Reportage Work and Travel Thomas Langer - Australien
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Reportage Work and Travel Thomas Langer - Australien
Work & Travel Work & Travel Kopfüber ins Tomatenfeld: Was junge Erwachsene zum Work & Travel in Australien motiviert eine eigenen Grenzen auf einem endlosen Stückchen Erde erfahren. Diesem Motto folgen jährlich zehntausende Deutsche zwischen 18 und 30 Jahren, wenn sie fern des Gleisbetts ihrer Heimat einen Halt in Australien einlegen. und sozialen Austauschprogramms. Zunächst nur mit anderen Mitgliedern des Commonwealths, weiteten sich die bilateralen Programme auf weitere Länder aus. Deutschland kam als Partner für das Working Holiday Visum im Jahr 2000 hinzu. Der Reiz an einer Auszeit Down Under ist offensichtlich. Nur wenige Länder besitzen eindrucksvollere Weiten, Wellen oder Wirtschaftswunder als der rote Kontinent auf der Südseite unserer Erdkugel. Rucksack-Touristen reisen in Australien unkompliziert umher, können dabei gleichzeitig Geld verdienen und genießen mit Kreditkarte, Internet und Hungry Jack‘s die Vorzüge der westlich zivilisierten Welt. Arbeiten, um zu Reisen, lautet die Intention des Visums – die daraus entstandene Reiseform „Work & Travel“ schuf einen Begriff, eine Bewegung und für viele einen Lebenstraum. Mit umso höheren Erwartungen verknüpfen Working Holiday Maker ihre Zeit auf dem fünften Kontinent: „Das große Unbekannte“, „die absolute Ferne“, „das plötzliche Kopfüberstehen“, „die Chance nur für sich selbst verantwortlich zu sein und dabei möglicherweise sogar zu scheitern“. Befragt man ehemalige und aktuelle Backpacker in Australien, sind dies die Hauptgründe, warum sie sich für Working Holiday in Australien entschieden haben. Die Reisemotivation für einen längeren Aufenthalt im entfernten Ausland entspringt nicht selten dem Ziel, aus seiner gewohnten Lebenswelt auszubrechen und den reizvollen Idealen eines Aussteigers zumindest eine Rucksackbreite näher zu kommen. Durch das sogenannte Working Holiday Visa (WHV) schuf die australische Regierung vor einigen Jahrzehnten die institutionelle Grundlage dieses kulturellen 360° Autor: Konrad Langer Konrad Langer ist 29 Jahre alt und studierte Soziologie, Politik und Journalistik. Er reiste nach dem Studium mit dem Working Holiday Visum nach Australien. Die Liebe zum Land brachte ihn zu seiner Tätigkeit als Online-Redakteur bei der Australien-Informationsplattform Reisebine.de in Berlin. 72 Laura ist 21, auch sie war schon für mehrere Monate mit einem Working Holiday Visum in Australien. Noch immer erfüllt Genugtuung und Fernweh ihre Stimme, wenn die Studentin aus München über ihre Erfahrungen spricht: „Wie oft ich an der Küste auf einem kleinen Hügel stand und diese atemberaubende Weite der Strände bestaunt habe. Auch die Wüste war wunderschön und natürlich Melbourne als Stadt, in der ich arbeiten und meine Kreativität ausleben konnte.“ Es sind eben diese wildromantischen ErntehelferGeschichten, gepaart mit den passenden Küstenhügel-Bildern im Reise-Blog, die junge Erwachsene dazu bringen, sich gegenseitig mit dem Work & TravelFieber anzustecken. Was sich die Neulinge unter ihnen dabei von einem solchen Schritt versprechen, ist allzu oft das, was ihnen in Internet-Foren, Fernsehreportagen oder von Freunden über das Land berichtet wird. Wenig wissen die meisten jungen Traveller vor ihrer Reise über das Land von James Cook und „Findet Nemo“. Einige können kaum von sich selbst sagen, wie sie mit dieser komplett neuen Erfahrung umgehen werden, denn bis dato bestimmten für sie noch elterliche Fürsorge und allgemeine Schulpflicht den Aktionsrahmen. Working Holiday Teilnehmer auf einer Farm in Mareeba, QLD S habe ich bei anderen Arbeitern im Auto gepennt und mich tagelang nur von Tomaten ernährt. Heute kann ich keine Tomaten mehr sehen.“ Schelmisch und ein wenig stolz erzählt Toni aus Leipzig von den Strapazen seines Australien-Jahres. Dabei lächelt der 27-Jährige über Dinge, die ihn heute vielleicht in eine tiefe Sinnkrise stürzen würden. Deutlich realistischer, aber voller Eifer berichten Working Holiday Reisende nach ihrer Zeit in Australien über das vorbei gestreifte Vagabundengefühl: „Ich war auf einer Farm, auf der ich zwölf Stunden täglich bei 30°C im Schatten Tomaten pflücken musste. Ich hatte zu der Zeit keine Kohle mehr, deswegen 01 | 2013 © 360° Australien Immerhin versprechen sich, laut einer Studie des Geografen Julian Hübner, über die Hälfte aller Working Holiday Teilnehmer in Australien erfahrener, selbstbewusster und zielstrebiger zu werden. Hübner beschreibt in seiner Arbeit Motivationen zum Work & Travel in Australien die Erwartungen, die junge Rucksack-Touristen vor und während ihres Trips an sich und ihre Umwelt stellen. So abgenutzt es klingen mag, der Gang nach Übersee bedeutet vor allem für die jüngeren unter ihnen einen ersten Schritt zum Erwachsensein. Selbst wenn ihnen Mutti noch das Flugticket bezahlt, spätestens beim Boarding am Flughafen ist Eigeninitiative gefragt. Einmal erfolgreich gelandet, nimmt das Leben so richtig Fahrt auf. Aus dem Jugendzimmer im Reihenhaus wird ein Mehrbett-Schlafsaal im Youth Hostel und die geschwänzten Englischstunden wirken plötzlich böse nach. Vielleicht sind es auch diese Erfahrungen, die den Reiz von Work & Travel ausmachen. Die Zeit, in der man sich, mitunter ohne Geld in prekären Arbeitssituationen, stets den Blick für das Schöne erhält, wirkt noch langfristig nach. Es scheint, als wenn die weite Welt ein Stückchen kleiner, ja bezwingbarer wird. Australien ist ein Land voller Gegensätze, aber auch voller Optionen. Regenwald oder Wüste, Metropole oder Outback, Geld verdienen oder doch lieber Geld ausgeben – der Sinn und die Motivation eines Work & © 360° Australien 01 | 2013 360° Info Das Working Holiday-Visum (WHV) Working Holiday-Programme in Australien basieren auf bilateralen Abkommen mit insgesamt 28 Partnerländern – mit Deutschland seit dem Jahr 2000 • Idee: kultureller Austausch zwischen den teilnehmenden Ländern fördern • Personen zwischen 18 und 30 Jahren erhalten Möglichkeit, ihre Reisekasse durch kurzfristige Arbeiten aufzubessern • Gültigkeit des Visums: 12 Monate ab Einreise • Möglichkeit ein zweites WHV zu beantragen, wenn man während des ersten mindestens drei Monate auf Farmen gearbeitet hat • Kosten des Visums: ca. 200 EUR bei Beantragung • Offizielle Informationen zum Working Holiday-Visum der australischen Regierung: http://www.immi.gov.au/visitors/working-holiday/417/ • Offizieller Link zum Beantragen des Working Holiday Visa 417: https://www.ecom.immi.gov.au/visas/applyNow.do?form=WHM Gründe, warum junge Deutsche Work & Travel in Australien machen? • Jeder Vierte wegen der einzigartigen Naturlandschaften • Jeder Fünfte wegen des lässigen Lebensstils und des warmen Klimas • Jeder Sechste möchte die Kultur des Landes kennenlernen • Jeder Zehnte aufgrund der weiten Entfernung nach Deutschland • Fast 100 Prozent wünschen sich durch ihre Zeit verbesserte Englischkenntnisse • 90 Prozent der Working Holiday Maker möchten OutdoorTouren nachgehen • Etwa 80 Prozent möchten während ihrer Reise neue Wasser- und Extremsportarten ausprobieren • Etwa 25 Prozent sind in Australien, um Berufserfahrungen zu sammeln • Fast 20 Prozent wollen viel Geld verdienen • Weniger als 10 Prozent gehen Bildungsangeboten nach Aufstellung nach Julian Hübner, 2010: Work & Travel in Australien. Grin-Verlag, München Travel-Aufenthaltes in Australien offenbart sich in den verschiedensten Ereignissen. Es ist der Sonnenuntergang am Strand, die Freunde, die man im GreyhoundBus kennenlernt, die leckeren Muffins im Hafencafé, es ist aber auch das harte Lenkrad, auf dem man gelegen hat, weil das Geld gerade nicht für ein Hostel reichte. Aus bunten Reisekatalogen stammen die Erwartungen der Working Holiday Reisenden mit Sicherheit nicht, sondern aus dem Bauch heraus. Denn auch wenn die Fotos von niedlichen Koalas und Traumstränden die Familie daheim vor Neid erblassen lassen, die wahren Motive eines Work & Travel-Jahres in Australien erblickt man eben nicht im Facebook-Album. 73