Rakotonomenjanahary

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Rakotonomenjanahary
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Gestatten, John
Rakotonomenjanahary
Seit August spielt erstmals ein Nationalspieler
aus Madagaskar in der Schweiz. Sein langer Name:
John Baggio Martial Rakotonomenjanahary (22). Sein
Club: der FC Concordia Basel in der 1. Liga Classic.
Fremde Länder, fremde Namen. Und so wie wir hier
Meiermüller heissen, stehen in den offiziellen
Dokumenten von Madagaskar halt auch Kombinationen wie John Baggio Martial Rakotonomenjanahary (Rakoto ist der Name; Nomenjanahary bedeutet so viel wie «von Gott gegeben»). Nie gehört?
Das mag aus Schweizer Sicht sein, doch wer sich für
Fussball interessiert auf der traumhaften Insel im
Indischen Ozean, der kennt den kleinen Mann mit
den schnellen Beinen.
Seit August dieses Jahres kickt dieser John Baggio
(nennen wir ihn mal so, um die Textlänge nicht zu
sprengen …) in der Schweiz. Nicht bei einem Profi­
club, sondern beim FC Concordia Basel, dem Traditionsverein, dem Karl Odermatt und die Yakins
entstammen, in der 1. Liga classic. Zwei Wochen
lang hatte sich John Baggio beim FC Wil in der
Challenge League empfehlen wollen, «doch wir waren zu spät dran; das Kader stand schon», sagt Alister Veerasamy, sein Berater, der auch den früheren
Lausanner Pape Thiaw zu seinen Kunden zählt.
«Gut genug für die Super League»
Neben dem Platz könnte man John Baggio glatt
übersehen mit seinen 162 Zentimetern Grösse und
seiner schmalen Brust. Doch auf dem Rasen hat er
vom ersten Moment an die Verantwortlichen begeistert. «Der nimmt seinen Gegnern auf vier Schritte
einen Meter ab», sagt Reto Flury, der Sportchef –
und er fürchtet, dass «uns John nicht lange erhalten
bleibt. Der ist gut genug sogar für die Super League».
22 Jahre alt ist John Baggio, und seine Geschichte
ist die eines Kindes, dessen Vater schon ein begeisterter und guter Fussballer gewesen war (als Profi
auf der französischen Insel La Réunion). Ganz besonders war Vater Rakotonomenjanahary ein grosser
Fan von Roberto Baggio, was die Namenswahl für
den Sohn erklärt.
Das «Einmaleins» des Fussballs lernte John Baggio
bei einem Mann, der auch schon in der Schweiz
gespielt hatte: Jean-Marc Guillou, ein Franzose aus
Nantes, der zu Beginn der 1980er-Jahre zwei Saisons
Zwei Jahre lang trainierte John Baggio
Rakotonomenjanahary in Jean-Marc
Guillous Akademie barfuss. Dann erst
erhielt er ein paar Schuhe.
lang bei Neuchâtel Xamax sein Geld verdient hatte.
Guillou ist einer der Pioniere in der Ausbildung junger afrikanischer Fussballer, und so leitete er auf
Madagaskar die Akademie «Mi Antsika», für die
sich jährlich Tausende von Kindern anmelden wollten (die Akademie musste später aus politischen
Gründen schliessen). Nur wenige hatten das Glück,
genommen zu werden, und nur die Besten der Ausgewählten erhielten nach zwei Jahren und einer
erfolgreich abgelegten Prüfung erstmals ein paar
Fussballschuhe. «Zwei Jahre lang wurde barfuss
trainiert», sagt Veerasamy, «Schuhe musste man sich
erst verdienen.»
Als John Baggio von Guillou sein erstes Paar erhielt,
war er 13 Jahre alt. Und so klein er auch war, so
gross waren seine Leistungen. 2008, mit 16 Jahren,
wurde er mit der Auswahl der Akademie
madagassischer Meister, zwei Jahre später
ernannte man ihn, den Torschützenkönig, zum besten Spieler der ganzen Liga.
Die gleiche Auszeichnung erhielt er im
2010 am U20-COSAFA-Cup in Botswana, einem alljährlichen Turnier für
Nationen im Süden Afrikas. Mittlerweile ist er auch festes Mitglied der
A-Nationalmannschaft seines Heimatlandes, er trägt die Nummer 10,
und in der vergangenen WM-Qualifikation scheiterte man in Runde 1,
den K.o.-Spielen vor der Gruppenphase, an Äquatorialguinea. Kein
Wunder, gelang John Baggio in der
Folge der Sprung in eine bessere Liga;
in die des französischen Insel-Departements La Réunion im Indischen Ozean.
Der Star der USS Tamponnaise
Der Branchenleader im auch bei Touristen
beliebten Palmenparadies heisst USS Tamponnaise, und dort entwickelte sich John Baggio zum Star. «Ich habe mit Pape Thiaw zusammen gespielt», erzählt er in bestem Französisch,
«und wir haben viel gewonnen von dem, was man
auf La Réunion gewinnen kann. Das hat auch viele
Zuschauer angezogen. Bei wichtigen Spielen kamen
bis zu 3000, 4000 Zuschauer». Am 6. Juli dieses
Jahres absolvierte John Baggio sein letztes Spiel für
die USST. Zusammen mit seinem Berater befand er
die Zeit für gekommen, das Glück in Fussball-Europa zu suchen. Natürlich flimmern die Bilder aus
Will sich als Profi empfehlen: John Baggio. Fotos rotweiss
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Faire Frauen
Der FC Luzern Frauen hat die alljährlich von Suva und
SFV durchgeführte Fairplay-Trophy 2012/2013
gewonnen. Aus den Händen von Ottmar Hitzfeld gab
es einen Siegercheck über 12 000 Franken.
Der Glücksfall für Concordia
der franzöischen Ligue 1 und aus der Champions
League bis an den Indischen Ozean, aber der Weg
für einen Nationalspieler aus Madagaskar, um in der
Fremde Fuss zu fassen, ist ein weiter. Und bisweilen
ein gefährlicher.
Es gibt viele Geschichten von afrikanischen Talenten, die irgendwo schlecht bis gar nicht betreut in
Osteuropa landen und nicht mehr wissen, wo sie
gelandet sind. So gesehen, hat John Baggio grosses
Glück gehabt. Veerasamy, selbst mauritianisch-madagassischer Abstammung, hat durchaus bewusst
einen Platz in der Schweiz gesucht, «wo er in einem
guten Umfeld so viel wie möglich spielen kann, um
sich an das Spiel in Europa zu gewöhnen». Das Niveau in der 1. Liga classic bezeichnet John Baggio
als «leicht höher als in der Réunion Premier League»,
aber mit seiner Schnelligkeit, seinem Antritt und
seiner Technik will er sich nun Liga für Liga nach
oben kämpfen.
«Für uns ist John ein Glücksfall», sagt Flury, «aber
wir mussten ihm zugestehen, dass er frei bleibt, zu
einem besseren Verein zu wechseln. Mehr als ein
paar Franken Spesen liegen bei uns nicht drin. Also
geniessen wir ihn, solange er bei uns spielt.» Unterschlupf gefunden hat der flinke Stürmer, der auch
im rechten Mittelfeld spielen kann, bei seinem Berater. Der wohnt in St-Louis, dem französischen
Grenzort zu Basel. Viermal pro Woche fährt ihn
Veerasamy zum Training nach Basel, den Rest des
Tages verbringt er mit individuellen Trainingseinheiten, und via Skype bleibt er auch mit der Familie
zu Hause in Kontakt.
«Die Menschen sind sehr nett zu mir», sagt John
Baggio, «ich wurde sehr gut aufgenommen, und Basel ist nicht nur eine grosse Stadt, sondern auch sehr
sauber.» Zwei Monate ist er nun schon in Europa,
bald kommt der Winter und mit ihm der erste
Schnee. Das Abenteuer von John Baggio Martial
Rakotonomenjanahary in Europa hat begonnen.
Und für alle, die sich mit dem Bedrucken von Trikots befassen, sei schon an dieser Stelle der Hinweis
angebracht, dass auf dem Rücken des Shirts der
madagassischen Nationalmannschaft nur «Rakoto»
steht. Die Ärmel können also frei bleiben.
˜ Michael Martin
Rund 45 000 Unfälle und Kosten in der Höhe von
160 Millionen Franken gehen jährlich auf das Konto von Amateurfussballerinnen und -fussballern in
der Schweiz. Diese Zahlen sind zwar tendenziell
rückläufig, was für den Erfolg der Präventionskampagnen (namentlich der SUVA) spricht, aber noch
immer ist es wichtig, Anreize zu schaffen, um die
Zahl der Verletzten weiter zu reduzieren.
Um Fairness auf dem Spielfeld zu belohnen, geht die
Fairplay-Trophy seit 2004 alljährlich an die zehn
fairsten Fussballvereine der Schweiz. Berücksichtigt
werden alle Clubs, die in der regionalen Aktiv-,
Senioren- und Veteranenmeisterschaften spielen.
Bewertungskriterien sind neben der Strafpunktzahl
auch das Auftreten gegenüber Gegnern, Schiedsrichtern, Trainern und Funktionären. Regionale
Fairplay-Verantwortliche bewerten die Teams nach
einer einheitlichen Kriterienliste. «Immer mehr Vereine setzen sich für faires Verhalten auf und neben
dem Platz ein. Dank ihnen und der erfolgreichen
jahrelangen Zusammenarbeit mit der Suva konnten
die Unfallraten im Fussball gesenkt werden», sagte
Peter Gilliéron, Zentralpräsident des SFV.
Dieses Jahr ging die Fairplay-Trophy an die Frauenteams des FC Luzern, dessen Verantwortliche am
25. Oktober im stimmungsvollen Rahmen des Stade
de Suisse gemeinsam mit den weiteren ausgezeichneten Clubs aus den Händen von Nationaltrainer
Ottmar Hitzfeld die Preise entgegennehmen durften.
Die grossen Siegerinnen waren dabei die Fussballerinnen des FC Luzern Frauen. Sie erhielten einen
Gutschein über 12 000 Franken. «Fairplay ist eine
Frage des Respekts und diesen Gedanken sollten
Vereine fördern», sagt Hitzfeld. Dieser Meinung
schliesst sich Marlena Bösch, Captain der ersten
Mannschaft des FC Luzern Frauen an. «Unser Ziel
ist es, den Gegner dank schönen Pässen und Toren
zu besiegen und nicht mit überhartem Einsteigen
oder Reklamationen beim Schiedsrichter.» Der letz-
Ausgezeichnet: Ottmar HItzfeld, Heinz Wyss (Kampagnenleiter Suva), Peter Gilliéron und Kurt Arnet, Vizepräsident
der FCL-Frauen. Foto Keystone
te Strafpunkt, den das Fairplay-Gewinnerteam kassierte, ist deshalb schon eine Weile her. Wer aber
mal eine Gelbe Karte erhalte, erledige danach kleine
Aufträge im Dienste des Teams, sagt Bösch – die
Kabine putzen, Bälle pumpen oder Material versorgen.
Von insgesamt 754 klassifizierten Vereinen folgten
in der Fairplay-Trophy 2012/2013 auf den Plätzen
zwei bis fünf der FC Goldstern, der FC Eschenbach,
der FC Dietwil sowie der FC St. Gallen Frauen.
Sie wurden mit Gutscheinen zwischen 11 000 und
8000 Franken belohnt. Berücksichtigt werden jeweils alle Clubs, die in den regionalen Aktiv-, Senioren- und Veteranenmeisterschaften spielen. Bewertungskriterien sind neben der Strafpunktzahl auch
das Auftreten gegenüber Gegnern, Schiedsrichtern,
Trainern und Funktionären. Regionale FairplayVerantwortliche bewerten die Teams nach einer
einheitlichen Kriterienliste. ˜ Michael Martin

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