Chemikalien

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Chemikalien
PD Dr.rer.nat. Wolfgang Schober
E-Zigaretten und
Gesundheitsgefährdung – ein Überblick
13. Deutsche Konferenz für Tabakkontrolle, 3. Dezember 2015, Heidelberg
Ausschluss jeglicher Interessenskonflikte
 Ich deklariere hiermit, in Bezug auf das Thema Tabakkonsum,
Tabakkontrolle und E-Zigaretten keinerlei Interessenskonflikte zu
haben.
 Teile der präsentierten Studien wurden aus Mitteln des LGL und
mit Projektmitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit
und Pflege finanziert.
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Kombinierte Lebenszeitprävalenzen des Konsums von
E-Zigaretten und E-Shishas in Deutschland
Konsumerfahrung mit E-Zigaretten in
der deutschen Bevölkerung im Jahr 2015
Konsumerfahrung mit E-Inhalationsprodukten und
Tabakzigaretten bei 12- bis 17-Jährigen im Jahr 2014
(Repräsentativbefragung von 1.950 Personen über 16 Jahre)
(Repräsentativbefragung von 7.000 Personen zwischen 12 und 25 Jahren)
0,9
8,5
7,0
10,0
27,6
30,4
24,5
63,9
62,4
65,5
3,8
14,8
5,8
(Schaller et al., DKFZ 2015)
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(Orth und Töppich, BZgA 2015)
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Aufbau und Funktionsweise von E-Zigaretten
 Verdampferprinzip (nur Primär- und Tertiärdampf!)
 Betriebsflüssigkeit (Liquid) in Tank
→ per Kapillarkraft
→ in Heizeinrichtung
 Heizung getriggert
→ durch Knopfdruck
→ durch Atemzug
Sensor
Mikroprozessor
Heizelement
 Akku zum Betrieb
LED-Glutlicht
LithiumIonen-Akku
Kartusche mit
Betriebsflüssigkeit (Liquid)
Dampf
(Caponnetto et al., J. Med. Case Rep. 2011)
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Zusammensetzung der E-Liquids (E-Juices)
 Große Produktbandbreite
- Anfang 2014: 7764 unters. E-Liquids*
 Trägersubstanzen
- Propylenglykol (E 1520)
- Glycerin
- Wasser
- Ethylenglykol
 Zusätze
- Aromastoffe (lebensmitteltauglich)
- Vanilleextrakt, Menthol, Apfelsäure
- Ethylacetat („fruchtig“), Linalool („blumig“), Tabanon („zigarettig“)
- ... und viele andere
- ± Nikotin (≤ 36 mg/ml)
 Eigenmixturen
- unüberschaubares Spektrum von Substanzen
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*(Zhu et al., Tob. Control. 2014)
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Faktoren, die ein Gesundheitsrisiko beim
Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas begründen
Chemikalien
• Trägersubstanzen
• Aromastoffe
• Nikotin
• Verunreinigungen
(z.B. Nitrosamine, DEG)
Nutzerverhalten
• Erfahren/Anfänger
• Dampfen eigener Mixturen
• Einsatz von Modifikationen
- APVs (Mods)
- „Direct Dripping“
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Gerätetechnik
•
•
•
•
•
Ein-/Mehrwegprodukt
Füllstand des Liquids
Verdampfertemperatur
Batteriespannung
Programmierbarkeit
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– Aromastoffe –
Zu vielen Substanzen existieren keine oder nur
unzureichende inhalationstoxikologische Daten
 proinflammatorische Wirkung
- Diacetyl (2,3-Butandion)
- süß-butterähnlicher Geschmack
- Zusatzstoff in Lebensmitteln (Butteraroma)
- strukturverwandte Diketone
- 2,3-Pentandion (Ersatzstoff für Diacetyl)
 sensibilisierende Wirkung
- allergene Duft- und Konservierungsstoffe (Typ-IV)
- Zimtaldehyd*, Zimtalkohol, Anisalkohol, Benzylalkohol
- Eugenol*, Isoeugenol*, Linalool, Limonen, Citral, Farnesol, Geraniol, ...
(*starke Kontaktallergene)
- allergene Duft- und Konservierungsstoffe (Typ-I)
- Benzylalkohol
 zytotoxische Wirkung
- korreliert mit den eingesetzten Aromastoffen und wird nicht durch Nikotin verstärkt
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Aromastoffe schädigen humane embryonale
Stammzellen (hESC) und Lungenfibroblasten (hPF)
unabhängig vom Nikotingehalt des E-Liquids
0 mg Nikotin/ml:
mäßig
toxisch
IC50 (%)

schwach
toxisch
stark
toxisch
hESC
mNSC
24 mg Nikotin/ml:
schwach
toxisch
mäßig
toxisch
IC50 (%)

hPF
Propylenglykol
Glycerin
Karamel#1
Butterbonbon#1
Butterbonbon#2
Zimt
Karamel#2
Menthol Arctic
Vanille Tahity
Bubblegum
Butterfinger
stark
toxisch
hESC
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hPF
mNSC
(Bahl et al., Reprod. Toxicol. 2012)
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Embryonale Stammzellen (hESC/mNSC) reagieren
empfindlicher auf Aromastoffe von E-Liquids als
ausdifferenzierte adulte Lungenfibroblasten (hPF)
Hersteller#1:
mäßig
toxisch
IC50 (%)

schwach
toxisch
Punkte repräsentieren
unterschiedliche
Liquidaromen
stark
toxisch
hESC
mNSC
Hersteller#2:
schwach
toxisch
Punkte repräsentieren
unterschiedliche
Liquidaromen
mäßig
toxisch
IC50 (%)

hPF
stark
toxisch
hESC
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hPF
mNSC
(Bahl et al., Reprod. Toxicol. 2012)
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– Nikotin (I) –
E-Liquids enthalten hohe Nikotinkonzentrationen
 inhärent schädigende Wirkung
- suchterzeugendes Potenzial
- starke organtoxische Effekte:
- tumorpromovierend, indirektes Kanzerogen (?)
- teratogen, neurotoxisch, ...
- häufig toxische Begleitsubstanzen:
- durch Fermentation des Tabaks entstehen
mutagene Nitrosierungsprodukte (NNN, NNK)
 unübersichtliches Produktspektrum
Nikotin
Freisetzung
von Dopamin
Lernvorgänge
Gewöhnung
physische
Abhängigkeit
Ausschüttung weiterer
Neurotransmitter
Belohnungszentrum
zwingendes Verlangen nach Nikotin
physische
Abhängigkeit
- hoch konzentrierte
Nikotinlösungen (10%)
auf VG/PG-Basis für
Eigenmixturen
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– Nikotin (II) –
Die vom Hersteller deklarierte Nikotinmenge stimmt
häufig nicht mit dem tatsächlichen Gehalt überein
+ 40%
(Kirschner et al., Clin. Toxicol. 2013)
 Produktmängel
-
falsche Angabe der Nikotinmengen (Schober et al. 2014, Goniewicz et al., 2014)
auch „nikotinfreie“ Liquids können Nikotin enthalten (Hutzler et al., 2014)
Gefahr der Nikotinexposition durch undichte Kartuschen
oft fehlende Warnhinweise auf den Verpackungen
 Vergiftungsgefahr für Kleinkinder
- Kontakt mit wenigen Tropfen können Intoxikationen verursachen
- Verschlusskappen häufig ohne Kindersicherung
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– Nikotinexpositionen* durch E-Produkte –
Bei mehr als der Hälfte der gemeldeten Fälle sind
Kinder unter 6 Jahren betroffen
Fälle von Nikotinexposition durch E-Produkte:
- Verschluken*
- Inhalieren* oder
- Kontakt mit Haut und Augen*
(American Association of Poison Control Centers, 2015)
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Faktoren, die ein Gesundheitsrisiko beim
Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas begründen
Chemikalien
• Trägersubstanzen
• Aromazusätze
• Nikotin
• Verunreinigungen
(z.B. Nitrosamine, DEG)
Nutzerverhalten
• Erfahren/Anfänger
• Dampfen eigener Mixturen
• Einsatz von Modifikationen
- APVs (Mods)
- „Direct Dripping“
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Gerätetechnik
•
•
•
•
•
Ein-/Mehrwegprodukt
Füllstand des Liquids
Verdampfertemperatur
Batteriespannung
Programmierbarkeit
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Innenraumkonzentrationen von Partikeln (µg/m3)
gemessen während einer 2-std. Dampfsitzung mit 3 Probanden, die
verschiedene Liquids mit und ohne Nikotin aerosolisierten
- mittlere Massenkonzentration PM2,5: 197 µg/m3 (Kontrolle: 6 µg/m3, 90. Perzentil: 373 vs. 8 µg/m3)
- PNC (Median): 48.620 - 88.386 (N/cm3), Spitzen bei Partikelgrößen von 24 bis 36 nm
(Schober et al., Int. J. Hyg. Environ. Health 2014)
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– Physiologische Effekte –
Signifikanter Anstieg von NO in der Ausatemluft der Probanden
nach Konsum einer nikotinhaltigen E-Zigarette
(Schober et al., Int. J. Hyg. Environ. Health 2014)
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Entstehung von toxischen Carbonylverbindungen
durch Pyrolyse der Trägersubstanzen PG und Glycerin
im Zentrum Temperaturen > 350 ºC
→ Pyrolyserisiko hoch!
Glycerin
Mundstück mit
Liquidkartusche
Docht
Acrolein**
Heizelement
(Schripp et al., Indoor Air 2013)
Propylenglykol (PG)
Methylglyoxal***
Formaldehyd*
Acetaldehyd**
*Humankanzerogen
**Hinweise auf kanzerogene Wirkung
***mutagenes Potenzial
(Bekki et al., Int. J. Environ. Res. Public Health 2014)
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Formaldehydexposition: E-Zigarette vs. Tabakzigarette
3,3 V
5,0 V
(Jensen et al., N. Engl. J. Med. 2015)
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– Humanbiomonitoring –
Konzentration von Metaboliten gesundheitlich problematischer
Substanzen im Urin der Probanden vor (v) und nach (n) Konsum einer
nikotinfreien (NF) und einer nikotinhaltigen (NH) E-Zigarette
p = 0,06
 Keine Effekte durch E-Zigarettenkonsum
auf folgende Mercaptursäuren
nachweisbar:
- Benzol (S-PMA), Styrol (PHEMA)
- Benzylalkohol/Toluol (S-BMA)
- Butadien (DHBMA und MHBMA)
- Acetronitril (CEMA)
Pyrolyseprodukte sind bioverfübar!
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(Schober et al., Int. J. Hyg. Environ. Health 2014)
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Gesundheitliche Kurzzeiteffekte des
E-Zigaretten- und E-Shishakonsums
 Allgemeine adverse Effekte:
- Schleimhautreizungen im Mund-/Rachenbereich
- Hautirritationen, Augenreizungen
- Schwindel, Übelkeit, Benommenheit
(Dawkins und Corcoran, 2013; Vakali et al., 2014; van Staden et al., 2014)
 Effekte auf den Respirationstrakt
-
trockener Husten
Anstieg des Atemwiderstands (Vardavas et al., 2012; Marini et al., 2014; Palamidas et al., 2014)
Abfall der spezifischen Luftleitfähigkeit (Palamidas et al., 2014)
Obstruktion der Atemwege (Gennimata et al., 2014)
Abfall der Lungenfunktion (Flouris et al., 2013)
Hinweise auf Entzündungsprozesse in den Atemwegen (Schober et al., 2014; Lim und Kim, 2014)
 Effekte auf das Herz-Kreislaufsystem
- Anstieg von Herzrate und diastolischem Blutdruck (Battista et al., 2013; Tsikrika et al., 2014; Vakali et al., 2014)
- Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut (Vakali et al., 2014)
(Fromme und Schober, Atmos. Environ. 2015)
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Faktoren, die ein Gesundheitsrisiko beim
Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas begründen
Chemikalien
• Trägersubstanzen
• Aromazusätze
• Nikotin
• Verunreinigungen
(z.B. Nitrosamine, DEG)
Nutzerverhalten
• Erfahren/Anfänger
• Dampfen eigener Mixturen
• Einsatz von Modifikationen
- APVs (Mods)
- „Direct Dripping“
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•
•
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•
•
Ein-/Mehrwegprodukt
Füllstand des Liquids
Verdampfertemperatur
Batteriespannung
Programmierbarkeit
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„Direct Dripping“ – eine intensivere Form des
Verdampfens von Liquids in E-Zigaretten
„Direct Drip Atomizer“
Mundstück
Heizspirale
Mundstück und
Verdampfer
Stahlwolle
Keramik
Batterie
Lufteinzug
Batterieanschluss
(Talih et al., Nicotine Tob. Res. 2015)
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– Direct Dripping –
Je höher die Zugzahl zwischen den Tropfereignissen
desto höher die Emission von toxischen Aldehyden
Temperatur (Grad Celsius)
Gehalt Pyrolyseprodukte
Formaldehyd (µg)
Gesamtpartikelmasse (mg)
2 Tropfen
Temperatur
Zug 1
(8 Sek.)
Zug 2
(8 Sek.)
Zug 3
(8 Sek.)
Zeit (Sek.)
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Zug 4
(8 Sek.)
(Talih et al., Nicotine Tob. Res. 2015)
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Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen
 schnelle Umsetzung der
neuen EU-Tabakproduktrichtlinie 2014/40/EU in
deutsches Recht
 E-Zigaretten und E-Shishas sind keine
gesundheitlich unbedenklichen Produkte.
 Liquids enthalten inhalationstoxische Additive:
- Aromen (proinflammatorisch, sensiblisierend, zytotoxisch)
- Nikotin (suchterzeugendes Potenzial, Vergiftungsgefahr)
- Propylen-/Ethylenglykol (schleimhautreizend)
 Allgemeines Abgabeverbot von
E-Zigaretten und E-Shishas an
Minderjährige
 Aerosole von E-Zigaretten und E-Shishas enthalten:
 Implementierung von
Vorschriften zur Einhaltung
technischer Mindeststandards
- ultrafeine Flüssigkeitspartikel (oxid. Stress, Entzündung)
- Carbonyle (kanzerogen, ziliartoxisch, Induktion von Nekrosen)
- PAK und Metalle (kanzerogen)
(z.B. Füllstandanzeige)
 Schädigung von Stammzellen durch dauerhaftes
Einatmen von Propylenglykol-Tröpfchen wirkt sich in
der Wachstumsphase aus. Es beeinträchtigt bei
Kindern und Jugendlichen die Entwicklung des
Lungengewebes und erhöht das Asthmarisiko.
 Verleitungseffekte durch E-Produktdesigns:
- habituelle Gewöhnung an eingeübte Rauchrituale
- Manipulations- und Missbrauchsgefahr
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 Generelle Begrenzung der
Batteriespannung auf 3 Volt zur
Reduzierung der Pyrolysegefahr
 E-Zigaretten und E-Shishas
sollten unabhängig vom
Nikotingehalt unter das
Rauchverbot des GSG
gestellt werden
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23
Vielen Dank für
Ihre Aufmerksamkeit!
Kontakt:
PD Dr. Wolfgang Schober
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit (LGL)
Pfarrstraße 3
80538 München
Telefon: 09131/6808-4242
[email protected]
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