(Lilith die Dämonenfrau)

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(Lilith die Dämonenfrau)
Lilith, die verborgene Frau /Dämonin
Der Anima/Animus-Begriff bei C.G. Jung
Kocku von Stuckrad (2009) merkt in seinem Buch über Lilith kritisch an, dass das Frauenbild von C.G. Jung sehr
verzerrt war. Allerdings dürfte er doch in einem Punkt Recht behalten, dass nämlich jeder Mann das Bild einer Frau bzw.
weibliche Persönlichkeitsanteile (Anima) in sich trägt und jede Frau das Bild des Mannes sowie männliche
Persönlichkeitsanteile (Animus).
Etwas differenzierter weist in diesem Zusammenhang der Jungianer Johnson (2013) darauf hin, dass wir jeweils zwei
Bilder des Männlichen und Weiblichen in uns tragen.
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die Heilige und die Hure als weibliche Bilder
den Ritter auf dem weißen Pferd und den wilden/primitiven Mann als männliche Bilder
Johnson meint, dass das insbesondere deshalb relevant ist, weil Männer dazu neigen, die „Heilige“ zu heiraten,
während sie sich insgeheim doch ein Leben lang nach der Hure sehnen. Für Frauen gilt vielleicht analog das Gleiche.
Starke Frauen machen sehr vielen Männern Angst. Und vielleicht ist das der Grund, warum die große Göttin, aus der
sich Lilith ableitet, letztendlich im Christentum zur völlig asexuellen und nicht-körperlichen Madonna mit Jesuskind
wurde. Frauen jedoch, die sich ihrer Weiblichkeit und ihrer Kraft bewusst waren, landeten zumindest im Mittelalter
reihenweise auf dem Scheiterhaufen.
Diese außergewöhnlich barbarische und grausame Tötungsmethode war wohl direkt proportional zur Angst der Männer
vor den Frauen. Heute noch werden starke Frauen als Feministinnen und Huren diffamiert und verleumdet.
Und erst neulich habe ich mich gefragt, warum eigentlich so viele heterosexuelle Männer so große Angst vor starken
Frauen zu haben scheinen und „Mäuschen“ heiraten, die ihnen weder bildungsmäßig, noch von ihrer Persönlichkeit her
das Wasser reichen können. Umgekehrt scheinen schwule Männer starke Frauen geradezu zu vergöttern. Was mag das
wohl über die Balance unserer inneren Männlichkeit und Weiblichkeit aussagen?
Kocku von Stuckrad weist darauf hin, dass C.G. Jung das Weibliche komplett als Polarität des Männlichen gesehen
bzw. konstruiert hat. Alles was nicht männlich ist, ist weiblich. Es handelt sich also um eine negative Definition. Beispiele
für Jungs Zuschreibungen für Frauen, insbesondere für – wie er es nannte – Animus-besessene Frauen:
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unlogische Launen
Kompensation für Wagnisse, Anstrengungen, Opfer, die alle mit Enttäuschungen enden
illusionserregende Verführerin
sentimental und ressentimenthaft
irrationale Launen
Eitelkeit und Empfindlichkeit
Während also der Mann, im Sinne der psychischen Ganzwerdung (Individuation) seine Anima integrieren müsse, würde
sich laut C.G. Jung eine Frau, die ihren Animus zu leben versuchte, nur lächerlich machen. Der Animus entspricht damit
bei Jung einer grotesken Zerrform des Männlichen.
„Es ist prinzipiell unmöglich, die ungeteilte Wirklichkeit der Großen Göttin mit dem Jungschen Vokabular zu erfassen;
aber gerade das fordert Lilith von uns. Und wenn wir uns nicht damit begnügen, den Ausdruck der weiblichen Kraft als
fehlgeleiteten Animus oder neurotisch gelebte Anima zu disqualifizieren, sondern uns dem unerschöpflichen Potential
der Göttin öffnen wollen, müssen wir eine neue Sprache lernen, eine Sprache, die dem Thema gerecht werden kann.“
(von Stuckrad, 2009, S. 22)
Kocku von Stuckrad meint, dass wir Lilith nur verstehen können, wenn wir sie aus der matriarchalen Perspektive
verstehen. Damit meint er eine nicht spaltende Betrachtungsweise, in der der weibliche Aspekt der Gottheit zumindest
gleichgestellt, wenn nicht sogar dem männlichen übergeordnet ist. Im Matriarchat gäbe es seiner Auffassung nach
keinen Kampf zwischen den Geschlechtern. Dies sei erst die (spätere) Erfindung des patriarchalen Denkens. Vielleicht
fordert Lilith von uns genau diese Überwindung des dualistischen Denkens.
Lilith – Zuschreibungen in der bisherigen
Literatur
Obwohl Lilith astrologisch ein außergewöhnlich junger Faktor ist, scheint sie doch auf Seiten der Astrologinnen und
Astrologen eine Lücke zu füllen. Darauf weist jedenfalls die große Fülle an Literatur zum Thema Lilith hin. So finden sich
bei amazon mehr als 11.000 Titel, die die Lilith im Namen führen (!). Nur sehr wenige dieser Bücher dürften auch nur
halbwegs wissenschaftlich fundiert sein.
Hier eine kleine Auswahl der Begriffszuschreibungen, die mit Lilith verbunden wurden:
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Himmelskönigin
Große Göttin
Rebellion
Dämon
Freiheit
Unabhängigkeit
Weiblichkeit
Jungfrau
Matriarchat
Ent-Identifikation
Aggressivität
Mütterlichkeit
Erotik/Sexualität
Macht über Leben und Tod
"Gleichberechtigung"
"Opferbereitschaft"
Lilith Mythen
Abb. 1. Burney Relief oder „Queen of the Night“, British Museum. Quelle:http://de.wikipedia.org/wiki/Lilith
Die große Göttin ist eine sehr vielfältige Figur. Allerdings wird diese Vielfalt erst im Kontext patriarchalen (spaltenden)
Denkens zum Problem. Es ist gut möglich, dass alte Kulturen keinerlei Widerspruch sahen zwischen einer Göttin, die am
Schlachtfeld tausende hinmetzelt, während sie wenig später für ihre mütterliche und partnerschaftliche Liebe gepriesen
wird.
Vier Aspekte der Göttin sind laut Kocku von Stuckrad in den verschiedenen Mythen zentral (und zwar in dieser
Reihenfolge!):
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Die aggressive Göttin
Die erotische Göttin
Die mütterliche Göttin
Die Himmelskönigin
„Wenn wir allerdings das umfangreiche Material berücksichtigen, das wir über die Göttin Ischtar, Inanna, Isis oder auch
Anat kennengelernt haben, so drängt sich die Vermutung auf, dass zumindest jene überregional bedeutsamen
Göttinnen alle Repräsentantinnen eines kosmischen Prinzips sind, das mit dem Titel Große Göttin am besten
charakterisiert wird.“ (von Stuckrad, 2009)
In babylonischen Erzählungen finden wir die Attribute der Lilith eng verknüpft mit der Göttin Ishtar. Lamaschtu und Lilitu
scheinen erste Abspaltungen dieser Göttin im vorchristlichen Jahrtausend zu sein. Die Göttin Lamaschtu bzw. Ishtar
wird mit dem Löwen in Zusammenhang gebracht, mit großer Kraft und der Macht zur Zerstörung. Sie scheint damit der
indischen Göttin Kali nicht ganz unähnlich zu sein. Schon in dieser frühen Zeit wurde sie bisweilen mit der Macht Kinder
zu töten in Verbindung gebracht. Sie quälte sie bald mit Hitze und Feuer, bald mit Fieber und Kälteschauern und nur
durch Amulette, Beschwörungen und andere magische Techniken konnte man sich gegen ihren Angriff schützen.
Einer dieser Bannsprüche stand auf einer Sphinx aus dem siebten vorchristlichen Jahrhundert, die sich in Arslan Tasch
befand: „Fliegerin im dunklen Gemach, geh weg, geschwind, geschwind, Lilit!“
Gleichzeitig wurde die Göttin aber auch immer wieder als Himmelskönigin und geflügelte Ishtar beschrieben, sie wurde
mit Weisheit (Eulen) und der herausragenden Kraft des Löwen assoziiert (vgl. Abb. 1).
In den apokryphen Schriften der Bibel heißt es, dass Adams ursprüngliche Frau Lilith hieß, die gleich ihm aus Erde
gemacht war. Sie begannen miteinander zu streiten, weil Lilith beim Sex nicht unter Adam liegen wollte. Adam wollte der
Überlegene sein. Lilith aber vertrat den Standpunkt, dass sie beide gleich seien, weil sie beide aus Erde gemacht
worden wären. Sie wollte sich daher nicht unterwerfen. Nachdem es zu keiner Lösung zwischen den beiden kam, rief
Lilith den spezifischen Namen Gottes (es gibt im Judentum sehr viele verschiedene Namen für Gott) an, erhob sich in
die Lüfte und floh. Gott wollte sie daraufhin mit drei Engeln zurückholen. Lilith aber weigerte sich und sprach: „Lasst
mich allein, denn ich bin für nichts geschaffen worden, außer Kinder zu schwächen.“ (Traugott, 2009)
Im Verlauf der Geschichte wurde Lilith schließlich zu einem bösen Dämon stilisiert. Insbesondere im Mittelalter sagte
man ihr nach, dass sie Kinder stehle und ermordete.
Durch diese wahrscheinlich sehr verzerrte Sichtweise können wir annehmen, dass der Lilith-Mythos möglicherweise
verstümmelt wurde oder wichtige Teile fehlen könnten. Und darüber hinaus ist fraglich, ob nicht sehr viele dieser Mythen
völlig falsch überliefert wurden. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich teilweise um Erzählungen handelt, die mehr als
4000 Jahre alt sind! Was können wir wirklich zuverlässig über diese Zeit wissen und wo spielen uns unsere eigenen
Projektionen und Phantasien einen Streich?
Vielleicht sollten wir gänzlich anders ansetzen, nicht mythologisch, sondern astronomisch? Damit würden wir Lilith als
einen Punkt sehen, der eng mit der Mondbahn verknüpft ist. Lilith ist ja astronomisch der erdfernste Punkt der
Mondbahn. Entsprechend könnten wir für die Deutung annehmen, dass wir dort, wo die Lilith steht, am weitesten von
unserem Mond entfernt sind.
Quelle gekürzt!; von http://hofastro.com/category/mythologie/

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