicht? Sind eh auch die berühmten Fälle in den
Medien, die man so hört. Wo sich die Gemeinden einsetzen und humanitäres
Bleiberecht . . . Wo du dir als Exekutivbeamter denkst, also mir geht es halt
so, ah, wir haben so viele da, die Zigeuner und Verbrecher sind und sich
durchschwindeln und anständige Leute schieben wir ab.“ 63
Zusätzlich sei angemerkt, dass viele Schubhäftlinge psychische, wie auch physische Probleme erleiden, welche zu erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen führen, die speziell
auch auf die Haftbedingungen zurückzuführen sind. Viele Schubhaftanstalten, wie Polizeianhaltezentren, sind in ihrem Anspruch geringwertiger als normale Strafanstalten, da
sie ursprünglich dafür konzipiert wurden, Verwaltungsstraftäter bei nicht vorhandenen
monetären Mitteln in Form von Tagen des Freiheitsentzuges zu sanktionieren.64
5.3.1.3 Haftdauer
Mit Verweis darauf, dass das Asylgesetz in einer Phase der Novellierung ist, wird dennoch
der bisherige Stand des Wissens wiedergegeben. In Österreich hat man sich unisono auf eine
Dauer von zwei Monaten geeinigt, bei besonderen Fällen kommt eine höchstzulässige Dauer
einer Schubhaft für sechs Monate zum Tragen. Der Zeitrahmen wird damit begründet,
dass es in dieser Zeit möglich sein sollte, festzustellen, ob eine Person außer Landes
geschafft wird oder diese im Inland verbleiben darf. Zusätzlich besteht die Verpflichtung
für die Behörden, die Schubhaft so kurz wie möglich zu halten. Entfällt der Grund für die
Anordnung oder kann die Abschiebung nicht mehr erreicht werden, darf die Schubhaft
nicht weiter aufrechterhalten werden. Gründe, die für eine Verlängerung der Schubhaft
sorgen, sind laut Ÿ 57 FrG (Fremdenrechtsgesetz):65
1. Über einen Antrag wurde noch nicht rechtskräftig entschieden
2. Identität und Staatsangehörigkeit des/der Fremden ist nicht feststellbar
3. Fehlende Bewilligung zur Ein- oder Durchreise eines anderen Staates
4. Widersetzung bei der Abschiebung
Wie unterschiedlich die Dauer der Schubhaft in der Realität ausgestaltet sein kann, zeigt
ein Ausschnitt aus einem Interview:
62
vgl. Radl 2000, S. 32 f
Anonymisiertes Interview 3 2011
64
vgl. Radl 2000, S. 22
65
vgl. Kux 2001, S. 16
63
114
“Es gibt Leute, die sind einen Tag, zwei Tage, drei Tage, es gibt Leute,
die sind vier fünf Monate, es kommt darauf an, welchen Aufenthaltsstatus
die Leute haben, also warum sie da sind, und es kommt darauf an, aus
welchem Land sie kommen, wie schnell die Behörden arbeiten. Zum Beispiel
bei einer bevorstehenden Abschiebung ist es oft so, dass aus manchen Ländern
Heimreisezertifikate binnen weniger Tage organisiert werden können und dann
gibt es Botschaften, die reagieren gar nicht.“ 66
5.3.2 Verfahren
Das Verfahren der Schubhaft ist im engeren Sinn eine Form der behördlichen Freiheitsentziehung. Speziell aus diesem Grund sollte darauf geachtet werden, dass amtlicher
Missbrauch oder Willkür sich nicht hier entfalten. Es sind nur Handlungen erlaubt, die
auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise durchgeführt werden. Zuständig für dieses Verfahren ist die jeweilige Behörde, Bundespolizeidirektion oder Bezirksverwaltungsbehörde.
Generell ist die Inschubhaftnahme durch einen Bescheid geregelt, der gemäß Ÿ 61 Abs. 2
des Fremdengesetzes (FrG 1997) angeordnet wird. Dieser äußert sich in Form eines Mandatsbescheides, da sich dadurch der/die Betroffene dem Verfahren der Inschubhaftnahme
nicht entziehen kann. Hinzu kommt, dass dem/der in Schubhaft Sitzenden rein rechtlich
kein Parteiengehör gewährt wird.67
5.3.2.1 Verfahrensvorschriften
Bei der Festnahme steht es der Person zu, dass ihre Rechte wie Menschenwürde und
Schonung ihrerseits gehört werden. Laut PersFrBVG muss ihr außerdem der Haftgrund
dargelegt werden. Wird jemand festgenommen, ist die zuständige Behörde durch die
Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes binnen zwölf Stunden zu informieren. Strikt ist
auch das Gebot, dass eine Person ohne Schubhaftbescheid maximal 48 Stunden angehalten
werden darf. Besondere Berücksichtigung findet weiters, dass die Gründe der Festnahme
in einer für den/die Fremde_n68 verständlichen Sprache zu übermitteln sind. Darüber
hinaus kann verlangt werden, dass das Konsulat des Heimatstaates oder eine Person der
eigenen Wahl von der Verhaftung in Kenntnis gesetzt wird.69
5.3.2.2 “Gelinderes Mittel”
Wie bereits weiter oben angemerkt wurde, ist die Notwendigkeit der Schubhaft von
verschiedenen Faktoren abhängig, sie muss jedenfalls verhältnismäßig notwendig sein und
es kann vom Freiheitsentzug abgesehen werden, wenn laut dem Bundesverfassungsgesetz
zum Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrBVG) gelindere Mittel ausreichen. Diese
Mittel sind im Gesetz jedoch als “Kann-Bestimmung” formuliert, das heißt, es kann von
der Schubhaft unter bestimmten Bedingungen Abstand genommen werden, es ist aber
nicht festgelegt, unter welchen Voraussetzungen das gelindere Mittel anzuwenden ist.70
66
Anonymisiertes Interview 4 2011
vgl. Kux 2001, S. 6 f
68
Auf die Problematik des strukturellen Rassismus, der sich durch die Stigmatisierung von anderen
Gruppen , auch in Form von Sprache äuÿert, sei an dieser Stelle kurz verwiesen.
69
vgl. ebd., S. 7
70
vgl. ebd., S. 10 f
67
115
5.3.2.3 Haftentlassung
Die Schubhaft kann wie jede andere Haft aufgehoben werden. Dies ist dann der Fall,
wenn das Ende der maximalen Haftdauer erreicht ist und eine weitere Inhaftierung
gesetzlich (Ÿ 70 FrG) verboten ist oder wenn der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS)
feststellt, dass eine Fortführung der Schubhaft rechtswidrig ist. Die Haftentlassung geht
formlos, sprich ohne bürokratischen Aufwand, vor sich und äußert sich durch die faktische
Freilassung der eingesperrten Person. Laut Gesetz hätte diese das Recht, eine Bestätigung
über die Haftdauer zu verlangen. Dies wird angeboten, um illegal Eingereisten ohne
Identitätsdokument als “Ausweiskontrollen”-Ersatz zu dienen, wenn sie erneut angehalten
werden sollten. Fremdenpolizeiliche Maßnahmen werden bei Vorweisen dieser Bestätigung
praktisch außer Kraft gesetzt, da auch vorherige Maßnahmen ohne Erfolg waren. Die
Situation der Haftentlassung beschreibt folgendes Zitat aus einem Interview mit einer
Betreuungskraft eines Flüchtlingsheimes sehr treffend:
“Es gibt schon dann und wann Leute, die wieder ausgelassen werden, weil es
nicht möglich ist, die Leute abzuschieben. Wegen nicht festgestellter Identität,
weil eben das Konsulat sagt: nein, wir geben da kein Dokument her.” 71
5.3.2.4 Aktuelles
Themen wie “Schubhaft” und “Abschiebung” werden in den Medien sehr polarisierend
dargestellt. Es ist nicht auszuschließen, dass dies auch ein Grund dafür ist, dass Gesetze
und Verordnungen, die Schubhaft und Abschiebung regeln, sehr oft dem Wandel in der
Gesellschaft und der dort vorherrschenden Stimmung angepasst werden. Mit der Einführung des neuen Fremdenrechtspaketes 2006 kam eine Reihe von Änderungen hinzu.
Ursprünglich war die Schubhaft im Asylgesetz festgelegt, weshalb impliziert wird, dass
Schubhaft in erster Linie Asylwerber_innen betrifft. Der Grund für die Novelle war ein
Asylgesetz, das durch zahlreiche Novellierungen und Abänderungen keinen Überblick mehr
bot. Bemerkenswert ist, dass einige Bestimmungen der Asylrechtsnovelle 2003 wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben werden mussten. Es sei erwähnt, dass die neuen Änderungen
das Neuerungsverbot der zweiten Instanz sowie die aufschiebende Wirkung bei Berufungen
gegen Dublin-Entscheidungen und Schubhaftbestimmungen betreffen. Relevant für diese
Umgestaltung war vor allem das Bedürfnis nach einer Verfahrensbeschleunigung, die auch
erreicht wurde.72
Mit 1. Jänner 2010 wurde aber auch diese Novelle überarbeitet. Dadurch soll es gelingen,
kriminell gewordene Einwander_innen leichter abzuschieben. Diesen wird Asyl oder subsidiärer Schutz aberkannt und sie erhalten den Status des/der “Geduldeten”. Menschen mit
diesem Status können leichter abgeschoben werden. Zusätzlich sind erneute Asylanträge
nur unter strengen Auflagen möglich. Auch dem Asylmissbrauch soll leichter Einhalt
geboten werden können.73
71
vgl. Anonymisiertes Interview 4 2011
vgl. Rainalter 2007, S. 15
73
vgl. Der Standard 2009
72
116
5.3.3 Räumliche und strukturelle Rahmenbedingungen
5.3.3.1 Strukturelle Rahmenbedingungen
Dass die Bedingungen in den Schubhaftzentren nicht gerade zu den Vorteilhaftesten
gehören, ist bereits anfangs angeklungen. Die Zustände, die dort anzutreffen sind, sind
bei weitem schlimmer als jene in “gewöhnlichen” Gefängnissen der Justizanstalten. Kleine
Zellen, keine oder kaum Beschäftigungsmöglichkeiten, sprachliche Schwierigkeiten mit dem
Wachpersonal sowie ein nahezu völlig abgeschnittener Kontakt zur Außenwelt sind Gründe
und vor allem Realität, weshalb das Thema “Schubhaft” selten positive Grundstimmung
verschafft. Es gibt jedoch Organisationen, die genau diese Situationen anprangern, wie
das “Komitee zur Verhütung von Folter” (CPT)74 und der Menschenrechtsbeirat, die sich
gegen diese Missstände wehren und sich für die Betroffenen einsetzen. Das Komitee wie
auch der Menschenrechtsbeirat erhoben bei ihrem letzten Österreich-Besuch etwa schwere
Vorwürfe gegen die Anhaltezentren und die dort angetroffenen Bedingungen, die “gänzlich
inakzeptabel seien” (Komitee) und gaben an, dass “aus menschenrechtlicher Sicht sich die
Situation von Personen, die in Schubhaft angehalten wurden, im Jahr 2006 eher noch
weiter verschlechtert [hat].” 75
5.3.3.2 Räumlichkeiten
Im Rahmen dieser Forschungsarbeit konnten zahlreiche Erfahrungen in Gesprächen
mit Betreuungsorganisationen, Betroffenen und Behörden gemacht werden, die sich
mitunter auf die Räumlichkeiten und strukturellen Rahmenbedingungen bezogen. Die
Bedingungen in den Polizeianhaltezentren sind den nachfolgenden Interviewzitaten zufolge
bedenklich. Es gibt jedoch auch regionale Unterschiede, die eine Verallgemeinerung dieser
Aussagen nicht zulassen. Die Aussagen stammen von Betreuer_innen und Behörden,
die die Räumlichkeiten und Bedingungen in den PAZ beschreiben, was zunächst als
Denkanstoß gewertet werden sollte. Zudem dürfen diese Meinungen nicht als repräsentativ
für die jeweilige Organisation oder Verwaltung angesehen werden:
“Also eben wenn die Leute nicht das Klo in der Zelle hätten, das sie mit wem
zweiten teilen, nicht zweimal in der Woche duschen gehen dürfen, nicht auf ich bin schlecht im Schätzen - zehn Quadratmetern zu zweit hausen, ihr Handy
benutzen dürfen, ihre persönlichen Sachen bei sich haben, nicht das Geld
abgeben müssen, wenn sie da hineingehen, vielleicht einen eigenen Fernseher
am Zimmer haben, die man dann nicht mehr Zelle nennt, vielleicht nicht nur
einen Tischtennistisch haben, sondern noch ein paar andere Möglichkeiten
sich zu betätigen, nicht einen Spazierhof, der von Betonmauern umgeben ist,
sondern vielleicht eine grüne Wiese, ich glaub schon, dass das angenehmer
wäre.” 76
“Es ist einmal von der thermischen Sanierung her. Die Zellen oben sind derart
schlecht, die Fenster sind seit dieses Gebäude erbaut wurde nie mehr erneuert
worden. Wenn es stark regnet, kann es passieren, dass das Wasser innen
herunterrinnt statt draußen, es fehlt gewaltig an den Toiletten-Anlagen oben.
Es sind Toilettenschüsseln, da ist keine Mauer herum, jeder Häftling kann dem
anderen zuschauen, wenn er auf die Toilette geht. Das sind auch Menschen und
74
vgl. Salzer 2007, S. 24
Ebd., S. 25
76
Anonymisiertes Interview 4 2011
75
117
eine gewisse Würde ist auch für einen Schubhäftling... Was hat er denn wirklich
angestellt? Er hat eine Verwaltungsübertretung begangen. Er ist ja somit kein
Schwerverbrecher und umso mehr sollten wir alle daher auf die Menschenrechte
Rücksicht nehmen. Und die Behörde oder unser Ministerium, muss ich sagen,
hat es nicht der Mühe Wert gesehen, dass Sanierungsmaßnahmen durchgeführt
wurden.” 77
5.3.3.3 Verständigungsmöglichkeiten
Für die Verständigung der Häftlinge mit dem Personal sind insbesondere im Hinblick auf
die Obsorgepflicht des Staates im Falle von bedrohlichen Situationen oder bei Gesundheitsproblemen entsprechende Einrichtungen wie Rufknöpfe oder Alarm-Taster vorgesehen. Das
CPT hält weiters fest, dass die Überwachung der Gewahrsamsbereiche einen Bestandteil
der polizeilichen Fürsorgepflicht darstelle und deshalb sichergestellt werden müsse, dass
die Häftlinge jederzeit mit dem Personal Kontakt aufnehmen können und dieses auch in
der Lage sein müsse, seine Autorität und Aufsichtsaufgabe auszuüben. Wenn Gefangene
nur durch Rufen oder Schlagen an die Zellentür die Aufmerksamkeit des Personals auf
sich ziehen können, wird dieser Umstand vom CPT als nicht zufriedenstellend erklärt.
Eine weitere Empfehlung des Menschenrechtsbeirates war jene, Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkenntnisse der Beamt_innen durchzuführen, um eine bessere Kommunikation zwischen ihnen und den Schubhäftlingen zu gewährleisten. Diese werden im
Zuge der laufenden berufsbegleitenden Fortbildungen bereits umgesetzt. Zudem wird
momentan eine Liste mit den am häufigsten verwendeten Ausdrücken zwischen Personal
und Häftlingen in verschiedenen Sprachen erarbeitet.78
5.3.3.4 Alltag in Schubhaft
Der Tagesablauf
Die folgende Darstellung ist nur exemplarisch und bezieht sich auf das Polizeigefangenenhaus (PGH) in Innsbruck:
Um 8:00 Uhr gibt es Frühstück, welches sich aus Kaffee in Halbliter-Plastikbechern und
Schwarzbrot zusammensetzt. Ein- bis zweimal die Woche gibt es Semmeln und in dem
gleichen Zeitausmaß auch Aufstrich (Butter oder Marmelade).79 Dies deckt sich auch
mit den Aussagen aus einem anderen Polizeianhaltezenrum, das an dieser Stelle nicht
genauer erwähnt wird. Zusätzlich werden hier jedoch auch Kipferl und Obst angeboten.80
Mittagessen wird um 12:00 Uhr eingenommen, hergerichtet wird es in der Kantine,
die auch das Personal des PGH versorgt. Auch diese Aussage ist von einem anderen
Schubhaftzentrum bestätigt worden. Die Häftlinge bekommen genau das gleiche Essen
wie das Wachpersonal.81 Gegen 17:00 Uhr wird das Abendessen gebracht, es ist kalt und
ähnlich dem Frühstück. Statt Kaffee gibt es nur Tee und um 22:00 Uhr wird das Licht
ausgemacht. Laut Anhalteordnung (AnhO) muss jedem Häftling täglich so viel warmes
Wasser zur Verfügung gestellt werden, sodass er seinen Körper in dem erforderlichen
Maß reinigen kann. Dass dies in der Praxis jedoch umgangen werden kann, zeigt sich
beispielsweise ebenfalls im PGH Innsbruck, da es dort in den Zellen kein Heißwasser gibt.
77
Anonymisiertes Interview 3 2011
vgl. Menschenrechtsbeirat 2009, S. 82
79
vgl. Radl 2000, S. 25 f
80
vgl. Anonymisiertes Interview 3 2011
81
vgl. ebd.
78
118
Die Menschen in Schubhaft müssen hier einmal pro Woche duschen, wobei immer eine
Zelle geöffnet wird und die Insassen unter Aufsicht in den Keller zur Dusche gehen. Die
Wasserzufuhr endet automatisch nach zehn Minuten. Beschäftigungsmöglichkeiten sind
je nach Schubhaftanstalt unterschiedlich geregelt. Während in einigen “offener Vollzug”
gehandhabt wird und sich die Inhaftierten untertags innerhalb der Gänge und Flure frei
bewegen können, ist dies in anderen nicht möglich und die Schubhäftlinge verharren den
ganzen Tag in ihrer Zelle.82
5.3.3.5 Medizinische Versorgung
Wird eine Person in Schubhaft gebracht, ist laut der Anhalteordnung (AnhO) Ÿ 7 diese
innerhalb von 24 Stunden auf ihren Gesundheitszustand und somit ihre Eignung zur Haft
zu untersuchen. Die medizinische Versorgung ist somit in ihrem eigentlichen Sinne eine
Maßnahme zur Sicherung der Haftfähigkeit bis zur endgültigen Abschiebung. Ist diese
nicht gegeben, darf der-/diejenige nicht in einem Haftraum der Behörden angehalten
werden. Hegt der/die Inhaftierte kein Interesse daran, in haftfähigem Zustand zu verweilen
und will diesen mit allen Mitteln durch Hungerstreik oder ähnlichem ändern, so rücken
laut Berichten des Menschenrechtsbeirates die medizinischen und ethischen Standards
bei Schubhäftlingen in den Hintergrund.83 Infolge dessen treten jedoch Fragen auf, die
sich mit der Zulässigkeit von eigenmächtigen “Heilbehandlungen” beschäftigen sowie eine
Infragestellung der Zwangsgewalt von Eingriffen.
Zuständig für die Überwachung der Haftfähigkeit ist der/die Polizeiamtsarzt/Polizeiamtsärztin
(nicht vom Ärztegesetz erfasst), der/die die Aufgabe des/der Amtssachverständigen erfüllt.
Verletzungen oder Krankheitssymptome bei Einlieferung müssen vor einer Inhaftnahme
im Rahmen einer Erstuntersuchung untersucht werden.84 Bedenklich ist jedoch, dass
die bereits erwähnten Amtsärzt_innen nicht auf psychisch auffällige Erscheinungen wie
Weinen, Angstzustände oder Erschöpfung eingehen. Zusätzlich werden in vielen Fällen
Amtsärzt_innen hinsichtlich medizinischer wie menschlicher Vorgehensweisen als oberflächlich, zynisch und rassistisch geschildert. So kam es bereits in Graz und Innsbruck vor,
dass unbehandelte Magenschmerzen mit Blinddarmdurchbruch im Krankenhaus endeten
oder Angstgefühle als vorgetäuscht oder simuliert abgetan wurden.85
5.3.3.6 Hungerstreik und Selbstverletzung
Dass in weiterer Folge Handlungsspielräume von Personen ausgenützt werden, die sich
vehement gegen ihre Einsperrung wehren, ist selbstredend. Methoden, wie Hungerstreik
oder Selbstverletzung gehören zum gängigen Repertoire, das angewendet wird, um der
Schubhaft zu entkommen. Betreuungsorganisationen und Behörden positionieren sich
hierzu sehr konträr:
“Wenn bei uns ein Schubhäftling in Hungerstreik gegangen ist... spätestens
am vierten Tag ist er ins Krankenhaus überstellt worden. Es gibt andere
PAZ, die lassen die Häftlinge auch 14 Tage lang im Hungerstreik, weil ein
Hungerstreik ist ja nur ein Mittel zum Zweck für die Häftlinge, sie wollen sich
82
vgl.
vgl.
84
vgl.
85
vgl.
83
Radl 2000, S. 25
Menschenrechtsbeirat 2009, S. 14 f
ebd., S. 36
Radl 2000, S. 28
119
rauspressen. Es spricht sich auch herum, geh eine Woche in Hungerstreik und
du bist frei.” 86
“[Hungerstreik] ist immer wieder ein Thema, ist auch das einzig zulässige
Mittel mit dem sich die Leute freipressen können. Wobei ich nicht sagen
möchte, dass ich das gut finde, ganz im Gegenteil, also wir versuchen dann
schon, dass wir auf die Leute ein bisschen einwirken und denen erklären,
was der Hungerstreik für Folgen haben kann, dass sie sich eigentlich nur
selber damit schädigen. Weil es hat auch schon einige Leute gegeben, die
entlassen worden sind aufgrund der Haftunfähigkeit, weil sie sich eben so sehr
abgehungert haben, und eine Woche später waren sie wieder da. Also das
Ganze ist ja auch eigentlich nur eine begrenzte Angelegenheit.“ 87
“Es hat sogar der Menschenrechtsbeirat, ein Mitglied des Menschenrechtsbeirates gesagt, dass jeder Mensch das Recht auf Selbstmord hat. Und ich
sage ein jeder Mensch hat das Recht auf Hungerstreik. Der muss selber wissen,
was der seinem Körper antut. Wenn ich mich heute angetrunken hinter das
Lenkrad setzte, muss ich wissen, was ich damit anstellen kann. Da kann ich
nicht die Verantwortung auf irgendjemanden anderen abschieben. Genauso ist
das bei Hungerstreik.“ 88
Seit dem Tod von Yankuba Ceesay, der wie bereits beschrieben ebenfalls in Hungerstreik
trat und an nach wie vor ungeklärten Ursachen starb, entfachten neue Diskussionen rund
um das Thema, sowie die Debatte um Zwangsernährung. Daher sind besonders Fälle
von Hungerstreiks seither mit äußerster Sorgfalt und in lückenloser Art und Weise zu
dokumentieren:89
• Nachdem ein Hungerstreik bekannt gegeben wurde, ist sofort eine Erstuntersuchung durch den/die Polizeiamtsarzt/Polizeiamtsärztin in Begleitung eines/einer
Dolmetscher_in oder eines “sprachkundigen Organs” durchzuführen. Neben einer
Anamnese ist auch der je nach Individuum entsprechende, kritische Gewichtszustand
zu beurteilen und festzulegen.
• Es ist täglich eine klinische Untersuchung durchzuführen, bei der Pulsoxymetrie und
ein Harnbefund zu erheben ist. Zu klären ist ferner, ob es sich im vorliegenden Fall
um einen isolierten Hungerstreik oder einen Hunger- und Durststreik handelt. Bei
hoch positivem Azeton im Harn und/oder auffallenden Exsikkosezeichen muss eine
erste Basis- Laboruntersuchung erfolgen. Schwarzafrikaner_innen sind insbesondere
auf die Krankheit der Sichelzellenanämie zu untersuchen.
• Bei starkem Gewichtsverlust sollte eine baldige Harnuntersuchung durchgeführt
werden. Wird das kritische Gewicht erreicht, muss zusätzlich eine Kontrolle aller
Parameter alle ein bis drei Tage unternommen werden.
• Die Beistellung eines/einer Psychiater_in ist abhängig vom psychischen Status beim
Erstgespräch, in Anwesenheit eines/einer Dolmetscher_in.
5.3.4 Die Menschen in Schubhaft
Da sich die wenigsten Menschen in Österreich vorstellen können, jemals in Schubhaft zu
sitzen, gibt es kaum ein öffentliches Interesse, Schubhäftlingen faire Rechts- und Sozialstan86
Anonymisiertes Interview 3 2011
Anonymisiertes Interview 4 2011
88
Anonymisiertes Interview 3 2011
89
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b, S. 25
87
120
dards zu garantieren.90 Laut österreichischem Recht ist Schubhaft keine Strafe, sondern
ein bloßer Verwaltungsakt, der aber dennoch einen Eingriff in die persönliche Freiheit,
das Leben und die Integrität der Betroffenen darstellt und meist weitreichende Folgen
hat.91 Daher muss für Cakl von SOS-Menschenrechte zuallererst die Frage beantwortet
werden, wie Schubhaft in einem Land gerechtfertigt wird oder wie “verhältnismäßig”
Schubhaft ist, da “die Personen ja kein Strafdelikt begangen haben, indem sie illegal nach
Österreich einreisen oder im Rahmen des Asylverfahrens hier einen negativen Bescheid
erhalten und dann eventuell zur Außerlandesbringung in Schubhaft genommen werden
können.” 92 Abgesehen von den schlechten Bedingungen und der erzwungenen Untätigkeit
leiden Schubhäftlinge vor allem unter einer großen psychischen Belastung, da sich die
Verständigung mit dem Wachpersonal oft als äußerst problematisch herausstellt, Kontakte
zur Außenwelt nur eingeschränkt möglich sind und die Zukunft der Schubhäftlinge in
den meisten Fällen ungewiss und mit einer Angst vor der Situation im Herkunftsland
verbunden ist.93 Eine Schubhaftbetreuerin assoziiert mit Schubhäftlingen “hoffnungslose
Fälle, meistens recht verzweifelte Menschen, Perspektivenlosigkeit.” 94
Rechtsanwalt Bürstmayr kritisiert in erster Linie die Ungleichbehandlung zwischen Strafgefangenen und Schubhäftlingen. Anstatt die Bedingungen in der Schubhaft, wenn diese
für die Bearbeitung einer Verwaltungsübertretung denn überhaupt notwendig ist, so menschenwürdig als möglich zu gestalten, passiere in Österreich derzeit etwas ganz anderes:
“Man begreift diese Menschen zunehmend als Gegner, als gefährlich. Man
verschlechtert die Haftbedingungen statt sie zu verbessern und es ist so, dass
Schubhäftlinge, die normal qua Definition eben nur eine Verwaltungsübertretung begangen haben, weitestgehend schlechtere Haftbedingungen vorfinden
als jemand, der wegen einer schweren Straftat verurteilt worden ist.” 95
Während Häftlinge in Strafanstalten einer halbwegs sinnvollen Beschäftigung nachgehen können, sind Schubhäftlinge zur völligen Unselbständigkeit verurteilt. Bürstmayr
erkennt in dieser Ungleichbehandlung den Ausdruck des Staates, sowohl in Richtung
der Betroffenen als auch nach außen hin, “dass er den illegalen Aufenthalt scheinbar
für weitaus verwerflicher hält als unter Umständen einen schweren Einbruch oder einen
Raubüberfall.” 96
5.3.4.1 Minderjährige
Bereits seit dem Fremdengesetz von 1998 soll bei Minderjährigen dem gelinderen Mittel,
also einer vorgeschriebenen privaten Unterkunft mit polizeilicher Meldepflicht, der Vorzug
gegeben werden. In der Regierungsvorlage 1997 heißt es dazu, dass bei Jugendlichen das
gelindere Mittel zur Regel und die Schubhaft zur Ausnahme werden solle. Freiheitsentziehung bei Kindern und Jugendlichen sollte nur in ausreichend begründeten Fällen, in
denen der Zweck der Schubhaft nicht anders erreicht werden könne, und auch dann nur
als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit, angewendet werden. Günter
90
vgl. Arrieta 2005
vgl. Hut ess 2002, S. 24
92
Interview mit Cakl 2011a
93
vgl. Hut ess 2002, S. 24
94
Anonymisiertes Interview 1 2011
95
Arrieta 2005
96
Ebd.
91
121
Ecker, Geschäftsführer der Schubhaftbetreuungsorganisation “Verein Menschenrechte
Österreich” und Mitglied des Menschenrechtsbeirates, beklagte bereits 1999, dass dieses
gelindere Mittel in Oberösterreich “totes Recht” sei. 1998 waren fast neun Prozent der
oberösterreichischen Schubhäftlinge minderjährig.97 Da die Möglichkeit des gelinderen
Mittels anstatt der Schubhaft nur eine Kann- und keine Muss-Bestimmung ist und es im
Ermessen der Behörde liegt, ob ein gelinderes Mittel zielführend ist oder nicht, lag 2005
ein wenig ausgeglichenes Verhältnis von 285 Fällen, in denen das gelindere Mittel verhängt
wurde, zu 7.463 Schubhaft-Fällen vor. Trotzdem befand es der frühere SPÖ-Innenminister
Karl Schlögl nicht für notwendig, konkrete Richtlinien für die Verhängung von Schubhaft
und gelinderem Mittel einzuführen.98
Gemäß Ÿ 68 Abs. 2 des Fremdenrechtsgesetzes dürfen Fremde unter 16 Jahren nur dann in
Schubhaft gehalten werden, wenn in der jeweiligen Anstalt eine ihrem Alter und Entwicklungsstand entsprechende Pflege und Unterbringung gewährleistet ist. SOS-Mitmensch
meinte dazu 1999, dass kein einziges Schubhaftgefängnis weder diese besonders hohen
Anforderungen an die Haftbedingungen erfülle noch eine aktive, der psychologischen
Situation angemessene Betreuung der Jugendlichen gewährleisten könne.99 Der Menschenrechtsbeirat bedauert, dass im Zuge der Novellierung der Anhalteordnung 2005 die
Schutzbestimmungen für die Anhaltung von Minderjährigen keine größere Beachtung
fanden und trotz bestehender Einrichtungen für unbegleitete minderjährige Asylwerber_innen die Schubhaft noch immer in Polizeianhaltezentren vollzogen wird, in denen
keine Mindeststandards für altersgemäße Unterbringung und Betreuung garantiert werden können.100 Außerdem ist die Anordnung einer entsprechenden Unterbringung nur
als Vollzugsanweisung zu verstehen, ihre Nicht-Einhaltung durch die Behörde führt daher nicht zur Unrechtmäßigkeit der Haft an sich.101 Weiters ist in der Anhalteordnung
(Ÿ 4 Abs. 3)102 festgeschrieben, dass Jugendliche getrennt von Erwachsenen unterzubringen
seien, was für die Minderjährigen häufig Einzelhaft bedeutet.103 Auch diese Schlechterstellung der besonders schutzbedürftigen Gruppe von Kindern und Jugendlichen gegenüber
den Erwachsenen wird vom Menschenrechtsbeirat scharf kritisiert.104
2011 kritisierte der Menschenrechtsbeirat in einer Stellungnahme zu einem Gesetzesentwurf
die Ausnahme von 16- und 17-Jährigen aus der Pflicht, das gelindere Mittel statt der
Schubhaft anzuwenden. Zudem empfiehlt er, die maximale Dauer der Schubhaft bei
Minderjährigen auf zwei Monate zu beschränken, was nicht nur menschenrechtlich, sondern
auch praktisch sinnvoll wäre, da die Wahrscheinlichkeit einer Abschiebung bei Jugendlichen
ohnehin mit der Dauer ihrer Anhaltung sinke.105 Gemäß der UNHCR-Richtlinie sollten
asylsuchende Kinder überhaupt nicht in Haft gehalten werden, doch trotz der geltenden
Regelung des Ÿ 77 FPG106 , wonach gegen Minderjährige das gelindere Mittel anzuwenden
sei, sind im Jahr 2008 181 Minderjährige in Schubhaft genommen worden. Die Begründung
für diese Inhaftierungen war die, dass der Zweck der Schubhaft mittels gelinderem
Mittel nicht erreicht werden könne.107 Ein weiteres Argument der Behörden in diesem
Zusammenhang ist, dass eine exakte Altersfeststellung aufgrund fehlender Dokumente
97
vgl. Kohler 1998, S. 131 und Riegler 1999, S. 101 f.
vgl. Rainalter 2007, S. 9
99
vgl. Kohler 1998, S. 131 und Riegler 1999, S. 101 f
100
vgl. Menschenrechtsbeirat 2009, S. 21
101
vgl. Kux 2001, S. 54
102
Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 2005a
103
vgl. Kux 2001, S. 54
104
vgl. Menschenrechtsbeirat 2009, S. 26 f
105
vgl. Hut ess 2002, S. 42
106
Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 2011
107
vgl. Menschenrechtsbeirat 2011, S. 6 f
98
122
nicht möglich sei und nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne, ob es sich bei den
betroffenen Personen tatsächlich um Minderjährige handle.108 Eine besondere Unsicherheit
bei der Altersbestimmung von Flüchtlingen, welche eine der Voraussetzungen für die
Anwendung des gelinderen Mittels ist, ist deshalb gegeben, weil es keine anerkannte
wissenschaftliche Methode gibt, um das Alter einer Person exakt feststellen zu können.109
Anstatt über einen längeren Zeitraum das Sozialverhalten zu beobachten, finden zur
Alterseinschätzung entweder Zehn-Minuten-Gespräche mit Fremdenrechtsbeamt_innen
statt oder es werden gekürzte psychologische Gutachten herangezogen.110 Natürlich
kommt es durchaus vor, dass sich junge Erwachsene als minderjährig ausgeben, um unter
günstigere gesetzliche Regelungen zu fallen. Im Zweifelsfall sollte jedoch immer für die
Jugendliche oder den Jugendlichen entschieden werden.111
5.3.4.2 Psychischer Zustand von Schubhäftlingen
Haft bedeutet immer eine enorme Beeinträchtigung des sozialen Lebens und eine große
psychische Belastung für die Inhaftierten, auch wenn die materiellen Grundbedürfnisse
gedeckt sind. Bei einem streng geregelten Tagesablauf und unter ständiger Kontrolle
können Schubhäftlinge ihre Bedürfnisse nach Vielfalt, Wahlfreiheit, Selbstbestimmung,
Privatsphäre, Leistung, Anerkennung etc. nicht stillen. Dies führt zu einem Gefühl
der Hilfs- und Hoffnungslosigkeit, der Unsicherheit, der Isolation, der Angst und des
Ausgeliefertseins, das dadurch verstärkt wird, dass den Schubhäftlingen oft niemand genau
sagen kann, wie lange sie in Haft bleiben müssen und was mit ihnen danach geschehen
wird. Dies ist meistens darauf zurückzuführen, dass entweder der Ausgang der Verfahren
noch nicht klar ist oder eine hohe Sprachbarriere, welche die Kommunikation und den
Informationsfluss erheblich beeinträchtigt, gegeben ist.112
Bei Flüchtlingen, die oft direkt nach ihrer Einreise festgenommen und inhaftiert werden,
kommen nicht selten auch traumatisierende Kriegs-, Verfolgungs- und Fluchterlebnisse
hinzu. Psychoanalytiker_innen verstehen jede Migration als krisenhaften Prozess, in dem
sich die kumulative Traumatisierung (Trennung von Familie, neue Sprache und Kultur,
Flucht, Schuldgefühl gegenüber den Zurückgelassenen, Unsicherheit und Angst, Folter,
Vertreibung, Vergewaltigung etc.) in der Regel nach einiger Zeit in Form von Symptomen
zeigt. Die Inschubhaftnahme von Traumatisierten kann zu einer Retraumatisierung mit
schweren psychischen Folgen führen.113 Hilfsorganisationen zufolge waren 1999 bis zu
90 Prozent der aufgegriffenen Flüchtlinge suizidgefährdet oder litten an psychischen
Störungen und erhielten damals auch keine psychologische Betreuung in der Schubhaft.114
Der Rechtsanwalt Georg Bürstmayr meinte dazu 2005 in einem Interview:
“Wenn sich ein Häftling [...] massiv in seiner Gesundheit schädigt, dann
ist das immer ein Zeichen dafür, dass er psychische Probleme hat. Und das
ist schon etwas, das wir beobachtet haben, dass Menschen mit ganz augenscheinlich schwerwiegenden Problemen, die schwer verstört waren, um nicht zu
sagen traumatisiert, weil sie sich selbst beschädigt haben, als Strafmaßnahme
108
vgl.
vgl.
110
vgl.
111
vgl.
112
vgl.
113
vgl.
114
vgl.
109
Hut ess 2002, S. 40 f
Brickner 2007a
Schneider 2008, S. 54
Hut ess 2002, S. 42
ebd., S. 35 und Salzer 2007, S. 40
Riegler 1999, S. 108 f und Salzer 2007, S. 41
Riegler 1999, S. 109 f
123
in Einzelhaft angehalten werden und viel zu wenig berücksichtigt wird, dass
man mit diesem Menschen in seinem Problem umgehen muss.” 115
Auch der Menschenrechtsbeirat sieht die Anhaltung von traumatisierten oder psychisch
belasteten Menschen und die mögliche Retraumatisierung als besonders problematisch.116
Gerade traumatisierte und durch Migration und/oder Haft von ihrem vertrauten Umfeld
getrennte Personen haben ein großes Bedürfnis nach Sicherheit, Information, Mitgestaltungsmöglichkeit und Kontakt zu Vertrauenspersonen, welche sie im uniformierten
Wachpersonal meist nicht finden können. Daher sind die Schubhaftbetreuer_innen oftmals die einzigen Ansprechpartner_innen, denen sie sich anvertrauen und bei denen sie
Unterstützung suchen.117
5.3.4.3 Information und Kommunikation
Da Schubhaft sowohl in Österreich als auch in Deutschland von der Öffentlichkeit beinahe
unbemerkt stattfindet, ist die Existenz einer solchen Institution laut Holz, die mit Schubhäftlingen in Berlin sprach, oft auch den Betroffenen selbst bis zu ihrer Festnahme nicht
bekannt.118 Auch nach der Festnahme bleibt auf dem meist langen Weg über mehrere
Polizeistationen in die endgültigen Polizeianhaltezentren für viele erst einmal unklar,
wohin sie gebracht werden und was mit ihnen geschieht.119 Grundsätzlich sollten die
Schubhäftlinge unmittelbar nach der Festnahme in einer ihnen verständlichen Sprache
über den Grund und den Zweck ihrer Festnahme sowie über all ihre Rechte aufgeklärt
werden. Daher sollte die Aushändigung eines in mehreren Sprachen vorliegenden Informationsblattes, dessen Erhalt mit einer Unterschrift bestätigt werden sollte, sichergestellt
werden.120 Haft ohne Information über die Haftgründe ist jedenfalls rechtswidrig121 , dennoch berichtet Holz, dass es Schubhäftlinge gibt, die weder diese vorgesehenen Merkblätter
noch die vorgeschriebene mündliche Erklärung über das weitere Vorgehen erhalten haben.122 Neben Informationen über die Haftgründe fordern der MRB und das Europäische
Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung
oder Strafe die Verteilung von klaren Informationen über die Rechte der Schubhäftlinge,
die internen Haftregeln des jeweiligen PAZ und die Verfahren in verschiedenen Sprachen.
Zudem sollten Listen mit Kontaktdaten von Anwält_innen und Hilfsorganisationen sowie
Listen mit Übersetzungen der im PAZ am häufigsten verwendeten Ausdrücke verfügbar sein.123 Laut Menschenrechtsbeirat basiert das Informationsproblem großteils auf
Sprachproblemen der Angehaltenen und ihrer Abhängigkeit von Menschen, die ihnen die
Informationen (oft unzureichend) zugänglich und verständlich machen. Als Lösungsansatz
hierfür empfiehlt der MRB den Einsatz von alternativen und flexiblen Informationsmethoden wie mehrsprachigen Broschüren und Informationsblättern, aber auch Video- oder
Tonbandaufnahmen, die auf einem ab 2011 in den Polizeianhaltezentren aufgestellten
Computerterminal, einem sogenannten Infomaten,124 abrufbar sind, sowie die Einführung
eines Dolmetsch-Call-Centers.125
115
Arrieta 2005
Menschenrechtsbeirat 2007a, S. 89
117
vgl. Hut ess 2002, S. 36 und Salzer 2007, S. 41
118
vgl. Holz 2007, S. 7
119
vgl. ebd., S. 47
120
vgl. Menschenrechtsbeirat 2009, S. 87
121
vgl. Hut ess 2002, S. 16
122
vgl. Holz 2007, S. 49.
123
vgl. Menschenrechtsbeirat 2009, S. 87
124
vgl. Menschenrechtsbeirat 2010, S. 29
125
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b, S. 19 und Ders. 2009, S. 97
116
124
Abgesehen von der Erst-Aufklärung und den grundsätzlichen Informationen über Rechtsmittel und Beschwerdemöglichkeiten126 , welche bis heute nicht zufriedenstellend funktioniert127 , ist vor allem das große unbefriedigte Informationsbedürfnis und die daraus
resultierende Ungewissheit über die Dauer und den Ausgang der Schubhaft, für die
Festgehaltenen sehr belastend.128
Zusätzlich werden, mitunter aufgrund der fehlenden Kenntnis über die Behördenstrukturen, die Zuständigkeiten und Verfahrensweisen, sämtliche Behörden und Personen,
die in der Haft arbeiten, als kooperierende, bedrohliche Einheit wahrgenommen. Holz
schildert in ihrem Bericht über Frauen in einer Berliner Schubhaft die Erfahrungen und
Wahrnehmungen der Betroffenen folgendermaßen:
“Die Personen, die sie im Gewahrsam treffen, gehören alle zu ’denen’, die
für die Haft verantwortlich sind. [...] ’Sie’ sind eine kooperierende Einheit, die
gegen die Interessen der Inhaftierten arbeiten und der daher auch nicht zu
trauen ist. [...] Fakt ist, dass die ’Ausländerpolizei’ eine große Macht ist, die
ständig zugreifen kann. [...] Die Verfahrensweise der Ausländerbehörde wird für
die Frauen nicht transparent. Die Abschottung der Behörde und die erschwerte
Kontaktaufnahme seitens der Gefangenen verstärken die Ungewissheit der
Haftsituation.” 129
Auch in Oberösterreich ist es mit der Informationspolitik in der Schubhaft schlecht
bestellt. Die Information der Schubhäftlinge über den rechtlichen “Stand der Dinge”
ist gesetzlich nicht vorgesehen und geregelt.130 Sofern sich die Schubhäftlinge keinen
eigenen Anwalt leisten können, was in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle der Fall
ist, gibt es Informationen über die aktuelle, rechtliche Lage fast ausschließlich über die
Schubhaftbetreuung. Theoretisch könnten die Betroffenen zwar direkten telefonischen
Kontakt mit der zuständigen Fremdenpolizei aufnehmen, da es aber weder Informationen
oder Aufklärung über die Behördenstrukturen, also darüber, wer denn jetzt wofür zuständig
ist, gibt noch die entsprechenden Telefonnummern oder Kontaktdaten zur Verfügung
gestellt werden, und auch die fehlenden deutschen Sprachkenntnisse ein großes Hemmnis
darstellen, bleibt dieser direkte Weg in der Praxis eine rein theoretische Möglichkeit.131
Die Schubhaftbetreuer_innen haben zwar die Aufgabe, Informations- und Kontaktgespräche zu führen132 und versuchen auch, die Schubhäftlinge durch Kontakte zur Fremdenpolizei über ihre Situation zu informieren und dadurch die enorme Belastung der
Ungewissheit ein Stück weit zu lindern.133 Da sie jedoch keine Rechtsberater_innen sind
und eine tatsächliche Rechtsberatung dezidiert nicht zu ihren Aufgaben zählt, sind auch
hier die Möglichkeiten sehr eingeschränkt.134 In diesem Zusammenhang betonten auch
das CPT und der Menschenrechtsbeirat, dass die Auslagerung der Schubhaft-Betreuung
den Staat nicht von seiner Informations- und Unterstützungsverpflichtung befreie und er
sicherzustellen hat, dass die Häftlinge “ordnungsgemäß über den Stand ihres Verfahrens
unterrichtet werden.” 135 Die Beamt_innen in den PAZ sind jedoch nicht für das fremdenrechtliche Verfahren der Schubhäftlinge zuständig, sondern meist nur Überbringer_innen
126
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b, S. 20.
vgl. Menschenrechtsbeirat 2010, S. 72
128
vgl. Holz 2007, S. 41 und 124
129
Ebd., S. 77
130
vgl. Menschenrechtsbeirat 2007b, S. 20
131
vgl. Anonymisiertes Interview 2 2011
132
Menschenrechtsbeirat 2007b, S. 20
133
vgl. Anonymisiertes Interview 2 2011
134
vgl. ebd.
135
Menschenrechtsbeirat 2009, S. 100
127
125
von Informationen und Bescheiden. Für genauere Aufklärung über die Situation müssten
die Beamt_innen somit alle Schriftstücke der Schubhäftlinge genau durchlesen.136
Da der offizielle Weg, an Informationen zu kommen, oft verbaut ist, versuchen die Schubhäftlinge auf andere Informationskanäle auszuweichen. Um mit der quälenden Bedrohung
und Unsicherheit und dem ständigen Nachdenken und der Angst vor der ungewissen
Zukunft umgehen zu können, ist der Alltag von indirekten Informationssuchen und deutungen geprägt. So wird zum Beispiel versucht, Regelmäßigkeiten in den Handlungen
der Angestellten zu erkennen und daraus Informationen abzuleiten.137
5.3.5 Ansprechpartner_innen in der Schubhaft
5.3.5.1 Beamt_innen
Die Wachebeamt_innen haben als Regler_innen, Verwahrer_innen und Betreuer_innen
im Gewahrsam umfassende Rechte und bestimmen mit Umsetzung der Verwaltungsvorschriften den Alltag der Schubhäftlinge.138 In der Anhalteordnung heißt es hierzu:
“Die Häftlinge haben sich an diese Verordnung zu halten, den Anordnungen
der Aufsichtsorgane Folge zu leisten und alles zu unterlassen, wodurch ihre
eigene körperliche Sicherheit sowie die Sicherheit und Ordnung im Haftraum
gefährdet werden könnte. Die Häftlinge haben die von ihnen benützten Räume
und Einrichtungen sauber und in Ordnung zu halten, die ihnen überlassenen
Gegenstände schonend zu behandeln, nicht ungebührlicherweise störenden
Lärm zu erregen und nicht den Anstand zu verletzen.” 139
Die Anhalteordnung gebietet jedoch auch, Häftlingen gegenüber “die gebotene Zurückhaltung zu üben und sie mit Ruhe, Ernst und Festigkeit, gerecht sowie unter Achtung
ihres Ehrgefühls, der Menschenwürde und mit möglichster Schonung ihrer Person zu
behandeln.” 140 Häftlinge beschreiben den Umgang jedoch eher als feindselig und demütigend141 und auch der MRB sieht den würdevollen Umgang nicht gewährleistet und spricht
beim Umgang mit weiblichen Häftlingen sogar davon, dass dieser “bereits den Grad einer
Belästigung erreicht hat.” 142
Holz meint in ihrem Bericht über die Erfahrungen von Frauen in Abschiebehaft in Berlin,
dass das Verhältnis zwischen dem Wachdienst und den Inhaftierten insbesondere deshalb
oft konfliktgeladen ist, weil die Angestellten wichtige Gebrauchsgegenstände verwalten,
um welche die Frauen sie bitten müssen. Für jede Kleinigkeit müssen sie die Polizei rufen
und alles geht erst durch deren Hände, bevor die Frauen es verwenden können.143 Auch in
Oberösterreich hat eine Schubhaftbetreuerin “schon ein bisschen den Eindruck, dass ein
paar Sachen schlecht kommuniziert werden, aber da geht es um Kleinigkeiten, wenn sich die
Schubhäftlinge schlecht verstanden fühlen.“ 144 Zu diesen Kleinigkeiten zählen zum Beispiel
136
vgl. Anonymisiertes Interview 2 2011
vgl. Holz 2007, S. 94
138
vgl. ebd., S. 43
139
Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 2005a, Ÿ 2 Abs. 1 und 2
140
Ebd., Ÿ 3
141
vgl. Salzer 2007, S. 40
142
Menschenrechtsbeirat 2007a, S. 89
143
vgl. Holz 2007, S. 44 f
144
Anonymisiertes Interview 4 2011
137
126
Haaröl, das nicht ausgehändigt wird oder Tischtennisbälle, die von den Beamt_innen
verwaltet werden, damit nicht zu viele zerquetscht werden, wenn Aggressionen abgebaut
werden.145 Auch wenn es sich hierbei nur um Kleinigkeiten handelt, es zeigt doch die
Macht der Beamt_innen und die Abhängigkeit der Schubhäftlinge. In Berlin ist mit diesem
Organisationsprinzip auch eine Kommunikationsregel verbunden, die eine Festgehaltene
so erklärt: “You have to call at the gate. If we call for Polizei, they will not answer if you
don’t put ’bitte’. Some of them will not answer even then. So when you want to call, it is:
’Polizei bitte’.” 146
Auch die Sprache stellt einen erheblichen Machtfaktor dar. Eine ehrenamtliche Betreuerin
der arge-Schubhaft in Innsbruck weiß davon zu berichten:
“Da fragte ein Schubhäftling auf Englisch, ob er telefonieren könnte. Ein
Polizist antwortete ihm auf Deutsch, dass das (einzige) Telefon besetzt war und
dass er sich ein bisschen gedulden müsste. Natürlich verstand der Schubhäftling
kein einziges Wort und wiederholte die Frage, für die er die gleiche Antwort
bekam. Die zweisprachige Diskussion ging weiter und wurde lauter. Zwei andere
Polizisten kamen hinzu und fingen an zu schreien. [...] In diesem Moment
wurde mir klar, dass es sich wohl nicht um ein Sprachproblem handelte und
dass die Beamt_innen je nach Laune entscheiden konnten, wie sie mit den
Leuten umgehen. Sie können sich freundlich oder unfreundlich benehmen.
Niemand kann sie daran hindern.” 147
Die oberösterreichischen Schubhaftbetreuerinnen beschreiben den Umgang der Beamt_innen
mit den Schubhäftlingen als gut. Sie hätten den Eindruck, dass mit den Leuten respektvoll
umgegangen werde, dass sie nicht in ihrer Würde verletzt würden, dass sie nicht zu
etwas gezwungen würden, was sie nicht wollen oder mit ihnen mit körperlicher Gewalt
umgegangen würde. Natürlich gäbe es auch immer wieder Konflikte, aber da gelte wie
überall: “Wie man in den Wald hineinruft...“ 148
Njoku sagt in seinem Interview dazu: “Niemand sieht genau, was drinnen passiert.” 149
Egal ob in Oberösterreich, Innsbruck oder Berlin: Menschen, die Einblicke in die Schubhaft
haben, betonen immer wieder, dass es große Unterschiede unter den Angestellten gäbe und
auch die “Tagesverfassungen” der Beamt_innen zu berücksichtigen seien. Es gäbe auf der
einen Seite sehr nette und freundliche und auf der anderen sehr strenge und unfreundliche
Angestellte, die die Schubhäftlinge wie Verbrecher_innen behandeln würden.150
Georg Bürstmayr meint, dass Selbstbeschädigung oder Hungerstreik von vielen als “Kampfansage” und “Versuch sich freizupressen” aufgefasst wird und die Beamt_innen eine
Oppositionshaltung gegenüber dem Häftling einnehmen würden. Auch Birgit Hofer von
der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung Wien erzählt von einem Fall, bei dem ein Häftling nach einem Suizidversuch geschlagen wurde.151 Uche Anselem Njoku von der Black
Community in Linz berichtet von einem Fall, bei dem einem Häftling das Bein gebrochen
wurde. Und er betont und kritisiert immer wieder, dass niemand sehe und genau wisse,
was in der Schubhaft passiere und dass die Betroffenen, die ja um ihren Aufenthalt in Österreich bangen, Angst hätten, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Zudem bemängelt er,
145
vgl. Anonymisiertes Interview 4 2011
Holz 2007, S. 44 f
147
Nicolodi 2006, S. 84
148
Anonymisiertes Interview 4 2011
149
Interview mit Njoku 2011a
150
vgl. Anonymisiertes Interview 1 2011, Nicolodi 2006, S. 84 und Holz 2007, S. 47
151
vgl. Arrieta 2005
146
127
dass Besucher_innen und Berater_innen nur in den Besucher- oder Warteraum gelangen
würden und niemand die tatsächliche Situation in der Schubhaft beurteilen könne.152
5.3.5.2 Dolmetscher_innen
Auf die Frage nach Kommunikationsschwierigkeiten gaben sämtliche in der Schubhaft
tätige Personen an, dass es diese natürlich gäbe. Für wichtige Gespräche, beispielsweise
solche mit Ärzt_innen oder bei der Einvernahme, würden externe Dolmetscher_innen
organisiert. Während der restlichen Haftzeit und auch in der Schubhaftbetreuung müsse
man sich oft “mit Händen und Füßen” verständigen, da aus Kostengründen nicht ständig
mehrere Übersetzer_innen beschäftigt werden können.153 Eine Schubhaftbetreuerin sagt,
dass es sich
“bis jetzt eigentlich meistens sehr gut ergeben hat, dass immer irgendwelche
Schubhäftlinge da waren, die der deutschen Sprache ausgezeichnet mächtig
waren und ihre Muttersprache und vielleicht noch irgendwas recht gut gekonnt
haben. [...] Das heißt, ich kann den schon einmal für eine ganze Gruppe von
Leuten als Dolmetscher einsetzen. [...] Es hat da noch nie irgendwas gegeben,
dass einer von den Schubhäftlingen gesagt hat: ’Nein, ich will nicht übersetzen.’,
weil die eh froh sind, wenn sie sich irgendwie beschäftigen können.” 154
Gemäß der Anhalteordnung sind dem/der Amtsärzt_in sowohl bei der Beurteilung der
Haftfähigkeit als auch bei der Aufklärung über gesundheitliche Konsequenzen eines/einer
Hungerstreikenden erforderlichenfalls geeignete Dolmetscher_innen zur Verfügung zu
stellen.155
Der Menschenrechtsbeirat formulierte zudem folgende Empfehlungen, bei denen er sich
zum Teil auf das CPT bezieht:156
• die Entwicklung von Qualitätsstandards sowie Anforderungs- und Ausbildungsprofilen für Dolmetscher_innen
• die Durchführung von Qualitätskontrollen und Fortbildungen
• die Bereitstellung von Informationen über Rechte, Verfahren und Hausordnung
mittels mehrsprachiger Broschüren und gegebenenfalls mittels Dolmetscher_innen
• die Einführung eines Übersetzer-Call-Centers und einer österreichweiten Dolmetscher_innenListe, auf die sämtliche Exekutivdienststellen zurückgreifen können
• die Verfassung von relevanten Teilen des Schubhaftbescheides (Spruch und Rechtsmittelbelehrung) in der jeweiligen Muttersprache
• die Aufklärung des Schubhäftlings über den Grund, Sinn und Zweck der Schubhaft
mithilfe eines/einer Dolmetscher_in im Rahmen der fremdenpolizeilichen Einvernahme
152
vgl. Interview mit Njoku 2011a
vgl. Anonymisiertes Interview 1 2011, Anonymisiertes Interview 3 2011 und Anonymisiertes Interview
4 2011
154
Ebd.
155
vgl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 2005a, Ÿ 7 Abs. 5a und ebd., Ÿ10 Abs. 4
156
vgl. Menschenrechtsbeirat 2009, S. 87
153
128
5.3.5.3 Kontakt mit der Auÿenwelt
Sowohl die Anhalteordnung als auch internationale Regelungen bestimmen, dass unmittelbar nach der Festnahme die Möglichkeit bestehen muss, Angehörige oder Vertrauenspersonen und einen Rechtsbeistand gegebenenfalls auf Kosten der Behörde zu informieren oder
informieren zu lassen. Jegliche Informationsverzögerungen müssten schriftlich begründet
werden.157 In Oberösterreich wird nach dem Aufnahmeprozedere neben den Angehörigen
die jeweilige Schubhaftbetreuungs-Organisation automatisch verständigt.158
Abgesehen von dieser ersten Verständigung der “Außenwelt” über die Inschubhaftnahme
lässt sich über den Kontakt nach außen Folgendes sagen:
Personen, mit denen die Schubhäftlinge in der Haft zu tun haben, werden oft nicht als Vertrauenspersonen wahrgenommen.159 Das Abgeschiedensein von Familie und Freund_innen
führt zu Isolation und Vereinsamung der Häftlinge, stellt einen groben Eingriff in die
Familienbeziehungen dar und ist eine der schmerzhaftesten und oft nicht rechtfertigbaren
Konsequenzen für Menschen, die lediglich aufgrund eines Verwaltungsvergehens inhaftiert
wurden. Deshalb wird die Aufrechterhaltung des Kontaktes mit der Außenwelt von allen
Expert_innen und Institutionen als sehr wichtig erachtet.160
Diese Kontakte laufen über Besuche, Telefonate und Briefe, auf welche im Folgenden
näher eingegangen wird.
Besuche Das CPT hält fest, dass Häftlinge das Recht haben sollten, Besuche von
Verwandten und Vertreter_innen relevanter Organisationen zu empfangen.161 Abgesehen
von einigen Ausnahmen wie etwa dem Besuch von Rechtsvertreter_innen sieht die
Anhalteordnung diesbezüglich eine halbe Stunde Besuchszeit pro Woche vor, wobei nur
maximal zwei erwachsene Besucher_innen anwesend sein dürfen.162 Seit einer Novellierung
der AnhO dürfen diese privaten Besuche zumindest nicht mehr grundsätzlich überwacht
werden.163 Zu der streng geregelten Besuchszeit kommt hinzu, dass in vielen Fällen die
Besucherräume nicht so gestaltet sind, dass ein echter Austausch oder ein echtes Erleben
von Familien- oder Freundschaftsbeziehungen möglich wäre, was auch aus entsprechenden
Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates und des CPT (Besuche ohne Trennwand,
familiäre Besuche in häuslicher Umgebung) hervorgeht. Auch in der Anhalteordnung heißt
es, dass Besuchsmöglichkeiten im Interesse der Aufrechterhaltung persönlicher Bindungen
gestaltet sein sollen.164
Für Asylwerber_innen im Dublin-Verfahren, deren restliche Familie im gelinderen Mittel
untergebracht ist, bleibt aufgrund der damit einhergehenden Gebietsbeschränkung selbst
dieses geringe Besuchsrecht oft nur Theorie.165
Im Fall eines Hungerstreiks oder wenn besondere Sicherungsmaßnahmen verhängt wurden,
darf ein Schubhäftling gemäß AnhO keine Besuche empfangen.166 Ganz anders sieht das der
157
vgl. Menschenrechtsbeirat 2009, S. 98
vgl. Anonymisiertes Interview 3 2011
159
vgl. Holz 2007, S. 119
160
vgl. Salzer 2007, S. 30 und Menschenrechtsbeirat 2009, S. 99 f
161
vgl. ebd.
162
vgl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 2005a, Ÿ 21 Abs. 2
163
vgl. Salzer 2007, S. 30
164
vgl. ebd., S. 30 f, Hut ess 2002, S. 31 f, Menschenrechtsbeirat 2009, S. 110
die Republik Österreich 2005a, Ÿ 21 Abs. 2a
165
vgl. Salzer 2007, S. 30
166
vgl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 2005a, Ÿ 5b Abs. 3
158
und Bundesgesetzblatt für
129
Menschenrechtsbeirat, der Besuchen für Hungerstreikende durchaus positiv gegenübersteht,
wenn dadurch eine psychische Betreuung und ein eventueller Abbruch des Hungerstreiks
erreicht werden können.167
Telefonate Telefonate, insbesondere jene mit dem eigenen Handy, geben den Gefangenen das Gefühl, nicht ganz ausgeschlossen, verloren und abhängig zu sein. Zudem
stellt Telefonieren eine wichtige Abwechslung im Haftalltag dar und gilt als wichtige
Grundlage um den Kontakt nach außen aufrechtzuerhalten.168 Während der MRB stets
den freien Zugang zu genügend Wertkartentelefonen, die kostenlose Zurverfügungstellung
eines Telefonguthabens sowie die Möglichkeit, angerufen zu werden, forderte,169 sieht
die Anhalteordnung das Telefonieren grundsätzlich nur in begründeten Fällen und das
unentgeltliche Telefonieren nur zur Kontaktaufnahme mit Angehörigen, Rechtsvertreter_innen oder Behörden vor. Mittlerweile ist dies aber zumindest ohne Aufsicht und
unter bestimmten Voraussetzungen sogar mit dem eigenen Handy möglich.170 Obwohl
der MRB die Verwendung des eigenen Handys und eines Internet-Zugangs befürwortet
und empfiehlt, sich an best-practice-Modellen wie dem PAZ Steyr zu orientieren, sind die
Möglichkeiten, in den Polizeianhaltezentren zu telefonieren, österreichweit unterschiedlich geregelt. Oftmals werden private Telefone beschlagnahmt. Die Telefonkosten haben
grundsätzlich die Häftlinge selbst zu übernehmen, nur in Ausnahmefällen darf unentgeltlich telefoniert werden. In den meisten Fällen übernehmen allerdings die jeweilige
Schubhaftbetreuung oder Seelsorge die Kosten.171 Auch in Oberösterreich wird es so
gehandhabt, dass die Schubhaftbetreuerinnen Telefonwertkarten für die Münzapparate in
die Schubhaftanstalten mitbringen, wobei eine Schubhaftbetreuerin diesbezüglich meinte:
“Die Caritas finanziert gerade einmal vier Telefonwertkarten pro Woche. Das ist so viel
wie nichts, wenn man ins Ausland telefonieren mag.” 172 Wenn bei einem Schubhäftling
besondere Sicherungsmaßnahmen aufgrund einer gegebenen Selbst- oder Fremdgefährdung
oder eines Hungerstreiks verhängt wurden, wird neben dem Besuchsrecht auch das Recht
zu telefonieren ausgesetzt.173
Briefe Den wenigsten Bestimmungen unterliegt der Briefverkehr, der nicht beschränkt
und nur stichprobenweise überwacht wird.174 Die Kosten übernimmt für mittellose Häftlinge die Behörde oder Betreuungsorganisation, wobei von dieser Art der Kontaktaufnahme
zur Außenwelt so gut wie nicht mehr Gebrauch gemacht wird.175 Pakete, die den Häftlingen geschickt werden, werden in der Gegenwart des Häftlings geöffnet und je nach Inhalt
entweder direkt in der Zelle verwahrt, für den Häftling bereitgehalten, zurückgegeben
oder bis zur Entlassung aufbewahrt.176
Von einem weiteren Kontakt mit der Außenwelt, von Kontakt mit der Sendung “Voice of
Africa” auf Radio FRO, berichtet Njoku:
“Wenn wir unsere Sendung nicht machen, rufen sie [die Schubhäftlinge] an:
’Warum gibt es keine Sendung?’ Und manchmal rufen sie uns während der
167
vgl. Menschenrechtsbeirat 2009, S. 112
vgl. Salzer 2007, S. 31, Anonymisiertes Interview 1 2011 und Holz 2007, S. 115 f
169
vgl. Menschenrechtsbeirat 2009, S. 99 f und 104 f
170
vgl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 2005a, Ÿ 19
171
Hut ess 2002, S. 31 f und Salzer 2007, S. 31
172
Anonymisiertes Interview 1 2011
173
vgl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 2005a, Ÿ 5b Abs. 3
174
vgl. ebd., Ÿ 20 Abs. 1
175
vgl. Anonymisiertes Interview 1 2011
176
vgl. Menschenrechtsbeirat 2009, S. 106
168
130
Sendezeit an, um ihre Meinung zu äußern. [...] Wir haben ständig Anrufe von
ihnen bekommen und manchmal auch Briefe, in denen sie uns gratulieren und
Mut zusprechen, dass wir die Sendung weitermachen. Es hilft ihnen.” 177
5.3.5.4 Schubhaftbetreuung
Die Anfänge Erst Anfang der 1990er-Jahre, nachdem die äußerst prekären und auch
vom CPT stark kritisierten, teils menschenunwürdigen Haftbedingungen in den österreichischen Schubhaftanstalten von der Öffentlichkeit als Problem erkannt wurden, begannen Menschenrechtsorganisationen, soziale und karitative Einrichtungen sowie engagierte Einzelpersonen mit der Betreuung von Schubhäftlingen. Bis 1998 die ersten
Schubhaftbetreuungs-Verträge mit dem österreichischen Innenministerium umgesetzt
wurden, arbeiteten die NGOs unter äußerst schwierigen Bedingungen, da sie auf die
Kooperation der Beamt_innen angewiesen waren, welche sie jedoch eher als ’Störenfriede’,
die die Arbeit erschweren und durch ihre Öffentlichkeitsarbeit ein schlechtes Licht auf
die Behörden werfen, sahen.178 Das reduzierte Konfliktpotenzial und der Rückgang der
Selbstbeschädigungen führten schließlich dazu, dass auch auf politischer Ebene die Sinnhaftigkeit von Schubhaftbetreuung erkannt und entsprechende Maßnahmen getroffen wurden.
Nach langen Verhandlungen wurde die Schubhaftbetreuung 1998 schließlich gesetzlich
verankert und Schubhaftbetreuungsverträge zwischen den Betreuungsorganisationen und
dem österreichischen Innenministerium regelten die Rechte und Pflichten, laut denen die
Schubhäftlinge in “humanitärer und sozialer” Hinsicht von den NGOs betreut und diese
Betreuung vom Bundesministerium für Inneres finanziert werden sollte.179 Erst durch
den Vertrag war die österreichweite Betreuung aller Häftlinge in Schubhaft gesichert.
Auch die finanzielle Absicherung, die verstärkte Kooperationspflicht der Behörden und
die Sicherung der für eine umfassende und flächendeckende Betreuung erforderlichen
Informationen waren klare Verbesserungen, die eine Folge der vertraglichen Basis waren.
Gleichzeitig stellte die finanzielle Abhängigkeit und die vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Innenministerium eine große Herausforderung für die Hilfsorganisationen dar,
eine Gratwanderung zwischen der Interessenvertretung der Inhaftierten (mit entsprechender Rechtsberatung) und den Verpflichtungen gegenüber dem Auftraggeber,180 der es sich
vorbehält, Förderungen an die Schubhaftbetreuungsorganisationen zurückzuhalten, wenn
die Durchführung der vereinbarten Leistung nicht gewährleistet erscheint.181
Aufgabenbereiche Während der durch den Vertrag mit dem Bundesministerium für
Inneres bzw. durch das Selbstverständnis der Betreuungsorganisationen definierte Aufgabenbereich der aufsuchenden Sozialarbeit in der Schubhaft (Schubhaftbetreuung) sehr
umfangreich ist, ist für die Schubhäftlinge selbst oft nicht ganz klar, was mit “bei Sorgen
oder Problemen ganz allgemein helfen” gemeint ist und für welche konkreten Fragen oder
Probleme die Betreuer_innen zuständig sind. Andererseits ist eine klare Abgrenzung der
Betreuer_innen von den Polizist_innen schwierig, was zu der Wahrnehmung führen kann,
dass auch die Schubhaftbetreuer_innen zusammen mit der Polizei gegen die Interessen
der Häftlinge arbeiten.182
177
Interview mit Njoku 2011a
vgl. Salzer 2007, S. 42 f, Unterlechner 2006, S. 25, Hut ess 2002, S. 48 f und Schneider 2008, S. 59
179
vgl. Hut ess 2002, S. 50 f, Salzer 2007, S. 42 f und Unterlechner 2006, S. 25
180
vgl. ebd., S. 26 und Hut ess 2002, S. 51 f
181
Menschenrechtsbeirat 2007b, S. 18
182
vgl. Holz 2007, S. 64 und Salzer 2007, S. 79
178
131
Im Folgenden werden die wichtigsten Aufgaben der Schubhaftbetreuung kurz dargestellt:183
• Vermittlung sowie Konfliktschlichtung zwischen Beamt_innen, Ärzt_innen und
Schubhäftlingen
• Anliegen/Bedürfnisse/Wünsche weiterleiten und die Verständigungsmöglichkeiten
verbessern (beispielsweise durch Wortschatzlisten)
• Setzen von präventiven Konfliktminimierungsmaßnahmen
• Vermittlung von Vertrauensärzt_innen und Psycholog_innen
• Organisation des Haftalltags, Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen, fremdsprachige
Literatur, Spiele, etc. in die Polizeianhaltezentren bringen
• Erleichterung des Haftalltags, Basisbedürfnisse decken, Hilfsgüter (Kleidung, Hygieneartikel, Lebensmittel, Telefonwertkarten, Zigaretten etc.) in die Schubhaft bringen
bzw. zur Verfügung stellen
• (Er)klärung des Verfahrensstandes, amtliche Schreiben übersetzen und erklären
• Kontakte mit und Intervention bei den verfahrensführenden Behörden, Botschaften
etc.
• Rechtsinformation/ Erklärung der rechtlichen Situation, Vermittlung von Rechtsbeistand (keine Rechtsberatung oder Rechtsvertretung)
• Führen von Informations- und Kontaktgesprächen, Rückkehrberatung
• Begleitung zu ärztlichen Untersuchungen
• Vorbereitung der Häftlinge auf eine bevorstehende Abschiebung
• psychologische Unterstützung in Krisensituationen, Vertrauensperson sein
• Kontaktaufnahme zu Angehörigen, Freund_innen etc. im Ausland oder in Österreich
• Zusammenarbeit mit anderen Organisationen (Interventionsstelle für Betroffene des
Frauenhandels, Jugendwohlfahrt, Menschenrechtsbeirat, andere Betreuungsorganisationen etc.)
• Vorbereitung und Organisation einer Nach-Betreuung bei Haftentlassung
• politische Aktivitäten/ Beratungen zur Verbesserung der strukturellen Rahmenund Haftbedingungen
• kritische Kontrollinstanz, Missstände öffentlich aufzeigen, Diskurs anregen, Zeug_innenschaft
über geschlossenes Schubhaft-System ablegen
• Öffentlichkeitsarbeit, Sprachrohr für Schubhäftlinge
183
vgl. Holz 2007, S. 64 , Unterlechner 2006, S. 26 , Anonymisiertes Interview 4 2011, Anonymisiertes
Interview 1 2011, Hut ess 2002, S. 53 und Salzer 2007, S. 48
132
Rückkehrberatung Wenn Schubhäftlinge aufgrund von Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit
oder Perspektivenlosigkeit der Situation in der Schubhaft die schnellstmögliche Heimreise vorziehen, ist es aus sozialarbeiterischer Sicht das Ziel der Rückkehrberatung, den
Betroffenen eine würdevolle Heimreise zu ermöglichen und ihnen mit der Entscheidung
zur freiwilligen Rückkehr einen Teil ihrer in Haft völlig abgängigen Selbstbestimmung
wieder zurückzugeben. Unter dieser Prämisse begann das Innenministerium 2004 eine
Zusammenarbeit mit dem Verein Menschenrechte Österreich, der die Schubhäftlinge über
die Möglichkeit der unterstützten freiwilligen Rückkehr und über die Unterschiede zur
zwangsweisen Abschiebung informiert.184 Flüchtlingssozialarbeiter_innen lehnten eine
Forcierung der Rückkehrberatung mit folgender Begründung zunächst ab: “Infolge [...] der
oft verheerenden Lage in manchen Herkunftsländern kommt ein solcher Auftrag der Aufforderung gleich, wider besseren Wissens eine ’Rückkehrberatung ins Nichts’ zu leisten.” 185
Außerdem sei eine freiwillige Rückkehr-Entscheidung im Zwangskontext der Schubhaft
nicht möglich. 2006 nahmen trotzdem, u. a. um eine Verdrängung durch den Verein
Menschenrechte zu vermeiden, auch die anderen Organisationen die Rückkehrberatung in
ihr Angebot auf. Während diese jedoch durch ihre Arbeit eine Entscheidung auf Basis von
fachlich fundierter Beratung über die Perspektiven in Österreich und ihrem Heimatland
ermöglichen möchten, sieht der Verein Menschenrechte seine Aufgabe eher darin, über
die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr zu informieren und beim Organisatorischen zu
unterstützen.186
Im Jahr 2003 wurde in Oberösterreich der Vertrag für die Schubhaftbetreuung, welcher bis dahin zwischen dem österreichischen Innenministerium und dem Verein SOSMenschenrechte bestanden hatte, von Ersterem nicht mehr verlängert187 , sondern der neu
gegründete Verein Menschenrechte mit der Aufgabe betraut.188 Seit Sommer 2010 ist in
Oberösterreich die Caritas Flüchtlingshilfe mit ihrem Projekt “Rückkehrberatung aus der
Schubhaft” für die Schubhaftbetreuung und dabei primär für die Rückkehrberatung der
Häftlinge und die anschließende Hilfe bei der freiwilligen Rückkehr zuständig:189
“Wir werden vom Bundesministerium gefördert, um Rückkehrberatung in
den Schubhaften zu machen. [...] wir haben dieses Projekt erhalten, damit wir
dem Bundesministerium helfen, dass so viele Leute wie möglich freiwillig das
Land verlassen.” 190
Eine Betreuerin beschreibt ihre Aufgabe so:
“Wir beraten die Klienten in eigentlich allen Belangen, fragen sie, ob sie
einen Rückkehrwunsch haben und wenn es keine anderen Perspektiven als
die der Abschiebung gibt, erklären wir ihnen die Vorteile der freiwilligen
Rückkehr und organisieren, wenn sich ein/eine Klient_in dazu entscheidet,
die Finanzierung, die Reisedokumente, die Flugbuchung und sind für sie da,
bis der Flieger abhebt.” 191
Für Christian Cakl von SOS-Menschenrechte ist es problematisch, dass die Schubhaftbetreuung im Rahmen der Rückkehrberatung stattfindet, weil die Ziele und Anliegen,
insbesondere die rechtlichen Möglichkeiten, zu verschieden seien.192
184
vgl. Salzer 2007, S. 50 f
Ebd., S. 50
186
vgl. ebd., S. 50 f
187
vgl. Interview mit Cakl 2011a
188
vgl. Verein Menschenrechte Österreich 2003
189
vgl. Anonymisiertes Interview 1 2011
190
Ebd.
191
vgl. Anonymisiertes Interview 4 2011
192
vgl. Interview mit Cakl 2011a
185
133
5.3.5.5 Rechtsberatung
Als Anfang der 1990er-Jahre nach Einführung der Schubhaftbetreuung juristische Mittel
öfter genutzt wurden, wurde das von vielen als Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten angesehen. Der Sektionschef Manfred Matzka kritisierte jedoch den Umstand, dass
“mutwillig Asylanträge produziert würden”. Durch den Vertrag mit dem Innenministerium
wird direkte Rechtsberatung durch die Schubhaftbetreuungs-Organisationen untersagt,
lediglich die Vermittlung von Rechtsbeiständen ist vorgesehen,193 und das wird auch so
gehandhabt. SOS-Menschenrechte hält es für äußerst bedenklich, Menschen vom Gebrauch
ihrer rechtsstaatlichen Möglichkeiten (wie Berufung gegen Behördenentscheidungen oder
den Weg zum Europäischen Menschenrechts-Gerichtshof) abzuschneiden. Auch dass die
“Personen dann nicht wissen, wie ihr Status derzeit gerade ist und auch nicht wissen
damit umzugehen, weil sie in dieser komplexen Rechtsmaterie nicht alleine entscheiden
können”, kritisiert Cakl.194 Die Schubhaftbetreuerinnen der Caritas geben an, dass sie
zwar keine Rechtsberatung machen, sich aber sehr wohl den Status und die Perspektiven
der Schubhäftlinge ansehen und falls erwünscht Kontakt zu einem/einer Anwalt/Anwältin
herstellen.195
“In der Regel haben sie schon [...] genug Rechtsberatung in Anspruch
genommen. [...] kaum jemand, der in Schubhaft sitzt, hat vorher keine Beratung
in Anspruch genommen. Es sei denn, es sind Leute die ganz frisch nach
Österreich kommen, und das ist natürlich fatal, weil es dann, zumindest in
der Schubhaft, keine Beratung gibt, keine kostenlose. Einen Anwalt kann sich
kaum jemand leisten.” 196
Auch Heinz Patzelt von Amnesty International sieht es als einen menschenrechts- und
demokratiepolitischen Skandal, dass Menschen, die nichts angestellt haben und die auch
die Rechtsordnung nicht kennen, im Gegensatz zu Kriminellen keinen Anspruch auf
Rechtsberatung haben. Er sieht das gesamte Asylrecht so aufgebaut, dass unabhängige
Rechtsinformation möglichst von den Betroffenen ferngehalten wird, um mühsame, ressourcenaufwändige Verfahren von vornherein zu verhindern. Bei den vom Ministerium
bezahlten Rechtsberatern kritisiert er die Verträge, die deren Arbeit sehr einengen.197
Vom ersten Moment an, und die gesamte Dauer in der jemand verpflichtet ist, in Polizeigewahrsam zu bleiben, muss die Möglichkeit bestehen, Kontakt zu einem Rechtsbeistand
herzustellen. Das CPT bekräftigt, dass unmittelbar nach der Festnahme der/die Betroffene
über alle seine/ihre Rechte zu belehren sei, auch über das Recht, einen Angehörigen
oder sonstige Vertrauensperson und einen Rechtsbeistand zu informieren. Sofern bei
Inschubhaftnahme noch kein Rechtsvertreter verständigt wurde, muss dies laut Anhalteordnung telefonisch oder schriftlich ermöglicht werden. Weiters ist nach Ansicht des
CPT sicherzustellen, dass Personen, die weder einen Anwalt haben noch einen kennen,
Informationen über verfügbare Anwält_innen und deren Kontaktdaten bekommen und
dass Maßnahmen für Menschen, die keine Anwaltskosten bezahlen können, getroffen
werden. Hierfür empfiehlt es die Entwicklung eines ordnungsgemäß dotierten Systems
für kostenlose Rechtsberatung und Verfahrenshilfe, das ab Beginn des Polizeigewahrsams
anzuwenden sei.198 Weiters empfiehlt der MRB, dass vertraglich verpflichtete Rechtsbera193
vgl. Kux 2001, S. 59
Interview mit Cakl 2011a
195
vgl. Anonymisiertes Interview 4 2011
196
Anonymisiertes Interview 1 2011
197
vgl. Arrieta 2005
198
vgl. Menschenrechtsbeirat 2009, S. 94
194
134
ter_innen regelmäßige, kostenlose Sprechstunden in den PAZ abhalten sollten, um so den
Zugang zu Rechtsberatung sicherzustellen.199
In seiner Stellungnahme zum Fremdenrechtspaket 2011 begrüßt der Menschenrechtsbeirat
grundsätzlich die Einführung einer kostenlosen Rechtsberatung, die Fremden ein faires
rechtsstaatliches Verfahren zusichern soll. Dennoch sieht er noch einige Kritikpunkte.
Sowohl der MRB als auch eine Schubhaftbetreuerin geben bezüglich der garantierten
Unabhängigkeit der Rechtsberater_innen zu bedenken, dass Probleme entstehen könnten,
wenn durch die Auswahl der dafür zuständigen Personen oder Institutionen wirtschaftliche
Abhängigkeiten vom BMI erzeugt würden und damit die Unabhängigkeits-Garantie “bloß
formal und sinnlos” sei. Auch wenn dieselbe Person sowohl Rechts- als auch Rückkehrberater_in oder Schubhaftbetreuer_in ist, wird die Unabhängigkeit als nicht gewährleistet
angesehen. Des Weiteren schade auch eine Monopolstellung bei der Rechtsberatung
im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums der Unabhängigkeit. Von einer Schubhaftbetreuerin wird in diesem Zusammenhang der von vielen Seiten kritisierte Verein
Menschenrechte genannt.200
Bezüglich der Rechtsberatung gibt der MRB zu bedenken, dass durch die Verpflichtung,
diese in den Amtsräumen der Behörde durchzuführen, der Anschein der Unabhängigkeit
stark beeinträchtigt wird und der Eindruck einer Verbundenheit von Rechtsberatung
und Behörde erweckt wird.201 Außerdem legt die Anhalteordnung fest, dass Rechtsvertreter_innen jederzeit im erforderlichen Ausmaß empfangen werden dürfen und im
Gegensatz zu privaten Besuchen nicht überwacht werden.202 Dies gilt jedoch nur für
Rechtsvertreter_innen, weshalb der Menschenrechtsbeirat auch für Rechtsberater_innen
ein Zutrittsrecht zu den Hafträumen fordert.203
5.4 Der mediale Diskurs
5.4.1 Auswahl der Medien
Um herausfinden zu können, inwieweit bei der Darstellung von Yankuba Ceesay von rassistischer Berichterstattung gesprochen werden kann, wurde die Darstellung des diskursiven Ereignisses “Yankuba Ceesay” in folgenden drei sorgfältig ausgewählten (ober)österreichischen
Tageszeitungen, die bezüglich ihres rhetorischen Anspruchs, der politischen Verortung
und der Leser_innenschaft zum Teil große Unterschiede aufweisen, untersucht:
• Neue Kronen Zeitung
• Oberösterreichische Nachrichten
• Der Standard
Da der Kronen Zeitung schon mehrmals eine tendenziöse und subjektive Berichterstattung vorgeworfen wurde und sie angesichts der Zunahme an Asylwerber_innen und
199
vgl.
vgl.
201
vgl.
202
vgl.
203
vgl.
200
Menschenrechtsbeirat 2009, S. 97
Menschenrechtsbeirat 2011, S. 3 f und Anonymisiertes Interview 2 2011
Menschenrechtsbeirat 2011, S. 4
Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 2005a, Ÿ 21 Abs. 3 und 4
Menschenrechtsbeirat 2011, S. 4
135
Migrant_innen regelmäßig vor “Überfremdung” warnt, liegt es nahe, gerade diese Tageszeitung für eine Diskursanalyse im Rahmen einer Forschungsarbeit über einen afrikanischen
Schubhäftling heranzuziehen.
Die Oberösterreichischen Nachrichten wurden deshalb ausgewählt, weil sie einen starken
Regionalbezug aufweisen und daher zurecht vermutet werden konnte, dass ihnen viel
Material zum Fall “Yankuba Ceesay”, der sich in Linz ereignet hat, entnommen werden
kann.
Dem Standard, der laut eigenen Angaben eine liberale und unabhängige Blattlinie verfolgt,
wird im Gegensatz zur Kronen Zeitung keine mangelnde Seriosität zugeschrieben. Er
gehört somit einer gänzlich anderen Zeitungsgattung an als die Kronen Zeitung und wurde
deshalb ebenfalls einer Mediendiskursanalyse unterzogen.
5.4.2 Feinanalyse der Tageszeitung “Neue Kronen Zeitung”
5.4.2.1 Artikel vom 5. Oktober 2005: “Schubhäftling starb in Zelle”
• Institutioneller Rahmen:
Hierbei handelt es sich um einen am 5. Oktober 2005 in der Rubrik “Österreich” auf
der Seite 15 veröffentlichten Krone-Artikel, dessen Autor_in nicht angegeben wurde.
Das Ereignis, das dieser Artikel inhaltlich behandelt, ist der Tod von Yankuba Ceesay.
Letzterer war auch der Anlass für die Veröffentlichung dieses knappen Berichtes.
• Text-“Oberfläche”:
Der Bericht wurde u. a. neben Artikeln bzw. Kurzmeldungen mit den Schlagzeilen
“Spanien-Tour wurde Horrortrip”, “Steyrer Dieb wurde Räuber”, “Kind vermisst” und
“Frau bestohlen” platziert. Seine große, in fett gedruckte Schlagzeile inklusive Dachzeile
lautet “Nach Hungerstreik: Schubhäftling starb in Zelle”. Es wurden keine Bilder oder
Fotos beigefügt. Die Themen, die gestreift werden, sind: Schubhaft bzw. afrikanischer
Schubhäftling, Hungerstreik und Aggressivität.
• Sprachlich-rhetorische Mittel und inhaltlich-ideologische Aussagen:
Der sehr knappe Artikel weist einen äußerst geringen Informationsgehalt auf. In nur drei
Sätzen wird geschildert, dass die Obduktion eines im PAZ Linz gestorbenen Schwarzafrikaners, der nach einem Hungerstreik und einem Spitalsbesuch in seiner Zelle tot aufgefunden
wurde, noch ausstehe. Als Grund für seine Unterbringung in einer Sicherungszelle wird sein
aggressives Verhalten im Spital angeführt. Der verwendete Wortschatz ist relativ knapp
und ähnelt der Alltagssprache. Die Sätze sind kurz, was beim Lesen Spannung erzeugt.
Yankuba Ceesay wird zudem nicht namentlich genannt, sondern als Schwarzafrikaner
tituliert.
• Interpretation:
Die Möglichkeit eines Fremdverschuldens an Ceesays Tod wird nicht genannt. Dass
Letzterer vielmehr auf Selbstverschulden zurückgeführt werden könne, kann bereits der
Schlagzeile inklusive Dachzeile entnommen werden: “Nach Hungerstreik: Schubhäftling
starb in Zelle”. Die Unterbringung Ceesays in einer Sicherungszelle wird mit seinem
aggressiven Verhalten bei einem Spitalsbesuch begründet bzw. gerechtfertigt.
136
Abbildung 5.1: Neue Kronen Zeitung, 5. Oktober 2005
5.4.2.2 Artikel vom 6. Oktober 2005: “Schubhäftling soll ’verdurstet’ sein”
• Institutioneller Rahmen:
Hierbei handelt es sich um einen am 6. Oktober 2005 in der Rubrik “Österreich” auf der
Seite elf veröffentlichten Krone-Artikel, dessen Autor_in nicht angegeben wurde. Das
Ereignis, das dieser Artikel inhaltlich behandelt, ist der Tod von Yankuba Ceesay. Der
Anlass für die Veröffentlichung dieses knappen Berichtes war der Obduktionsbefund des
verstorbenen Schubhäftlings.
• Text-“Oberfläche”:
Der Bericht wurde neben Artikeln mit den Schlagzeilen “Umweltschützer gegen Gentechnik”
und “Taxlermord vor Wiener Hofburg” platziert. Seine große, in fett gedruckte Schlagzeile
inklusive Dachzeile lautet “Nach Obduktion steht nun fest: Schubhäftling soll ’verdurstet’ sein”. Es wurden keine Bilder oder Fotos beigefügt. Der Text lässt sich inhaltlich
in zwei Sinneinheiten gliedern, nämlich in die Ergebnisse des Obduktionsberichtes, die
jegliches Fremdverschulden an Ceesays Tod ausschließen sowie in die Beschreibung der
Person Yankuba Ceesay, die “wegen Suchtgiftdelikten vorbestraft” war und “eine Krankenschwester attackiert” hatte. Die Themen, die gestreift werden, sind daher: Schubhaft
bzw. afrikanischer Schubhäftling, Hungerstreik, Drogendelikte, Aggressivität und Gewalt.
• Sprachlich-rhetorische Mittel und inhaltlich-ideologische Aussagen:
Die Argumentationslinie ist folgende: Die Obduktion Ceesays bestätige, dass keine Einwirkungen von außen (Misshandlungen, Verletzungen, Fremdkörper) vorliegen. Ceesays Tod
sei auf ein Herz-Kreislauf-Versagen zurückzuführen, das wiederum mit seinem Hungerstreik und einem Flüssigkeitsmangel in Zusammenhang gebracht werden könne. Zudem sei
Ceesay “wegen Suchtgiftdelikten vorbestraft” gewesen und habe kurz vor seinem Tod “eine
Krankenschwester attackiert”. Folglich habe er sich nicht korrekt verhalten und sei selber
an seinem Tod Schuld, weil er zu wenig gegessen und getrunken habe. Das Opfer wird in
137
erster Linie mit Gewalt, Aggression und Drogen in Verbindung gebracht. Der verwendete
Wortschatz ist nicht sehr umfangreich und ähnelt der Alltagssprache. Die Sätze sind
kurz, was beim Lesen Spannung hervorruft. Aus dem Obduktionsbefund wurden drei
Aufzählungen zitiert.
• Interpretation:
Im Vordergrund steht Ceesays Tod, der darauf zurückgeführt werden könne, dass Ceesay
im Hungerstreik zu wenig getrunken hätte. Durch die aus dem Obduktionsbefund zitierte
Aufzählung soll glaubwürdig vermittelt werden, dass jegliches Fremdverschulden an seinem
Tod auszuschließen sei. In Kombination mit der Beschreibung der Person Yankuba Ceesay
als aggressiven und gewalttätigen Drogendealer wird den Leser_innen suggeriert, dass sein
Tod selbstverschuldet und die Konsequenz seines Verhaltens war. Folglich werden beim
Lesen dieses spannungsgeladenen Artikels in erster Linie bestimmte Emotionen geweckt.
Eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem gesamten Fall scheint hier aufgrund des
Mangels an diesbezüglichen Informationen nicht stattgefunden zu haben.
Abbildung 5.2: Neue Kronen Zeitung, 6. Oktober 2005
5.4.2.3 Artikel vom 7. Oktober 2005: “Nach Hungerstreik aus Krankenhaus
spaziert”
• Institutioneller Rahmen:
Hierbei handelt es sich um einen am 7. Oktober 2005 in der Rubrik “Österreich” auf
der Seite 16 veröffentlichten Krone-Artikel, dessen Autor_in nicht angeführt wurde. Das
Ereignis, das dieser Artikel inhaltlich behandelt, und folglich auch der Anlass für die Veröffentlichung dieses Berichtes ist bzw. war die Flucht eines “haftunfähigen” nigerianischen
138
Drogendealers aus dem Krankenhaus. Dieser Vorfall wird gleich zu Beginn explizit mit
dem Fall “Yankuba Ceesay” in Verbindung gebracht.
• Text-“Oberfläche”:
Der ausgesprochen kurze Bericht, wurde neben einem Artikel über Hypochondrie sowie
einem Artikel über Gentechnik in der Europäischen Union abgelichtet. Seine große, in fett
gedruckte Schlagzeile inklusive Dachzeile lautet “Drogendealer war ’haftunfähig’: Nach
Hungerstreik aus Krankenhaus spaziert”. Es wurden keine Bilder oder Fotos hinzugefügt.
Die Themen, die gestreift werden, sind zum Teil die, die schon im Bericht am Tag
davor angesprochen wurden: Schubhaft bzw. afrikanischer Schubhäftling, Hungerstreik,
Drogendelikte, “Haftunfähigkeit” und Mangel an Sicherheit in Österreich.
• Sprachlich-rhetorische Mittel und inhaltlich-ideologische Aussagen:
Es wird in erster Linie versucht, das Bild vom “afrikanischen Drogendealer” erfolgreich
zu vermitteln, indem gleich zu Beginn des Artikels eine Verbindung zum Fall “Yankuba
Ceesay” hergestellt wird. Hierbei wird explizit erwähnt, dass es sich bei dem Nigerianer
ebenfalls um einen “wegen Drogendelikten eingesperrten und ebenso lange Nahrung
verweigernden” Inhaftierten handle. Nachdem dieser im Krankenhaus mit Nahrung und
Infusionen versorgt worden war, konnte er einfach “davonspazieren”. Hierbei übt der/die
Autor_in indirekt Kritik am österreichischen Rechtssystem und an der österreichischen
Sicherheitspolitik. Somit kann dem Text die Forderung nach mehr Sicherheit und einer
effizienteren Polizeiarbeit entnommen werden. Der verwendete Wortschatz ist leicht
verständlich und ähnelt dem, der im Alltag verwendet wird.
• Interpretation:
Das bereits am Vortag vermittelte Bild des “afrikanischen Drogendealers” wird durch diesen
neuen Vorfall noch glaubwürdiger vermittelt. Zudem wird auf eine indirekte Art suggeriert,
dass Hungerstreik ein erfolgreiches Mittel sein kann, um sich aus einer Haftsituation
freizupressen und für “haftunfähig” erklärt zu werden. Die Flucht des nigerianischen
Häftlings aus dem Krankenhaus wird als Anlass dafür verwendet, um die Effizienz der
derzeitigen Polizeiarbeit in Österreich in Frage zu stellen.
Abbildung 5.3: Neue Kronen Zeitung, 7. Oktober 2005
139
5.4.3 Feinanalyse der Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten”
5.4.3.1 Artikel vom 5. Oktober 2005: “18-jähriger Schubhäftling starb im
Hungerstreik”
• Institutioneller Rahmen:
Hierbei handelt es sich um einen am 5. Oktober 2005 in der Rubrik “Regional” auf der
Seite 22 veröffentlichten OÖN-Artikel, der von Eike-Clemens Kullmann verfasst wurde.
Das Ereignis, das dieser Artikel inhaltlich behandelt, ist der Tod von Yankuba Ceesay.
Letzterer war auch der Anlass für die Veröffentlichung dieses Berichtes.
• Text-“Oberfläche”:
Der Artikel mit der großen, fett gedruckten Schlagzeile “18-jähriger Schubhäftling starb
im Hungerstreik” wurde neben einem Bericht über ein soziales Projekt von Mühlviertler_innen in der Dritten Welt und einem Artikel über die Reduzierung von Unfällen auf
dem Schulweg platziert. Ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen diesen Berichten ist
nicht erkennbar. Des Weiteren befindet sich neben dem Text ein Foto von einem Mann
mit dunkler Hautfarbe, der in einer Zelle an einem Tisch sitzt, seinen Kopf in seine Fäuste
stützt und einen nachdenklichen Eindruck vermittelt. Unter dem Foto steht: “Wenig
einladendes Quartier”.
Der Artikel ist in drei Abschnitte unterteilt, die jeweils durch eine Zwischenüberschrift
voneinander getrennt sind. Im ersten Abschnitt wird über Ceesays Aufenthaltsgrund
in Österreich, seine Haftverurteilung aufgrund zweier Suchtgiftdelikte, seine Verlegung
von der JA Wien in das PAZ Linz und die rechtskräftige Ablehnung seines Asylantrages
berichtet. Im zweiten Absatz mit der Zwischenüberschrift “Feste Nahrung verweigert“ wird
über Ceesays Eintritt in den Hungerstreik berichtet. Hierbei wird der Polizeijurist Christian
Grufeneder zitiert, der behauptete, dass an den Schubhäftling Informationsblätter über
die Folgen eines Hungerstreiks ausgeteilt worden wären und er bei der Untersuchung im
Akh mit den Füßen nach den Krankenschwestern getreten hätte. Im letzten Abschnitt
mit der Zwischenüberschrift: “Einzelzelle nach Fußtritten” wird schließlich über seinen
Tod in der Einzelzelle berichtet, wobei noch einmal Aussagen Grufeneders herangezogen
werden. Es wird festgehalten, dass die genaue Todesursache noch nicht bekannt sei und
die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Terezija Stoisits, eine Aufklärung über die
Umstände des Todes fordere.
Die Themen, die angesprochen werden, sind: Schubhaft, Hungerstreik, Aggressivität und
Tod durch Selbstverschulden.
• Sprachlich-rhetorische Mittel und inhaltlich-ideologische Aussagen:
Es kann bereits den hervorgehobenen Zwischenüberschriften entnommen werden, dass
Ceesays Tod auf Selbstverschulden zurückgeführt werden könne. Es wird auch im Text
konsequent darauf hingewiesen. Der im Text verwendete Wortschatz ist relativ leicht
verständlich. Alle Zitate beziehen sich auf den Polizeijuristen Christian Grufeneder.
Aufgrund der oben angeführten und im Text angesprochenen Themen kann behauptet
werden, dass den Leser_innen unterschwellig das Bild vom “afrikanischen Drogendealer”
suggeriert wird. Passagen wie “[...] Wegen Platzmangel kam er jedoch am 2. Mai von
der Justizanstalt Josephstadt (sic!) in die Justizanstalt in Linz. Dort verhielt sich der
140
18-Jährige (so lautete jedenfalls seine Angabe) unauffällig, die bedingte Entlassung erfolgte
am 12. September” schüren Misstrauen gegenüber Ceesay bzw. Zweifel an seinen Aussagen.
Zudem wird die korrekte Vorgehensweise der Polizei durch Zitate Grufeneders immer
wieder bekräftigt.
• Interpretation:
Der Ausschluss jeglichen Fremdverschuldens an Ceesays Tod wird durchgehend betont,
obwohl die vom Landesgericht angeordnete Obduktion noch aussteht (“Vermutet wird
eine Herzschwäche.”): “Man habe alles versucht, heißt es von Seiten der Polizei”, heißt es
gleich zu Beginn des Artikels, “Es betreuten ihn auch regelmäßig Mitarbeiter des Vereins
Menschenrechte”, “Er konnte zu dieser Zeit problemlos zu Fuß gehen” und “Alle 30 Minuten
– so will es die Anhalteordnung – hielt ein Betreuer Nachschau”. Die Überstellung in eine
Einzelzelle wird durch sein aggressives Verhalten im Akh Linz begründet.
Abbildung 5.4: Oberösterreichische Nachrichten, 5. Oktober 2005
141
5.4.3.2 Artikel vom 6. Oktober 2005: “Herztod in Zelle durch Flüssigkeitsmangel”
• Institutioneller Rahmen:
Hierbei handelt es sich um einen am 6. Oktober 2005 in der Rubrik “Regional” auf der
Seite 28 veröffentlichten OÖN-Artikel, der von Martin Rohrhofer verfasst wurde. Das
Ereignis, das dieser Artikel inhaltlich behandelt, ist der Tod von Yankuba Ceesay. Der
Anlass für die Veröffentlichung dieses knappen Berichtes war der Obduktionsbefund des
verstorbenen Schubhäftlings.
• Text-“Oberfläche”:
Die große, in fett gedruckte Schlagzeile des Berichtes lautet “Herztod in Zelle nach
Flüssigkeitsmangel”. Dieser befindet sich auf einer Seite, auf der ausschließlich über das
Thema “Hungerstreik in der Schubhaft” informiert wird. Folglich lauten die Schlagzeilen
der Artikel neben dem analysierten Hauptbericht “’Zwangsernährung erlaubt” ’ und “Aus
Verzweiflung gehungert”. Neben dem Hauptartikel wurde ein großes Foto abgedruckt, das
eine leer stehende Einzelzelle zeigt. Darunter steht: “Diese Sicherungszelle wurde trotz
halbstündiger Überwachung zur ’Todeszelle’.” Eine Notiz mit der Überschrift “Stichwort Schon 3. Toter” gibt Auskunft über die Bilanz an toten Schubhäftlingen seit Anfang des
Jahres, über die Anzahl an Schubhäftlingen in Österreich im Jahr davor sowie über die
Anzahl an Schubhäftlingen, die bereits nach Hungerstreiks freigingen. Der Text lässt sich
in mehrere Sinneinheiten gliedern: Zunächst wird kurz über den Fall “Yankuba Ceesay”
und die im Akh festgestellten Untersuchungswerte Ceesays berichtet. Danach steht die
Frage nach der Ursache für den Tod Ceesays im Zentrum der Berichterstattung. In
weiterer Folge findet eine nähere Beschreibung des Schubhäftlings statt. Schließlich endet
die Berichterstattung mit der Bekräftigung der korrekten Vorgehensweise der Polizei. Die
Themen, die somit angesprochen werden, sind: Schubhaft, Hungerstreik, Gerichtsmedizin,
Drogendelikte, Aggressivität und Schubhaftbetreuung.
• Sprachlich-rhetorische Mittel und inhaltlich-ideologische Aussagen:
Es wird argumentiert, dass jegliches Fremdverschulden an Ceesays Tod ausgeschlossen werden könne, indem bekräftigt wird, dass der Tod selbst für Mediziner_innen “überraschend”
kam und indem auf die gerichtsmedizinische Erklärung, dass es zu einer Verschiebung des
Mineralstoff-Haushalts in Ceesays Blut gekommen sei, hingewiesen wird. Des Weiteren
wird unterstellt, dass Ceesay möglicherweise Tabletten zu sich genommen hätte. Durch
häufige Zwischenverweise auf die Aggressivität, die unbekannte Identität, den illegalen
Aufenthalt sowie die zweimalige Verurteilung Ceesays wegen Drogenhandels wird versucht,
die am Ende explizit erwähnte korrekte Verhaltensweise der Polizei zu untermauern.
Zudem werden einige Zitate von Expert_innen wie dem ärztlichen Leiter des Akh, dem
Gerichtsmediziner Johann Haberl und dem Chef des Vereins Menschenrechte angeführt,
die jegliches Fremdverschulden ausschließen. Es wird das Bild einer gerechten Gesellschaft,
in der aggressive, kriminelle, illegale Menschen von korrekt handelnden Beamt_innen
zu Recht abgeschoben werden bzw. durch ihr eigenes Verschulden sterben, vermittelt.
Der verwendete Wortschatz, der durch medizinische Fachausdrücke an manchen Stellen “aufgewertet” wird, ist relativ leicht verständlich. Der an zwei Stellen verwendete
Begriff “Todeszelle” ist ein Beispiel für eine reißerische Wortwahl, die ein Merkmal des
Boulevardjournalismus ist.
142
• Interpretation:
Indem betont wird, dass Ceesays Tod “überraschend” eingetreten ist und die Vorgehensweise der Polizei korrekt war, wird Ceesays Tod ausschließlich auf ein Verschulden seinerseits
zurückgeführt. Des Weiteren wird der Schubhäftling kein einziges Mal mit dem Namen
angeführt, sondern als Schwarzafrikaner, der in der Vergangenheit mit Drogen gehandelt
habe, aggressiv sei und sich illegal in Österreich aufhalte, tituliert. In einer Notiz mit der
Überschrift “Stichwort - Schon 3. Toter” wird berichtet, dass in etwa zwei Monate vor
Ceesays Tod in Wien ein Pole von einem Schwarzafrikaner erstochen wurde.
Abbildung 5.5: Oberösterreichische Nachrichten, 6. Oktober 2005
5.4.4 Feinanalyse der Tageszeitung “Der Standard”
5.4.4.1 Artikel vom 6. Oktober 2005: “Tod in Schubhaftzelle bleibt rätselhaft”
• Institutioneller Rahmen:
Hierbei handelt es sich um einen am 6. Oktober 2005 in der Rubrik “Österreich-Chronik”
auf der Seite 14 veröffentlichten Standard-Artikel, der von Brickner Irene, Kerstin Scheller,
Michael Möseneder und Markus Rohrhofer verfasst wurde. Das Ereignis, das dieser Artikel
inhaltlich behandelt, ist der Tod von Yankuba Ceesay. Der Anlass für die Veröffentlichung
dieses knappen Berichtes war der Obduktionsbefund des verstorbenen Schubhäftlings.
• Text-“Oberfläche”:
Auf derselben Seite, auf der der analysierte Artikel mit der Schlagzeile “Tod in Schubhaftzelle bleibt rätselhaft” abgedruckt wurde, befindet sich u. a. noch ein Artikel mit
der Schlagzeile “Wahres über ’Operation Spring” ’ sowie ein Bericht mit der Schlagzeile
“’Unterwürfigkeit vorbei’ - Schwarzes Selbstbewusstsein beim Panafest” über das Pan
African Festival der afrikanischen Gemeinschaft in Österreich. Alle drei Artikel rücken
somit Afrikaner_innen in den Vordergrund. In der Mitte des analysierten Berichtes befindet sich ein Foto von einem Mann, der die Tür zu einer leer stehenden Zelle geöffnet
hat. Darunter steht: “Die ’Sicherungszelle’ im Linzer Polizeigefängnis, in der der junge
Afrikaner am Dienstag starb.” Der Bericht ist bedeutend länger als die analysierten Artikel
143
in der Kronen Zeitung und den Oberösterreichischen Nachrichten und weist viel mehr
Informationsgehalt über den Fall “Yankuba Ceesay” auf. Der Text ist in zwei Sinneinheiten unterteilt. Im ersten Abschnitt werden Vermutungen über den Hergang des Todes,
die Todesursache und die Identität des Opfers angestellt. Im zweiten Abschnitt werden
Expert_innenmeinungen über die Gründe der Überstellung in das Akh Linz dargestellt.
Abbildung 5.6: Der Standard, 6. Oktober 2005
• Sprachlich-rhetorische Mittel und inhaltlich-ideologische Aussagen:
Es wird der Eindruck von einer durchgehend sachlichen und objektiven Berichterstattung
vermittelt. Der Text ist durch präzise, klare und verständliche Formulierungen gekennzeichnet. Zudem geht klar hervor, ob es sich bei bestimmten Aussagen um Fakten oder nur um
Vermutungen handelt. Es wurden auffällig viele unterschiedliche Expert_innenmeinungen
eingeholt, die einander gegenübergestellt werden. Der Fall wird somit aus verschiedenen
Perspektiven betrachtet. In dem Text kommen weder Kollektivsymbole noch Metaphern
oder sonstige Symboliken vor.
Hinter den Aussagen ist keine bestimmte politische Haltung zu erkennen.
144
• Interpretation:
Die angesprochenen Themen sind der Hergang des Todes, die Todesursache, die ungeklärte Identität des Opfers, die Untersuchungsergebnisse des Akh Linz, die Gründe der
Überstellung Ceesays in das Krankenhaus und das Linzer PAZ.
Die Fakten werden klar und deutlich dargelegt. Es wird der Eindruck vermittelt, dass
hier eine tiefgreifende Recherche über den Fall stattgefunden hat. Trotz des im Vergleich
zur Krone und den OÖN sprachlich höheren Niveaus ist der Text klar verständlich.
Der Informationsgehalt lässt sich mit dem in den Krone- und OÖN-Artikeln keineswegs
vergleichen. Es werden Informationen dargelegt, die in den beiden anderen Zeitungen
zur Gänze fehlen. Aufgrund der zahlreichen angeführten Expert_innenmeinungen und
der detaillierten Darstellung des Falles wird der Eindruck vermittelt, dass ein ehrliches
Interesse der Autor_innen an der Aufklärung des Falles besteht. Im Gegensatz zu den
beiden anderen untersuchten Tageszeitungen wird hier weder für die Seite Ceesays noch
für die Seite der Polizei und Ärzt_innen Partei ergriffen. Worte wie “aggressiv”, “Fußtritte”
oder “Drogendelikte” kommen nicht vor.
5.4.4.2 Artikel vom 8. Februar 2006: “Tod in Schubhaft: Neue Zweifel”
• Institutioneller Rahmen:
Hierbei handelt es sich um einen am 8. Februar 2006 in der Rubrik “Österreich-Chronik” auf
der Seite acht veröffentlichten Standard-Artikel, der von Markus Rohrhofer verfasst wurde.
Das Ereignis, das dieser Artikel inhaltlich behandelt, ist der Tod von Yankuba Ceesay.
Der Anlass für die Veröffentlichung dieses Berichtes war die erneute Auseinandersetzung
mit Ceesays Obduktionsbefund, der neue Zweifel an der offiziellen Todesursache des
verstorbenen Schubhäftlings aufkommen ließ.
• Text-“Oberfläche”:
Die Schlagzeile des Artikels lautet “Tod in Schubhaft: Neue Zweifel”. In der Mitte des
Artikels stößt man auf folgende drei fett gedruckte Worte, die wie eine Art Schlagzeile
im Text wirken: “Beide Nieren versagt”. Über dem Artikel befindet sich ein Foto von der
Sicherungszelle, in der Yankuba Ceesay untergebracht war. Der Raum selbst ist leer. Der
Text unter dem Bild lautet: “In dieser Zelle im Linzer Polizeigefangenenhaus starb am
4. Oktober der Schubhäftling Yankuba C. Die Analyse des Obduktionsbefundes nährt
Zweifel an den Hintergründen.“ Links neben dem Artikel befindet sich ein Artikel über die
“Gesetzwidrige Analyse von Telefondaten”. Rechts daneben ist ein kürzerer Artikel mit
der Schlagzeile “Strafmündigkeit: Gastinger gegen Alterssenkung.” Darunter befindet sich
ein Artikel, der sich mit Asylpolitik befasst. Dieser stellt zumindest eine gewisse inhaltliche Verbindung zum analysierten Artikel her. Die Sinneinheiten des Textes sind kurz
zusammengefasst folgende: offizielle Todesursache, Ergebnisse des Allgemeinmediziners
und Tropen-Spezialisten Walter Gockner nähren Zweifel an der offiziellen Todesursache
Ceesays, Flüssigkeitsmangel und Nierenversagen, massiver Gewichtsverlust. Die angesprochenen Themen sind folgende: Todesfall “Yankuba Ceesay”, Mediziner_innen geschlampt,
neue Theorie über Todesursache, beidseitiges Nierenversagen.
145
• Sprachlich-rhetorische Mittel und inhaltlich-ideologische Aussagen:
Der Artikel ist im Vergleich zur Krone und den OÖN auf höherem sprachlichen Niveau
sehr präzise und verständlich formuliert und vermittelt den Eindruck einer durchgehend
sachlichen und gut recherchierten Berichterstattung. Der Text ist durch zahlreiche Zitate
des Tropen-Spezialisten Gockner, der sich mit dem Obduktionsbericht auseinandersetzte,
gekennzeichnet. Durch den Hinweis, dass sich erst “jetzt für den STANDARD” ein Spezialist
mit dem Obduktionsbericht auseinandergesetzt und dabei “auf brisante Details gestoßen”
ist, welche die offizielle Todesursache in Frage stellen, wird der Eindruck vermittelt, dass
dies für eine Aufklärung des Falles bisher nicht ausreichend gemacht wurde. Auch das
Zitat des Mediziners, dass bei der Dokumentation des Hungerstreiks “massiv geschlampt”
wurde, untermauert den Vorwurf gegen die Staatsanwaltschaft, für die es keine genügenden
Gründe für ein Strafverfahren gab. In dem Text kommen weder Kollektivsymbole noch
Metaphern oder sonstige Symboliken vor. Auch eine bestimmte politische Haltung ist
nicht zu erkennen.
Abbildung 5.7: Der Standard, 8. Februar 2006
146
• Interpretation:
Die angesprochenen Themen sind der Zweifel an der offiziellen Todesursache und die
Darlegung der Theorien des Tropen-Spezialisten über die wahre Todesursache.
Die Fakten werden klar und mit Zitaten Gockners dargelegt. Es entsteht der Eindruck, dass
der Autor gut über den Fall Bescheid weiß und eine tiefgreifende Recherche stattgefunden
hat. Besonders erwähnenswert an diesem Artikel ist, dass er erst vier Monate nach dem
Todesfall erschien. Der Informationsgehalt unterscheidet sich insofern von denen der
Krone und der OÖN als dass sie in den anderen Zeitungen zur Gänze fehlen. Weder in
der Kronen Zeitung, noch in den Oberösterreichischen Nachrichten wurde der Fall im
Nachhinein noch einmal aufgerollt und neue, an der offiziellen Todesursache zweifelnde
Informationen dargelegt. Das und die detaillierte Darstellung der Kritikpunkte und der
Begründung Gockners Theorie über die Todesursache vermitteln den Eindruck eines
ehrlichen Interesses an der Aufklärung des Falles.
5.4.5 Gesamtanalyse
5.4.5.1 Neue Kronen Zeitung
Da die Kronen Zeitung die einzige Boulevardzeitung unter den drei analysierten Tageszeitungen ist, überrascht es nicht, dass sie sich von den anderen beiden Zeitungen in
der Art der Berichterstattung zum Teil stark unterscheidet. Die Kronen Zeitung präsentiert sich durchwegs sensationsorientiert. Groß und fett gedruckte Schlagzeilen sollen in
erster Linie bestimmte Emotionen bei den Leser_innen auslösen und Überschaubarkeit
sicherstellen. Im Gegensatz zum Standard und den Oberösterreichischen Nachrichten
konnte in der Kronen Zeitung im Rahmen der Materialaufbereitung nur eine sehr geringe
Anzahl an Berichten über das diskursive Ereignis “Yankuba Ceesay” gefunden werden.
Dieser Umstand weist auf das grundsätzlich relativ enge Themenspektrum in BoulevardTageszeitungen hin. Letztere sind fast ausnahmslos u. a. dadurch gekennzeichnet, dass
sie verhältnismäßig viel über Gewalt, Verbrechen und Katastrophen berichten, allerdings
nur selten bis gar nicht Ereignisse, die sozialpolitische Zusammenhänge herstellen oder
kontroverse Diskussionen auslösen, aufgreifen und weiterverfolgen.204 Die “Lokalredaktion”
als eine Teilredaktion der einzelnen Bundesländerredaktionen befasst sich somit in erster
Linie mit Kriminalberichterstattung.205 Über den Fall “Yankuba Ceesay” wurde daher nur
zweimal direkt berichtet, nämlich am 5. sowie am 6. Oktober 2005, wobei beide Artikel
als spannungsgeladene Kurzmeldungen, die nur wenig Informationsgehalt aufweisen und
hauptsächlich bestimmte Emotionen beim/bei der Leser_in hervorrufen sollen, bezeichnet
werden können. Im Standard und in den Oberösterreichischen Nachrichten hingegen wurde
der Fall über einen viel längeren Zeitraum hinweg verfolgt und schon allein aus diesem
Grund viel detaillierter dargestellt.
Dass der Fokus der Nachrichten-Berichterstattung in Boulevard-Tageszeitungen auf Verbrechen gerichtet ist,206 kann nach der Analyse der in der Kronen Zeitung zum Thema
Yankuba Ceesay gefundenen Artikel bestätigt werden. Allein in der Ausgabe vom 5. Oktober 2005 befinden sich auf derselben Seite, auf der über den Todesfall Ceesays berichtet
wird, noch folgende Schlagzeilen: “Frau bestohlen”, “Kind vermisst”, “Trickdiebe stoppten
204
vgl. Bruck und Stocker 1996, S. 22 f
vgl. Weber 1995, S. 122
206
vgl. Bruck und Stocker 1996, S. 22 f
205
147
und bestahlen Wartberger auf Autobahn: Spanien-Tour wurde Horrortrip” und “In Lokal
überrascht: Steyrer Dieb wurde Räuber”. Der dem Lesemodus des raschen Überfliegens von
Boulevard-Tageszeitungen207 entsprechende knappe Artikel über den Tod Ceesays kann
vom/von der Leser_in somit sofort mit einem Verbrechen in Verbindung gebracht werden.
Wer bei diesem Verbrechen Täter und Opfer war, kann bereits der Schlagzeile “Nach
Hungerstreik: Schubhäftling starb in Zelle” entnommen werden. Von einem möglichen
Fremdverschulden oder einer möglichen Mitschuld am Tod des Gambiers durch andere
ist in dem Artikel nicht die Rede, obwohl gleich zu Beginn von einer noch ausständigen
Obduktion berichtet wird. Vielmehr wird von Vornherein von einem Selbstverschulden
des Afrikaners, dessen Unterbringung in einer Sicherungszelle die Folge seines aggressiven
Verhaltens bei einem Spitalbesuch war, ausgegangen.
Der am darauf folgenden Tag veröffentlichte Artikel mit der Schlagzeile “Schubhäftling soll
’verdurstet’ sein” untermauert dieses am Vortag bereits gefällte Urteil, indem gleich zu
Beginn des Artikels aus dem Obduktionsbericht zitiert wird, dass “keine Misshandlungsspuren, keine Verletzungen und keine Fremdkörper” vorliegen. Die Kernaussage dieses
Berichts, dass der Tod Ceesays auf Selbstverschulden zurückzuführen sei, wird durch den
plötzlichen inhaltlichen Bruch im Text, dass Ceesay “wegen Suchtgiftdelikten vorbestraft”
war und “bei einer Spitalskontrolle Stunden vor seinem Tod eine Krankenschwester attackiert hatte” untermauert. Die Argumentationsstrategie der Krone ist in diesem Fall
folgende: Ein vorbestrafter und gewalttätiger Schwarzafrikaner sitzt zurecht in Schubhaft
und ist selber schuld, wenn er zu wenig trinkt. Dabei wird hier der Begriff der Schubhaft
völlig falsch verwendet und erklärt. In dem Artikel heißt es nämlich: “Er war wegen
Suchtgiftdelikten vorbestraft und saß in Schubhaft.” Aufgrund einer solchen Verbindung
dieser zwei voneinander unabhängigen Tatsachen, wird suggeriert, dass die Schubhaft,
in der sich Ceesay befand, eine logische Folge der Verübung von Suchtgiftdelikten war.
Dass Ceesay in Schubhaft saß, weil sein Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden war
und seine Identität nicht einwandfrei geklärt werden konnte, wird nicht erwähnt. Folglich
werden hier alle Schubhäftlinge unterschwellig als Verbrecher_innen etikettiert und die
Leser_innen falsch informiert.
Demselben Artikel kann eine weitere Fehlinformation entnommen werden. Obwohl in
der Ausgabe am Tag zuvor der 28. September 2005 als Datum, an dem Ceesay laut
Polizeiaussagen in den Hungerstreik getreten war (eine Behauptung, die den Aussagen
von Ceesays Zellengenossen zufolge ebenfalls nicht stimmte), genannt wurde, wurde im
Artikel vom 6. Oktober 2005 fälschlicherweise berichtet, dass sich Ceesay bis zu seinem
Tod am 4. Oktober 2005 insgesamt fünf Tage im Hungerstreik befunden hätte. Die Kommunikationswissenschaftler Peter A. Bruck und Günther Stocker weisen darauf hin, dass
aufgrund des Vorrangs der Gewinnmaximierung genaue und tiefgreifende Recherchen im
Boulevardjournalismus keinen Platz hätten, ein Mangel an journalistischer Professionalität
daher hingenommen werde und Fehlmeldungen oft nicht korrigiert würden.208 Auch in
diesem Fall wurde keine Berichtigung der Fehlinformation vorgenommen, obwohl die
Möglichkeit dazu am darauf folgenden Tag im Rahmen der gedruckten Kurzmeldung mit
der Schlagzeile “Drogendealer war ’haftunfähig’: Nach Hungerstreik aus Krankenhaus spaziert”, die gleich zu Beginn eine Verbindung zu Yankuba Ceesay herstellt, gegeben gewesen
wäre. In diesem Artikel wird Yankuba Ceesay wiederholt mit Drogen und verweigerndem
Verhalten in Verbindung gebracht. Das Bild vom “afrikanischen Drogendealer”, das bereits
im Rahmen der beiden anderen genannten Krone-Artikel suggeriert wurde, wird in diesem knappen Bericht noch einmal vermittelt. Die Kernaussage dieses Artikels ist jedoch
eine andere. Diese kann bereits der Schlagzeile, “Nach Hungerstreik aus Krankenhaus
207
208
vgl. Bruck und Stocker 1996, S. 19
vgl. ebd., S. 17 f
148
spaziert”, entnommen werden, in der eine Kritik am österreichischen Rechtssystem und
der österreichischen Sicherheitspolitik mitschwingt. Den letzten Zeilen des Artikels kann
sinngemäß entnommen werden, dass eine Erweiterung des Zuständigkeitsbereiches und der
Befugnisse der österreichischen Polizei erforderlich sei, um in Zukunft zu verhindern, dass
Häftlinge, die, aus welchem Grund auch immer, einer medizinischen Behandlung in einem
Krankenhaus bedürfen und auch dort hingebracht werden, von dort unbemerkt flüchten
können. Mit dem abschließenden Satz “Als die Polizei kam, war er schon weg.” wird die
Effizienz der österreichischen Polizeiarbeit in Frage gestellt und eine unterschwellige Forderung nach mehr Sicherheit in Österreich laut. Vermutlich löst allein die Schlagzeile dieses
Artikels bei etlichen Leser_innen Empörung aus, was laut Bruck und Stocker typisch für
boulevardformatige Medien ist, die, wie oben bereits angeführt, der Emotion gegenüber
der Information grundsätzlich den Vorrang geben. Durch ein bei den Rezipient_innen
hervorgerufenes Gefühl der Empörung, das sich primär gegen das Unbekannte oder die
“upper-class” in der jeweiligen Gesellschaft richtet, erlebt der/die jeweilige Rezipient_in
eine neue “soziale Rangordnung”, in der er/sie in die Rolle des/der Richter_in schlüpft,
der verurteilt und straft und sich somit im Besitz der Macht wähnt.209
Um dem/der Leser_in Überschaubarkeit zu garantieren, wird in Boulevard-Tageszeitungen
grundsätzlich allem Fremden und Unbekannten, insbesondere “Ausländer_innen”, zunächst feindlich gegenübergetreten. Diese Sicherstellung der Überschaubarkeit, die eine
Vereinfachung gesellschaftlicher Konflikte und eine Konstruktion übersichtlicher Weltbilder mit sich bringt, ist vor allem im Hinblick auf die tägliche Aufbereitung angstbesetzter
Themen durch die Leser_innen notwendig und zählt zu einer der wichtigsten diskursiven
Strategien von Boulevardzeitungen.210 Eine solche Überschaubarkeit wird also durch
die Anwendung von “Zweitcodierungen” erreicht. Beispiele für solche “Zweitcodierungen”
sind in der Kronen Zeitung u. a. “wir”/”die anderen”, “die da oben”/”die da unten” sowie
“gut”/”böse”.211 Diese Strategie trägt in weiterer Folge zu einer stärkeren Leser_innenBlatt-Bindung bei und führt zu einem vertraulichen Verhältnis zwischen Leser_in und
Zeitung.212 Die Nähe zum/zur Leser_in soll auch durch sprachliche Mittel aufgebaut
werden. Alle drei analysierten Krone-Artikel weisen eine einfache Sprache auf, die durch
kurze Sätze und einen leicht verständlichen Wortschatz gekennzeichnet ist und der Alltagssprache nahekommt. Vor allem letzteres trägt dazu bei, Nähe zum/zur Leser_in
herzustellen.
Allerdings gehen all diese auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Strategien auf Kosten einer qualitativ hochwertigen Berichterstattung, die sich in erster Linie durch eine
konsequente und umfassende Einhaltung des Kriteriums der Objektivität auszeichnet.
Aufgrund dieser Tatsache und der obigen Ausführungen ist der an die Kronen Zeitung
oftmals gerichtete Vorwurf der tendenziösen Berichterstattung nicht unberechtigt. Ist dieses Kriterium der Objektivität nicht erfüllt, ist in weiterer Folge auch eine Bedingung für
das Entstehen von medialem Rassismus gegeben. An dieser Stelle sollte allerdings darauf
hingewiesen werden, dass die Bedeutung des Objektivitäts-Begriffs in der Wissenschaft
äußerst umstritten ist. Maturana, einer der Begründer des radikalen Konstruktivismus, ist
z. B. der Meinung, dass es objektive Erkenntnis nicht gebe, da Kognition ein subjektabhängiges Phänomen sei und ein objektiver Maßstab, der die eine Erkenntnis als angemessener
als die andere deklariere, folglich nicht existieren könne.213 Daher bezeichnet Weber
die Kronen Zeitung als ein autopoietisches bzw. selbsterschaffendes oder -erhaltendes
209
vgl.
vgl.
211
vgl.
212
vgl.
213
vgl.
210
Bruck und Stocker 1996, S. 29
ebd., S. 24 f
Weber 1995, S. 120
Bruck und Stocker 1996, S. 30
Maturana 1982, S. 308
149
System, dessen journalistische Produkte die Wirklichkeit konstruieren und nicht selektiv
abbilden.214
5.4.5.2 Oberösterreichische Nachrichten
In den Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN) konnten mehr als doppelt so viele
Artikel zum Fall “Yankuba Ceesay” als in der Kronen Zeitung gefunden werden. Zudem
unterscheiden sich beide Tageszeitungen auch darin, dass in den OÖN der gesamte Fall über
einen längeren Zeitraum hinweg verfolgt wurde und die Artikel mehr Informationsgehalt
aufweisen (und folglich auch länger sind) als die in der Kronen Zeitung. Somit konnte
in den OÖN eine detailliertere Falldarstellung, die auch Expert_innenmeinungen und
unterschiedliche Sichtweisen beinhaltet, ausgemacht werden.
Allerdings konnten auch einige für den Boulevardjournalismus typische Charakteristika
und somit Überschneidungen mit der Kronen Zeitung gefunden werden. Stilistisch weisen
die in den OÖN untersuchten Artikel eine ähnlich einfache Sprache auf, die durch einen
relativ leicht verständlichen Wortschatz, der aufgrund der häufigeren Verwendung von
medizinischen Fachausdrücken reicher erscheint als der in der Kronen Zeitung, simple
chronologische Abfolgen und eine sehr sparsam eingesetzte reißerische Wortwahl gekennzeichnet ist. Die zweimalige Verwendung des Begriffs “Todeszelle” ist beispielsweise ein
Beleg für letztere. Folglich verwenden auch die OÖN eine dem Alltag nahe Sprache, die
aufgrund der Vertrautheit des Wortschatzes Nähe zu den Leser_innen erzeugt. In manchen
Berichten wird Yankuba Ceesay ähnlich wie in der Kronen Zeitung simpel etikettiert
und einer offensichtlichen moralischen Beurteilung unterzogen. Im Hauptartikel vom 6.
Oktober 2005 mit der Schlagzeile “Herztod in Zelle durch Flüssigkeitsmangel” beispielsweise wurde Yankuba Ceesay als Schwarzafrikaner tituliert. Die moralische Bewertung von
Schwarzafrikanern wurde schließlich durch folgende Meldung in einer separaten Notiz am
Ende des Berichtes, die über die Todesfälle, die sich in jenem Jahr in der Schubhaft bereits
ereignet haben, informiert, vorgenommen: “Im August wurde ein Pole in Wien von einem
Schwarzafrikaner erstochen”. Die sparsame Verwendung von Begriffen wie “Todeszelle”,
“Schwarzafrikaner” und “Schwarzer Kontinent” weist auf eine leicht visualisierende Sprache
hin, die normalerweise ein Charakteristikum des Boulevardjournalismus ist.215
Visualisierung manifestiert sich in den OÖN auch im hohen Bildanteil. Während in
der Kronen Zeitung, dem österreichischen Aushängeschild für Boulevardjournalismus,
entgegen dem üblichen platzverschlingenden, bildorientierten Layout kein einziger Bericht
über Yankuba Ceesay ein Bild bzw. Foto enthält, wird in den OÖN ausnahmslos jeder
Artikel über Yankuba Ceesay mit mindestens einem Foto versehen. Fotos vom Innenraum
einer Zelle oder von Yankuba Ceesay selbst beispielsweise sollen die bereits erwähnte Nähe
zum/zur Leser_in herstellen, indem sie ihm/ihr einen tieferen Einblick in das Ereignis
gewähren und den Eindruck von Authentizität und Aktualität vermitteln.216 Eine weitere
Strategie, die Boulevard-Zeitungen im Zuge der Fotoauswahl oftmals verfolgen, ist Nähe
durch ein vorher erzeugtes Gefühl der Vertraulichkeit aufzubauen. Aus diesem Grund
werden in Boulevard-Tageszeitungen häufig Fotos von Jungtieren, insbesondere von Welpen
und Katzen, sowie von Kindern, vorzugsweise von Mädchen, abgedruckt.217
Es sind nicht nur diesbezüglich viele unterschiedliche Interpretationen möglich, sondern
auch was die inhaltliche Gestaltung einer ganzen Seite betrifft. Es stellt sich z. B. auch die
214
vgl.
vgl.
216
vgl.
217
vgl.
215
150
Weber 1995, S. 122
Bruck und Stocker 1996, S. 26
ebd., S. 20
ebd., S. 24
Frage, ob es ein Zufall war, dass der Artikel über unterernährte Igelbabys auf derselben
Seite gedruckt wurde, auf der auch über den im Hungerstreik gestorbenen Yankuba Ceesay
berichtet wird oder ob hier bewusst Verbindungen zwischen den Artikeln hergestellt
werden. Dieselbe Frage stellt sich bei der Kurzmeldung mit dem Titel “Suchtgiftring
ausgehoben” vom 7. Oktober 2005, die neben einem Artikel über Ceesay, über dessen von
Suchtgiftdelikten geprägte Vergangenheit an beiden Tagen davor berichtet wurde, platziert
wurde. Wenn hier bewusst Verbindungen zwischen den Artikeln geschaffen werden sollen,
wird klar, in welchem Licht die OÖN den Fall sowie die Person “Yankuba Ceesay” darstellen
wollen. Aufgrund der Vielzahl an Kriminalberichten, die auf denselben Seiten, auf denen
über den Fall “Yankuba Ceesay” berichtet wird (“Olympiasieger wegen Zuhälterei vor
Gericht”, “Seit 7 Wochen vermisst”, “Suchtgiftring ausgehoben”, “Kinderschreck vor der
Leondinger Volksschule: Behörden warnen Eltern”, “Entschädigung für Fliegerbombenopfer:
Versicherung wehrt sich gegen Vorwürfe”) abgedruckt sind, würde Ceesay in Kombination
mit der im Folgenden analysierten Darstellung seiner Person noch stärker in das Licht
des Verbrechers gerückt werden.
So wie die Kronen Zeitung, aber auf eine viel subtilere Weise, stellen die OÖN die Person
Yankuba Ceesay als einen gefährlichen, aggressiven und aufgrund verübter Suchtgiftdelikte
zurecht eingesperrten illegal Zugewanderten dar. Argumente für diese Behauptung lassen
sich sowohl auf der inhaltlich-ideologischen als auch auf der sprachlich-rhetorischen
Ebene ableiten. Die beiden Zwischenüberschriften im Artikel vom 5. Oktober 2005,
“Feste Nahrung verweigert” und “Einzelzelle nach Fußtritten”, rücken gleich einmal das
Fehlverhalten Ceesays in den Mittelpunkt. Auch im Text lassen sich Aussagen finden, die
sich gegen die Person Yankuba Ceesay richten und mehrmals die korrekte Vorgehensweise
der Polizei bekräftigen. Völlig aus dem Zusammenhang gerissen und Misstrauen gegenüber
Ceesay schürend heißt es im ersten Absatz folgendermaßen: “[...] Wegen Platzmangel kam er
jedoch am 2. Mai von der Justizanstalt Josephstadt (sic!) in die Justizanstalt in Linz. Dort
verhielt sich der 18-Jährige (so lautete jedenfalls seine Angabe) unauffällig, die bedingte
Entlassung erfolgte am 12. September”. Sinngemäß wird stets betont, dass jegliches
Fremdverschulden am Tod Ceesays auszuschließen und der Tod völlig überraschend
eingetreten sei (“Der Mann erhielt nicht nur Informationsblätter über die möglichen
Gesundheitsfolgen eines Hungerstreikes. Es betreuten ihn auch regelmäßig Mitarbeiter
des Vereins Menschenrechte.”, “Er konnte zu dieser Zeit problemlos zu Fuß gehen.”,
“Woran der 18-Jährige gestorben ist, ist noch unklar. Vermutet wird eine Herzschwäche.”).
Zudem wird im Text auf Ceesays angeblich gefährliches Verhalten hingewiesen (“Doch
im Akh widersetzte er sich plötzlich der Blutabnahme und trat mit den Füßen nach
den Krankenschwestern.”, “Einzelzelle nach Fußtritten”, “Im Anhaltezentrum erhielt er
wegen seiner Aggressivität eine Einzelzelle.”). Alle diese Punkte werden im Hauptartikel
vom 6. Oktober 2005, dessen einzige Zwischenüberschrift “Keine Misshandlungen” lautet,
u. a. durch Zitate des ärztlichen Leiters des Akh Linz, eines Gerichtsmediziners und
dem Chef des Vereins Menschenrechte Österreich nochmals bekräftigt. Auch dem am
selben Tag und auf derselben Themenseite abgedruckten Artikel über Zwangsernährung
kann sinngemäß entnommen werden, dass von Seiten der Polizei, der Ärzt_innen und
anderer Expert_innen alles unternommen wurde, um Ceesay zu helfen, indem berichtet
wird, dass 2006 ein neues Asylgesetz in Kraft treten werde, das die Zwangsernährung von
Schubhäftlingen erst dann indirekt erlauben würde. Ähnlich wie in der Krone wird am Ende
dieses Artikels auch Kritik am österreichischen Rechtssystem geübt, indem berichtet wird,
dass ein aufgrund eines Hungerstreiks für haftunfähig erklärter Schubhäftling letztendlich
freigehe, da ein Krankenhaus derzeit noch nicht verpflichtet sei, eine Bewachung zu dulden.
Dass Hungerstreik ein erfolgreiches erpresserisches Mittel zur Freilassung sein kann, wird
sowohl in einer separaten Notiz am Ende des Hauptartikels vom 6. Oktober 2005 vermittelt,
wo es heißt: “1072 gingen nach Hungerstreiks frei.”, als auch in einem auf derselben
151
Themenseite veröffentlichten Interview der OÖN mit dem Geschäftsführer des Vereins
SOS-Menschenrechte, in dem die Interviewerin folgende provokante Suggestivfrage stellt:
“Aber ist Hungerstreik nicht häufig auch eine berechnende Methode, um freizukommen?
Laut Innenministerium hat sich im Vorjahr jeder zehnte Schubhäftling auf diese Art
freigepresst.”
Indem im Gegensatz zur Krone u. a. auch Personen wie der eben genannte Geschäftsführer
des Vereins SOS-Menschenrechte, der Bruder von Yankuba Ceesay und die Sprecherin
der Plattform Zivilcourage, die alle eine lückenlose Aufklärung des Falles fordern und
auf der Seite Yankuba Ceesays stehen, zitiert werden, könnte der Eindruck von einer
objektiven Berichterstattung entstehen. Allerdings werden die Argumente dieser Personen
nicht selten durch sprachlich-rhetorische Mittel von den OÖN entschärft. Im Artikel vom
7. Oktober 2005 beispielsweise weist die Sprecherin der Plattform Zivilcourage auf Mängel
im Schubhaftsystem hin, während unmittelbar danach berichtet wird, dass die Zahl der
Schubhäftlinge in den vorangegangenen Jahren auf etwa die Hälfte gesunken sei. Diese
Tatsache an dieser Stelle des Textes anzuführen, entschärft die davor genannte Behauptung,
weil sie die Ernsthaftigkeit der Schubhaft-”Problematik” untergräbt. Aufgrund solcher
Argumentationsstrategien und der obigen Ausführungen betreiben die OÖN keine rein
objektive Berichterstattung. Ohne dieser Tageszeitung eine rassistische Berichterstattung
zu unterstellen bzw. vorzuwerfen, sollte dennoch festgehalten werden, dass bei einer
Nicht-Erfüllung des Kriteriums der Objektivität in den Medien zumindest eine Bedingung
für das Entstehen von medialem Rassismus gegeben ist.
5.4.5.3 Der Standard
Von allen drei untersuchten Tageszeitungen konnten im Standard die meisten Artikel zum
Fall “Yankuba Ceesay” gefunden werden. Diese weisen zudem den größten Informationsgehalt auf und sind das Ergebnis weitaus tiefgreifenderer Recherchen. Letztere haben sich
auch über den längsten Zeitraum hinweg erstreckt: Während in der Kronen Zeitung die
letzte direkte Berichterstattung über den Fall am 6. Oktober 2005 und in den OÖN am
14. Oktober 2005 stattgefunden hat, wurde im Standard der letzte Artikel zum Fall am 8.
Februar 2006 veröffentlicht.
Letztendlich sind diese Tatsachen auf das relativ weite Themenspektrum sowie die
Erzählstruktur des Standard zurückzuführen. Während die Kronen Zeitung und die OÖN
den Fokus der Berichterstattung auf persönliche Details und folglich die Darstellung der
Person “Yankuba Ceesay” gelegt haben, wurde das Ereignis vom Standard eher in einem
soziopolitischen Rahmen untersucht und dargestellt. Mit anderen Worten: Die diskursiv
zugespitzte Darstellung des persönlichen Schicksals Yankuba Ceesays in der Krone und
insbesondere in den OÖN steht einer durch den Tod Ceesays veranlassten kritischen
Berichterstattung über die gesamte Schubhaft-Thematik im Standard gegenüber. Folglich
wird in der Krone und den OÖN in erster Linie über Ceesays von Suchtgiftdelikten
gekennzeichnete Vergangenheit sowie sein auffälliges Verhalten im Akh Linz berichtet. Im
Gegensatz dazu wird in keinem einzigen der im Standard veröffentlichten Artikel über
Ceesays Zeit vor seinem Aufenthalt im Polizeianhaltezentrum in Linz berichtet. Und
nur in zwei Artikeln, und dies auch nur am Rande, wird Ceesays “aggressives” Verhalten
während der Untersuchung im Akh Linz erwähnt. Auf den Vorteil der Überschaubarkeit,
der sich durch die Personalisierungs-Strategie der Krone und der OÖN ergibt, indem
komplexe Zusammenhänge durch die Personalisierung der Schubhaft-Problematik für die
152
Leser_innen leichter verständlich gemacht werden,218 verzichtet der Standard zugunsten
einer qualitativ hochwertigeren Berichterstattung.
Zudem betreibt der Standard einen weitaus kritischeren und vorsichtigeren Umgang mit
Informationen. Während in der Krone und in den OÖN stets von einem “18-jährigen
Gambier” die Rede ist, hat der Standard tiefgreifender recherchiert: “Die Identität des
Toten steht noch nicht offiziell fest. Nach seinen eigenen Angaben aus dem Asylverfahren
stammte er aus Gambia und war 18 Jahre alt. Der Verein Menschenrechte, der ihn
in der Haft betreut hatte, geht davon aus, dass er um die 22 Jahre alt gewesen sein
dürfte.” Diese Vorsicht im Umgang mit Informationen, die sich nicht zuletzt in präzisen
Formulierungen widerspiegelt, ist auch daran erkennbar, dass im Vergleich zu den OÖN
wesentlich mehr Meinungen von Expert_innen, die ein Fremdverschulden am Tod Ceesays
für möglich halten, eingeholt werden. Während in den OÖN auch lediglich von “Mängel[n]
im Schubhaftsystem” die Rede ist, werden im Standard etliche NGOs und Politiker_innen
zitiert, die konkrete und mit Beispielen untermauerte Kritik an den österreichischen
Schubhaft-Haftbedingungen und am Umgang mit Hungerstreikenden äußern.
Zudem lassen sich noch weitere inhaltliche Unterschiede zu den OÖN und der Krone
festmachen. Über den ehemaligen nigerianischen Zellengenossen Ceesays, der ebenfalls in
den Hungerstreik getreten ist, wurde z. B. in den OÖN berichtet, dass er plötzlich aus
dem Krankenhaus geflüchtet sei, während der Standard im Artikel vom 30. November
2005 berichtete, dass “Henry Cu. unmittelbar nach dem Tod seines Zellenkollegen in ein
Linzer Spital eingeliefert und dort dann offiziell entlassen wurde - um aber kurze Zeit
später von der Fremdenpolizei wieder aufgegriffen zu werden.” Zudem war bei diesem
Spital in den OÖN im Artikel vom 7. Oktober 2005 vom Akh Linz die Rede, während
am selben Tag im Standard berichtet wurde, dass Henry Cu. in das Krankenhaus der
Barmherzigen Schwestern in Linz gebracht wurde.
Der Standard ist die einzige unter den drei analysierten Tageszeitungen, die den Fall
im Februar 2006, als nach einer Analyse des Obduktionsbefundes durch einen Linzer
Allgemeinmediziner und Tropenpezialisten neue Zweifel an der offiziellen Todesursache
laut wurden, erneut aufgerollt hat. In der Kronen Zeitung hingegen wurde das letzte Mal
am 6. Oktober 2005 über den Fall berichtet, wobei hier von einem auf eine “elektrolytische Verschiebung im Blut” zurückzuführenden “plötzlichen Herz-Kreislauf-Versagen” als
vermutliche Todesursache die Rede war und die OÖN hat den letzten Artikel zum Fall, in
dem der Tod Ceesays auf eine erbbedingte Sichelzellen-Anämie zurückgeführt wurde, am
14. Oktober 2005 veröffentlicht.
Der Standard weist im Vergleich zu den OÖN einen deutlich geringeren Bildanteil auf.
Die meisten Berichte, die ein Foto enthalten, zeigen das Innere der Sicherungszelle, in
der Ceesay tot aufgefunden wurde. Ein einziger Artikel enthält ein Porträt-Foto Ceesays,
das den Gambier lächelnd zeigt und den Eindruck vermittelt, dass es sich hierbei um
einen freundlichen, aufgeschlossenen, zufriedenen jungen Mann handelt. Auf den in den
OÖN veröffentlichten Porträt-Fotos hingegen macht Ceesay einen eher traurigen Eindruck, was den Effekt des einfühlenden Mitleidens beim/bei der Rezipient_in auslöst.219
Visualisierung spielt im Standard folglich eine eher untergeordnete Rolle und schlägt
sich in der Sprache so gut wie überhaupt nicht nieder. Bezüglich letzterer kann festgehalten werden, dass die analysierten Artikel einen reichen Wortschatz, allerdings keine
(Kollektiv-)Symbole, Metaphern, Sprichwörter oder umgangssprachliche Redewendungen
aufweisen. Auf die Verwendung einer reißerischen Wortwahl wird ebenfalls zur Gänze
218
219
vgl. Bruck und Stocker 1996, S. 25
vgl. ebd., S. 26
153
verzichtet. Nicht nur deswegen, sondern auch aufgrund der obigen Ausführungen, betreibt
der Standard eine objektive Berichterstattung.
5.5 Fazit
Die Beantwortung der Frage, inwieweit bei der Darstellung des Falles “Yankuba Ceesay”
in den (ober)österreichischen Tageszeitungen “Kronen Zeitung“, “Oberösterreichische
Nachrichten“ und “Der Standard” von rassistischer Berichterstattung gesprochen werden
kann, ist trotz der ausführlichen Recherche kein leichtes Unterfangen. Ohne einer der eben
genannten Zeitungen eine rassistische Berichterstattung zu unterstellen bzw. vorzuwerfen,
sollte festgehalten werden, dass bei manchen analysierten Zeitungsartikeln eindeutige
Hinweise für eine Nicht-Erfüllung des Kriteriums der Objektivität vorliegen und somit
eine Bedingung für das Entstehen von medialem Rassismus gegeben ist. Die KronenZeitung erfüllt nahezu alle Voraussetzungen, um als typische Boulevard-Tageszeitung mit
tendenziöser und folglich nicht objektiver Berichterstattung bezeichnet werden zu können:
• große und fett gedruckte Schlagzeilen sowie äußerst kurze Berichte zur Sicherstellung
der Überschaubarkeit
• das relativ enge Themenspektrum220 , das eine Reduktion des Falles “Yankuba
Ceesay” auf eine triviale, klischeehafte und sensationalisierte Verbrechensgeschichte
zur Folge hatte
• die vorrangige Addressierung der Emotionen der Leser_innen, die u. a. durch die
Verwendung einer reißerischen Wortwahl erreicht wird und mit der eine Reduktion
des Informationsgehaltes in den Berichten einhergeht
• ein Mangel an tiefgreifenden Recherchen, der sich ebenfalls in einem geringen Informationsgehalt der Berichte und stellenweise sogar in Fehlmeldungen widerspiegelt
• die Konstruktion übersichtlicher Welt-, Menschen- und Gesellschaftsbilder in Verbindung mit der Anwendung von “Zweitcodierungen” 221 zur Gewährleistung der
einfachen Nachvollziehbarkeit komplexer und oftmals politischer Themen sowie zur
Stärkung der Leser_innen-Blatt-Bindung
• die Verwendung einer einfachen Sprache, die durch kurze Sätze und einen leicht
verständlichen Wortschatz gekennzeichnet ist und der Alltagssprache ähnelt
In der Kronen Zeitung steht eindeutig die Person Yankuba Ceesay und nicht der Fall
im Vordergrund. Das Bild des “afrikanischen Drogendealers” wird mit Hilfe der eben
aufgelisteten diskursiven Strategien glaubwürdig vermittelt. Was die optische Gestaltung
der aufgrund der dürftigen Berichterstattung über den Fall “Yankuba Ceesay” geringen
Anzahl an analysierten Krone-Artikeln betrifft kann nur ein einziges für boulevardformatige Medien typisches Merkmal nicht bestätigt werden, nämlich das üblicherweise
platzverschlingende und bildorientierte Layout. In der Kronen Zeitung wurde nämlich
keiner der drei analysierten Kurzmeldungen ein Foto oder ein Bild beigefügt.
Dafür konnten in den Oberösterreichischen Nachrichten umso mehr Fotos ausgemacht
werden. Hier wurde ausnahmslos jeder Artikel über Yankuba Ceesay mit mindestens
220
221
vgl. Bruck und Stocker 1996, S. 22 f
Weber 1995, S. 120
154
einem Foto versehen. Eine für den Boulevardjournalismus typische Strategie, die in diesem
Zusammenhang verfolgt wird, ist, mit bestimmten Fotos ein Gefühl der Vertraulichkeit
aufzubauen, um in weiterer Folge Nähe zu den Leser_innen herzustellen. Überdies verwenden die Oberösterreichischen Nachrichten ähnlich wie die Kronen Zeitung eine einfache
und visualisierende Sprache, die durch einen relativ leicht verständlichen Wortschatz,
simple chronologische Abfolgen und eine sehr sparsam eingesetzte reißerische Wortwahl
gekennzeichnet ist. Yankuba Ceesay wird in den OÖN-Artikeln stellenweise mit Hilfe
etlicher für den Boulevardjournalismus typischer Argumentationsstrategien als Verbrecher
etikettiert. Auch wenn die für den Boulevardjournalismus typischen Charakteristika in
den Oberösterreichischen Nachrichten nicht gerade in dem Ausmaß und in der Intensität
vorhanden sind wie in der Kronen Zeitung, betreiben auch die Oberösterreichischen
Nachrichten keine objektive Berichterstattung.
Im Standard hingegen wurde im Zuge der Berichterstattung über den Fall “Yankuba
Ceesay” eine rein objektive Berichterstattung betrieben. Hier konnte kein einziges für den
Boulevardjournalismus typisches Merkmal ausgemacht werden. Die analysierten Artikel
im Standard weisen den größten Informationsgehalt auf und sind das Ergebnis weitaus
tiefgreifenderer Recherchen. Diese Ergebnisse können zum Teil auf das relativ weite Themenspektrum sowie die Erzählstruktur des Standard zurückgeführt werden. Er verzichtet
auf die für Überschaubarkeit und Spannung sorgende Personalisierungs-Strategie und
scheint einzig und allein an einer lückenlosen Klärung des Todes von Yankuba Ceesay interessiert zu sein. Im Vergleich zur Kronen Zeitung und den Oberösterreichischen Nachrichten
werden im Standard auch wesentlich mehr Expert_innen, die ein Fremdverschulden am
Tod Ceesays für möglich halten, zitiert.
Er ist auch die einzige Tageszeitung, die den Fall “Yankuba Ceesay” im Februar 2006,
als nach einer Analyse des Obduktionsbefundes durch einen Linzer Allgemeinmediziner
und Tropenpezialisten neue Zweifel an der offiziellen Todesursache Ceesays laut wurden,
erneut aufgerollt hat. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Sichelzellen-Anämie als
Todesursache ausscheide, da der Sauerstofftransport bei Yankuba Ceesay an seinem
Todestag bei 98 Prozent gelegen habe. Er gehe davon aus, dass die Todesursache mit
einem Nierenversagen zusammenhänge, da der Laborbefund eine Harnstoffvergiftung und
ein beidseitiges Nierenversagen belegen könne. Ceesay habe in drei Wochen 17,5 Kilogramm
verloren und einen Flüssigkeitsmangel von etwa zehn Litern aufgewiesen. Er sei schlichtweg
verdurstet.222 In der Kronen Zeitung hingegen wurde das letzte Mal am 6. Oktober 2005
über den Fall berichtet, wobei hier von einem auf eine “elektrolytische Verschiebung im Blut”
zurückzuführenden “plötzlichen Herz-Kreislauf-Versagen” als vermutliche Todesursache die
Rede war und die OÖN hat den letzten Artikel zum Fall, in dem der Tod Ceesays auf eine
erbbedingte Sichelzellen-Anämie zurückgeführt wurde, am 14. Oktober 2005 veröffentlicht.
Trotz der genauen Recherchen des Standard ist diese Sichelzellen-Anämie in Kombination
mit dem Flüssigkeitsentzug die offizielle Erklärung für den Tod Ceesays. Dies wurde auch
vom ehemaligen Rechtsbeistand von Yankuba Ceesay bestätigt.223 Auch der UVS-Oö gibt
als Todesursache das Zusammenspiel von Flüssigkeitsmangel und Sichelzellen-Anämie
an, welches zu einer Verschiebung des Elektrolythaushaltes geführt haben soll. Dieses
soll bei Ceesay akute Herzrhythmusstörungen ausgelöst und schließlich zum Herztod des
Schubhäftlings geführt haben.224
Die Frage, inwieweit Yankuba Ceesay abgesehen von der Diskursebene der Medien ein
Opfer rassistischer Handlungen war, kann nicht genau beantwortet werden. Ob bzw.
222
zit.n. Rohrhofer 2006
Interview mit Blum 2011
224
vgl. Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006, S. 5
223
155
inwieweit die Inschubhaftnahme Ceesays mit einer rassistischen Handlung gleichgesetzt
werden kann, ist fraglich. Allerdings wurde sie vom UVS-Oö als rechtswidrig eingestuft.
Dies entschied er mit der Begründung, dass sich die Verhängung von Schubhaft dann
als rechtswidrig erweist, wenn von der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel hätten
angewendet werden können.225
Was die Schubhaft in Österreich betrifft, kann festgehalten werden, dass eine Reihe
von unklaren gesetzlichen Definitionen (Abschiebung, Ausweisung, Aufenthaltsverbot
etc.), die zum Teil einen sehr breiten Interpretationsspielraum für die Behörden zulassen,
existiert. Zudem wird bei der Inschubhaftnahme keine sinnvolle Unterscheidung zwischen
Personen, die einen vorläufigen Aufenthaltsstatus haben und bereits seit Jahren erfolgreich
integriert sind und Menschen, die sich illegal in Österreich aufhalten und sich nicht
integrieren wollen, getroffen.226 Des Weiteren sind die Bedingungen der Schubhaft zum
Teil menschenunwürdig. Ursprünglich wurden die österreichischen Polizeianhaltezentren
für Verwaltungsstraftäter_innen konzipiert und sind daher auch nicht dafür geschaffen,
Menschen für längere Zeit dort festzuhalten.227
225
vgl. Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 2006, S. 18
vgl. Radl 2000, S. 32f
227
vgl. ebd., S. 22
226
156
6 Kopftuchverbot an Linzer Schulen:
Angst vor dem Islam
6.1 Einleitung
Nahezu täglich sind in den Medien die Themen Islam, Muslim_innen und Kopftuch präsent.
Im Zuge der einschlägigen Berichterstattung wird häufig die Forderung ausgesprochen,
dass Migrant_innen sich jeweiligen Sitten und Bräuchen, der Kultur und dem Alltag
anpassen sollen, indem sie ihr Kopftuch abnehmen und damit ihre Religion und Kultur
nicht zur Schau stellen. Das Kopftuch wird in diesem Zusammenhang oft als Zeichen
für mangelnde Integration, Rückständigkeit und Ablehnung der westlichen Gesellschaft
gesehen. Besonders in Österreich hat dieses Thema große Aktualität. Doch welchen
Unterschied macht es, ob eine Person Kopftuch trägt oder nicht? Welche Assoziationen
haben die Österreicher_innen im Zusammenhang mit dem Kopftuch? Welches Bild wird
in den Medien zum Thema Kopftuch und Islam vermittelt? Wird eine Atmosphäre der
Feindseligkeit und Ablehnung geschaffen und werden in den Berichten rassistische Inhalte
transportiert? Welche Stimmung wird aufgrund der Berichterstattung erzeugt? Welche
Emotionen werden hervorgerufen, welche Stereotype bedient?
Ziel dieses Kapitels ist eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Thema Kopftuch und
Islam in den Medien. Dazu erfolgt eine Analyse der Berichterstattung in österreichischen
Printmedien im Zusammenhang mit der Kopftuchdebatte an Linzer Schulen. Der Fokus
liegt auf der Darstellungsweise der Berichte sowie dem Einsatz von sprachlichen Mitteln,
Begriffen und Redewendungen. Es soll auch geklärt werden, wie diese Artikel und Beiträge
formuliert und ausgestaltet sind, ob die Berichterstattung neutral, objektiv, positiv oder
eher negativ gehalten ist.
Um an das Thema heranzuführen erfolgt zu Beginn eine Aufarbeitung der Grundlagen
und Begriffe im Zusammenhang mit Kopftuch und Islam. Dies geschieht anhand von
Begriffsdefinitionen und -abgrenzungen, sowie einer Einführung zum geschichtlichen,
religiösen und kulturellen Hintergrund und den rechtlichen Rahmenbedingungen. Eine
Mediendiskursanalyse erfolgt danach im Rahmen einer Aufarbeitung der Berichterstattung
zweier konkreter Ereignisse an Linzer Schulen zum Thema Kopftuch und der Angst vor
dem Islam.
6.2 Die Debatte um das Kopftuch
Das Kopftuch wird von muslimischen Mädchen ab der eintretenden Geschlechtsreife
getragen und verhüllt das Haar bis zum Haaransatz. Es ist daher als geminderte Form
einer Verschleierung zu sehen, da es weder die Bewegungs- noch die Orientierungsfreiheit
der Trägerin beeinflusst.1
1
vgl. Baumgartner 2009, S. 9
157
6.2.1 Allgemeines
Im allgemeinen Sprach- und Kulturkreis lassen sich unterschiedlichste Gründe für das
Tragen eines Kopftuches erkennen. Es gibt nicht nur verschiedene Motive ein Kopftuch zu
tragen, sondern auch unterschiedliche Arten dies zu tun.
Manche Frauen nutzen das Kopftuch als eine Art Kopfbedeckung, welche nur die Ohren
und Haare bedeckt, hier spricht man vom Hijab. Andere Frauen tragen den persischen
Tschador, einen den ganzen Körper verhüllenden Schleier mit Sichtfenster.2 Die Burqa ist
ein Körperschleier für Frauen, der lediglich die Augen frei lässt.3 Bei einem Kopftuch kann
nicht pauschal von “islamischer” Bekleidung gesprochen werden, denn viele Frauen tragen
das Kopftuch nur, um die Tradition weiter zu führen und dies auch zu zeigen. Weiters
hat das Kopftuch in den islamischen Ländern eine durchaus praktische Funktion, denn es
dient es als Schutz vor Hitze und Staub. Weitere Gründe für das Tragen von Kopftüchern
sind das zur Schau stellen der eigenen Identität und das Zugehörigkeitsgefühl zur eigenen
Religion.4
Wie aber kommt es zu dieser Ansicht, dass Frauen sich verschleiern sollen? In Kommentaren
zum Koran, religiösen Gutachten, Schriften und Predigten wird die islamische Kleidung
einerseits als religiöse Pflicht und andererseits als Schutz und Würde dargestellt.5 Bei der
so genannten “Kopftuch-Frage” stützen sich islamische Gelehrte auf fünf Verse im Koran:
• Sure 33, Vers 54:
“Wenn ihr etwas Notwendiges von den Frauen des Propheten zu fordern
(sie um etwas bitten) habt, so fordert es hinter einem Vorhang; dies trägt zur
Reinheit euerer und ihrer Herzen wesentlich bei.” 6
Viele Bittsteller_innen versuchten über die Frauen zu dem Propheten vorzudringen.
Diese Sure diente zum Schutz der Privatsphäre Mohammeds und “seiner” Frauen. Das
Wort Hidschâb (Hijab) bedeutet Vorhang und kommt im Koran an mehreren Stellen
vor. Obwohl er dabei niemals die Bedeutung eines Kleidungsstückes aufweist, befinden es
die islamischen Gelehrten für richtig, aus diesem Vorhang einen Schleier für alle Frauen
abzuleiten.7
• Sure 33, Vers 33, 34:
“O ihr Frauen des Propheten, ihr seid nicht wie eines anderen Frau. Wenn
ihr Allah fürchtet, dann seid nicht zu vertraulich in eueren Reden, . . . redet
nur so wie es sich schickt. Bleibt auch wohlweislich (in Würde) zu Hause und
mit dem Schmuck aus der früheren Zeit der Unwissenheit schmückt euch nicht
und verrichtet das Gebet . . . “ 8
Wiederum sind in diesem Vers die Frauen des Propheten angesprochen. Er wird als
Vertiefung des oben genannten Verses angesehen und die Gelehrten leiten daraus den
2
vgl. Esposito 2009, S. 226
vgl. ebd., S. 220
4
vgl. Anger 2003, S. 150 f
5
vgl. Ghadban 2011, S. 67
6
Öztürk 2006, S. 84
7
Ghadban 2011
8
Öztürk 2006, S. 85
3
158
Anspruch ab, dass Frauen zu Hause bleiben und nur zu gewissen Anlässen das Haus
verlassen sollten.9
• Sure 24, Verse 31-32:
“Sprich zu den Gläubigen, dass sie ihre Blicke zu Boden schlagen und ihre
Scham (furûg) hüten. Und sprich zu den gläubigen Frauen, dass sie ihre Blicke
niederschlagen und ihre Scham (furûg) hüten und dass sie nicht ihre Reize
(Zinat) zur Schau tragen, es sei denn, was außen ist, und dass sie ihren Schleier
(chimâr) über ihren Busen schlagen und ihre Reize nur ihren Ehegatten zeigen
oder ihren Vätern oder den Vätern ihrer Ehegatten oder ihren Söhnen oder
den Söhnen ihrer Ehegatten. . . ” 10
Dies ist die einzige Stelle im Koran in der der Schleier ausdrücklich erwähnt wird. Weiters
werden hier alle Muslim_innen angesprochen, Frauen und Männer. Diese Aufforderung
an die Frauen, den Schleier über ihre Brüste zu ziehen, hatte keinen religiösen Grund,
sondern lag vielmehr daran, dass die Kleidung der damaligen Zeit bei beiden Geschlechtern
gleich war. Diese Bekleidung war ein Kleid ohne Unterkleidung, das vorne an der Brust
sehr tief geschnitten war. Es galt die Falten am Körper (furûg) zu schützen. Zu diesen
Falten gehören die Achseln, der Raum zwischen Beinen und Gesäßhälften und der Bereich
zwischen den Brüsten bei den Frauen.11
• Sure 33, Vers 60:
“Sage, Prophet, deinen Frauen und Töchtern und den Frauen der Gläubigen,
dass sie ihr Übergewand (über ihr Antlitz) ziehen sollen, wenn sie ausgehen;
so ist es schicklich, damit man sie als ehrbare Frauen erkenne und sie nicht
belästige.” 12
Diese Sure entstand, um Frauen von höherem sozialem Stand von Sklavinnen zu unterscheiden. In der damaligen Zeit wurde die Notdurft abseits der Siedlungen verrichtet. In
der Nacht konnte es vorkommen, dass die Frauen von Männern belästigt wurden, die sie
für Sklavinnen hielten, denn die Kleidung der Frauen und Sklavinnen unterschied sich
nicht. Um Schutz und Respekt zu gewährleisten, sollten sich die Frauen ihren dschilbâb
über ihr Gesicht ziehen. Den Sklavinnen hingegen war das Tragen dieser Kleidung nicht
gestattet. Ein dschilbâb war damals ein weit verbreitetes Kleidungsstück, das über den
Kopf gezogen wurde und nur ein Auge freiließ.13
• Sure 24, Vers 61:
“Und für diejenigen Frauen, die alt geworden sind und nicht (mehr) darauf
rechnen können zu heiraten, ist es keine Sünde, wenn sie ihre Kleider ablegen,
soweit sie sich (dabei) nicht mit Schmuck herausputzen. Es ist aber besser für
sie, sie verzichten darauf. Allah hört und weiß (alles).”
Eine Frau die keine Kinder mehr bekommen kann, soll sich demnach in Selbstkontrolle in
Bezug auf die Sexualität üben.14
9
vgl. Ghadban 2011
vgl. ebd.
11
vgl. ebd.
12
Öztürk 2006, S. 85
13
vgl. Ghadban 2011
14
vgl. ebd.
10
159
Es lässt sich nur eine Bedeckung der intimen Körperteile aus dem Koran ableiten, nicht
jedoch, dass sich die Frauen verschleiern sollen oder ihre Haare bedecken müssen.15
Zum Zeitpunkt seiner Entstehung war der Koran für die Frauen ein Fortschritt. Es wurden
ihnen mehr Rechte zugestanden.16
Mit Bezugnahme auf den historischen Kontext lässt sich für die heutige Sichtweise ein
weiterer Interpretationsrahmen festlegen. So sehen manche eine Verpflichtung für die Frau,
sich gänzlich zu bedecken, während andere keine Verpflichtung dazu sehen, bzw. dass die
Frau letztlich das Recht haben sollte, frei darüber entscheiden zu können.17
6.2.2 Kopftuch als Identifikation und Abgrenzung
Im deutschen Sprachgebrauch und in den westlichen Debatten spricht man immer von
einem Kopftuch, islamische Frauen hingegen sprechen von einer Bedeckung oder “Hijab”
(arab. Vorhang). Islamische Frauen betrachten ihre Bedeckung als klassischen islamischen
Kleidungsstil, der alle Körperteile bis auf die Hände, Füße und das Gesicht bedeckt.
Weiters soll das Hijab so gearbeitet sein, dass es sowohl körperfern als auch schlicht genäht
ist.
Das Kopftuch kann für seine Trägerin unterschiedliche Bedeutungen haben und bestimmt
die Außenwahrnehmungen der Trägerinnen. Wichtig ist für das Tragen eines Kopftuches,
wie es die Frau selbst tragen will und mit welchen Dingen sie es assoziiert. Von Bedeutung
für die Frage des “Warum?” ist die Lebenspraxis der Musliminnen. Im Iran oder anderen
islamischen Ländern wird das Tragen des Kopftuches teilweise abgelehnt und in Europa
oder anderen Ländern wird es als Zugehörigkeitssymbol für den Glauben getragen. Vor
allem junge Frauen tragen meist ganz bewusst das Kopftuch, sie füllen es mit Leben und
identifizieren sich so mit ihrer Religion.18
Junge Musliminnen in Europa versuchen dem Kopftuch einen neuen Sinn zu geben und es
einer Modernisierung zu unterziehen. Sie möchten dadurch ganz individuell ihren Zugang
zur Religion zeigen und diesen auch leben. Diese Migrantinnen wollen mit dem Tragen
eines Kopftuches ihre Kultur repräsentieren und versuchen mit dem Kopftuch gegen die
angelernte europäische Kultur der Eltern zu rebellieren. Jedoch riskieren diese Frauen durch
das Tragen ihrer Kopfbedeckung möglicherweise soziale Anerkennung oder die Chance
auf einen gleichwertigen Beruf (im Vergleich zu nicht bedeckten Frauen). Andererseits
bietet das Tragen des Kopftuches den Frauen die Möglichkeit, ihren Glauben zu leben
und sich geborgen zu fühlen. Diese Geborgenheit besteht u. a. im Zugehörigkeitsgefühl
zur Gruppe der Muslim_innen. Ein weiterer Grund für das Tragen eines Hijabs ist, dass
die Frauen es als islamische Pflicht empfinden. Für viele Frauen dient das Kopftuch als
Ausdruck ihrer muslimischen Identität. Sie zeigen damit, dass sie sich bewusst mit der
eigenen Religion auseinandersetzen.19
Manche Frauen möchten der Außenwelt damit zeigen, dass auch kopftuchtragende Frauen integriert und emanzipiert sind. Sie versuchen mit dem Tragen eines Kopftuches,
den Vorurteilen einer patriarchalen Struktur entgegenzuwirken. Für die Frauen dieser
15
vgl.
vgl.
17
vgl.
18
vgl.
19
vgl.
16
160
Anger 2003, S. 151 f
Öztürk 2006, S. 83
ebd., S. 89
Monjezi Brown 2009, S. 438
Höglinger 2003, S. 67
Generation ist es auch sehr wichtig, ihre Kopfbedeckung den aktuellen Gegebenheiten
anzupassen und es als modisches Accessoire einzusetzen. Für manche Frauen ist das
Tragen eines Kopftuches auch ein Zugewinn an Selbstbewusstsein, es hilft ihnen mit
auferlegten Verhaltensnormen leichter umzugehen. Diese Art des Selbstbewusstseins und
der Normeneinhaltung ermöglicht es den muslimischen Frauen ein selbstbestimmtes Leben
zu führen. Für junge Musliminnen ist das Tragen eines Kopftuches durchaus ein Mittel der
Kommunikation, z.B. an der Universität. Es ist für sie einfacher mit anderen Musliminnen
in Kontakt zu treten, da sie durch ihr Kopftuch auffallen. Vor allem für junge Musliminnen
ist daher das Tragen eines Kopftuches mit Würde, Freiheit und Identität verbunden.20
Eine weibliche, muslimische Studentin, die im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit
interviewt wurde, antwortete auf die Frage, welche Bedeutung das Tragen eines Kopftuches
für sie persönlich hat:
“Ein Kopftuch zu tragen bedeutet für mich, dass ich mich sicherer fühle,
anerkannt und ja, wegen meiner Religion trage ich Kopftuch und ich sehe das
nicht als Zwang, sondern es gehört zu meiner Kleidung dazu. Das ist so wie
eine Dekoration. Wenn man eine Kette trägt, das ist so etwas für mich. Ich
würde es nie ablegen.” 21
Für Carla Amina Baghajati vom Forum Muslimische Frauen in Österreich hat das Tragen
eines Kopftuches folgende Bedeutung:
“Für mich ist es ein Kleidungsstück, das dazugehört, wenn ich in der Öffentlichkeit unterwegs bin. Ich sehe es als Teil meiner Kleidung. Es ist für mich ein
Kleidungsstück, ein Teil meiner Glaubenspraxis. Es ist für mich kein Symbol
und hat für mich nicht den Symbolcharakter, der in der Außensicht ganz stark
vorhanden ist. Mir ist völlig klar, dass die unterschiedlichen Wahrnehmungen
dann auch sehr großes Potential für Missverständnisse bis hin zu Konflikten
haben.” 22
6.2.3 Kulturelle Aspekte des Kopftuches
Das Kopftuch ist ein Stück Stoff, das hierzulande bis Mitte des 20. Jahrhunderts vor
allem im ländlichen Bereich ein alltägliches Kleidungsstück war und einen wesentlichen
Bestandteil der Frauenkleidung darstellte. Den Kopf zu bedecken hatte in der europäischen
und christlichen Gesellschaft eine lange Tradition.
Diese Aspekte werden heutzutage oftmals nicht berücksichtigt. Dabei leitet sich der
Terminus “Weib” aus dem Wort “Wiba” ab, dessen Bedeutung “Verhüllte” ist. So ist es
z.B. bis heute Tradition, bei Hochzeiten einen Brautschleier zu tragen. Dieser Brauch
versinnbildlichte früher den Übergang von der Jungfrau zur verheirateten Frau. Nonnen
tragen einen Schleier, um damit ihren Dienst für Gott der Öffentlichkeit sichtbar zu
machen.23
Weitere Aspekte zum Tragen eines Kopftuches gibt es auch in anderen Kulturen. Wie
bereits erwähnt, steht Bekleidung auch in Zusammenhang mit den klimatischen Bedin20
vgl. Lohlker 2009 und Monjezi Brown 2009
Flash-Interview 2011
22
Interview mit Baghajati 2011
23
vgl. Höglinger 2003, S. 17
21
161
gungen eines Landes. So tragen bspw. die “Tuareg” in Afrika diese Bekleidung, um sich
besser vor Sonne, Wind und Sand zu schützen.24
Diese Traditionen wurden und werden von Generation zu Generation weitergegeben.
6.2.4 Symbolische Auffassungen
Kleidung ist visuell, es kann damit eine bestimmte Kultur symbolisiert werden. Das
Kopftuch wird als sichtbares Zeichen angesehen und somit gibt es, wie auch bei anderen
Zeichen, objektive und subjektive Bedeutungszuschreibungen. Diese Bedeutungen können
sich ändern, offenkundig oder unbewusst sein. Das Kopftuch kann politische, kulturelle
und subjektiv religiöse Symbolik besitzen. Eine entsprechende Symbolik kann allerdings
erst im Kontext mit der tragenden Person definiert werden:25
“Das Kopftuch ist – anders als das christliche Kreuz – nicht aus sich heraus
ein religiöses Symbol. Erst im Zusammenhang mit der Person, die es trägt
und deren sonstigem Verhalten kann es eine vergleichbare Wirkung entfalten. Das von Musliminnen getragene Kopftuch wird als Kürzel für höchst
unterschiedliche Aussagen und Weltvorstellungen wahrgenommen” 26
Im Bezug auf das Kreuz in den Klassenzimmern erklärte Kurt Lehner, Bezirksschulrat in
Linz-Stadt, im Interview:
“Wir sind in Mitteleuropa. Wir haben eine christliche Kultur. Und für die
christliche Kultur ist ein Symbol das Kreuz. (...) Wenn es um die Diskussion
geht - das wird ja auch oft in den Medien falsch dargestellt - ganz egal, wenn
ich jetzt sage, den Begriff Gott, dann ist Gott für den Katholischen und für
den Evangelischen und den Islamischen eine ähnliche Personifizierung. Es ist
genau dasselbe wie die Diskussion (...), die da seit Jahren boykottiert wird, in
Linzer Schulen darf man nicht mehr Grüß Gott sagen. Da haben wir von der
islamischen Religionsgemeinschaft schon die Aussage gehört, das ist für uns
überhaupt kein Problem, auch wir haben einen Gott, und Grüß Gott sage ich
genau so und 95 Prozent oder 98 Prozent akzeptieren das Kreuz in der Schule
als das Symbol der Gesellschaft.” 27
Dem Kopftuch haftet eine sehr differenzierte Symbolik an, welche jedoch nicht von
Natur aus gegeben ist, sondern erst in Verbindung mit einer Person bzw. in einem
gewissen Kontext Symbolgehalt bekommt. Konkret bedeutet das, dass das Kopftuch in
unterschiedlichen Situationen unterschiedlich ausgelegt werden kann und erst dadurch
mit gewissen Erinnerungen oder Stereotypen etc. verbunden wird.28
Der Sinngehalt und die Bedeutung des Kopftuches variieren. Verschiedene Deutungen
und Meinungen (kulturell, politisch, religiös) sollen hier kurz angeführt werden:
• Das islamische Kopftuch ist eine Bekleidungsvorschrift, die im Koran begründet ist.
Sie soll Frauen vor einem sexuellen Kontrollverlust der Männer Schutz bieten und
somit dem Verlust ihrer Ehre vorbeugen.
24
vgl. Mörz 2005, S. 23
vgl. Baumgartner 2009, S. 14
26
Oestreich 2005, S. 57
27
Interview mit Lehner 2011
28
vgl. Oestreich 2005, S. 57
25
162
• Das Tragen eines Kopftuches wird als Zeichen von Selbstbewusstsein und moralischer
Überlegenheit angesehen (ehrbar versus unehrbar).
• Als religiöses Symbol gehört das Kopftuch in den Privatbereich.
• Das Tragen eines Kopftuches kann zu Ab- bzw. Ausgrenzung in der westlichen Welt
führen und dadurch zur Entstehung von Parallelgesellschaften beitragen.
• Das Kopftuch ist eine Abwertung gegenüber Frauen und lässt sich mit dem Prinzip
der Gleichberechtigung nicht vereinbaren.
• Mit dem Kopftuch als Symbol der Geschlechterordnung werden die Freiheitsrechte
der Frauen durch den Patriarchalismus eingeschränkt. Mit dem Kopftuch wird die
Unterdrückung der Frau verbunden.29
• Der Schleier symbolisiert die Minderwertigkeit der Frau und ihre Unterdrückung
innerhalb der islamischen Gesellschaft.30
• Das Kopftuch ist ein Zeichen des islamischen Fundamentalismus und laut Alice
Schwarzer “die Flagge des politischen Islam”.31
Die islamische Welt wird von der westlichen Welt mit Eigenschaften assoziiert, die diese
als anders und unterlegen darstellen. Dabei wird der Rolle der Frau mit Kopftuch bzw.
Schleier eine große Bedeutung beigemessen. Das Kopftuch charakterisiert für viele die
“Andersartigkeit” des Islam von der westlichen Welt. Somit wird die Kopfbedeckung als
Trennlinie zwischen dem Okzident und dem Orient in (politischen) Diskursen herangezogen
und soll die Unüberwindbarkeit zwischen diesen beiden Welten aufzeigen.32
6.2.5 Rechtliche Grundlagen
6.2.5.1 Islamische Rechtslage im österreichischen Gesetz
Der Islam ist in Österreich als Religion rechtlich anerkannt. Laut Ÿ 6 Artikel 1 des Islamgesetzes von 1912 wurde die Religionsgesellschaft der Anhänger_innen des Islams
anderen anerkannten Religionen gleichgestellt. Die Religionsgemeinschaft der Anhänger des Islams genießt als solche, sowie hinsichtlich ihrer Religionsausübung und ihrer
Religionsdiener_innen gesetzlichen Schutz, solange sie nicht im Widerspruch zu den
Staatsgesetzen stehen.33
6.2.5.2 Historischer Abriss
Im Staatsgrundgesetz von 1867 wurde im Artikel 14 die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit für alle erklärt. Artikel 15 gewährleistet das Recht auf eine öffentliche, gemeinsame
Religionsausübung und einer selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer internen
Angelegenheiten, solange sie nicht den Staatsgesetzen widerspricht.34
29
vgl. Schröter 2007, S. 152 f
vgl. Höglinger 2003, S. 28
31
Schwarzer 2010, S. 232
32
vgl. Göle 1995, S. 8
33
vgl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 1912, Ÿ 6 Art. 1
34
vgl. ebd., S. Art. 14/15
30
163
Im Jahre 1878 wurde die damalige Österreich-Ungarische Monarchie ermächtigt, Bosnien
und Herzegowina zu besetzen. Damit gehörte ein erheblicher Anteil muslimischer Bevölkerung zum Staatenverband christlicher Prägung. 1908 erfolgte die staatliche Eingliederung
Bosnien-Herzegowinas. Dadurch stieg der politische Druck der gesetzlichen Anerkennung
des Islam. Am 15. Juli 1912 wurde das “Gesetz betreffend die Anerkennung der Anhänger
des Islams nach hanefitischem Ritus als Religionsgesellschaft” erlassen.35 (Am 24. März
1988 wurde die Wortfolge “nach hanefitischem Ritus” aus dem Gesetz entfernt.)36 Damit
steht den Anhänger_innen des Islam als anerkannte Religionsgemeinschaft die gemeinsame, öffentliche Religionsausübung zu, ebenso die selbständige Verwaltung und Ordnung
der inneren Angelegenheiten, sowie Selbstbestimmung und die rechtliche Gleichstellung,
mit anderen anerkannten Religionsgemeinschaften.37 Im Vertrag von St. Germain 1919
wurde allen Einwohner_innen Österreichs das Recht zuteil, öffentlich als auch privat jede
Religion auszuüben. Dies betraf nun auch nicht anerkannte Religionen, solange dies die
guten Sitten oder die öffentlichen Ordnung nicht störe.38
Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die mittels Bundesgesetzblatt Nr.
59/1964 mit Verfassungsrang ausgestattet ist, beinhaltet den Anspruch von “Jedermann”
auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.39
Bei der Religionsfreiheit wird zwischen drei Dimensionen unterschieden, der individuellen,
kollektiven und korporativen Religionsfreiheit. Bei der individuellen Religionsfreiheit wird
zudem zwischen der positiven und der negativen unterschieden. Die positive Religionsfreiheit beinhaltet das aktive Ausüben der Religion. Zur negativen Religionsfreiheit zählen
die Freiheit des Nichtglaubens oder der Nichtteilnahme an religiösen Handlungen bzw. der
Freiheit, nicht mit religiösen Symbolen konfrontiert zu werden, wenn es nicht gewollt ist.
Bezweckt die individuelle Religionsfreiheit den Schutz der einzelnen Person, hat die kollektive Religionsfreiheit den Zweck, Zusammenschlüsse von mehreren Personen zu schützen.
Die korporative Religionsfreiheit bewahrt Religionsgemeinschaften vor Beschneidungen
ihrer Rechte.40
Die Religionsfreiheit wird von Bezirksschulinspektorin Riemenschneider als “unabdingbar”
und “selbstverständlich notwendig” angesehen.41
Als verfassungsrechtliche Grundlage gilt zudem die religiös-weltanschauliche Neutralität
des Staates. Der Staat darf demzufolge religiöse Bezüge weder ignorieren noch sich damit
identifizieren.42
6.2.5.3 Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich
Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) ist die Vertretung der im
Land lebenden Muslim_innen und seit 1979 gesetzlich anerkannt. Sie ist eine Körperschaft
öffentlichen Rechts und die offizielle Verwaltung für religiöse Belange der in Österreich
lebenden Muslim_innen.43
35
vgl. Gartner 2011, S. 73 .
vgl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 1912, ŸŸ 5 und 6 Art. 1
37
vgl. Potz 1993, S. 140
38
vgl. für das Kaiserthum Österreich 1867, S. Art. 63
39
vgl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 1958a
40
vgl. Janda und Vogl 2010b, S. 7
41
Interview mit Riemenschneider 2011
42
vgl. Kalb und Potz 2003, S. 42 f
43
vgl. Islamische Glaubensgemeinschaft 2003a
36
164
Zur Entstehung der IGGiÖ leisteten zwei Vereine einen wesentlichen Beitrag. 1962 wurde
in Wien von bosnischen Intellektuellen der “Moslemische Sozialdienst” (MSS) gegründet.
Es gab verstärkte Bestrebungen, eine Anerkennung der Gemeinschaft zu erreichen und dem
Islam den Bestand in Österreich zu sichern. 1968 wurde die “Muslimische Studentenunion”
von Student_innen, wiederum in Wien, gegründet, ebenfalls mit dem Ziel der Anerkennung
als islamische Glaubensgemeinschaft. 1968 gab es dahingehend erste Gespräche mit der
Regierung, ein erster Antrag wurde 1971 eingebracht. Verschiedene Gründe bewirkten ein
Hinauszögern einer Anerkennung. Einerseits bemängelte das Ministerium ein Fehlen an
“entscheidungsfähigen Verhandlungspartnern”, andererseits gab es Befürchtungen bezüglich
der Mehrehe. Durch die Organisation eines religiösen Oberhauptes, dem Mufti, und
einem Präsidenten der Glaubensgemeinschaft konnten die Verhandlungspartner_innen
gestellt werden. Hinsichtlich der Polygamie wurde ein Rechtsguthaben eingeholt, welches
verhindert, dass ein_e Muslim_in auf dieses Recht durch Berufung auf die Religionsfreiheit
zurückgreifen kann, wenn es der Staat verbietet. Schließlich erfolgte am 2. Mai 1979 die
Genehmigung zur Errichtung der ersten islamischen Religionsgemeinde. 1988 wurde diese
Rechtsverordnung durch die “Anerkennungsverordnung” ersetzt.44 Österreich nimmt damit
eine Vorreiterrolle in Europa ein.
Zu den Tätigkeitsbereichen der IGGiÖ zählen unter anderem die Organisation des Religionsunterrichtes an Schulen, der Schulerhalt der islamischen religionspädagogischen
Akademie in Wien, Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung, die Vertretung in muslimischen
Angelegenheiten und das Frauenreferat.45
6.2.5.4 Islamischer Religionsunterricht in Österreich
Der islamische Religionsunterricht wurde in Österreich im Schuljahr 1982/83 eingeführt.
Lt. Art 17 Abs. 4 StGG (Staatsgrundgesetz) zeichnet für die Organisation des Unterrichts
die betreffende Kirche oder Religionsgesellschaft, in diesem Falle die IGGiÖ, verantwortlich. Der Staat Österreich stellt die notwendigen Rahmenbedingungen zur Verfügung
(Schulgebäude, Besoldung, ...).46
Nach Angabe der IGGIÖ werden in ganz Österreich ca. 40.000 muslimische Schüler_innen
von rund 350 Lehrer_innen betreut.47
Islamische Religionslehrer_innen für Pflichtschulen werden seit 1998 an der Islamischen
Religionspädagogischen Akademie in Wien ausgebildet. Religionslehrer_innen für Höhere
Schulen werden seit 2006 an der Universität Wien im Rahmen eines Master-Lehrganges
ausgebildet.48
6.2.5.5 Islamische Bekleidungsvorschriften in Österreich
In Österreich gibt es keine Bekleidungsvorschriften, Ge- bzw. Verbote. Im Zusammenhang
mit der Kleiderordnung an Schulen bzw. den gesetzlichen Grundlagen formulierte eine
Bezirksschulinspektorin im Rahmen eines Expertinneninterviews die Sachlage so:
44
vgl.
vgl.
46
vgl.
47
vgl.
48
vgl.
45
Kalb und Potz 2003, S. 629
Islamische Glaubensgemeinschaft 2003b
Bittendorfer, Egger und Kadi 2005
Islamische Glaubensgemeinschaft 2005
Janda und Vogl 2010b
165
“Naja, es gibt eben keine Regelungen in dem Sinn, die allgemein gültig
wären. Das Tragen eines Kopftuches ist nicht verboten. Das heißt es ist erlaubt.
[...] Wir können in der Schulordnung einiges festlegen, aber wir können ein
Gesetz nicht umgehen, das können wir natürlich auch nicht.” 49
In einem weiteren Interview mit einem Bezirksschulinspektor wurde angemerkt, dass
die Kleiderordnung grundsätzlich in der Schulordnung festgelegt wird. Diese Schulordnung wird von Eltern und Lehrer_innen ausgehandelt, formuliert bzw. es wird das
Einverständnis aller Eltern eingeholt.50
Sowohl Lehrerinnen als auch Schülerinnen kann das Tragen eines Kopftuches nicht untersagt werden. Das Tragen eines Kopftuches unterliegt dem Schutz der Religionsfreiheit
und wird als Ausdruck des Glaubens rechtlich anerkannt.51
Aus aktuellem Anlass (Linzer Stelzhamerschule) erging am 23. Juni 2004 ein Erlass vom
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur durch die damalige Bundesministerin Elisabeth Gehrer:
“Das Tragen von Kopftüchern durch muslimische Mädchen (bzw. Frauen)
fällt als religiös begründete Bekleidungsvorschrift unter den Schutz des Art.
14 Abs. 1 des Staatsgrundgesetzes 1867 bzw. Art. 9 der MRK.“ 52
Der Lehrplan an Schulen beinhaltet den gemeinsamen Sport- und Schwimmunterricht von
Jungen und Mädchen (Koedukativer Schwimmunterricht). Daher liegt eine Verpflichtung
nach Ÿ 24 Schulpflichtgesetz vor, diesen auch zu besuchen. Ein generelles Fernbleiben vom
Unterricht ist nicht möglich. Eine Befreiung von der Teilnahme kann aus gesundheitlichen
Gründen, bei wichtigen Ereignissen aber auch bei islamischen Feiertagen erfolgen.53
Lehner sagte im Interview am 11. Februar 2011: “Ich denke mir, da ist vielfach auch eine
gewisse Bequemlichkeit dabei, ja. Wenn das Mädchen sagt, das Schwimmen interessiert
mich nicht, dann fällt ihnen alles Mögliche ein um dem zu Entgehen. Unter anderem ist
da der religiöse Aspekt dann in den Vordergrund gestellt oder vorgeschoben.” 54
Riemenschneider berichtete im Interview am 28. Februar 2011 aus einem aktuellen Fall,
“wo eine Schülerin nicht turnt und nicht am Schwimmunterricht teilnimmt, aufgrund
ihrer religiösen Überzeugung. (...) Mit den Eltern wird Kontakt aufgenommen. Es werden
ihnen auch die Folgen dargelegt, die die Nichtteilnahme am Turnunterricht nach sich
ziehen.” Im Gespräch mit den Eltern könnten in 99 Prozent der Fälle Vereinbarungen
getroffen werden, mit denen beide Seiten (Schule und Elternhaus) einverstanden sind. Die
Bezirksschulinspektorin betonte auch, dass “eine gewisse Toleranz der Schule notwendig”
ist, aber aus Gründen der Sicherheit Kopfbedeckungen im Turnunterricht abgenommen
werden müssen:
“. . . die Schülerinnen dürfen das Kopftuch natürlich tragen in der Schule,
bis auf den Turnunterricht, weil es einfach zu gefährlich ist. Dort müssen sie
es abnehmen. (...) wir schauen auch einfach auf die Sicherheit der Kinder und
das muss eben eingehalten werden. Es ist nicht einzusehen, dass Lehrer unter
Umständen, wenn was passieren sollte, zur Verantwortung gezogen werden.” 55
49
Interview mit Riemenschneider 2011
Interview mit Lehner 2011
51
vgl. Ornig 2006, S. 115 f
52
vgl. Oestreich 2005
53
vgl. Janda und Vogl 2010a, S. 36 f
54
Interview mit Lehner 2011
55
Interview mit Riemenschneider 2011
50
166
Es fehlt eine gesetzliche Regelung, die das Tragen eines Kopftuches bzw. weiter Bekleidung
im Sport- und Schwimmunterricht verbietet. Allerdings stellt das Tragen eines Kopftuches
beim Sport und Schwimmen ein erhöhtes Verletzungsrisiko dar.56
Aus einem Expertinneninterview geht hervor, dass es nach dem Erlass vom Bundesministerium 2004 viele Anfragen bezüglich des Kopftuchtragens in der Praxis gab. In
diesem Zusammenhang wurden vom Forum Muslimische Frauen Österreich teilweise
Päckchen an die Schulen verschickt: “mit Demo-Kopftüchern, die eben geeignet sind für
den Sportunterricht, sprich keine Verletzungsgefahr darstellen.” 57
Mit dem Ÿ 8b Abs. 1 Schulorganisationsgesetz (SchOG) wird versucht auf das religiöse
Schamgefühl Rücksicht zu nehmen. Dieser Gesetzestext sieht vor, den Sportunterricht ab
der fünften Schulstufe nach Geschlechtern getrennt durchzuführen.58
6.2.5.6 Islamische Rechtslage in der Europäischen Union
Der Artikel 9 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) beinhaltet die Gedanken-,
Gewissens- und Religionsfreiheit. Sie ist in Österreich seit dem 3. September 1958 in Kraft
und ist durch das BGBl. Nr. 59/1964 mit dem Verfassungsrang ausgestattet:59
“Abs. 1: Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der
Religion oder der Weltanschauung, sowie die Freiheit, seine Religion oder
Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder
privat, durch Gottesdienst, Unterricht, durch die Ausführung und Beachtung
religiöser Gebräuche auszuüben.
Abs. 2: Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer
als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen
Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit,
der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der
Rechte und Freiheiten anderer sind.” 60
Die EMRK ging aus den allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte (AEMR) hervor,
welche am 4. November 1950 in Rom unterzeichnet wurden und am 3. September 1953 in
Kraft getreten sind. Der Grund für deren Verfassung war das Bestreben der Vereinten
Nationen, einen internationalen Schutz für die Menschen zu schaffen. Auslöser für dieses
Bestreben war der Zweite Weltkrieg mit dessen Schrecken des Holocausts.61
In Bezug auf das Tragen eines Kopftuches gibt es in einzelnen europäischen Ländern unterschiedliche Herangehensweisen. Der EGMR (Europäische Gerichtshof für Menschenrechte)
räumt den Ländern dabei einen bestimmten Gestaltungsspielraum ein.
• Frankreich: Seit 2004 sind religiöse Symbole, wie Kopftuch, Kreuz oder Kippa
an Schulen verboten.62 Seit dem 11. April 2011 ist ein Gesetz in Kraft, welches
Frauen eine Vollverschleierung in der Öffentlichkeit verbietet. Der Vollschleier wird
56
vgl. Janda und Vogl 2010a
Interview mit Baghajati 2011
58
vgl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, Ÿ 8b Abs. 1
59
vgl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 1958a
60
Ebd.
61
vgl. von Bülow 2008, S. 4
62
vgl. Öztürk 2006, S. 299
57
167
von vielen als Zeichen des Islamischen Fundamentalismus und als Symbol der
Unterdrückung der Frauen angesehen.63
• Deutschland: In Deutschland gibt es auf Länderebene unterschiedliche Gesetze und
Rechtsprechungen. Einige Länder wie z.B. Baden-Württemberg, Bayern und Berlin
haben ein Gesetz verabschiedet, welches Lehrerinnen untersagt mit Kopftuch zu
unterrichten. Einige weitere Länder planen einen eben solchen Gesetzesentwurf.
• Schweiz: Im Fall Dahlab versus Schweiz wurde eine Beschwerde von Seiten des
EGMR abgelehnt.64 Es ging in diesem Fall um eine Lehrerin, die im Unterricht
Kopftuch trug. Das Bundesgericht argumentierte mit der Beeinträchtigung der
Neutralität in einem öffentlichen und laizistischen Schulsystem. Das Kopftuch sei
ein Symbol, das den Schüler_innen aufgezwungen werde.65
6.2.6 Kopftuch und Medien
Immer wieder wird das Kopftuch in den österreichischen Medien thematisiert. In den
meisten Fällen geht es dabei um allgemeine Kleiderordnungen, Konflikte im In- und
Ausland rund um das Thema Kopftuch bzw. es soll der Islam mittels entsprechendem
Bildmaterial von Frauen mit Kopftuch in der Berichterstattung dargestellt werden.
Mit der Ausrufung des Gottesstaates im Iran im Jahre 1979 durch Ayatollah Khomeini
und dessen Verkünden des Schleierzwangs wurden Bilder von schwarz verschleierten
Frauen eingesetzt, die für Rückschritt und Unterdrückung stehen. Die Medien verwenden
diese bildliche Symbolwirkung von verhüllten Frauen. Dadurch wird eine bestimmte
Wahrnehmung gefördert und ein spezielles Islambild erschaffen. Es entstehen Stereotype,
die aufgrund mangelnder Auseinandersetzung mit dem Thema rasch zu Vorurteilen werden
können. Die westliche Welt steht dem Kopftuch größtenteils ablehnend gegenüber. Die
Verhüllung wird als Unterdrückung und Freiheitsberaubung interpretiert. Sie steht für
Ungleichheit und Fremde, Nichtintegration und Gefahr.66
Carla Amina Baghajati, vom Forum Muslimische Frauen Österreich und Sprecherin für
die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, ist selbst eine vom Protestantismus
zum Islam konvertierte Gläubige. Sie meint dazu, dass Medien die Materie rund um
Kopftuch und Islam zu einem ganz großen Thema hochstilisieren, gerade auch deswegen,
weil dieses Kleidungsstück aufgrund der Sichtbarkeit einfach greifbar und wahrnehmbar
ist, und daher zu einem Reizthema verarbeitet werden kann. Die Medien wissen sehr
genau, dass diese Inhalte sehr emotionsgeladen sind. Genau deswegen ist dieser Themenbereich so populär und garantiert das Interesse der Leser_innenschaft. Zugespitzt kann
gesagt werden: Kopftuch macht Quote. Baghajati betont jedoch, dass es sehr wohl einen
Unterschied macht, welches Medium darüber berichtet - die Boulevardpresse stellt das
Thema anders dar als sogenannte Qualitätsmedien. So gibt es durchaus positive Beispiele
in der Medienlandschaft, die sich mit dem Thema Islam, Muslim_innen und Kopftuch sehr
kritisch und reflektiert auseinandersetzen. Sie nennt auch Frauenzeitschriften, wie etwa
“Die Wienerin” oder “Woman”, in denen immer wieder gut recherchierte Berichte über das
Thema Kopftuch publiziert werden. Auch die bildliche Darstellung in den oben genannten
Frauenzeitschriften durch verschiedene Protagonistinnen wird sehr gut dargestellt. Oft
63
vgl.
vgl.
65
vgl.
66
vgl.
64
168
Die Standard 2011
Öztürk 2006, S. 300
ebd., S. 306
Schi er 2007, S. 167-200
ist es auch so, dass Bilder verwendet werden, auf denen z. B. kopftuchtragende Frauen
nur von hinten abgebildet sind und daher kein Gesicht erkennbar ist. Diese Darstellung
vermittelt ein Bild von kopftuchtragenden Frauen, die der Gesellschaft den Rücken zuwenden. Hingegen wurden in der Zeitschrift “Die Wienerin” Frauen mit Kopftuch “sehr
geschmackvoll und vorteilhaft” fotografiert, sagt Baghajati.67
Abbildung 6.1: Carla Amina Baghajati
Weiters antwortete die Expertin vom Forum Muslimische Frauen auf die Frage, wie Medien
Bilder im Zusammenhang mit dem Islam darstellen, wie folgt:
“Da ist so viel zu sagen, sodass wir das strukturieren müssen. Sie interessieren
sich für die Bildlichkeit. Bleiben wir beim gängigen Foto, wo Muslim_innen
von hinten aufgenommen werden. Die Aussage ist natürlich, dass diese Menschen nichts mit unserer Gesellschaft zu tun haben wollen, weil sie uns den
Rücken zuwenden. Sie sind nicht integriert, sie sind nicht integrationswillig
und all diese Dinge. Angefangen hat damit wohl die FPÖ 1999 mit dem
Überfremdungswahlkampf, wo diese Frauen mit langen Mänteln mit Kopftuch
von hinten abgebildet wurden. Andere Qualitätsmedien sind da eine Ecke
besser, natürlich, allerdings haben die Bildredaktionen hier noch einen Nachholbedarf. Ich weiß zu gut wie Medien funktionieren, als dass ich hier nicht
auch ein gewisses Verständnis dafür hätte. Also angenommen, man hat einen
Bildbedarf aber nichts Greifbares, dann nimmt man eine Kollegin, die das
Kopftuch trägt und fotografiert die von hinten. Das kann natürlich nicht ideal
sein. Neulich hatten wir eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema, wo es um
Qualität im Journalismus und um den Islam in den Medien ging. Im Zuge
dessen habe ich den Vorschlag gemacht, dass wir gerne einmal ein Fotoshooting
67
Interview mit Baghajati 2011
169
mit Musliminnen machen, worauf dann die Bildredaktionen zurückgreifen
können, damit sie etwas in der Schublade haben.” 68
Für Waltraud Padosch, Direktorin der Otto-Glöckel-Schule in Linz, vermitteln die Zeitungen falsche Bilder hinsichtlich des Islams. Sie ist der Meinung, dass die negative
Berichterstattung die Vorurteile der Bevölkerung schürt und noch verfestigt. Weiters
wird sie durch die negative Berichterstattung und der Vermittlung von falschen Bildern
und Fakten, z.B. viel mehr Schüler_innen nicht-österreichischer Herkunft als solche mit
österreichischer Herkunft, immer wieder bemitleidet und auf die Situation mit den Migrant_innen angesprochen. Sie versucht diese Vorurteile zu entkräften und steht hinter
ihrer Schule und den Kindern, die diese besuchen. Hinsichtlich der Frage nach einer
Veränderung der Berichterstattung äußert Padosch ein klares Nein, da sie der Meinung
ist, dass die Journalist_innen noch immer nicht die Wahrheit schreiben und zu ungenau
recherchieren und das Gesagte verzerren.69
Baghajati sieht aufgrund der Berichterstattung der letzten Jahre eine Veränderung, die
vor allem im konsekutiven Zusammenhang mit der politischen Veränderung in Österreich
zu analysieren ist. Was ihr große Sorge bereitet, ist die sich ausbreitende Islamophobie,
die vor allem als politisches Mittel von Rechts immer mehr genutzt wurde und wird. In
vielen Fällen greifen immer mehr ÖVP-Politiker_innen dieses Thema auf, allerdings auf
eine andere Art und Weise als dies noch in der Zeit der ÖVP-FPÖ-Koalition von 2000 bis
2006 der Fall war. Baghajati sagt:
“Heute ist das anders, die FPÖ treibt andere Parteien vor sich her und
da wird vieles immer mehr salonfähig, was vorher nicht so war. Also, Sager
von Innenministerin Fekter, Toleranz ist im Islam ein No-Go oder jüngstes
Beispiel, ich zitiere: ’Fekter sagt, es gibt ungleich mehr Mädchen türkischer
Herkunft, die kein Kopftuch tragen, es gibt viele Mädchen, die in der Schule
hervorragende Noten haben und tolle Karrieren machen. Was impliziert das?
Die Kopftuchmädchen sind das Problem und die tollen Noten kommen nicht
von ihnen.’ Das ist nur ein Beispiel, weil es gerade so gut zum Kopftuch passt.
Ihr Hauptsager ist, Integration bringt Emanzipation, wo mir auch schlecht
wird, weil das impliziert, dass jede Frau die herkommt, unemanzipiert ist,
weil sie eben aus einem muslimischen Land kommt und Opfer ist und erst
einmal befreit werden muss. Die Integration befreit sie. Das ist eine dermaßen
kolonialistische, arrogante Pose, die nur aufregen kann. Das regt mich aber
nicht nur als Muslimin, sondern wirklich als Frau unter Frauen auf, weil die
Gefahr besteht und mit dieser Politik Augenauswischerei (Anm.:Vortäuschung)
betrieben wird, dass uns Frauen verkauft wird, dass es uns ohnehin so gut
geht und wir deshalb schön still sein sollen. Die muslimischen Frauen haben
das Problem und wir helfen ihnen jetzt noch bei der Emanzipation und dann
sind wir alle so emanzipiert.” 70
Auf die Frage, ob zwischen der Angst vor dem Islam und der öffentlichen Berichterstattung
für Baghajati ein Zusammenhang besteht, antwortet sie wie folgt:
“Natürlich besteht der. Wobei Journalist_innen vor keiner einfachen Aufgabe stehen. Denn, wenn eine Frau Innenministerin etwas zu diesem Thema
sagt, hat das dann natürlich einen Nachrichtenwert, den Medien publizieren
68
Interview mit Baghajati 2011
Interview mit Padosch 2011
70
Interview mit Baghajati 2011
69
170
müssen. Das ist auch richtig so. Es ist leider derzeit so, dass mehr über die
Meinungsumfragen Politik gemacht wird, als über eine politische Haltung.
Würde die Meinungsumfrage beispielsweise ergeben, dass die Leute immer
islamfeindlicher werden, dann ist die Verführung groß, dieses Segment politisch
zu bedienen. Im korrekten ’Politsprech’ heißt das dann, dass wir die Ängste
der Leute ernst nehmen. Ich bin dafür, dass man die Ängste der Leute ernst
nimmt und aufgreift. Dies sollte jedoch differenziert, sachlich und konstruktiv
geschehen.” 71
Padosch sieht bezüglich der Angst vor dem Islam die Sachlage folgendermaßen: für sie
steht nicht die Angst vor dem Islam im Vordergrund, sondern einfach das Bedürfnis einen
Artikel reißerisch zu verfassen. Weiters ist sie der Meinung, dass Reporter_innen ihre
eigene Angst, die sie gegen den Islam haben, zu vermitteln versuchen.72
Baghajati empfindet die aktuelle politische Auseinandersetzung mit dem Thema Kopftuch
und Islam folgendermaßen:
“Beim Kopftuch glaube ich fast, dass die öffentlichen Aufreger auf lange Sicht
weniger werden, weil es zu viele junge Frauen gibt, die ein Gegenbild zu jetzigen
Kontroversen darstellen. Und nicht nur hier, sondern in den Ländern der
arabischen Welt, wo muslimische Frauen auf Fahrzeuge klettern, Sprechchöre
anleiten und Fahnen schwingen und ihre Männer im Hintergrund sind. Die
Frauen sind die Einpeitscherinnen, die erheblichen Einfluss auf die politischen
Umstürze nehmen. Das wirft diese Klischeebilder über Bord. Da ist eine große
Hoffnung, dass das einfach nicht mehr funktioniert, zu sagen, Kopftuch ist
gleich Unterdrückung ist gleich schreckliches Patriarchat. Das kann nicht sein.
Ähnlich verhält es sich mit der letztjährig geführten Burqa-Debatte, die letzten
Endes eingeschlafen ist. Das kann sich gegensätzlich aufschaukeln und von
daher ist die Verantwortung eine ganz große. Es ist besonders wichtig, nicht
über Muslim_innen zu berichten, sondern mit Muslim_innen. Es ist wichtig,
wie pluralistisch, selbstbestimmt und mehrstimmig die muslimischen Frauen
sind, egal ob mit oder ohne Kopftuch.” 73
In einem Zeitungsartikel im November 2005 in den Oberösterreichischen Nachrichten mit
dem Titel “Aufreger Kopftuch: Stoff mit Symbolgehalt” räumt der Autor Roman Sandgruber mit diversen Vorurteilen auf und versucht, mittels einer historischen Aufbereitung
und diversen Begriffserklärungen, mehr Verständnis für das Tragen eines Kopftuches bei
der Leser_innenschaft zu erlangen. Historisch gesehen, handle es sich beim Kopftuch um
einen wesentlichen Bestandteil der Frauentracht, es sollte somit als alltägliche Kleidung,
und nicht als etwas Besonderes angesehen werden. Weiters wird versucht den Symbolwert
des Kopftuches aufzuarbeiten und es nicht als Vorwand für Rassismus oder Religionsfeindschaft gelten zu lassen. Der letzte Satz des Artikels ist sehr prägend für die gesamte
Ausarbeitung und appelliert an die Leser_innen, dass Kopftücher als Kleidungsstücke
und somit als soziale, kulturelle und nationale Symbole zu respektieren seien.
6.2.7 Wahrnehmungs- und Stimmungsbild
Die durchgeführten Flash-Interviews an der Johannes Kepler Universität in Linz, Oberösterreich, zeigen eine sehr differenzierte Einstellung zum Thema Kopftuch. Die Antworten
71
Interview mit Baghajati 2011
Interview mit Padosch 2011
73
Interview mit Baghajati 2011
72
171
von Personen, welche nicht dem Islam angehören, auf die Frage, “Was assoziieren Sie
mit einem Kopftuch?” fielen sehr unterschiedlich aus. Es kam zu Aussagen basierend
auf der “klassischen” Art des Denkens, dass ein Kopftuch eine Muslimin bzw. deren
Religionszugehörigkeit kennzeichnet, bis hin zu sehr allgemeinen Assoziationen, wie etwa,
dass auch alte Frauen, vor allem Großmütter, öfter Kopftuch tragen. Es kam auch zu
klischeebehafteten Assoziationen und Äußerungen hinsichtlich der Unterdrückung der
Frau und der Ausübung von Macht durch Männer im Zusammenhang mit dem Kopftuch.
Eine befragte Muslimin assoziiert mit dem Kopftuch ein Zugehörigkeitsgefühl und das
Gefühl von Sicherheit. Sie sieht es nicht als Zwang ein Kopftuch zu tragen, sondern weist
ihm sogar die Eigenschaft eines Accessoires zu, welches sie nie abnehmen würde.
Diese doch sehr häufigen und allgemein bekannten Assoziationen werden auch durch die
Medien vermittelt und verstärkt. Die Stimmung am Campus hinsichtlich der Berichterstattung über den Islam bildet ein sehr breites Spektrum an Assoziationen, Wünschen
und Zuschreibungen ab. Es wurde häufig erwähnt, dass die Medienberichterstattung
größtenteils als sehr einseitig empfunden wird. Die Aufklärung gewisser Konflikte stehe
dabei selten im Vordergrund.
Riemenschneider äußerte hinsichtlich der Berichterstattung in den Medien, dass von “sehr
kritisierend oder sehr kritisch bis zu akzeptierend” die ganze Bandbreite vertreten ist: “In
manchen Zeitungen wird aufwiegelnd geschrieben und andere Zeitungen berichten eben
seriös.” Ihres Empfindens nach gibt es insgesamt mehr Berichte über den Islam. Sie meint,
dass in der letzten Zeit vermehrt “die Angst vor dem Islam geschürt wird” und “weniger
die Sachlichkeit im Vordergrund” steht. Weiters schenkt die Berichterstattung eher dem
radikalen Islamismus seine Aufmerksamkeit, als dem normalen, gemäßigten Islam. 74
Baghajati, vom Forum der Muslimischen Frauen Österreich, erinnerte sich in diesem
Zusammenhang an konkrete Vorfälle aus ihrem Umfeld, wo es aufgrund von Konfessionsunterschieden in Bezug auf Kopftuch und Islam zu Problemen gekommen ist. Sie sagte,
dass es nicht nur einen Vorfall gab, sondern derlei viele:
“Angefangen von verbalen Beschimpfungen beispielsweise du ’Kopftuchschlampe’, ihr gehört alle raus aus Österreich und Etliches mehr. Jetzt auch
manchmal im Zusammenhang Islamismus/Terrorismus bis hin zum öffentlichen
Raum. Beim Straßenbahn fahren und in Warteschlangen. Es gibt auch, und
da wird es dann wirklich ernst, Einzelfälle von körperlichen Attacken, wenn
Frauen und Eltern mit Kinderwägen unterwegs sind, bespuckt und an der
Rolltreppe geschubst werden und wenn ihnen das Einsteigen verweigert wird.
Das ist dann noch nicht körperliche Gewalt, aber auch eine Erniedrigung.” 75
Reaktionen ruft das Tragen eines Kopftuches ihrer Meinung nach sehr viele hervor:
“Ach, das ist eine Frage, da könnten wir jetzt eine halbe Stunde darüber
reden. Beobachtungen von außen mache ich aber auch mit verschiedenen
kopftuchtragenden Frauen und Mädchen und wie es ihnen damit geht. Viele
Menschen lancieren islamophobe und fremdenfeindliche Aussagen, was aber
nicht bedeutet, dass es nicht auch Menschen gibt, die sich kritisch und reflektiert zu dieser Thematik äußern. Das ist sehr wichtig. Es gibt sehr viele Leute,
die einen im Alltag darauf ansprechen. Wildfremde Personen, die sagen, dass
74
75
Interview mit Riemenschneider 2011
Interview mit Baghajati 2011
172
sie nicht mit diesen FPÖ-lern verwechselt werden möchten. Da können wir
mal reden, wie es denn so ist, Kopftuch zu tragen. Und ich glaube, vieles
stimmt da nicht, was da die Medien verkaufen wollen. Ich würde das gerne
mal von Ihnen hören. Das finde ich dann sehr positiv. Mir persönlich passiert
das immer wieder, weil mich manche Leute aus den Medien kennen und dann
Lust haben, direkt weiter zu diskutieren. Das finde ich sehr gut. Ich weiß aber
auch, dass andere Muslim_innen solche Erfahrungen machen und direkte,
spontane Solidarität im Alltag und Dialog, der dann auch gerne erwidert wird,
erfahren. Dazu kommt, dass wir eben durch die junge Generation jetzt auch
eine viel bessere Möglichkeit des Dialogs haben. Da spreche ich von Deutsch
als Kommunikationssprache. Vor zehn oder 15 Jahren war das natürlich noch
anders. Heute ist eine junge Generation von Frauen da, die ihr Kopftuch sehr
selbstbewusst tragen und sehr reflektiert damit umgehen, wissen warum sie
das tun, es selber möchten, sehr selbstbestimmt und oft auch anders als ihre
Mütter und Großmütter damit umgehen. Sie können Deutsch, sie können
kommunizieren.” 76
Zusammenfassend zu dem Thema Wahrnehmungs- und Stimmungsbild in Österreich lässt
sich feststellen, dass es sehr viele verschiedene Auffassungen bezüglich des Kopftuches
gibt und immer geben wird. Die Medien haben in diesem Fall einen großen Einfluss
auf die Meinungsbildung der Bevölkerung, jedoch gibt es auch Menschen die Beiträge
reflektiert betrachten und Betroffene direkt ansprechen, weil sie den Medien nicht zu
100 Prozent glauben. Baghajati bringt diese Aspekte auf den Punkt und sieht bei der
Betrachtung durchaus zwei Seiten und einen allgemeinen Umschwung im Denkverhalten
der Österreicher_innen.
6.3 Der mediale Diskurs: Otto-Glöckel-Schule
6.3.1 Einführung in das Ereignis
Eines jener beiden Ereignisse, welches im Rahmen dieser Forschungsarbeit näher untersucht
wurde, war der Kopftuchstreit an der Linzer Otto-Glöckel-Schule Anfang 2006. Es ging
um einen Konflikt zwischen Lehrkräften bzw. der Direktorin der Otto-Glöckel-Schule
und dreier muslimischer Väter von Schülerinnen, die diese Schule besuchten. Die Väter
hätten von den weiblichen Lehrkräften gefordert, dass diese Kopftücher tragen sollen.
Darüber hinaus wurde auch von Schwierigkeiten im Umgang zwischen den Lehrerinnen
und den Vätern berichtet. Die Väter hätten ein aggressives Auftreten gegenüber den
Lehrkräften gezeigt. Es kam zu einer schriftlichen Beschwerde seitens der Lehrkräfte an
die Personalvertretung.
6.3.2 Diskursive Aufarbeitung
Die ersten Berichte über den Vorfall an der Otto-Glöckel-Schule erschienen am 21. Jänner
2006 in der Kronen Zeitung und den OÖN. Die Zeit der Berichterstattung erstreckte
sich insgesamt über mehrere Wochen, der letzte Bericht zum Ereignis erschien am 8.
März 2006 in der Zeitung Der Standard. Die Zeitungsberichte wurden einer eingehenden
76
Interview mit Baghajati 2011
173
Analyse unterzogen, um die Berichterstattung in Hinblick auf rassistische Inhalte zu
untersuchen. Interessant bzw. auffällig in diesem Zusammenhang war, dass es anhand
der Zeitungsberichterstattung nicht gelang, den eigentlichen Vorfall an der Otto-GlöckelSchule inhaltlich zu rekonstruieren bzw. nachzuvollziehen. Insbesondere die Artikel der
Kronen Zeitung ließen mehr Fragen als Antworten offen. Ein Beispiel dafür war der
Bericht vom 28. Jänner 2006 mit folgender Schlagzeile: Nach Riesenwirbel um KopftuchAffäre will Landesschulratspräsident mit Islam-Vorsitzendem die Wogen glätten und
meint: “Gegenseitiger Respekt ist die einzige Lösung”. In der Einleitung des Artikels
wird berichtet, dass der oberösterreichische Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer
die Wogen im Kopftuchstreit glätten will und dazu den Vorsitzenden der islamischen
Glaubensgemeinschaft, Anas Schakfeh, nach Linz eingeladen hätte. Im Artikel selbst wird
zu diesem Thema nur mehr in einem einzigen Satz Stellung genommen, der restliche
Teil der Berichterstattung handelt ausschließlich von Aussagen eines Regionalpolitikers
hinsichtlich des – seiner Meinung nach – zu hohen “Ausländer_innenanteils” in Linz.
Thema ist dabei die Geburtenentwicklung bei “Ausländer_innen”, diese hätten einen
Geburtenüberschuss von 240 (die genaue Bedeutung dieser Aussage ist unklar bzw. geht
aus dem Text nicht weiter hervor). 70 Prozent der Linzer_innen hätten das Gefühl, dass
in Linz zu viele “Ausländer_innen” wohnen. Wie der Verfasser des Artikels zu dieser
Behauptung kommt und wie, bzw. von wem oder wann eine Befragung dazu durchgeführt
wurde, bleibt unbeantwortet.
Der Sinn bzw. das Ziel dieser Berichterstattung bestand somit nicht primär darin, über
aktuelle Geschehnisse zu berichten. Vielmehr wurde indirekt ein Bild im Zusammenhang
mit gegenwärtigen und künftigen Problemen konstruiert, als deren Verursacher_innen
eindeutig “Ausländer_innen” zugeordnet werden.77
Eine weitere Auffälligkeit in der Berichterstattung zum Ereignis an der Linzer OttoGlöckel-Schule sind die Formulierungen auf Appellebene. Dabei wird unterschwellig ein
Aufruf zur Vorsicht an die österreichische Bevölkerung vermittelt. Beispiele dafür sind
Aussagen bzw. direkte Zitate in den Berichten, wie etwa jenes Enzenhofers in einem
Artikel der OÖN: “Die wollen austesten wie weit sie gehen können. Darum ist es wichtig,
hier gleich unmissverständlich die Grenzen aufzuzeigen.” 78
Der Vorfall wird in einigen Berichten auch konkret als “gezielte Provokation” bezeichnet.
Dadurch wird das Ereignis auf eine völlig andere Ebene gestellt bzw. wird ein neuer Bedeutungszusammenhang hergestellt. Der Medienrummel und die Medienberichterstattung
wird in diesem Zusammenhang im Rahmen eines durchgeführten Interviews mit einer
Bezirksschulinspektorin “als unangenehm für uns, für das System Schule” und weiters als
eher “behindernd als förderlich” dargestellt.79
Der für Integrationsagenden der Stadt Linz zuständige Vizebürgermeister Klaus Luger von
der SPÖ meint zum Vorfall in der Otto-Glöckel-Schule, dass das konkrete Ereignis und die
mediale Aufarbeitung und in weiterer Folge die Berichterstattung nicht identisch sind. Im
Zuge der Recherche ergab sich die Auffälligkeit, dass keine einheitliche Berichterstattung
der oberösterreichischen Printmedien über den Vorfall stattfand. Konkret erinnert sich
Luger daran, dass sich das Wissen über dieses Ereignis lediglich auf einen Konflikt zwischen
einem väterlichen Elternteil und einer Lehrerin beschränkt und nicht das Kopftuch selbst
thematisiert wurde. Er ortet weiters eine politisch motivierte Lancierung seitens der ÖVP
77
vgl. Gantner 2006, S. 16 f.
Gstöttner 2006, S. 4
79
Interview mit Riemenschneider 2011
78
174
in Linz und nicht der FPÖ, die aus diesem Ereignis einen politischen Konflikt machen
wollte.80
Das Thema ist somit nicht mehr nur eine Meinungsverschiedenheit an einer Linzer
Schule zwischen Eltern und Lehrkräften, die aufgrund kultureller Auffassungsunterschiede
zustande kam. Vielmehr wird eine generelle Bedrohung der österreichischen Kultur durch
muslimische Eltern dargestellt, also ein “generelles” Problem konstruiert. Medien versuchen
die Emotionen der Menschen anzusprechen. Durch die Wahl der sprachlichen Mittel wird
eine Wir-gegen-die-anderen-Stimmung erzeugt. Die Berichterstattung zielt darauf ab,
das Klischee von “Ausländer_innen” zu verstärken. Besonders in den Berichten der
Kronen Zeitung wird die Vermittlung dieses Klischees sehr offen betrieben. So lauteten
Schlagzeilen in diesem Zusammenhang etwa: “Islamisten torpedieren Integrationsversuche
an Linzer Volksschule mit 75 Prozent Ausländeranteil – Unverschämte Ansprüche” 81 oder
“Trotz einer Schmutzkübelkampagne von Moslem-Fundis gegen mutige Pädagogen: Lehrer
plädieren für Schulfrieden” 82
Dadurch wird der Eindruck erweckt bzw. bewusst vermittelt, dass es hier um eine Situation
zwischen völlig außer Kontrolle geratenen muslimischen Eltern einerseits, und vernünftigen,
auf eine friedliche Lösung hinwirkende österreichische Lehrkräfte auf der anderen Seite
geht.
Bei dem Interview mit Padosch wurde einer dieser Artikel explizit angesprochen und
gefragt, wie die Lage an der Volksschule wirklich ist und ob es sich um eine verzerrte
Berichterstattung handelt. Sie gab zur Antwort, dass sie schon seit vielen Jahren Kinder
mit Migrationshintergrund an der Schule haben, welche sich auch gut integrieren und
es keine Probleme mit diesen gibt. Weiters erwähnte Padosch, dass sie Anrufe von
anderen Schulen erhält und gefragt wird, wie sie mit Integration und mit den Eltern von
Kindern mit Migrationshintergrund umgeht und sie sollte Tipps geben, wie den anderen
Schulen der Umgang erleichtert wird. Zu dem hohen “Ausländer_innenanteil” sagte sie,
dass der Großteil der Kinder in Österreich geboren ist und auch die österreichische
Staatsbürgerschaft haben. An der Otto-Glöckel-Schule gibt es seit einiger Zeit das Projekt
Elternschule, wo für die Eltern Veranstaltungen und Vorträge organisiert werden, denn
Padosch erachtet es als wichtig, die Eltern in das Schulleben zu integrieren. Darin sieht
sie noch weiteres Potenzial.83
Dazu kommen Aufrufe wie beispielsweise “Mehr Mut zur Wahrheit!” – in diesem Fall
ist dieser Aufruf in einem Beitrag sogar direkt unter dem genannten Artikel platziert.
Generell erweckt die Berichterstattung in diesem Zusammenhang den Eindruck, dass die
Medien versuchen, hier ein Thema zu konstruieren. Insbesondere wird dabei Empörung
geschürt und vermittelt, dass Österreicher_innen ungerecht behandelt würden und sich
zur Wehr setzen müssen. Die gewählte Ausdrucksweise in den Berichten dient dazu, die
Diskussion anzuheizen.
Des Weiteren ist im Rahmen der diskursiven Aufarbeitung der Zeitungsartikel auffällig,
dass die Wortwahl im Zusammenhang mit “Ausländer_innen” mitunter an den Sprachgebrauch im Umgang mit Kindern erinnert. “Ausländer_innen” werden als vorlaut und
uneinsichtig dargestellt, man müsse ihnen “klarmachen” wo ihr Platz in der Gesellschaft
ist und dass sie es sind, die sich anzupassen hätten. Damit wird aber auch ausgedrückt,
80
Interview mit Luger 2011a
Neue Kronen Zeitung 2006, S. 14 f
82
Ehm 1999, S. 16
83
Interview mit Padosch 2011
81
175
dass Migrant_innen lediglich geduldet, nicht jedoch akzeptiert sind. Eine Begegnung
auf Augenhöhe ist dadurch von vorne herein ausgeschlossen. In den Berichten werden
eindeutige sprachliche Herabwürdigungen im Zusammenhang mit Nationalität und Kultur
betrieben, durch den Sprachgebrauch werden somit bewusst oder unbewusst rassistische
Inhalte vermittelt.
Ein besonders hervorstechendes Beispiel für den Ausdruck dieser Haltung bzw. die erwähnte Darstellung, oder besser gesagt Konstruktion einer Bedrohung österreichischer Kultur,
fand sich in einem Artikel mit der Überschrift “Zensur für Adventlieder”, erschienen am
22. Jänner 2006 in der Kronen Zeitung, Seite 13. Darin wird berichtet, dass für islamische
Volksschulkinder Adventlieder “zensuriert” werden sollen, und zwar auf Aufforderung von
islamischen Lehrkräften an der Linzer Otto-Glöckel-Schule. Der “Ausländer_innenanteil”
an dieser Schule wäre mit 75 Prozent besonders hoch, die Integration werde allerdings
von “fanatischen Eltern” torpediert. Danach erfolgt ein Themenwechsel, hin zum Ereignis
an der Otto-Glöckel-Schule. Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer wird in diesem
Zusammenhang zitiert mit den Worten: “Das ist eine absolute Sauerei. Respekt gegenüber
Lehrkräften ist in allen Kulturen eine Selbstverständlichkeit. Ich zwinge niemanden, in
Österreich zu bleiben!” Demzufolge hätten “fanatisierte Moslemväter” gefordert, dass
Lehrerinnen Kopftücher tragen sollen und diese sogar beschimpft. Die Wortwahl in der
gesamten Berichterstattung ist generell sehr negativ und unbedacht gewählt, eine genauere Auseinandersetzung mit einschlägigen Begriffen wie z.B. Muslim_innen kann hier
nicht stattgefunden haben. So wurden unter anderem folgende Begriffe häufig verwendet:
Moslem-Fundis, fanatische Moslem-Väter, Fundamentalisten. Darüber hinaus wurden
auch Zuschreibungen verwendet, wie etwa “Problem-Eltern”, “sture und unvernünftige
Väter”.84
In der Tageszeitung Die Presse wurde über das Ereignis an der Linzer Otto-Glöckel-Schule
etwas zurückhaltender und sachlicher berichtet, jedoch wurde auch hier nicht mit Kritik in
Form von Meinungen einzelner Personen gespart. Im Artikel vom 24. Jänner 2006 erfolgt
eine kurze Schilderung der Ereignisse. Einleitend werden einige Wortmeldungen zitiert,
und zwar von Landesschulratspräsident Enzenhofer, sowie von einem FPÖ-Generalsekretär
und einem BZÖ-Sprecher. Die Forderungen der “Moslem-Väter” (so die Bezeichnung, die in
dem Text verwendet wird) werden dabei eingangs scharf kritisiert. Es folgt eine kurze Information zur Otto-Glöckel-Schule, die als Integrationsvolksschule gilt. Anschließend erfolgt
die Beschreibung des Vorfalles. Eine Lehrerin hätte sich im Namen ihrer Kolleg_innen
schriftlich an die Personalvertretung gewandt, da es von Seiten dreier muslimischer Väter
zu ungerechtfertigten Forderungen kam. Die Väter werden als “fanatische Moslem-Väter”
bezeichnet. Die Forderungen werden aufgezählt. Die Formulierung der Aufzählung ist
durch die Verwendung des Konjunktiv eher vorsichtig gewählt (“sie hätten. . . ”, “das sei. . . ”
usw.). Des Weiteren wird über die Reaktion des Landesschulratspräsidenten berichtet,
der sich betont sachlich einbringt. Auch über die zuständige Bezirksschulinspektorin wird
berichtet, sie hätte ein klärendes Gespräch mit einem der Väter geführt. Abschließend
wird nochmals der Landesschulratsinspektor zitiert mit den Worten “Integration ist keine
Einbahnstraße”. Er rät Lehrer_innen, sich in derartigen Angelegenheiten sofort an die
nächst höhere Instanz zu wenden und fordert eine Intervention von Seiten einer islamischen
Organisation zu diesem Sachverhalt.85
Der Bericht ist nur stellenweise neutral verfasst. Er behandelt das Thema bis auf einige
Wortmeldungen zwar auf eine bemüht sachliche Weise, jedoch werden auch Stereotype
bedient. Es werden keine der Beteiligten persönlich angegriffen. Interessant in diesem
84
85
vgl. Neue Kronen Zeitung 2006, S. 13
vgl. Die Presse 2006, S. 5
176
Zusammenhang sind aber die wenige Tage danach veröffentlichten Leser_innenbriefe mit
Bezug zu dem Artikel. Sie erschienen am 27. Jänner 2006 in der Rubrik “DiePresse.meinung”
in der Zeitung Die Presse. Es wurden zwei Leserbriefe abgedruckt, die Überschriften
lauteten “Zeichen der Unterwerfung” und “Aufenthaltsrecht absprechen”. Der Stil des
ersten Leserbriefes “Zeichen der Unterwerfung” ist sehr angriffig gehalten und befasst sich
mit der Symbolik des Kopftuchs. Es wird argumentiert, dass die Forderung der Väter ein
Beweis dafür ist, dass es sich beim Kopftuch um mehr als ein religiöses Symbol handle.
Vielmehr wird es als ein Zeichen der Unterwerfung der Frau bezeichnet. Der Verfasser
macht seiner Empörung Luft und beschwert sich, dass Frauenrechtlerinnen keine Reaktion
auf den Vorfall gezeigt hätten. Der zweite Leserbrief ist ebenfalls sehr direkt verfasst
und kritisiert vor allem die Reaktion des Landesschulrates auf den Vorfall. Dieser hätte
als “der österreichischen Verfassung verpflichteter Beamter” seine Pflicht verletzt. Der
Verfasser fordert eine klare, harte Vorgehensweise gegenüber den muslimischen Vätern ein.
Am Schluss wird die verwendete Sprache durchaus untergriffig, indem Migrant_innen
als “so genannte Asylanten und Wirtschaftsflüchtlinge” betitelt werden. Beide Texte
sind Meinungen von Lesern, die eine klar migrant_innenfeindliche Position einnehmen
und ihrer Empörung mit diesen Beiträgen ausdrücken. Beide Beiträge argumentieren,
basierend auf unterschiedlichen Ansätzen, dass die Forderungen der muslimischen Väter
ungerechtfertigt und skandalös sind. Zum Einen wird die Bedeutung des Kopftuches an sich
in Frage gestellt, mit dem Verweis auf die Unterdrückung der Frau, während im zweiten
Leserbrief den muslimischen Vätern das Recht abgesprochen wird, derartige Forderungen
in Österreich zu stellen. Beide Beiträge basieren auf dem Gesellschaftsverständnis, dass
alle Mitbürger_innen sich an Regeln zu halten haben. Offen bleibt die Frage, ob es
tatsächlich lediglich Reaktionen dieser Art auf den Bericht in der Presse gab bzw. weshalb
kein Leser_innenbrief mit einer Reaktion oder Gegendarstellung z.B. von muslimischen
Eltern, Lehrer_innen oder der Muslimischen Glaubensgemeinschaft abgedruckt wurde.
Darstellung und Layout der Berichte über das Ereignis an der Otto-Glöckel-Schule sowie
die Wortwahl im Zusammenhang mit den jeweiligen Schlagzeilen in den unterschiedlichen
Tageszeitungen sind ein weiterer Aspekt, der hinsichtlich rassistischer Inhalte untersucht
wurde. Auffällig in dieser Hinsicht waren vor allem die Berichte in der Kronen Zeitung. So
lautete die Schlagzeile des am 22. Jänner 2006 veröffentlichen Artikels: “Linzer Lehrerin
wird von Moslems verleumdet!” 86
Der Bericht erstreckt sich über eine Doppelseite. Die beiden Seiten enthalten vier völlig
unterschiedliche Artikel, die jedoch alle eines gemeinsam haben, nämlich die Thematisierung eines Nationalitätenkonflikts. Dem Leser bzw. der Leserin wird das Bild vermittelt,
dass es hier massive Probleme unterschiedlicher Art gibt, jeweils verursacht durch oder
im Zusammenhang mit “Ausländer_innen” bzw. anderen Nationalitäten und Kulturen.
Die weiteren Schlagzeilen auf dieser Seite lauten demnach: “Gesundheitszentrum statt
Asylantenheim”, “Schüler mit Messer bedroht” – darin wird ein Konflikt zwischen einem
ägyptischen Schüler und einem aus Ex-Jugoslawien stammenden Schüler thematisiert –
sowie “Ortstafeln” in der Rubrik Anders gesehen von Günther Nenning.
Abschließend zur diskursiven Aufarbeitung zum Vorfall an der Otto-Glöckel-Schule sollte
noch das Interview mit Waltraud Padosch betrachtet werden, welche uns schilderte, dass
sie nach dem Vorfall nie direkt von einem/einer Reporter_in interviewt worden ist. Im
Zusammenhang mit der Frage nach der Veränderung der medialen Berichterstattung
berichtete sie, dass sie einen Reporter gebeten hat, positiv über die Volksschule zu
schreiben, da diese Schule die einzige Volksschule mit einem eigenen Laborbereich ist. Der
86
Ehm 1999, S. 16 f
177
Reporter macht jedoch das Gegenteil und betitelt den Artikel folgendermaßen: “Die OttoGlöckel-Schule will nach dem Kopftuchskandal ihren schlechten Ruf loswerden.” Padosch
sieht keine Veränderung in der medialen Berichterstattung, da immer nur das geschrieben
werde, was die Leser_innen gerne lesen. Sie hat gesagt, dass sie den betreffenden Reporter
zur Rede gestellt habe und ihn fragte, warum er so berichte: Die Antwort war, dass er
noch sehr jung wäre, eine Familie zu versorgen hätte und er seinen Artikel so schreiben
muss, da ihn sonst keine Leute lesen würden.87
6.3.3 Feinanalyse der Tageszeitung “Der Standard”
6.3.3.1 Artikel vom 25. Jänner 2006: “Keine Kopftücher für Linzer Lehrerinnen”
• Institutioneller Rahmen:
Der halbseitige Artikel erschien am 25. Jänner 2006 in der Rubrik “Länder” in der Zeitung
Der Standard. Der Text stammt von Kerstin Scheller. Der Artikel bezieht sich auf den
Kopftuchstreit an einer Linzer Volksschule. Es steht die Behauptung im Raum, dass
drei Väter muslimischen Glaubens die Forderung an Lehrer_innen der besagten Schule
gestellt haben, ein Kopftuch während des Unterrichtes zu tragen. Der Fall erweist sich als
strittig, da die Väter schildern, dass ein anderer Vorfall in einer ganz anderen Situation
stattgefunden hätte.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel “Keine Kopftücher für Linzer Lehrerinnen” ist zentral positioniert und befindet
sich in der oberen Hälfte der Seite. Der Text enthält keine Bilder und umfasst drei
Spalten. Der auffallende Artikel befindet sich über dem Artikel Ökoprofit-Affäre: “Kritik
von Stadtrechnungshof und Gehaltsstreit auf höchstem Niveau”. Neben dem Artikel
“Keine Kopftücher für Linzer Lehrerinnen” ist ein kleinerer Artikel mit der Überschrift
“Väterchen Frost wird heimisch” platziert, welchem ein auffallendes Bild einer Frau in
Winterbekleidung zugeordnet ist. Weiter unten ist ein Kalender mit Geburtstagen von
Berühmtheiten zu sehen, der letzte untere Teil wird mit einer Werbung der Organisation
“Licht ins Dunkel” des ORF ausgefüllt.
Der Text besteht aus fünf Absätzen. Der erste Absatz beschreibt den Vorfall an der Linzer
Otto-Glöckel-Schule. Das weitere Thema dieses Abschnittes ist, dass die Väter bei einer
Presseaussendung des Muslimischen Lehrer_innenvereins ihre Version der Vorkommnisse
schildern. Diese Erläuterung führt auf ein Ereignis zurück, bei dem ihre Töchter bei einem
Kinobesuch gezwungen wurden, die Kopftücher abzunehmen. Bezüglich der Richtigkeit
dieser Aussage gibt es kontroverse Ansichten. Der zweite und kürzeste Abschnitt handelt
von einem Presseschreiben, mit welchem sich die Lehrer_innen der Volksschule an ihre
Personalvertretung wandten. Weitergeleitet an die ÖVP führte dies zu einer Forderung
nach einem “Integrationskonzept”. Der Artikel beinhaltet statistische Werte, welche den
Anteil von Kindern nicht-deutscher Muttersprache an der Otto-Glöckel-Schule mit 80
Prozent beziffern. Ein Zitat aus dem von den Lehrer_innen der Otto-Glöckel-Schule
verfassten Brief beschreibt die Angst vor “fanatischen bosnischen Familien” (Dritter
Absatz, Zeile zehn), mit denen die Lehrer_innen sich auseinandersetzen. Dabei kam es
laut Angaben in besagtem Brief zu verbalen Auseinandersetzungen und Fehlern in der
Form der Anrede seitens der muslimischen Väter. Die Islamische Gemeinschaft spricht
sich im letzten Absatz dafür aus, den Glauben grundsätzlich frei ausleben zu dürfen.
87
Interview mit Padosch 2011
178
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Text ist sprachlich neutral verfasst und enthält keine Redewendungen und Metaphern.
Es kommen auch keine bildlichen Symbole oder Sprichwörter vor. Der Artikel ist einfach
und verständlich geschrieben. Chronologisch beginnt er mit der Behauptung, dass es eine
angebliche Kopftuchpflicht für oberösterreichische Lehrerinnen gibt. Es wird der Eindruck
vermittelt, dass es sich um einen noch nicht geklärten Fall handelt. Im Artikel wird sowohl
die Seite der Befürworter_innen als auch die der Gegenseite dargestellt. Der von der
Autorin gewählte Stil ist weniger ein Erzählstil, sondern vielmehr eine Sammlung von
Zitaten und Aussagen der beim Vorfall der Otto-Glöckel-Schule Beteiligten.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Eine politische Haltung ist in diesem Artikel nicht erkennbar. Die muslimischen Väter
weisen die gegen sie angeführten Behauptungen zurück und beschreiben einen anderen
Vorfall auf einer Klassenfahrt, bei welchem ihre Töchter das Kopftuch während eines
Kinobesuches abnehmen mussten. Es gibt keine Stellungnahme bzw. Richtigstellung zu
diesem Vorwurf. Es wird darauf geachtet, sachlich zu informieren und den Vorfall in
chronologischer Reihenfolge zu schildern.
6.3.3.2 Artikel vom 2. März 2006: “Kopftuchstreit: Neuer Ärger mit blauen
Pickerln”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel “Kopftuchstreit: Neuer Ärger mit blauen Pickerln” erschien am 2. März 2006
in der Zeitung Der Standard. Verfasser des Textes ist Markus Rohrhofer. Anlass für den
Artikel war der “Kopftuch-Streit” an der Linzer Otto-Glöckel-Schule und ein Aufkleber
des Rings Freiheitlicher Jugend.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel umfasst ein Drittel der Seite, ist in zwei Spalten gegliedert und besteht
aus drei Bereichen. Der erste Teil dient als Einführung und zeigt das Motto der FPÖVorfeldorganisation Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) “Jung, frech und der Zukunft
verpflichtet”. Im Rahmen dieser Aktion wurden Aufkleber mit der Aufschrift “Keine
Kopftücher an Linzer Schulen” verteilt. Zwei dieser Aufkleber wurden an der Eingangstür der Linzer Otto-Glöckel-Schule entdeckt. Der zweite Teil des Artikels befasst sich
mit dem im Vorfeld stattgefundenen Ereignis. Im Jänner sorgte an dieser Schule der so
genannte “Kopftuchstreit” für erheblichen Wirbel. Laut einer Pädagogin sei von muslimischen Vätern eine Kopftuchpflicht für Lehrerinnen gefordert worden. Vom Muslimischen
Lehrer_innenverein wurde dies dementiert. Vielmehr habe die Lehrerin das Ablegen des
Kopftuches bei einer Schülerin gefordert. Die hitzige Debatte konnte durch ein klärendes
Gespräch beigelegt werden. Durch die Aktion des RFJ wurde jedoch wieder “Öl ins
Feuer” gegossen. Ein muslimischer Vater, der die Aufkleber bemerkte, meldete dies der
Direktorin. Die Aufkleber wurden umgehend entfernt und es wurde Anzeige erstattet. Die
Staatsanwaltschaft prüfte die Sachverhaltsdarstellung der Polizei. Am Ende der ersten
Spalte, in der Mitte des zweiten Textteils, befindet sich eine Abbildung des Aufklebers. Es
handelt sich dabei um ein rundes Zeichen, darin befindlich eine symbolhafte Darstellung
eines durchgestrichenen Gesichtes mit Kopftuch.
179
Der dritte Teil beinhaltet den Standpunkt der blauen Parteillinie zum Sachverhalt. Vom
RJF wird auf Distanz gegangen. Detlef Wimmer, RFJ-Bezirksobmann, wehrt sich, indem
er sagt, das Austeilen der Sticker war nie als Aktion gegen die Schule gedacht. Vielmehr
sollen mit diesen Aufklebern Probleme aufgezeigt anstatt totgeschwiegen werden. Er findet
es unfassbar, nun als Rassist beschimpft zu werden. Die “Pickerl-Aktion” ist von oberster
FPÖ-Stelle gedeckt. Landesparteiobmann Lutz Weinzinger merkt an, dass “dieses Nein zum
Kopftuch durchaus vertretbar ist.” Die Aufkleber richten sich klar gegen die “anmaßenden
Forderungen islamischer Kreise”. Weitere Wortmeldungen kommen danach noch vom
Klubobmann der oberösterreichischen Grünen, Gunther Trübswasser. Für ihn verstecke
sich hinter dieser vermeintlichen Diskussion um ein Kleidungsstück “Geringschätzung,
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit”. Es werde mit “gefährlichen Emotionen” gespielt.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Die Überschrift “Neuer Ärger mit blauen Pickerln” ist nicht sehr aussagekräftig. Auch
die bildliche Sprache findet mit “erneut Öl ins Feuer gegossen” Anwendung. Durch die
Gliederung ist der Text gut zu lesen und leicht verständlich. Darüber hinaus werden im
Artikel viele Zitate verwendet.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Schon die Überschrift lässt eine eher ablehnende Haltung gegenüber der Freiheitlichen
Partei erkennen und daher auf die Ausrichtung der Blattlinie schließen.
6.3.3.3 Artikel vom 8. März 2006: “Kopftuchstreit: Kopftuchstreit als A ront”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 8. März 2006 in der Rubrik “Länder“ in der Zeitung Der Standard.
Verfasser des Artikels ist “ker”. Anlass für das Erscheinen des Artikels war ein Besuch
des Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in der Otto-Glöckel-Schule. Im
Jänner war es bei der Personalvertretung von Lehrer_innen zu Beschwerden über zwei
muslimische Väter gekommen.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel befindet sich auf Seite acht links oben und ist in etwa eine viertel Seite lang. Die
Überschrift ist die am größten geschriebene dieser Seite und der Artikel ist mit einem Foto
versehen. Dieses Foto zeigt eine freundlich wirkende Frau mit Kopftuch in einer Schulklasse,
die sich mit einer Person unterhält, die auf dem Bild nicht zu sehen ist. Vier weitere
Personen befinden sich im Hintergrund, wobei keine dieser Personen ein Kopftuch trägt.
Rechts davon ist ein Artikel über eine hässliche Raupe, die Bäume befällt. Direkt unterhalb
befindet sich eine Kundmachung eines Antrags durch Edikt über die Genehmigung einer
Änderung über ein bestehendes Kraftwerk vom Land Wien. Rechts davon befindet sich
ein Artikel über Prominente, die eine österreichische Unterschriftenaktion unterstützen,
initiiert vom oberösterreichischen Netzwerk gegen Faschismus. Darunter steht ein Kalender
mit Geburtstagen und der Länderchronik.
Der Artikel informiert in knapper Form über den Vorfall im Jänner an der Otto-GlöckelSchule und die darauf folgende Vorgehensweise. Es hatten sich muslimische Väter respektlos gegenüber Lehrerinnen verhalten und ihnen vorgeschrieben, im Unterricht ein
180
Kopftuch zu tragen. Der Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer und der Präsident der
Islamischen Glaubensgemeinschaft, Anas Shakfeh, sind in Kontakt zueinander getreten.
Es gibt Erklärungen, eine Entschuldigung und vor allem eine gemeinsame Richtlinie. Diese
besagt, dass eine Kopfbedeckung im Unterricht aus religiösen Gründen erlaubt, im Sportoder Schwimmunterricht aber nicht gestattet ist. Als weiteres Thema wird die Vorgehensweise bei der Einstellung und der Ausbildung von islamischen Religionslehrer_innen
angeführt. Es bedarf künftig eines Strafregisterauszugs und verpflichtender Deutschkurse
für islamische Religionslehrer_innen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Artikel ist sehr schlüssig, sachlich und in neutralem Stil verfasst. Es gibt keine
bildlichen Beschreibungen. Bewusst hebt der/die Autor_in mit Anführungszeichen gern
verwendete einschlägige Ausdrücke hervor, wie etwa die zu Beginn erläuterten “fanatischen” Muslime. Mit “auf das Strengste verurteilt” wird auf das scharfe Durchgreifen vom
Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Anas Shakfeh, hingewiesen. Es wird
angeführt, dass es sich bei dem Vorfall an der Otto-Glöckel-Schule um eine “Meinungsverschiedenheit” handelte, die “hochstilisiert” wurde. Zu diesem “Einzelfall” nimmt Shakfeh
Stellung. Im Artikel werden mehrere Zitate von ihm angeführt.
Abbildung 6.2: Der Standard, 8. März 2006
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Text ist zu Beginn neutral gehalten. Zum Ende des Artikels ist die politische Einstellung des Autors bzw. der Autorin als eher links erkennbar. Es ist dem/der Verfasser_in
wichtig, zu erwähnen, dass die Regelungen und Vorgehensweisen als einvernehmliche Einigung zwischen zwei konträren Parteien entstanden sind. Auch auf das harte Durchgreifen
des Präsidenten und die Entschuldigung des Vaters wird explizit hingewiesen. Es wird
durch diesen Text die Botschaft vermittelt, dass es sich bei diesem Thema um Einzelfälle
181
handelt. Der/die durchschnittliche Muslim_in vertritt die selben Sichtweisen wie wir
Österreicher_innen und es gibt nur wenige Ausnahmen von dieser Regel, meint Schakfeh.
Etwas vom ursprünglichen Thema abweichend, wird am Ende des Textes über einen
verurteilten Neonazi berichtet, der trotz Verurteilung aufgrund von Körperverletzung
islamischen Religionsunterricht abhalten durfte.
6.3.4 Feinanalyse der Tageszeitung “Die Presse”
6.3.4.1 Artikel vom 24. Jänner 2006: “Kon ikt um Kopftuch”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 24. Jänner 2006 im Inland-Teil der Presse, es ist kein_e Verfasser_in des Artikels genannt. Anlass für das Erscheinen des Artikels ist ein Konflikt
zwischen einer Lehrerin der Otto-Glöckel-Schule und drei muslimischen Vätern.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel ist einspaltig, jedoch relativ lang gehalten. Er befindet sich auf der linken Seite
und ist mit einer großen Überschrift und gleich darunter einer einleitenden Zwischenüberschrift versehen. Es wird kein Bild gezeigt. Der Text ist durch eine fett hervorgehobene
Zwischenüberschrift einmal unterteilt. Ansonsten enthält er keine weiteren Sinneinheiten.
Rechts neben dem Artikel ist eine sehr große Werbeeinschaltung der Sparkasse abgedruckt.
Über dem Artikel befindet sich ein Bericht mit Grafik zum Thema Neueintritte in die
Volksschule. Die Schlagzeile lautet “81.000 Erstklassler im neuen Schuljahr”. Der Bericht
handelt davon, dass einige Eltern die Frist zur Einschreibung versäumen bzw. missachten
würden, wobei es sich dabei vornehmlich um Zuwanderer_innen handeln würde. Der Text
enthält einige Wörter, die unter Anführungszeichen gesetzt sind. Dabei handelt es sich
meist um direkte Zitate.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Stil des Textes ist klar und leicht verständlich gehalten, der Wortschatz ist dem
Thema entsprechend angepasst. Es kommen keine Redewendungen oder Sprichwörter vor,
Symbolsprache kommt nur sehr spärlich zum Einsatz.
Einleitend werden einige Wortmeldungen zitiert, und zwar von Landesschulratspräsident
Enzenhofer sowie von einem FPÖ-Generalsekretär und einem BZÖ-Sprecher. Die Forderungen der “Moslem-Väter” (so die Bezeichnung, die in dem Text verwendet wird) werden
dabei eingangs scharf kritisiert. Es folgt eine kurze Information zur Otto-Glöckel-Schule,
die als Integrationsvolksschule gilt.
Anschließend erfolgt die Beschreibung des Vorfalles. Eine Lehrerin hatte sich im Namen
ihrer Kolleg_innen schriftlich an die Personalvertretung gewandt, da es von Seiten dreier
muslimischer Väter zu ungerechtfertigten Forderungen kam. Die Väter werden als “fanatische Moslem-Väter” bezeichnet. Die Forderungen werden aufgezählt. Die Formulierung
der Aufzählung ist durch die Verwendung des Konjunktivs eher vorsichtig gewählt (“sie
hätten. . . ”, “das sei. . . ” usw.).
Des Weiteren wird über die Reaktion des Landesschulratspräsidenten berichtet, der sich
betont sachlich einbringt. Auch über die zuständige Bezirksschulinspektorin wird berichtet,
182
sie hätte ein klärendes Gespräch mit einem der Väter geführt. Abschließend wird der
Landesschulratsinspektor mit den Worten “Integration sei keine Einbahnstraße” nochmals
zitiert. Er rät Lehrer_innen, sich in derartigen Angelegenheiten sofort an die nächst
höhere Instanz zu wenden und fordert eine Intervention von Seiten einer Islamischen
Organisation zu diesem Sachverhalt.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Bericht ist nur teilweise neutral verfasst. Er behandelt das Thema bis auf einige
Wortmeldungen zwar auf eine bemüht sachliche Weise, jedoch bedient er auch Stereotype.
Hintergrundinformationen vom Landesschulratspräsident schwächen diesen Zugang jedoch
größtenteils wieder ab. Der Text lässt eine konservative Grundeinstellung erahnen. Keiner
der Beteiligten wird in der Formulierung persönlich angegriffen.
Abbildung 6.3: Die Presse, 24. Jänner 2006
183
6.3.4.2 Artikel vom 27. Jänner 2006: “Zeichen der Unterwerfung und
Aufenthaltsrecht absprechen”
• Institutioneller Rahmen:
Bei den beiden Artikeln handelt es sich um Leserbriefe, welche am 27. Jänner 2006 in der
Rubrik “DiePresse.meinung” in der Zeitung Die Presse erschienen. Verfasser des Leserbriefs
“Zeichen der Unterwerfung” ist Franz Harbauer aus Deutsch-Wagram, Verfasser des
Leserbriefs “Aufenthaltsrecht absprechen” ist Karl Claus aus Mistelbach. Die Leserbriefe
beziehen sich direkt auf den am 24. Jänner 2006 erschienenen Bericht zum Thema “Konflikt
um Kopftuch”.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Die Beiträge befinden sich auf der vierspaltig unterteilten Seite links in einer eigens
vorgesehenen Spalte für Leserbriefe. Diese sind direkt nacheinander in der unteren Hälfte
der Seite abgedruckt, jeweils ohne Bild. Neben der Spalte Leserbriefe befindet sich ein
großer Artikel mit einem gezeichneten Bild zum Thema Mozart, darunter ist ein Artikel
ohne Bild zum Thema Kunst mit einem Foto des Verfassers abgedruckt. Die Überschriften
der Leserbriefe sind unter Anführungszeichen gesetzt.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der erste Leserbriefes “Zeichen der Unterwerfung” befasst sich mit der Symbolik des
Kopftuchs. Es wird argumentiert, dass die Forderung der Väter ein Beweis dafür ist,
dass es sich beim Kopftuch um mehr als ein religiöses Symbol handle. Es wird als ein
Zeichen der Unterwerfung der Frau bezeichnet. Der Verfasser macht seiner Empörung
Luft und beschwert sich, dass sogenannte Frauenrechtlerinnen keine Reaktion auf den
Vorfall gezeigt haben.
Der zweite Leserbrief ist ebenfalls sehr direkt verfasst und kritisiert vor allem die Reaktion
des Landesschulrates auf den Vorfall. Dieser hätte als “der österreichischen Verfassung
verpflichteter Beamter” seine Pflicht verletzt. Der Autor fordert eine klare, harte Vorgehensweise gegenüber den muslimischen Vätern. Am Schluss des Textes werden Zuwanderer
als “so genannte Asylanten und Wirtschaftsflüchtlinge” betitelt.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Beide Texte sind Meinungen von Lesern, die eine klar erkennbare migrant_innenfeindliche
Position einnehmen und ihre Empörung mit diesen Beiträgen ausdrücken. Beide Briefe
argumentieren, basierend auf unterschiedlichen Ansätzen, dass die Forderungen der
muslimischen Väter ungerechtfertigt und skandalös sind. Der erste Leserbrief stellt das
Ansinnen und die Bedeutung des Kopftuches an sich in Frage, mit Hinweis auf die
Unterdrückung der Frau, während im zweiten Leserbrief den muslimischen Vätern das
Recht abgesprochen wird, derartige Forderungen in Österreich zu stellen. Beide basieren
auf dem Gesellschaftsverständnis, dass alle Mitbürger_innen sich an Regeln zu halten
haben.
184
6.3.5 Feinanalyse der Tageszeitung “Kronen Zeitung”
6.3.5.1 Artikel vom 21. Jänner 2006: “Islamisten torpedieren Integrationsversuche
an Linzer Volksschule mit 75 Prozent Ausländeranteil Unverschämte
Ansprüche: ’Moslem-Väter fordern Kopftuch für Lehrerinnen” ’
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 21. Jänner in der Rubrik “Österreich” der Kronen Zeitung. Der
Verfasser des Textes heißt Markus Schütz. Der Artikel bezieht sich auf den Kopftuchstreit
in der Linzer Otto-Glöckel-Schule.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel ist dreispaltig dargestellt, erstreckt sich über die Seiten 14 und 15 und ist auf
der oberen Hälfte der beiden Seiten positioniert. Der Text ist mit einem Bild versehen,
das die Frontseite bzw. den Eingang der Schule zeigt und ist mit der groß dargestellten
Überschrift “Moslem-Väter fordern Kopftuch für Lehrerinnen” betitelt. Rechts neben dem
Text, neben der dritten Spalte des Artikels, befindet sich ein Bild mit einer idyllischen
Winterlandschaft, das mit der Informationsbox “Unser schönes Oberösterreich – Zauberhaft
wie aus dem Märchenbuch wirkt diese Kremstaler Winterlandschaft...” beginnt. Gleich
unterhalb des Bildes mit der Winterlandschaft findet man einen Bericht über ein weibliches
Mordopfer, das auf sehr grausame Weise zu Tode kam. Unterhalb des Bildes der OttoGlöckel-Schule und unterhalb der ersten zwei Spalten des Artikels befindet sich ein
Bericht über Ski-Dieb_innen, die den Einkehrschwung von Skifahrer_innen abwarten
und ausnützen, um diesen in weiterer Folge die Skier zu entwenden. Links von diesem
Bericht ist die Informationsbox vom “Knödel-Sepp”, der sich auf den Ski-Diebstahl bezieht.
Unterhalb dieser beiden Beiträge befindet sich ein Bericht von Marga Swoboda mit dem
Titel “Das Kind hat den Hund weggestoßen”.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Artikel ist in sehr einfacher Art und Weise geschrieben und daher leicht verständlich.
Er weist keine komplizierten Satzkonstruktionen auf. Der Wortschatz ist allgemein gebräuchlich und der/die Leser_in kann den Inhalt dieses Artikels einfach nachvollziehen.
Es kommen darüber hinaus keine Redewendungen, Sprichwörter oder Zitate vor. Der Text
referenziert auf den Kopftuchstreit in der Otto-Glöckel-Schule.
Die Überschrift “Islamisten torpedieren Integrationsversuche an Linzer Volksschule mit
75 Prozent Ausländeranteil – Unverschämte Ansprüche” weist auf das zu vermittelnde
Stimmungsbild des Artikels hin. Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass die Wortwahl
sehr scharf und unmissverständlich ist, wie sich z.B. anhand der Wortwahl “Islamisten”
oder “Fanatiker” feststellen lässt. Der Artikel ist im Erzählstil verfasst und weist keine
besonderen rhetorischen Mittel auf. Auffallend ist, dass der Autor nicht das Ausgleichende
bzw. den Konsens hervorhebt, sondern eine klare Trennung in Gut und Böse vornimmt.
In weiterer Folge kann der Wahrheitsgehalt durch die Darstellung des Verfassers insofern
angezweifelt werden, als dass Moslem-Väter uneingeschränkt für alle Pädagoginnen, also
auch für jene, die anderen Konfessionen anhängen bzw. konfessionslos sind, an der Linzer
Otto-Glöckel-Schule das Tragen des Kopftuches fordern.
185
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel ist in einer rechtspopulistischen Art und Weise verfasst und versucht durch
diese Ausrichtung in erste Linie die Emotionen der Menschen anzusprechen. Nicht die
Information steht im Vordergrund, sondern vielmehr das populistische Moment bzw. die
mehrheitliche Meinung der österreichischen Bevölkerung. Dies wird z.B. durch Aussagen
untermauert, dass das “Ausländer-Problem akuter wird”, die größte Sorge der Linzer_innen
aber nach wie vor die “Parkplatz-Not” sei. Dabei lässt sich das Menschenbild, das der Autor
in Bezug auf Migrant_innen vermittelt, in eindrucksvoller, trauriger Manier erkennen,
indem “Ausländer_innen” mit Dingen wie etwa Parkplätzen verglichen werden.
Abbildung 6.4: Neue Kronen Zeitung, 21. Jänner 2006
6.3.5.2 Artikel vom 22. Jänner 2006: “Islamische Lehrer forderten in Linzer
Volksschule: Zensur für Adventlieder”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel “Zensur für Adventlieder” erschien am 22. Jänner 2006 unter der Rubrik
“Österreich” in der Kronen Zeitung. Der/Die Verfasser_in des Textes ist nicht bekannt. Der
Artikel kann den Geschehnissen an der Otto-Glöckel-Schule zugeordnet werden. Die Schule
findet namentlich keine Erwähnung, sondern wird als Volksschule zwölf angeführt. Als
Anlass für die Erscheinung des Artikels gilt die Forderung islamischer Lehrer, Adventlieder
zu zensurieren.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel ist kurz und kompakt gehalten, enthält keine Bilder und ist in drei Spalten
unterteilt. Die Überschrift ist in sehr großer Schrift gehalten, fett gedruckt mit Rufzeichen
versehen. Der Artikel ist auf der rechten Seite in der Mitte platziert. Oberhalb befindet sich
ein Bild, das zu einem anderen Artikel gehört, dessen Überschrift bereits auf Seite zwölf
beginnt. Auf Seite 13 sind “Endstation Linz” und “gerettet” lesbar. Das Bild zeigt einen
Polizisten mit Hund, der an einer Leine auf einem Waggon mit vielen Autoreifen nach
Flüchtlingen sucht. Ein kleineres Bild daneben zeigt mehrere Personen. Gut erkennbar sind
zwei Personen, die sich noch auf diesem Waggon befinden, einer Person wird gerade von
einem Polizisten geholfen, herunterzusteigen. Darunter steht geschrieben: “Die Flüchtlinge
186
wurden aus den Waggons befreit, die man dann durchsuchte.” Die illegal Eingereisten
wurden im Anhaltezentrum von der Linzer Polizei mit warmem Essen versorgt. Links
neben dem Artikel “Zensur für Adventlieder” befindet sich eingerahmt die Rubrik “Ob
der Enns” mit dem Titel “Auf die Hand gespuckt”. “Integration – das ist die Politik der
ausgestreckten, offenen Hand.” Diese Hand wird dem fremden Gegenüber gereicht, doch
fanatische Islamisten spucken auf diese Hand. Der/Die Verfasser_in dieser Zeilen trägt
das Kürzel CG. Im Text werden die Personen aufgefordert, wieder nach Hause zu gehen.
Es würde niemand gezwungen werden, hier zu bleiben. Das “Ausländer_innenthema”
war bisher in Linz ein politisches Tabu. Nun zeige die ÖVP auf, dass doch nicht alles in
Ordnung sei.
Die Einführung des Artikel “Zensur für Adventlieder” zeigt auf, dass für islamische Volksschulkinder österreichische bzw. deutschsprachige Adventlieder “zensuriert” werden sollten.
Das würde von islamischen Lehrer_innen der Linzer Volksschule zwölf gefordert. Der
“Ausländer_innenanteil” an dieser Schule ist mit 75 Prozent besonders hoch. Integration
wird allerdings von fanatischen Eltern torpediert. Nach dieser Einführung wird zu Beginn
der Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer zitiert, der auf einen Exklusivbericht der
Kronen Zeitung mit folgenden Worten reagiert: “Das ist eine absolute Sauerei. Respekt
gegenüber Lehrkräften ist in allen Kulturen eine Selbstverständlichkeit. Ich zwinge niemanden, in Österreich zu bleiben!” An der Linzer Volksschule 12 fordern fanatisierte
Moslemväter, dass Lehrerinnen Kopftücher tragen sollen und beschimpfen sie sogar. Der
Schluss des Textes wird von einem Zitat des Linzer ÖVP-Klubobmanns Thomas Stelzer
geschlossen, der sich unverständlich gegenüber einer Reaktion der SPÖ zeigt. Diese lehnte
eine Forderung im Gemeinderat nach einem Integrationskonzept ab. “Wir werden als
latente Rassisten bezeichnet, weil wir vor den Problemen mit Ausländern nicht die Augen
verschließen”, so Stelzer.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
In dem Text gibt es nur ein “wir” und ein “die Anderen”. Die Anderen wollen unsere
Adventlieder zensurieren. Es wird nicht geschrieben, auf welche Art und Weise. Es
wird auf den hohen Ausländer_innenanteil angespielt und dass Integration nur von uns
angestrebt wird, nicht aber von den anderen. “Toleranz als Einbahnstraße” wird als
Satz so stehen gelassen. Es gibt zwei Zitate in dem Text. Das erste Zitat stammt von
Landesschulratspräsidenten Enzenhofer und ist sehr emotional. Das zweite Zitat ist vom
ÖVP-Klubobmann und bezeichnet die ÖVP als Opfer. Die Moslemväter werden symbolisch
als fanatisiert dargestellt. Durch die weitere Anführung, dass sie die Pädagoginnen sogar
aufs Gröbste beschimpft hätten, wird zusätzlich ein radikales Bild gezeichnet.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Die politische Haltung hinter dem Text ist zweifelsfrei fremdenfeindlich. Es wird ein
Menschenbild vermittelt, das Inländer_innen als “die Guten” und Migrant_innen als
“die Schlechten” darstellt. Österreicher_innen würden eine Integration anstreben und
alles für ein gutes Zusammenleben tun, die anderen wollen einfach nicht. Diese Botschaft
wird durch den Text links “Auf die Hand gespuckt” noch verdeutlicht. Wenn die anderen
nicht wollen bzw. ihre Gebräuche und Sitten bei uns durchsetzen wollen, dann sollen
sie wieder nach Hause gehen. Denn dieser Druck erzeuge Gegendruck, mit dem die
Österreicher_innen sicher nicht begonnen haben. Unter Integration wird Assimilation
verstanden. Ausländer_innen müssen sich gänzlich unseren Sitten und Bräuchen anpassen,
um akzeptiert zu werden. Aufgrund der Anführung des großen Ausländer_innenanteiles
wird im Text implizit ein Zukunftsbild entworfen, in dem die Österreicher_innen bald
187
nur eine Minderheit im eigenen Land sein werden und die Ausländer_innen die Mehrheit
darstellen.
6.3.5.3 Artikel vom 23. Jänner 2006: “Nein zu Integration ist Chancen-Killer”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 23. Jänner 2006 in der Rubrik “Österreich” der Kronen Zeitung.
Es ist kein_e Verfasser_in des Artikels genannt. Als zuordenbares Ereignis wird ein
Vorfall an einer Linzer Volksschule genannt, an der ein fanatisierter Moslemvater forderte,
dass auch Lehrerinnen Kopftücher tragen sollen. Obwohl der Name jener Volksschule
nicht erwähnt wird, geht dennoch klar hervor, dass es sich hierbei um den Vorfall an der
Linzer Otto-Glöckel-Schule handelt.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Text ist kurz gehalten und in zwei Spalten geteilt. Insgesamt erstreckt er sich über
eine viertel Seite und befindet sich rechts unten auf Seite 15. Die Überschrift ist in Anführungszeichen und großer Schrift geschrieben, was auf die Wichtigkeit und Dringlichkeit des
Artikels hinweist. Auf derselben Seite links oben befindet sich ein Bild, das den Stempel
“Unser schönes Oberösterreich” trägt. Man sieht eine wunderschöne Winterlandschaft,
einen Sonnenuntergang und traumhafte Bergspitzen, die von Bäumen umrandet sind.
Beim Anblick dieses Bildes entsteht sofort der Eindruck, dass in Oberösterreich alles
friedlich, rein und harmonisch ist, wie in einem Traum, wie in einem Märchen. Das Bild
erstreckt sich fast über eine halbe Seite. Es kommt eine wunderbar verträumte Stimmung
auf, das schöne Österreich als Wintermärchen am Attersee – so wird das Bild beschrieben.
Dann, ein paar Zeilen weiter, ist vom “Chancen-Killer Oberösterreich” zu lesen. Eine
erschreckende Nachricht. Der Artikel erscheint unter diesen Gesichtspunkten unter einem
noch negativeren und dramatischeren Licht.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Wortschatz und Stil des Textes sind relativ einfach gehalten. Argumentiert wird mit
direkten Zitaten sowohl von Seiten der FPÖ als von Seiten der ÖVP. Alleine die Überschrift
lässt durch das Wort “Killer” bereits auf schauderhafte Ereignisse und Aussagen schließen.
Es wäre auch möglich zu sagen, dass die Ablehnung der Integration Chancen für Kinder
hemmen oder behindern würde, aber gleich von “Killer” zu sprechen zeigt, wie wenig
sensibel mit diesem Thema umgegangen wird und wie sehr sich die Wogen bereits
hochgeschaukelt haben. Es wird kurz darauf eingegangen, dass Mitte der 90er-Jahre
90.000 Bosnier_innen nach Österreich flüchteten. Im nächsten Satz wird in diesem
Zusammenhang vom “Löwenanteil” gesprochen. Es wird klar, dass durch die negativ
besetzte Wortwahl eher Stimmung gegen die Integration von Bosnier_innen gemacht wird.
Des Weiteren ist im Zusammenhang mit dem Ereignis an der Linzer Otto-Glöckel-Schule
von einem “fanatisierten Moslemvater” die Rede. Der Begriff “fanatisiert” ist hier wiederum
eindeutig negativ bewertend und will aussagen, dass die Debatte und der Vorfall völlig
überzogen und übertrieben wären. Der letzte Satz des Artikels lautet: “Man dürfe nicht
auf einem Auge blind sein.” Der Artikel ist insgesamt sehr bildhaft beschrieben und
verweist an vielen Stellen darauf, dass es wichtig ist, konsequent zu bleiben und möglichst
rasch zu versuchen, die problematische Lage zu Gunsten der Österreicher_innen in den
Griff zu bekommen.
188
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Aus dem Text geht klar hervor, dass der/die Autor_in deutlich die Meinung der ÖVP, welche vor Integration warnt, vertritt. Es wird veranschaulicht, dass für Nicht-Österreicher_innen
nicht dasselbe positive Menschenbild gilt wie für in Österreich geborene Männer und
Frauen. Es wird auch davor gewarnt, dass sich diese Debatte in Zukunft als noch problematischer darstellen könnte und die bislang noch bestehende Chance zur Integration
genutzt werden soll, ehe es zu spät sein könnte.
6.3.5.4 Artikel vom 24. Jänner 2006: “Weil fünf türkische Mitglieder kaum jemals
bei den Sitzungen in Linz auftauchen: Integrationsbeirat ist lahm gelegt”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel “Integrationsbeirat ist lahm gelegt” erschien am 24. Jänner 2006 in der
Rubrik “Österreich” der Kronen Zeitung. Bezüglich des/der Verfasser_in werden keine
Angaben gemacht. Grund für die Veröffentlichung dieses Artikels ist, dass von den vor
dreieinhalb Jahren errungenen fünf Mandaten der türkischen Gruppe im Integrationsbeirat
in keiner Weise Gebrauch gemacht wurde. Von den fünf Mitgliedern taucht – wenn
überhaupt – nur eine Person bei jeglichen Sitzungen auf, worüber sich der Vorsitzende
des Integrationsbeirates, Krzysztof Sieranski, maßlos ärgert.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel beginnt mit einer Teilüberschrift mit dem Inhalt, dass die fünf türkischen
Mitglieder des Integrationsbeirates kaum bei Sitzungen anwesend sind. Auf diese Teilüberschrift folgt die Hauptüberschrift: “Integrationsbeirat ist lahm gelegt”. Dieser Titel
ist in großen und fett geschriebenen Buchstaben gedruckt und nimmt die ganze Breite
dieser Seite in Anspruch. Sieht man diese beiden Überschriften, lässt dies einen Artikel
erwarten, der sich aus einer Vielzahl an Spalten und Absätzen zusammensetzt. Was jedoch
wirklich auf die Überschriften folgt, ist ein Artikel, der lediglich eine kürzere und eine
längere Spalte umfasst. Des Weiteren ist kein Bild vorhanden. Der Artikel befindet sich
am Beginn der Seite 16, zieht sich im ersten Drittel der Seite über die ganze Breite und
reicht im letzten Absatz etwa bis zur Mitte der Seite. Weiters befindet sich auf dieser
Seite noch ein Artikel über einen Dealer aus Attnang, der verhaftet wurde. Ein Bild
ist zu sehen, das zu keinem der Artikel gehört und nur in einem kleinen Kästchen kurz
beschrieben wird. Ganz unten auf Seite 16 ist unter dem Bereich “Hin’gschaut und g’sund
g’lebt” über hohen Blutzuckerspiegel zu lesen. Der Artikel ist in zwei Sinneinheiten geteilt,
wobei sich die erste direkt unter der Überschrift befindet und die zweite die weitere
Teilüberschrift “Muslimische Männer machen Frauen Angst” trägt. Konkret behandelt
der Text das Thema der türkischen Gruppe im Integrationsbeirat, welche diesem trotz
der fünf Mandate nur sehr selten beiwohnt. Darüber hinaus berichtet der Artikel über die
“Kopftuch-Debatte“ und die Meinungen von Anrufer_innen bei der Kronen Zeitung.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Bezüglich der sprachlichen Komponente lässt sich festhalten, dass dieser Text jedes
einzelne Detail auf den Punkt bringt und Meinungen frei äußert. Sowohl die Wortwahl
als auch der Stil dieses Artikels sind sehr einfach gewählt. Gleich zu Beginn des Textes
befindet sich ein direktes Zitat vom Integrationsvorsitzenden Krzysztof Sieranski. Aus
diesem Zitat geht deutlich hervor, dass er sich sehr über das Verhalten der türkischen
189
Gruppe ärgert und dieses wohl nicht mehr allzu lange tolerieren wird. In weiterer Folge
wird beschrieben, wie sich Sieranski stattdessen den optimalen Umgang mit gewonnenen
Mandaten vorstellt und welche Chancen die Türk_innen aufgrund der fünf Mandate
hätten. Des Weiteren hagelt es Kritik seinerseits gegen die Linzer ÖVP-Fraktion, der
er vorwirft, die “Kopftuch-Debatte” entfacht zu haben. Hier ist im Artikel ein weiteres
direktes Zitat von ihm vorzufinden, in der er Stellung zur SPÖ nimmt. Zwei politische
Parteien werden hier angesprochen, die in klarem Widerspruch zueinander stehen, wohl
nicht nur im Bereich der “Kopftuch-Debatte”. Es folgt die zweite Teilüberschrift und
Anrufer_innen werden miteinbezogen. Aus dem Text geht klar hervor, dass diese ebenfalls
sehr wütend über diese Thematik sind. Sie geben Männern die Schuld, Probleme zu
machen. In einem letzten Satz nimmt der Artikel noch auf ein Ereignis in der Linzer
Volksschule zwölf Bezug. Als Redewendung wird “es fliegen die Fetzen” in den Text
eingebaut. Des Weiteren wird das Wort “schwänzen” verwendet, was zu Deutsch “dem
Unterricht ohne Entschuldigung fernbleiben” bedeutet. Diese beiden Redewendungen sind
in Oberösterreich Teil der Alltagssprache und jedem verständlich.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Im Text wird klar betont, wie sich Politiker_innen beziehungsweise Besitzer_innen von
Mandaten im Integrationsbeirat zu verhalten haben. Es wird darauf hingewiesen, wer die
wahren Übeltäter der Kopftuch- und Ausländer_innen-Debatte sind. Zudem werden die
Positionen von ÖVP und SPÖ einander klar gegenübergestellt.
Abbildung 6.5: Neue Kronen Zeitung, 24. Jänner 2006
190
6.3.5.5 Artikel vom 28. Jänner 2006: Nach Riesenwirbel um Kopftuch-A äre will
Landesschulratspräsident mit Islam-Vorsitzendem die Wogen glätten und
meint: Gegenseitiger Respekt ist die einzige Lösung.
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 28. Jänner 2006 in der Rubrik “Österreich” der Kronen Zeitung.
Verfasser des Artikels ist Christoph Gantner. Anlass für den Artikel ist der Kopftuch-Streit
an der Linzer Otto-Glöckel-Schule, über den bereits mehrfach berichtet wurde.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel ist groß und als Hauptartikel aufgemacht, er reicht über zwei Seiten. Er
befindet sich im Mittelteil der beiden Seiten, mit einer sehr großen Überschrift und ohne
Bild. Links neben dem Artikel ist das Foto eines Mädchens im Ars Electronica Center
Linz zu sehen, rechts neben dem Artikel befindet sich ein großes Bild einer jungen Frau,
die einen Führerschein in Händen hält. Dieses Bild gehört zum darunter liegenden Bericht
mit der Schlagzeile “Ausland lockt Oberösterreicher mit Führerschein und Wellness”. Auf
der linken Seite unter dem Hauptartikel ist ein weiterer Bericht im Zusammenhang mit
einer Schule zu finden, die Schlagzeile lautet “Schulsanierung wie in Schilda”. Weiters
ist die Kolumne des Kräuterpfarrer Weidinger sowie eine kleine Box mit einem Spruch
vom “Knödel-Sepp” zu finden. Der Bericht ist einerseits in eine fett gedruckte Einleitung,
welche über zwei Spalten geht, und andererseits in den eigentlichen Text, der in drei
Spalten abgedruckt ist, eingeteilt. Der Artikel enthält, abgesehen von der Einleitung,
keine Sinneinheiten.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Wortschatz und Stil des Textes sind einfach gehalten. Die Redewendung “die Wogen
glätten” kommt mehrfach im Text vor. In der Einleitung wird berichtet, dass Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer die Wogen im Kopftuchstreit glätten wolle und dazu
den Vorsitzenden der Islamischen Glaubensgemeinschaft nach Linz eingeladen hätte.
Im Artikel selbst wird dazu nur in einem Satz Stellung genommen. Der restliche Teil
befasst sich ausschließlich mit den Forderungen und Vorwürfen von ÖVP-Klubobmann
Thomas Stelzer hinsichtlich eines zu hohen Ausländer_innenanteils in Linz. Schuld sei
die Geburtenentwicklung. Ausländer_innen hätten einen Geburtenüberschuss von 240
(was das genau bedeuten soll geht aus dem Text nicht hervor). Damit wird indirekt
das Bild gezeichnet, dass sich die Probleme in Zukunft noch verschärfen würden. 70
Prozent der Linzer_innen hätten das Gefühl, dass in Linz zu viele Ausländer_innen
wohnen – wie es zu dieser Behauptung kommt und wie, von wem und wann genau eine
Befragung dazu durchgeführt wurde, bleibt offen. Durch die Form der Berichterstattung
kann ein gewisser Eindruck über die vom Verfasser eingenommene Position gewonnen
werden. Im letzen Teil des Artikels wird darüber berichtet, dass Stelzer die mangelnde
Beteiligung seiner Politikerkolleg_innen im Integrationsbeirat bemängelt, weshalb er
konkrete Integrationskonzepte fordert. In diesem Zusammenhang wird ein Sprachticket für
Ausländer_innen genannt. Den Schlussteil des Berichts bildet eine “Pointe”, nämlich der
Einwand kritischer Schüler_innen (diese Kritik wird als rote, kuriose Aktion bezeichnet),
dass die Ursache für den hohen Anteil an Ausländer_innen in Schulen in der ungleichen
Verteilung derselben zwischen öffentlichen und privaten Schulen liege.
191
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Text ist sehr einseitig verfasst und hat mit dem Thema Kopftuchstreit nichts zu tun.
Der Verfasser berichtet hauptsächlich über diverse Forderungen eines ÖVP-Klubobmannes
im Zusammenhang mit Integrationspolitik und dem Ausländer_innenanteil in Linz.
Der Autor dieses Textes verbirgt seine persönliche Einstellung nicht. Die reißerische
Aufmachung lässt eine klare Absicht hinsichtlich “Stimmungsmache” vermuten. Der
Landesschulratspräsident reiche der Islamischen Glaubensgemeinschaft sozusagen die
Hand. Der Vorfall mit dem Kopftuch wird als Riesenwirbel tituliert, als Ursache für die
Diskussion wird klar der zu hohe Ausländer_innenanteil in Linz dargestellt.
6.3.5.6 Artikel vom 29. Jänner 2006: “Nach dem Kopftuch-Skandal im selben Haus
wird heftig diskutiert Ein Lokalaugenschein der Krone zeigt, dass es auch
ganz anders geht: Linzer Hauptschule als buntes Babylon im Mini-Format”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 29. Jänner 2006 in der Rubrik “Österreich” der Kronen Zeitung
und wurde von Christoph Gantner verfasst. Anlass war der Kopftuchstreit in der Linzer
Volksschule 12, der Otto-Glöckel-Schule.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der lang gehaltene Artikel nimmt eine Doppelseite dieser Ausgabe der Kronen Zeitung ein.
Dabei lässt die Überschrift eingangs schon erkennen, auf welches Ereignis dieser Artikel
repliziert – nämlich auf jenes der Linzer Otto-Glöckel-Schule. Der Artikel ist von Bildern
eingerahmt, wobei auf der linken Seite drei Bilder positioniert sind, inmitten der Text,
und auf der rechten Seite wieder drei Bilder. Generell fällt auf, dass diese Doppelseite
ausschließlich von Bildungsthemen dominiert wird. So findet sich ganz links unten eine
kleine Informationsbox zum Thema “Maturajahr ohne Semesterzeugnis”. Inhalt dieser
Box ist, dass die Maturajahrgänge kein Semesterzeugnis erhalten sollen, weil das zweite
Halbjahr zu kurz ist und daher für die Schüler_innen ein enormer Zeitdruck wegen des
dichten Prüfungsprogramms besteht. Auf der rechten Seite, ganz rechts unten, findet
sich ebenfalls eine Informationsbox, die darauf hinweist, dass Bildung nicht früh genug
beginnen kann. Als Erfolgsbeispiel wird Finnland genannt, wo 98 Prozent aller Kinder
eine Vorschule besuchen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Artikel ist in sehr einfacher Art und Weise geschrieben und daher leicht verständlich. Er weist keine komplizierten Satzkonstruktionen auf, der Wortschatz ist allgemein
gebräuchlich und der/die Leser_in kann den Inhalt dieses Artikels einfach nachvollziehen.
Es kommen darüber hinaus keine Redewendungen, Sprichwörter oder Zitate vor. Der Text
referenziert auf den Kopftuchstreit in der Otto-Glöckel-Volksschule.
Der negative Tenor, der durch die Überschrift vermittelt wird, zieht sich auch durch
den gesamten Artikel, wobei die Bilder, sechs an der Zahl, die konkret zum Artikel
in Bezug stehen, einen gänzlich anderen Inhalt vermuten lassen. Auf den Bildern sind
fröhliche, wissbegierige und kooperative Schüler_innen zu sehen. Der Artikel beginnt mit
Zahlen, die auf den Migrant_innenanteil der Schule hinweisen. In diesem Zusammenhang
wird sprachlich das Bild einer Schlange verwendet, indem der Autor schreibt, dass sich
192
ein riesiges Mosaik mit vielen bunten Flaggen sich wie eine freundliche Schlange durch
die Schule windet. Weiters steht, dass das beinahe eine Untertreibung sei, denn die
Hauptschule fünf sei das reinste “Mini-Babylon”, sogar unter den Lehrer_innen befinden
sich Ausländer_innen. Acht davon sind keine “echten” Österreicher_innen. Diese Wortwahl
und die dabei verwendete Sprache weisen deutlich auf die zu Grunde liegende Gesinnung
bzw. auf die Blattlinie hin. Besonders die Wortwahl “echte Österreicher” lässt Gedanken
an den ÖVP-Wahlkampf des ehemaligen Bundeskanzlers Josef Klaus aus dem Jahr 1970
aufkommen, in dem dieser auf Plakaten mit “ein echter Österreicher” beworben wurde
und so versucht wurde, den seinerzeitigen SPÖ Anwärter Kreisky, ob seiner jüdischen
Vergangenheit, zu diskreditieren.
Der Artikel ist im Erzählstil verfasst und weist keine besonderen rhetorischen Mittel auf.
Auffallend ist, dass der Autor nicht das Ausgleichende bzw. den Konsens hervorhebt, sondern eine klare Trennung in Gut und Böse vornimmt und somit auf einer sehr emotionalen
Ebene argumentiert.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel ist in einer rechtspopulistischen Art und Weise verfasst und versucht durch
diese Ausrichtung in erster Linie die Emotionen der Menschen anzusprechen. Nicht die
Information steht im Vordergrund, sondern vielmehr das populistische Moment bzw. die
vermeintlich mehrheitliche Meinung der österreichischen Bevölkerung. Durch diese Art
und Weise wird eine gesamte Gruppe, in diesem Fall Muslim_innen, stigmatisiert und
verunglimpft.
6.3.6 Feinanalyse der Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten”
6.3.6.1 Artikel vom 21. Jänner 2006: “Aufregung um Moslems”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel “Aufregung um Moslems” erschien am 21. Jänner 2006 im Regionalteil der OÖN
und der/die Verfasser_in dieses Artikels ist unbekannt. Der Anlass für das Erscheinen ist
das Problem mit muslimischen Vätern an der Otto-Glöckel-Schule.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Dieser Artikel ist kurz und unauffällig. Die Überschrift lautet “Aufregung um Moslems”.
Der Artikel enthält keine Zwischenüberschriften, Autor_innenbezeichnung oder Einleitung.
Angesprochen wird der Konflikt an der Otto-Glöckel-Schule.
Der Text ist auf der Seite ganz oben platziert, unter dem Artikel befinden sich zwei
Kurzartikel zu anderen Themen. Einerseits handelt es sich dabei um ein Gespräch
mit einem Nobelpreisträger, der andere Artikel ist ein Kurzbericht zu einem Vortrag
von EU-Agrarkommissar Franz Fischler. In der Mitte dieser Seite befindet sich die
Berichterstattung über eine Millioneninvestition für eine Therme. Die restliche Seite
widmet sich der Sterbebegleitung in Oberösterreich und einem Vorfall gegen eine Schülerin
in Alkoven.
193
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Inhalt dieses kurzen Artikels ist eher fremdenfeindlich formuliert und beschreibt ein
Menschenbild des bösen, aggressiven, Zwang ausübenden Moslems. Der Text vermittelt
die Zukunftsvorstellung, dass die islamische Bevölkerung sich immer mehr in unser
Leben drängt, unsere Sitten und Gebräuche schlecht macht und versucht, uns die ihren
aufzuzwingen.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass, obwohl der Text sehr kurz ist, darin eine
sehr negative Einstellung vermittelt wird.
6.3.6.2 Artikel vom 24. Jänner 2006: “Kopftuch-P icht: ein Wahnsinn”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 24. Jänner 2006 in den OÖN. Als Autor_in des Artikels ist die
dpa (Deutsche Presse Agentur GmbH) angegeben. Es handelt sich um einen Bericht, der
sich aufgrund des Vorfalls an der Otto-Glöckel-Schule ergeben hat.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der kurze Artikel, der sich über zwei Absätze mit jeweils zehn Zeilen erstreckt, befindet
sich am Ende der ersten Seite, also des Deckblattes, der Oberösterreichischen Nachrichten.
Darunter befindet sich eine Überschrift zu einem Artikel über britische Agent_innen, die
als Diplomat_innen getarnt in Moskau spioniert haben sollen. Links daneben befindet
sich ein einleitender Bericht zum Thema “Hochbegabte: Hilfe am OÖN Telefon”. Gleich
darunter ist der Artikel: “Österreicher nur bedingt EU-freundlich” zu lesen, bei welchem
es um einen Bundesländervergleich zum Thema EU-Freundlichkeit innerhalb Österreichs
geht. Über dem Kopftuch-Artikel ist ein Artikel zum Thema: “16-jährige Österreicher sind
beim Rauchen Europa-Spitze”. Darüber befindet sich ein Artikel über eine Kältewelle,
mit einem Bild eines in Winterkleidung gepackten Mannes, der seinen Atem in die kalte
Winterluft bläst. Rechts daneben sind zwei kurze regionale Artikel abgedruckt. Ein Artikel
handelt von der Flucht einer Mutter mit ihrem Kleinkind aus einem brennenden Haus, der
andere vom Saliera-Dieb. Ebenfalls seitlich befindet sich unter der Rubrik “OÖ Thema”
ein Kurzartikel zu den Parlamentswahlen in Palästina. Beim Kopftuch-Artikel ist ein Bild
eingefügt, welches das Seitenprofil eines jungen Mädchens mit Kopftuch zeigt.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Artikel weist ein wörtliches Zitat auf, welches vom Landesschulratspräsidenten Fritz
Enzenhofer stammt. Es ist auffällig, dass ein Teil des Artikels im Konjunktiv geschrieben
ist, explizit an der Stelle, an dem das wörtliche Zitat verwendet wurde. Der Bezug
zum Vorfall an der Otto-Glöckel-Schule ist unmissverständlich erkennbar und steht
auch zeitlich im Zusammenhang damit. Der gesamte Artikel wurde inhaltlich über die
Sichtweise von Enzenhofer zum Vorfall an der Otto-Glöckel-Schule geschrieben. Dass
dies ein “Wahnsinn” sei und eine “gezielte Provokation, der man unmissverständlich
entgegentrete”, ist ein wörtliches Zitat von Enzenhofer. Der Stil ist sehr einfach gehalten
und die Wortwahl ist alltagssprachlich gewählt. Erwartungen von Enzenhofer werden
ebenfalls geäußert und zwar konkret, dass sich “die Islamische Organisation deutlich von
194
der Forderung distanziert”. Auffällig ist, dass für all jene, die zuvor den Vorfall nicht
mitverfolgt haben, nicht nachvollziehbar ist, von welcher Forderung sich die Islamische
Organisation distanzieren soll. Es ist daher Voraussetzung, sich im Vorhinein über den
Vorfall informiert zu haben, um diesen Artikel inhaltlich zu verstehen.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Durch die Auswahl der Zitate wird deutlich, dass eine Provokation erzeugt werden soll und
der Fall faktisch schon als “geklärt” dargestellt wird. Dass es keine Gegenüberstellung gibt
zwischen den Aussagen von Landesschulratspräsident Enzenhofer und jenen der Väter, die
hauptsächlich an dem Vorfall beteiligt waren, zeigt die Einseitigkeit der Berichterstattung.
Der/die Autor_in, die deutsche Presse Agentur, zeichnet ein Bild in Richtung “muslimische Väter als Täter”. Der Artikel ist hetzerisch und nicht auf Fakten basierend, da
dieser lediglich die Aussagen einer Person, nämlich jene des Landesschulratspräsidenten,
wiedergibt.
Abbildung 6.6: Oberösterreichische Nachrichten, 24. Jänner 2006
6.3.6.3 Artikel vom 26. Jänner 2006: “Linzer Kopftuch-A äre könnte bald
Staatsanwalt beschäftigen”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 26. Jänner 2006 im Regionalteil der OÖN. Als Verfasser des
Artikels ist Erhard Gstöttner genannt. Anlass für das Erscheinen des Artikels ist ein
Vorfall an der Linzer Otto-Glöckel-Schule, der im Zusammenhang mit der Frage um das
Tragen von Kopftüchern bei Lehrkräften steht. Darüber hinaus wird ein Streit an der
Linzer Grillparzerschule zwischen Elternvertretung und einer Lehrerin erwähnt.
195
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel ist kurz gehalten und in vier Spalten abgedruckt. Der Text ist einmal unterteilt
in eine fett hervorgehobene Einleitung und eine Zwischenüberschrift. Der Bericht befindet
sich im oberen Bereich der Seite, mit einer großen zweizeiligen Überschrift. Direkt darunter
befindet sich ein weiterer Artikel zum Thema mit der Überschrift “Für Moslem-Kinder
gibt es keinen Zwang im Glauben”. Daneben ist ein Bild eines schmalen dunklen Ganges zu
sehen, in dem Matratzen lehnen und in dem sich zwei Personen befinden. Rechts neben dem
Artikel steht eine Kundmachung des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Wortschatz und Stil des Textes sind einfach gehalten. Es kommen keine Redewendungen,
Sprichwörter oder Symbolsprache vor, es sind jedoch mehrere direkte Zitate enthalten.
Der Text nimmt Bezug auf den Vorfall an der Otto-Glöckel-Schule, welcher jedoch nicht
näher erläutert wird. Im Text wird die betroffene Lehrerin der Otto-Glöckel-Schule
zitiert, sie fühle sich verunglimpft. Was jedoch damit genau gemeint sein könnte bzw.
in welchem Zusammenhang die Aussage der Lehrerin steht, geht aus dem Artikel nicht
hervor. Danach geht es direkt weiter mit dem Bericht über einen Streit an der Linzer
Grillparzerschule zwischen Elternverein und einer Lehrerin, der Fehlverhalten im Umgang
mit ihren Schüler_innen vorgeworfen wird. Ein direkter Zusammenhang zwischen den
beiden Vorfällen ist für den/die Leser_in nicht ersichtlich bzw. besteht nur insofern, als
dass jeweils Personen nicht-österreichischer Herkunft beteiligt waren. Daneben ist ein
Zitat von Stadtrat Johann Mayr angeführt, welcher eine genauere Untersuchung des
Vorfalles an der Otto-Glöckel-Schule fordert. Abschließend erfolgt die Aufforderung eines
Obmanns des Gemeinderates an den Linzer Bürgermeister, endlich die Integrationspolitik
auf Trab zu bringen.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Text ist schwer nachvollziehbar verfasst, ohne Hintergrundwissen ist die Aussagekraft
eher marginal. Die sehr auffällige zweizeilige Schlagzeile sowie die fett gedruckte Zwischenüberschrift “Weitere Vorfälle” lassen einen sehr dramatischen Sachverhalt vermuten.
Der Text selbst wird dem jedoch nicht gerecht. Durch die Zitierung von Beteiligten wird
der Eindruck einer objektiven Berichterstattung vermittelt. Da der Informationsgehalt
des Textes jedoch sehr gering ist und die Zitate ohne näheren Kontext angeführt sind,
bestätigt sich dieser Eindruck bei genauerer Betrachtung nicht. Durch die auffällige Schlagzeile und den direkt darunter befindlichen Artikel ist eine gewisse Absicht in Richtung
“Stimmungsmache” erkennbar. Die Botschaft lautet, dass es Probleme gibt, ausgelöst
durch Muslim_innen und deren Glauben.
6.3.6.4 Artikel vom 27. Jänner 2006: “Kopftuch-A äre: Bin Lehrerinnen meiner
Tochter doch dankbar” und “Man muss jetzt wieder zur Ruhe kommen”
• Institutioneller Rahmen:
Beide Artikel erschienen am 27. Jänner 2006 in den OÖN. Verfasser_innen in beiden
Fällen sind Erhard Gstöttner und Roswitha Fitzinger. Wieder geht es um den Vorfall an
der Linzer Otto-Glöckel-Schule, der im Zusammenhang mit der Frage um das Tragen von
Kopftüchern bei Lehrerinnen steht.
196
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Beide Artikel sind kurz gehalten und in zwei Spalten abgedruckt. Der erste Text ist
zweimal unterteilt durch fett hervorgehobene Zwischenüberschriften. Beide Artikel haben
eine fett gedruckte Einleitung. Die Artikel befinden sich im oberen Bereich der Seite,
jeweils mit einer großen zweizeiligen Überschrift. In der Mitte befindet sich ein Bild,
welches Moslems beim Gebet zeigt. Rechts daneben ist eine Wettervorschau abgedruckt.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Wortschatz und Stil beider Texte sind einfach gehalten. Es kommen keine Redewendungen,
Sprichwörter oder Symbolsprache vor, es sind jedoch mehrere direkte Zitate enthalten.
Text eins nimmt Bezug auf den Vorfall an der Otto-Glöckel-Schule, der jedoch nicht
näher erläutert wird. In Text eins kommt einer der beschuldigten Väter zu Wort. Leider
wird der eigentliche Sachverhalt dadurch nicht dargestellt bzw. aufgeklärt, der Artikel
beschreibt lediglich die Lebensumstände des Vaters und seiner Familie. Text zwei ist eine
Ergänzung zum ersten Text. Hier wird in der Einleitung der Vorfall an der Otto-GlöckelSchule mit einem Satz beschrieben. Es wird auf die Nationalität von zwei der drei Väter
hingewiesen. Thema des Artikels ist in diesem Zusammenhang der dritte Vater, bei dem
weder die Nationalität geklärt ist, noch ob dieser tatsächlich existiert. Im Artikel wird
Landesschulrat Enzenhofer zitiert, sowie nicht näher beschriebene “Kenner der Szene”.
Auffällig ist auch eine der beiden Zwischenüberschriften im ersten Text, welche “Kein
Zwang im Glauben?” lautet. Das Fragezeichen stellt die Aussage der Überschrift in Frage.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Beide Texte sind ohne Hintergrundwissen eher schwer nachvollziehbar. Die sehr auffälligen
zweizeiligen Schlagzeilen sowie das Bild der betenden Männer lassen den Eindruck einer
gewissen Brisanz entstehen. Den Texten selbst mangelt es jedoch an Informationsgehalt.
Durch die Zitierung von Beteiligten wird der Eindruck einer objektiven Berichterstattung
vermittelt. Wie bereits in den Berichten vom Vortag werden Zitate ohne näheren Kontext
angeführt, was daher nicht wesentlich zum Verständnis des Sachverhalts beiträgt. Durch
die auffällige Schlagzeile und den direkt darunter befindlichen Artikel ist eine gewisse
Absicht in Richtung “Stimmungsmache” erkennbar. Die Botschaft lautet, dass es Probleme
gibt, ausgelöst durch Muslim_innen und deren Glauben. Interessant ist, dass im ersten
Text am Schluss darauf hingewiesen wird, dass der befragte Vater in seiner Heimat
nicht gläubig gewesen sein soll. Jetzt trage er jedoch Bart und zitiere aus dem Koran.
Im zweiten Text fordert Landesschulrat Enzenhofer dazu auf, dass sich die Beteiligten
zusammen reden sollten. Man müsse jetzt wieder zur Ruhe kommen. Es werde keine
Untersuchung des Falles geben. Dadurch wird ein gewisser Eindruck von Unmut seitens
des Landesschulrates ausgedrückt, das “leidige” Thema endlich abzuschließen.
6.3.6.5 Artikel vom 8. März 2006: “Lehrerjob nur noch mit Strafregisterauszug”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel “Lehrerjob nur noch mit Strafregisterauszug” erschien am 8. März 2006 in
der Rubrik “Regional” der OÖN. Bezüglich des/der Verfasser_in werden keine Angaben
gemacht. Auslöser für das Erscheinen dieses Artikels war der Fall eines wegen Körperverletzung verurteilten muslimischen Religionslehrers, der jedoch trotzdem an einer Schule
im Mühlviertel über Monate hinweg unterrichten durfte. Das Ziel der Vorgehensweise
197
hinsichtlich “Strafregisterauszug” ist, dass die Ausübung des Lehrer_innenberufes in
Zukunft nur noch nach Vorlage eines Strafregisterauszuges möglich ist, damit so ein Fall
in Zukunft nicht noch einmal vorkommen kann.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Die Form des Textes gleicht einem Rechteck. Der gesamte Block befindet sich im unteren
Drittel von Seite 23. Begleitet wird der Text von zwei Bildern, wobei auf diesen Fotos zwei
Personen abgebildet sind, welche im Artikel selbst durch direkte Zitate erwähnt werden.
Zum einen handelt es sich um Fritz Enzenhofer, Landesschulratspräsident, der im Artikel
klar die Schüler_innen vertritt und sich für den Strafregisterauszug ausspricht. Zum anderen wird auch Anas Schakfeh abgebildet, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft,
welcher die Idee des Strafregisterauszuges ebenfalls vertritt und des Weiteren beteuert,
dass es keinem/keiner Muslim_in zusteht, Christinnen zum Tragen eines Kopftuches zu
zwingen. Es wird ferner darauf eingegangen, dass Muslim_innen in Zukunft auch der
deutschen Sprache mächtiger werden wollen, da es in Österreich einfach üblich ist, in
Deutsch zu unterrichten. Der Text kann in drei Sinneinheiten unterteilt werden, welche
durch Absätze kenntlich gemacht sind. Während die erste Sinneinheit vom Strafregisterauszug handelt, berichtet die zweite über die “Kopftuch-Debatte” und die dritte über die
Deutschkenntnisse von Muslim_innen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Text beschreibt in klaren und leicht verständlichen Worten, worum es geht. Es
kommen keine Redewendungen zum Einsatz. Vielmehr hat der Autor scheinbar drei
Themenschwerpunkte – Strafregisterauszug, “Kopftuch-Debatte” und die deutsche Sprache – herausgegriffen und behandelt diese sachlich. Im Bereich “Kopftuch-Debatte” wird
allgemein von der Volksschule berichtet, in welcher das Ereignis stattfand, der Name
der Schule wird jedoch nicht konkret genannt. In diesem Bereich wird auch von einer
“Kopftuchaffäre” gesprochen. Ein Begriff, der eindeutig negativ besetzt ist. Da in diesem
Zusammenhang von einer sogenannten “Kopftuchaffäre” gesprochen wird, zieht der Verfasser den Sachverhalt ins Lächerliche. Des Weiteren kommen mehrere direkte Zitate
vor. Das erste befindet sich im Teil der Kopftuch-Thematik, in welcher sich Schakfeh
deutlich gegen die Handlung der Vaters ausspricht, welcher die Lehrerin zum Tragen
des Kopftuches aufforderte. Er bezeichnet den Vorfall darüber hinaus als “Sünde”. Im
selben Absatz wird er noch einmal zitiert. Im dritten Bereich geht aus einem weiteren
Zitat seinerseits hervor, dass er Deutschkurse für Muslim_innen befürwortet. In diesem
Bereich wird auch Enzenhofer direkt zitiert, welcher eine andere als die deutsche Sprache
für Schulen nicht akzeptiert.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Sowohl Enzenhofer als auch Schakfeh sprechen sich deutlich für die Anpassung von
Ausländer_innen in Österreich aus und begrüßen die Vorlage von Strafregisterauszügen.
Des Weiteren sind beide der Meinung, dass Österreicher_innen nicht zum Tragen von
Kopftüchern gezwungen werden können. Sie sind somit zwar für Integration, jedoch
müssen sich die Ausländer_innen ihrer Meinung nach, an unser Land anpassen und nicht
umgekehrt.
198
6.4 Der mediale Diskurs: Stelzhamerschule
6.4.1 Einführung in das Ereignis
Ein weiteres Ereignis, das im Rahmen dieser Forschungsarbeit behandelt wurde, fand
an der Linzer Stelzhamerschule statt. Einem 13-jährigen, türkischen Mädchen wurde
der Schulbesuch verwehrt, weil es im Unterricht ein Kopftuch trug. Die Schülerin wurde
damals aufgrund eines Kopfbedeckungsverbotes von der Schule verwiesen. Dieses Kopfbedeckungsverbot an der Stelzhamerschule war vom Schulforum aufgrund eines allgemeinen
“Kapperl-Trends” bei Jugendlichen ins Leben gerufen worden. Unter diese Regelung fiel
jedoch auch das Tragen von Kopftüchern. Kurt Lehner, der im Jahr 2004 zum Zeitpunkt
des Vorfalls zuständiger Bezirksschulrat war, erklärte im Interview am 11. Februar 2011:
“Grundsätzlich ist es (Anm.: gemeint sind hier Bekleidungsvorschriften) in
der Schulordnung festgelegt. Die Schulordnung wird von der Schulgemeinschaft,
sprich Eltern und Lehrern ausgehandelt und ausformuliert, und da gibt es eben
Unterschiede. Die eine Schule sagt, bei uns gibt es keine Kopfbedeckungen,
also keine Kopftücher, keine Kapperl, keine Hauben und Ähnliches. Nach
dem Beschluss werden alle Eltern verständigt und sind dann entsprechend
auch einverstanden, und das wird dann auch durchgezogen. Es gibt andere
Schulen, die tolerieren zum Beispiel das Kopftuch. Das ist eine Entscheidung
des Schulforums beziehungsweise des Schulgemeinschaftsausschusses. In der
Stelzhamerschule war das damals dann so. Es gibt natürlich auch Eltern,
die halt ein bisschen von der fundamentalistischen Seite kommen, die darauf
bestehen. Es ist dann auch zum Konflikt diesbezüglich gekommen.” 88
Der Vater der Schülerin wollte auf die Bekleidungsvorschriften keine Rücksicht nehmen
und schickte seine Tochter trotz anders lautender Regelung mit Kopftuch zur Schule. Das
Mädchen wurde auf das Kopfbedeckungsverbot hingewiesen. Ihr Vater reagierte empört
und wandte sich an die Polizei. Zuletzt befasste sich auch Landesschulratspräsident Fritz
Enzenhofer mit dem Fall und befand, dass “die Schulpflicht über allen anderen Regeln steht”
und Schüler_innen dem Unterricht nicht fernbleiben dürfen.89 Besonders hervorgehoben
wurde in der Berichterstattung, dass in der Türkei das Tragen von Kopftüchern in Schulen
verboten, bei uns jedoch erlaubt sei. Kurt Lehner replizierte auf das Ereignis im Interview:
“[...] in der Türkei ist es in öffentlichen Gebäuden verboten, Kopftücher zu
tragen. Wenn man den Islamisten das dann sagt, habe ich einmal die Antwort
bekommen, ja warum glauben Sie, warum wir hier sind.“
Lehner wies jedoch darauf hin, dass es sich hierbei um Einzelfälle handle.
“Es gibt genauso viele lästige Österreicher oder österreichische Eltern, wenn
sich die etwas in den Kopf setzen ... Das sind mindestens genau so viele wie
Migranten oder Ausländer. Aber das ist halt mein Job, mit dem muss man
auch umgehen. (. . . ) Themen dieser Art werden natürlich schon häufiger, die
Gesellschaft wandelt sich, wird offener. Die Gesellschaft fordert vor allem von
den Schulen immer mehr ein, wobei ich sage, ja, die Schule ist ein Dienstleistungsbetrieb, das ist keine Frage. Aber es ist oft so, dass es um Forderungen
geht, die nicht erfüllbar sind, weil im Prinzip alles an die Schule herangetragen
88
89
Interview mit Lehner 2011
vgl. Noricus 1999, S. 12
199
wird, was daheim nicht mehr geleistet werden kann. (. . . ) Und so Ausreißer’
mit großen Schlagzeilen, die gibt es immer wieder. Damit muss man sich
einfach beschäftigen und auch leben, das ist keine Frage.“ 90
Das Thema rund um den Kopftuchstreit entging auch den Medien zu dieser Zeit nicht.
Konkret berichtete die Kronen Zeitung in vier Artikeln vom 15. bis 18. Mai 2004, die
Oberösterreichischen Nachrichten in einem Artikel am 15. Mai 2004. Die Zeitung Die
Presse berichtete in zwei Artikeln am 18. und 19. Mai 2004 und die Tageszeitung Der
Standard in einem Artikel vom 19./20. Mai 2004. Es wird deutlich, dass das Ereignis an
der Stelzhamerschule im Gegensatz zu jenem an der Otto-Glöckel-Schule lediglich für
kurze Aufregung sorgte und die Berichterstattung nicht über mehrere Wochen, sondern
über wenige Tage erfolgte. Bezirksschulrat Lehner bestätigte dies mit folgenden Worten
im Interview: “Im Wesentlichen hat es einmal für eine kurze Zeit einen Wirbel verursacht
und dann war es eigentlich wieder erledigt.” 91
6.4.2 Diskursive Aufarbeitung
Konkret berichtete die Kronen Zeitung mit vier Artikeln am häufigsten über das Ereignis
an der Stelzhamerschule. Des Weiteren lässt sich festhalten, dass die Kronen Zeitung
bereits am 15. Mai 2004 einen Artikel veröffentlichte und somit neben den OÖN die
aktuellste Berichterstattung lieferte. Die veröffentlichten Artikel befanden sich alle in der
Rubrik “Österreich” und waren jeweils als zentrale Themen positioniert. Die Berichte
nahmen meist viel Platz ein und wurden unter groß und fett gedruckten Überschriften
platziert. Lehner hat auf die Frage, ob die Berichterstattung zum Ereignis Unwahrheiten
enthielte oder zu sehr aufgebauscht wurde, im Interview folgende Antwort gegeben:
“Unwahrheiten würde ich nicht sagen, aber bei Medien ist es halt immer
so eine Sache, wie genau recherchiert wird. Wenn das für eine Zeitung eine
Schlagzeile ist, also entsprechend ein ’Aufreißer’ da ist, und darauf sind sie
ja vielfach angewiesen, dann hängt es immer davon ab, wie sachlich und wie
fundamentiert eine Aussage ist. Wenn ich halt nur irgendetwas dahin schreibe,
um eine reißerische Geschichte zu machen, dann kann ich mir vorstellen, dass
da nicht alles stimmt. Da geht es hauptsächlich um die Sensation. Und die wird
halt dann ungerechtfertigt aufgebauscht und das ist eigentlich zu verurteilen,
denn das ist keine solide Berichterstattung.” 92
Des Weiteren erwähnt Lehner in diesem Zusammenhang “Politik hat nichts verloren in der
Schule, genauso wenig wie irgendwelche Glaubenskämpfe. Die Schule hat andere Aufgaben.
Die Medienberichte in Richtung Islam sind natürlich auch oft zweifelhaft.” 93
In manchen Artikeln wird die Linzer Hauptschule beim Namen genannt, z.B. im Artikel
der Kronen Zeitung mit dem Titel “Dekolletee (sic!) und Kopftuch erlaubt” von Nöbauer,
welcher am 16. Mai 2004 veröffentlicht wurde. Folgender Satz ist dem Bericht entnommen:
“(. . . ) Das zeigt der aktuelle Streit um ein Kopftuchverbot in der Linzer Stelzhamerschule.”
Es wird also, im Gegensatz zum Ereignis an der Otto-Glöckel-Schule, konkret darauf
hingewiesen, an welcher Linzer Schule das Ereignis stattfand. Auch in der Berichterstattung
am nächsten Tag, dem 17. Mai 2004, wird um die betroffene Schule kein Geheimnis gemacht:
90
Interview
Interview
92
Interview
93
Interview
91
200
mit
mit
mit
mit
Lehner 2011
ebd.
ebd.
ebd.
“Erst im Mai war die Familie nach Linz gezogen, Gülsüm (Anm.: die Schülerin) kam in
die Stelzhamerschule, wo bis zu 80 Prozent Ausländerkinder in den Klassen sitzen.” Im
Zusammenhang mit der Frage, wie groß der Prozentanteil von Kopftuchträgerinnen an
den Schulen des Zuständigkeitsbereichs von Bezirksschulrat Kurt Lehner ist, wurde von
ihm folgende Antwort gegeben:
“In meinem Bereich ist das eine geringe Zahl. Dort ist es (Anm.: das
Kopftuch) im Wesentlichen kein Thema. Eher in der Innenstadt, dort wo
wir einen hohen Migrantenanteil an den Schulen haben. Und in der einen
Hauptschule, die in dem Bereich liegt, das ist die Stelzhamerschule, dort hat
sich wie gesagt der Schulgemeinschaftsausschuss eindeutig festgelegt, und sie
’fahren’ auch ohne Probleme.” 94
Es ist daher auffällig, dass die Zeitung so sehr auf den 80-prozentigen Migrant_innenanteil
anspielt, wenn dies doch eigentlich kein Problem für die Schulen darstellt.
Im Gegensatz zur Kronen Zeitung berichteten die OÖN in einem einzigen Artikel über das
Ereignis an der Stelzhamerschule, und zwar gleich am 15. Mai 2004. Der Artikel wurde
ebenfalls sehr auffällig gestaltet, mit einer groß und fett gedruckten Überschrift. Mitten im
Artikel befindet sich ein Bild mit zwei Kindern, eines davon trägt ein Kopftuch. Insgesamt
erstreckt sich der Bericht fast über eine ganze Seite und ist in einfachen Worten verfasst.
Rechts neben dem Artikel befindet sich ein Kästchen mit Hintergrundinformationen zum
Thema Kopftuch. Dies ermöglicht den Leser_innen, den Sachverhalt noch einfacher zu
verstehen.
Die Presse berichtete in zwei Artikeln über das Ereignis an der Stelzhamerschule, jedoch
tat sie dies vergleichsweise spät. Die Berichterstattung begann erst an dem Tag, an dem
beispielsweise die Kronen Zeitung den letzten Artikel zu diesem Thema veröffentlichte. Der
erste Artikel in der Zeitung Die Presse, welcher am 18. Mai 2004 gedruckt wurde, befand
sich in der Kategorie “In Kürze”. Es handelte sich dabei also eher um ein Randthema,
das in Form eines Kurzberichts behandelt wird. Der nächste Artikel vom 19. Mai 2004
handelte nicht mehr vom konkreten Ereignis an der Stelzhamerschule, sondern hatte
allgemeine Kleidungsvorschriften zum Inhalt.
Der Standard berichtete am Zweithäufigsten zu diesem Thema, jedoch begann auch
diese Zeitung erst spät mit der Berichterstattung, einem Kurzbericht in der Kategorie
“Österreich-Chronik”. Der zweite Bericht wurde am 19./20. Mai 2004 veröffentlicht und
stand – wie bereits bei der Presse – ebenfalls in der Kategorie “In Kürze”. Dabei ist
auffällig, dass über das Ereignis an der Stelzhamerschule nicht konkret berichtet wurde,
der Standard nahm den Vorfall lediglich zum Anlass, um über allgemeine Trends an
Schulen in Bezug auf Kleidungsvorschriften zu schreiben.
Im ersten Artikel der Kronen Zeitung vom 15. Mai 2004 wurde über den Kopftuchvorfall
an einer Linzer Schule berichtet. Der Text weist indirekt Referenzbezüge zum Ereignis
an der Stelzhamerschule auf, ohne diese konkret zu nennen. Wortschatz und Stil des
Textes sind einfach gehalten. Es kommen keine Redewendungen, Sprichwörter, Zitate oder
Symbole vor. Der Einstieg “Wieder Ärger um Bekleidungsvorschriften ...” bestimmt den
Grundtenor des Artikels. Der Text ist im Erzählstil geschrieben. Der/die Verfasser_in
stärkt die Position der Schule, indem ihr “völliges Recht” im Hinblick zugesprochen
wird. Es wird nur kurz über das Ereignis berichtet, ohne dabei jedoch genauer auf die
Vorkommnisse an der Schule einzugehen. Den Abschluss des Artikels bildet eine süffisant
94
Interview mit Lehner 2011
201
gehaltene Anmerkung: “Detail am Rande” mit dem Hinweis, dass in Teilen der Türkei das
Tragen von Kopftüchern an Schulen verboten sei. Der Satz wird mit drei Punkten beendet,
um den Leser bzw. die Leserin zum Nachdenken anzuregen. Damit wird suggeriert, dass
Türk_innen in Österreich mehr dürfen als in ihrem Heimatland. 95
Im Artikel vom 16. Mai 2004 wird hingegen von “Sexy Mode” berichtet, die dem Ohlsdorfer
Hauptschuldirektor ein “Dorn im Auge” wäre. Erst dann wird zur Kopftuchdebatte
übergeleitet. Lediglich zu Beginn wird vage ausgedrückt, dass es sich in der Angelegenheit
um die damals aktuelle Kopftuchdebatte an der Linzer Stelzhamerschule handelt. Es
werden zwei konträre Bilder gezeigt: Das Foto einer knapp bekleideten Schülerin, sowie
ein Bild zweier verhüllter Musliminnen. Neben diesen Bildern befindet sich eine Werbung
mit folgendem Titel: “Insektenschutz mit System”. Es stellt sich die Frage, ob diese
Platzierung Zufall ist. Werden Ausländer_innen als ebenso nervig und gefährlich wie
Insekten eingestuft? Soll damit suggeriert werden, dass man sich vor Ausländer_innen in
ähnlicher Weise schützen kann, etwa indem man Türen und Fenster vor ihnen verschließt?
Es bleibt offen, ob das Inserat bewusst platziert und als Anspielung gedacht war. 96
Ein weiterer Artikel der Kronen Zeitung vom 17. Mai 2004 erschien mit dem Titel
“Bin Islamist – Kopftuch bleibt”, verfasst von Markus Schütz. Gleich zu Beginn des
Artikels wird auf Statistiken verwiesen. Die Schule des 13-jährigen, betroffenen Mädchens
bestehe aus Klassen, “in denen bis zu 80% Ausländerkinder sitzen“. Diese Form der
Darstellung suggeriert eine Bedrohung, die der Autor durch die Prozentangabe direkt
benennt. Es wird nicht von Schüler_innen mit Migrationshintergrund gesprochen, sondern
von “Ausländerkindern”. Sie werden demnach von den Autoren eindeutig aufgrund ihrer
Herkunft diskriminiert, andere Kriterien scheinen unwichtig zu sein. Die Botschaft, die
hier vermittelt wird, ist, dass die Kinder von Österreicher_innen an der Stelzhamerschule
bereits die Minderheit bilden. Die Anspielung auf die Bedrohung durch Ausländer_innen
geht in dem Artikel noch weiter. Der Vater beharre auf seine Meinung, dass sein Kind mit
Kopftuch zur Schule gehen darf. Dies nahm der Autor des Artikels zum Anlass, ihn als
“bärtigen Türken” zu bezeichnen. Er wird als sehr aggressiv, wild geworden und uneinsichtig
dargestellt. Der Vater sei gefährlich, alleine schon wegen seines Erscheinungsbildes. Der
Text enthält zudem offenkundige Schuldzuweisungen. Unter dem Artikel befindet sich
ein Beitrag von “Hing’schaut und g’sund g’lebt”, der die Überschrift “Lebensraum –
Bedrohung” trägt. Auch hier kann eine Anspielung auf eine latente Bedrohung vermutet
werden. Denn auf den ersten Blick scheint es so, als ob es in diesem unten stehenden
Bericht ebenfalls um das Thema Islam geht. Tatsächlich handelt es sich jedoch um einen
Bericht über Fischotter. Zusätzlich wird durch einen Kommentar vom “Knödel Sepp”
rechts oben auf der Seite die Kopftuchdebatte ins Lächerliche gezogen.97
Der letzte Artikel der Kronen Zeitung berichtet allgemein über Kleidungsvorschriften
bzw. Vorschriften hinsichtlich der Anbringung von Kreuzen in Klassenzimmern. Mit den
einleitenden Worten “Weiter hohe Wellen in der Kopftuch-Affäre: Jetzt verlangen Moslems,
dass die Kleidung für alle Schulen festgeschrieben wird” ist die Wortwahl wiederum sehr
negativ gehalten. Auffallend ist, dass der Autor, Markus Schütz, das Trennende vor
das Gemeinsame stellt und so bewusst oder unbewusst Hetze und Klischees unterstützt,
indem er z. B. Ferdinand Kaineder, Sprecher der Diözese Linz, zitiert: “Das Kreuz wird
abgenommen, dafür müssen Nicht-Katholiken auf Zeichen ihrer Religion verzichten. Auf
diesen Handel lassen wir uns sicher nicht ein”. Das Wort “wir” lässt direkt auf die Haltung
95
vgl. Neue Kronen Zeitung 2004, S. 18
vgl. Noricus 1999, S. 12
97
vgl. Schütz 2004b, S. 14
96
202
des Gesprächspartners schließen. Er gibt seine Meinung der Öffentlichkeit bekannt und
der Autor schreibt in einem Stil, der vermuten lässt, dass auch er dieser Meinung ist.98
Der in der Zeitung Die Presse am 18. Mai 2004 erschienene Artikel “Kein KOPFTUCHERLASS” steht ebenfalls in Zusammenhang mit dem Vorfall an der Stelzhamerschule.
Es wird jedoch nicht konkret auf dieses Thema eingegangen. Auslöser für den äußerst
kurzen Artikel schien die Forderung der Islamischen Glaubensgemeinschaft nach einer
gesetzlichen Regelung zum Tragen des Kopftuches, welche vom Bildungsministerium mit
der Begründung der allgemeinen Religionsfreiheit abgelehnt wurde. Dieser kurze Artikel
steht mit den restlichen Artikeln der Seite wenig bis kaum in Zusammenhang. Der/die
Autor_in unterlässt negative Bemerkungen gegenüber Migrant_innen und schreibt in
einem neutralen Stil über das Thema. Die Überschrift in Großbuchstaben ist jedoch sehr
auffällig.99
Der zweite Artikel in der Zeitung Die Presse, der thematisch und zeitlich zum Vorfall an
der Linzer Stelzhamerschule passt, trägt den Titel “Zahl der Volksschüler sinkt rapide”
und wurde am 19. Mai 2004 veröffentlicht, Autor ist Erich Witzmann. Der Inhalt dieses
Artikels hat nur wenig mit dem Vorfall an der Stelzhamerschule zu tun, da es hauptsächlich
um Statistiken im Zusammenhang mit Schulen und Schulbildung geht. Lediglich der letzte
Absatz weist einen Bezug zum aktuellen Vorfall in Linz auf, und zwar hinsichtlich
Kleidungsvorschriften. Konkret erklärte die Bildungsministerin, “dass ein Kopftuchverbot
in Österreich nicht spruchreif sei”.100
Die Zeitung Der Standard hat über das Ereignis bzw. über Themen, die in Zusammenhang
mit dem Vorfall stehen, am zweithäufigsten berichtet. Ein kurzer Artikel ohne Angabe
eines Autors bzw. einer Autorin erschien am 18. Mai 2004 in der Rubrik “Österreich
Chronik“ mit dem Titel “Kopftuch für die Schülerinnen generell erlaubt”. Dieser Artikel
ist ähnlich aufgebaut wie jener in der Zeitung Die Presse mit dem Titel “Kein KOPFTUCH-ERLASS”. Er behandelt dieselben Inhalte und schneidet das eigentliche Ereignis
an der Stelzhamerschule thematisch nur kurz an bzw. berichtet über Forderungen der
Islamischen Glaubensgemeinschaft. Den Abschluss bildet eine Analyse der Problemlösung
in Deutschland, wo sich das Deutsche Institut für Menschenrechte “gegen ein generelles
Kopftuchverbot für Lehrerinnen an den Schulen ausgesprochen” hat. 101
Auch der zweite Artikel in der Zeitung Der Standard trägt keine Autor_innenbezeichnung
und wurde am 19./20. Mai 2004 im Ressort “Inland”, in der Kategorie “KURZ IM BLICK”
publiziert, die Überschrift lautet: Kopftuch für Gehrer “kein Thema”. Hier wird versucht,
die Leser_innenschaft neutral an das Thema Kopftuch und Kleidungsvorschriften heranzuführen. Anfänglich wird betont, dass die Bildungsministerin den Vorfall an der Linzer
Schule als Einzelfall sieht, dennoch möchte sie dieses Thema in der nächsten Parlamentarier_innensitzung auf den Tisch bringen und dafür sorgen, dass die Schüler_innen bei
Änderungen der Schulordnung ein Mitspracherecht erhalten. Den Abschluss des kurzen
Artikels bildet ein Zitat von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, welcher “ein uneingeschränktes Kopftuchverbot für öffentliche Bedienstete, vor allem in öffentlichen Gebäuden”
fordert.102
Am 21. Mai 2004 schrieb Hans Rauscher einen Kommentar zum Thema in der Zeitung
Der Standard. Dieser war mit der Überschrift “Das Kopftuch nicht verbieten” versehen.
98
vgl.
vgl.
100
vgl.
101
Der
102
vgl.
99
Schütz 2004a, S. 17
Die Presse 2004, S. 5
Witzmann 2004, S. 30
Standard 2004a, S. 8
ders. 2004b, S. 7
203
Der Verfasser legt seine meinungsbezogene Position dar. Stil und Aufbau des Artikels
machen das Lesen des Textes nachvollziehbar und verständlich. Das Hauptaugenmerk liegt
inhaltlich auf unterschiedlichen religiösen Symbolen und auf dem in Frankreich üblichen
Umgang mit denselben. Eine Passage am Ende des Textes widmet sich kurz den aktuellen,
österreichischen Entscheidungen bezüglich der Zurückweisung des Kopftuchverbotes an
einer oberösterreichischen Schule. Der Text kann als gesellschaftskritisch verfasster Artikel
eingestuft werden und setzt sich mit Problemen auseinander, die im Zusammenhang mit
dem Verbot von religiösen Symbolen in öffentlichen Einrichtungen auftreten können, wie
es in Frankreich der Fall war. Der Autor bringt seine eigene Meinung klar zum Ausdruck
und bezieht Stellung zu den Handlungsweisen der Regierung.103
Wie bereits am Anfang des Kapitels erwähnt, widmeten die OÖN dem Vorfall an der Linzer
Hauptschule lediglich einen einzigen Bericht, welcher am 15. Mai 2004 veröffentlicht wurde.
Dieser umfasste etwa eine halbe Seite im Regionalteil der Zeitung. Die Aufmerksamkeit
wird durch ein großes Bild zweier Mädchen, eines davon mit Kopftuch, auf den Artikel und
das Thema gelenkt. Nicht nur das Bild verschafft dem Artikel eine gewisse Aufmerksamkeit,
sondern auch die Tatsache, dass der Bericht bereits auf der ersten Seite der Zeitung
“beworben” wird und dadurch schon eine gewisse Wichtigkeit zu haben scheint. Der Autor,
Martin Rohrhofer, versucht im Rahmen des Berichts immer wieder zwei Ereignisse in
Verbindung zu setzen, einerseits den Vorfall an der Ohlsdorfer Hauptschule, an welcher
zu knappe Kleidung zum “Aufreger” wurde, und andererseits den Vorfall an der Linzer
Stelzhamerschule, an der das Verbot eines Kopftuches für einen Konflikt sorgte. Nach
einer kurzen Situationsbeschreibung bringt Rohrhofer Passagen einer Stellungnahme des
Landesschulratspräsidenten Fritz Enzenhofer ein, welcher den Vorgang der Suspendierung
des Mädchens vom Unterricht wegen des Tragens eines Kopftuchs als “ein rechtlich
überhaupt nicht haltbares Vorgehen” bezeichnet. Weiters bestätigt Enzenhofer, dass
ein Schulverweis wegen der Nichtbeachtung der Schulordnung im Pflichtschulbereich
nicht möglich bzw. gerechtfertigt ist. Den Abschluss dieses Absatzes bilden eine kurze
“Ausländer_innenanteil-Statistik” und die Aussage, dass es “trotz eines relativ hohen
Ausländeranteils von 45 Prozent” bisher noch zu keinen Problemen an der Stelzhamerschule
gekommen sei. Die Schlussbemerkung des Artikels ist jene, dass das 13-jährige Mädchen
wieder mit Kopftuch zur Schule gehen darf, jedoch bei Unterrichtsgegenständen mit
Verletzungsgefahr (wie z.B. Schwimmen und Werken) darauf verzichtet werden müsse.
Nicht nur in diesem Artikel wird auf das Kopftuch, bzw. wie der Autor es bezeichnet, das
“Stück Stoff” oder die “Haardecke” eingegangen, sondern auch “Vitus Mostdipf” gibt in
einer neben dem Artikel stehenden Box einen Kommentar dazu ab. Demnach hätte es
schon früher Kopftuch tragende Frauen gegeben, um die jedoch nie so ein Drama gemacht
wurde. Um die ganze Kopftuchdebatte besser verstehen zu können, bieten die OÖN ihren
Leser_innen zusätzliche Hintergrundinformationen, indem in einer Box neben dem Artikel
Fakten und Erklärungen zum Thema Kopftuch zusammengefasst sind.104
103
104
vgl. Rauscher 2004
vgl. Rohrhofer 2004, S. 33
204
6.4.3 Feinanalyse der Tageszeitung “Der Standard”
6.4.3.1 Artikel vom 18. Mai 2004: “Kopftuch für die Schülerinnen generell erlaubt”
• Institutioneller Rahmen:
Der kurze Text erschien auf Seite acht in der Zeitung Der Standard im Blattteil “ÖsterreichChronik” am 18. Mai 2004. Der Artikel stammt von der Austria Presse Agentur (APA).
Anlass war ein Vorfall an einer Linzer Hauptschule, die hier namentlich nicht erwähnt wird.
Einem 13-jährigen Mädchen islamischen Glaubens wurde der Schulbesuch mit Kopftuch
untersagt.
Abbildung 6.7: Der Standard, 18. Mai 2004
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel “Kopftuch für die Schülerinnen generell erlaubt”, ist zentral positioniert,
umfasst nur eine Spalte und ist 29 Zeilen lang. Der Text enthält keine Bilder. Der
kurze, relativ unauffällige Text befindet sich unter einem großen Artikel, der von einem
Brandinferno im Tauerntunnel handelt, das fünf Jahre zuvor passiert war. Daneben findet
sich eine Spalte mit dem Titel “Junger Häftling nahm Waffe und flüchtete”. Rechts des
“Kopftuchartikels” gibt es das Wetter der nächsten Tage, darunter der Kalender mit
den Geburtstagen von Prominenten und historischen Fakten. Links vom Text behandelt
“Rottenbergs Boulevard” “Prüllers Buch- und Zahlenmystik”. Der Artikel selbst besteht
aus drei Absätzen. Der erste Absatz handelt von der laut Verfassung festgeschriebenen
Religionsfreiheit und der Folgerung daraus, dass Kopftücher in Österreichs Schulen
erlaubt sind und es keiner weiteren Regelung bedürfe. Weiters verlangt die islamische
Glaubensgemeinschaft eine generelle Regelung durch das Unterrichtsministerium. Der
dritte und letzte Absatz handelt vom Umgang mit diesem Thema in Deutschland.
205
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Artikel ist neutral und sachlich gehalten. Es kommen keine bildlichen Symbole oder
Metaphern, Redewendungen und Sprichwörter vor. Mit dem Wort “grundsätzlich” wird
darauf hingewiesen, dass es in Österreich zum Kopftuchverbot an Schulen keine konkrete
Regelung gibt. Es wird stattdessen vom Unterrichtsministerium die in der Verfassung
festgeschriebene Religionsfreiheit betont.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Eine politische Haltung lässt sich in diesem Text nicht feststellen. Es wird darauf geachtet, sachlich zu informieren. Interessant erscheint jedoch, dass die Vorgehensweise in
Deutschland dem/der Autor_in einen ganzen Absatz wert ist.
6.4.3.2 Artikel vom 19./20. Mai 2004: “Kopftuch für Gehrer kein Thema”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel “Kopftuch für Gehrer kein Thema” erschien in der Ausgabe am 19./20.
Mai 2004 in der Rubrik “Inland” der Zeitung Der Standard. Verfasser/ Verfasserin des
Textes ist die Austria Presse Agentur (APA). Anlass für den Artikel ist der Vorfall im
Zusammenhang mit dem Kopftuchverbot an einer Linzer Hauptschule.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Die Größe des Artikels ist im Verhältnis zu den anderen Berichten klein und eher unauffällig.
Es benötigt einige Sekunden um den Artikel zu bemerken, da umliegende Bilder die
Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auf einem Bild sieht man junge Soldaten, die von hinten
abgebildet sind, in geordneter Reihe mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt.
Inmitten der beiden politischen Themen “Grüne: Geld für Alternativschulen” oberhalb
befindlich und “SP-Wahlkampfstart in Wien” unterhalb befindlich, wirkt der Artikel
“eingeschoben”. Darüber befindet sich die Sparte “Kolportiert”. Links daneben ist ein
Artikel zum Thema Teilzeitrecht für Eltern. Unter der Überschrift ist ein Bild mit einer
Mutter zu sehen, die ein Baby in einer Babytrage auf ihrem Bauch trägt und dabei ein
Buch liest. Daneben befindet sich eine Statistik über die erwartete Inanspruchnahme der
Elternzeit. Ganz unten rechts wirbt die Wirtschaftskammer Österreich für die Europawahl
am 13. Juni 2004. Mit dem Werbeslogan “Jetzt wählen Sie, wie’s weitergeht” sollen die
Wähler_innen zur Wahl ermutigt werden. Der Artikel selbst umfasst einen Absatz mit
elf Zeilen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Text ist sprachlich neutral gehalten und als Bericht verfasst. Metaphern, symbolische
Sprachmittel und stilistische Neologismen finden sich in den neun Zeilen nicht. Zwei
Zitate werden verwendet. Während der Titel darauf schließen lässt, dass dieser Artikel
die Meinung von Ministerin Gehrer zum Thema Kopftuch wiedergibt, bestätigt sich
diese Annahme im ersten Satz. Gehrer hält den Vorfall an der Linzer Hauptschule für
einen “Einzelfall”. Trotzdem will sie Verhaltensvereinbarungen und Hausordnungen an
Schulen ändern. Sie will die Schüler_innen in die Änderung miteinbeziehen und dies
im Parlament mithilfe einer Zwei-Drittel-Mehrheit durchsetzen. Heinz-Christian Strache,
Obmann der FPÖ, fordert ein “uneingeschränktes Verbot für öffentliche Bedienstete
vor allem in öffentlichen Gebäuden.” Die konträren Meinungen zweier Politiker_innen
unterschiedlicher Parteien sind das Hauptthema des Artikels.
206
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Es ist keine politische Haltung des Autors/der Autorin erkennbar. Die Zitate werden
wörtlich wiedergegeben und beinhalten keine Erklärungen seitens des Autors/der Autorin.
Bildungsministerin Gehrer spricht sich für eine individuelle Behandlung des Falles an
der Linzer Schule aus und distanziert sich somit von der Annahme einer grundsätzlichen
Problematik mit “Ausländer_innen” an österreichischen Schulen. Es wird deutlich, dass
sie positiv gegenüber der Integration von Angehörigen anderer Religionen an österreichischen Schulen eingestellt ist. Sie ist deswegen auch der Meinung, dass das Ausmaß der
Veränderung den Schüler_innen selbst überlassen werden sollte. Heinz-Christian Strache,
bekannt für seine nationale Einstellung und seinen Hang zu propagandistischen Äußerungen, stellt die Gegenseite dar. Er befürwortet ein uneingeschränktes Kopftuchverbot für
öffentliche Bedienstete, vor allem in öffentlichen Gebäuden, und hält damit der Aussage
der Bildungsministerin entgegen. Er fordert ein generelles Kopftuchverbot in öffentlichen
Einrichtungen und spricht sich gegen einen individuellen Umgang mit dem Thema aus.
6.4.3.3 Artikel vom 21. Mai 2004: “Das Kopftuch nicht verbieten”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel “Das Kopftuch nicht verbieten” erschien am 21.Mai 2004 in der Rubrik
“Kommentar” in der Zeitung Der Standard. Der Verfasser dieses Artikels ist Hans Rauscher.
Zugrunde liegt dem Zeitungstext ein in Frankreich eingeführtes Verbot von religiösen
Symbolen an öffentlichen Schulen und die weiteren Auswirkungen auf den Umgang mit
diesem Thema.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel erstreckt sich auf ein Sechstel einer Seite. Auffällig auf den ersten Blick ist
die Umrahmung des Artikels mit einer schwarzen Linie. Diese macht ihn gut erkennbar
als eigenständigen Text und grenzt ihn von den umliegenden Artikeln ab. Im oberen,
mittigen Teil des Textes ist ein gezeichnetes Porträt des Verfassers abgebildet. Auf der
rechten Seite des Artikels befindet sich ein Bild mit Marien-Statuen in verschiedenen
Größen, der Text handelt von Pilger_innen. Ebenfalls rechts des Kommentars von Hans
Rauscher findet sich die Rubrik “Das aktuelle Buch” mit der Überschrift “Plädoyer gegen
Geschichtsfälschung”. Unterhalb des Artikels “Das Kopftuch nicht verbieten” befindet sich
die Sparte “Leserstimmen”, daneben das tägliche Kreuzworträtsel. Der Text selbst ist
eher länglich angeordnet und besteht aus zwei Spalten, gegliedert in neun Absätze. Die
Länge der Absätze variiert von neun bis 22 Zeilen. Das eingeführte Verbot von religiösen
Symbolen in Frankreich wird gleich eingangs erwähnt und umfasst einen kurzen Teil im
Vergleich zum übrigen Text.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Es werden Neologismen und Zitate verwendet. Symbole, Metaphern, Verbildlichungen
finden hier keine Verwendung. Grundsätzlich ist die Sprache neutral und sachlich gewählt.
Die gehobenere Wortwahl verleitet zum Nachschlagen im Fremdwörterbuch. Eine sachliche,
teilweise meinungsbezogene Position, welche der Verfasser einnimmt, macht das Lesen des
Textes nachvollziehbar und verständlich. Eine Aufzählung der verbotenen religiösen Symbole beendet den ersten Absatz. Im zweiten Absatz wird die Sikh Religion, eine religiösen
Gruppierung die aus Indien stammend den Brauch führt, dass sich männliche Mitglieder
207
nicht die Haare schneiden und einen täglich frisch gebundenen Turban tragen, beschrieben.
Durch diesen Brauch tragen die männlichen Sikhs jetzt (freiwillig) Haarnetze, dass sei
laut dem französischen Unterrichtsminister weniger “aggressiv”. Frankreich beschloss unter
anderem dieses Verbot, weil es unter den “fünf bis sieben Millionen Muslimen” genug
“Militante und Radikale” gäbe, die ihre Frauen in ein “mittelalterliches Gesellschaftsverständnis” zwingen und gleichzeitig durch eine “Uniformierung” ein drohendes politisches
Statement darstellen. Der Begriff “Islamo-Faschismus” wird erwähnt. Der Autor meint,
dass der Weg den Frankreich geht, aber ein Irrweg ist, denn durch Verbote könne keine
Gleichberechtigung von Frauen und Männern erreicht werden. Es bedarf einer Vorbildund Überzeugungsfunktion. Muslimische Frauen haben in einem streng islamischen Milieu
geringere Chancen. Aufklärung ist aber nicht so leicht. Aufklärung sei der “Ausgang aus
der selbst verschuldeten Unmündigkeit”. Der Autor bringt dazu den Philosophen Immanuel
Kant ins Spiel. Er gibt den Ratschlag auf die Kraft der Integration und Assimilation
zu setzen. Er ist der Ansicht, dass Hassprediger nach dem österreichischen Gesetzen zu
behandeln und administrativ zu bremsen sind. Seine Meinung gegenüber der Rücknahme
des Kopftuchverbots an oberösterreichischen Schulen ist zustimmend, von der islamischen
Gemeinde Gegentoleranz zu fordern ist für den Autor die konsequente Schlussfolgerung.
Der Umgang mit Verboten sollte vorsichtig sein, so seine generelle Haltung. Gettoisierung,
Predigten in Moscheen, Zwangsehen sind Themen, zu denen der Informationsstand seines
Erachtens nicht ausreichend ist, hier gäbe es Aufholbedarf. Seine Schreibweise birgt
einen gesellschaftskritischen Charakter, er analysiert gesellschaftliche Vorkommnisse und
bewertet diese. Im zweiten Schritt entwickelt er einen Lösungsansatz dazu.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Text behandelt die Personengruppen der Sikhs, den aus der Aufklärung stammenden
Philosophen Immanuel Kant, Hassprediger, die französische Regierung und die westliche
liberale Gesellschaft. Der Text ist als ein gesellschaftskritischer Artikel einstufbar und
setzt sich mit Problemen auseinander die auftreten, wenn es, wie in Frankreich, zu einem
Verbot von religiösen Symbolen in öffentlichen Einrichtungen kommt. Der Autor bringt
seine eigene Meinung klar mit ein und bezieht Stellung zu den Handlungsweisen der
Regierung.
6.4.4 Feinanalyse der Tageszeitung “Die Presse”
6.4.4.1 Artikel vom 18. Mai 2004: “Kein ’Kopftuch-Erlass” ’
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 18. Mai 2004 in der Rubrik “Chronik” der Presse. Es ist kein_e
Verfasser_in des Artikels genannt. Anlass für das Erscheinen des Artikels ist ein Kopftuchkonflikt in der Stelzhamerschule in Linz.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel ist einspaltig und sehr kurz und prägnant gehalten. Positioniert ist er an der
linken oberen Seite dieser Ausgabe mit der Überschrift “Kein KOPFTUCH-ERLASS”.
Der Text ist weder in Sinneinheiten unterteilt, noch weist er andere relevante Merkmale
hinsichtlich Darstellung und Layout auf. Rechts neben der kurzen Textpassage, nahezu
die gesamte restliche Seite ausfüllend, befasst sich die weitere Berichterstattung mit
208
dem nahenden Besuch ranghoher kirchlicher Würdenträger und namhafter Staatschefs
benachbarter Länder in Mariazell, im Bundesland Steiermark. Versehen ist diese Meldung
mit einem Bild, das die Gnadenstatue des Wallfahrtsortes zeigt, vor der schon seit
Jahrhunderten Gläubige und auch der Papst gebetet haben. Rechts neben diesem zentralen
Artikel befindet sich ein themenverwandter Bericht, der prominente Wallfahrer der Basilika
thematisiert. Unterhalb des zentralen Artikels befindet sich eine Meldung über eine
Charity-Veranstaltung. Rechts daneben wird für Internationale Sommercamps geworben,
in denen Jugendliche und Kinder die Möglichkeit finden, Sprach- und Mathematikkurse mit
Teilnehmer_innen aus anderen Ländern zu besuchen. Unterhalb des zu interessierenden
Artikels befindet sich die “Kleine Chronik”. Hier wird über Akademisches, Auszeichnungen,
Preisverleihungen und Todesfälle geschrieben.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Stil des Textes ist klar und leicht verständlich gehalten, der Wortschatz ist dem Thema
entsprechend angepasst. Der Text beinhaltet eingangs kurz auf den Streit an der Linzer
Hauptschule, in weiterer Folge wird berichtet, dass das Bildungsministerium in Wien die
Forderung der Islamischen Glaubensgemeinschaft zurückweist und dass es keinen Erlass
zur Garantie des Rechts auf das Tragen von Kopftüchern an Schulen geben wird. Für die
Religionsfreiheit in der Verfassung gibt es bereits eine Regelung. Kleidungsvorschriften
könnten in Hausordnungen und sogenannten Verhaltensvereinbarungen vorgesehen werden.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel ist in sachlicher Art und Weise verfasst, wobei die konservative Grundeinstellung der Zeitung bereits bei der Formulierung der Überschrift, “Kein KOPFTUCHERLASS” abgelesen werden kann. Nähere Aussagen und Schlüsse können, aufgrund der
Textkürze, nicht gezogen werden.
Abbildung 6.8: Die Presse, 18. Mai 2004
209
6.4.4.2 Artikel vom 19. Mai 2004: “Zahl der Volksschüler sinkt rapide”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 19. Mai 2004 in der Rubrik “Inland” der Presse. Es ist kein_e
Verfasser_in des Artikels genannt. Anlass für das Erscheinen des Artikels ist im weitesten
Sinn der Kopftuchkonflikt. Es wird ganz kurz auf die Kleidungsvorschriften in Schulen
eingegangen, ohne den Linzer Kopftuchkonflikt (Anm.: Stelzhamerschule) namentlich zu
nennen.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der zu betrachtende Artikel ist dreispaltig dargestellt. Positioniert ist er an der unteren
Seitenhälfte dieser Ausgabe mit der Überschrift “Zahl der Volksschüler sinkt rapide”.
Oberhalb dieses Artikels befindet sich ein Text, der die Überschrift “Recht auf Teilzeit
für Eltern fix – Bartenstein beruhigt Betriebe” trägt. Dieser Artikel ist mit dem Bild
eines lachenden Kleinkindes in einem Eimer Wasser versehen. Links neben diesen beiden
Texten befinden sich innenpolitische Meldungen und rechts neben dem Text mit der
Elternteilzeit wird über den innerkoalitionären Streit der (Anm.: damaligen) ÖVP-FPÖ
Regierung berichtet. Rechts neben dem Text mit den Volkschüler_innen befindet sich
das Impressum dieser Zeitung.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Stil des Textes ist klar und leicht verständlich gehalten. In der Rubrik bzw. unter der
Überschrift “Kleidung: Schüler stimmen ab”, wird im weitesten Sinn auf den Kopftuchkonflikt dieser Tage eingegangen. So sagt etwa die damalige Bildungsministern Elisabeth
Gehrer von der ÖVP, dass ein Kopftuchverbot in Österreich nicht diskussionswürdig
sei. Zur Situation von Bekleidungsvorschriften meint sie, man solle diese nur bei einer
Zwei-Drittel-Mehrheit im Schulgemeinschaftsausschuss der Lehrer_innen, Eltern und
Schüler_innen einführen.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel ist in sachlicher Art und Weise verfasst. Es handelt sich um eine neutrale
Berichterstattung und Schilderung der Sachlage.
6.4.5 Feinanalyse der Tageszeitung “Kronen Zeitung”
6.4.5.1 Artikel vom 15. Mai 2004: “Erst verboten, dann von oberster Stelle erlaubt:
Mit Kopftuch im Unterricht sorgte für Ärger in Schule”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 15. Mai 2004 in der Rubrik “Österreich” der Kronen Zeitung,
es ist kein_e Verfasser_in des Artikels genannt. Anknüpfungspunkt für den Artikel bot
ein scheinbar ähnlicher Vorfall wie jener an der Stelzhamerschule im Zusammenhang mit
Bekleidungsvorschriften, dieser wird jedoch nicht konkret benannt.
210
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der kurz gehaltene, zweispaltige Artikel befindet sich im unteren Bereich der Seite, mit
einer großen Überschrift, ohne Bild. Links neben dem Artikel befindet sich eine kleine Box
mit einem Spruch vom “Knödel-Sepp”, der sich auf den darüber liegenden Artikel mit Bild
bezieht, welcher von Zirkus-Kamelen handelt. Rechts neben dem Artikel befindet sich die
Spalte “Oberösterreich Inoffiziell”, welche diverse Informationen bzw. “Anekdoten” zur
Lokalpolitik enthält. Über dem Artikel ist ein größerer Bericht zum Thema Nahverkehr
abgedruckt, ebenfalls ohne Bild. Der Text ist sehr knapp gehalten und enthält keine
Sinneinheiten. Der letzte Satz des Artikels wird mit drei Punkten am Satzende beendet.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Wortschatz und Stil des Textes sind einfach gehalten. Es kommen keine Redewendungen,
Sprichwörter, Zitate oder Symbolsprache vor. Der Text weist indirekt Referenzbezüge zu
einem Vorfall aus der Vergangenheit auf, ohne diesen konkret zu nennen. Der Einstieg
“Wieder Ärger um Bekleidungsvorschriften. . . ” bestimmt den Grundtenor des Artikels.
Es folgt ein im Erzählstil verfasster Bericht, welcher offensichtlich bewusst eher harmlos gehalten ist, um den Anschein zu erwecken, lediglich Geschehnisse zu beschreiben.
Tatsächlich ist der Text jedoch mit zahlreichen Spitzen versehen und enthält eindeutige
Schuldzuweisungen. Es geht sehr deutlich hervor, welche Position der/die Verfasser_in
einnimmt. Die Schule hätte “völlig zu Recht” jegliche Kopfbedeckung verboten. Dieses
Argument dient als Hinweis darauf, dass die aufgestellte Regel für alle gleichermaßen gelte.
Es wird auf die Absicht hingewiesen, mit dieser Regel das Tragen von Baseballmützen zu
unterbinden, als Hinweis darauf, dass das Ziel der besagten Regel gar nicht das Kopftuch
wäre, also keine böse Absicht dahinter stand. Das Mädchen wurde auf diese Vorschrift
hingewiesen. Die Reaktion der Schule auf das Tragen des Kopftuchs wird damit als sehr
sanft und zurückhaltend beschrieben. Der Vater des Mädchens “wollte die Regel nicht
akzeptieren und ging zur Polizei”. Damit wird eine sehr heftige, willkürliche Gegenreaktion
dargestellt. Die Formulierung “Zuletzt befasste sich der Landeschulratspräsident mit dem
Fall” deutet darauf hin, welche Wellen die Sache letztendlich geschlagen hat (ausgelöst
allein durch das türkische Mädchen bzw. dessen Vater). Den Abschluss des Artikels bildet
eine süffisant gehaltene Anmerkung “Detail am Rande”, die darauf hinweist, dass in Teilen
der Türkei das Tragen von Kopftüchern an Schulen verboten sei. Der Satz wird mit
drei Punkten beendet, um die Leser_innen “zum Nachdenken” anzuregen. Damit wird
suggeriert, dass Türk_innen in Österreich “mehr dürfen” als in ihrem Heimatland.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Text ist sehr einseitig verfasst und bezieht eine klar erkennbare migrant_innenfeindliche
Position im Zusammenhang mit dem Vorfall. Der/die Schreiber_in dieses Textes verbirgt seine/ihre politische Einstellung nicht. Anstelle einer angemessenen Schilderung des
Sachverhalts ist die klare Absicht des Textes eine “Stimmungsmache”. Abgezielt wird auf
ein Gesellschaftsverständnis, nach dem alle Mitbürger_innen sich an Regeln zu halten
haben. Der Vorfall mit dem Kopftuch wird als vorsätzlicher Regelverstoß dargestellt, bei
dem sich jemand in Österreich mehr Rechte “herausnehmen” wollte, als sie ihm/ihr im
Heimatland zustehen.
211
6.4.5.2 Artikel vom 16. Mai 2004: “Kleidungs-Verbote in Schulen für die Katz’.
Kinder nicht von Unterricht aussperren. Dekolletee und Kopftuch erlaubt”
• Institutioneller Rahmen
Der Artikel “Dekolletee und Kopftuch erlaubt” erschien am 16. Mai 2004 in der Rubrik
“Österreich” der Kronen Zeitung. Der Verfasser dieses Textes ist J. Nöbauer. Dieser
Artikel entstand im Zuge der Streitigkeiten bezüglich des Kopftuchverbotes an der Linzer
Stelzhamerschule, in welcher die 13-jährige Türkin Gülsüm nicht mit Kopftuch zum
Unterricht erscheinen durfte.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Dem Artikel wurde fast eine ganze Seite in der Kronen Zeitung gewidmet, lediglich ein
kleiner Kasten “Oberösterreich aktuell” und eine Werbung für Insektenschutz befinden
sich auf der rechten mittleren bzw. unteren Seite. Durch die drei abgebildeten Fotos wird
der Text sehr anschaulich dargestellt und regt sofort zum Lesen an. Des Weiteren sind
die abgebildeten Fotos treffend gewählt. Während auf dem einen Bild eine österreichische
Schülerin abgebildet ist, die mit bauchfreiem T-Shirt, kurzer Hose, offenen Haaren und
modernen Sneakers an der Tafel steht, sind im unteren Bild zwei Mädchen mit Kopftuch zu
sehen. Bis auf ihr Gesicht sind alle Körperteile von Kleidung bedeckt. Auf dem dritten Bild
ist Christine Gattringer zu sehen, welche als Direktorin der Stelzhamerschule den Vorfall
der vom Unterricht verwiesenen Muslimin zutiefst bedauert. Bezüglich der Überschrift
lässt sich festhalten, dass zuerst zwei Zwischenüberschrift die Kopfzeile zieren, bevor die
Hauptüberschrift in großen und fett geschriebenen Buchstaben sich über die ganze Seite
erstreckt. Der Text ist in keine Sinneinheiten gegliedert und widmet sich den Themen der
Stelzhamerschule und dem Kleidungsverbot in Schulen, wobei hier zusätzlich das Beispiel
einer Schule in Ohlsdorf herausgegriffen wurde. Der Text ist dreispaltig verfasst und in
zwei Absätze unterteilt.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Sowohl der Wortschatz als auch der Stil des Textes sind einfach gehalten und somit leicht
verständlich. Der Text beginnt mit einem direkten Zitat der Direktorin der Linzer Stelzhamerschule, welche auch mit einem Foto abgebildet ist. Es sind keine Redewendungen
oder Sprichwörter im Text enthalten. Außerdem wird kein typischer Erzählstil verwendet,
sondern der Artikel setzt sich vielmehr aus zahlreichen direkten Zitaten verschiedener, in
Zusammenhang mit dem Vorfall an der Stelzhamerschule stehender Personen zusammen.
Der Autor Nöbauer hat hier lediglich Erklärungen und Überleitungen in den Text eingebaut. Konkret wurden direkte Zitate sowohl von der Direktorin der Stelzhamerschule,
Christine Gattringer, als auch von dem Ohlsdorfer Hauptschuldirektor, Walter Zehetner,
herangezogen. Des Weiteren wurde der Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer direkt
zitiert. Während sich Zehetner klar für Bekleidungsvorschriften an Schulen ausspricht,
ist Gattringer eindeutig für Integration und gegen jegliche Vorschriften in Bezug auf
Kleidungsvorschriften. Enzenhofer erklärt ganz allgemein, dass die Schulpflicht oberste
Priorität haben sollte. Es ist im Text von einem “Dessous-Marsch” die Rede, welcher für
den Höhepunkt jeglicher Demonstrationen gegen die Kleidungsvorschrift stehen soll.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Text beinhaltet sowohl Meinungen von Personen, welche sich für Kleidungsvorschriften
aussprechen, als auch entgegengesetzte Standpunkte. Es geht aus dem Text nicht klar
212
hervor, welche politische Meinung der Autor selbst vertritt. Der Text stellt sachlich Schritt
für Schritt die zu dem vorgefallenen Ereignis an der Stelzhamerschule zitierten Aussagen
dar und enthält keine meinungsbezogene Position des Autors. Aus dem Text geht auch klar
hervor, dass es nicht möglich sein wird, in Zukunft irgendwelche Bekleidungsvorschriften
an Schulen durchzusetzen, da dies im Extremfall durch ein Fernbleiben des Unterrichts
gegen die allgemeine Schulpflicht verstoße. Zusammenfassend sollte jede_r so zur Schule
gehen dürfen, wie er/sie sich am Wohlsten dabei fühlt.
Abbildung 6.9: Kronen Zeitung, 16. Mai 2004
213
6.4.5.3 Artikel vom 17. Mai 2004: “Vater der 13-jährigen türkischen Schülerin in
Linz stellt nach ’Kapperl-Erlass’ klar: ’Bin Islamist’ Kopftuch bleibt”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 17. Mai 2004 in der Rubrik “Österreich” der Kronen Zeitung.
Verfasser des Artikels ist Markus Schütz. Der Artikel bezieht sich auf den am 15. Mai
2004 in der gleichen Rubrik erschienenen Bericht zum selben Thema. Der Artikel steht
weiters im Zusammenhang mit den Bekleidungsvorschriften an einer Schule in Ohlsdorf.
Im Artikel wird direkt darauf referenziert.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel befindet sich im mittleren Bereich der Seite und nimmt diese mit einer sehr
großen Überschrift komplett ein. Der Artikel enthält kein Bild. Über dem Artikel befindet
sich ein Foto mit zwei Feuerwehrleuten auf einem Boot plus Kommentar. Daneben befindet
sich die kleine Box mit einem Spruch vom “Knödel-Sepp”, der sich auf den Artikel mit dem
Kopftuch bezieht. Unter dem Artikel ist der Beitrag “Hing’ schaut und g’sund g’lebt” zu
finden, mit der Überschrift “Lebensraum-Bedrohung”. Dabei geht es um Informationen von
Kräuterpfarrer Weidinger zum Thema Fischotter und Habichtskauz. Diese Information
ist im Gegensatz zur Überschrift sehr klein gehalten. Der Text des Kopftuch-Artikels
ist vierspaltig und besteht aus einer Einleitung und einem Hauptteil. Sowohl in der
Überschrift als auch im Artikel kommen sehr viele Anführungszeichen bzw. direkte “Zitate”
vor.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Wortschatz des Textes ist einfach gehalten, der Stil ist sehr aggressiv und reißerisch.
Es kommen zahlreiche direkte Zitate vor, sowie selbst kreierte Begriffskonstrukte, die
unter Anführungszeichen gesetzt sind, wie z. B. “Kapperl-Erlass” oder “verdrehte OhlsdorfAffäre”. Der Autor bedient sich zahlreicher einschlägiger Wörter wie z. B. “Islamist”,
“Kopfverhüllung”, “Ausländerkinder”, “strenggläubig”, “bärtiger Türke”, “islamistische Kopfbedeckung”, usw.. Der Text weist Referenzbezüge auf den vorangegangenen Artikel am 15.
Mai 2004 in der Kronen Zeitung auf, sowie auf einen nicht näher beschriebenen Vorfall
hinsichtlich Bekleidungsvorschriften an einer Schule in Ohlsdorf. Der Artikel besteht aus
einer sich abwechselnden Aneinanderreihung von Behauptungen und Zitaten.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel ist auf der zitierten Aussage “Ich bin Islamist!” eines türkischstämmigen
Vaters aufgebaut, der sich gegen das Kopfbedeckungsverbot an der Schule seiner Tochter
auflehnte und Recht bekam. Der Autor provoziert gleich eingangs mit der besagten, direkt
zitierten Aussage. Diese wird wiederholt als “Klarstellung” bezeichnet, die die Kronen
Zeitung auf Anfrage bei dem Vater erhalten hätte. In der Einleitung wird beschrieben,
dass der Vater durch eine Anzeige eine Affäre “losgetreten” habe. Insgesamt wird der
Vater aggressiv dargestellt, u. a. wird er als strenggläubig und bärtig beschrieben, er trage
selbst eine “islamistische” Kopfbedeckung und stelle seinen Standpunkt “klar”, wohingegen
seine Gattin und seine Tochter sich zu dem Vorfall gegenüber der Krone nicht hätten
äußern dürfen. Der türkisch klingende Name der Tochter Gülsüm wird sehr oft im Artikel
verwendet. Die Darstellung des Ereignisses ist so gehalten, dass sich die Schule einem völlig
aggressiven, wild gewordenen und uneinsichtigen Vater gegenüber sähe. Besonders betont
wird, dass der Vater, anstatt “froh” zu sein, dass er Recht bekommen habe, weiter mit Klage
214
drohe, näher wird darauf jedoch nicht eingegangen. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen,
dass die Familie erst vor kurzem nach Linz gezogen sei. Damit wird angedeutet, dass es
bereits nach kürzester Zeit Probleme mit dieser Familie gibt. Die Stelzhamerschule wird
als Schule beschrieben, an der “bis zu 80 Prozent Ausländerkinder in den Klassen sitzen”.
Die Bestimmung hinsichtlich der Kopfbedeckung wird wiederum als völlig harmlose,
sogar gut gemeinte Aktion beschrieben, dazu wird die Direktorin der Schule zitiert. Der
Vater hingegen hätte die Schule sofort angezeigt. Die Logik des gesamten Artikels zielt
darauf ab, die Familie als undankbar und aggressiv darzustellen und eine Verbindung
zwischen aggressivem Verhalten und Islam herzustellen. Der Text enthält offenkundige
Schuldzuweisungen. Die Position des Verfassers steht im Vordergrund, der Bericht ist weit
von einer neutralen Berichterstattung entfernt. Im Abschluss des Artikels wird darauf
hingewiesen, dass sich die Schule um die Integration des Kindes kümmere, das hier zwischen
die Fronten geraten sei. Hier wird abermals auf die Unvernunft des Vaters angespielt. Der
Text ist sehr einseitig verfasst und bezieht eine migrant_innenfeindliche Position. Der
Autor dieses Textes verbirgt seine persönliche Einstellung nicht. Anlass für den Artikel war
keine neue Entwicklung in dem Fall, sondern die Kontaktaufnahme der Kronen Zeitung
mit dem betroffenen Vater. Es stellt sich die Frage, ob es die Absicht des Verfassers war,
den Vater zu Aussagen zu provozieren, um einen weiteren Artikel in der Angelegenheit
zu veröffentlichen. Anstelle einer angemessenen Schilderung des Sachverhaltes ist die
klare Absicht des Textes eine negative “Stimmungsmache”. Es wird ein grundsätzlicher
Zusammenhang zwischen Islam und Aggression konstruiert. Angesprochen wird auf das
Gesellschaftsverständnis, dass alle Mitbürger_innen sich an Regeln zu halten haben.
Der Vorfall mit dem Kopftuch wird als vorsätzlicher Regelverstoß dargestellt, der einem
“Islamisten” Gelegenheit bieten würde, sich ungerechtfertigt aufzuspielen. Es wird ein
Menschenbild von gefährlichen, aggressiven Muslim_innen gezeichnet. Der Islam wird mit
rücksichtslosem Verhalten und Gefahr gleichgesetzt, Stereotype wie Frauenunterdrückung
und Fanatismus werden damit hervorragend bedient.
6.4.5.4 Artikel vom 18. Mai 2004: “Moslems wollen Tracht festschreiben lassen.
Kirche schlägt ’Tauschhandel’ aus. Kopftuch unterm Kreuz bleibt”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 18. Mai in der Rubrik “Österreich” auf der Kronen Zeitung. Der
Verfasser des Textes ist Markus Schütz. Der Artikel bezieht sich auf die Kopftuchdiskussion
in der Linzer Stelzhamerschule.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel ist sehr kurz und daher in einspaltiger Form dargestellt. Er befindet sich am
oberen linken Rand der Seite. Betitelt ist der Text mit den Worten “Kopftuch unterm
Kreuz bleibt”. Rechts neben dem Text ist ein Bild von Albert Fortell und Jenny Jürgens
mit dem Schloss Orth im Hintergrund. Auffallend ist, dass die Worte “unterm Kreuz” der
Überschrift genau oberhalb des Bildes mit dem Turmkreuz des Schloss Orth positioniert
sind. Unterhalb des Bildes und der Informationsbox finden sich zwei Lokalberichte. Der
erste Bericht thematisiert eine nächtliche Badeaktion von zwei betrunkenen Jugendlichen
und der zweite Bericht hat den Unfalltod eines Wirtes in der Landeshauptstadt zum Thema.
Unterhalb dieser beiden Artikel und unterhalb des Berichtes von der Stelzhamerschule
kommt der bekannte Kräuterpfarrer Weidinger in der Rubrik “Hing’schaut und g’sund
g’lebt” zu Wort. Dabei nimmt er zum Thema Körpersprache und derer Intentionen
Stellung.
215
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Artikel ist in sehr einfacher Art und Weise geschrieben und daher leicht verständlich.
Er weist keine komplizierten Satzkonstruktionen auf und der Wortschatz ist allgemein
bekannt. Der Artikel ist einfach zu lesen und nachzuvollziehen. Es kommen darüberhinaus
keine Redewendungen und Sprichwörter vor. Der Text enthält ein einziges Zitat von
Ferdinand Kaineder, Sprecher der Diözese Linz.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Mit den einleitenden Worten “Weiter hohe Wellen in der Kopftuch-Affäre: Jetzt verlangen
Moslems, dass die Kleidung für alle Schulen festgeschrieben wird...” wird gleich zu Beginn
eine sehr negativ besetzte Wortwahl verwendet. Danach kommt das Zitat von Kaineder,
dass es bzgl. einer Abnahme des Kreuzes in Schulen keinen Handel geben wird. Denn in
Europa ist das Christentum sicherlich die Leitkultur. Er erklärt, dass sich der Bischof
immer für ein Miteinander einsetzt. Das Problem sei, dass religiöse Symbole für politische
Zwecke missbraucht werden. Er bekräftigt am Ende des Artikels die Toleranz zwischen
Christ_innen und Muslim_innen, die in vielen Schulen gemeinsam den Religionsunterricht
besuchen.
Abbildung 6.10: Kronen Zeitung, 18. Mai 2004
216
6.4.6 Feinanalyse der Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten”
6.4.6.1 Artikel vom 15. Mai 2004: “Linzer Hauptschul-Direktorin erlieÿ
Kopftuchverbot für junge Muslimin”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel “Linzer Hauptschul-Direktorin erließ Kopftuchverbot für junge Muslimin“
erschien am 15. Mai 2004 im Regionalteil der OÖN und wurde von Martin Rohrhofer
verfasst. Der Erscheinungsgrund dieses Artikels war die Aufregung aufgrund von Bekleidungsvorschriften an einer Schule, was einen Ausschluss aus dem Schulbetrieb nach sich
zog.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Dieser Artikel bildet den Leitartikel des Regionalteils und ist auf der ersten Seite dieses
Teils platziert. Er enthält eine große Überschrift und ein Bild mit zwei spielenden Kindern,
eines davon trägt Kopftuch. Der Artikel wird bereits auf Seite eins der Zeitung “beworben”
und zieht dadurch eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich. Rechts neben dem Artikel
befindet sich eine kleine Box mit Hintergrundinformationen zum Tragen eines Kopftuches.
Um das Ganze etwas aufzulockern, befindet sich unter der Information ein kleiner Witz
von “Vitus Mostdipf”. Unter dem Artikel befindet sich eine Werbung, wodurch der Artikel
ins Zentrum der Seite gerückt wird. Es gibt keine konkreten Sinneinheiten im Text. Er ist
so aufgebaut, wie es bei Zeitungsartikeln üblich ist, Überschrift, “Vorspann”, Autor, Gesamttext. Anfänglich wird versucht einen Bezug zur Hauptschule in Ohlsdorf herzustellen.
Danach wird der neue Sachverhalt an der Stelzhamerschule und der Grund des Ausschlusses geschildert. Den Abschluss bildet eine allgemeine Information. Die Kernaussage des
Textes ist die Schilderung der Sachlage mit allgemeinen Hintergrundinformationen zum
Kopftuch und der rechtlichen Lage der Beschränkungen. Durch diesen Text erfährt man,
dass es keine allgemeine Regelung für die Verwendung von Kopfbedeckungen gibt und dass
dies jede Schule selbst in der Hausordnung regeln kann. Es kann jedoch im Pflichtschulbereich kein Ausschluss aus dem Unterricht erfolgen, wenn gegen solche Vereinbarungen
verstoßen wird.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Die Argumentation des Zeitungsartikels ist sehr schlüssig und größten Teils neutral
geschrieben. Der Autor versucht den Text mit bildhaften Wörtern zu unterstreichen, indem
er Wortspiele und Beschreibungen verwendet, z.B. “Dorn im Auge” oder “Haardecke”.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Dieser Text ist neutral geschrieben und greift keinen der Beteiligten direkt oder indirekt
an. Der Verfasser dieses Textes verbirgt seine politische Einstellung. Es handelt sich um
eine angemessene Schilderung des Sachverhaltes.
217
Abbildung 6.11: Oberösterreichische Nachrichten, 15. Mai 2004
6.5 Fazit
Das Kopftuch ist ein kontrovers diskutiertes Thema, das eine Vielzahl von Emotionen
und die unterschiedlichsten Reaktionen bei den Menschen hervorruft. Selbst von Muslim_innen wird das Kopftuch als Teilaspekt des klassischen islamischen Kleidungsstils
sehr unterschiedlich interpretiert und bewertet. Ebenso vielschichtig sind die Assoziationen, die im Zusammenhang mit dem Kopftuch in der Bevölkerung hervorgerufen
werden. Das Sichtbarmachen der islamischen Kultur durch das Tragen des Kopftuchs birgt
Potenzial für Missverständnisse und Konflikte in der Gesellschaft. Es handelt sich um
ein Thema, zu dem fast jede_r eine Meinung zu haben scheint. Entsprechend vielfältig
ist auch die Berichterstattung rund um das Thema Kopftuch und Islam. Die Medien
verwenden Bildmaterial von Kopftuch tragenden Frauen, um den Islam in der Berichterstattung darzustellen und zu symbolisieren, bzw. um emotionsgeladene Inhalte in diesem
Zusammenhang zu vermitteln. Da in der westlichen Gesellschaft das Kopftuch häufig
für Rückschritt und Unterdrückung steht, wird durch den Einsatz dieser Bilder eine
bestimmte Wahrnehmung gefördert und ein negativ geprägtes Islambild erschaffen, das
in der Bevölkerung Ablehnung und Unverständnis hervorruft. Die Verhüllung der Frau
wird als Unterdrückung interpretiert, das Kopftuch in den Medien steht symbolisch für
Abgrenzung, Fremdheit und Nichtintegration.
Die Analyse der Berichterstattung zur Kopftuchdebatte in Linz an der Otto-Glöckel-Schule
und der Stelzhamerschule ergab ein ebenfalls sehr differenziertes Bild im Hinblick auf
218
Wortwahl, Schreibstil, Darstellung und Stellenwert bzw. Häufigkeit der Berichterstattung.
Besonders in der Kronen Zeitung waren auffällige Schlagzeilen zu finden, die Artikel
enthielten Schuldzuweisungen und auch abwertende Begriffe wie z.B. “Moslem-Fundis”, “fanatisierte Moslemväter”, “Sauerei”, “Schmutzkübelkampagne” und dergleichen mehr. Mehrfach wurde im Kontext der beiden Ereignisse auch generell der “Ausländer_innenanteil”
an Linzer Schulen thematisiert. Eine weitere Auffälligkeit in der Kronen Zeitung war die
Auswahl an Bildern, Berichten und Anzeigen, die jeweils rund um die jeweiligen Artikel
zum Kopftuchstreit platziert waren. Es fanden sich Inserate über Insektengift, Bilder
von Kamelen, bis hin zu Berichten mit Schlagzeilen wie etwa “Lebensraumbedrohung”
oder “Mehr Mut zur Wahrheit”. Die Berichterstattung vermittelte eine klar ablehnende
Haltung gegenüber dem Islam. Die Oberösterreichischen Nachrichten zeigten anhand ihrer
Berichterstattung ebenfalls eine sehr negative Einstellung zum Thema Kopftuch und Islam.
In den Artikeln wurde hauptsächlich Empörung über die Vorfälle zum Ausdruck gebracht,
der Schreibstil war belehrend und enthielt Forderungen an die Politik, Lehrer_innen und
die islamische Glaubensgemeinschaft. Die Berichte der OÖN waren generell sehr aufrührerisch verfasst und hatten inhaltlich wenig Aussagekraft. Auffällig waren auch die vielen
direkten Zitate, die meist ohne jeglichen Kontext eingesetzt wurden. Die Berichte der
Zeitung Die Presse waren im Vergleich zur Kronen Zeitung und den Oberösterreichischen
Nachrichten zurückhaltender formuliert, größtenteils neutral verfasst und auch gehaltvoller und besser recherchiert. Jedoch kam auch hier eine eher ablehnende Haltung zum
Ausdruck. Eine deutlichere, angriffigere Sprache in diese Richtung wurde beispielsweise
durch direkte Zitate und die Veröffentlichung ausgewählter Leserbriefe untergebracht. Der
Standard hingegen berichtete in beiden Fällen sehr neutral, sachlich beschreibend und
detailliert. Das Thema Kopftuchstreit wurde aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt
und durchleuchtet, es kamen auch die muslimischen Väter zumindest indirekt zu Wort.
Lediglich in einem Artikel in der Rubrik “Kommentar” wurde eine meinungsbezogene
Position des Verfassers vermittelt und war als solche deutlich erkennbar. Der Artikel
enthielt als gesellschaftskritischer Beitrag umfangreiche Hintergrundinformationen zum
Thema Kopftuch und Islam.
Auffällig in der gesamten Berichterstattung der Printmedien war, dass die betroffenen
Väter kaum zu Wort kamen. In den OÖN wurden in einem Artikel die persönlichen Lebensumstände eines Vaters thematisiert, nicht jedoch eine Stellungnahme zu den Vorwürfen.
Die Kronen Zeitung veröffentlichte in einem Bericht einige aus dem Zusammenhang gerissene harsche Aussagen eines Vaters aus einem angeblichen “Interview”. Zu einer inhaltlichen
Gegendarstellung kam es auch hier nicht. Lediglich in der Zeitung Der Standard wurde
dem Standpunkt der Väter tatsächlich Beachtung geschenkt. Alle anderen Zeitungen
bewerteten die Anliegen der Väter von vorn herein als ungerechtfertigt und anmaßend, auf
den Sachverhalt wurde nicht näher eingegangen. Die in den Medien dargestellte “Kopftuchdebatte” wurde letzten Endes hauptsächlich zwischen Politiker_innen geführt. Interessant
in diesem Zusammenhang erscheint auch die Tatsache, dass sich die beiden Ereignisse an
den Linzer Schulen trotz der mit involvierten Expert_innen geführten Interviews nicht
vollständig rekonstruieren ließen. Hier gab es mehrfach inhaltliche Abweichungen zur
Berichterstattung der Printmedien bzw. offene Fragen, die nicht restlos geklärt werden
konnten.
Unter der Prämisse, dass Rassismus als gesellschaftliche Hierarchisierung aufgrund ethnischer, nationaler oder religiöser Zugehörigkeit verstanden wird, ist auf Basis der Analyse
der Berichterstattung zum Thema Kopftuchstreit klar von einer (beabsichtigten oder
unbeabsichtigten) Vermittlung rassistischer Inhalte bzw. von rassistischer Diskriminierung
zu sprechen. Botschaften dieser Art wurden in den Berichten vor allem durch die Betonung
einer grundlegenden Haltung “wir und die Anderen“ vermittelt. Die Berichterstattung
219
war insgesamt wenig sachlich und sehr unausgeglichen. Es wurde hauptsächlich Geringschätzung gegenüber Muslim_innen und deren Anliegen und Bedürfnisse zum Ausdruck
gebracht. Die Schwerpunkte in der Berichterstattung lagen hauptsächlich in der Betonung
des gesellschaftlich Trennenden und der “Andersartigkeit“ von Muslim_innen.
220
7 Die “Türkenkonflikte im Linzer
Neustadtviertel”: Integration auf
Stadtteilebene
7.1 Einleitung
Das Thema “Integration auf Stadtteilebene” ist ein Aufgabengebiet, das jede Stadt und
jede Gemeinde betrifft. Im Rahmen dieses Kapitels wird ein besonderer Fokus auf das
Linzer Neustadtviertel gelegt. Ausgehend davon wird eine Analyse der so genannten
“Türkenkonflikte” im November 1992 durchgeführt. Dieses Thema setzt grundsätzlich eine
Auseinandersetzung mit der Frage “Was heißt Integration?” voraus. Die Integrationsdebatten werden teilweise ohne Einbindung von Migrant_innen geführt. Dies kann zu einem
verzerrten und einseitigen Bild führen. Von den Migrant_innen wird häufig verlangt, ihre
Sprachkompetenzen zu verbessern sowie Respekt und Verständnis für die “österreichische
Kultur” aufzubringen. Dabei wird selten berücksichtigt, dass es sich bei Integration um
einen zweiseitigen Prozess handelt und die Aufgeschlossenheit der “Nicht-Migrant_innen”
eine ebenso wichtige Voraussetzung für ein gelungenes Zusammenleben darstellt. Die
konkreten Probleme liegen dabei oftmals nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der
verschiedenen Kulturen. Darüber hinaus muss die Beschäftigung mit der Thematik die
Frage “Auf welcher Ebene findet Integration statt?” aufwerfen. Dem Stadtteil, dem Ort
des Zusammenlebens, kommt hier eine zentrale Bedeutung für eine erfolgreiche Integration
zu. Er ist Raum für Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft und gleichzeitig
werden hier auch Folgen von unzureichender Integrationspolitik sichtbar.
Dieses Kapitel besteht aus drei Teilen. Zu Beginn wird das diskursive Ereignis, die “Türkenkonflikte im Linzer Neustadtviertel” behandelt sowie der Hintergrund der Konflikte
zwischen Türk_innen und Kurd_innen beleuchtet. Weiters wird das Linzer Neustadtviertel aus sozioökonomischer Sicht vorgestellt. Dazu werden Meinungen der Bewohner_innen
sowie von Expert_innen herangezogen. Der zweite Teil befasst sich mit dem Thema
“Integration”. Hier wird das Integrationsleitbild der Stadt Linz und das Stadtteilentwicklungskonzept des Neustadtviertels vorgestellt sowie auf das Thema “Quartiersmanagement”
näher eingegangen. Darüber hinaus werden Linzer Maßnahmen und Projekte zur Förderung der Integration vorgestellt. Im dritten Teil wird allgemein auf das Thema in Bezug
zu “Rassismus und Medien” eingegangen und die Haltung einzelner Medien mit Hilfe einer
Mediendiskursanalyse analysiert.
221
7.2 Das Linzer Neustadtviertel und die so genannten
“Türkenkonflikte”
7.2.1 Chronik der so genannten “Türkenkonflikte” im Linzer
Neustadtviertel
Am 21. November 1992 kam es im Linzer Neustadtviertel zu Zusammenstößen zwischen
Türk_innen und Kurd_innen sowie österreichischen Autonomen. Auslöser des Konflikts
war die Einreise des türkischen Parlamentsabgeordneten Yasar Erbaz, der eine Führungsposition in der türkischen rechtsextremistischen Organisation “Graue Wölfe” inne
hatte. Erbaz war als Ehrengast zur Eröffnung des “Österreichisch-Türkischen Kulturund Solidaritätszentrums” im Haus Schillerstraße 45/47 gekommen. Der Besuch von
Erbaz wurde auf Plakaten öffentlich angekündigt. Auf diesen war die von den Grauen
Wölfen angestrebte “Großtürkei” und das Zeichen der “Wölfe” abgebildet. Der umstrittene
Politiker reiste mit seinen Gefolgsleuten von Wien an, empfangen wurde der Autokonvoi
von einer Gegendemonstration von Kurd_innen und Linzer Autonomen. Nur wenige
Polizist_innen waren zu diesem Zeitpunkt in der Nähe des Lokals in der Schillerstraße. Die
demonstrierenden Personen gingen mit Schlagstöcken auf die Autos los und zerschlugen
die Scheiben. Schüsse fielen, dabei handelte es sich um Warnschüsse der Erbaz-Leibwächter
und eines Polizisten. Die Polizei musste alle verfügbaren Kräfte zusammenziehen, da sich
die Tätlichkeiten unter den Anhängern der “Grauen Wölfe” und der Gegner_innen über
mehrere Stunden hinzogen. Insgesamt waren etwa 500 Personen am Konflikt beteiligt.1
7.2.1.1 Folgen der “Türkenkrawalle”
Die unmittelbaren Folgen der Auseinandersetzung zwischen Türk_innen und Kurd_innen
erstreckten sich auf die Verhängung von Untersuchungshaft und die Ausstellung von Abschiebungsbescheiden gegen einige der beteiligten Personen. An diesem Wochenende war
die Mobilität im Linzer Neustadtviertel um die betroffenen Straßenzüge eingeschränkt, es
wurden auch Ausweiskontrollen durchgeführt. Viele Bewohner_innen nutzten die Präsenz
der Medien (ORF OÖ, Zeitungen, ...) um die eigenen Meinungen, Wünsche und Anregungen oder auch Vorwürfe an der Politik kundzutun. Neben den Lokalpolitiker_innen wie
SPÖ-Bürgermeister Franz Dobusch wurde auch die Polizei mit Vorwürfen konfrontiert.
So war kurz vor der Veranstaltung eine Warnung aus Wien nach Linz gelangt, die jedoch
nicht ausreichend oder zu spät bearbeitet wurde. Der Vorwurf, dass die Polizei einseitig
vorginge, hatte sich in der damaligen Diskussion dadurch verstärkt, dass in erster Linie
linksgerichtete Demonstrant_innen verhaftet und im Eiltempo abgeschoben wurden.2
Von verschiedenen Seiten wurden dem Bürgermeister und der Stadtadministration Untätigkeit vorgeworfen. Die Strategie der Stadtverwaltung stand unter dem Motto “Einhaltung
rechtsstaatlicher Normen” und wandte sich damit gegen “Sondermaßnahmen”. Die Stadtverwaltung stand vor der Frage, ob das Zusammenleben verschiedener ethnisch-kultureller
Bevölkerungsgruppen selbst- oder fremdreguliert, das heißt über starke staatliche Eingriffe gesteuert werden soll. Die rechtsstaatlich möglichen Maßnahmen wurden mit der
Sperrung zahlreicher Vereinslokale, temporären Versammlungsverboten und regelmäßigen
Polizeistreifen weitgehend ausgeschöpft.3
1
vgl. Gstöttner 1992a
vgl. John 2000, S. 369
3
vgl. ebd., S. 370
2
222
Nationalratsabgeordnete der Grün-Alternativen und der Volkspartei stellten Anfragen
an den damaligen SPÖ-Innenminister Franz Löschnak. Der ÖVP-Abgeordnete Helmut
Kukacka fragte, warum die zwei Erlässe des Innenministeriums - die die Linzer Polizei
schon am vorangegangenen Tag auf mögliche Ausschreitungen hinwiesen - nicht die
zuständigen und verantwortlichen Stellen der Linzer Polizei erreichten.4 Die Beantwortung
der Anfrage des Innenministers ergab, dass die beiden Erlässe des Innenministeriums vom
19. November beziehungsweise 20. November 1992 die zuständigen und verantwortlichen
Stellen der Linzer Polizei erreichten. Löschnak verwies auf die Bundespolizeidirektion
Linz, die berichtete, zu welcher Uhrzeit die Dokumente dem Polizeidirektor und dem
Beamten im Journaldienst vorgelegt wurden:
“Diese Erlässe wiesen auf die vom 20. bis 22. 11. 1992 angekündigten Wahlen
eines kurdischen Europaparlaments und auf mögliche Gegenreaktionen der
nicht kurdischen Türken hin. Es wurden daher alle bekannten Treffpunkte von
Kurden in Linz kontrolliert, jedoch eine Wahltätigkeit nicht wahrgenommen.
Weitere Maßnahmen erschienen der Bundespolizeidirektion Linz nicht erforderlich, da die Erlässe keine konkreteren Hinweise auf eventuelle Protestaktionen
enthielten und im Bereich der Behörde darauf hindeutende Erkenntnisse nicht
bestanden.” 5
7.2.1.2 Die Politisierung der Kon ikte
Der SPÖ-Bürgermeister Franz Dobusch geriet, da die Kommunalpolitik auch Wochen
nach den Vorfällen nicht entsprechend reagierte, in seiner eigenen Partei ins Kreuzfeuer.
Die Mitglieder seiner Partei warfen ihm Untätigkeit vor, aufgrund derer die “Ausländer_innenfeindlichkeit” steigen würde, so die damalige Vorsitzende der Jungen Generation
und heutige Nationalratsabgeordnete Sonja Ablinger.6
Der Bürgermeister erhielt eine anonyme Morddrohung, weil er nichts gegen Missstände im
Neustadtviertel unternommen habe. Die politischen Gegner Dobuschs lieferten Vorschläge,
die zur Verbesserung der Situation im Neustadtviertel beitragen sollten. Der damalige
oberösterreichische FPÖ-Chef, Hans Achatz, forderte den Linzer Bürgermeister und den
Polizeidirektor, Josef Stark, zum Rücktritt auf.7
Der Unmut einer Bewohnerin des Neustadtviertels verdeutlicht die damalige Stimmung:
“Herr Bürgermeister, ich frage Sie:
Wie gewährleisten Sie künftig die Sicherheit der Bewohner des Viertels?
Wie konnten Sie als politisch Verantwortlicher ’übersehen’, daß sich faschistische Gruppen in einem riesigen Firmenareal einnisten?
Wieso wurde die Wohnbevölkerung zwei Tage lang Bürgerkriegsbedingungen
(Straßensperren, Kontrollen . . .) ausgesetzt, während die Linzer Polizei mit
einem Großaufgebot die faschistische Versammlung schützte?
Wieso wurde die Wohnbevölkerung nicht einmal im Nachhinein informiert?
Wieso fanden Sie als politisch Verantwortlicher nicht den Weg zu den völlig
verunsicherten Menschen?
Dr. Doris Grießler"8
4
vgl. Kukacka und Gaigg 1992
Löschnak 1993
6
vgl. Gstöttner 1992d
7
vgl. ders. 1992b
8
Ders. 1992c
5
223
Dieser offene Brief, verfasst von Doris Grießler - Enkeltochter des ehemaligen Linzer
Bürgermeisters Ernst Koref - wurde am 25. November 1992 in den Oberösterreichischen
Nachrichten veröffentlicht. Grießler kritisierte unter anderem die Abwesenheit des Bürgermeisters, der am Tag der Ausschreitungen einen offiziellen Besuch in einer deutschen
Partnerstadt von Linz absolvierte. Aufgrund der Vorfälle im Linzer Neustadtviertel brach
Dobusch seine Reise frühzeitig ab und kehrte nach Linz zurück.
Große Ungereimtheiten zwischen höchsten Bundesstellen und der Linzer Polizei wurden
durch die Ausschreitungen im Neustadtviertel sichtbar. Der damalige SPÖ-Innenminister
Franz Löschnak gab dem Magistrat die Schuld, die Stadtverwaltung habe die Polizei nicht
entsprechend über die Gefahr informiert. Der Linzer Polizeidirektor Stark räumte ein,
dass die Polizei “überrascht” worden sei. Die lokale Polizei und die Staatspolizei verfügten
über zu wenig Informationen über die Gefahr, daher hätten sie sich nicht entsprechend
rüsten können.9
Obwohl Innenminister Löschnak ein Wachzimmer im Linzer Neustadtviertel aus objektiven Gründen für nicht notwendig hielt, wurde den Forderungen vom damaligen
Landeshauptmann Josef Ratzenböck (ÖVP) und anderen oberösterreichischen Politiker_innen nachgegeben und ein Wachzimmer in der Schubertstraße eingerichtet.10
Eine Gruppe von Bürger_innen richtete sich mittels Petition an die Volksanwaltschaft.
Der elf Seiten umfassende Bericht der Volksanwaltschaft fiel nach Ansicht vieler Bewohner_innen beschwichtigend und für die Stadt Linz positiv aus.11
7.2.1.3 Das Neustadtviertel in den Gemeinderatsdebatten 1992 und 1993
Schon vor den Vorfällen vom 21. November 1992 war das Neustadtviertel Gegenstand
von Gemeinderatsdebatten. Am 19. November 1992 wurden neben Straßenraumgestaltungsmaßnahmen im Neustadtviertel auch “Bürgersorgen im Neustadtviertel” behandelt.
Der FPÖ-Gemeinderat Franz Obermayr trug in der von seiner Fraktion beantragten
“Aktuellen Stunde” Forderungen zum Neustadtviertel an Bürgermeister Dobusch heran.
Obermayr sah den “betont starken Zustrom ausländischer Mitbürger, vor allem und
fast ausschließlich aus dem anatolischen Raum” 12 als negative Entwicklung, die dazu
geführt habe, dass es sich nun nicht mehr um eine geschätzte Wohn- und Geschäftsgegend
handelte. Der freiheitliche Gemeinderat befürchtete eine Radikalisierung. Solche Ansätze
habe er bei Lokalaugenscheinen an Uniformen und eindeutigen Abzeichen erkannt. Unter
den ausländischen Mitbewohner_innen sah Obermayr eine sich herausbildende Struktur,
die seiner Meinung nach verantwortlich für die “Absiedelungen” jahrzehntelang ansässiger Linzer_innen waren. Diese für ihn besorgniserregende Struktur ortet Obermayr
im türkischen Bevölkerungsanteil. Er berief sich in seinen Ausführungen auf Mitteilungen von Bewohner_innen des Neustadtviertels. Dem Bürgermeister warf er mangelnde
Verantwortungskompetenz und eine inkonsequente Anwendung von Verwaltungsnormen
vor. Der Gemeinderat beendete seine Rede mit Forderungen nach strengen behördlichen
Kontrollen und sprach sich für die Errichtung einer ständigen Polizeistation im Nahbereich
Humboldtstraße aus.13
9
vgl. Oberösterreichische Nachrichten 1992
vgl. Gstöttner 1993
11
vgl. Buzas 1993
12
Frohner 1992
13
vgl. ebd., S. 587 f
10
224
Bürgermeister Dobusch versucht die Vorwürfe Obermayrs mit Zahlen zu entkräften:
“Und nun konkret zum Neustadtviertel und zu dem, was Du gesagt hast.
Im Neustadtviertel leben mit Stand 1. September 1992 6.279 Mitbürger mit
österreichischem Staatsbürgerschaftsnachweis und 1.278 Mitbürger mit einem
Ausweis eines anderen Landes. Davon sind 532 aus dem Kreis des ehemaligen
Jugoslawien und 423 aus der Türkei, 323 aus anderen Staaten. Das heißt, die
Zahlen, die anscheinend ganz bewußt von Politikern der FPÖ immer wieder
verwendet werden, die dann auch von den Medien geschrieben werden, die
stimmen nicht.” 14
Dobusch zeigte auf, dass sowohl ÖVP als auch SPÖ Bürger_innenversammlungen im Neustadtviertel abhielten und versuchte somit den Vorwurf der Tatenlosigkeit zu entkräften.
Dass im Neustadtviertel überproportional viele ausländische Mitbürger_innen wohnen,
begründete der Bürgermeister mit dem großen Anteil an Häusern in Privatbesitz im
Neustadtviertel. Einweisungsrechte könnten nur in Genossenschaftswohnungen gelten.15
Bürgermeister Dobusch bevorzugt dichtere Streifendienste anstatt einer eigenen Polizeistation, da die Betreuung des Viertels von einer nahen Polizeidienststelle aus effizienter
erfolgen könnte. Ehemaliges Gemeinderatsmitglied Jürgen Himmelbauer von der GrünAlternativen Liste hält ebenfalls wenig von einer eigenen Polizeistation im Neustadtviertel.
Er sah die Ursachen der Probleme im Stadtteil in der fehlenden Dialogbereitschaft zwischen
den ausländischen und inländischen Bewohner_innen. Ein organisiertes Konfliktlösungsmodell sollte diese Dialogbereitschaft fördern und dabei auch die verschiedenen Meinungen
der Bewohner_innen einbringen. Himmelbauer wies in jener Gemeinderatssitzung auf die
seiner Meinung nach verfehlten verkehrspolitischen und stadtplanerischen Maßnahmen der
Vergangenheit hin, welche die Wohnqualität in der Humboldt- und in der Dinghoferstraße
verschlechtert hätten. Die Bezeichnung “Türkenviertel” lehnt Himmelbauer ab.16
7.2.2 Hintergrund über Konflikte zwischen Türk_innen und Kurd_innen
7.2.2.1 Das kurdische Volk: geschichtlicher Hintergrund
Spricht man in der heutigen Zeit von “Kurdistan”, so ist damit kein Nationalstaat im
rechtlichen Sinne gemeint, sondern vielmehr eine historische Region und einen geografischen Siedlungsraum. Kurdistan ist kein unabhängiger Staat17 , sondern flächenmäßig
seit der Auflösung des Osmanischen Reichs als Folge des Ersten Weltkrieges, auf die
Türkei, Iran, Irak und Syrien verteilt.18 Über die Zahl der Kurd_innen sind bis heute
keine überprüfbaren statistischen Angaben verfügbar, die den Objektivitätskriterien der
Europäischen Union entsprechen würden. Daher ist es nahezu unmöglich, eine exakte,
nachprüfbare Anzahl der Kurd_innen der Gegenwart anzugeben.19 Geht man von etwa
30 Millionen Kurd_innen aus, so leben etwa 16 Millionen in der Türkei, 7 Millionen
im Iran, 4,5 Millionen im Irak und 1,5 Millionen in Syrien.20 Obwohl die Kurd_innen
14
Frohner 1992, S. 673
vgl. ebd., S. 672 f
16
vgl. ebd., S. 676
17
vgl Nebez 2003, S. 15
18
vgl Bundesamt für Verfassungsschutz Deutschland 2007, S. 7
19
vgl. Hennerbichler 2004, S. 6
20
vgl Kooperation für den Frieden 2007, S. 5
15
225
auf vier Länder verteilt leben, verbindet sie eine gemeinsame Sprache und Kultur.21 Die
Sprache der Kurd_innen gehört zu der Gruppe der indogermanischen Sprachen und ist
mit der persischen Sprache verwandt.22 Sie lässt sich grundsätzlich in zwei Hauptdialekte,
zwei Nebendialekte und zahlreiche Mundarten einteilen.23 Bei den Hauptdialekten wird
unterschieden zwischen der nordwestlichen Gruppe des Kurdischen (“Kurdmandschi”)
und der südöstlichen Gruppe des Kurdischen (“Sorani”).24 Die offizielle Anerkennung
der kurdischen Sprache in jenen Staaten, auf die Kurdistan verteilt ist, zählt seit dem
20. Jahrhundert zu den Hauptforderungen der Kurd_innen.25
Am 22. Januar 1946 wurde die Republik Kurdistan in Mahabad (Iran) gegründet.26
Diese bestand jedoch nur ein Jahr lang.27 Seit Anfang des 20. Jahrhunderts existiert die
kurdisch-nationalistische Ideologie. Diese suggeriert, dass die Kurd_innen ein anderes
Volk als die Türk_innen wären und sich folglich als Ziel setzten, einen unabhängigen
kurdischen Staat in den Territorien der Staaten Türkei, Iran und Irak zu gründen.28
Besonders zentral ist der Friedensvertrag von Sèvres vom 10. August 1920. Dieser rechnet
die Kurd_innen zu den "befreiungswürdigen Völkern".29 Der Vertrag von Sèvres wurde
zwischen den Alliierten und der Hohen Pforte (Sultan, Sitz der osmanischen Regierung)
abgeschlossen und empfiehlt im Teil III (Art. 62-64) die Schaffung eines kurdischen Staates
auf einem Teil des kurdischen Gebietes.30 Dieser Vertrag blieb jedoch wirkungslos, da
bereits am 24. März 1923 der Vertrag von Lausanne zwischen der Regierung Kemal
Atatürk und den Alliierten in Kraft trat. Dieser hob den Vertrag von Sèvres auf und
segnete die Annektierung des größten Teils von Kurdistan durch den neuen türkischen
Staat ab.31 Es folgten viele Aufstände der Kurd_innen ab den 1920er-Jahren32 sowie
Konflikte nach Militärputschen in der Türkei.33
Die Aufstandsbewegung der Kurd_innen begann bereits im 18. und 19. Jahrhundert und
endete im Jahr 1938/3934 durch zahlreiche Ereignisse. Dazu gehören beispielsweise das
Massaker von Dersim (Türkei) durch Einsatz von Giftgas, die Übergabe Westkurdistans
an die arabischen Nationalisten in Syrien durch die französischen Kolonialherren, die
Zerschlagung der kurdischen Nationalbewegung im Vierländereck des Orients (Irak, Iran,
Türkei, Syrien), das Ende des Zweiten Weltkrieges und der Sturz der Republik Kurdistan
von 1946.35 Dies steigerte die Bereitschaft zu einem radikalen und bewaffneten Kampf für
die Unabhängigkeit seitens der Kurd_innen.36
21
vgl Nebez 2003, S. 9
vgl Kooperation für den Frieden 2007, S. 6
23
vgl Nebez 2003, S. 9
24
vgl Cay 2000, S. 130
25
vgl Nebez 2003, S. 9
26
vgl ders. 2006, S. 22
27
vgl The Turkish Democracy Foundation 1996, S. 5
28
vgl Cay 2000, S. 452
29
vgl NAVEND - Zentrum für Kurdische Studien e.V. o. J.
30
vgl ebd.
31
vgl ebd.
32
vgl Kooperation für den Frieden 2007, S. 3
33
vgl Bundesamt für Verfassungsschutz Deutschland 2007, S. 7
34
vgl. Cay 2000, S. 449
35
vgl Nebez 2006, S. 23
36
vgl Bundesamt für Verfassungsschutz Deutschland 2007, S. 7
22
226
7.2.2.2 Die PKK
Die “Arbeiterpartei Kurdistans” (Partiya Karkeren Kurdistan – PKK) wurde am 27. November 1978 in der Türkei unter der Führung von Abdullah Öcalan gegründet. Das
ursprüngliche Ziel der PKK stellte die Errichtung eines eigenen Kurdenstaates mit sozialistischer Prägung dar. Am 15. August 1984 begann der militärische Arm der PKK im
Südosten der Türkei einen Guerillakrieg, um die Gründung eines unabhängigen Kurdenstaates gewaltsam durchzusetzen.37 Mitte der 1990er-Jahre drängte das türkische Militär
die PKK in die Defensive und 1999 rief der PKK-Führer Öcalan nach seiner Festnahme
das Ende des bewaffneten Krieges aus. Der bis zu diesem Zeitpunkt mit äußerster Härte
geführte Kampf zwischen der PKK und dem türkischen Militär forderte Schätzungen
zufolge 37.000 Menschenleben.38
Nach der Verhaftung Öcalans wurde die Struktur und Ideologie der PKK geändert und
es wurde zu einer gewaltfreien Form des Widerstands aufgerufen. Öcalan entwickelte das
System des “Demokratischen Konföderalismus Kurdistans” (Koma Koalên Kurdistan –
KKK), welches eine Art Verfassung der Kurd_innen ohne eigenen Staat darstellte. 2002
wurde die PKK in “Freiheits- und Demokratie-Kongress Kurdistans” (Kongrey a Azadi
Demokrasiya Kurdistan – KADEK) umbenannt, in welchem Öcalan der Generalvorsitzende
ist.39
7.2.2.3 Die Grauen Wölfe
Die “Ülkücü Bewegung”
Diese Bewegung ist dem türkischen rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnen40 und
sieht die türkische Nation sowohl politisch-territorial als auch ethnisch-kulturell als
höchsten Wert an.41 Das Symbol der Ülkücü Bewegung ist der “Graue Wolf”, weshalb
sich die Anhänger selbst als “Graue Wölfe” bezeichnen.42 Die Bewegung ist hierarchisch
organisiert und richtet sich nach dem “Basbug“ (dem Führer). Dieser hieß Alparslan
Türkes, der 1917 auf Zypern geboren wurde und 1997 in Ankara verstarb. Türkes wird als
der “ewige Führer“ der Bewegung betrachtet. Neben der Verherrlichung des “Türkentums“
stellt auch der Islam ein Kernelement der Ideologie dar und gilt als untrennbarer Teil der
türkischen Kultur. “Islam ist unsere Seele, Türkentum ist unser Leib“, so ein gängiger
Ausspruch unter den Ülkücü-Anhänger_innen.43 Das Ziel der Ülkücü-Bewegung ist
die Schaffung eines fiktiven Landes (“Turan”), welches eine weltweite Vereinigung der
Türk_innen vom Balkan bis zur asiatisch-amerikanischen “Behringstraße“ darstellt.44
Der türkische Nationalismus entwickelte sich als Reaktion auf die nationalistischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts in Europa und hat zahlreiche Feindbilder. Dazu gehören
Armenier_innen, Griech_innen, Jüd_innen, Freimaurer, Europäer_innen, Amerikaner_innen, Russ_innen und Kurd_innen.45 Rassismus und Kurd_innenfeindlichkeit
sind prägende Elemente des türkischen Nationalismus. Obwohl auf offene rassistische
Propaganda verzichtet wird, ist das rassistische Gedankengut untrennbar mit der Ideologie der Bewegung verbunden.46 Dies wird bei der Sichtweise über die Kurd_innen
37
vgl.
vgl.
39
vgl.
40
vgl.
41
vgl.
42
vgl.
43
vgl.
44
vgl.
45
vgl.
46
vgl.
38
Bundesamt für Verfassungsschutz Deutschland 2007, S. 8
ebd.
ebd., S. 9
Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (D) 2009, S. 2
Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen - Verfassungsschutz 2004, S. 3
ebd.
Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (D) 2009, S. 2
ebd.
Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen - Verfassungsschutz 2004, S. 7
ebd.
227
sehr deutlich. Die kurdische Identität wird als eine andere, aber nicht gleichberechtigte
Identität angesehen. Alle Kurd_innen, die sich zum Kurd_innentum bekennen, werden
als PKK-Anhänger_innen und als Terrorist_innen und Verräter_innen angesehen und
dementsprechend behandelt. Die Kurd_innen selbst werden als ein von seinem Ursprung
entfremdetes, türkischstämmiges Volk betrachtet und können nur dann akzeptiert werden,
wenn sie sich bereit erklären, wieder zu ihren türkischen Wurzeln zurückzukehren.47
7.2.3 Das Linzer Neustadtviertel
Das Linzer Neustadtviertel ist ein eigener statistischer Bezirk mit der Ordnungsnummer 4
und dem Stadtteil “Innenstadt” zuzuordnen.48
Abbildung 7.1: Das Linzer Neustadtviertel (Quelle: Stadt Linz 2011)
Die Stadt Linz ist in neun Stadtteile und 36 statistische Bezirke gegliedert, wobei große
Stadtteile in mehrere statistische Bezirke unterteilt werden. Die Stadt hat auf einer
Fläche von ca. 9.605 Hektar eine Gesamtbevölkerung von 189.845 Einwohner_innen
(Stand: 1. Jänner 2011). Die Baufläche gliedert sich in 23.076 Geschäfte und 108.641
Wohnungen. Die Bevölkerung ist in den letzten neun Jahren um 3,7 Prozent gestiegen.
Die Bevölkerungsverteilung ist mit einem Anteil von 52,5 Prozent der Frauen und 47,5
Prozent der Männer nahezu ausgeglichen.49
Abbildung 7.2: Entwicklung der Einwohner_innenanzahl in Linz 2002 – 2011 (Quelle:
Stadt Linz 2011)
47
vgl. Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen - Verfassungsschutz 2004, S. 7
vgl. Stadt Linz 2011g
49
Ders. 2011c
48
228
In Linz leben insgesamt 28.830 Personen, die keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen (Stand: 1. Jänner 2011), das entspricht 15,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. In der
folgenden Grafik werden diese Personen anteilsmäßig nach wichtigsten Herkunftsnationen
gegliedert.50
Abbildung 7.3: Einwohner_innen ohne österreichische Staatsbürgerschaft in Linz 2011:
Herkunftsnationen (Quelle: Stadt Linz 2011)
Aus dem Bericht 26/2008 vom Amt der Oö. Landesregierung geht hervor, dass am
24. November 2008 13,2 Prozent der oberösterreichischen Gesamtbevölkerung einen
Migrationshintergrund aufweisen. Von den 186.563 Menschen haben 90.200 einen primären,
17.233 einen sekundären und 79.130 einen tertiären Migrationshintergrund. Menschen, die
nicht in Österreich geboren wurden und keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen,
sind der Kategorie “primärer Migrationshintergrund” zuzuordnen. Der Begriff “sekundärer
Migrationshintergrund” umfasst Menschen, die in Österreich geboren wurden und eine
nicht-österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Der tertiäre Migrationshintergrund
definiert Menschen, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, aber nicht in
Österreich geboren wurden. Es handelt sich um eingebürgerte Personen.
Die Migrationsdimension der städtischen Bevölkerung wird durch die Gegenüberstellung
von Zuwanderung und Abwanderung von Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft gezeigt. Die Analyse der Wanderungsbilanz der Stadtforschung Linz kommt zu
dem Ergebnis, dass die Netto-Wanderung der Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft in der Landeshauptstadt markant abnimmt. Dieser Trend ist parallel zu einer
Abwärtsbewegung der Einbürgerungen in Österreich zu beobachten.51
Abbildung 7.4: Netto-Wanderungen in Linz 2002 – 2010 (Quelle: Stadt Linz 2011
50
51
vgl. Stadt Linz 2011b
Ders. 2011a
229
Die unten angeführte Darstellung zeigt die Binnenwanderung im Neustadtviertel in den
Jahren 2000 bis 2009. Die Abwanderung ist tendenziell höher als die Zuwanderung. Die
Bevölkerungsentwicklung ist aber positiv, was den Schluss zulässt, dass dieser Trend durch
eine besonders hohe Zuwanderung von außerhalb der Stadt entsteht. Das Neustadtviertel
bzw. die ganze Innenstadt ist somit einer der Konzentrationspunkte für die Zuwanderung in Linz (nicht notwendigerweise aus dem Ausland, auch aus anderen Gebieten
Oberösterreichs).52
Abbildung 7.5: Binnenwanderung im Neustadtviertel in Linz 2000 – 2009 (Quelle: Stadt
Linz 2011)
Die Gesamtbevölkerungsdichte zeigt, wie viele Personen auf einem Hektar Stadtfläche
wohnen. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte der Stadt Linz beträgt 19,8 Personen
pro Hektar Stadtfläche. Das Neustadtviertel ist mit einer Bevölkerungsdichte von 97,7
Personen pro Hektar der am dichtesten besiedelte statistische Bezirk. Eine Analyse einer
weiteren Statistik aus dem Jahr 2011 lässt erkennen, dass die Dichte von Menschen ohne
österreichische Staatsbürgerschaft im Neustadtviertel mit 23,4 Personen pro Hektar am
höchsten ist. Der Anteil von Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft an der
Hauptwohnsitzbevölkerung im Neustadtviertel beträgt 24,0 Prozent, das sind 6.497 Personen.53 Aus dem statistischen Jahrbuch von 1992/1993 geht hervor, dass 20,2 Menschen
ohne österreichische Staatsbürgerschaft je Hektar im Neustadtviertel lebten, wobei eine
Gesamtbevölkerungsdichte von 110,9 Personen pro Hektar Stadtfläche vorlag.54
Die Bevölkerungsdichte und der Anteil der Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft in den Bezirken korreliert nicht unmittelbar miteinander. Das wird deutlich,
wenn man die Ergebnisse der statistischen Bezirke miteinander vergleicht. Der statistische
Bezirk St. Peter erreicht einen Anteil von 46,6 Prozent Menschen ohne österreichische
Staatsbürgerschaft, da in diesem Industriegebiet die Arbeiter_innenunterkünfte dominieren. Obwohl der Anteil relativ hoch ist, sind die Bevölkerungsdichte und die Dichte
von Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft im Gegensatz zum Neustadtviertel
verschwindend gering.55
52
vgl.
vgl.
54
vgl.
55
vgl.
53
230
Stadt Linz 2011h
ders. 2011d
ders. 2011e
ders. 2011b
Abbildung 7.6: Gesamtbevölkerungsdichte in Personen je Hektar in Linz 2011 (Quelle:
Stadt Linz 2011
7.2.3.1 Expert_innenmeinungen zum Linzer Neustadtviertel
Im Rahmen der Projektarbeit wurden Interviews mit Politiker_innen und Expert_innen
durchgeführt, unter anderem mit Mitgliedern der SPÖ, FPÖ und der Grünen sowie mit
dem Migrations- und Integrationsbeirat der Stadt Linz, um die Situation des Linzer
Neustadtviertels zu erfassen. Zwei angefragte Vertreterinnen der ÖVP fanden nicht die
Zeit, ihre Meinungen zum diskursiven Ereignis “Türkenkonflikte” sowie zum Thema
Integration in einem Interview abzugeben.
Der Migrant_innenanteil im Linzer Neustadtviertel spiegelt den durchschnittlichen Migrant_innenanteil in ganz Linz wider. Das Stadtviertel trägt bei vielen Linzer_innen
den Namen “Türkenviertel”. “Die Bezeichnung ist für mich ausschlaggebend, wie man
den Ereignissen einen bestimmten Titel gibt. Und mit einer Betitelung hat man auch
eine Bewertung” meint Mümtaz Karakurt, Geschäftsführer des Oberösterreichischen Vereins migrare – Zentrum für Migrant_innen.56 Auch Erhard Gstöttner, Redakteur der
Oberösterreichischen Nachrichten, ist der Ansicht, dass der Begriff “Türkenviertel” nicht
berechtigt sei: “Aber insgesamt das Neustadtviertel als Türkenviertel zu bezeichnen, ich
habe das zwar in den 90er Jahren auch mal gemacht, ist nicht gerechtfertigt.” 57
56
57
Interview mit Karakurt 2011
Interview mit Gstöttner 2011
231
Abbildung 7.7: Bevölkerungsdichte von Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft
in Linz 2011 (Quelle: Stadt Linz 2011)
Im Linzer Neustadtviertel stammt der größte Anteil der Migrant_innen aus Serbien, und
somit nicht aus der Türkei, wie es aus dem Synonym des Stadtteils zu schließen wäre.58
Die Bezeichnung “Türkenkonflikt” wird auch von Marie-Edwige Hartig, Gemeinderätin
der Linzer Grünen, als nicht angemessen erachtet.59
Schon drei Jahre vor dem Konflikt im Jahre 1992 forderte Bürgermeister Franz Dobusch
ein Stadtteilsanierungsprojekt für das Linzer Neustadtviertel, um die Lebensqualität zu
steigern. Im Blickfeld lag vor allem die Gestaltung des Straßenraums, dazu zählen die
Parkplatzorganisation und Grünflächen. Dieses städtebauliche Konzept von 1989 wurde
auch umgesetzt. “Es wird heute öfters der Eindruck erweckt, die Stadt hätte sich erst nach
diesem Konflikt um das Neustadtviertel gekümmert. Aber das ist einfach nicht wahr”, so
SPÖ-Vizebürgermeister Luger im Interview.60
“Integration ist eine beidseitige Aufgabe, von den Einheimischen als auch von den Zugewanderten”, so die Meinung von Belmir Zec, Integrationsbeauftragter der Stadt Linz.61 Werner
Neubauer, Parteimitglied der FPÖ und Abgeordneter im österreichischen Nationalrat,
ist anderer Ansicht: “Ich bin der Meinung, dass der einzige Weg in eine gedeihende Zukunft Österreichs beziehungsweise Linz nur in einer Assimilation der Ausländer bestehen
58
vgl. Interview mit Zec 2011
vgl. Interview mit Hartig 2011
60
vgl. Interview mit Luger 2011b
61
Interview mit Zec 2011
59
232
kann.” 62 Ein kultureller Austausch wäre nach Zec notwendig, um den Integrationsprozess
zu fördern.63 Für ein friedliches und freundliches Zusammenleben ist es nach Hartig
wichtig, mehr Gemeinwesenarbeit zu betreiben. “Das kommt nicht nur der migrantischen
Bevölkerung zugute, sondern auch den Einheimischen. Weil Begegnung irrsinnig wichtig
ist, um Ängste und Vorurteile abzubauen. [...] Man sollte nach Gemeinsamkeiten suchen
und nicht nach Gegenteilen”, so Hartig weiters.64
Unter gelungener Integration versteht Zec “die Teilnahme und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, leben unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen, [und doch] von
der eigenen Kultur und Identität etwas zu behalten und die Aufnahmekultur in einer
Art und Weise zu bereichern”. Karakurt spricht ebenfalls von einem Prozess des Austausches. Alle Beteiligten, Österreicher_innen sowie Migrant_innen, müssen an diesem
Prozess arbeiten und einbezogen werden. Um die Integration zu verbessern, schlagen
FPÖ-Nationalratsabgeordneter Werner Neubauer und seine Ehefrau, die Linzer FPÖGemeinderätin Anita Neubauer, die Einführung der Deutschpflicht in öffentlichen Einrichtungen vor. Nur wer Deutsch sprechen kann, so Anita und Werner Neubauer, habe
am Arbeitsmarkt auch Chancen, einen Beruf zu ergreifen. Das Linzer Integrationsbüro
ist nach Anita und Werner Neubauer ein “untaugliches Instrument”, dass auf “Gedeih
und Verderben von der SPÖ abhängig ist”.65 Klaus Luger findet die Ansichten der FPÖ
zum Thema Deutschpflicht “objektiv sinnlos”. Nach seinen Ansichten ist es ein “normales
sprachliches Verhalten”, wenn Migrant_innen untereinander ihre Muttersprache sprechen.
Dies zu verbieten wäre als menschliche Diskriminierung zu bezeichnen.66
Trotz der unterschiedlichen Ansichten zum Thema “Integration” sind sich die Politiker_innen und Expert_innen in einem Punkt einig: Integration ist als dynamischer
Prozess zu verstehen, der niemals endet.
7.2.3.2 Bewohner_innenmeinungen zum Linzer Neustadtviertel
Um die Atmosphäre in dem Stadtteil von einer anderen Seite zu beleuchten, wurden
Bewohner_innenbefragungen durchgeführt. Das heutige Zusammenleben im Linzer Neustadtviertel wird als durchaus positiv und angenehm wahrgenommen. Eine Soziologin
betonte vor allem die Vielfältigkeit im Stadtteil. “Die exotischen Geschäfte und Vereine
stellen eine Bereicherung für die Menschen dar.” Andere Befragte sprechen von einem problemlosen Zusammenleben sowie von netten und gefälligen Leuten. “Negative Eindrücke
hatte ich keine, auch jetzt nicht” meint eine kaufmännische Angestellte, die seit 1995 im
Linzer Neustadtviertel wohnt. Ein ursprünglich aus Bosnien interviewter Mann entgegnet,
dass er vor allem mit Türk_innen und Afroamerikaner_innen Probleme habe, aber mit
allen anderen Nationen sehr gut auskomme.
Die Frage nach der Verbesserung der sozialen Integration wird unterschiedlich beantwortet.
Die österreichische Sprache zu lernen ist ein wichtiger Schritt in Richtung gelungener
Integration. Dies ist die Ansicht vieler Bewohner_innen des Neustadtviertels. Durch
Kommunikation können Konflikte verhindert werden, dies erweist sich jedoch als schwierig,
wenn Migrant_innen die Landessprache nicht beherrschen. Eine Befragte argumentiert
mit dem Aspekt von mehr Offenheit gegenüber anderen Kulturen: “Man fährt im Urlaub
62
Interview mit Neubauer und Neubauer 2011
vgl. Interview mit Zec 2011
64
Interview mit Hartig 2011
65
Interview mit Neubauer und Neubauer 2011
66
vgl. Interview mit Luger 2011b
63
233
überall hin, gerade in die Türkei und dann will man sie Zuhause nicht haben. Also
ich versteh’ das nicht.” 67 Nach Meinungen der Bewohner_innen sollen Veranstaltungen
organisiert werden um eine Zusammenkunft der unterschiedlichen Kulturen zu erreichen.
Die aufgegriffenen Ansichten der Bewohner_innen zeigen ein einheitliches Bild von
der Situation im Neustadtviertel. Das Zusammenleben von Österreicher_innen und
Migrant_innen in dem Stadtteil erweist sich großteils als problemlos. Viele Menschen, die
wenig oder aber auch überhaupt nichts mit “Ausländern” zu tun haben, greifen Meinungen
vom “Hören-Sagen” auf und vertreten diese unreflektiert. “Es kommt immer darauf an,
wie man jemanden entgegen kommt, so kommt es zurück”. 68 Aber grundsätzlich waren
sich alle Befragten einig: “Integration soll mehr gefördert werden”.
7.2.3.3 Türkische Vereine in Linz
In Oberösterreich tragen unter anderem Institutionen, Organisationen, Vereine und Einzelpersonen zur Integrationsarbeit bei. Zu diesen zentralen Integrationsakteur_innen
sind Regelsysteme wie etwa die öffentliche Verwaltung zu zählen. Für eine präventive
Integrationspolitik sind zukünftig verstärkt konkrete Maßnahmen gefragt. Fortschritte
bringt auf diesem Gebiet verstärkter Wissens- und Kompetenzaustausch zwischen Regelsystemen und NGOs (Non-Governmental Organizations), welche in Oberösterreich ein
gut ausgebautes Netz an expliziten Integrationsakteur_innen aufweisen. Zu dem Service,
welcher von NGOs angeboten wird, wie etwa sozialrechtliche Beratung, Unterstützung im
Umgang mit Behörden, Antirassismus-, Antidiskriminierungs- und Sensibilisierungsarbeit,
kommt vermehrt der Bereich der Gemeinwesenarbeit, wie zum Beispiel Projekte im Wohnbereich, betreffende Aufgaben. Des Weiteren spielen neben “Integrationsbeiräten und
Ausländer_innenbeiräten”, auf welche in einem folgenden Kapitel näher eingegangen wird,
Migrant_innenvereine als Brückenbauer_innen und Vernetzungsformen eine zentrale Rolle
bei der Integrationsarbeit. Einerseits sind sie als Multiplikator zwischen Mehrheitsgesellschaft und Migrant_innen zu sehen. Andererseits bieten sie für die Mehrheitsgesellschaft
eine Möglichkeit, um Kontakt zu Migrant_innen herzustellen.69
Die Migrant_innen sind keine homogene Gruppe. Aus diesem Grund ist die Orientierung
der Vereine sehr vielfältig. Es gibt religiöse, nationalistische sowie national-orientierte und
interkulturelle Vereine. Es existieren Rahmenbedingungen, welche es zu erfüllen gilt um
eine mögliche Förderung von der Stadt Linz zu erhalten. Im folgenden Abschnitt werden
einige Migrant_innenvereine kurz dargestellt.
• ADA – Alternative Solidarität der 2. und 3. Generation: Der links gerichtete und
pro- kurdische Verein ADA wurde im Jahr 2000 von österreichischen und nichtösterreichischen Jugendlichen, Werktätigen und Selbständigen gegründet. Ihre Ziele
beinhalten eine aktive Auseinandersetzung mit den Themen Diskriminierung und
Ausgrenzung von Einwander_innen. Besonderes Augenmerk gilt den Jugendlichen
der zweiten und dritten Generation von Migrant_innen und der Verbesserung
deren Ausbildungssituation. Damit soll der Einstieg in das Berufsleben oder in das
Studium erleichtert werden. Der Tatsache, dass Jugendliche vermehrt mit Drogen
konfrontiert werden, wird versucht mit Freizeitangeboten wie Theaterproduktionen
und Sportveranstaltungen entgegen zu wirken. Der Verein setzt sich unter anderem
für die Rechte der Werktätigen und der Frauen ein. Aus einem Gespräch mit
67
Flash-Interviews 2011
Flash-Interviews 2011
69
vgl. Güngör 2008, S. 23
68
234
einem Vereinsmitglied geht hervor, dass ADA ein politisch unabhängiger Verein
ist, der sich gegen jegliche Art von Nationalismus und Rassismus einsetzt. Vor
allem kritisieren die Mitglieder die Vormachtstellung der nationalistisch türkischen
Vereine. Ihrer Ansicht nach werden diese in einem zu großen Ausmaß von der
österreichischen Parteilandschaft unterstützt. Sie vertreten die Religionsfreiheit im
Verein. Ihre Mitglieder setzen sich unter anderem aus Muslim_innen, Alevit_innen,
Christ_innen und Konfessionslosen zusammen. Sie befürworten unter anderem eine
Quotenregelung für Migrant_innen an österreichischen Schulen.70
• ATIB – Türkisch-islamischer Verein für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in
Linz: Dieser Verein wurde am 12. September 1974 in Eigeninitiative von türkischen
Gastarbeiter_innen gegründet. Laut eigenen Aussagen ist der Verein finanziell
unabhängig und betreut im Raum Linz circa 400 bis 450 Mitglieder. Diesen im
Alltagsleben zu helfen, den Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung zu unterstützen, wie auch die Pflege der eigenen Kultur und der Religion gehören zu den
Vereinszielen.71
• ASKÖ – Kurdischer Sportverein in Oberösterreich: Der Sportverein besteht seit
1997 und konzentriert sich auf Probleme der zweiten und dritten Generation von
kurdischen Migrant_innen in Österreich. Diese sind vermehrt mit Identifikationsproblemen konfrontiert, da sie zwischen den Kulturen stehen. Die “ASKÖ Kurden”
versuchen durch sportliche Aktivitäten Lösungen für die Probleme der dritten Generation zu finden. Konfliktpotentiale mit den Eltern und der Gesellschaft sollen
dadurch verringert werden.72
• AMARA – Vereinigung kurdischer Frauen: In Oberösterreich wurde die kurdische
Frauenvereinigung “AMARA” 1999 gegründet. Sie ist eine politisch-kulturelle Vereinigung, die sich für eine Gleichberechtigung der kurdischen Frauen und Männer
einsetzt. Des Weiteren engagieren sie sich für Meinungsfreiheit und für die sozialen
und kulturellen Rechte der kurdischen Frauen in Österreich.73
• Mesopotamia – Anatolischer Kulturverein: Der Verein Mesopotamia setzt sich aus
kurdischen, armenischen und assyrischen Mitgliedern zusammen und versucht zwischen den Volksgruppen, Religionen und Sekten zu vermitteln. Eines der grundlegenden Ziele ist es, Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen und Zukunftsperspektiven
für Migrant_innen aufzuzeigen.74
Es existieren in Linz einige weitere türkische, kurdische und islamische Vereine, auf welche
hier nicht näher eingegangen werden soll.
7.2.3.4 Stadtteilbegehung
Am 20. Januar 2011 wurde die erste Stadtteilbegehung durchgeführt um einen Einblick
in das Viertel zu bekommen. Im Vorfeld wurden demographische Informationen über das
Neustadtviertel gesammelt und eine mögliche Route geplant. Die Stadtteilbegehung startete auf der Goethekreuzung und setzte sich in die Schillerstraße fort. Erster diskursiver
70
vgl. ADA Alternative Solidarität 2011
vgl. ATIB Linz - Türkisch-Islamischer Verein für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich 2011
72
vgl. Hochmayr und Mörth 2008
73
vgl. ebd.
74
vgl. ebd.
71
235
Schauplatz war der Ort der vermeintlichen Schießerei (Schillerstraße 45/47). Das Gebäude
steht offensichtlich schon mehrere Jahre leer. Der Weg wurde Richtung Humboldt- und
Dinghoferstraße fortgesetzt. Geachtet wurde hierbei vor allem auf die Infrastruktur und
die Atmosphäre des Wohnviertels. Besonders markant waren die Unterschiede zwischen
den Hauptstraßen (wie Humboldt- und Dinghoferstraße) und den ruhigeren Nebenstraßen
wie beispielsweise der Starhembergstraße. Von der Schillerstraße bis zur Dinghoferstraße
konnten einige Lokale, Restaurants, Imbisse und Einzelhandelsgeschäfte mit vorwiegend
nicht-deutschen Namen beobachtet werden. Die Starhembergstraße dagegen wirkte gepflegter und ruhiger, was sich auch am materiellen Besitz zeigte, wie beispielsweise an
den geparkten Autos und der Qualität der Wohnhäuser. Die Route endete an der einzigen
Grünfläche des Viertels, dem Hessenplatz.
Abbildung 7.8: Stadtteilbegehung im Linzer Neustadtviertel am 20. Jänner 2011
Die zweite Stadtteilbegehung wurde am 5. Mai 2011 durchgeführt. Themenschwerpunkt
war dieses Mal die Sichtbarkeit und Eindrücke zur Moschee sowie ein Besuch im Vereinslokal von ATIB. So startete die Begehung in der Schillerstraße, erster Schauplatz war
der Verein ATIB in der Humboldtstraße 46. Dort wurden wir sehr freundlich begrüßt,
obwohl unser Besuch unangekündigt war. Auf die Frage hin, ob Fotos erlaubt wären,
wurde uns sogar ein Besuch in den Gebetsräumen gewährt. Dort erklärte uns ein Mitglied
des Vereins einige Bräuche während des Gebets und antwortete bereitwillig auf unsere
Fragen. An der Wand des Gebetsraumes hängt eine Uhr mit vier festgelegten Uhrzeiten,
welche den Gebetszeiten entsprechen. Es wurde uns aber erklärt, dass die Räume von vier
Uhr morgens bis halb elf Uhr für jene Leute abends geöffnet sind, welche die festgelegten
Gebetszeiten nicht wahrnehmen können. Für das Freitagsgebet um 13:45 Uhr sind weitere
Gebetsräume in zweiten Stockwerk vorgesehen, da diese stets gut besucht sind. Nach
dem Besuch in den Gebetsräumen gingen wir abschließend in den Gemeinschaftsraum,
der an eine gewöhnliche Gaststube erinnert. Sehr eindrucksvoll und symbolisch ist an der
Wand sowohl eine türkische als auch eine österreichische Flagge angebracht. Zwischen den
beiden Fahnen hängt ein Bild von Mustafa Kemal Atatürk, dem Begründer der Türkei
und erster Präsident der Republik. Bei der Verabschiedung wurde uns noch zugesichert,
weitere Informationen über den Verein zu geben. Dazu bekamen wir die Kontaktdaten
einer Angestellten. Insgesamt war der Besuch sehr positiv und wir erlebten die Mitglieder
des Vereins als aufgeschlossen und freundlich.
236
Als nächsten Schauplatz wählten wir die Moschee in der Dinghoferstraße 28. Diese ist nicht
als solche erkennbar, nur ein kleines Schild mit dem Logo der türkischen Arbeiterunion in
einem der Fenster im Erdgeschoss lässt auf die Moschee schließen. Bereits bei Betreten
des Hauses ist ersichtlich, dass es in keinem guten Zustand ist. Die Mauer ist abgeblättert
und die Luft ist sehr stickig und abgestanden. Nach dem Aufgang gibt es bereits die
ersten Möglichkeiten für die Besucher, sich zu waschen und sich der Schuhe zu entledigen.
In den oberen Stockwerken sind jeweils Gebetsräume sowie weitere Regale eingerichtet.
Das gesamte Gebäude ist sehr dunkel und wirkt verlassen und verfallen.
Abbildung 7.9: Stadtteilbegehung im Linzer Neustadtviertel am 5. Mai 2011
7.3 Das Thema Integration
Der Begriff “Integration” leitet sich vom lateinischen Wort “integrare”, zu Deutsch “wiederherstellen” oder auch “ergänzen”, ab. Er bedeutet im deutschen Sprachgebrauch Herstellung
eines Ganzen, Eingliederung oder Vereinigung. Wissenschaftlich definiert bedeutet Integration Zusammenhalt einzelner Teile von einem systemischen Ganzen, welches sich
aus einzelnen Einheiten, wie zum Beispiel Personen, zusammensetzt und vom Ausmaß
wechselseitiger Relationen abhängt.75
Assimilierung oder auch Assimilation stammt von “simile”, lateinisch für “ähnlich”, oder
in diesem Zusammenhang treffender, “gleichartig”. Damit wird “[...] eine Anpassung unter
gänzlicher Aufgabe jeglicher kultureller Eigenheiten [...]” 76 bezeichnet. Ein weiterer Begriff,
der im Zusammenhang mit dem Thema dieser Arbeit steht, ist ethnische Segregation.
Seine Bedeutung wird vom lateinischen “segregare”, übersetzt “trennen”, “entfernen”,
“ausschließen”, hergeleitet und bezeichnet die deutlich überproportional hohe Vertretung
von bestimmten ethnischen Gruppen, wie Zuwanderer_innen beziehungsweise einzelnen
Herkunftsgruppen in einem Orts- oder Stadtteil.77
7.3.1 Integration in der politischen Debatte
Die Frage, was unter “gelungener Integration” zu verstehen ist, wurde im Rahmen der
Interviews Vertreter_innen von politischen Parteien (SPÖ, ÖVP, FPÖ), Medienleuten,
75
vgl. Fassmann 2008, S. 4f
Güngör 2008, S. 12
77
vgl. ebd., S. 11
76
237
Vereinsobleuten und Renate Müller, Leiterin der Integrationsstelle des Landes Oberösterreich, gestellt.
Müller geht davon aus, dass Zuwanderung immer stattfinden wird, wenn auch in veränderter Form, daher würden sich immer neue Integrationsfragen stellen. Schwierig seien diese
Fragen, weil die Migrationsgruppen nicht homogen sind, deshalb sei eine differenzierte
Betrachtung erforderlich. Es sei nicht hilfreich, Integrationsprobleme an der Herkunft
festzumachen, denn das würde den Blick auf diese Fragen verstellen, in Wirklichkeit seien
es soziale Fragen oder Bildungsfragen.
Über die “Türkenkonflikte” berichtete Erhard Gstöttner, Journalist bei der Tageszeitung
Oberösterreichische Nachrichten, damals intensiv. Integration heißt für den Redakteur
grundsätzlich nicht Assimilation, aber die Achtung der Grundrechte und ein bestimmtes
Verständnis für das alltägliche Zusammenleben. Dies müsse jedoch den Menschen nahe
gebracht werden. Als Grundschlüssel für Integration nennt der Journalist die Sprache, vor
allem hier sei anzusetzen. Erhard Gstöttner würde sich offensiv betriebene Integration
wünschen, anstatt einseitig bürokratische, administrative Maßnahmen zu setzen.78
Anita Neubauer, Gemeinderätin der FPÖ Linz, spricht von gelungener Integration, wenn
“jemand die Republik Österreich vollinhaltlich als seine neue Heimat akzeptiert, die
Sprache erlernt, Gesetze achtet und am gesellschaftlichen Leben Anteil nimmt. [...]” 79
Probleme bei der Integration ortet Gemeinderätin Neubauer beim “Unwillen zur Integration, Ghettobildung und Politik, die Ausländer als Stimmvieh missbraucht aber sonst keine
geeigneten Maßnahmen setzt.” 80
Marie-Edwige Hartig, Gemeinderätin der Grünen, erklärt Integration folgendermaßen:
“Man stellt sich vor, es würde ein Ende geben, aber es ist einfach ein Prozess,
des ist, da gibt es nie ein Ende, die Kultur ist auch immer im Wandel. Und so
ist die Integration auch immer; wenn man sich zum Beispiel die Lebensphasen
der Menschen ansieht, die migriert sind, da gibt es unterschiedliche Stadien
von Zugehörigkeit, von Teilhabe an der Gesellschaft, und Wünsche, auch
wieder zurückzukehren. Das ist nicht ein Punkt, den man erreicht und dann ist
die Integration fertig, das ist einfach ein Prozess. Das hat mit vielen Faktoren
zu tun und es nicht immer einfach.”
Als Erschwernis für Integration sieht Marie-Edwige Hartig die mangelnde “cultural awareness”, also das fehlende Wissen über den Anderen und über die andere Kultur, die
Strukturblindheit.81
Versäumnisse sieht Karakurt in der Integrationspolitik seit den 1970er-Jahren, da im
Zuge des Raab-Olah-Abkommens damals Gastarbeiter_innen aus ihren Heimatländern
abgeworben wurden und Integration aber als vorübergehende Erscheinung aufgefasst
wurde. Die rechtlichen Grundlagen heute bezeichnet Karakurt als integrationsfeindlich.
Integrationsfeindliche Regelungen, die als Barrieren wirken, gebe es vor allem am Arbeitsmarkt.82
Harald Kalcher, Chef vom Dienst der Kronen Zeitung in Linz meint,
78
vgl. Interview mit Gstöttner 2011
Interview mit Neubauer und Neubauer 2011
80
Interview mit ebd.
81
vgl. Interview mit Hartig 2011
82
vgl. Interview mit Karakurt 2011
79
238
“Integration ist dann gelungen, wenn wir über Integration nicht mehr reden
müssen. Weil dann ist sie kein Thema mehr, dann sind die Leute wirklich
integriert, dann braucht man über Integration nicht mehr reden, weil es keinem
mehr auffällt, dann sind die Leute einfach da, werden integriert, dann ist die
Integration gelungen.” 83
7.3.2 Integration in Oberösterreich
An dem im Jänner 2008 erschienenen Integrationsleitbild des Landes Oberösterreich
wurde unter der Leitung von Kenan Güngör mehr als zwei Jahre lang gearbeitet. Bei der
Erstellung wirkten zahlreiche Integrationsträger_innen, wie Expert_innen und Multiplikator_innen aus öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen sowie politische
Entscheidungsträger_innen des Landes Oberösterreich mit. Das Ziel war eine gemeinsame
Vorstellung von Integration zu definieren und einen strategischen Maßnahmenplan zu
schaffen, um eine aufeinander abgestimmte, zielgerichtete gesamtgesellschaftliche Integrationspolitik möglich zu machen.84
Müller betont, dass man kaum von gelungener oder nicht gelungener Integration sprechen
kann, vielmehr kann es sein, dass Integration in Teilbereichen (zum Beispiel ein qualifizierter Arbeitsplatz) funktioniert und in anderen Teilbereichen (zum Beispiel soziale
Kontakte) weniger gut funktioniert. Zudem sei Integration als dynamischer Prozess zu
verstehen.85 Mümtaz Karakurt, verweist auf die unterschiedlichen Interpretationen des
Begriffes “Integration”. Er kritisiert, dass Integration in der Öffentlichkeit oft an ein paar
oberflächlichen Merkmalen gemessen werden würde, wie etwa Aussehen oder Anpassung an
die Norm.86 Hier hakt das Integrationsleitbild ein, welches eine einheitliche Interpretation
des Begriffes schafft und auch dessen Teilbereiche aufzeigt.
Dieses dem Leitbild zugrunde liegende Integrationsverständnis kann als Pyramide dargestellt werden. Die Basis dieser Pyramide bildet die strukturelle Integration, welche daher
im Zentrum der Bemühungen um Integration steht. Auf dieser strukturellen Ebene sind die
Voraussetzungen für Teilhabe in Bereichen wie Arbeit, Bildung, Schule, Politik, Wohnungsmarkt, Gesundheitswesen zu schaffen, Barrieren abzubauen und Gleichberechtigung zu
ermöglichen. Vor allem das Zuwanderungsland hat für die geeigneten Rahmenbedingungen
zu sorgen.87
Die zweite der vier Ebenen ist jene der sozialen Integration. Hier ist die Verbesserung
der sozialen Begegnungs- und Verständigungsmöglichkeiten zwischen Einheimischen und
Zugezogenen das Ziel. Diese Prozesse der Begegnung und Verständigung hängen stark von
der sozialen Lage und individuellen Voraussetzungen ab und es besteht ein Zusammenhang mit der jeweiligen Kultur. Wie auch Renate Müller, Leiterin der Integrationsstelle
des Landes Oberösterreich, im Interview bemerkte, ist es zum Beispiel für Personen
mit einem höheren Bildungsgrad und Status leichter, als gesellschaftliche Bereicherung
wahrgenommen und aufgenommen zu werden.88
Als kulturelle Integration wird die dritte Ebene der Pyramide betitelt. Die Ziele sind
hierbei ein respektvolles Zusammenleben und Anerkennung der jeweiligen Differenzen und
83
Interview mit Kalcher 2011
vgl. Güngör 2008, S. 1, 5
85
vgl. Müller 2011
86
vgl. Interview mit Karakurt 2011
87
vgl. Güngör 2008, S. 10f
88
vgl. ebd., S. 11f
84
239
Vereinbarkeit der Werte- und Normensysteme, Deutungsschemata und Lebensauffassungen
der Zugewanderten mit sozialen und rechtlichen Standards der Zuwanderungsgesellschaft.89
Die vierte Ebene und somit die Spitze bildet die identitive Integration, welche von der Frage
der Zugehörigkeit beziehungsweise der Identifikation und Identität geprägt ist. Dadurch,
dass sich Menschen oftmals nicht speziell einem Land zugehörig fühlen, entstehen multiple
Identitäten. Hinsichtlich dieser Ebene ist die Forderung nach Assimilation als desintegrativ
zu bezeichnen, da sie zu identitären Bedrohungs- und somit Abschottungstendenzen seitens
der Zuwander_innen führen können.90
7.3.3 Integration auf Stadtteilebene
7.3.3.1 Die Bedeutung des Stadtteilentwicklungskonzeptes für das Neustadtviertel
Für das Linzer Neustadtviertel ist das Stadtteilentwicklungskonzept “Linz Mitte” wirksam.
Im Textteil sind insbesondere die Aussagen zum Stadtteil “Innenstadt” relevant. Die
einzelnen Bestandteile des örtlichen Entwicklungskonzeptes sind rechtswirksam. Derzeit
wird das örtliche Entwicklungskonzept des Teilkonzeptes “Linz Mitte” überarbeitet, denn
die ursprünglichen Annahmen haben sich verändert. Das Neustadtviertel verzeichnet ein
kontinuierliches Bevölkerungswachstum. Vor zehn bis fünfzehn Jahren ging man davon
aus, dass die Wohnnutzung zunehmend durch andere Nutzungen wie Büros, Handel, et
cetera verdrängt wird.91
Das Stadtgebiet “Linz Mitte” wird durch die Donau im Norden, die Traun im Süden, die
A7 Mühlkreisautobahn, das Bahngelände im Osten und die Stadtgrenze im Westen begrenzt. Die Innenstadt, der Froschberg/Freinberg, das Franckviertel/Kaplanhofviertel, das
Makartviertel/Andreas-Hofer-Platz-Viertel, der Bindermichl/Oed, der Spallerhof/Neue
Welt, die Neue Heimat/Wegscheid und Kleinmünchen sind die acht Teilbereiche von
“Linz Mitte”. Die Innenstadt ist durch die Donau im Norden, die Gruberstraße im Osten,
den Bahnbogen im Süden und durch die Westtangente begrenzt. Dieser Stadtteil ist
Wirtschafts-, Dienstleistungs- und Geschäftszentrum der Stadt Linz, welches durch die
hohe Anzahl und durch die Vielfalt an Geschäfts- und Bürobauten und öffentlichen
Gebäuden verdeutlicht wird. Die Konzentration der Geschäfte ist entlang der Landstraße
am stärksten.92
Eine Planungsgrundlage zur Erstellung eines regionalen Flächennutzungsplanes ist die
Wohnbauflächentypologie. Wohnbauflächen werden nach ihrer überwiegenden Baustruktur
dargestellt. Eine Veränderung der Bauflächen kann dokumentiert werden und es können
Rückschlüsse auf die städtebauliche bzw. räumliche Dichte im Ballungsraum gezogen
werden. Folgende Kategorien können unterschieden werden:
• Einzel- und Doppelhauswohngebiete
• Reihenhauswohngebiete
• Geschosswohnungsbau - Zeilenbebauung
89
vgl.
vgl.
91
vgl.
92
vgl.
90
240
Güngör 2008, S. 12f
ebd.
Stadt Linz 2001
ebd.
• Geschosswohnungsbau Block- und Blockrandbebauung
• Hochhauswohngebiete
• historische Orts- und Stadtkerne
Jedem Strukturtyp können typische Dichtewerte zugeordnet werden. Mit der Bestandsaufnahme wird eine präzisere Planung ermöglicht und damit ein geringerer Flächenverbrauch
erwartet.93 Ergänzt wird die räumliche Dichte um die soziale Komponente, welche die
Anzahl der in einem Viertel lebenden Personen einschätzt und durch eine objektive soziale
Dichtekennziffer aufgezeigt wird.94
In der Altstadt und im Rathausviertel entstanden die meisten Gebäude vor 1880, die
beiden Viertel sind am dichtesten bebaut. Im Neustadtviertel sind vor allem Blockrandbebauungen vorzufinden, die in den Jahren 1945 bis 1960 errichtet wurden. Charakteristisch
für den Stadtteil “Innenstadt” sind große Bauhöhen, oberirdische Garagen sowie Abstellplätze in den Innenhöfen und großflächige Gewerbebetriebe in den Hofbereichen.
Die Einkaufszentren in der Innenstadt müssen dem steigenden Konkurrenzdruck aus den
Umlandgemeinden standhalten. Dies führt zu einem massiven Ausbau der Einkaufszentren,
wodurch die Bewohner_innen immer mehr durch Geschäfte und Bürokomplexe verdrängt
werden. Das gilt für den Bereich Landstraße, der nur einen kleinen Teil am Rand des
Neustadtviertels ausmacht. Im restlichen Bereich ist das Gegenteil zu beobachten, die Nahversorgung ist hier sogar zunehmend gefährdet (unter anderem auch wegen des Ausbaus
der Geschäftsflächen im Bereich Landstraße). Es gibt insgesamt einen deutlichen Einwohner_innenzuwachs, der durch Umnutzungen in Richtung Wohnen, Verdichtung (z.B.
Aufstockungen, Dachgeschoßausbauten), aber auch eine Erhöhung der Belegungszahlen
pro Wohnung entsteht.95
Um den steigenden Konkurrenzdruck aus der Umgebung abzufangen, muss die Innenstadt
mit offensiven Maßnahmen ihre Aufgabe als Zentrum durch Sicherung der Arbeitsplätze
und durch die Erweiterung der Nahversorgung unter Beweis stellen. Dies kann durch den
Ausbau von Parkgaragen und einem abwechslungsreichen Branchenmix forciert werden.96
Die Wohngebiete werden stark durch den motorisierten Verkehr belastet, da es auf
den Hauptverkehrswegen häufig zu Überlastungen kommt.97 Um eine Verbesserung der
täglichen Umwelt zu erreichen, müssen die vorhandenen Grünflächen erhalten werden und
neue Freiräume in der dicht bebauten Innenstadt gewonnen werden. Die Wohnqualität
wird erhöht und die Wohnbevölkerung bleibt der Innenstadt erhalten. Zudem soll die
Lebensqualität durch verkehrsberuhigende Maßnahmen wie Tempo 30 oder kreativen
Ideen zur Straßenraumgestaltung wie Wohnstraßen erhöht werden.98
7.3.3.2 Quartiersmanagement
Für den Begriff “Quartiersmanagement” wird auch das Synonym “Stadtteilmanagement”
verwendet. Dieses Verfahren der Stadtteilentwicklung wird bei Krummacher et al. als
“strategisches Instrument oder Strategie zur Umsetzung quartiersbezogener integrierter
93
vgl.
vgl.
95
vgl.
96
vgl.
97
vgl.
98
vgl.
94
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin 2011
Stadt Linz 2001
ebd.
ebd.
ebd.
ebd.
241
Handlungskonzepte“ 99 definiert. Monika Alisch sieht im Quartiersmanagement zum Einen
ein Instrument der Quartierspolitik. Dieser Begriff beinhaltet für sie allerdings auch
die Sozialarbeit in einem bestimmten Stadtteil, die Erneuerung von benachteiligten
Stadtgebieten und die eigenverantwortliche Weiterentwicklung der Quartiere von den
Bewohner_innen selbst. Zudem schreibt Alisch, angesichts der Steuerungsunfähigkeit des
Staates, der Kommunalpolitik und dem Quartiersmanagement vermehrt Kompetenzen
zu.100
Aus dem Interview mit Renate Müller geht hervor, dass in Österreich das Quartiersmanagement noch kein ausreichendes Thema ist. Deutschland ist Vorreiter im Bereich des
Quartiersmanagements. Bevor der Fokus auf die Frage nach Integration gelegt wird, wird
durch eine gezielte Analyse ein Überblick über die lokalen und regionalen Gegebenheiten
erarbeitet. Man setzt sich mit folgenden Fragen auseinander:
• Wie sieht der Ort / die Gemeinde aus? Wie ist die Situation im Stadtteil? Welche
Gegebenheiten sind im Wohnblock vorzufinden?
• Welche kommunalen Einrichtungen (z. B. Freizeiteinrichtungen) stehen zur Verfügung?
• Was ist notwendig, damit das Zusammenleben besser gelingt?
Erst wenn diese Punkte geklärt sind, wird versucht, die Herausforderungen in Bezug auf
die Zuwanderung zu lösen. Letztendlich soll ein ganzheitliches Konzept erarbeitet werden.
Die Gemeinden sind gewohnt, punktuelle und schnelle Lösungen zu finden. Es werden
Prozesse eingeleitet um diese punktuellen Maßnahmen zu einer ganzheitlichen Sicht zusammenzuführen und gegebenenfalls zu erweitern oder zu ergänzen. Die Wohnungsvergabe
ist ein aus fachlicher Sicht wichtiges Instrument um die (Lebens-)Qualität in einer Region
zu verbessern. Die Wohnbaupolitik muss so gestaltet werden, dass eine Durchmischung
der Bevölkerung erreicht wird und somit einer möglichen sozialen Segregation entgegen
zu wirken. Das System der Quotenregelung als Regulierungsmaßnahme wird abgelehnt,
da folgende Maßnahmen geeigneter sind, die Zielsetzungen zu verwirklichen:
• ein ordentlicher Zustand der Wohnbauten
• die Wohnungen dürfen nicht “abgewohnt” sein.
Auf Grund des Zustandes eines Wohnblockes darf nicht das Gefühl vermittelt werden,
dass man an den Rand der Gesellschaft gedrängt ist bzw. wird. Wenn sich dieser Verdacht verdichtet, bleiben die “überforderten” Haushalte bestehen und es eröffnen sich
Konfliktpotentiale.
Um eine Veränderung der Zusammensetzung der Bevölkerung dokumentieren zu können,
wäre es sinnvoll ein Monitoring-Instrument zu entwickeln. Mit dem Einsatz eines solchen
Instrumentes können Rückschlüsse gezogen werden, wie sich ein Stadtviertel zusammensetzt und wie es dazu gekommen ist. Eine Entwicklung in diese Richtung hat aber noch
nicht stattgefunden. Belmir Zec teilt die Ansichten von Renate Müller, dass die Umsetzung
von Maßnahmen des Quartiersmanagements in der Wohnbaupolitik angesiedelt ist. Die
städtebaulichen Problemlagen müssen in den Entwicklungsprozess eingebunden werden.
Ein solches Entwicklungskonzept hängt mit der Neugestaltung des öffentlichen Raumes
zusammen.101
99
Krummacher et al. 2003
vgl. Alisch 1998, S. 7
101
vgl. Interview mit Zec 2011
100
242
7.3.3.3 Migrations- und Integrationsbeirat der Stadt Linz
Beiräte in der Kommunalpolitik werden grundsätzlich für besondere Aufgaben in einer
Stadt oder Gemeinde eingerichtet. Ihre Aufgabe ist die Beratung und die aktive Teilhabe
am Entscheidungsprozess.
Integrations- und Migrationsbeiräte sind kommunale Vertretungsgremien, welche zur
Aufgabe haben, die Interessen der nicht-österreichischen Bevölkerung in Städten oder
auch Gemeinden zu vertreten. Durch einen Gemeinderatsbeschluss werden sie eingerichtet
und bestehen aus einem festen Mitgliederkreis, sowie einem Vorstand, einem Obmann
bzw. einer Obfrau und einer Geschäftsstelle welche die Geschäftsführung inne hat. 102
Welche finanzielle Mittel einem “Ausländerbeirat”zur Verfügung gestellt werden, sowie
welche Statuten gelten, beschließt der Gemeinderat. Er ist in die kommunalen Organe
eingebunden. 103
Die Beiräte haben es sich zur Aufgabe gemacht, in Städten oder auch in Gemeinden,
den Dialog zwischen der “migrantischen” und der “einheimischen” Bevölkerung zu pflegen
oder diesen herzustellen. Er versucht Klischeevorstellungen und Vorurteile abzubauen
und Lösungswege für alle Beteiligten zu finden. Der “Ausländerbeirat” ist auch für die
Umsetzung oder Erstellung von Integrationsprojekten zuständig.
Gegen einen Beirat könnte sprechen, dass er als “Ersatz” für ein kommunales Wahlrecht für
“Nichtösterreicher_innen” betrachtet werden kann. Ein weiterer wichtiger Punkt für einen
“gelungenen” Beirat ist die Ausgewogenheit im Gremium selbst. Es ist darauf zu achten,
dass keine Nationalität überproportional vertreten ist, da dadurch nicht gewährleistet ist,
alle Interessen ausreichend zu vertreten
Die Gründung eines Migrations- und Integrationsbeirates für die Stadt Linz wurde am 16.
Februar 1995 im Gemeinderat mehrheitlich beschlossen.104 Der in Linz wirkende Beirat
wird nach einer sechsjährigen Funktionsperiode jeweils neu gewählt. Seit Dezember 2008,
basierend auf einem Gemeinderatsbeschluss, wurden die Vertreter_innen des Beirates
erstmals vom Bürgermeister Dobusch bestellt. Zur gleichen Zeit erfolgte auch die Namensänderung in Migrations- und Integrationsbeirat (MIB). Der Linzer MIB besteht aus
15 Mitgliedern. Zusätzlich wird ein Mitglied pro Partei des Gemeinderates (SPÖ, ÖVP,
Grüne, FPÖ) entsandt, diese sollen beratend für die restlichen Mitglieder wirken. 105
7.3.3.4 Integrationsmaÿnahmen- und projekte in Linz
Im Rahmen eines gelungenen Integrationsmanagements gibt es in der Statutarstadt
Linz zusätzlich zu dem Migrations- und Integrationsbeirat die “Leitlinien für eine Linzer
Integrationspolitik”. Diese Richtlinien stellen von der Verwaltung selbst definierte Ziele
dar, welche nicht von dem Gemeinderat beschlossen werden. Beispiele für diese selbst
gesetzten Ziele sind unter anderem Maßnahmen zur Förderung der Deutschkenntnisse
sowie auch bessere Bildungschancen für Migrantinnen und Migranten.106
Linz zeichnet sich durch eine weitere Besonderheit auf integrationspolitischer Ebene
aus: der “Ausländer-Ombudsmann”. Erstmals eingerichtet wurde dieser als Kontaktstelle
102
vgl.
vgl.
104
vgl.
105
vgl.
106
vgl.
103
Karakurt, Schranz und Trübswasser 1995, S. 26
ebd.
ebd., S. 46
Stadt Linz 2011f
Gruber 2010, S. 134
243
dienender Anlaufpunkt 1990. Seit August 2000 wird diese Funktion von Ernst Inquart,
Präsidialdirektor der Stadt Linz, wahrgenommen. Ursprünglich war der “AusländerOmbudsmann” die zentrale Anlaufstelle für selbstorganisierte Migrant_innen-Vereine
sowie auch Koordinationsstelle für Projekte, welche die Integration von Migrant_innen
betreffen und als magistratsinterne Kontaktstelle konzipiert. Allerdings wurden seit der
Entstehung des MIB 1995 die Aufgaben verstärkt von dieser wahrgenommen. Ernst
Inquart bildet die Schnittstelle zwischen Politik, MIB und der Stadtverwaltung.107
Das Linzer Integrationsbüro, welches 1991 gegründet wurde, ist für folgende Aufgaben
zuständig und ist die Anlaufstelle für Fragen und Anliegen, welche sich mit der Thematik
der Integration beschäftigt.108
• Interkulturelle Öffnung der Stadtverwaltung
• Information und Beratung
• Geschäftsstelle des Migrations- und Integrationsbeirates
• Maßnahmen zur Förderung der Integration Zugewanderter
• Vernetzung, Stellungnahmen und Grundlagenarbeit
Seit 2004 findet jährlich ein “Frühlings-Dialog” statt. Zu dieser Veranstaltung werden
von dem Linzer Bürgermeister Franz Dobusch sowie vom MIB, Vertreter_innen der
Migrant_innen-Vereine geladen. Dieser Dialog soll einen Austausch mit dem Bürgermeister und anderen Kommunalpolitiker_innen ermöglichen. Auch den Kontakt zwischen den
Vereinen gilt es dadurch zu fördern und zu festigen.109 Um eine barrierefreie Kommunikation zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und Bediensteten der städtischen
Verwaltung gewährleisten zu können, ist es möglich, aus einem Dolmetscher_innen-Pool
des Magistrats bei Bedarf eine_n Dolmetscher_in zu Rate zu ziehen. Betreut wird dieser
Dolmetscher_innen-Pool vom Linzer Integrationsbüro. Die Linzer Liste von Dolmetscher_innen umfasst 80 Übersetzer_innen in 35 verschiedenen Sprachen, welche vom
Integrationsbüro bezahlt werden. Auch das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Linz nutzt
diese Möglichkeit um Sprachbarrieren überwinden zu können.110
Der Maßnahmen/Projektkatalog, welcher verschiedene Integrationsmaßnahmen umfasst,
wurde bereits 2009 vom Vizebürgermeister Klaus Luger angekündigt. Seit 2010 existiert
eben dieser unter dem Titel: Maßnahmenpaket Integration “Für den Zusammenhalt unserer
Gesellschaft”. Das Paket umfasst 21 Projekte in neun verschiedenen Themengebieten.
Für eine intensivere Sprachförderung:
• intensivere sprachliche Frühförderung: Kinder mit migrantischen Hintergrund sollen
bereits im Kindergarten dabei unterstützt werden, die deutsche Sprache zu erlernen.
• Ausbau des “Rucksack-Modells”: dieses Modell dient sowohl zur Förderung der
Muttersprache als auch zur Verbesserung der Deutschkenntnisse. Man versucht
besonders die Eltern in den Lernprozess einzubinden. Das Rucksack-Modell existiert
in Linz bereits seit 2008 in städtischen Kindergärten. Zum Ziel wurde sich gesetzt,
dieses Projekt bedarfsorientiert auszubauen.
107
vgl.
vgl.
109
vgl.
110
vgl.
108
244
Gruber 2010, S. 135
Österreichischer Städtebund 2006
Gruber 2010, S. 137
ebd., S. 143
• Projekt “Mama lernt Deutsch”: Dieses Projekt bietet speziell für Mütter mit migrantischem Hintergrund Sprach- beziehungsweise Alphabetisierungskurse.
• Projekt “Lese-Tandem”: Erwachsene unterstützen Kinder beim Erlernen beziehungsweise beim Verbessern der Lesefertigkeiten.
• Erweiterung der Fremdsprachen-Bibliothek im Wissensturm
Für eine stärkere Lernförderung:
• Lernförderung in städtischen Horten
• Lernförderung in Kooperation mit Dritten: Das Projekt sieht eine intensive Sprachbetreuung und Hilfestellungen für die Erledigungen der Hausübungen vor.
Für eine Bildungspartnerschaft:
• Elternbildung durch Elternvereine: Aufbau von sprach- und ethnieorientierten
Elternvereinen.
• Bessere Einbindung der Eltern in den städtischen Kindergärten: Im Rahmen dieses
Projekts werden mehrsprachige Informationspakete über den weiteren Bildungsweg
der Kinder angestrebt.
Für eine besser Nachbarschaft:
• Stadtteilarbeit: Das direkte Wohnumfeld und somit die Lebensqualität der Menschen soll verbessert werden. Dies soll vor allem durch Betreuung, Beratung und
Bildungsförderung erfolgen.
• Integrationsbeauftragte_r bei der GWG (Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft der
Stadt Linz GmbH): Die GWG stellt bereits seit einigen Jahren die Mietvertragsbestimmungen auch in den Sprachen Türkisch, Serbokroatisch sowie Englisch zur
Verfügung. Zusätzlich stehen die Informationen auf der GWG-Internetseite auch
in diesen Sprachen zur Auswahl.111 Seit März 2011 wurde auch das Ziel einer
Migrationsexpert_in im Team der GWG umgesetzt. Hauptaufgabe für diese ist es
die Kommunikation zwischen Hausverwalter_innen und Bewohner_innen vor allem
in Wohnanlagen mit höherem Zuwander_innenanteil zu verbessern.112
• Schulungen für Mitarbeiter_innen der GWG: Um mit möglichen Konflikten, Missverständnissen und Problemen bestmöglichst umgehen zu können, soll das Personal
der GWG speziell geschult werden.
• Mediator_innen für Konfliktfälle: Über die speziellen Schulungen der Mitarbeiter_innen der GWG sollen auch Mediator_innen, welche außerhalb der GWG
angesiedelt sein sollen, bei Bedarf zu Rate gezogen werden.
111
112
vgl. GWG - Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft der Stadt Linz GmbH 2009, S. 2
meinbezirk.at 2011
245
Für eine verstärkte Anerkennung der Kultur der Linzer Migrant_innen:
• Konzept “Linzer Migrant_innenkultur”: Dieses Konzept soll vom Integrationsressort
in Linz entwickelt werden.
• Integratives Haus der Kulturen: Dieser neue Veranstaltungsort soll als Begegnungsort
und Treffpunkt für Migrant_innen sowie Einheimischen genutzt werden.
Für zusätzliche Sport-Angebote:
• Angebot der Sportvereine für Migrant_innen forcieren
• Projekt “Midnight Sports and Music”: Dieses Projekt soll Jugendlichen die Möglichkeit bieten auch ohne Vereinszugehörigkeit in entspannter Atmosphäre Sport zu
betreiben.
Für den Abbau von Barrieren im Gesundheitswesen:
• Informationsbroschüre “Gesund in Linz”: Erarbeitet wurde diese Broschüre vom
Linzer Integrationsbüro, sie erscheint in neun Sprachen und soll so Menschen mit
Migrationshintergrund den Zugang zur gesundheitlichen Versorgung erleichtern.
• Informationskampagne in den Migranten_Innen-Vereinen
Für klare Orientierungsangebote an Jugendliche:
• Club der Begegnungen: Durch gemeinsame Feste sollen die Jugendlichen mit migrantischem Hintergrund sowie die einheimischen Jugendlichen zusammengeführt
werden.
• Medienarbeit in der Medienwerkstatt: Durch dieses Projekt, welches im Wissensturm
stattfindet, versucht man Jugendlichen die Medien-Kompetenzen näher zu bringen.
Für eine interkulturelle Öffnung der Verwaltung:
• Interkulturelle Weiterbildung
• “Willkommen in Linz”: In Linz erhalten zugewanderte Menschen eine mehrsprachige
Willkommensmappe mit den wichtigsten Informationen über die Stadt
Zusätzlich zu diesem Maßnahmenpaket kommt der Stadtteilarbeit ein großer Stellenwert
zu. Gemeinwesenarbeit (GWA) hat in Österreich im internationalen Vergleich nahezu
keine Tradition. Im Linzer Franckviertel wurde 1999 ein in GWA verankertes Projekt
genehmigt und seit über 10 Jahren durchgeführt.113 Beispiel für ein in diesem Rahmen
entstandenes Projekt ist das Projekt “Sports Player”. Zielgruppe in diesem Projekt sind
Kinder von 9 bis 14 Jahren, welche von einem_r Pädagog_in (“Sportsplayer_in”) begleitet
werden. Der pädagogische Auftrag besteht darin, den Kindern konstruktive und sinnvolle
Freizeitbeschäftigungen näher zu bringen.114
113
114
vgl. Spitzenberger und Sobotka 2009, S. 13
vgl. ebd.
246
7.4 Der mediale Diskurs
Wie wirkt sich Rassismus in den Medien aus? Erhard Gstöttner, Journalist bei den
Oberösterreichischen Nachrichten ist folgender Meinung: “Medien können nicht wirklich
etwas erfinden. Medien können nur ohnedies Vorhandenes verstärken oder schmälern.” 115
Wie stark die Journalist_innen einen Artikel verstärken, hängt meist von der Wortwahl
ab. Bei einer positiven Graduierung spricht man von verstärkenden Adjektiven wie “total”
spannend, oder “außergewöhnlich” gut. Bei negativen Graduierungen handelt es sich um
abschwächende Adjektive wie “etwas” teuer oder “ganz” hübsch. Zeitungsartikel fordern
stark komprimierte Sätze, die trotzdem umfassende Informationen liefern. Daher wird des
Öfteren auf korrekte politische Begriffe verzichtet, da diese zu viel Platz im Text einnehmen. Beispielsweise werden die afroamerikanischen Personen “Schwarze” oder Menschen
mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung einfach “Behinderte” genannt.116 Doch
auch sachlich bedachte Berichterstattung kann eine verhängnisvolle Wirkung erzielen.
Eine Umfrage im Jahre 1993 zum Thema “Medien und die Gewalt von rechts” ergab
eine einheitliche Meinung des Herunterspielens oder der Tabuisierung des Themas. Es
kommt also nicht darauf an, was berichtet wird, sondern wie. Türk_innen, Serb_innen,
Kroat_innen und andere Personen mit Migrationshintergrund bekommen von den Medien
ein einheitlich eher schlechtes Persönlichkeitsprofil, von dem sich manche Leser_innen in
ihrer Wahrnehmung stark beeinflussen lassen.
7.4.1 Feinanalyse der Tageszeitung “Neue Kronen Zeitung“
7.4.1.1 Artikel vom 21. November 1992: “Schlacht im Türkenviertel: 15 Beteiligte
abgeschoben!”
• Institutioneller Rahmen:
In der Rubrik “Politik” berichtet ein_e Krone-Redakteur_in unter dem Titel “Schlacht im
Türkenviertel: 15 Beteiligte abgeschoben!” von den Zusammenstößen zwischen Türk_innen
und Kurd_innen am 21. November 1992.
• Text-“Oberfläche”:
Die grafische Gestaltung des Artikels ist sehr einfach gehalten. Die fiktive Figur “Herr
Strudl” kommentiert das damalige politische Geschehen in den Sonntagsnotizen auf der
gleichen Seite. Die Texte des Herrn Strudl wurden von Andreas Konwallin verfasst. Wolf
Martins Kolumne “In den Wind gereimt” ist unter dem untersuchten Artikel platziert.
Die größte Schlagzeile behandelt die “explodierenden” Steuerschulden. In zwei kurzen
Spalten wird über die Auseinandersetzung im Linzer Neustadtviertel berichtet, wobei
dieser Stadtteil hier ohne Anführungszeichen als “Türkenviertel” angeführt wird.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Die Auseinandersetzungen werden als Schlacht dargestellt. Diese Wortwahl kulminiert
mit dem Setzen eines Rufzeichens nach der Information “15 Beteiligte abgeschoben”.
Im Text wird beschrieben, dass Polizei und Justiz, unterstützt durch den damaligen
115
116
vgl. Interview mit Gstöttner 2011
vgl. Interview mit ebd.
247
Abbildung 7.10: Neue Kronen Zeitung, 21. November 1992
Innenminister Löschnak, “rasch Konsequenzen” ziehen und Türk_innen “in ihre Heimat”
abschieben müssten. Nicht angesprochen werden die massiven Ungereimtheiten zwischen
höchsten Bundesstellen und der Linzer Polizei, die durch die Ausschreitungen offenbar
geworden waren. Ebenfalls nicht angesprochen wird der Vorwurf an die Linzer Polizei,
teilweise wahllos Verhaftungen durchgeführt zu haben. Der Ausdruck “Türkenviertel” wird
nicht reflektiert und erweckt den Eindruck, dass das Neustadtviertel mehrheitlich von
türkischstämmigen Personen bewohnt wäre - was weder damals noch heute der Fall ist.
Die Sprache ist martialisch, von einer “wilden Straßenschlacht” wird berichtet. Der Text
weist keinerlei Referenzbezüge zu Studien oder Bevölkerungsstatistiken auf.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Es wird die rasche Reaktion der Polizei betont, was den Eindruck erweckt, die Polizei
habe unumstritten richtig und effektiv gehandelt. Zudem wird die Abschiebung von 15
Türk_innen als Lösung des Problems dargestellt. Dass die Vorfälle im Linzer Neustadtviertel eine Schockwelle ausgelöst und die Linzer Behörden überrascht hatten, zeigt der letzte
Satz im Artikel, der die vom damaligen Innenminister Löschnak geforderte Konsequenz
im polizeilichen Handeln nochmals hervorhebt.
248
7.4.2 Feinanalyse der Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten“
7.4.2.1 Artikel vom 25. November 1992: “Folgen des Türkenkrawalls”
• Institutioneller Rahmen:
Auf der Titelseite wird in den Oberösterreichischen Nachrichten vom 25. November 1992
über die “Folgen des Türkenkrawalls” berichtet.
• Text-“Oberfläche“:
Die anderen Artikel und Bilder, die die Aufmerksamkeit der Leser_innen auf sich ziehen,
handeln von “Wütenden Protesten der EG-Bauern” und von der für Linz bedeutenden
VÖEST. Ein Bild zum Artikel “Folgen des Türkenkrawalls” gibt es nicht, erst auf den
Seiten im Inneren der Zeitung, wo dann detaillierter über das Ereignis berichtet wird.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Begriff “Türkenkrawall” wird im Titel ohne Anführungszeichen verwendet, erst im
Text wird der Begriff unter Anführungszeichen gesetzt. Aus diesem Wort alleine geht nicht
hervor, dass es sich um Zusammenstöße zwischen Türk_innen und Kurd_innen handelte.
Somit kann man schwer von “den Türken” als homogene Gruppe schreiben. Der Untertitel
des Artikels lautet “Politiker basteln Sicherheitspaket: Mehr Polizei und Kontrollen”. Diese
Aussage verdeutlicht, dass die Politiker_innen als Sofortmaßnahme, wenn auch nicht auf
die Bedürfnisse des Viertels abgestimmt, auf den Sicherheitsaspekt setzten. Das Verb
“basteln” zeugt von einer eher unbeholfenen Reaktion der Politiker_innen.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Dass sich durch die Sicherheitsmaßnahmen weiter nichts änderte an der Feindschaft
zwischen politisch rechten und linken Türk_innen, wird in den Artikeln im Blattinneren
erklärt.
7.4.3 Feinanalyse der Tageszeitung “Salzburger Nachrichten“
7.4.3.1 Artikel vom 23. November 1992: “’Es ist nicht mehr wie früher, jetzt hab
ich Angst”
• Institutioneller Rahmen:
In der Rubrik “Chronik” der Salzburger Nachrichten vom 23. November 1992 findet sich
ein Lokalaugenschein von Werner Beninger, den er mit der Aussage eines Bewohners des
Neustadtviertels betitelt: “Es ist nicht mehr wie früher, jetzt hab ich Angst”.
• Text-“Oberfläche”:
Auf dem Bild sind ein Polizist mit einer Pistole, ein weiterer Sicherheitsbeamter und
mehrere Verdächtige, die gerade festgenommen werden, zu sehen.
249
Abbildung 7.11: Salzburger Nachrichten, 23. November 1992
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Text enthält viele Aussagen von Bewohner_innen des Neustadtviertels und von
den dienstleistenden Polizist_innen. Authentisch wirken diese auch, weil sie im Dialekt
wiedergegeben werden. Die Meinung der Gäste am Sonntagsstammtisch ist ebenso vertreten wie die von Passant_innen und Gottesdienstbesucher_innen vom 22. November
1992. Der Begriff “Straßenschlacht” prangt an prominenter Stelle über der Überschrift des
Lokalaugenscheins und wird ein weiteres Mal im Text ohne Anführungszeichen verwendet.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
In den Aussagen der befragten Personen finden sich kaum Pauschalurteile, vielmehr
wird betont, dass das Zusammenleben hier, bei allen Schwierigkeiten, lange friedlich
funktionierte und dass eine Schießerei wohl kaum stattgefunden hätte, wäre nicht der
umstrittene türkische Politiker Erbaz eingereist. Die offizielle Zahl der “Ausländer_innen”
im Neustadtviertel wird von einem Bewohner um die inoffizielle, höhere Zahl ergänzt. Der
Bewohner wirft den Politiker_innen Untätigkeit und Ignoranz vor.
250
7.4.4 Feinanalyse der Tageszeitung “Kurier“
7.4.4.1 Artikel vom 22. November 1992: “Straÿenkampf im Linzer Neustadtviertel”
• Institutioneller Rahmen:
Der von Gerhard Lukesch verfasste Artikel “Straßenkampf im Linzer Neustadtviertel”
erschien am 22. November 1992 in der Rubrik “Chronik”. Anlass für den Artikel ist die
Auseinandersetzung zwischen Anhänger_innen der “Grauen Wölfe“ und der kurdischen
Arbeiterpartei “PKK“, unter der Beteiligung von Inländer_innen, am Samstag, den 21.
November 1992.
• Text-“Oberfläche”:
Die zum Artikel gehörenden Bilder nehmen beinahe die Hälfte der Seite ein. Ungewöhnlich
ist, dass über den Bildern neben zwei großen Punkten die Informationen “Schießerei
bei Eröffnung eines türkischen Lokals“ und “Graue Wölfe, Kurden, aber auch Inländer
beteiligt“, in mittelgroßer Schrift zu lesen sind. Die fett gedruckte Überschrift ist unter
den Bildern angeordnet und ist die größte auf der Seite. Das linke der beiden Bilder
mit der Beschriftung “Waffen, darunter Schlagstöcke, wurden sichergestellt“, zeigt einen
Polizisten mit Stöcken und einer Kette in den Händen. Das rechte Bild ist beschriftet
mit “Schüsse, Massenschlägerei: die Polizei zog über 100 Beamte zusammen“. In der
Mitte dieses Bildes wird ein am Rücken liegender Mann gezeigt. Um ihn herum stehen
ein uniformierter Polizist und ein Mann, vermutlich ein Zivilpolizist, der einen auf den
liegenden Mann gerichteten Hund zurückhält. Im Hintergrund sind mehrere aufgebrachte,
vermutlich türkischstämmige Männer zu sehen. Der Text selbst nimmt rund ein Achtel
der Seite ein. Es wird über den “Türkenkonflikt“ berichtet. Die Kombination von der
Eröffnung des Vereinslokals und einer Moschee, die Anwesenheit von Yasar Erbaz und
das Aufeinandertreffen von Türk_innen, Kurd_innen, Linken und Rechten, darunter
auch Österreicher_innen, wird als Ausgangslage für die Eskalation beschrieben. Es wird
von Schüssen berichtet und bereits einführend klargestellt, dass es keine Verletzten durch
Schüsse gab. Der Einsatz der Polizei wird in diesem Artikel tendenziell positiv beschrieben.
Auf Verfehlungen seitens der Polizei wird nicht eingegangen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Es wird mit einfacher Sprache und Satzstellung gearbeitet. Bis auf das plakative Wort
“Straßenkampf“ in der Überschrift wird objektiv, sachlich und politisch korrekt berichtet.
Wörter wie “Türkenviertel“ oder “Türkenkrawalle“ werden nicht verwendet. Der Autor
bezieht sich auf anonyme Augenzeug_innen und einen “Sprecher der Kurden“.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Eine politische Haltung lässt sich aus dem neutral geschriebenen Text nicht erkennen. Die
Verantwortlichkeit für die Auseinandersetzungen wird nicht alleine den “Ausländer_innen”
zugeschrieben. Von der Beteiligung von Österreicher_innen auf beiden Seiten wird berichtet sowie auch darüber, dass die Veranstaltung rechtmäßig angemeldet war. Es wird
klargestellt, dass die Schüsse hauptsächlich von Schreckschusspistolen stammten und
durch Warnschüsse niemand verletzt wurde.
251
Abbildung 7.12: Kurier, 22. November 1992
252
7.4.5 Feinanalyse der Tageszeitung “Neues Volksblatt“
7.4.5.1 Artikel vom 24. November 1992: “Linz wurde Nebenkriegsschauplatz des
türkisch-kurdischen Kon iktes”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel mit dem Titel “Linz wurde Nebenkriegsschauplatz des türkisch-kurdischen
Konfliktes“ erschien in der Tageszeitung Neues Volksblatt Nummer 273, am Dienstag,
den 24. November 1992, auf Seite drei unter “Bericht“. Als Autor wird Manfred Maurer
angeführt. Anlass für den Artikel ist die Auseinandersetzung, hauptsächlich zwischen
Anhänger_innen der “Grauen Wölfe“ und der kurdischen Arbeiterpartei “PKK“, am
Samstag, den 21. November 1992. Der Autor stellt einen Zusammenhang zu einer Offensive
der türkischen Armee gegen die “PKK“ im Nordirak her.
• Text-“Oberfläche”:
Der Artikel nimmt samt Bildern etwa drei Viertel der Seite ein. Die zweizeilige Überschrift
des Artikels ist fett gedruckt und die größte auf dieser Seite. Auf den ersten Blick fällt
unmittelbar das Bild auf, welches mehrere Panzer der türkischen Armee bei der Offensive
im Nordirak zeigt. Es ist das größte Bild der Seite und gehört unmittelbar zu dem
Artikel. Mitten im Artikel ist ein Bild des wohl bekanntesten Vertreter der “Grauen
Wölfe“, Ali Agca, welcher ein Attentat auf Papst Johannes Paul II verübte. Neben dem
Artikel ist ein sehr kurzer Text mit dem Titel “Werben um Hilfe“. Das dazugehörige Bild
zeigt die Schauspielerin und UNO-Sonderbotschafterin Sophia Loren bei ihrem Besuch
in Somalia. Darauf ist sie mit einem ausgehungerten Kind zu sehen. Darunter ist ein
Interview mit dem südafrikanischen Botschafter, Johannes Petrus Roux, mit dem Titel
“Kein Problem mit einem Präsidenten Mandela!“, abgedruckt. Neben dem Interview sind
mehrere aggressiv anmutende Afrikaner mit nacktem Oberkörper zu sehen, die um einen
am Boden liegenden, blutenden Mann versammelt sind. Betitelt ist diese Abbildung mit
“Bedrohlichstes Problem in Südafrika: Gewalt unter Schwarzen.“ Daneben, unter “Kurz und
bündig“, sind zwei Texte mit den Titeln “Sudetendeutsche gründen Partei“ und “Israelis
erschießen Palästinenser-Buben“. Es wird auf die Offensive der türkischen Armee im
Nordirak gegen die PKK, auf den Konflikt in der Türkei, die “Grauen Wölfe“ und die PKK
sowie den Besuch des ehemaligen Graue-Wölfe-Chefs Yasar Erbaz eingegangen. Weiters
wird das Thema des Attentats auf Papst Johannes Paul II, von Ali Agca angeschnitten.
Über den Vorfall in Linz und wie es dazu gekommen ist, wird nicht berichtet. Auch die
Verfehlungen der Linzer Stadtpolizei werden in diesem Artikel nicht erwähnt.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Es wird mit einfacher Sprache und Satzstellung gearbeitet. Auf den Vorfall in Linz wird
nicht sachlich eingegangen. Es werden immer wieder Parallelen zwischen den Konflikten
in der Türkei und dem Vorfall in Linz gezogen. Die Parteien in Österreich werden
jenen in der Türkei gleichgesetzt. Wodurch den Rezipient_innen suggeriert wird, der
Krieg in der Türkei sei direkt nach Linz gekommen, was durch Übertreibungen wie
“Nebenkriegsschauplatz“, Wiederholungen der Wörter “Krieg“ und “Offensive“ und durch
das Foto von den Panzern verstärkt wird. Durch die hergestellte Verbindung der “Grauen
Wölfe“ und dem Papstattentat wird gezeigt, wie gefährlich diese Gruppierungen sind.
Verstärkt wird dieses Bild der gefährlichen Extremisten durch einen Bezug auf eine Aussage
des Linzer Polizeidirektors, Josef Stark, und mit dem Hinweis, dass beide Parteien in der
Türkei illegal sind.
253
Abbildung 7.13: Neues Volksblatt, 24. November 1992
• Inhaltlich-ideologische Aussagen:
Es wird vermittelt, dass es in Linz zu einer Kriegshandlung gekommen wäre beziehungsweise vermehrt kommen könnte. Es wird ein durchaus schlechtes Menschenbild auf die
Türk_innen projiziert. Indirekt wird das Bild der Türk_innen und Kurd_innen als
Staatsfeinde und Gefahr für die österreichische Gesellschaft vermittelt.
• Interpretation:
Obwohl dem Titel nach über einen Vorfall in Linz berichtet wird, betreffen die Kernaussagen den kriegerischen Konflikt in der Türkei und die Gefahr, die von den “Grauen
Wölfen“ und der PKK sowie allgemein von den Türk_innen und Kurd_innen ausgeht.
Die Situation in Linz wird übertrieben und als möglichst brutal und gefährlich dargestellt.
Die Fotos und auch die anderen Texte auf der Seite, die teilweise von Gewalttaten handeln,
verstärken das Bild in den Köpfen der Rezipient_innen.
7.4.6 ORF-Beiträge
7.4.6.1 Nachrichtensendungen vom 21., 22. und 23. November 1992
• Institutioneller Rahmen:
Die Nachrichtensendungen “Österreich Heute” und “Oberösterreich Heute” strahlten am
21. November und an den zwei darauffolgenden Tagen, 22. und 23. November 1992, jeweils
einen Beitrag zu den Ausschreitungen im Linzer Neustadtviertel aus.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Die Berichterstattung erfolgt neutral und nüchtern, auf Ausschmückungen wird weitgehend
verzichtet. Es werden Bilder aus dem Geschehen eingeblendet, die das Vorgehen der Polizei
dokumentieren. Darüber hinaus werden Szenen von aufgebrachten Demonstrant_innen
254
gezeigt. Die Bilder reihen sich ebenfalls in eine objektive Berichterstattung ein. Als
das wohl provokanteste Bild könnte jenes bezeichnet werden, bei dem ein Polizist eine
am Boden liegende Person wegzerrt. Im Kontrast zur sachlichen Einleitung stehen die
Aussagen eines diensthabenden Polizisten. Dieser spricht in einer emotionalen Weise von
den aktuellen Geschehnissen. Er berichtet, dass “die Türken” die ersten Warnschüsse
abgegeben hätten. Ob mit “den Türken” die rechtsgerichteten Erbaz-Anhänger_innen
oder die Kurd_innen gemeint waren, bleibt unklar.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Zu Beginn des Berichts wird auch die Beteiligung österreichischer Autonomer, ideologisch
auf der Seite der Kurd_innen stehend, erwähnt. Dies ist bei anderen Berichten nicht immer
der Fall. Polizeidirektor Josef Stark antwortet auf die Frage von Klaus Obereder, ob die
Polizei die Gefahr unterschätzt habe, zunächst ausweichend. Er geht nicht näher auf diesen
impliziten Vorwurf ein, sondern beruft sich auf die Tatsache, dass selbst Beamt_innen
nicht allwissend sind. Der damalige Generaldirektor für öffentliche Sicherheit betont, es
könne “keine Rede von überrascht” sein, da die Warnung an die Linzer Zuständigen bereits
am Vortag übermittelt wurde. Die Information sei jedoch nicht zeitgerecht durchgedrungen.
Im Bericht wird auch auf die Rücktrittsdebatten des damaligen FPÖ-Parteiobmanns
Hans Achatz an den Bürgermeister Dobusch und an Polizeidirektor Stark eingegangen.
Dobusch weist die Vorwürfe der “Untätigkeit” von sich und fordert im Gegenzug den
FPÖ-Politiker zum Rücktritt auf.
7.5 Fazit
Integration ist eine Querschnittmaterie, mit der sich sowohl die Bundespolitik als auch die
Landes- und Kommunalpolitik beschäftigen. Der 2010 vom österreichischen Ministerrat
verabschiedete Nationale Aktionsplan für Integration zeigt, dass die Politik anerkannt
hat, dass Integration eine gesellschaftspolitische, gestaltbare Aufgabe ist. Er stellt hierbei,
ähnlich wie das Integrationsleitbild des Landes Oberösterreich, einen Rahmen dar, der
Leitlinien für die verschiedenen Handlungsfelder der Integrationsthematik enthält.117
Die Erkenntnis, dass Integration gestaltbar ist, kann jedoch bestehende Ressentiments
in der österreichischen Bevölkerung gegenüber Migrant_innen nur schwer entkräften.
Das Integrationsklima in der Gesellschaft ist noch immer von Integrationspessimismus
gekennzeichnet:
“Ob die Befragten ihren Integrationspessimismus aus der tatsächlichen Beobachtung nähren, oder ob sie mit dem Pessimismus die mediale Wiedergabe
eines politisch manchmal sehr kontroversiell diskutierten Themas reflektieren, kann nicht weiter festgestellt werden. Man kann unzufrieden sein mit
dem realen Geschehen, aber auch unzufrieden mit dem daraus entstehenden,
parteipolitisch aufgeladenen Diskurs. Beides zusammen kann als Ursache des
Integrationspessimismus gelten.” 118
Im Vergleich zur österreichischen Gesamtbevölkerung herrscht Integrationsoptimismus
bei einem Großteil der Zuwanderer_innen vor. Stärker heimisch fühlen sich jene Zugewanderte, die mehr verdienen, eine höhere Schulbildung absolviert haben und auf dem
117
118
vgl. Kreisky 2008, S. 28 f
Kommission für Migrations- und Integrationsforschung, S. 84 f
255
Arbeitsmarkt besser platziert sind. Auch innerhalb der Gruppen von Zugewanderten
können Unterschiede bezüglich der Einstellung gegenüber Österreich als Heimat festgestellt werden: Zuwanderer_innen aus dem ehemaligen Jugoslawien und den neuen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Zugewanderte mit längerer Aufenthaltsdauer
betrachten Österreich stärker als ihr Zuhause.119
Kontakte mit der zugewanderten Bevölkerung sind, insbesondere im urbanen Raum,
zum Alltag geworden. Auffällig ist die höhere Sensibilität für Benachteiligungen der
Migrant_innen bei besser qualifizierten und jüngeren Personen, die Kontakterfahrungen
mit Migrant_innen haben. Rund ein Drittel der befragten Migrant_innen gibt in einer
Anfang 2010 von GfK Austria durchgeführten Studie an, eher oder meistens benachteiligt
zu werden, weil sie Zuwanderer_innen sind.120
Es ist stets in Erinnerung zu halten, dass Integration nur als fortwährender dynamischer
Prozess funktionieren kann, welcher die gleichberechtigte Einbeziehung der autochthonen
Bevölkerung und der Migrant_innen gleichermaßen erfordert, da auch beide Seiten zu einer
gelingenden Integration beitragen. Vor diesem Hintergrund erscheint es zumindest diskussionswürdig, dass in dem als Kompetenzzentrum für Integration konzipierten Migrationsund Integrationsbeirat der Stadt Linz ausschließlich Menschen mit Migrationshintergrund
als Mitglieder bestellt sind.
Zwar wird das Neustadtviertel oftmals als Sorgenkind der Linzer Stadtentwicklung empfunden, doch es lässt sich kein durchwegs negatives Bild von diesem Stadtteil zeichnen.
Innen- und Außenperspektive scheinen auch hier mitunter zu divergieren: Wenngleich
die Verkehrsbelastung in einigen Straßenzügen als hoch beklagt wird, die Geschäfts- und
Gewerbelandschaft geringes Prestige aufweist und die Baustruktur häufig mit erheblichen
Mängeln behaftet ist, so schätzen viele Bewohner_innen die zentrale Lage mit ihrer guten
Verkehrsanbindung sowie das Flair des Viertels.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass Medien einen Großteil zu den überwiegend pessimistischen Einschätzungen des Neustadtviertels beitragen, ohne dass diese immer eine
Entsprechung in der Realität fände. Das Neustadtviertel leidet immer noch unter den
Vorkommnissen vergangener Zeiten. So kamen in der damaligen Berichterstattung über
die “Türkenkonflikte” teils überzogene Darstellungen von Straßenschlachten, Schießereien, Nebenkriegsschauplätzen und Mafiamethoden vor. Solch reißerische Formulierungen
bleiben im Zusammenwirken mit der Dramatik der damaligen Ereignisse wohl im kollektiven Gedächtnis hängen. An diesem Umstand vermögen auch spätere differenzierende
Betrachtungen, die naturgemäß eine geringere Breitenwirkung erzielen, offenbar wenig zu
ändern. Medien fangen zwar lediglich bereits vorhandene Stimmungen auf, dennoch sind es
zunächst die von ihnen – bewusst oder unbewusst – erzeugten sprachlichen Bilder, welche
eine Einschätzung der Geschehnisse maßgeblich mitbestimmen und eine starke Eigendynamik in der öffentlichen Wahrnehmung entwickeln. Harald Kalcher, Chef vom Dienst
der Oberösterreich-Kronen Zeitung, weist in diesem Zusammenhang auf die speziellen
Erwartungen der Leser_innen hin:
“Wenn es um ein Ereignis geht, zum Beispiel ein Verbrechen, und das [Anm.:
die Nationalität des Beschuldigten] wird angegeben, dann gehört es wiederum
zur Information. Ob das dann relevant ist oder nicht, die Leser wollen es
wissen. Wir bedienen ja auch Kunden, wir sind keine Bildungseinrichtung,
zumindest nicht in erster Linie. Wir haben Kunden und diese müssen wir mit
119
120
vgl. Kommission für Migrations- und Integrationsforschung 2010, S. 85
vgl. Ulram 2010, S. 24
256
dem versorgen, was sich diese wünschen. Wenn jemand die Kronen Zeitung
abonniert, dann will er in einer Art und Weise informiert werden, wie er es sich
von einer Kronen Zeitung erwartet, das sage ich ganz offen. Natürlich stehen
wir für gewisse Positionen oder für gewisse Wertvorstellungen, das ist klar.
Dafür steht die Kronen Zeitung, und jemand der uns kauft, erwartet sich das
auch. Der Kundenwunsch muss bedient werden, weil der Kunde auch dafür
bezahlt. Emotionen schüren oder Rassismus fördern, das ist sicher nicht die
Grundintention einer Kronen Zeitung oder von einem anderen Medium.” 121
121
Interview mit Kalcher 2011
257
8 Die ’Operation Spring’ in Linz: Das
Bild vom afrikanischen Drogendealer
8.1 Einleitung
Dieses Kapitel setzt sich mit der “Operation Spring” in Linz und dem stereotypen
Bild des afrikanischen Drogendealers auseinander. Obwohl das Thema mehrere brisante
Themenbereiche berührt, wird in dieser Forschungsarbeit vorrangig der Aspekt der
Diskriminierung und das Heranziehen von Schwarzen als Sündenböcke untersucht.
“Man sollte nicht vergessen, daß es mehr Dinge gibt, die uns einander ähnlich
machen, als solche, die uns voneinander trennen. Die Milliarden von Menschen,
die heute über den Planeten verstreut leben, unterscheiden sich voneinander
durch Hautfarbe und Körperform sowie durch Sprache und Kultur. Diese
Vielfalt – ein Beweis für unsere Fähigkeit, Veränderungen zu bewältigen, uns
an unterschiedliche Umgebungen anzupassen und eigenständige Lebensweisen
zu entwickeln – ist die beste Garantie für die Zukunft der Gattung Mensch.
Die Kenntnisse, die wir über uns selbst erworben haben, beweisen jedoch mit
Sicherheit auch, daß all unsere Verschiedenheit, genau wie das wechselnde Aussehen der Meeresoberfläche oder des Himmelsgewölbes, ziemlich unerheblich
ist im Vergleich zu dem unermeßlichen Erbe, das uns Menschen gemeinsam
ist.” 1
Im Zuge dieser Arbeit soll herausgefunden werden, woher das Bild vom “afrikanischen
Drogendealer” kommt bzw. wie es entstanden ist. Des Weiteren wird aufgezeigt, wie sich
rassistische Diskriminierung von Schwarzen in verschiedenen Bereichen des Alltags zeigt,
denn obwohl schwarze Personen, welche vorwiegend unter dem gebrandmarkten Terminus
“Schwarzafrikaner_innen” zusammengefasst werden, nur einen verschwindend geringen
Prozentsatz der österreichischen Bevölkerung ausmachen, wird diese marginalisierte
Gruppe oftmals zu Sündenböcken gemacht. Laut der Volkszählung im Jahr 2001 lebten
zum Zeitpunkt der Datenerhebung 276 Nigerianer_innen in Oberösterreich, wobei diese
Zahl 206 männliche und 70 weibliche Personen umfasst. Von diesen in Oberösterreich
lebenden Nigerianer_innen wurden 15 Personen in Österreich geboren.2 169 dieser 276
Nigerianer_innen waren zum Zeitpunkt der österreichischen Volkszählung in einem
Arbeitsverhältnis, wobei darin auch die geringfügig erwerbstätigen Personen enthalten
sind. Auffallend hierbei ist, dass es sich mehrheitlich um männliche Nigerianer handelte,
welche in Österreich lebten und einer Erwerbstätigkeit nachgingen.3
Das vorliegende Forschungsprojekt beschäftigt sich eingangs mit der Aktion “Operation
Spring”, wobei zuerst auf diese Polizeiaktion, und auch auf drei, in diesem Zusammenhang wichtige Personen, näher eingegangen wird. Im Anschluss daran wird die von der
1
Cavalli-Sforza und Cavalli-Sforza 1994, S. 13
vgl. Statistik Austria 2003, S. 136
3
vgl. ders. 2004, S. 185
2
259
Polizei eingesetzte Abhörtechnik, bekannt unter dem Terminus “der große Lauschangriff”,
analysiert. Dabei werden die Entwicklung, die Anwendung bei der “Operation Spring”
und auch die rechtlichen Grundlagen aufgezeigt. Weiters wird kurz auf den einige Jahre
später entstandenen Dokumentarfilm über die “Operation Spring” eingegangen und als
Abschluss dieses ersten Teiles der Arbeit richtet sich der Blick auf die anonymen Zeugen.
Der zweite Teil des Projektes beschäftigt sich mit dem stereotypen Bild des “afrikanischen Drogendealers” und die Rolle der Medien in diesem Zusammenhang. Darin wird
zunächst näher auf die Entstehung dieses Bildes, mitsamt der historischen Entwicklung
der österreichischen Drogenszene, der Entstehungsgeschichte des schwarzen Drogendealers
und auf den schwarzen Drogendealer an sich eingegangen. Im nächsten Kapitel wird das
Konzept der “nigerianischen Drogenmafia” erläutert, dazu Fakten und Fiktionen aufgezeigt
und die Konstruktion dieser “nigerianischen Drogenmafia” beschrieben. Im Anschluss
daran wird dem Stereotyp bzw. dem Klischee “Schwarz = Drogendealer” genauer auf den
Grund gegangen, hierin werden Fragen wie: “Woher kommt dieses Vorurteil?” und “Wer
ist schuld an diesen Vorurteilen?” genauer beleuchtet. Abschließend werden in diesem
Kapitel einige Beispiele aus Rassismus im Alltag gegenüber Schwarzen, mit besonderem
Fokus auf Drogendelikte, näher aufgezeigt und diskutiert.
Im nächsten Kapitel wird auf die Medienberichterstattung ausgewählter Printmedien näher
eingegangen und abschließend werden die Ergebnisse der Arbeit im Fazit zusammengefasst.
Um einen Einblick in den Informationsstand bezüglich der in Österreich 1999 stattfindenden großangelegten Polizeiaktion, besser bekannt unter dem Namen “Operation Spring”,
sowie in die Entstehung, Bedeutung bzw. Auswirkung von Vorurteilen, insbesondere das
Klischee “Schwarze sind Drogendealer_innen”, als auch die Darstellung von Rassismus in
den Medien, zu bekommen, wurden insgesamt 23 Flash-Interviews zu diesen Themenbereichen durchgeführt. Von diesen befragten Personen sind vier Personen mit dem Begriff
“Operation Spring” vertraut, einer Person ist der Name dieser österreichweiten Polizeiaktion vage geläufig und die restlichen 18 Interviewpartner_innen kennen diese Aktion nicht.
Die Erkenntnisse aus diesen Interviews, sowie auch die Ansichten der Expert_innen, mit
welchen ebenso Interviews geführt wurden, werden im Zuge dieser Projektarbeit in die
verschiedenen Kapitel eingearbeitet, um so einerseits die Meinungen der Gesellschaft,
sowie auch die Stellungnahmen der Experten zu diesen Themengebieten darzustellen.
8.2 Operation Spring
Der Name “Operation Spring” bezeichnet eine großangelegte Polizeiaktion, welche am
27. Mai 1999 gleichzeitig in mehreren Städten Österreichs stattfand. Im Zuge dieser
Aktion wurden über 100 Verdächtige, welche größtenteils Afrikaner_innen waren unter
dem Vorwand, einem international agierenden, nigerianischen Drogenring anzugehören,
verhaftet und teilweise zu Haftstrafen von bis zu 10 Jahren verurteilt.
In den Medien wurde diese Aktion vor allem deshalb bekannt, da im Zuge dessen erstmals
die Techniken des großen Lauschangriffes (vgl. Kapitel 8.2.2 auf Seite 266) eingesetzt
und diese damals der Bevölkerung als große Innovation dargelegt wurden – tatsächlich
stellte sich im Zuge der Recherchen heraus, dass sowohl die Technik selbst, als auch deren
Einsatz sehr bedenklich waren.
Ebenso umstritten erscheinen die Hintergründe, sowie auch die Auslöser für diese Polizeiaktion. Nachdem der nigerianische Schubhäftling Marcus Omofuma am 1. Mai 1999
260
bei seiner Abschiebung starb, entstanden in Österreich massive Protestbewegungen und
Migrant_innen aller Herkunftsländer solidarisierten sich. In der Bevölkerung entstand
die “Plattform für eine Welt ohne Rassismus“, welche von Rassismusgegner_innen aus
ganz Österreich betrieben wurde, wodurch der Druck auf die Justiz und die Exekutive
anstieg. In Erklärungsnot geraten, suchten die österreichische Justiz und die Behörden
nach einer Rechtfertigung, welche mit sachlichen Argumenten aber nicht gelang. Der
damalige Innenminister Karl Schlögl betonte jedoch: “Die Operation Spring darf in keinem
Zusammenhang mit dem tragischen Tod von Omofuma gesehen werden.” 4
Durch die Vermittlung des stereotypen Bildes vom Schwarzen als Drogendealer wurde
die Kritik zum Fall Marcus Omofuma allmählich leiser. Nach der Polizeiaktion war eine
objektive Prüfung der Vorkommnisse nicht möglich.
Die Urteile wurden durch Schöff_innengerichte, also durch Laienrichter_innen, gefällt.
Anselem Uche Njoku, der Geschäftsführer der Black Community Linz, hat in einem
Interview, welches im Rahmen dieser Projektarbeit am 2. März 2011 geführt wurde,
die Abläufe der Verfahren näher ausgeführt. In den Verfahren wurden die Beteiligten
unabhängig voneinander befragt und ihnen dabei Anreize für Falschaussagen gegeben.
Es wurde ihnen etwa eine Verkürzung ihrer Haftstrafe in Aussicht gestellt, wenn sie
Kolleg_innen belasteten. So wurden Zeug_innenaussagen gewissermaßen erzwungen und
damit die Objektivität der Prozesse erschwert.5
Im Zuge der Recherchen stellte sich heraus, dass es sich bei den verurteilten Personen
durchwegs um Menschen handelte, die mit Drogen nichts zu tun hatten. Unter den
Verurteilten befanden sich weiters auch Menschenrechtsaktivist_innen und politische
Aktivist_innen. Der als vermeintliche Drogenboss gehandelte Charles Ofoedu war Teil
der vorher genannten “Plattform für eine Welt ohne Rassismus“ (vgl. Kapitel 8.2.1.2 auf
Seite 265).
Die Operation Spring bleibt bis heute umstritten und wird von Rassismuskritiker_innen
bemängelt. Ein verurteilter Nigerianer meinte, der Kampf gegen Drogen sei dabei nie im
Vordergrund gestanden, sondern vielmehr der Kampf gegen die Black Community.
Den einzigen Erfolg der Operation Spring sieht Anselem Uche Njoku für rechtskonservative
Parteien:
“Ich kann mich noch erinnern, als der damalige FPÖ-Populist Jörg Haider
2003 auf dem Taubenmarkt von einem großen Erfolg gegen die “afrikanische
Drogenmafia“ sprach. Die Leute waren sehr begeistert und haben stürmisch
geklatscht.” 6
Diese Tatsache habe ihm bewiesen, wie wenig Ahnung diese Menschen hatten und es
kein Wunder sei, wenn viele Österreicher_innen ein Vorurteil gegenüber “Schwarze“
hätten. Njoku sieht in derartigen Aktionen den Grund für das Klischee des “Schwarzen
als Drogendealer”. Rassenbezogene Vorurteile oder Zuschreibungen werden nach seinen
Angaben oft durch Polizeiaktionen oder mittels politischer Propaganda konstruiert.7
Die Ereignisse der Operation Spring aus dem Jahr 1999 wurden sechs Jahre später im
gleichnamigen Dokumentarfilm von Angelika Schuster und Tristan Sindelgruber festgehalten (vgl. Kapitel 8.2.3 auf Seite 270).
4
Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 37
Interview mit Njoku 2011b
6
Interview mit ebd.
7
Interview mit ebd.
5
261
8.2.1 Die Polizeiaktion
Als die größte Polizeiaktion der Zweiten Republik ging die “Operation Spring” ein, sie
konzentrierte sich vorrangig auf Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Diese Aktion wurde
genau 26 Tage nach dem Tod des Schubhäftlings Marcus Omofuma durchgeführt und
richtete sich auch gegen die angebliche “nigerianische Drogenmafia”. Im Zuge dieser Aktion
stürmten 850 Sicherheitskräfte verschiedene Asylwerber_innenwohnheime und auch Wohnungen in verschiedenen Städten Österreichs. Es wurden dabei an die 100 Verdächtige,
welche größtenteils Afrikaner_innen waren, verhaftet. Unter den Verhafteten befand sich
auch Charles Ofoedu, er wurde im Zuge dessen von den Medien zum “mutmaßlichen
Drogenboss” verurteilt, der Haftantrag der Bundespolizei Wien liefert Aufschluss der
polizeilichen Vorstellungen über den Schriftsteller und Menschenrechtsaktivisten Ofoedu.8
Die Personen wurden unter dem Verdacht, dass sie Mitglieder einer international agierenden Drogenmafia seien, verhaftet.9
Charles Ofoedu wurde zu Unrecht von der Polizei als “führendes Mitglied“ der scheinbar
kriminellen Organisation verhaftet. Die Vermutung der Polizei war falsch und daraufhin
musste der Anklagepunkt bereits am 13. Oktober 2000 fallen gelassen werden.
Das Bild, welches die Polizei von der sogenannten “nigerianischen Drogenmafia“ hatte,
entsprach einer internationalen Bande, welche wie ein Unternehmen, beziehungsweise wie
ein Kartell funktionierte.10
Laut Njoku habe es die “Operation Spring“ nur deshalb gegeben, um den Vorfall rund
um Marcus Omofuma rechtfertigen zu können. Dass die ganze Vorgeschichte rund um
“Operation Spring“ sehr verfälscht und in den Schlagzeilen, speziell in der Neuen Kronen
Zeitung, zu finden war, ärgert den Geschäftsführer der Black Community sehr. Viele
Leute, die die Neue Kronen Zeitung gelesen haben, kennen laut Njoku den richtigen
Zusammenhang nicht, aber dass der Schwarzafrikaner Drogen schmuggle, dieses Vorurteil
bleibe in ihren Köpfen hängen. Eine Folge dieses umstrittenen Polizeieinsatzes ist, dass
die “Operation Spring“ das Verhältnis zwischen Afrikaner_innen und Österreicher_innen
weiter verschlechtert hat.11
Die fünf befragten Personen, welche Kenntnisse über die Polizeiaktion besitzen, haben
ihre Informationen mehrheitlich aus den Medien, sprich aus den Zeitungen oder dem ORF,
lediglich eine Person kennt diese Aktion aufgrund einer Filmvorführung an der Universität
und eine weitere Person aus Erzählungen. Aufgrund der Tatsache, dass diese fünf Personen
Kenntnisse über die Aktion besitzen bzw. zumindest den Namen schon einmal gehört
haben, wurden sie über mögliche Gründe für diese Polizeiaktion befragt. Eine Befragte
meinte, dass ein wichtiger Grund für diese Aktion war, die Vorurteile “jede_r Schwarze ist
ein_e Drogendealer_in” zu stärken. Sie sah in diesen Vorurteilen einen Rechtfertigungsgrund für strengere Einwanderungsgesetze. Eine weitere befragte Person war der Ansicht,
dass viele Nigerianer_innen in Österreich als Drogenhändler_innen unterwegs waren bzw.
sind, und um diesen Drogenhandel einzudämmen wurde die “Operation Spring” ins Leben
gerufen. Dieser Auffassung, dass bereits einige Menschen mit afrikanischer Herkunft als
Drogendealer_innen festgenommen wurden, war auch eine weitere befragte Person. Die
beiden letzten Standpunkte hinsichtlich der Gründe für die “Operation Spring” waren,
8
vgl. Knauer 2009, S. 40
vgl. Schiefer 2005
10
vgl. Knauer 2009, S. 40 f.
11
Interview mit Njoku 2011b
9
262
dass die Polizist_innen unbedingt einen Erfolg brauchten und dass die offizielle Version
war, die Drogenringe der Schwarzen zu zerschlagen.
Um die weitere Stimmung in Hinblick auf dieses Thema aufzufangen, wurde nach der
Meinung gefragt, ob sie denken, dass eine solche polizeiliche Aktion anders verlaufen wäre,
wenn es sich um weiße Inländer_innen im Gegensatz zu “Ausländer_innen” gehandelt
hätte. Drei Befragte gaben ein schlichtes “Ja” zur Antwort, eine_r antwortete mit “definitiv”, weitere Antworten auf diese Frage waren: durchaus vorstellbar, wahrscheinlich,
kann teilweise durchaus der Fall sein, möglicherweise - sollte aber nicht der Fall sein,
manchmal schon, ja - ich denke schon und finde das höchst bedenklich. Ein_e Befragte_r
hatte dies schon im Laufe seiner bzw. ihrer beruflichen Erfahrungen miterleben müssen.
Bezugnehmend auf diese Fragestellung gaben auch einige Befragte an, dass dies nicht
pauschaliert werden darf, dass sie allerdings glauben, dass es im Einzelfall sicherlich
zutreffen würde. Auch kam es ihrer Meinung nach auf die gesellschaftliche Stellung dieser
Personen an. Einige interviewte Personen meinten, dass Fremdenfeindlichkeit und Hass
sehr explosive Themen seien und eine Person war der Ansicht, dass oftmals davon ausgegangen wird, “Ausländer_innen” seien kriminell. Andere befragte Personen leiteten
die Unterschiede bei polizeilichen Aktionen in Bezug auf die Hautfarbe auf die politische
Einstellung und die Einstellung zu “Ausländer_innen” von Polizist_innen zurück. Eine
interviewte Person führte die Unterschiede bei polizeilichen Taten auf die in Österreich
sehr trostlose Einstellung zu nicht-österreichischen Mitbürger_innen zurück. Eine weitere Person vertrat die Ansicht, die Polizei sei gegenüber “ausländischen” Bürger_innen
misstrauischer, und eine nächste befragte Person meinte, dass Polizist_innen weiße Inländer_innen besser behandeln als Schwarze, da die Polizist_innen sich Weißen mit
gleicher Staatsbürger_innenschaft gegenüber solidarischer stellen. Eine Person war nicht
der Ansicht, dass polizeiliche Aktionen bei weißen Inländer_innen anders verlaufen als bei
“Ausländer_innen”, diese Meinung gab er bzw. sie mit Bestimmtheit und dem Vertrauen
in die Objektivität ab. Die Person war jedoch der Auffassung, dass es sicherlich überall
“schwarze Schafe”, welche ihre Position ausnutzen, gibt. Diese Personen versuchen damit,
etwaige vorhandene Komplexe zu kompensieren. Diese Komplexe werden laut ihm bzw.
ihr darin deutlich, dass manches Mal Strafen, wie es scheint, aus purer schlechter Laune
verteilt werden. Eine weitere interviewte Person meinte, dass der Handel mit Drogen
kein kleines Delikt mehr ist, denn wenn man in Zeitungen von Jugendlichen im Alter
von 13 oder 14 Jahren liest, welche sich eine Überdosis an Drogen gespritzt haben, muss
man sich, laut der interviewten Person, sehr wohl fragen, von wo diese Jugendlichen
die Drogen bekommen haben. Es sei dahin gestellt, ob es nun “in- oder ausländische”
Drogendealer_innen sind, welche diesen Kindern die Drogen verkaufen, wichtig ist in
jedem Fall, dass die Polizei Maßnahmen setzt, eben diesen Drogenhandel einzudämmen.
Somit sind laut dieser Person nicht die Maßnahmen der Polizei zu verurteilen, sondern
die mediale Hetze gegen Afrikaner_innen im Anschluss an die “Operation Spring”.
Eine weitere Frage an die interviewten Personen war, welche Auswirkungen eine derartige
Polizeiaktion auf andere Migrant_innengruppen haben kann. Diese Frage wurde nur von
den fünf Personen beantwortet, welchen die “Operation Spring” geläufig ist. Es wurde
dabei einerseits geantwortet, dass dies Unsicherheit und auch Angst vor Übergriffen
durch die Polizei erzeugt und andererseits auch Klischees fördert. Solche polizeilichen
Aktionen verstärken, laut einer befragten Person, das Bild der Menschen, dass alle
“Ausländer_innen” Verbrecher sind, denn wenn über 100 Afrikaner_innen festgenommen
werden und ein Teil zu Haftstrafen verurteilt wird, dann entsteht zwangsläufig der Eindruck,
dass diese Personengruppe kriminelle Tendenzen hat. Dass aber die Verurteilungen zum
Teil nicht gesetzeskonform waren, daran erinnert sich nach kurzer Zeit niemand mehr.
Eine weitere interviewte Person meinte, es sei nicht zu leugnen, dass in Österreich
263
die Fremdenfeindlichkeit gestiegen ist, dies hat vor Allem auch damit zu tun, dass viele
Österreicher_innen Angst um ihre eigene Identität haben. Eine Person vertrat die Meinung,
dass eine Polizeiaktion wie die “Operation Spring”, wieder die gleichen Auswirkungen
haben würde, da die Gesellschaft selten aus ihren Fehlern lernt.
Die letzte Frage in den Interviews betraf die nachhaltigen Auswirkungen der “Operation Spring” auf die heutige Situation. Auch diese Frage wurde wieder von den fünf
Interviewten beantwortet, welche Kenntnisse zur Aktion besitzen. Ein_e Befragte_r
beantwortete diese Frage mit “Ja”, und fügte hinzu, dass die Hemmschwelle bezüglich
derartiger Übergriffe niedriger und die Akzeptanz solcher Ein- bzw. Übergriffe durch die
Gesellschaft höher wird. Eine weitere Person meinte, dass es Schwarzafrikaner_innen
generell schwer in Österreich haben, da sie aufgrund ihrer Hautfarbe auf Anhieb auffallen.
Die “Operation Spring” hat dem/der Interviewten zufolge etwas dazu beigetragen, dass
diese Personen nunmehr noch skeptischer als vorher betrachtet werden. Es sollte jedoch
jeder vernünftig denkende Mensch wissen, dass man den Charakter einer Person nicht
nach seiner bzw. ihrer Hautfarbe beurteilen kann. Entsprechend der Auffassung einer
interviewten Person hat diese Polizeiaktion vielen Afrikaner_innen das Leben hier in
Österreich schwer gemacht, denn dieses Klischeedenken ist auch heute noch in den Köpfen
vieler Österreicher_innen verankert. Eben dieser Ansicht war auch eine weitere befragte Person. Lediglich ein_e Interviewpartner_in meinte, dass die Auswirkungen dieser
Aktion in der heutigen Bevölkerung eher gering ist, aber die Tatsache, dass durch diese
Polizeiaktion die Fremdenfeindlichkeit und auch die Ängste gegenüber allem Fremden
geschürt wurden und auch bis heute anhalten bleibt bestehen.
8.2.1.1 Marcus Omofuma
Marcus Omofuma war ein damals 25-jähriger Asylwerber aus Nigeria, welcher aufgrund
der Ablehnung seines Asylantrags, in seine Heimat abgeschoben werden sollte. Der
Rücktransport sollte mittels Flug der Balkan-Air von Wien nach Sofia erfolgen. Nach
Angaben der Polizei habe Omofuma während des Fluges getobt, weshalb seine Arme und
Beine gefesselt, sein Brustkorb und auch sein Hals am Sitz “fixiert”, sowie Mund und
Teile der Nase mit Klebeband verklebt wurden. Diese Knebelung wurde mit Bissgefahr
begründet. Während des Fluges am 1. Mai 1999 erstickte der Schubhäftling.12
Bei der Ankunft in Sofia konnten die drei Beamten nur mehr den Tod Omofumas feststellen.
Die sofort in Sofia, vom Gerichtsmediziner Stojcho Radanov, durchgeführte Obduktion
fand Spuren eines Klebebandes in seiner Nase. Radanov machte aufgrund dieser Autopsie
das Verschließen des Mundes und auch die Fesselung des Brustkorbes Omofumas für
dessen Tod verantwortlich.13
Anselem Uche Njoku, der Geschäftsführer der Black Community Linz, weist im Interview
darauf hin, dass andere an Bord des Flugzeugs befindliche Passagiere die Beamten über
die Atemnot von Omofuma informiert hätten. Allerdings wurden diese Hinweise vom
Sicherheitspersonal nicht ernst genommen.14
Das Innenministerium gab nach dem Vorfall an, Marcus Omofuma wäre, aufgrund seines
Widerstands gegen die Beamten, selbst an seinem Tod Schuld gewesen. Die Neue Kronen
12
vgl. Knauer 2009, S. 23
vgl. Ebermann 2007, S. 149
14
Interview mit Njoku 2011b
13
264
Zeitung berichtete in der Ausgabe vom 5. Mai 1999 mit der Schlagzeile “So tobte der
Schubhäftling“ und stellte Omofuma als einen nicht zu bändigenden Wilden dar.
Es folgten friedliche Proteste von Afrikaner_innen in Österreich, bei denen Kerzen und
Blumen in Gedenken an Marcus Omofuma niedergelegt wurden. Diesen Protesten schlossen
sich zunehmend Nicht-Afrikaner_innen an und es entflammte eine heftige Debatte über
Abschiebungspraktiken, welche durch die “Operation Spring” beendet wurde.15
8.2.1.2 Obiora C-Ik Ofoedu
Der aus Nigeria stammende politische Aktivist wurde im Zuge der Operation Spring als
Charles Ofoedu bekannt. Er war Mitglied der “Plattform für eine Welt ohne Rassismus“
und wurde in den Tagen nach der Operation als Kopf eines international agierenden
Drogenrings gehandelt.
Bekannt wurde Ofoedu vor allem durch seinen Satz “leave your business and join the
demonstration“, der vom Innenministerium als erteilter Urlaubstag, welcher die vermeintlichen Mitarbeiter_innen des Drogenrings für die Demonstration von ihrer Arbeit
freistellte, ausgelegt wurde. So wurde die Aussage auch den Medien präsentiert, welche
danach vielfach von einer Art “Firmenstruktur“ berichteten, an deren Spitze Ofoedu stand.
Das Innenministerium wertete die Teilnahme an den Demonstrationen als Flucht auf die
“rassistische Schiene“, vermutlich um Rückhalt in der Bevölkerung zu erlangen. In den
Medien wurde dies als besonders dreist kommuniziert.
Der damalige Generaldirektor für Sicherheit, Michael Sika kommentierte wie folgt:
“Die Drogenhändler würden auf die ’rassistische Schiene’ setzen. [...] Wir
haben auf Band, dass der Chef der Bande den Mitarbeitern auf unterster
Ebene einen Tag freigegeben hat, damit sie an der Demonstration gegen
Polizeiübergriffe teilnehmen konnten. [...] Wir wissen, dass einige an der
Mahnwache (für Marcus Omofuma) beteiligt waren.” (APA 27. Mai um
13.50)16
Nach dreimonatiger Untersuchungshaft musste die Justiz die Vorwürfe aufgrund von
Beweismangel fallen lassen und Ofoedu arbeitete weiter für die Plattform.
“Schon unmittelbar nach seiner Verhaftung herrschte in der Plattform die
Meinung, dass Charles aus politischen Gründen als Drogenboss konstruiert
werden sollte.” 17
8.2.1.3 Emmanuel Chukwujekwu
Auch er wurde als einer der Bosse des Drogenrings gehandelt und verbrachte vier Jahre
und neun Monate in Untersuchungshaft, nachdem er in erster Instanz zu neun Jahren
Haft verurteilt, jedoch in zweiter Instanz freigesprochen wurde. Chukwujekwu wurde im
letzten Operation-Spring-Prozess am 29. Dezember 2005 für schuldig befunden, allerdings
15
vgl. Schleicher 2009, S. 110
Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 36
17
Ebd., S. 13
16
265
nicht mehr als “Boss“, sondern als “Verpacker“.18 Hierzu ist festzuhalten, dass es sich bei
einem “Verpacker” um eine Person handelt, welche die Drogen verpackt.
Er wurde in diesem Prozess zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt – die
gleiche Zeit, die er bereits in Untersuchungshaft verbracht hatte. Gegen das Urteil wurde
Nichtigkeitsbeschwerde eingebracht und es ist nicht rechtskräftig.
Wie auch bei Charles Ofoedu liegt die Vermutung nahe, dass die Verurteilung politisch
motiviert war.
8.2.2 Der große Lauschangriff
8.2.2.1 Entwicklung
Nach der aus dem Jahr 1867 stammenden Garantie des Artikel 9 Staatsgrundgesetz, ist
das Hausrecht unverletzlich. Die einzige Ausnahme eines denkbaren Eingriffes in das
Hausrecht ist die Hausdurchsuchung. Österreich gab im Jahr 1958 der Europäischen
Menschenrechtskonvention Verfassungsrang. Nicht entnehmen lässt sich aus dem Artikel 8
Abs. 1 MRK allerdings eine Beschränkung auf den Schutz gegen Hausdurchsuchungen. Der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechtsfragen hat jedoch die Frage offen gelassen, ob
für die von außen vorgenommene heimliche Überwachung das gleiche gilt. Eine gesetzliche
Regelung des Anbringens technischer Überwachungsgeräte in Räumen zum Zwecke der
Strafverfolgung existiert zur Zeit noch nicht. Nach langen Verhandlungen hat sich die
Österreichische Regierung jedoch auf die Einführung des “großen Lauschangriffs“ zu
Strafverfolgungszwecken geeinigt. In Kraft getreten sind die gesetzlichen Grundlagen am
1. Jänner 1998. Hierzu ist festzuhalten, dass es massive Kritik seitens Oppositionsparteien
gab. Sie haben dieses Gesetzesvorhaben mit der Begründung abgelehnt, dass es “in dieser
Form rechtswidrig“ sei.19
“Von einem ’kleinen Lausch- und Spähangriff’ spricht man, wenn ein verdeckter Ermittler alle an ihn gerichteten Äußerungen heimlich Mittels Bildund Tonaufzeichnungsgeräten festhält und anschließend die Aufnahmen auch
der Behörde zugänglich macht.” 20
“Der ’große Lausch- und Spähangriff’ wird durch das kontrollierte Abhören
oder Aufzeichnen von Gesprächen oder Sicherheitsbehörden ohne Beisein eines
Beamten bestimmt. Es werden dabei per Richtmikrofon, Wanze oder mit
anderen Mitteln fremde Gespräche abgehört und aufgezeichnet.” 21
Laut dem Rechtsschutzbeauftragten Rudolf Machacek sind Maßnahmen, wie der große
Lausch- und Spähangriff und die Rasterfahndung, aufgrund der Tatsache, dass sie die
Grundrechte von Personen durchbrechen, die schärfsten Mittel welche in einem Rechtsstaat
eingesetzt werden können. Bei der “Operation Spring” erfolgte die erste, sowie die bisher
größte Anwendung des großen Lausch- und Spähangriffs.22
18
Schleicher 2009, S. 110
vgl. Müller 2000, S. 131 f.
20
Primig 2002, S. 15
21
Ebd.
22
vgl. Bundesministerium für Inneres 2001
19
266
8.2.2.2 Anwendung bei der “Operation Spring”
Der große Lauschangriff war eine polizeiliche Aktion, welche zum Inhalt hatte, einen
angeblich in Österreich, sowie auch international fungierenden nigerianischen Drogenring
auszuheben. Diese Aktion hatte den Decknamen “Operation Spring“ und war die größte
polizeiliche Aktion in Österreich seit 1945. Hierbei wurde auf modernste Spionagetechnik
zurückgegriffen, wie beispielsweise versteckte Minikameras und Mikrofone, sogenannte
Wanzen. Allerdings stellte sich im Zuge der Recherchen heraus, dass die Bild- und Tonaufnahmen sehr schlecht waren. Die gesamte Aktion wird im Film “Operation Spring” auch
als eine Revanche der Polizei für die Demonstrationen nach dem Tod des Schubhäftlings
Marcus Omofuma bezeichnet.23
Marcus Omofuma wurde abgeschoben und starb bei seiner Ausweisung aus Österreich in
einem Flugzeug. Daraufhin organisierten Schwarze in Wien einen Protest gegen polizeiliche
Gewalt. Diese Aktion wurde von der Polizei dokumentiert und angeblich sind auf diesem
Bildmaterial auch die vermeintlichen Drogenbosse des nigerianischen Drogenrings zu sehen.
Folgend forschte die Exekutive nach und stellte fest, dass das vermeintliche Hauptquartier
das Chinarestaurant “Willkommen” sein sollte, welches sich mitten in Wien befindet.
Im Anschluss an diese Erkenntnis verwanzte die Polizei dieses Lokal, um an Bild- und
Tonaufnahmen zu gelangen. Aufgrund von diesem Videomaterial wurden in weiterer
Folge über 100 Schwarzafrikaner_innen festgenommen. Die Polizei feierte diese Aktion als
Fahndungserfolg. Viele Schwarze wussten nicht einmal warum sie festgenommen wurden
und es wurde ihnen auch beim Verhör nicht mitgeteilt.
Der Staat Österreich und die Polizei hatten viele Millionen Schilling in die Technik
investiert und die “Operation Spring” war auch eine große Bewährungsprobe für diese
Technik. Würde man feststellen, dass die Verurteilungen aufgrund der Unbrauchbarkeit
der Video- und Tonaufnahmen nicht möglich sind, wäre dies eine große Blamage für die
österreichische Polizei und den Staat. Es würden somit in weiterer Folge viele unangenehme
Fragen auftauchen, wie beispielsweise, warum man so viel Geld in eine Technik, welche
offensichtlich nicht funktioniere, investiert hätte. Dies alles spielte bei den Verurteilungen
mit und es hatte den Anschein, als würden alle Beamt_innen stillschweigend am selben
Strang ziehen um genau dies zu verhindern.
Ein weiteres Problem stellten die zeitlich nicht synchronisierten Aufnahmen dar. Das
heißt, man konnte nicht feststellen, ob die Person, die soeben das Lokal, das ebenso von
außen gefilmt wurde, betreten hat, auch tatsächlich die Person ist, die jetzt auf dem Video
zu sehen ist. Es wurde weiters aufgrund der Probleme mit den aufgezeichneten Stimmen
ein zweiter Dolmetscher herangezogen, der alles noch einmal übersetzte und sich auch an
der Stimmenidentifikation versuchen sollte. Der neue Übersetzer konnte z.B. feststellen,
dass ein Verdächtiger gar nicht die Person auf dem Video sein kann, weil der Mann der
zu sehen ist, einen anderen Dialekt spräche, als der vermutete Verdächtige selbst. Diese
Tatsache wurde jedoch vom Rechtsanwalt nicht beachtet.
Alle ca. 120 Verfahren endeten mit Schuldsprüchen und immer mit derselben Beweislage.
Entweder wurde der Beschuldigte aufgrund des Video- und Tonmaterials oder der Aussage
eines anonymen Zeugen verurteilt.24
Laut dem Bildungsleiter der oberösterreichischen Gewerkschaft, Sepp Wall-Strasser, ist es
eine rassistische Diskriminierung, wenn gewisse Vorurteile, die es bereits in verschiedenen
23
24
vgl. Schuster und Sindelgruber 2007
vgl. ebd.
267
Bevölkerungsgruppen gibt, weiterhin auf eine Randgruppe übertragen werden. Dass durch
informativ falsche Schlagzeilen einer Zeitung, das stereotype Bild vom afrikanischen
Drogendealer weiter forciert wird, ist vielen nicht bewusst. Laut Wall-Strasser gibt es
auch den drogendealenden Schwarzafrikaner, jedoch soll nicht davon ausgegangen werden,
dass in jedem/jeder Afrikaner_in ein_e Drogenkurier_in steckt. Die damalige Aktion
“Operation Spring“ zeigt auf, wie brutal mit dem Thema Rassismus umgegangen wurde.
Laut dem Bildungsverantwortlichen des oberösterreichischen Gewerkschaftsbundes war
es für die Kriminalstatistik oder für das damalige Innenministerium kein großer Erfolg,
auch wenn es nach außen hin so propagiert wurde. Dank einiger Zeitungen werden die
Vorurteile gegenüber Schwarzafrikaner_innen nicht weniger.25
Ähnlicher Meinung wie Wall-Strasser ist auch Franz Leidenmühler, Vorstand des Instituts
für Europarecht an der Johannes Kepler Universität Linz. Viele Medien sind strukturell
rassistisch, da in manchen Zeitungen ein_e Täter_in, speziell wenn er/sie aus dem
Ausland stammt, die Herkunft und das Profil genau beschrieben werden. Deshalb ist
es kein Wunder, warum viele Menschen ein erstes falsches Bild im Kopf haben. Dass es
natürlich Afrikaner_innen gibt, die Drogen schmuggeln und verkaufen, sei nicht ganz die
Unwahrheit. Jedoch findet so eine Vorgehensweise in einem kleinen und begrenzten Raum
statt. Falls so ein_e Afrikaner_in Drogen verkauft, tut er/sie dies oft bloß, weil er/sie
überleben muss und viele Asylwerber_innen auch keine Arbeitsgenehmigung bekommen.
Ob die Verurteilten ein faires Verfahren erhielten, kann Leidenmühler nicht mit Sicherheit
beantworten, jedoch weiß er aus eigener Erfahrung, wie groß die Spannbreite im Bereich des
Strafwesens ist und dass es zu gleichen Vergehen oft unterschiedliche Urteile gibt. Jedoch
gibt es in Wien schon erste Versuche, Afrikaner_innen und Österreicher_innen näher
zusammenzubringen, vor allem, um gegenseitige Vorurteile abzubauen. Es ist ein erster
guter Weg, jedoch gehört so eine Vorgehensweise noch weiter forciert und gefördert.26
Um die Einstellung gegenüber polizeilicher Überwachung zu erfassen, wurden die mittels
Flash-Interviews befragten Personen diesbezüglich befragt. Es kristallisierte sich bei der
Mehrheit der Befragten heraus, dass die Methoden von polizeilicher Überwachung sehr in
die Privatsphäre eingreifen, eine Überwachung jedoch möglich bzw. erlaubt sein soll, wenn
ein dringender und vor allem auch begründeter Tatverdacht einer kriminellen Handlung
besteht. Voraussetzung dafür aber ist, dass solche Überwachungen zielführend eingesetzt
werden müssen, der Schutz der Daten gegeben sein muss und auch kein Missbrauch und
keine Manipulation auftreten darf. Laut einem/einer Interviewpartner_in ist eine Überwachung aufgrund der eben angeführten Tatsachen zu billigen, jedoch sei es viel wichtiger,
an der Bildung für alle Menschen, an Offenheit und an Toleranz zu arbeiten. Eine Person
lehnt die polizeiliche Überwachung in Form von Lauschangriffen oder Telefonabhörungen
strikt ab, da diese Maßnahmen zu sehr in die Privatsphäre eines jeden Menschen eingreifen
und in vielen Bereichen auch der Missbrauch dieser Instrumente niemals ausgeschlossen
werden kann. Die Entscheidung über ein geeignetes Kontrollinstrument ist mit Sicherheit
eine sehr schwierige Gratwanderung zwischen persönlicher Freiheit und gesamtgesellschaftlicher Sicherheit. Lediglich eine Person gab auf diese Frage die Antwort, dass es ihm bzw.
ihr eigentlich egal sei.
8.2.2.3 Rechtliche Grundlage
1997 wurde vom Nationalrat mit den Stimmen der SPÖ, der ÖVP und der FPÖ das
“Bundesgesetzblatt über besondere Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung schwerer
25
26
Interview mit Wall-Strasser 2011
Interview mit Leidenmühler 2011
268
oder organisierter Kriminalität” verabschiedet. Aufgrund dieser Gesetzesänderung wurden
die Befugnisse der Exekutive erweitert, denn bislang standen ihnen nur Ermittlungsmaßnahmen wie die Observation, die verdeckte Ermittlung, die Telefonüberwachung und
auch das Informantenwesen zur Verfügung. Allerdings dürfen diese Ermittlungsmethoden
nur dann eingesetzt werden, wenn die bisherigen Methoden nicht zielführend erscheinen oder bereits gänzlich ausgenutzt und durchgeführt wurden. Dieses neu beschlossene
Bundesgesetz wurde ursprünglich nur für eine vierjährige Dauer, also bis 31. Dezember
2001, befristet. Eine Gefahr im “Überwachungsstaat” und auch einen Eingriff in den
Privatbereich, sowie auch in die Grundrechte der österreichischen Verfassung sahen die
Datenschutzorganisationen und auch die Kritiker_innen in diesen Maßnahmen. Dieses
Gesetz wurde schlussendlich in der ersten Regierungsperiode der ÖVP-FPÖ-Koalition ins
Dauerrecht überführt.27
Daher wurde die Überwachung nichtöffentlicher Äußerungen und das Verhalten von
Personen durch technische Mittel legitimiert. Es waren Bild- und Tonübertragungen
zulässig und durften als Beweismittel heran genommen werden, und das obwohl so eine
Vorgehensweise selbst von Kenner_innen umstritten ist. Das heißt, dass es der Polizei
gestattet ist, nur durch Verdachtsmomente solche Gruppen zu observieren. Hierzu ist
festzuhalten, dass vielen Personen nicht klar ist, wie überwacht manche Gruppen durch
den damaligen Beschluss der ÖVP-FPÖ-Koalition sind.
Der im Zuge einer Strafrechtsreform eingeführte “Lausch- und Spähangriff” sorgte in den
Medien für Aufsehen. Selbst Befürworter_innen des Lausch- und Spähangriffs traten für
eine Beschränkung desselben auf die StPO ein, da es sich um einen schwerwiegenden
Eingriff in die Intimsphäre der Bürger_innen handelt, so einige Begründungen. Es
wurde auch der Vorschlag gemacht, die Termini “Lauschangriff“ oder “Spähangriff“ durch
“akustische Beweissicherung“, “Elektronische Wohnraumüberwachung“ oder auch mit
“Verbrechensbekämpfung mit elektronischen Mitteln“ zu umschreiben, da die verwendeten
Begriffe in Österreich sehr negativ belastet sind.28
Laut Ÿ 54 (2) Z 3 SPG ist die Observation dann zulässig, wenn die Abwehr gefährlicher
Angriffe oder krimineller Verbindungen gefährdet oder erheblich erschwert wäre. Das
heißt, ein konkreter Verdacht gegen einen bestimmten Menschen muss nicht bestehen, es
genügt ein auf Tatsachen gegründeter Verdacht.
Durch Ÿ 54 (4) SPG ist geregelt, dass die Ermittlung personenbezogener Daten nur
für die Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen zulässig ist. Bei
der Betrachtung der Definition eines gefährlichen Angriffs kommt man jedoch zu dem
Schluss, dass der Einsatz von Aufzeichnungsgeräten nur für Zwecke der Feststellung der
Gefahrenquelle legitimiert ist, und nicht der Vorbeugung wahrscheinlicher gefährlicher
Angriffe und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung vorgesehen ist.29
Die Mängel am Observationsverfahren, wie zum Beispiel voneinander unabhängige Tonund Bildaufnahmen und zweifelhafte Übersetzungen, mussten vor Gericht erklärt werden.
Auf den Überwachungsvideos wurden von der SEO (= Sondereinheit für Observation) 234
“suchtmittelrelevante Handlungen“ und 65 “Manipulationen mit Geldmitteln“ festgestellt.
Es wurden Zuordnungen wie zum Beispiel: “X. trägt eine markante Jacke und Kappe“
vorgenommen.30
27
vgl.
vgl.
29
vgl.
30
vgl.
28
Knauer 2009, S. 42
Primig 2002, S. 14
ebd., S. 16
Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 33
269
“Der Lauschangriff sei gerechtfertigt gewesen, denn selbst ’wenn die Verhältnismäßigkeit in Hinblick auf eine schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit
bestritten wird, ist auf die verheerende Wirkung des Konsums sogenannter
harter Drogen auf die Gesundheit von vor allem jungen Menschen und den
hierdurch bewirkten enormen volkswirtschaftlichen Schaden zu verweisen, weswegen beim dringlichen Verdacht des Straßenhandels mit Heroin bzw. Kokain
eine schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit sehr wohl indiziert ist.’ (Zitat
aus einem Akt)” 31
8.2.3 Film “Operation Spring”
Der Dokumentarfilm “Operation Spring“ wurde von Angelika Schuster und Tristan Sindelgruber gefilmt, geschnitten und produziert. Die Idee für diesen Dokumentarfilm hatte
Tristan Sindlgruber bereits nach den Ereignissen rund um die “Operation Spring“. Nach
anfänglichen Schwierigkeiten konnte ein aussagekräftiges Konzept erstellt werden, mit welchem Sponsoren und Unterstützer_innen, wie das weltweit berühmte “Sundance Institute“,
gewonnen werden konnten.32
Der Kinostart erfolgte österreichweit am 23. September 2005. Seit dem Jahr 2007 ist die Dokumentation auf DVD verfügbar, produziert wurde sie von Schnittpunkt Filmproduktion
und erhältlich ist sie im Fachhandel oder direkt bei HOANZL.
Angelika Schuster und Tristan Sindelgruber wollten keinen Film über die Drogenproblematik machen, sondern über das Rechtswesen in Österreich.33 Die Beiden konnten
sich auf umfassende Zeitungsrecherchen, sowie auf schriftliche Berichte von Prozessbeobachter_innen beziehen. Im Zuge ihrer Recherchen stellte sich schnell heraus, dass sie
sich auf die neuen Ermittlungsmethoden konzentrieren. Um diese Themen aufarbeiten
zu können, recherchierten Schuster und Sindelgruber intensiv in Akten und Gesetzen.
Ihr Konzept beinhaltete auch, dass sie nur mit direkt beteiligten Personen und nicht mit
Pressesprecher_innen sprachen. 34
Der Film hatte in den österreichischen Kinos ca. 15.000 Besucher_innen, darunter auch
zahlreiche Richter_innen, Polizist_innen und Anwält_innen.35
8.2.4 Anonyme Zeugen
Da durch den Einsatz von Audio- und Videoüberwachung keine neuen Erkenntnisse
gewonnen werden konnten, welche nicht schon bereits bekannt waren, befragten die
Behörden im Zuge der Ermittlungen anonymisierte Zeugen36 . Das bedeutete, dass die
Zeugen mit Vollvisierhelm, Strumpfmaske oder Rasta-Perücke ihren Auftritt hatten, ihre
Identität wurde offiziell vor den Angeklagten und ihren Anwält_innen verheimlicht. Die
Prozesse wurden ausschließlich auf belastenden Zeugenaussagen aufgebaut.37
31
Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 33 f.
vgl. RAY-Kinomagazin 2005, S. 22
33
vgl. Hin & Her 2005, S. 16
34
vgl. Schiefer 2005
35
vgl. Asyl aktuell 2005
36
Bei den anonymisierten Zeugen handelte es sich ausschlieÿlich um männliche Zeugen, daher wird in
diesem Zusammenhang keine geschlechterneutrale Schreibweise angewandt.
37
vgl. Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 73
32
270
Bei den Einzelfällen, für jede_n Beschuldigte_n war ein separates Verfahren notwendig,
kamen anonyme Zeugen zum Einsatz. Es wurde erst später bekannt, dass ein anonymer
Zeuge gleichzeitig an verschiedenen Orten, nämlich Wien und St. Pölten, gewesen sein
soll. Von dort soll er beobachtet haben, wie der Angeklagte Drogen verkauft hat. Die
Rechtsanwälte kamen erst später auf diesen Widerspruch, da die Prozesse der Einzelfälle
unabhängig voneinander geführt wurden und auch viele Rechtsanwälte gleichzeitig daran
beteiligt waren. Diese Tatsache hätte zu einer erneuten Austragung des Prozesses führen
müssen, doch dazu kam es nie.38
Die Möglichkeit anonyme Zeugen zu vernehmen, ist bereits seit Anfang der 1990er Jahre
möglich. Medial wurde die Vernehmung dieser Zeugen in Verbindung mit den nachfolgenden Prozessen der “Operation Spring“ thematisiert. Im Zuge der “Operation Spring“ wurden
sieben anonyme Zeugen am Landesgericht für Strafsachen in Wien und sechs anonyme
Zeugen am Jugendgerichtshof in Wien vernommen. Durch die vollständige Vermummung
dieser Zeugen führten diese Verhöre zu medialer Aufregung und Expert_innenkritik, da
das Gericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen nicht beurteilen könne.
Auffällig ist, dass ausnahmslos Männer anonymisiert wurden. Es waren einige Frauen in
einem Zeug_innenschutzprogramm, jedoch waren sie nicht anonymisiert. Trotz der von
Gericht und Polizei inszenierten Bedrohungen verweigerte das Innenministerium jeden
weiteren Zeug_innenschutz. Somit waren die einzigen wahrnehmbaren Auswirkungen des
Zeug_innenschutzprogramms, dass die Aussagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit oder
unter Ausschluss der Angeklagten stattfanden. Im Laufe der Verhandlungen gab es auch
unterschiedliche Konsequenzen, bei zwei anonymisierten Zeugen war die von der Justiz
verhängte Strafe so hoch, dass sie sich aus Zorn entanonymisieren ließen, weil sie aus der
Abmachung mit Polizei und Gericht aussteigen wollten.39 Ein entanonymisierter Zeuge
widerrief alle seine getätigten Aussagen. Er behauptete auch, dass sämtliche Aussagen
von ihm falsch sind. Doch auch diese Tatsache führte zu keiner einzigen Neuaustragung
eines Prozesses.40 Bei allen vier Kronzeug_innen aber wurde das Verfahren niedergelegt,
da sie voll geständig waren. Obwohl es die große Kronzeug_innenregelung in Österreich
noch nicht gab, wurden ihre Verfahren eingestellt. In Österreich existiert nur die Form
der kleinen Kronzeug_innenregelung, das heißt, es gibt für aussagewillige Kompliz_innen
keine Straffreiheit, sondern höchstens Straferleichterung.41
Ein_e Kronzeug_in ist bereit, andere Personen zu belasten. Im Gegenzug für diese
getätigte Belastung gibt es eine Strafmilderung im eigenen Verfahren. Diese Regelung ist
seit Juli 1997 rechtskräftig. Als Grund für die Einführung der Kronzeug_innenregelung
wurde genannt, dass gegen die organisierte Kriminalität die herkömmlichen Ermittlungsmethoden nicht mehr ausreichen würden. In den meisten Ländern sind diese Kronzeug_innenregelungen mit einem sehr aufwändigen Zeug_innenschutzprogramm verbunden, das den Kronzeug_innen eine neue Identität garantiert.42
In den Operation-Spring-Prozessen mussten die Angeklagten in einem Nebenzimmer des
Gerichtssaals die Aussagen der Kronzeug_innen abwarten. Dabei wurden sie gefilmt und
über Video in den Gerichtssaal übertragen. Die Aussagen wurden in Folge in wenigen
Sätzen zusammengefasst. Es gab für die Angeklagten keine Möglichkeit, die Zeug_innen
zu befragen oder die vollständige Aussage zu hören. Der Ort und die Zeit des Deliktes
blieben in den Verhandlungen verschwiegen, um die Anonymität der Zeug_innen zu
38
vgl.
vgl.
40
vgl.
41
vgl.
42
vgl.
39
Schuster und Sindelgruber 2007
Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 74
Schuster und Sindelgruber 2007
Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 74
ebd., S. 75
271
schützen. Somit hatten die Angeklagten und dessen Verteidiger_innen keine Chance, sich
zu verteidigen.
Laut Aussage eines Polizisten gab es insgesamt acht bis neun anonymisierte Zeugen.
Davon waren zwei Weiß, diese waren nur befristet anonymisiert. Teilweise waren die
Namen und Daten der Zeugen nicht einmal dem Gericht bekannt. Vor Gericht tauchten
die anderen Beweise nicht auf, auf die die Ermittlungsbehörden immer wieder hingewiesen
hatten. Die umfangreichen Aussagen der anonymisierten Zeugen blieben oft die einzigen
Verurteilungsgründe.
Alle anonymen Zeugen hatten in den Verhandlungen einen ähnlichen Werdegang. Während
früherer Gefängnisaufenthalte wurden sie zum Teil von der Polizei zur Zusammenarbeit
aufgefordert und waren seit Monaten Informant_innen der Polizei. Ihre Aufgabe war
es, möglichst viele Organisationen aufzuspüren. Außerdem sollten sie wissen, welche Art
von Aussagen von ihnen erwartet wurden. Dabei lieferten sie Informationen in einer
Fülle, die den Eindruck erweckte, dass sie über ein übermenschliches Personengedächtnis
verfügten. Insbesondere der anonymisierte Zeuge Nummer Eins erstaunte die Prozessbeobachter_innen durch seine Aussagen zu verschiedensten Personen und Orten. Es scheint,
als hätte er gleichzeitig Personen in Wien, Mödling und St. Pölten beobachtet, was auch
die Frage aufwarf, wie er noch die Zeit fand, die Schule zu besuchen. Dieser Zeuge wurde
im Zuge der Telefonüberwachung und Beobachtung im Frühling 1999 verhaftet. Die Polizei
suchte offensichtlich die Überwachungsvideos nach Personen ab, die schon vorher immer
wieder Informationen an die Polizei gegeben haben, und baute sie dann als anonyme
Zeugen auf.43
Die anonymen Zeugen wurden gebraucht, um die Gefangenen zu verurteilen. Nach dem
Prozess wurden sie jedoch meist nicht bevorzugt behandelt. Ein anonymer Zeuge wurde
z.B. zu dreieinhalb Jahren verurteilt, dies stellt keine Belohnung für die Belastungen,
welche er der Justiz geliefert hat, dar.44
Alle Verfahren endeten mit Schuldsprüchen und immer mit derselben Beweislage, es
wurde entweder der Beschuldigte aufgrund des Video- und Tonmaterials, oder aufgrund
einer Aussage eines anonymen Zeugen verurteilt. Bis heute weiß man nicht, wie viel
Rauschgift tatsächlich gefunden wurde, laut Recherchen war dies jedoch nicht die erwartete
Menge. Verurteilungen erfolgten auch aufgrund von polizeilichen Hochrechnungen und
Schätzungen. Dabei wurde eine Drogenmenge, welche an einem Tag abgesetzt werden
konnte, angenommen und diese Menge wurde anschließend auf die Tage, die der Angeklagte
bereits in Österreich verbracht hatte, hochgerechnet.45
“Nur ein Beispiel: Bei einem afrikanischen Dealer beobachteten zwei anonyme Zeugen sowie ein nicht mehr “greifbarer“ Zeuge in einem Zeitraum
von mehreren Monaten insgesamt drei Verkäufe kleinerer Drogenmengen. “Im
Zusammenhang mit dem Umstand, dass der Angeklagte keiner geregelten
Beschäftigung nachgeht“, errechnete der Richter mittels einer “Hochrechnung“
(so der Wortlaut des Urteils) allein anhand dieser drei Drogengeschäfte einen
möglichen Tatzeitraum von ca. 32 Wochen und verurteilte so den Angeklagten
aufgrund einer Menge von 400 Gramm Heroin und Kokain.” 46
43
vgl. Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 77 f.
vgl. ebd., S. 79
45
vgl. Schuster und Sindelgruber 2007
46
Kravagna 2004, S. 64
44
272
Ute Bock bezeichnete die Verurteilungen als eine bewusste Zerstörung von Menschenleben.47
Ute Bock ist Erzieherin in Wien, sie kümmerte sich viele Jahre um Jugendliche. In ihrem
Heim wurden im September 1999 mehr als 30 Jugendliche, sowie auch junge Erwachsene,
aufgrund des Verdachts des Drogenhandels festgenommen. Sie wurde daraufhin wegen
Bandenbildung und auch Drogenhandels angezeigt. Diese Anzeige hatte eine kurzfristige
Suspendierung vom Dienst zufolge. Nach der Aufhebung der Suspendierung und auch
nachdem die Anklage gegen sie fallengelassen wurde, verbot ihr die Gemeinde Wien
weiterhin afrikanische Asylwerber_innen in ihren Heimen unterzubringen. Sie organisierte
deshalb private Wohngemeinschaften, welche sie in ihrer Freizeit betreute und auch selbst
finanzierte.48
8.3 Das Bild des “afrikanischen Drogendealers”
8.3.1 Entstehung
Um der Frage auf den Grund zu gehen, weshalb Schwarze in der Öffentlichkeit mit dem
Vorurteil des Drogenhandels stigmatisiert sind, ist es wichtig, die Zusammenhänge zu
kennen. Wie hat sich dieses Vorurteil entwickelt und warum ist es so stark in den Köpfen
der Bevölkerung verankert?
“In Österreich sind die Schwarzen eine besonders gefährdete und dem Rassismus und der Diskriminierung ausgesetzte Gruppe; dies ist vor allem auf dem
Arbeitsmarkt, im Wohnungswesen, beim Zugang zu öffentlichen Orten, sowie
bei ihren Kontakten mit der Polizei augenfällig. Sie werden von einem Teil der
öffentlichen Meinung automatisch mit dem Drogenhandel, der Prostitution
und dem Asylmissbrauch in Verbindung gebracht.” 49
Für jegliche Vorurteile in der Gesellschaft, ist es für kritische Beobachter_innen von
Bedeutung, die Hintergründe bzw. jenen Teil der Wahrheit zu kennen, der als Basis für die
Entstehung von Stereotypen gilt. Aus diesem Grund muss für die Frage über den Kern der
Wahrheit des afrikanischen Drogendealers, eine Analyse über die Entstehungsgeschichte
und Entwicklung der Drogenszene in Österreich durchgeführt werden.
8.3.1.1 Historische Entwicklung der österreichischen Drogenszene
Von 1992 bis Mitte der 1990er Jahre erlebte die Drogenszene in Wien einen starken
Aufschwung. Über Jugoslawien kam Heroin mit einer bislang ungewohnt guten Qualität
nach Wien. Zu dieser Zeit beherrschten die Jugoslaw_innen zusammen mit wenigen
Nordafrikaner_innen die Szene. Ungefähr ab dem Jahr 1994 veränderte sie sich jedoch
sehr, da mit den ersten schwarzafrikanischen Dealer_innen auch Kokain ins Land kam,
welches nach und nach dem Heroin den Rang ablief.
Zu Beginn wurde Schwarzen in der Drogenszene, aufgrund ihres geringen Anteils, nur
wenig Beachtung von Seiten der Exekutive zuteil. Eine Statistik aus dem Jahr 1996 über
47
vgl. Schuster und Sindelgruber 2007
vgl. Verein Flüchtlingsprojekt Ute Bock 2011
49
Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) 2010a, S. 36
48
273
die Anzahl der Festnahmen im Zusammenhang mit Suchtgiftmitteln beziffert den Anteil
der Fremden mit 28 Prozent welche nach dem Suchtgiftgesetz angezeigt wurden. Dabei
machten Personen aus Jugoslawien und Kroatien mit 16 Prozent den größten Anteil aus
und nur 3,6 Prozent der wegen Verdacht des Suchtgifthandels festgenommen Personen,
stammten aus Nigeria.50 Doch die Behörden, sowie die Exekutive, waren nicht in der
Lage, mit den neuen Gegebenheiten umzugehen. Die Personen hinter den Dealer_innen
gaben sich im Gegensatz zu den Jugoslaw_innen nicht erkennen. Sie blieben stets im
Hintergrund und vermieden den direkten Kontakt mit den Käufer_innen, stattdessen
wickelten sie ihre Geschäfte durch Mittelsmänner und Mittelsfrauen ab.
Nach einer gewissen Zeit wurde den Schwarzafrikaner_innen ihre Hautfarbe zum Problem.
Die Süchtigen wussten daraus ihren Vorteil zu schlagen und kontaktierten die Personen
hinter den Dealer_innen direkt, denn jede_r Schwarze_r der sich in dieser Szene bewegte,
musste für sie logischerweise auch ein_e Drogendealer_in sein. Doch dieses Problem
münzten die Schwarzafrikaner_innen sofort zu ihrem Vorteil um. Sie entfernten die
Position der Vermittler_innen in ihrer Struktur und wurden dadurch noch effizienter, da
der Großteil der Vermittler_innen selbst süchtig war und dadurch ein erhebliches Risiko
und auch zusätzliche Kosten darstellte. Mit dieser Umstellung konnten die Jugoslaw_innen
und Nordafrikaner_innen nicht mehr mithalten und verloren vehement an Boden. Der
nächste Schritt der Schwarzafrikaner_innen ihr Angebot auch um Heroin und schließlich
auch anderen Drogen zu erweitern, war ein weiterer Verlust für die Jugoslaw_innen und
Nordafrikaner_innen. Durch diese Schritte hatten sich die Schwarzafrikaner_innen die
Drogenszene zu Eigen gemacht und alle anderen vom Markt verdrängt.51
Aus dieser historischen Aufbereitung der Drogenszene ergeben sich mehrere Fragen:
• Aus welchem Grund sind zu dieser Zeit so viele Schwarze in die Drogenszene
gerutscht?
• Warum gibt es verhältnismäßig viele schwarze Drogendealer_innen?
• Hatten die ersten schwarzen Drogendealer_innen keine Möglichkeit einen normalen,
legalen Job zu finden, oder war es die Aussicht auf schnell verdientes Geld, welche
sie dazu trieb?
8.3.1.2 Entstehungsgeschichte des schwarzen Drogendealers
Neben vielen Erklärungsversuchen, welche im nächsten Punkt einer genaueren Betrachtung unterworfen werden, stößt man oft auf den Zusammenhang von Drogenhandel mit
Abschiebeverbot.
Es kursieren immer noch Gerüchte über ein Abschiebeverbot für Asylanwärter_innen aus
Nigeria, die nach dem Suchtgiftgesetz in Österreich angezeigt werden. Grund dafür ist,
eine zum Teil falsche Auslegung des Verbotes der Doppelbestrafung für ein und dieselbe
Straftat. Nach Art 4 des VII. Zusatzprotokolls zur EMRK darf niemand
“wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem
Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen
worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht
gestellt oder bestraft werden“.52
50
vgl. Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 28
vgl. Zäuner 2007, S. 176 .
52
Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 1958b
51
274
Auf dieses Verbot wird bei Abschiebeverfahren oft Bezug genommen, doch nach überwiegender Rechtsmeinung stellt selbst allein die Aussicht auf Doppelbestrafung kein
Abschiebeverbot dar. Das Verbot der Doppelbestrafung wird von der Justiz in vielen
Fällen als nicht zutreffend beurteilt. So entschied der österreichische Asylgerichtshof
am 7. Mai 2010, dass wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer_innen,
kein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat zu befürchten haben und
somit kein Grund für ein Abschiebeverbot auf Basis des Verbotes der Doppelbestrafung
besteht. Die Erkenntnisse, die zu dieser Entscheidung führten, wurden jedoch nicht durch
die österreichischen Behörden selbst geprüft, sondern lediglich aus einem Bericht des
Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland vom 11. März 2010 übernommen.53
Grund für das Heranziehen des Verbotes der Doppelbestrafung bei Abschiebeverfahren
für Asylwerber_innen aus Nigeria ist das Dekret Nr. 33 aus dem Jahr 1990 aus Nigeria. Dieses Dekret betrifft die Tatbestände der im Ausland begangenen Straftaten im
Zusammenhang mit Suchtgiftmitteln. Der offizielle Tatbestand des Dekrets lautet “Das
Ansehen Nigerias in Verruf bringen“, dies wird mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren
und dem Entzug des persönlichen Vermögens bestraft. Personen die im Ausland wegen
Drogendelikten bestraft wurden, können somit laut Amnesty International nach einer
Abschiebung mit einer Doppelbestrafung rechnen. Sie werden nach ihrer Abschiebung
entweder der nigerianischen Polizei oder der National Drug Law Enforcement Agency
(NDLA) übergeben, welche das Dekret 33 eingeführt hat und im Jahr 1994 sogar versuchte, die Todesstrafe für Drogenhandel in Nigeria einzuführen. Es gibt Berichte über
abgeschobene Straftäter_innen, die bei ihrer Ankunft in Nigeria von der Polizei verhaftet,
niedergeschlagen und gedemütigt wurden.54
8.3.1.3 Der Schwarze Drogendealer
Bevor man auf die Gründe für Afrikaner_innen eingeht mit Drogen zu dealen, muss klar
gestellt werden, dass Menschen sich diese Art des Einkommenserwerbs in den meisten
Fällen nicht freiwillig aussuchen. Denn jede Verhaftung ist nicht nur gleichzusetzen
mit einer Inhaftierung, sondern auch ein Ausweisungsgrund. Vor allem Menschen, die
keine andere Wahl haben und gewisse Vorbedingungen erfüllen (illegalisierter Aufenthalt,
Arbeitsverbot gekoppelt mit dem Fehlen jeglicher Sozialleistungen), gehen dessen Risiken
und miserablen Arbeitsbedingungen ein. Auch “unerwünschte Ausländer_innen” haben,
wie jede_r Andere auch, Bedürfnisse nach einem Wohnplatz, Kleidung und Nahrung,
die sie nur durch einen Beruf oder öffentliche Gelder befriedigen können. Durch ein
Verbot genehmigter Arbeit und einer Stigmatisierung durch die Öffentlichkeit werden
sie dieser Möglichkeit jedoch beraubt.55 Beatrice Achaleke, Obfrau des Vereins schwarze
Frauen Community in Österreich, versucht zu erklären, dass Personen mit schwarzer
Hautfarbe generell nicht den Vorsatz haben, durch den Verkauf von Suchtmitteln ihren
Lebensunterhalt zu verdienen. Sie wollen nicht diskriminiert werden, denn ihr Ziel ist es,
ein besseres Leben zu führen, als es ihnen in ihrem Heimatland möglich wäre. Jedoch gilt
die Hautfarbe als das stärkste Stigmata von allen und durch eben diese Diskriminierung
gegenüber Menschen mit schwarzer Hautfarbe rutschen laut Achaleke viele Schwarze in
die Drogenszene. Sie werden bereits zuvor nur wegen ihrer Hautfarbe mit Stereotypen
in Verbindung gebracht und bekommen von der österreichische Bevölkerung kaum eine
Chance, sich in ehrlichen Berufen zu versuchen.56
53
Österreichischer Asylgerichtshof (AsylGH) 2010
vgl. Hafner 2004
55
vgl. Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 240
56
vgl. Zäuner 2007, S. 173 .
54
275
8.3.2 Die “nigerianische Drogenmafia”
Als ein geglückter Schlag gegen die “nigerianische Drogenmafia” wurde die “Operation
Spring” verbreitet. Im Zuge dessen distanzierten sich viele, darunter auch die Grünen und
auch die gerade entstehende African Community wurde damit angegriffen.57
Der Haftantrag vom Mai 1999 gegenüber dem vermeintlichen Boss der Organisation gibt
Aufschluss darüber, dass es sich laut den Ermittlungsbehörden bei der “nigerianischen
Drogenmafia” um eine streng hierarchisch aufgebaute Organisation handle, welche von den
Prinzipien der Abschottung, des Vertrauens, sowie auch des Schweigens geleitet ist und
auch im Suchtmittelbereich spezialisiert ist. Diese beschriebene Täter_innengruppe verfügt
über eine interkontinentale Infrastruktur, welche sich in Form von Verbindungsstellen,
Zwischenstationen für diverse Geldwäscheaktivitäten und auch als Suchtmitteldepots
erkennbar macht, ist arbeitsteilig organisiert und hierarchisch strukturiert und versucht
sich auch in der Operationalisierung von Entscheidungsträger_innen in der Politik und
im öffentlichen Leben. Hierbei korrespondiert die nigerianische Drogenmafia laut der
polizeilichen Vorstellung in unübersehbarer Weise mit der italienischen Cosa Nostra, diese
dient als typisches Modell einer Drogenmafia.
Auffallend hierbei ist, dass diese Vorstellung von der nigerianischer Drogenmafia, als
eine unternehmensähnliche Institution mit internationalem Zuschnitt und Firmensitz, in
hohem Maß der späteren Medienberichterstattung und in weiterer Folge dem öffentlichen
Bild des nigerianischen Drogendealer gleicht.58
So berichtet die Neue Kronen Zeitung in ihrer Ausgabe vom 28. Mai 1999 von einem
“vernichtenden Schlag gegen das nigerianische Drogenkartell” 59 und einen Tag später
davon, “wie perfekt das Management dieser Verbrecherorganisation war”.60
8.3.2.1 Konzept der “nigerianischen Drogenmafia”
Die nigerianische Drogenmafia ist in Österreich ein sehr junges Phänomen. 850 Sicherheitskräfte verhafteten damals 27 Menschen aus afrikanischen Staaten und auch fünf Ungarn,
zwei Engländer, ein US-Amerikaner, eine Chilenin, sowie 15 österreichische Frauen. Unter
ihnen befanden sich die zwei mutmaßlichen Anführer des “nigerianischen Drogenkartells“,
dies waren der Schriftsteller Charles Ofoedu und ein weiterer Nigerianer. Laut der Polizei
hatte die “Firma“ ihr Hauptquartier im zweiten Stock eines China-Lokals namens “Willkommen”. Der damalige Leiter der Wiener Suchtgiftabteilung Herbert Stübler sagte in
diesem Zusammenhang gegenüber der Presse, dass nicht nur eine einfache Bande überführt
wurde, sondern man einen Kampf gegen einen internationalen Drogenring aufgenommen
habe.
Die “Operation Spring“ war jedoch nur der Auftakt für eine Reihe weiterer Drogenrazzien.
Seit dieser Polizeiaktion berichteten die Medien regelmäßig über weitere erfolgreiche,
von der Polizei durchgeführte, Razzien. Laut Bundeskriminalamt wurde verlautet, dass
es über 3.000 Drogendealer gebe. Gleichzeitig versicherte Roland Horngacher, Chef
des Bundeskriminalamtes, dass mit aller Härte gegen die “nigerianische Drogenmafia“
57
vgl. Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 20
vgl. Kravagna 2005, S. 277 f.
59
Hofer, Kopt und Niederl 1999, S. 8
60
Nöbauer 2004, S. 12 f.
58
276
vorgegangen wird. Damit wurde auch das Bild von der “afrikanischen Drogenmafia“ in
der Öffentlichkeit gestärkt.
Die Vorstellung der Polizei von dieser Drogenmafia wurde mit der “Cosa Nostra“ verglichen,
die praktisch als “idealtypisches” Modell einer kriminellen Organisation fungiert.
Um die Gesellschaft für sich zu gewinnen, beschreibt die Polizei diesen “nigerianischen
Drogenring“ als eine kriminelle und unternehmensähnliche Organisation, die gleichzeitig
gegen die Polizei mit antirassistischen Vorwürfen vorgeht.61
8.3.2.2 Fakten und Fiktionen
In Österreich basieren die Vorstellungen über die “nigerianische Drogenmafia“ meist aus polizeilichen Quellen, die medial verkündet wurden. Laut Kravagna stellen die Richer_innen
das “nigerianische Drogenkartell“ gar nicht in Frage, sondern nehmen es als gegeben
hin. Weiters nahm die Justiz an, dass das China-Lokal “Willkommen“ als Firmensitz der
der organisierten und kriminellen Organisation gedient habe. Zusätzlich vermuteten die
Richter_innen, dass dort ein reger Suchtgifthandel statt gefunden haben soll, männliche
Mitarbeiter geschult und falsche Pässe besorgt wurden.
Weiters begnügte sich die Justiz mit dem Hinweis, dass die Beweise von der “nigerianischen
Drogenmafia“ aus dem Lauschangriff, aus sonstigen polizeilichen Ermittlungsarbeiten und
auch von Aussagen der anonymen Zeugen stammten. Die Details wurden nicht näher
untersucht.
Zusätzlich fällt Kravagna auf, dass aufgrund der unkritischen Annahme der polizeilichen
Aufzeichnungen die Justizbeamt_innen einiges nicht beachtet haben. Erstens handelte es
sich bei der “nigerianischen Drogenmafia“ keineswegs um eine internationale Bande, da
diese höchstens einen lokalen Charakter aufgewiesen hat. Zweitens erfährt man kaum etwas
über Umsätze der Organisation und drittens gab es auch keine Details zur Führungsebene.
Auch in diesen Fällen vermutet Kravagna, dass man diese Gegebenheiten nicht beachtet
habe und die Urteile aufgrund subjektiver Annahmen der Polizei einfach hin nahm.62
8.3.2.3 Konstruktion der “nigerianischen Drogenmafia”
Weiters schreibt Kravagna, dass die “nigerianische Drogenmafia“ aufgrund der mangelnden
Beweise ein Konstrukt des österreichischen Staates ist. Viele Annahmen, die in erster
Instanz angenommen wurden, mussten in späteren Instanzen wieder zurückgenommen
oder abgeschwächt werden. Laut Kravagna gab es verschiedene Gründe, warum die Polizei
schnelle Urteile schloss und die Wahrheit der polizeilichen Aussagen oft nicht der Realität
entsprach. Sei es, weil schon eine Konzentration auf eine Strafverfolgung eine enge und
schon vorurteilende Sichtweise mit sich bringt, weil ein innerbürokratischer Wettbewerb
um Ressourcen und Anerkennung ein bestimmtes Bild des “organisierten Verbrechens“
fördert oder auch ganz einfach nur, weil der polizeiliche Staatsapparat der Exekutive eine
einheitliches und damit ein reduziertes Bild von einer “kriminellen Organisation“ haben
muss.63
61
vgl. Kravagna 2004, S. 66 f.
vgl. ebd., S. 71 .
63
vgl. ebd., S. 80 .
62
277
Weiters arbeiteten Polizei und Medien zusammen, um ein einseitiges Bild in der Öffentlichkeit zu erschaffen. Dies zeigt auch alleine, dass im Jahre 1999 die “nigerianische
Drogenmafia“ im Schussfeld der beiden Meinungsmacher standen. Laut Suchtmittelreport 1999 dominierten allerdings Türk_innen und jugoslawische Volksgruppen den
Suchtgifthandel in Wien und nicht etwa Afrikaner_innen.64
Zur damaligen Justiz ist zu sagen, dass die Ermittler_innen rund um “Operation Spring“
die Existenz eines “internationalen Drogenrings“ nicht in Frage stellten, was ein auf ein
Desinteresse für Hintergrundinformationen und tatsächlichen Geschehnissen schließen
lässt.
Kravagna war wie der damalige Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Michael Sika
der Meinung, dass man Drogendealer_innen nach dem Strafgesetzbuch abstraft, aber die
dahinterstehende kriminelle Organisation aufgrund eines zu hohen Arbeitsaufwandes nicht
genauer untersucht. Daher kann auch nicht behauptet werden, dass es die “nigerianische
Drogenmafia“ tatsächlich in diesem Ausmaß, wie anfangs geschildert wurde, überhaupt
gab.65
8.3.3 Stereotyp “Schwarz = Drogendealer“
8.3.3.1 Woher kommt das Vorurteil?
Schwarzafrikaner_innen wurden durch die steigende Migration nach Europa und ihre
visuelle Auffälligkeit Ende der 1990er Jahre zu einem Ziel für die Polizei. Sie wurden
verstärkt Ausweiskontrollen und Strafverfolgungen unterzogen und standen unter stärkerer
Beobachtungen als Inländer_innen oder Asylwerber_innen mit hellerer Hautfarbe. Wie
bereits im Kapitel über die historische Entwicklung der Drogenszene in Österreich erwähnt,
lag das Hauptaugenmerk bei der Untersuchung von Drogendelikten Ende der 1990er Jahre
auf Tätergruppen aus Jugoslawien und anderen Ländern und schließlich ab Anfang des
21. Jahrhunderts auf Tätergruppen mit schwarzer Hautfarbe. Das stereotype Bild des
afrikanischen Drogendealers geht einer unreflektierten Realität voraus. Eine große Zahl
der Bevölkerung verbindet die Begriffe Drogendealer_in oder Asylwerber_in unweigerlich mit Menschen afrikanischer Herkunft. Dieser fest in den Köpfen der Bevölkerung
verankerte Zusammenhang, führt zirkulär zu einer verstärkten Kontrolle von schwarzen
Personen.66 Eine 2006 von Platzer, Stummer-Kolonovits und Kuhn durchgeführte Studie
in Zusammenarbeit mit dem Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität
Wien und dem Bundesministerium für Justiz attestiert, dass 90 % der Inhaftierungen von
Schwarzafrikaner_innen mit Drogendelikten im Zusammenhang stehen.67
“Das Stereotyp des Drogendealers kann [. . . ] als das derzeit wahrscheinlich
wirkmächtigste Klischeebild von Menschen afrikanischer Herkunft in Österreich
(und wohl darüber hinaus) angesehen werden. Die Rolle der Boulevardpresse
bei seiner Konstruktion ist altbekannt.” 68
Entstanden sind diese Vorurteile gegenüber Schwarzafrikaner_innen mit der Durchführung
der Operation Spring im Jahr 1999, welche Ausgangspunkt dieser Arbeit ist. Geprägt
64
vgl. Kravagna 2004, S. 83 .
vgl. ebd., S. 84
66
vgl. Schleicher 2009, S. 108 f.
67
vgl. Kuhn, Platzer und Stummer-Kolonovits 2006
68
Sauer 2007, S. 212
65
278
durch die Neue Kronen Zeitung wurde dieses Bild vom “afrikanischen Drogendealer” von
der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung unreflektiert übernommen und somit zu
einem Stereotyp und Vorurteil gegenüber Schwarzafrikaner_innen.69
Um die Haltung zu Vorurteilen bei den befragten Personen herauszufiltern, wurden sie
gefragt, was sie vom Klischee “Schwarze sind Drogendealer” halten. Auf diese überaus
umfangreich beantwortete Fragestellung antworten sieben Personen, dass sie nichts von
diesem Klischee bzw. Vorurteil halten, eine Person meint jedoch, dass diese Klischees aber
oft nicht ganz unbegründet entstehen, eine dieser Personen meint zusätzlich, dass wenn man
Afrikaner_innen sieht, man sich schon automatisch fragt, wie sich diese Person seinen/ihren
Lebensunterhalt verdient. Eine weitere Person findet dieses Vorurteil schrecklich und
vergleicht es damit: “es wäre das selbe zu sagen, dass alle Österreicher_innen Nazis
sind”! Eine Person meint, dass es eine menschenverachtende Einstellung ist, wenn man
alle Schwarzen über einen Kamm schert, denn es gibt überall “gute” und “schlechte”
Menschen, es wird allerdings gefährlich, wenn man aufgrund dieser Vorurteile nicht mehr
unterscheidet. Eine Antwort auf diese Frage war, dass man öfters in Zeitungen davon liest,
bzw. im Fernsehen davon hört. Eine zu dieser Frage befragte Person antwortet, dass sie
ziemlich viel von dieser Klischeevorstellung hält, da sie erstens von einer Wiener Polizistin
weiß, dass es in Wien, zumindest eingegrenzt in ihrem Bezirk, größtenteils zutrifft und
zweitens sieht man laut seiner/ihrer Meinung beim Ausgehen in diversen einschlägigen
Lokalitäten genug Schwarze “herumstehen” und auf potenzielle Kunden warten, dies kann
man seiner/ihrer Meinung nach nicht auf alle Schwarzen umlegen. Gemäß der Ansicht
einer interviewten Person ist ein_e Schwarze_r nicht generell ein_e Drogendealer_in,
jedoch ist er/sie der Meinung, dass der Anteil der Drogendealer_innen in der schwarzen
Bevölkerung höher ist als in der Gesamtbevölkerung.
Acht befragte Personen gaben als Antwort, dass nicht nur Schwarze Drogendealer_innen
sein können, denn mit Drogen wird auf der ganzen Welt gehandelt und zwar von Menschen
jeder Herkunft. Eine dieser Personen findet diese Aussage bzw. diese Arte von Beschuldigung sehr inakzeptabel, denn ein_e Drogendealer_in kann jede_r sein, es darf nicht
einfach behauptet werden, dass es “nur” Schwarze sind die Drogen verkaufen, eine weitere
dieser acht Personen meint, dass dieses Vorurteil gerade bei ungebildeteren Schichten
verbreitet ist, aber dieses Klischee ist laut ihm/ihr vollkommen überholt aber leider noch
in den Köpfen vieler Menschen. Eine Person antwortet, dass es sich bei dieser Frage
um eine Verallgemeinerung handelt, welche seiner/ihrer Meinung nach grundsätzlich
abzulehnen ist. Er/Sie hat jedoch bereits in südlichen Ländern Europas, beispielsweise
in Barcelona oder in Andalusien, Erfahrungen mit Schwarzen als Drogendealer_innen
gemacht, er/sie denkt aber, dass das lediglich etwas mit der Nähe zum afrikanischen
Kontinent zu tun hat, denn würde man Einblick in das Drogennetzwerk von Nordeuropa
haben, so würde sich ein anderes Bild ergeben. Eine weitere interviewte Person meinte, wie
auch die Anderen davor, dass dies eben nur ein Stereotyp der Weißen über die Schwarzen
ist, denn nicht jede_r Schwarze ist ein_e Drogendealer_in und nicht jede_r Weiße
ist automatisch ein_e Rassist_in. Er/Sie hält nichts von dieser Aussage, da sie soziale
Bedingungen ausklammert, es stellt eine typische Marginalisierung von Schwarzen dar.
Vom Berufsleben her kann er/sie sagen, dass er/sie nie auch nur ansatzweise wegen der
Hautfarbe mit irgendjemandem schlechte Erfahrungen gemacht hat, Missverständnisse
gab es nur kulturell bedingt, welche man aber durch Offenheit immer schnell und für
beide erleichternd beseitigen konnte.
Um dieser Klischeevorstellung weiter auf den Grund gehen zu können, wurden die Personen gefragt, von wo ihrer Meinung nach dieses Vorurteil kommt. Eine Person ist der
69
vgl. Schleicher 2009, S. 109
279
Ansicht, dass solche Klischees von bestimmten politischen Richtungen geschürt werden.
Neun Personen antworten auf diese Fragestellung, dass sie glauben, dass dieser Vorbehalt
vom Fernsehen und von den Medien allgemein kommt. Sie sind der Meinung, dass auch die
Schlagzeilen oft nicht wahrheitsgetreu sind und die Medien doch einen starken Einfluss auf
die Meinung der Bevölkerung haben und auch, dass sich die Bevölkerung gegenseitig mit
solchen Vorurteilen aufheizt. Sechs interviewte Personen glauben, dass diese verbreitete
Meinung davon kommt, da es im Laufe der Zeit einige schwarze Drogendealer_innen
gab und gibt, sie aufgrund ihrer Hautfarbe auffallen und sie dann, im wahrsten Sinne
des Wortes, als “schwarze Schafe” herhalten müssen. Eine dieser Personen meinte dazu
noch, dass diese Meinung von Einzelfällen auf die gesamte Gruppe übergewälzt wurde
und dies definitiv falsch ist. Fünf befragte Personen antworteten auf diese Frage, dass
diese Klischees aus den Vorurteilen entstanden sind, da Menschen mit anderer Hautfarbe
von Vornherein viel unterstellt wird, auch löst bei vielen Personen die schwarze Hautfarbe
Angst aus, da sie uns fremd ist. Viele Menschen können sich, laut einer befragten Person
auch nicht vorstellen, dass dieser Personenkreis mit ehrlicher Arbeit Geld verdienen kann.
Eine dieser fünf Personen ist der Ansicht, dass dieses Klischee von der immerwährenden
Verallgemeinerung der Menschen kommt, denn “Schubladen” helfen die Welt zu verstehen,
leider bedeutet der Anteil der schwarzen Drogendealer_innen, dass der Begriff Drogendealer_in in die Schublade “Eigenschaften eines/einer Schwarzen” geschoben wird. Eine
interviewte Person ist der Meinung, dass dies eine bewusste Ablenkung vom eigentlichen
Problem und auch ein gezieltes Suchen nach Sündenböcken ist, denn meist sucht man sich
die schwächste Gesellschaftsgruppe aus, welche idealerweise in der Bevölkerung als “fremd”
eingestuft wird und nicht “angesehen” ist. Eine große Rolle für diese Voreingenommenheit
spielt für eine Person die Art und Weise der Kindererziehung, also die Wertevermittlung,
in unserem Land. Spiele wie “Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?” rufen schon von
klein auf Ängste vor dem “schwarzen Mann” als großen, bösen Unbekannten hervor. Da
alle Menschen Angst vor unbekannten, fremden und unsicheren Dingen oder Zuständen
haben, handelt es sich somit um eine toleranz-, verständnis- bzw. offenheitshemmende
Früherziehung. Er/Sie denkt, dass Unverständnis und auch Desinteresse, und die daraus
resultierende Angst, einer der Gründe für das Entstehen von Klischees ist.
Die nächste gestellte Frage war, ob jemand schon einmal mit der Thematik “Drogen”
konfrontiert wurde, also ob schon Erfahrungen mit Schwarzen in Zusammenhang mit
Drogen gemacht wurden. Hierauf antworten zwölf Personen mit einem klaren Nein, vier
Personen haben Erfahrung mit Drogen bzw. mit dem Angebot von Drogen, allerdings nicht
in Zusammenhang mit Schwarzen gemacht. Einer Person wurden von einem Schwarzen in
einer Discothek Drogen angeboten. Zwei Befragten wurden Drogen von Schwarzen im
Ausland angeboten und einer Person im In- und auch im Ausland. Eine Person gab auf diese
Frage zur Antwort, dass er/sie mit dieser Thematik nicht mehr oder weniger Erfahrungen
als mit Österreicher_innen auch gemacht hat. Ein_e Befragte_r hat auch eine Erfahrung
damit gemacht, allerdings in einem etwas anderem Zusammenhang, er/sie besuchte einen
afrikanischen Freund in Wien und dieser wurde in der Straßenbahn von einem Mann
körperlich angegriffen und angeschrien: “Ihr scheiß Neger gebt meinen Kindern Drogen”,
angeblich passieren ihm solche Dinge öfters, obwohl er mit Sicherheit nichts mit Drogen
zu tun hat. Eine weitere Person wurde mit dieser Thematik im Sinne von rassistischen
Vorwürfen Schwarzen gegenüber, welche von ihm/ihr miterlebt wurden, konfrontiert.
Im Zusammenhang mit Drogen kann diese Person jedoch kein solches Muster erkennen,
Drogen sind für ihn/sie keine spezielle Problematik von afroamerikanisch stämmigen
Leuten, sondern ein allgemeines Problem, welches sich auf alle Schichten und Rassen
aufteilt.
280
Die letzte Frage in diesem Zusammenhang behandelt die Auswirkungen von Klischees. Auf
die Frage, welche Auswirkungen daraus entstehen können, kamen die unterschiedlichsten,
jedoch sehr interessanten Antworten, diese reichen von Vorverurteilung der Schwarzen,
über ungerechte Behandlung durch Mitmenschen aber auch durch Polizist_innen, Benachteiligung im alltäglichen Leben und bei der Jobsuche bis hin zu verstärktem Rassismus.
Auch werden von der breiten Masse bestimmte ethnische Gruppe per se als kriminell
angesehen. Auch schüren laut einer befragten Person derartige Klischees Ängste und
wirken in extremer Form gegenseitiger Toleranz und einem interkulturellen Miteinander
entgegen, dadurch werden Bevölkerungsgruppen oder Nationalitäten ausgegrenzt, dies
kann zu gegenseitigen Feindseligkeiten und auch Gewaltaktivitäten führen. Drei befragte
Personen antworten auf diese Frage damit, dass solche Klischees von vielen Menschen
einfach übernommen werden, viele machen sich keine Gedanken darüber oder hinterfragen
dies nicht. Diese Klischees führen der Meinung einer befragten Person nach dazu, dass
man diesen Personen nicht offen gegenüber tritt und insgeheim immer wieder denkt, dass
man es hier mit einem “Verbrecher” zu tun haben könnte, dies tritt vor allem dann ein,
wenn man bereits einmal schlechte Erfahrungen gemacht hat. Eine weitere Person vertritt
die Meinung, dass Klischees zu Ausgrenzungen führen und zu Schaffung von Feindbildern
beitragen. Eine Person denkt, dass ein sehr großer Teil der Österreicher_innen ohnehin
sehr unzufrieden mit der gegenwärtigen Innenpolitik ist, aufgrund dessen hat so ein
Klischee und so eine Aktion wie die “Operation Spring” gewaltige Auswirkungen auf die
Betroffenen, denn Fremdenfeindlichkeit, rassistische Sprüche und auch Benachteiligungen
sind teilweise schon an der Tagesordnung.
8.3.3.2 Initiatoren von Vorurteilen
Auch im ECRI-Bericht (ECRI = European Comission against Racism and Intolerance)
über Österreich, wird die Überzeugung vertreten, dass die diskriminierende Situation
von Schwarzen in Österreich in einem engen Zusammenhang mit feindseligen Aussagen
von bestimmten politischen Parteien und Medien steht. Darüber hinaus hat auch das
Verhalten der Politik und der Exekutive Schuld an den Vorurteilen.
Wie bereits zuvor kurz erwähnt, ist der Grund für die Verknüpfung von Schwarzen mit
Drogendelikten vor allem in Österreichs Medienlandschaft zu suchen. Laut Amnesty
International trägt in Österreich vor allem die auflagenstärkste Tageszeitung in Österreich,
die Neue Kronen Zeitung schuld daran. Darin sind Afrikaner_innen, im Vergleich zu
anderen Bevölkerungsgruppen in Österreich, signifikant öfter als Kriminelle vertreten.
Christian Cakl von SOS Menschenrechte sieht den Grund für die negative Darstellung
von Schwarzafrikaner_innen nicht in einer fremdenfeindlichen Tendenz in den Medien,
sondern im vorherrschenden Sensationsjournalismus.
“Eine negative Schlagzeile ist besser als eine positive und es ist leichter einen
Skandal, ein Verbrechen oder eine negative Meldung über Migrantinnen oder
in diesem Fall Schwarzafrikaner zu drucken.” 70
Durch die im Fall Omofuma betriebene offene Hetze gegen Schwarzafrikaner_innen,
in welcher die Neue Kronen Zeitung Angehörige dieser verleumdete und empfahl kritische Politiker_innen zum Schweigen zu bringen, wurde die Mehrheitsbevölkerung gegen
Schwarzafrikaner_innen aufgelehnt. Personen, welche die Vorgehensweise der Zeitung und
auch jene der Behörden kritisierten, wurden durch gezielten “Kampagnenjournalismus“
70
Interview mit Cakl 2011b
281
zu Gegner_innen der Exekutive erklärt, diese im Gegenzug unkritisch verehrt. Grund
dafür scheint eine direkte Zusammenarbeit der Neuen Kronen Zeitung mit der Polizei zu
sein, indem sich die Neue Kronen Zeitung durch ausschließlich positive Berichterstattung
gegenüber der Exekutive, für die Bereitstellung von vertraulichen Daten revanchiert.71
Eine Schuld für das Entstehen und auch Weiterbestehen von Vorurteilen gegenüber
Schwarzafrikaner_innen ist auch in Politiker_innenkreisen zu suchen. Insbesondere rechtsorientierte Parteien wie die FPÖ schüren bewusst den Unmut der Bevölkerung in dieser
Sache. Statements wie
“Selbstverständlich ist nicht jeder schwarzafrikanische Asylant ein Drogendealer, aber fast jeder Drogendealer in Wien ist ein schwarzafrikanischer
Asylant"72
von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache führen zu einem stetigen absinken des Ansehens
von Schwarzen in Österreich. Solche Aussagen werden bewusst eingesetzt, obwohl sie durch
Statistiken klar widerlegt werden können. Statistische Daten der Suchtmittelberichte
des BMI aus den Jahren 2000 – 2007 belegen, dass wesentlich mehr Österreicher_innen
als Nicht-Österreicher_innen wegen Drogendelikten angezeigt werden (Verhältnis ca.
80:20) und nur in etwa 20 % der Nicht-Österreicher_innen im Jahr 2004 nigerianischer
Herkunft waren, wohingegen sich bei Festnahmen (Verhältnis ca. 60:40) der Fokus auf
nicht-österreichische Straftäter_innen richtet. Aus dieser Statistik ist ersichtlich, dass
die Exekutive vorrangig Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft für Straftaten
im Zusammenhang mit Drogen in Betracht zieht. Dies resultiert unmittelbar aus den
Vorurteilen gegenüber Schwarzafrikaner_innen.
Weit mehr als in anderen klassischen Kriminalitätsbereichen
“[...] kann die Polizei in der Drogenbekämpfung relativ autonom entscheiden,
gegen wen, wie und mit welcher Intensität ermittelt wird.” 73
Doch trotz oder genau wegen dieser Entscheidungsmacht stehen Schwarze mehr als andere
Bevölkerungsgruppen in Österreich unter genauer Beobachtung durch die Polizei. Im Zuge
der Recherchen stellte sich heraus, dass sich die Polizei besonders auffälligen Personen
zuwendet, um die Erfolgsaussichten bei ihren Aktionen zu erhöhen. Diese Auswahl kann
durch herrschende Vorurteile und Stereotypen beeinflusst sein. Wenn die Polizei im Zuge
dessen vermehrt gegen die schwarze Bevölkerungsgruppe vorgeht, werden die durch diese
Personen begangenen Straftaten im überproportionalen Ausmaß vor Gericht verhandelt.
In Folge dessen werden die Vorurteile gegenüber kriminellen Schwarzafrikaner_innen
gestärkt und auch die Polizeiarbeit findet in der Öffentlichkeit weiter Bestätigung.74
Durch Polizeiaktionen, wie der im Anfang 1998 durchgeführten Sonderkommission “Soko
Jambo”, welche sich erstmals intensiv mit dem Thema afrikanischer Drogendealer_innen
beschäftigte, wird in der Öffentlichkeit “das Bild der unverschämten Drogendealer die
“ungeniert am helllichten Tag” ihre Geschäfte abwickeln [...] weiter geschürt“ 75
71
vgl. Klenk 2009
no-racism.net 2004
73
Kravagna 2005, S. 269
74
vgl. ebd., S. 270
75
Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 28
72
282
8.3.4 Rassismus im Alltag
In einem Zeitraum von 1991 bis 1993 wurden insgesamt 60 Afrikaner_innen befragt,
wodurch sie sich primär in der lokalen Gesellschaft abgelehnt fühlen. In dieser Umfrage
bekannten sich die Mehrheit der Befragten dazu, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe eine
Ablehnung erfahren, somit sind schwarze Menschen aufgrund ihre Sichtbarkeit häufig mit
rassistischen Diskriminierungen konfrontiert.76
“Afrikaner_innen sind leicht erkennbar, haben keine Lobby, sind kolonialimperial stigmatisiert, verfügen über keine Ressourcen, haben keine Rechte.
Die ideale Zielgruppe.” 77
Der Verein ZARA (ZARA = Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) mit Sitz in Wien
definiert das Aufgabengebiet der Beratungsstelle für die Zeug_innen und auch für die
Opfer von Rassismus folgendermaßen:
“Rassistische Diskriminierung bedeutet, dass ein Mensch aufgrund seiner
Hautfarbe, Sprache, seines Aussehens, der Religionszugehörigkeit, Staatsbürgerschaft oder Herkunft in irgendeiner Form benachteiligt wird. Benachteiligungen, Beschimpfungen und tätliche Angriffe: bei der Arbeits- und Wohnungssuche, in Lokalen und Geschäften, bei Kontakten mit Behörden und mit
Privaten, im öffentlichen Raum und auch durch Medien”.78
Die in den ZARA Reports publizierten Vorfälle haben in keinster Weise mit der Gesamtzahl
der rassistischen Übergriffe bzw. Vorfälle in ganz Österreich zu tun, sie sind nur die Spitze
eines großes Eisberges. Die ZARA Reports verstehen sich als einen winzigen Einblick in
das, was das alltägliche Leben vieler Menschen in Österreich ausmacht, denn Rassismus
begleitet uns überall, ob in der Arbeit, in verschiedenen Lokalen oder Geschäften oder
auch in öffentlichen Verkehrsmittel. Der Grund, warum die Rassismus Reports publiziert
werden ist, damit auch jene Menschen, die nicht glauben, dass Rassismus derart verbreitet
ist, die Rassismus noch niemals erlebt haben oder Rassismus leugnen, erkennen, dass die
österreichische Gesellschaft für viele Menschen sehr belastend ist.79
8.3.4.1 Rassistische Praktiken
Ö entlicher Raum Bei genauerer Betrachtung der Rassismus Reports von ZARA fällt
auf, dass Rassismen im öffentlichen Raum am häufigsten dokumentiert werden. ZARA
definiert Meldungen für den öffentlichen Raum als “alle Vorfälle, die sich im öffentlichen
Raum zugetragen haben (also an Orten, die einem nicht näher bestimmten Personenkreis
offen stehen, wie beispielsweise die Straße, öffentliche Verkehrsmittel, Geschäfte etc.), und
die nicht in eine andere Kategorie passen”.80 So waren dies im Jahr 2000 29%81 , im Jahr
2001 53%82 bis hin zu 76% im Jahr 200683 , wobei seit dem Rassismus Report aus dem
Jahr 2003 auch rassistische Beschmierungen diesem Bereich zugeordnet werden. Denn
76
vgl. Ebermann 2007, S. 67
Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 29
78
ZARA 2001, S. 4
79
vgl. ebd.
80
Ebd., S. 5
81
vgl. ebd.
82
vgl. ders. 2002, S. 6
83
vgl. ders. 2007, S. 6
77
283
genau diese Beschmierungen, welche mittlerweile vielerorts bereits zum Stadtbild gehören,
verbreiten rassistisches Gedankengut, untermauern Vorurteile und bestärken Klischeevorstellungen. Eben diese Dinge wurzeln im Alltagsrassismus, welcher nicht gesellschaftliche
Strukturen betrifft, sondern stets Einzelpersonen. Diese Form des Rassismus äußert sich
oftmals unterschwellig, auch ist dieser Alltagsrassismus vor allem in der Bedeutung der
Sprache wieder zu finden, welche unter anderem über die Medien verbreitet wird.84
Polizei In den ZARA Rassismus Reports bezeichnet der Bereich “Polizei” alle jene
Fallberichte, welche in jeglicher Form mit der Sicherheitsexekutive, mit der Polizei und in
der Regel mit einzelnen Vertreter_innen dieser zu tun haben.85 Seit der Mitte der 1990er
Jahre gibt es zahlreiche dokumentierte Fälle, in welchen es zu rassistischen Übergriffen
der Polizei gegenüber Afrikaner_innen kam, hierbei wurden in den meisten Fällen genau
diese Afrikaner_innen unter dem Deckmantel, die Polizei gehe gegen Drogendealer_innen
vor, geschlagen, gefesselt und verhaftet.86
Innerhalb der österreichischen Polizei äußern sich rassistische Praxen hauptsächlich durch
diskriminierende Ausweiskontrollen, welche sehr oft Grund für die weiteren Amtshandlungen sind und oft in Beleidigungen bis hin zu rassistischen Ausdrucksweisen enden. Es
werden jedoch genauso körperliche Misshandlungen, erniedrigende Behandlungen und auch
willkürliche Festnahmen der Polizei von Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft
von Menschenrechtsorganisationen dokumentiert.87
Ein, in einem ZARA Bericht dokumentierter Vorfall ereignete sich, als K., welcher
afrikanischer Herkunft ist und in Linz wohnt, bei einem Freund in Wien zu Besuch ist. K.
werden während einer Hausdurchsuchung bei seinem Freund Handschellen angelegt, des
weiteren wird er auf den Boden gedrückt, gewaltsam perlustriert, mit den Füßen wird von
Polizisten auf sein Gesicht getreten und anschließend wird er ins Sicherheitsbüro gebracht.
Hier wird ihm vorgeworfen, dass er Drogen von Linz nach Wien transportiert hätte. Er
wird bei seiner Einvernahme schlecht behandelt, es wird ihm offensichtlich nicht alles
gedolmetscht und ein Glas Wasser ins Gesicht geschüttet. Auf seine Frage, ob er einen
Anwalt bekomme, erhält er die Antwort, dass er jetzt keinen bekomme, erst in zwei Tagen.
Als am nächsten Vormittag ein Polizist in seine Zelle kommt, teilt ihm dieser Beamte mit,
dass man Drogen bei ihm gefunden habe, der Polizeibeamte wirft etwas Weißes auf den
Boden und lacht. Am Abend wird K. entlassen, jedoch ohne ihm sein Geld und Handy
auszuhändigen.88
Der Geschäftsführer der Black Community in Linz, Anselem Uche Njoku, berichtete in
einem Interview, dass er jedes Mal, wenn er am Flughafen ist, von zwei Polizist_innen
aufgehalten und kontrolliert wird. Er fragt sich in diesem Zusammenhang immer wieder,
warum nur Schwarze überprüft werden und ob die Polizist_innen das stereotype Bild des
afrikanischen Drogendealers von den Medien übernommen haben.89
84
vgl. Schleicher 2009, S. 76 f.
vgl. ZARA 2001, S. 5
86
vgl. Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005, S. 29
87
vgl. Hafner 2004
88
vgl. ZARA 2001, S. 14 f.
89
Interveiw mit Njoku 2011b
85
284
Wohnen Die Rubrik Wohnen in den ZARA Rassismus Reports beinhaltet Berichte über
Vorkommnisse im Wohnbereich.90
Ein von ZARA dokumentierter Vorfall trug sich wie folgt zu. Der anerkannte Flüchtling E.,
er ist Nigerianer, lebt seit zehn Jahren in Österreich, wobei er seit zwei Jahren mit einer
Österreicherin verheiratet ist. Zunächst lebte er mit seiner Frau und ihren vier Kindern
aus erster Ehe in einer Gemeindewohnung, allerdings zog er mit seiner Frau und dem
jüngsten Kind aus, da es gravierende familiäre Probleme gab. Diese Probleme waren unter
Anderem die Drogensucht des ältesten Stiefsohnes, in diesem Zusammenhang wurde E.
auch bereits von der Polizei verdächtigt seinem Stiefsohn die harten Drogen zu beschaffen.
In der neuen Wohnung wurde E. von der Hausmeisterin drangsaliert, sodass schon die
Polizei einschreiten musste. Seine Frau war aufgrund psychischer Probleme einige Zeit in
stationärer Behandlung und entschloss sich dann aus Wien weg zu ziehen, dies geschah
in gutem Einvernehmen mit E. Ab dem Auszug seiner Frau eskalierten die Probleme, E.
bekam Morddrohungen, musste sich äußerst grobe Beschimpfungen anhören, wurde aus
dem Garten ausgesperrt, usw. E. erstattete mehrmals Anzeigen, die Hausmeisterin wurde
deswegen auch vorgeladen, sie änderte jedoch ihr Verhalten nicht.91
Ö entliche Institutionen und Behörden Wenn in Rassismus Reports von ZARA von
öffentlichen Institutionen und Behörden die Rede ist, sind darin alle jene rassistischen
Vorfälle enthalten, die zwischen privaten Einzelpersonen und öffentlichen Behörden und
Institutionen stattfanden, dies sind etwa verschiedene Ämter, Justizanstalten, Schulen
etc., mit Ausnahme der Polizei.92
Ein im ZARA Bericht von 2001 dokumentierter Vorfall ereignete sich folgendermaßen.
Der in Nigeria geborene O. wurde am 27. September 1999 im Gesellenheim Zohmanngasse
unter dem Deckmantel “Drogenhandel” im Zuge einer rassistischen Razzia verhaftet. Im
November 2000, also über einem Jahr danach, wurde er von allen ihm zur Last gelegten
Vorwürfen freigesprochen, O. verbrachte somit über 13 Monate unschuldig in Untersuchungshaft. Ihm würden aufgrund dieser Untersuchungshaft nach österreichischem Recht
ungefähr eine halbe Million Schilling zustehen. Allerdings wurde über seinem Entschädigungsanspruch gar nicht erst entschieden, denn über O. wurde sogleich die Schubhaft
verhängt. Er weigerte sich bei seiner Abschiebung im Dezember 2000 das Flugzeug zu
besteigen, deshalb wurde er wegen “Widerstand gegen die Staatsgewalt” wieder in Untersuchungshaft genommen. Es wurde ihm während dieser Untersuchungshaft ein Besuch mit
der Begründung verwehrt, dass er Englisch sprechen würde, die Amtssprache aber Deutsch
sei. Letztendlich wurde O. nach Nigeria per Charterflug abgeschoben, dadurch wurde
ihm jegliche weitere Berufungs- und auch Beschwerdemöglichkeit genommen. Als Fazit
zu diesem Fall wird angeführt, dass die österreichische Justiz mangels Beweisen O. nicht
wegen Drogenhandel verurteilen konnte, er wurde deshalb rechtskräftig freigesprochen.
Aufgrund der anschließenden nochmaligen Untersuchungshaft und der verschiedenen
Verfahren wurden O. von der Republik Österreich zwei Jahre seiner Freiheit genommen
und dies nicht einmal entschädigt wurde.93
90
vgl.
vgl.
92
vgl.
93
vgl.
91
ZARA 2002, S. 7
ebd., S. 36 f.
ders. 2001, S. 5
ders. 2002, S. 40 f.
285
8.3.4.2 Mediale Darstellung
Hinsichtlich der Afrikaberichterstattung ist besonders auffällig, dass Katastrophen, Elend
und verschiedene andere Probleme dominierende Bilder darstellen. Hierbei scheint, dass
sich Qualitäts- und auch Boulevardzeitungen weniger durch den Anteil der Katastrophenberichterstattung, sondern eher durch den Umfang und auch die Qualität der begleitenden
Informationen unterscheiden.94
In der medialen Darstellung von Afrikaner_innen zeigen vor allem die Qualitätsmedien
auf Diskriminierungen hin, dem entgegengesetzt tendieren die Boulevardmedien eher
dazu den/die “schwarze_n Drogendealer_in” anzuprangern und vor ihm/ihr zu warnen.
Eines haben Qualitätsmedien und Boulevardmedien allerdings gemeinsam, sie nennen
Afrikaner_innen, Drogen und Polizei in einem Atemzug, sie verbinden sie also.95
Anselem Uche Njoku von der Black Community in Linz meint zur rassistischen medialen
Darstellung, dass die Medien unbedingt Schlagzeilen haben wollen, deswegen brauchen
gerade die Journalist_innen etwas Besonderes, was die Aufmerksamkeit erregt. Er sieht
darin einen wahrscheinlichen Grund, warum viele Medien einseitig, oberflächlich und
vielfach auch falsch berichten. Er stellt auch die Mutmaßung auf, dass manche politisch
beeinflusste Zeitungen von den wirklichen gesellschaftlichen Problemen ablenken und die
Menschen auf andere Gedanken bringen wollen. Es ist daher nicht verwunderlich, warum
viele Menschen ein prägendes und auch falsches Bild von verschiedenen Gruppierungen
im Kopf haben, wie z.B. der Pole der Autos stiehlt, der Türke, der sofort das Messer zieht
oder eben der Schwarze, der mit Drogen handelt und weiße Frauen sexuell belästigt.96
Um auch die Haltung der Befragten bezüglich der Medienberichterstattung darzustellen,
wurde ihnen die Frage gestellt, wie ihrer Meinung nach Rassismus in Medien dargestellt
wird. Von den interviewten Personen wollten zwei Leute dazu keine Stellung beziehen
und eine_r meint, dass Rassismus in den Medien eher ignoriert wird. Acht befragte
Personen sind der Ansicht, dass Medien nicht immer wahrheitsgetreu berichten, dass
maßlos übertrieben wird, da eine langweilige Schlagzeile keine Aufmerksamkeit erregt,
dass in den Medien einseitig berichtet wird und vor allem, dass dieses Delikt stärker
betont wird, wenn ein_e “Ausländer_in” eine Tat begeht bzw. begangen hat. Somit
verwundert es nicht, dass viele “Inländer_innen” einen Hass auf “Ausländer_innen” im
Allgemeinen haben. Ein_e Interviewpartner_in ist der Ansicht, dass Rassismus in den
Medien in letzter Zeit als Problem aufgegriffen und versucht wird, dem entgegenzuwirken,
als Beispiel wird von dieser Person der Fußball genannt. Eine weitere Person kann nichts
Negatives an dieser Fragestellung finden, er/sie gibt an, dass regelmäßig berichtet wird,
dass Polizist_innen Schwarze bei Festnahmen, auch ohne konkreten Tatbestand, sehr
schlecht behandeln, dass jedoch über dieses Thema objektiv berichtet wird und Rassismus
nicht gefördert wird. Straftaten von Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft
wird in den Medien viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt als Vorfällen, bei denen es sich
um rassistische Gewalt handelt, ist eine interviewte Person überzeugt. Fünf Personen
vertreten den Standpunkt, dass die Schlagzeilen der Medien durchaus von den politisch
zuordenbaren Lagern abhängen. Je qualitativ besser das Medium ist, desto objektiver
ist die Berichterstattung. Öffentlich rechtliche Medien berichten laut der Meinung der
Befragten eher neutral, während politisch beeinflusste Medien eher provozieren, Boulevardmedien berichten eher verkürzt und reißerisch berichten und sie bedienen sich auch
oft verschiedenster Klischees.
94
vgl. Ebermann 2007, S. 293
vgl. Schleicher 2009, S. 112
96
Interview mit Njoku 2011b
95
286
Die Aussagen von drei Personen bedürfen in diesem Zusammenhang besonderer Hervorhebung. Die erste Person vertritt die Meinung, dass die Medien beim Thema Rassismus
bewusst versuchen in eine “politisch korrekte” Richtung zu gehen, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit werden strikt abgelehnt, jedoch entspricht dies nicht zwingend der (auch
politischen) Realität in Österreich. Eine weitere Person ist davon überzeugt, dass an dem
Thema Rassismus in den Medien schon sehr stark gearbeitet und darauf geachtet wird,
dass dies nicht vorkommt. Er/Sie ist der Anschauung, dass ich die Berichterstattung verbessert hat, aber noch nicht vorurteilsfrei ist, dies liegt natürlich an den Redakteur_innen
und Verfasser_innen, also an den Menschen die die Medien gestalten, selbst, denn es wird
auch hier, genauso wie in anderen Berufsgruppen, wie beispielsweise der Polizei, Personen
geben, die sich von Gefühlen und auch Abneigungen leiten lassen und aufgrund dessen
einen Bericht in eine bestimmte Richtung gestalten. Für diese Person ist es vor allem
besorgniserregend, dass Personen des öffentlichen Lebens, im Speziellen Politiker wie Heinz
Christian Strache, ihre Sendezeit und auch das Interesse der Öffentlichkeit ausnützen, um
Vorurteile zu ihren eigenen Gunsten zu benützen. Eben dies wird von ihm/ihr als den
Punkt angesehen, in dem Rassismus in den Medien noch verstärkt vertreten ist, er/sie
ist der Meinung, dass dies eingestellt werden sollte, es aber damit im Konflikt mit der
Rede- und Medienfreiheit steht, und deswegen schwierig zu handhaben sein wird. Die
dritte Person meint, dass Rassismus in den Medien sehr stark polarisiert, denn es gibt
auch bei Zugehörigen anderer ethnischer Gruppen, bei anderen Kulturen und anderen
Gesellschaften immer “gute” und auch “schlechte” Menschen und auch die Menschen
dazwischen gäbe es überall.
8.4 Der mediale Diskurs
Die Polizeiaktion “Operation Spring” sorgte ab dem 27. Mai 1999 in Österreich für Aufsehen. Dieser Teil der Arbeit widmet sich der Berichterstattung von österreichischen
Tageszeitungen über die besagte Causa. Die analysierten Printmedien bezüglich des Projektthemas “Operation Spring” in Linz kommen zum Teil aus dem Raum Oberösterreich,
die restlichen Medien stellen österreichische Tageszeitungen dar. Ausgewählt wurden auflagenstarke Tageszeitungen, welche in Oberösterreich und zum Teil auch in ganz Österreich
vertrieben werden. Des Weiteren ist zur Auswahl der Printmedien vor allem zu sagen,
dass durch diese ausgesuchten Medien versucht wird, ein möglichst breites Bild der österreichischen Presselandschaft darzustellen. Deswegen soll die Berichterstattung von vier
österreichischen Tageszeitungen, Neue Kronen Zeitung, Der Standard, Oberösterreichische
Nachrichten und Die Presse, miteinander verglichen werden.
“Wirklichkeit wird in einer massenmedial geprägten Gesellschaft zunehmend
als jenes Wissen verstanden, welches über den Mediengebrauch als Wirklichkeit
konstruiert wird.” 97
Anhand einer Feinanalyse werden die Artikel zum Ereignis “Operation Spring” dieser
vier Tageszeitungen genauer unter die Lupe genommen. So können Erkenntnisse sowohl
als Ganzes zum Diskurs selbst, als auch zum Thema Rassismus in den Medien und
zur Darstellung schwarzafrikanischer Menschen in den Medien gewonnen werden. Im
anschließenden Conclusio werden die gewonnenen Beobachtungen noch einmal kurz
zusammengefasst.
97
Knauer 2009, S. 26
287
8.4.1 Feinanalyse der Tageszeitung “Neue Kronen Zeitung”
8.4.1.1 Artikel vom 28. Mai 1999: “Drogen-Ring der Nigerianer gesprengt”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 28. Mai 1999 als Titelbericht in der Neuen Kronen Zeitung.
Autoren sind Gerhard Walter, Roland Kopt, Markus Hofer und Manfred Niederl. Der
eigentliche Bericht erschien in der Rubrik Lokales. Anlass für das Erscheinen dieses
Artikels ist eine, unter dem Decknamen “Operation Spring”, durchgeführte Drogenrazzia
in Wien, Graz, Linz und St. Pölten, am Donnerstag den 27. Mai 1999.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Auf dem Titelblatt lautet die Schlagzeile: Drogen-Ring der Nigerianer gesprengt, diese
Headline trägt auch noch den Untertitel: Dutzende Asylwerber bei Razzien in Wien, Graz,
Linz und in St. Pölten verhaftet. Auf dem Titelblatt der Zeitung ist ein Bild, welches ca.
eine Viertel Seite einnimmt. Auf diesem Bild ist zu sehen, wie ein Schwarzer von zwei
Exekutivbeamten in Handschellen abgeführt wird. Weiters ist links neben dem Bild ein
sehr kurzer Text, der darauf hinweist, dass es sich bei dem Schwarzen auf dem Bild um den
mutmaßlichen “Boss” der Suchtgiftbande handelt und ein fünf Seiten langer Bildbericht
dazu in dieser Ausgabe zu finden ist.
Auf den Seiten acht und neun lautet die Überschrift: “Drogenring der Nigerianer bei
Großrazzia gesprengt”, und die Unterüberschrift dazu: “Dutzende Illegale in Wien, NÖ,
Graz und Linz verhaftet – 850 Polizisten im Einsatz, auch die Asylheime gestürmt.” Auch
Zwischenüberschriften finden sich in diesem Artikel. Die erste dieser Absatzüberschriften
befindet sich auf Seite neun und lautet: Kokain-Bande wie Konzern geführt. Auf diesen
beiden Seiten sind drei große Bilder, welche gemeinsam ca. eine Seite ausmachen. Diese
Bilder zeigen, wie Polizist_innen nach Drogen suchen, beisammen stehen und etwas
besprechen und wie zwei Männer einen, nach Angaben des Ministeriums, der beiden
großen Bosse abführen. Auf Seite neun ist in der unteren Hälfte noch ein eingerahmtes
Textfeld mit der Überschrift: Erfolg durch Zusammenarbeit aller Kräfte. Auch in diesem
Textfeld sind drei kleine Bilder, diese zeigen den Innenminister Schlögl, den Generaldirektor
für öffentliche Sicherheit Sika und General Schnabl.
Auf den Seiten zehn und elf lautet die Überschrift: Jeden Monat bis zu 100 Millionen
Umsatz, und die Unterüberschrift: Geld nach London geschickt – Schulung für die
Festnahme – Die Dealer demonstrierten. Die zweite Zwischenüberschrift auf Seite elf
lautet: Bosse wurden nur mit “Sir“ angeredet. Auch auf diesen beiden Seiten sind drei
Bilder, allerdings nehmen sie hier nur ca. eine dreiviertel Seite ein. Das erste Bild zeigt, wie
eine Freundin der Verdächtigen von zwei Polizisten in Handschellen abgeführt wird, das
zweite Bild zeigt die Wohnungsdurchsuchung des mutmaßlichen Drogen-Bosses und auf
dem dritten Bild ist das Restaurant in welchem die Lauschangriffe durchgeführt wurden
zu sehen. Im unteren Drittel dieser Doppelseite ist ein Textfeld mit der Überschrift: Die
Chronik der Aktion “Spring“. Auf Seite zehn ist in der linken Hälfte die Rubrik “Staberl”,
mit der Überschrift: Mit der Binde vor den Augen, dieser Text behandelt die Justizurteile
von Milosevic und vom Konsumverein.
288
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
In diesem Artikel sind der Wortschatz und auch der Stil des Textes sehr einfach gehalten,
es werden weiters keine Redewendungen, Sprichwörter oder dergleichen verwendet. Am
Beginn des Artikels wird mit Argumentationen wie “größte Polizeirazzia in der Geschichte
der Zweiten Republik“ und “vernichtenden Schlag gegen das nigerianische Drogenkartell“
auf den Erfolg der Razzia sehr reißerisch hingewiesen. In dieser Tonart geht es auch weiter.
Die Exekutive wird in diesem Artikel besonders für ihre getane Arbeit gelobt und auch
geschrieben, dass die Nigerianer nicht den Funken einer Chance hatten. Im ersten Teil des
Artikels heißt es abschließend, dass das Ziel der Aktion “Spring“, den Codenamen bekam
die Operation vom Innenministerium, erreicht wurde.
Im nächsten Teil des Berichtes, der unter der Zwischenüberschrift “Kokain-Bande wie
Konzern geführt“ startet, erklärt dem/der Leser_in wie die Drogenbande geführt wurde.
Hierin wird beschrieben, wie die Drogenbande aufgebaut war, von der untersten Stufe bis
hin zu den Bossen. Es darf in diesem Teil natürlich auch nicht fehlen, dass 90 Prozent der
Festgenommenen illegal nach Österreich eingereist sind und dass diese Personen einem
einzigen gigantischen Drogen-Kartell angehören. Vor allem im letzten Teil wird sehr
gegen die Partei der Grünen argumentiert, denn diese habe die Demonstration gegen den
Innenminister Schlögl initiiert und dabei protestierten die verhafteten Drogendealer mit.
1. Textbox: “Erfolg durch Zusammenarbeit aller Kräfte” Dieser Abschnitt ist hauptsächlich
eine Lobeshymne an die Polizei und die gesamten, an dieser Aktion beteiligten Personen.
2. Textbox: Die Chronik der Aktion “Spring” Hier ist erstmals vom Erfolg des Großen
Lauschangriffes die Rede. Es wird geschrieben, dass eben dieser Lauschangriff in der
“heißen Phase” jene Informationen brachte, die schlussendlich zum Erfolg dieser Aktion
führten, denn dadurch konnten das Geldwäsche-System und auch die Drogenverstecke
aufgedeckt werden.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel ist klar erkennbar in eine “rechtskonservative“ Position einzuordnen. Die
Autoren stellen in diesem Artikel schwarzafrikanische Menschen als skrupellos, gefühlskalt
und gefährlich dar, es wird somit bewusst Angst vor Menschen mit schwarzer Hautfarbe
gemacht. Weiters wird in diesem Artikel der Sachverhalt nicht angemessen geschildert,
sondern bewusst eine negative Stimmung, Schwarzen Menschen gegenüber, verbreitet.
Diese Aktion wird als großer Erfolg für die Polizei, vor allem auch für die Exekutive
und den großen Lauschangriff dargestellt. Dadurch werden lange Ermittlungsverfahren
gerechtfertigt.
289
Abbildung 8.1: Neue Kronen Zeitung, 28. Mai 1999
8.4.1.2 Artikel vom 29. Mai 1999: “Schon 1000 Nigerianer in Haft: Drogenring
hatte viele Helfer”
• Institutioneller Rahmen:
Dieser Artikel erschien am 29. Mai 1999 wiederum als Titelbericht in der Neuen Kronen
Zeitung. Autoren sind Gerhard Walter, Markus Hofer und Andreas Schiel. Der eigentliche
Bericht erschien in der Rubrik “Lokales”.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Auf dem Titelblatt lautet die Schlagzeile: Schon 100 Nigerianer in Haft: Drogenring hatte
viele Helfer. Auf dem Bild des Titelblattes ist ein Schwarzer, mit unkenntlich gemachtem
Gesicht und einem Bild in der Hand zu sehen. Die Überschrift über dem Bild lautet:
Rauschgift-Boß demonstrierte. Weiters ist links neben dem Bild ein kurzer Text, der
dieses Bild beschreibt.
290
Auf den Seiten zwölf und 13 lautet die Überschrift: Das Drogenkartell hatte in Österreich
viele Helfer, und die Unterüberschrift dazu: Nach der Großrazzia sitzen mehr als 100
Nigerianer im Gefängnis – Wie Politiker und “linksfortschrittliche” Medien benutzt wurden.
Es finden sich auch wieder Zwischenüberschriften in diesem Artikel, die Erste lautet:
Keine gewöhnliche Rauschgift-Bande und die zweite Zwischenüberschrift lautet: Auch
Omofuma hatte Kontakte. Auf diesen beiden Seiten sind vier Bilder abgedruckt, welche
gemeinsam ca. eine Seite einnehmen. Auf dem ersten Bild sieht man zwei Männer des
Wiener Sicherheitsbüros, auf dem Zweiten sieht man, wie Polizisten die öffentlichen
Verkehrsmittel Wiens kontrollieren. Am dritten Bild stehen einige Schwarze auf einem
Platz, dieses Bild wurde als Anti-Polizei-Demonstration beschrieben, und das letzte Bild
zeigt Marcus Omofuma.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Auch dieser Artikel ist sehr einfach und ohne Redewendungen und dergleichen gestaltet.
Am Beginn des Berichtes wird mit Argumentationen wie “wie beängstigend groß diese
Verbrecherkartell war“ und “bereits gelungen ist, verschiedenste Gesellschaftsbereiche
zu unterwandern” bewusst die Leser_innenschaft verängstigt. Danach wird vom/von
der Autor_in über die “Anti-Schlögl-Demonstration” und dem auch dort stattfindenden
Drogendealen berichtet. Diese Ausführungen enden mit drei Punkten. Anschließend wird
in einem Satz beschrieben, dass bei der Razzia mehr als 100 Verhaftungen in Wien, Graz,
Linz und St. Pölten stattgefunden haben und die Polizei kiloweise Suchtgift, sowie Bargeld
und auch Sparbücher mit einem Wert in Millionenhöhe sicherstellte.
Im nächsten Teil des Artikels, der unter der Zwischenüberschrift “Keine gewöhnliche
Rauschgift-Band” steht wird beschrieben, dass es sich bei dem Drogenring um keine
gewöhnliche Bande, sondern um einen hochentwickelten Konzern handeltet. Sie hatten
weltweite Verbindungen und auch viele Helfershelfer in Österreich. Anschließend wird
mit Aufzählungspunkten das “Management dieser Verbrecherorganisation” aufgelistet.
Darin heißt es, dass mehr als 90 Prozent der verhafteten Schwarzafrikaner zwar offiziell
Asylwerber sind, sich aber in den meisten Fällen bereits seit mehr als fünf Jahren in
Europa befinden und schon in anderen Ländern als “Drogensöldner” gedealt haben. In
einem weiteren Punkt schreibt der/die Autor_in, dass die Meisten sich unter falschem
Namen in Österreich aufhalten und wie sich bereits nach den ersten Verhören herausstellte, alle dem mächtigen “Ibo”-Clan in Nigeria angehören. Im nächsten Punkt wird
beschrieben wie die Schwarzafrikaner naive Europäerinnen, mit vorgespielter Liebe gefügig
machten, um zu einer Unterkunft zu kommen. In weiterer Folge wurden sie entweder
drogenabhängig gemacht oder für spezielle Geschäfte eingesetzt. Im letzten Punkt wird
über die systematische Unterwanderung berichtet. Dies ist ihnen auch bei Politiker_innen
von Minderheitsparteien und bei Journalist_innen diverser “linksfortschrittlicher“ Medien
gelungen.
Aufgrund solcher Argumentationen werden negative Assoziationen, beispielsweise schwarze
Hautfarbe deutet darauf hin, dass diese Person ein_e Drogendealer_in ist, geweckt.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Die Autoren stellen auch in diesem Artikel schwarzafrikanische Menschen als skrupellos,
gefühlskalt und gefährlich dar, damit wird wiederum bewusst Angst vor Menschen mit
schwarzer Hautfarbe gemacht.
291
Abbildung 8.2: Kronen Zeitung, 29. Mai 1999
8.4.1.3 Artikel vom 31. Mai 1999: “Suchtgift-Tests in Bankfilialen!”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 29. Mai 1999 als Bericht im Umfang von ca. einer dreiviertel
Seite in der Neuen Kronen Zeitung. Autoren sind Gerhard Walter und Andreas Schiel.
Der Bericht erschien in der Rubrik “Lokales“.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Die Überschrift dieses Artikels lautet: Suchtgift-Tests in Bankfilialen! Über dieser Überschrift steht: Neue Details über Ermittlungen gegen das Nigerianer-Kartell und Bosse
in U-Haft. Im unteren Drittel der Seite ist ein Comic mit dem Titel “Superrudi & Superstruppi“, dieser behandelt die “Aktion Zebrastreifen“ und hat zum Inhalt, dass die
Polizei mit dieser Aktion die Schulkinder darauf hinweisen will, dass man sich nicht auf
die Disziplin der Autofahrer_innen verlassen kann. Weiters ist auf dieser Seite ein Bild,
und ein kurzer Text dazu, von einer Narzissenparade in Bad Aussee zu finden.
292
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Artikel ist in sehr einfacher Art und Weise geschrieben und somit auch sehr leicht
verständlich. Er hat keine komplizierten oder komplexen Satzkonstruktionen zum Inhalt
und es wird auch ein allgemein bekannter Wortschatz verwendet.
Am Beginn des Berichtes wird geschrieben, dass nach und nach immer mehr Details
über die Operation Spring bekannt werden. Nahtlos daran folgt die Darstellung wie
rücksichtslos die Afrikaner_innen ihre “schmutzigen Geschäfte“ ausübten. Es wird in den
folgenden zwei Absätzen detailreich über die Geldwaschmethoden der Drogendealer_innen
berichtet. Hierin finden sich auch Anschuldigungen gegenüber den Afrikanern, sie hätten
(meist) Europäerinnen die große Liebe vorgespielt, sie aber nur zu Geldwäschezwecken
gebraucht. Die Frauen wurden von ihnen in die Bankfilialen geschickt, um das “Kleingeld“,
100 Schilling Scheine, auf größere Geldnoten, wie beispielsweise 5000 Schilling Scheine,
wechseln zu lassen. Diese neuen Scheine mussten sie dann direkt vor den Bankfilialen
wieder an die wartenden Drogendealer abgeben. Hierin wurden sie allerdings bereits seit
November von den Fahnder_innen observiert und auch von Überwachungskameras gefilmt.
Die Fahnder_innen fanden an den Geldscheinen mittels Drogen-Schnelltests Restspuren
von Kokain und Heroin. Weiters wird von Telefonüberwachungen berichtet, wobei die
Fahnder_innen mittels dieser Technik herausfanden, dass die Nigerianer_innen jeweils
am achten und am neunten jedes Monats mit besonders großen Drogen-Mengen auf die
Straßen gingen, denn an diesen beiden Tagen erhalten viele “Junkies“ ihr Geld vom Staat,
also Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe. Der hierauf folgende Teil des Artikels ist bewusst
positiv für die Fahnder_innen und deren Ermittlungsarbeit bzw. -tätigkeit formuliert.
Dies wird vor Allem auch dadurch zum Ausdruck gebracht, als dass die Autoren von
einem Gespräch zwischen zwei Dealern berichten und gleich im Anschluss liest der/die
Leser_in “nur ein Beweis von Tausenden“.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel ist sehr einseitig verfasst, in eine “rechtskonservative“ Position einzuordnen
und versucht durch diese Ausrichtung die Emotionen der Menschen anzusprechen.
Des Weiteren ist dieser Artikel eine Lobeshymne an die Fahnder_innen und deren
Ermittlungstätigkeiten und auch in diesem Bericht werden Schwarze als gefühlskalt
und rücksichtslos dargestellt, es wird somit wieder bewusst Angst vor Menschen mit
schwarzer Hautfarbe gemacht. Es wird in diesem Artikel ein klarer Zusammenhang
zwischen schwarzer Hautfarbe, Drogendealen und Gefühlskälte suggeriert.
8.4.1.4 Leserbrief vom 3. Juni 1999: “Gratulation!”
• Institutioneller Rahmen:
Der Leserbrief erschien am 3. Juni 1999 in der Neuen Kronen Zeitung. Autor ist Franz
Ehm aus Graz.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Es ist ein sehr kurzer Leserbrief, er besteht nur aus zwei Sätzen.
293
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Schreiber gratuliert in diesem Leserbrief der österreichischen Polizei zur Aufdeckung
und Zerschlagung des gefährlichen nigerianischen Rauschgiftringes “(Mafia?)“. Er sieht
den Erfolg der Polizei vor Allem im Lauschangriff und in der Rasterfahndung der Polizei.
Der Autor schreibt in diesem Zusammenhang auch, dass diese Methoden wichtig zur
“wirksamen Bekämpfung von generalstabsmäßig organisierten Verbrechen“ sind.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Dieser Leserbrief ist eine Lobeshymne an die Polizei und damit verbunden an den
Lauschangriff und die Rasterfahndung.
8.4.1.5 Leserbrief vom 3. Juni 1999: Drogenmafia
• Institutioneller Rahmen:
Der Brief erschien am 3. Juni 1999 in der Neuen Kronen Zeitung. Autor ist Heinz Seidl
aus Wien.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Dieser Leserbrief besteht nur aus drei Sätzen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Schreiber meint, dass die Aktion der Exekutive die richtige Antwort auf das “lautstarke
Geschrei der Humanitätsdilettanten“ gewesen sei. Ironisch schreibt er, dass allerdings auch
diese Menschen einen Erfolg für sich verbuchen konnten, da sich die Drogendealer_innen
an der Demonstration beteiligten. Der Leserbrief endet danach mit einem “Bravo”.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
In diesem Leserbrief wird die Exekutive und ihre Arbeit gelobt und im gleichen Atemzug
werden humanitäre Organisationen als schreiende Dilettanten, welche Drogenbosse an
ihrer Seite haben, bezeichnet.
8.4.1.6 Artikel vom 19. Juni 1999: “Rauschgift unter der Perücke versteckt”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 19. Juni 1999 als Bericht in der Rubrik “Lokales” im Umfang von
ca. einer zweidrittel Seite in der Neuen Kronen Zeitung. Autor ist Erich Schönauer.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Die Überschrift dieses Artikels lautet: Rauschgift unter der Perücke versteckt. Über dieser
Überschrift steht: 35jährige Nigerianerin in Wien verhaftet. Links ist ein großes Bild einer
Nigerianerin, sie soll unter ihrer Perücke 200 Gramm Suchtgift versteckt gehabt haben, um
die Frau unkenntlich zu machen, wurde ein schwarzer Balken über ihre Augenpartie gelegt.
Es gibt in diesem Bericht eine Zwischenüberschrift, welche lautet: 25.000 Schilling für
294
Fahrt nach Holland. Im unteren Drittel der Seite ist ein Comic mit dem Titel “Superrudi
& Superstruppi”, dieser handelt davon, dass Heide Schmidt Österreich verlässt, da sie
hier kaum noch Chancen hat. Sie geht in die Schweiz, da man dort für die Legalisierung
von Drogen gestimmt hat.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Am Beginn des Berichtes wird von einem neuen Erfolg der Polizei im “Kampf gegen die
Drogenmafia” gesprochen. Sie hat eine 35-jährige Nigerianerin, welche Suchmittel von
Amsterdam nach Wien schmuggelte, einen 28-jährigen Asylanten aus dem Kongo und
dessen 19-jährige, aus Sierra Leone stammende Freundin verhaftet. Daraufhin folgt ein
Absatz über die Tatsache, dass die Frau nicht nur Drogen unter ihrer Perücke hatte,
sondern dass sie auch Kugeln mit Rauschgift, welche mit Tixo-Bändern umwickelt waren,
verschluckt hatte, diese wurden durch röntgen entdeckt. Im anschließenden Absatz wird
geschildert, dass die Drogenfahnder_innen der Kriminalpolizei Ottakring, unter Major
Rabensteiner, beim Aufteilen der Drogen für die Wiener Suchtgiftszene in einer Wohnung
in der Krottenbachstraße in Wien zuschlugen, sie verhafteten neben der Nigerianerin auch
einen 28-Jährigen, der Chef der sogenannten “Salzburg-Wien-Connection“ ist, und dessen
19-jährige Freundin. Nahtlos daran wird dargestellt, dass der Verhaftete 28-Jährige im
vergangenen Jahr um Asyl angesucht hatte, es ihm aber im Flüchtlingslager Traiskirchen
nicht mehr gefiel und er deswegen in eine Wohnung nach Wien-Döbling übersiedelt war,
von wo aus er seine Drogengeschäfte lenkte. Allerdings wurden die Dealer_innen aufgrund
der letzten großen Razzia, bei der mehr als 100 Personen verhaftet wurden, vorsichtiger.
Im letzten Absatz des Artikels wird nochmals auf den Drogenschmuggel der Nigerianerin
eingegangen, der Chef der Bande soll ihr 25.000 Schilling Honorar dafür angeboten haben.
Sie reiste mit ihrer Tochter als Touristin getarnt im Zug nach Amsterdam, wo sie bereits
von einem Nigerianer erwartet wurde, von welchem sie nur den Vornamen wusste. Dieser
übergab ihr die bestellte Ware. Der letzte Satz endet mit drei Punkten.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Es wird dargestellt wie einfach es für Asylwerber_innen sein muss eine Wohnung zu
bekommen, wenn es ihnen im Flüchtlingslager Traiskirchen nicht mehr gefällt. Des
Weiteren wird mittels der 25.000 Schilling veranschaulicht, dass Drogendealer_innen gute
Honorare für Schmugglerdienste bezahlen. Hiermit wird verdeutlicht, dass Drogen, Geld
und schwarze Hautfarbe korrelieren.
8.4.1.7 Artikel vom 28. Juni 1999: “Illegale”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 28. Juni 1999 in der Rubrik “Politik” und umfasst ca. ein Drittel
der Seite. Als Autor dieses Berichtes ist Noricus genannt.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Die Überschrift dieses Artikels lautet: Illegale und die Textbox ist im rechten Drittel
der Seite platziert. Links daneben ist ein Bericht mit der Überschrift: Fall Omofuma
hat Schlögl nicht geschadet: Populärer denn je! Autor dieses Artikels ist Peter Gnam.
Über dieser Überschrift steht: In der Politiker-Hitparade hinter Klestil und Klima auf
Platz 3, darüber befindet sich ein Foto, welches Kanzler Klima mit den Ministern Schlögl
295
und Edlinger bei einem gemeinsamen Händereichen zeigt. Dieser Artikel behandelt die
Beliebtheitswerte der Politiker_innen welche mittels Befragungen des Wochenmagazins
“profil” ermittelt wurden. Der Innenminister Schlögl erreicht bei dieser Befragung den
dritten Platz, überholt wurde er nur von Bundespräsident Klestil und Bundeskanzler
Klima. Weiters kommt in diesem Artikel auch zum Ausdruck, dass dem Minister die
Causa Omofuma nicht geschadet hat, denn er hat sich seit der letzten Befragung um
zehn Prozentpunkte verbessert. Weiters ist auf dieser Seite eine kleine Textbox mit einer
Karikatur des Herrn “Strudl“ zu finden. Der darunter stehende kurze Text hat die Kosten
des Wiederaufbaus auf dem Balkan, welche auf eine Billion Schilling geschätzt werden
und welche weniger als die österreichische Staatsschulden betragen, zum Inhalt. Es ist auf
dieser Seite auch noch eine weitere Textbox, ein Gedicht geschrieben von Wolf Martin, mit
dem Titel “In den Wind gereimt“. Dieser Reim hat zum Inhalt, dass der ÖVP Vizekanzler
Schüssel drogenfreie Zonen um die Schulen haben möchte, jedoch was außerhalb dieser
Zonen ist interessiert ihn nicht, so als ob er davor resignieren würde.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Im ersten Absatz des Artikels in dem von 13.000 illegalen, aber registrierten, Grenzübertritten in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres geschrieben wird, wird diese
Zahl auf 30.000 aufgegriffene illegale Flüchtlinge hochgerechnet und in diesem Zusammenhang berichtet, dass dies nur die Spitze des Eisberges sei und davon ausgegangen
werden kann, dass diese Zahl auf 100.000 bis 200.00 illegale “Ausländer_innen”, welche
in Österreich leben, hochgerechnet werden kann. Im nächsten Teil des Artikels wird
geschrieben, dass der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Michael Sika, in einem
Interview mit dem Wochenblatt “Zur Zeit“ von einer Art der “modernen Sklaverei“ in
Zusammenhang mit den illegalen Zuwanderer gesprochen hat. Seinen Schlüssen zufolge
kam er auf diesen Terminus, da diese Illegalen oft als Auftragsdiebe, als Prostituierte und
auch als Auftragsmörder_innen tätig sein müssen, um sich den sehr hohen Preis gegenüber
den Schlepper_innenbanden leisten zu können. Gefördert würde, laut Michael Sika, diese
Form der Sklaverei in Österreich vor Allem durch die “Gutmenschen“ der humanitären
Organisationen, denn genau diese Menschen setzen sich für Zuwanderung ein. Sika bringt
dies in Zusammenhang mit den verhafteten nigerianischen Drogendealer_innen.
Der letzte Absatz dient nur noch dazu, zu verdeutlichen, dass diese illegalen Einwander_innen bemitleidenswert sind, aber illegale Zuwanderung nicht geduldet werden kann
oder darf. Besonders bestraft werden sollten aber die Schlepper_innen, denn sie seien die
“Nutznießer des Elends“.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel versucht mittels Wortbilder die Emotionen der Menschen anzusprechen. Dies
geschieht in diesem Artikel indem geschrieben wird, dass die “geschnappten Illegalen nur
die Spitze des Eisbergs sind“. Mithilfe dieser Bilder wird bewusst Angst provoziert. In
diesem Artikel wird ferner die Caritas bewusst schlecht dargestellt, indem geschrieben
wird, dass sie sich für die Zuwanderung einsetzen und “eine Reihe der jüngst verhafteten
Drogenhändler in Caritasheimen wohnten“. Den Leser_innen wird somit in diesem Artikel
wieder das stereotype Bild vom “afrikanischen Drogendealer“ vermittelt. Es wird suggeriert,
dass es sich bei diesen illegal eingewanderten Menschen um durchwegs schlechte Personen
handelt, da sie kriminell seien.
296
8.4.2 Feinanalyse der Tageszeitung “Der Standard”
8.4.2.1 Artikel vom 28. Mai 1999: “Festnahmen im Dutzend”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 28. Mai 1999 als Titelstory. Autor ist Christoph Prantner. Der
Bericht erschien in der Rubrik Länder.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Auf dem Titelblatt lautet die Schlagzeile: Polizei-Großaktion gegen schwarzen Drogenhandel, diese Headline trägt den Übertitel: Erster Lauschangriff für “Operation Spring“
eingesetzt und auch noch den Untertitel: Großteil der Festgenommenen aus Afrika, viele
Asylwerber. Der Artikel nimmt auf dem Titelblatt der Zeitung nur etwa ein Achtel der
Seite ein und weist darauf hin, dass der tatsächliche Bericht und ein Kommentar dazu im
Inneren der Zeitung zu finden sind. Der erste Teil des Artikels auf der Titelseite beschreibt
den Ablauf der “Operation Spring“ und dessen Resultate. In diesem Zusammenhang wird
auch die Anzahl der Verhafteten in den verschiedenen Städten und die Menge an sichergestellten Suchtmitteln genannt. Der zweite Teil hat den Lauschangriff, Zusammenhänge
mit dem Fall Omufuma und Diskreditierung von Exekutivbeamten zum Thema.
Auf der Seite zwölf lautet die Überschrift: Festnahmen im Dutzend, und der Übertitel
dazu: “Operation Spring“: 850 Polizisten hoben internationalen Dealerring aus. Auf
der Seite ist ein großes Bild, welches Sicherheitsgeneral Sika, Minister Schlögl und den
Polizeipräsidenten Stiedl bei einer Pressekonferenz zeigt. Am Ende des Artikels wird darauf
hingewiesen, dass auf Seite 40 ein Kommentar zu der Aktion zu finden ist. Zu Beginn
des Berichtes wird die Pressekonferenz thematisiert und im Zuge dessen die Operation
Spring detailliert erklärt, dabei werden Prozentanagaben zum “Schwarzafrikaner- und
Asylwerberanteil” unter den Verhafteten gemacht. Zusätzlich wird über die Festnahme
von zwei Anführern berichtet und die Menge an sichergestellten Suchtgiftes und dessen
Herkunft genannt. Im nächsten Teil wird über den Lauschangriff und den Ablauf der Aktion
berichtet. Als nächstes folgt eine Distanzierung zum Fall Omufuma und eine Abgrenzung
von der Politik. Als letzter Teil wird das Verhalten von Verdächtigen gegenüber der
Exekutive beschrieben.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Wortschatz des Artikels ist bis auf wenige Ausnahmen einfach gehalten und nur
wenige Zitate wurden verwendet. Der Stil des Textes ist eher gehoben und es werden
weiters keine Redewendungen, Sprichwörter oder dergleichen verwendet. Am Beginn des
Artikels wird bereits mit einem Seitenhieb zum Fall Omufuma die Durchführung der
Aktion kritisch kommentiert. Zu Beginn des Artikels ist der Inhalt sehr objektiv und auf
Informationenn beschränkt. Im letzten Teil werden jedoch Fragen und Stellungnahmen
zur Aktion aufgeworfen und teils mit Zitaten dokumentiert.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel hinterfragt neben einer neutralen Berichterstattung der Geschehnisse die
Vorgehensweise der Aktion und die Argumentation durch die Verantwortlichen. Im Text
wird klar abgegrenzt zwischen objektiver Berichterstattung und wertenden Kommentaren
durch Beteiligte.
297
Abbildung 8.3: Der Standard, 28. Mai 1999
8.4.2.2 Kommentar vom 28. Mai 1999: “Die Amtshandlung”
• Institutioneller Rahmen:
Der Kommentar erschien am 28. Mai 1999 im Zusammenhang mit einer Titelstory in der
Standard. Autor ist Gerfried Sperl. Der Kommentar erschien in der Rubrik Kommentar.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Die Überschrift des Kommentars lautet: Die Amtshandlung. Es befinden sich keine Bilder
oder weitere Artikel zu diesem Thema auf der Seite. Der Kommentar nimmt nur einen
kleinen Teil der Seite ein.
Im ersten Absatz des Artikels wird das Ergebnis bzw. die Vorgehensweise der Polizeiaktion
neben tatsächlichem Lob auch sarkastisch gelobt. Dabei wird auf eine Aussage des Innenministers Sika zum Zusammenhang der Aktion mit dem Fall Omofuma referenziert. Im
nächsten Absatz wird in fortführend sarkastischer Weise auf Zusammenhänge hingewiesen,
die möglicherweise Auslöser für die Aktion waren. Auch im dritten Absatz wird in dieser
Weise über zeitliche Überschneidungen mit einer Aufforderungen eines Parteipolitikers
der Freiheitlichen sinniert. Im letzten Absatz wird auf die Massenwirksamkeit der Aktion
hingewiesen.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Wortschatz des Artikels ist bis auf wenige Ausnahmen einfach gehalten und es wurden
verhältnismäßig viele Zitate verwendet. Der Stil des Textes ist eher gehoben und teils
durch den Satzbau schwer verständlich.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel stellt sarkastisch die Aktion in Frage und schlägt eine eindeutige Richtung ein.
Der Text wirkt als eine Kritik gegenüber der Exekutive und unterstellt den Verantwortlichen, gezielt Unwahrheiten bzw. Ausreden benutzt zu haben, um von den tatsächlichen
Zusammenhängen abzulenken.
298
8.4.2.3 Artikel vom 29./30. Mai 1999: “Termin der Massenverhaftungen einige
Male aus Angst vor Verrat verschoben Monsterprozeÿ nach Razzia”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel ist in der Wochenendausgabe des Standard vom 29./30. Mai 1999 in der Rubrik
Österreich-Chronik des Printmediums erschienen. Autoren sind Christoph Prantner und
Michael Simoner.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Artikel ist in der oberen Hälfte der Seite platziert. Auf der gleichen Seite befindet
sich noch ein Artikel über Clini-Clowns in Auslandseinsätzen und eine Spalte, die das
Strafausmaß für Drogendelikte in Österreich beschreibt. In der Mitte der oberen Halbseite
ist ein großes Bild der Clini-Clowns platziert. Auf der unteren Hälfte der Seite befinden
sich zwei weitere Artikel, die mit dem Thema nicht in Zusammenhang stehen, sowie eine
Wahlwerbung für Hans-Peter Martin.
Im Artikel wird der eingeleitete Sammelprozess gegen mehr als 100 Angeklagte, die im
Rahmen der Operation Spring am 27.Mai 1999 verhaftet wurden, beschrieben. Es wird
beschrieben, dass 20 Personen im Vorfeld und 80 Personen bei der Operation direkt
verhaftet wurden. 90 Prozent davon seien Schwarzafrikaner_innen und hielten sich als
Asylwerber_innen in Österreich auf. Es wird die Vorbereitung auf den Polizeieinsatz,
der Lauschangriff, sowie die Auswertung und Übersetzung der aufgezeichneten und
ausgewerteten Gespräche beschrieben und dabei Innenminister Sika zitiert. Ihm zufolge
gehen die Kosten für den Einsatz “in die Millionen“ und es habe bei der Exekutive noch
nie derart viele Überstunden gegeben. Am Schluss des Artikels wird Caritas Sprecherin
Claudia Ortner zitiert – sie weise Anschuldigungen, dass die Caritas Drogenhändler decke,
zurück.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Artikel ist in einer klar verständlichen Sprache verfasst. Es werden einige direkte Zitate
verwendet und Aussagen von Personen sinngemäß wiedergegeben. Der Stil des Textes
ist eher gehoben und es werden keine Redewendungen, Sprichwörter oder dergleichen
verwendet.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel ist deskriptiv gehalten und es wird auf die getroffenen Aussagen der zitierten
Personen kaum näher eingegangen.
8.4.2.4 Artikel vom 12. Juni 1999: “Razzia: 43 von über 100 Verdächtigen noch in
Haft”
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel ist in der Ausgabe des Standard vom 12. Juni 1999 in der Rubrik ÖsterreichChronik des Printmediums erschienen. Der Autor trägt das Kurzzeichen “simo“, ein Name
wurde nicht genannt.
299
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Hauptartikel der Seite ist ein Bericht über die Sanierung und vorläufige Sperre des
Tauerntunnels. Weiters befinden sich auf der Seite noch Berichte über einen Taxiüberfall,
ein Artikel über den FPÖ-Ideologen Andreas Mölzer sowie ein Artikel über den Fall
Marcus Omofuma. In letzteren ist auch der analysierte Artikel eingebettet.
Im Artikel wird beschrieben, dass 43 der mutmaßlichen Drogenhändler immer noch in
Untersuchungshaft in Wien inhaftiert sind. Der Rest davon ist wieder auf “freiem Fuß“.
Es wird auch erwähnt, dass viele von ihnen Asylwerber_innen waren. Den Inhaftierten
drohe ein Prozess wegen Bildung einer kriminellen Organisation. Charles Ofoedu, der
mutmaßliche Drahtzieher der Bande, wird namentlich erwähnt. Am Ende des Artikels
werden zwei Jugendliche erwähnt, welche in Graz inhaftiert sind, nachdem auch gegen Sie
der Verdacht des gewerbsmäßigen Drogenhandels erhoben wurde.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Artikel ist in einer klar verständlichen Sprache verfasst. Es werden keine direkte
Zitate verwendet oder Aussagen von Personen wiedergegeben. Der Stil des Textes ist eher
gehoben. Einzige Redewendung ist die Phrase “auf freien Fuß gesetzt“ - ansonsten finden
sich keine Sprichwörter oder Redewendungen in dem Artikel.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel ist sachlich und neutral formuliert und ist in einer klar verständlichen Sprache
geschrieben. Es handelt sich um einen sehr kurzen Artikel. Die Einbettung des Artikels in
einen Artikel über den Tod von Marcus Omofuma fällt jedoch auf.
8.4.2.5 Kommentar vom 15. Juni 1999: “Richter und Dealer”
• Institutioneller Rahmen:
Der Kommentar ist in der Ausgabe des Standard vom 15. Juni 1999 in der Rubrik
“Kommentar der Anderen“ des Printmediums erschienen. Der Kommentar wurde von
der ehemaligen Richterin Helene Partik-Pablé verfasst. Anlass für das Erscheinen dieses
Kommentars ist eine Anschuldigung der Richterpräsidentin Helige wegen einer Aussage,
die von Partik-Pablé im Rahmen der Prozesse um die “Operation Spring“ vom 27. Mai
getätigt wurde.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Auf der Seite befinden sich mehrere Kommentare von Leser_innen oder bekannten Persönlichkeiten zu verschiedenen Themen. Weiters werden Artikel von anderen Printmedien
abgedruckt und kommentiert.
Die ehemalige Untersuchungsrichterin Helene Partik-Pablé hat diesen Kommentar als
Antwort auf eine Anschuldigung, sie habe eine rassistische Haltung gegenüber Nigerianer_innen, verfasst. Die in dem “Operation Spring“ Prozess tätige Richterin Barbara
Helige hatte Partik-Pablé vorgeworfen, sie hätte sich negativ gegenüber den nigerianischen
Drogendealern geäußert. Partik-Pablé rechtfertigt sich insofern, als sie meint, es wäre von
Drogendealern die Rede gewesen, welche niemand in Schutz nehmen würde. Weiters wirft
sie der Richterin vor, sie solle als solche unparteilich und auch frei von einer Haltung
gegenüber Menschen anderer Hautfarbe sein, sie also nicht in Schutz nehmen.
300
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Text ist in einer klar verständlichen Sprache verfasst, aber auf einem relativ hohen
Niveau gehalten. Es werden keine Redewendungen, Stereotype oder ähnliches verwendet.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Text bezieht sich auf eine persönliche Differenz zwischen den beiden genannten
Personen. Interessant ist der Aspekt, dass eine Richterin unparteilich sein sollte und
daher nicht einmal auf eine Rasse eingehen sollte. Die Autorin des Artikels ist ehemalige
FPÖ-Funktionärin und mittlerweile beim BZÖ tätig – es wäre also naheliegend, dass diese
Aussage zur Rechtfertigung einer rechts gerichteten Haltung dient.
8.4.3 Feinanalyse der Tageszeitung “Oberösterreichische Nachrichten”
8.4.3.1 Artikel vom 28. Mai 1999: “Mit Lauschangri
Verhaftungen”
Drogenring gesprengt: 70
• Institutioneller Rahmen:
Der Zeitungsartikel erschien am 28. Mai 1999 als Bericht im Umfang von ca. einer
viertel Seite in den OÖN. Der/Die Autor_in wird in diesem Artikel lediglich mit dem
Kürzel “(no)“ genannt. Der Bericht erschien in der Rubrik “LandesNachrichten“. Anlass
für das Erscheinen dieses Artikels ist eine, unter dem Decknamen “Operation Spring“
durchgeführte, Drogenrazzia in Wien, Graz, Linz und St. Pölten am Donnerstag, 27. Mai
1999.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Die Überschrift dieses Artikels lautet: “Mit Lauschangriff Drogenring gesprengt: 70 Verhaftungen“, dieser Artikel ist ca. in der Mitte der Seite platziert, er ist eher kurz gehalten
und in drei Spalten abgedruckt. Im linken Teil dieser Seite ist eine Spalte mit dem Titel:
OrtsNachrichten, und darunter: ÖsterreichNachrichten. Über dem zu analysierenden
Artikel ist ein Bild mit der Bildunterschrift: Vom Dach gerettet. Es finden sich auch noch
weitere Artikel rund um den zu untersuchenden Bericht. Die Überschriften dieser Artikel
lauten: “Fachärzte sollen sich “am Land” niederlassen“, “Tag des Rades an der Traun“,
“BH-Affäre: Jetzt Vorwurf des Erpressungsversuchs“ und “Sex-Phantom mit Bild gejagt“.
Es findet sich ein Bild mit einem Fahrrad auf dieser Seite.
Der Artikel ist viermal unterteilt: in eine fett hervorgehobene Einleitung, einen Teil,
welcher die Verhaftungen zum Inhalt hat, der dritte Teil behandelt die Operation selbst
und im kurzen letzten Teil liest der/die Lerser_in die Klarstellung des Innenministers.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Wortschatz und auch der Stil des Artikels sind einfach gehalten und er ist somit auch
leicht verständlich. Er hat keine komplizierten oder komplexen Satzkonstruktionen zum
Inhalt und es wird auch ein allgemein bekannter Wortschatz verwendet. Es werden weiters
keine Zitate, Redewendungen, Sprichwörter oder dergleichen verwendet. Es werden zwei
direkte Zitate von Sicherheitsgeneral Michael Sika angeführt.
301
In der kurzen fett hervorgehobenen Einleitung wird auf die Städte Wien und Linz Bezug
genommen. Es wird berichtet, dass es gestern, also den 27. Mai, den österreichischen
Fahndern gelang einen schwarzafrikanischen Drogenring von der Spitze her aufzurollen und dass bei den 70 Verhafteten auch Asylwerber, welche an der Mahnwache für
Omofuma teilgenommen hatten, dabei waren. Am Beginn des anschließenden Berichtes
wird geschrieben, dass sich mehr als 80 Prozent der kompetent handelnden angeblichen
Drogendealer als Asylwerber oder sogar illegal in Österreich aufhalten. Es wird weiters
darauf hingewiesen, dass die beiden Chefs aus Nigeria stammen und 45 Jahre alt sind.
Zwei in Linz festgenommen Schwarzafrikaner sollen in einem Asylwerber_innenwohnheim
gelebt und den Großraum Linz mit Drogen beliefert haben. Weitere Festnahmen gab es
in Wien und in Graz und zwar in Heimen der Caritas. Es wurden allerdings nirgendwo
Drogen gefunden, auch nicht in Linz.
Im dritten Teil des Artikels wird kurz die “Operation Spring“ erklärt. Es waren insgesamt
850 Gendarmen und Polizist_innen im Einsatz, sie hatten am 27. Mai, mit Haftbefehlen
in ihren Taschen, in Linz, Graz, Wien und Niederösterreich fast zeitgleich zugeschlagen. Es
wird hier geschrieben, dass in den Wohnungen mehrere Kilo Suchtgift sichergestellt wurde.
Informationen über die Drogendealer hatten die Ermittler mithilfe von Observationen
mit Tonband und Video gesammelt, im Zuge dieser Observation wurden auch mehrere
Personen drei Wochen lang bei Suchtgiftgeschäften in Räumen beobachtet. Darauf folgen
zwei direkte Zitate von Sicherheitsgeneral Michael Sika, in denen es heißt, dass sie (also die
Exekutive) auf Band hätten, dass der Chef der Bande den Mitarbeitern auf der untersten
Ebene für einen Tag frei gegeben hatte um an der Demonstration der Polizeiangriffe
teilnehmen zu können. Im zweiten direkten Zitat meint Michael Sika, dass sie wissen,
dass einige an der Mahnwache für Marcus Omofuma beteiligt waren. Weiters heißt es
in diesem Teil, dass die Drogenbande die Exekutive diskreditieren, damit sie bei den
Drogengeschäften keine Gefahr mehr ist.
Im letzten kurzen Abschnitt des Artikels betont der Innenminister, dass diese größte
Aktion gegen Drogen der vergangenen Jahre mit dem Titel “Operation Spring“ nicht in
Verbindung mit dem Tod des Schubhäftlings Marcus Omofuma gesehen werden darf.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel ist sehr einseitig verfasst, es werden jedoch einige Hintergrundinformationen
zur “Operation Spring“ gegeben. Diese beschränken sich allerdings darauf, dass die
Anzahl der Ermittler_innen angegeben wurde, es waren laut Artikel 850 Gendarmen und
Polizist_innen bei dieser Aktion im Einsatz. Zusätzlich wird erwähnt, dass mehr als 80
Prozent der mutmaßlichen Dealer Asylwerber und Illegale in Österreich sind, dass die
Aktion in Wien, Linz, Graz und Niederösterreich stattfand und die Ermittler_innen die
Informationen über die Drogendealer mithilfe von Observationen mittels Tonband- und
Videoaufnahmen gesammelt haben.
Des Weiteren ist dieser Artikel eine Lobeshymne an die Fahnder_innen und deren
Ermittlungstätigkeiten, denn es wurden im Zuge der Observation auch mehrere Personen
drei Wochen lang bei Suchtgiftgeschäften in Räumen beobachtet. Allerdings findet sich in
diesem kurzen Artikel ein großer Widerspruch, denn einmal wird vom/von der Autor_in
geschrieben, dass keine Drogen, auch nicht in Linz gefunden wurden, einen Absatz später
wird diese Tatsache jedoch wieder zunichte gemacht, indem berichtet wird, dass mehrere
Kilo Suchtgift in verschiedenen Wohnungen sichergestellt wurden.
302
Abbildung 8.4: Oberösterreichische Nachrichten, 28. Mai 1999
303
8.4.3.2 Artikel vom 29. Mai 1999: “100 Verhaftungen von Dealern waren ’erst der
Anfang” ’
• Institutioneller Rahmen:
Der Artikel erschien am 29. Mai 1999 als Bericht im Umfang von ca. einer viertel Seite in
den OÖN. Der/Die Autor_in wird in diesem Artikel nicht genannt. Der Bericht erschien
in der Rubrik “LandesNachrichten“.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Die Überschrift dieses Artikels lautet: “100 Verhaftungen von Dealern waren erst der
Anfang’“, dieser Artikel ist rechts oben der Seite platziert, er ist eher kurz gehalten und
in zwei Spalten abgedruckt. Im ganz linken Teil dieser Seite ist eine Spalte mit dem
Titel “KurzNachrichten”. Links neben dem zu analysierenden Artikel ist ein Bild eines
Pferdes mit einer Reiterin mit der Bildunterschrift: Indianerin in Wels. Unter dem zu
untersuchenden Bericht ist ein Artikel mit Bild, mit der Überschrift “Linzer Ärzteband
im musikalischen Härtetest“. Im unteren Teil der Seite befindet sich ein Inserat vom Land
Oberösterreich mit dem Titel “Informieren Sie sich über das Musiktheater!”
Der Artikel ist fünfmal unterteilt in eine fett hervorgehobene Einleitung, einen Teil in dem
es darum geht, dass die Aktion weiterläuft, keinen Zusammenhang mit dem Fall Omofuma
hat und bereits 100 Personen verhaftet wurden. Im dritten Teil wird der Lauschangriff
kurz angesprochen, im vierten Teil wird knapp erklärt, dass zwischen dieser Aktion und
der FPÖ-Inseratenkampagne kein Zusammenhang besteht, und die Quintessenz im letzten
Teil ist, dass der Einsatzplan bereits lange vor dem Tod Omofumas vorgelegen ist.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Auch in diesem Artikel ist der Wortschatz sowie auch der Stil des Artikels einfach
gehalten, wodurch dieser leicht verständlich wird. Es werden wieder drei direkte Zitate
von Sicherheitsgeneral Michael Sika angeführt.
In der kurzen fett hervorgehobenen Einleitung wird auf die Städte Wien und Linz
Bezug genommen. Es wird berichtet, dass die Ermittlungen bereits vergangenen Oktober
begonnen haben und dass mittlerweile 100 Verdächtige in Polizeigewahrsam genommen
wurden.
Der anschließende Bericht wird mit einem direkten Zitat von Michael Sika begonnen,
in dem es heißt, dass die Aktion weiterläuft, denn man ist erst am Anfang. Es wird
auch klargemacht, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem “Fall Omofuma“ und der
“Operation Spring“ gibt. Weiters wird geschrieben, dass bereits mehr als 100 Drogendealer
in Haft sind und dass bei dieser Aktion, welche in Wien, Niederösterreich, Linz und Graz
stattfand, vornehmlich Schwarzafrikaner als Mitglieder einer Drogenorganisation verhaftet
wurden.
Im dritten Teil des Artikels wird der Lauschangriff kurz angesprochen, erst durch diese
Methodik ist der Erfolg der Aktion möglich geworden, denn mit den Observationen mittels
Ton und Video konnten genügend Beweise gesammelt werden.
Im letzten kurzen Abschnitt des Artikels wird betont, dass das genaue Datum des Einsatzes
aus kriminaltaktischen Gründen öfters vor- und zurückverlegt wurde um Indiskretionen
auszuschalten. Auch sei der Einsatzplan bereits lange vor dem Tod Omofumas vorgelegen.
304
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
In diesem Artikel wird der Lauschangriff in den höchsten Tönen gelobt, denn nur dadurch
sei, laut diesem Zeitungsartikel, dieser Erfolg der größten Drogenaktion der vergangenen
Jahre erst möglich geworden. Es wird auch knapp erklärt, dass zwischen dieser Aktion
und der FPÖ-Inseratenkampagne mit dem Titel “Machtlos gegen 1000 Nigerianer“ kein
Zusammenhang besteht, auch wenn das die Grünen und Liberalen glauben. Sika meint
dazu in einem wörtlichen Zitat, dass es eine Naivität sei, so eine Frage überhaupt zu stellen,
auch wenn man nichts von der Polizei verstehe. Weiters wird betont, dass das genaue
Datum des Einsatzes aus kriminaltaktischen Gründen öfters verlegt wurde, sowohl vor als
auch zurück, um Indiskretionen zu vermeiden. Auch sei der Einsatzplan der “Operation
Spring” bereits lange vor dem Todestag von Marcus Omofuma vorgelegen.
8.4.4 Feinanalyse der Tageszeitung “Die Presse”
8.4.4.1 Artikel vom 28. Mai 1999: “Erfolg für den ersten groÿen Lauschangri :
Fahnder sprengen Drogenring”
• Institutioneller Rahmen:
Der Autor dieses Zeitungsartikels ist Norbert Rief. Der eigentliche Bericht erschien in der
Rubrik “Wien-Journal”.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Auf dem Titelblatt lautet die Schlagzeile: “Lauschangriff: 70 mutmaßliche Drogen – Dealer
in Wien verhaftet”. Der Artikel nimmt auf dem Titelblatt der Zeitung nicht einmal 1/20
ein und weist darauf hin, dass der tatsächliche Bericht auf Seite elf der Zeitung zu finden
ist.
Der kleine Teil des Artikels auf der Titelseite beschreibt den Erfolg der “Operation
Spring”, wie viele Schwarzafrikaner verhaftet wurden und nennt die Anzahl der beteiligten
Polizist_innen. Ebenso wird Innenminister Karl Schlögl in diesem Teil des Artikels zitiert.
Weiters ist angeführt, wo die verhafteten Drogenhändler ihren Wohnsitz hatten.
Auf Seite elf in der Rubrik “Wien-Journal” lautet die Schlagzeile: “Erfolg für ersten großen
Lauschangriff: Fahnder sprengen Drogenring”. Diese Schlagzeile ist noch Folgendem
untergeordnet: “Operation Spring setzte erstmals den großen Lauschangriff ein: 850
Polizisten nahmen 70 mutmaßliche Drogendealer fest”. Auf der Seite ist weiters ein Bild,
auf dem Drogen und ein Überwachungsgerät abgebildet sind. Der Artikel nimmt insgesamt
die Hälfte der Seite ein.
Zu Beginn des Berichtes wird der Sachverhalt genau erläutert. Es wird erklärt, was unter
einem Lauschangriff zu verstehen ist. Es wird wieder, wie bereits auf dem Titelblatt,
erörtert, wie viele Schwarzafrikaner verhaftet worden sind und auch die Prozentzahl der
beteiligten Asylwerber oder illegal in Österreich lebender “Ausländer”, die an der Affäre
beteiligt waren, wird angeführt. Folgend wird erklärt, wo sich der Lauschangriff zugetragen
hat und was im Zuge dessen sichergestellt werden konnte.
305
Danach sind Zitate von Innenminister Schlögl, sowie von Michael Sika, Generaldirektor
für die öffentliche Sicherheit, angeführt. Thematisiert wurden dabei der Lauschangriff
selbst, Schwarzafrikaner und die Polizei.
In einem weiteren Absatz geht es um den Streit zwischen der FPÖ und der Caritas. Grund
dafür war, dass die Dealer teilweise in Caritas Heimen untergebracht waren.
In der Mitte der Seite ist die Rubrik “Presse”-Lexikon zu finden. Hier wird noch einmal
genauer auf den Lauschangriff und den rechtlichen Rahmen dieser Aktion hingewiesen.
Der letzte Teil des Artikel trägt die Zwischenüberschrift: “Das Hinterzimmer als Kommandozentrale”. Darin wird erklärt, wann der Lauschangriff gestartet wurde und wo und
mit welchen Mitteln man ihn durchführen wollte. Im Zuge dessen werden Details über
die Dealer beschrieben – Chefs, Unterchefs und wie viele Personen bereits identifiziert
werden konnten. Im letzten Absatz wird die Vorbereitung und die Ermittlungsarbeit des
Lauschangriffs erörtert.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Wortschatz des Artikels ist relativ einfach gehalten und es werden einige direkte Zitate
verwendet. Der Stil des Textes ist eher gehoben, es werden jedoch keine Sprichwörter
verwendet.
Der Inhalt des ersten Teils des Artikels ist sehr objektiv und beschränkt sich auf Informationen. Es wird jedoch sehr bald die erste Streitfrage mit Stellungnahmen und Zitaten
beschrieben.
Diese Stellungnahmen und Zitate findet man im gesamten Artikel und die objektiven
Beschreibungen werden teilweise auf diesen Zitaten aufgebaut. Der letzte Teil des Artikels
beginnt mit der Redewendung: “Am 15. März knallten die Sektkorken.”
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel hinterfragt neben einer neutralen Berichterstattung die Vorgehensweise der
Aktion und die Argumentation durch die Verantwortlichen. Es wird auch eine sehr
detaillierte, sachliche Beschreibung zum Vorgang, zur Technik und zum juristischen
Hintergrund des Lauschangriffs gegeben.
Im Text wird klar zwischen objektiver Berichterstattung und wertenden Kommentaren
durch Beteiligte abgegrenzt.
306
Abbildung 8.5: Die Presse, 28. Mai 1999
307
8.4.4.2 Kommentar vom 29. Mai 1999: “Die Guten, die Bösen und das allgemeine
Misstrauen”
• Institutioneller Rahmen:
Der Brief erschien am 29. Mai 1999 in der Presse in der Rubrik “Inland”. Der Autor ist
Thomas Chorherr.
• Text-“Oberfläche”, Darstellung, Layout:
Der Titel des Kommentars von Thomas Chorherr lautet: “Die Guten, die Bösen und das
allgemeine Misstrauen”. In der Mitte des Textes, der ungefähr ein Drittel der gesamten
Seite einnimmt, ist der Autor des Kommentars abgebildet. Ansonsten befinden sich keine
Bilder oder Artikel zu diesem Thema auf dieser Seite.
Im ersten Absatz des Artikels wird der Sachverhalt auf eine sehr sarkastische Art noch
einmal reflektiert. Im nächsten Absatz geht es um die Gegenüberstellung von Hofrat Geiger
vom Wiener Sicherheitsbüro und dem Caritas-Präsidenten Küberl. Weiters beschreibt der
Autor in einer direkten Art, dass sich nach dieser Aktion wieder sehr viele Menschen mit
Vorurteilen gegenüber der schwarzen Bevölkerung (Afrikaner = Drogen) bestätigt fühlen.
Danach stellt Chorherr eine Verbindung zum Tod von Omofuma her.
In den nächsten Absätzen nimmt der Autor Stellung zu den Fronten, Dealer und Polizei.
Am Schluss des Kommentars reflektiert der Autor seine sarkastischen Standpunkte und
stellt mögliche Missverständnisse, die man aus dem Text entnehmen kann mit seiner
eigenen Meinung klar.
• Sprachlich-rhetorische Mittel:
Der Wortschatz des Artikels ist nicht immer einfach gehalten. Der Stil des Textes ist gehoben und teils durch den Satzbau schwer verständlich. Es empfiehlt sich, den Kommentar
fertig zu lesen, denn der Autor stellt erst am Schluss seine Aussagen klar dar.
• Inhaltlich-ideologische Aussagen und Interpretation:
Der Artikel stellt die beiden Fronten, nämlich die Dealer und die Polizei sarkastisch
gegenüber. Der Autor hat eine eher neutrale Meinung zu dem Thema. Einerseits appelliert
er an die Leser_innen, man solle kein Misstrauen gegenüber Schwarzafrikaner_innen
hegen, andererseits verteidigt er auch die Polizei.
8.5 Fazit
Nicht nur während oder kurz nach der großangelegten Polizeiaktion “Operation Spring”,
welche am 27. Mai 1999 in Österreich durchgeführt wurde, auch heute noch sind Afrikaner_innen und andere ethnische Gruppierungen von rassistischen Diskriminierungen und
Stereotypisierungen betroffen. Die Zielsetzung der Arbeit war es, die “Operation Spring”
– auch mit Bezugnahme auf Linz – und das stereotype Bild vom/von der afrikanischen
Drogendealer_in zu beleuchten und dabei die Rolle der Medien in diesem Zusammenhang
zu analysieren.
308
Im Zuge dessen wurde ersichtlich, dass die Medienberichterstattung Auswirkungen auf
die Denkweise der Bevölkerung hat und somit das Bild des/der Schwarzen in den Augen
der Österreicher_innen beeinflusst. Dem ist hinzuzufügen, dass jenes stereotype Vorurteil
eher den männlichen Afrikaner meint. Hierzu ist festzuhalten, dass dieses Stereotyp seinen
Ursprung in der “Operation Spring” und auch in der vorangegangenen Berichterstattung
– insbesondere in der intensiven Berichterstattung der Boulevardpresse – rund um den
Tod von Marcus Omofuma hat.
Die “Operation Spring” und mit ihr verbunden der erste große Lauschangriff lieferte die
Beweisgrundlage für viele Verhaftungen und Verurteilungen von Schwarzafrikaner_innen.
Mithilfe der Polizeiaktion “Operation Spring” wollte die Exekutive, aber auch die Justiz,
das Konstrukt der “nigerianischen Drogenmafia”, welche sich international und auch mit
anderen Kartellen vernetzt, zerschlagen und die afrikanischen Drogendealer_innen, und
Drogenbosse ausfindig machen und verhaften. Die vorgelegte Analyse zeigt jedoch, dass
es sich bei der “nigerianischen Drogenmafia” um ein von Staat und Medien konstruiertes
Gebilde handelt.
309
Abbildungsverzeichnis
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
Der Standard, 1. Oktober 2007, S. 8 . . . . . . . .
Der Standard, 27./28. Dezember 2008 . . . . . . .
Der Standard, 25. November 2010 . . . . . . . . . .
Neue Kronen Zeitung (krone.at), 15. Jänner 2009 .
Oberösterreichische Nachrichten, 17. Oktober 2007
Neue Kronen Zeitung, 22. Jänner 2009 . . . . . . .
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73
79
82
87
93
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
5.7
Neue Kronen Zeitung, 5. Oktober 2005 . . .
Neue Kronen Zeitung, 6. Oktober 2005 . . .
Neue Kronen Zeitung, 7. Oktober 2005 . . .
Oberösterreichische Nachrichten, 5. Oktober
Oberösterreichische Nachrichten, 6. Oktober
Der Standard, 6. Oktober 2005 . . . . . . .
Der Standard, 8. Februar 2006 . . . . . . .
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2005
2005
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6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
6.8
6.9
6.10
6.11
Carla Amina Baghajati . . . . . . . . . . . . . .
Der Standard, 8. März 2006 . . . . . . . . . . . .
Die Presse, 24. Jänner 2006 . . . . . . . . . . . .
Neue Kronen Zeitung, 21. Jänner 2006 . . . . . .
Neue Kronen Zeitung, 24. Jänner 2006 . . . . . .
Oberösterreichische Nachrichten, 24. Jänner 2006
Der Standard, 18. Mai 2004 . . . . . . . . . . . .
Die Presse, 18. Mai 2004 . . . . . . . . . . . . .
Kronen Zeitung, 16. Mai 2004 . . . . . . . . . .
Kronen Zeitung, 18. Mai 2004 . . . . . . . . . .
Oberösterreichische Nachrichten, 15. Mai 2004 .
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181
183
186
190
195
205
209
213
216
218
Das Linzer Neustadtviertel (Quelle: Stadt Linz 2011) . . . . . . . . . . . .
Entwicklung der Einwohner_innenanzahl in Linz 2002 – 2011 (Quelle:
Stadt Linz 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.3 Einwohner_innen ohne österreichische Staatsbürgerschaft in Linz 2011:
Herkunftsnationen (Quelle: Stadt Linz 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.4 Netto-Wanderungen in Linz 2002 – 2010 (Quelle: Stadt Linz 2011 . . . . .
7.5 Binnenwanderung im Neustadtviertel in Linz 2000 – 2009 (Quelle: Stadt
Linz 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.6 Gesamtbevölkerungsdichte in Personen je Hektar in Linz 2011 (Quelle:
Stadt Linz 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.7 Bevölkerungsdichte von Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft
in Linz 2011 (Quelle: Stadt Linz 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.8 Stadtteilbegehung im Linzer Neustadtviertel am 20. Jänner 2011 . . . . .
7.9 Stadtteilbegehung im Linzer Neustadtviertel am 5. Mai 2011 . . . . . . . .
7.10 Neue Kronen Zeitung, 21. November 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.11 Salzburger Nachrichten, 23. November 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.12 Kurier, 22. November 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
228
7.1
7.2
228
229
229
230
231
232
236
237
248
250
252
311
7.13 Neues Volksblatt, 24. November 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
8.1
8.2
8.3
8.4
8.5
312
Neue Kronen Zeitung, 28. Mai 1999 . . .
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290
292
298
303
307
Tabellenverzeichnis
1.1
1.2
Auflagenzahlen und Reichweiten der Tageszeitung “Die Presse” 2007 – 2010 17
Auflagenzahlen und Reichweiten der Tageszeitung “Der Standard” 2007 –
2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
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