Mosel: Stauanlagen und Hochwasser. Bericht
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Mosel: Stauanlagen und Hochwasser. Bericht
HW 51. 2007, H. 1 Kurzberichte 17 Betrieb der Stauanlagen an der Mosel und ihr Einfluss auf Hochwasser Operation modes of the impoundment weirs in the River Moselle and their influence on floods von Norbert B u s c h, Dennis M e i ß n e r, Günther W e r n e r und Olga H e r m a n n Nach Ablauf von Moselhochwassern werden immer wieder von der von Hochwassern betroffenen Bevölkerung im Moseltal Forderungen an die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes nach veränderten Betriebsbedingungen für die Wehre gerichtet und ein Einsatz des Stauraums für Hochwasserschutzzwecke empfohlen. Naturmessungen belegen, dass von den für Schifffahrtszwecke zwischen 1958 und 1964 errichteten Stauanlagen an der Mosel keine Gefährdung bei Hochwasser ausgeht. Ergebnisse aus Berechnungen mit dem mathematischen Abflussmodell der Mosel in der Bundesanstalt für Gewässerkunde zeigen zudem, dass eine erfolgte, vollständige Vorentleerung des Stauraums der Stauhaltungen nicht zu einem verbesserten Hochwasserschutz an der Mosel beitragen kann. Whenever floods occur on the River Moselle, the affected population in the river valley addresses the Federal Waterways and Shipping Administration (WSV) with demands for changed operation modes of the weirs and recommendations to use the storage capacity in the impoundments for flood protection purposes. However, field measurements proved that the impoundments in the River Moselle that were built between 1958 and 1964 for better navigability do not pose any threat in the case of flood. Moreover, computations with the mathematical flood-routing model for the Moselle in the Federal Institute of Hydrology (BfG) show that pre-emptive total emptying of the storage capacity of the impoundments cannot contribute to improved flood protection along this river. 1 Einleitung In unserer hochtechnisierten Gesellschaft spielt die Mobilität von Menschen und Gütern eine bedeutende Rolle. Hierbei sind die verschiedenen Verkehrsträger Straße, Schiene, Wasser und Luft auf funktionierende Infrastrukturen angewiesen. Neben dem laufenden Betrieb der Verkehrswege dürfen ihre beständige Unterhaltung und der eventuell notwendige Ausbau nicht vernachlässigt werden. Im Fall der Wasserstraße ist häufig zu lesen und zu hören, dass Betrieb, Unterhaltung und Ausbau der Bundeswasserstraßen die Hochwassergefahr erhöhen. Für die staugeregelte Mosel wird den zuständigen Wasser- und Schifffahrtsämtern Koblenz und Trier immer bei Eintritt eines Moselhochwassers empfohlen, die Wehre “anders“ zu steuern und den gefüllten Stauraum in den jeweiligen Stauhaltungen bei Anlaufen der Hochwasserwelle schon frühzeitig vorzuentleeren. Es wird dabei vermutet, dass so die später eintretenden Hochwasserstände und damit die Gefährdung durch Hochwasser der Mosel verringert werden könnten. Diese Problematik wird nachfolgend näher betrachtet. Es wird versucht, Argumente durch allgemeinverständliche Fakten zu belegen und nur am Rande Ergebnisse von Berechnungen mit mathematischen Abflussmodellen zur Erklärung heranzuziehen. 2 Der Moselausbau 1958 – 1964 Die Mosel ist mit ihrer oberirdischen Einzugsgebietsfläche von 28152 km2 der größte Nebenfluss des Rheins. Ihre Quellen liegen am Westhang der Südvogesen. Von dort durchfließt sie zunächst das lothringische Stufenland in Frankreich, bildet die Grenze zwischen Luxemburg und Deutschland und mündet schließlich nach einem Lauf von 520 km in Koblenz in den Rhein (eckoLdt 1998). Wie bei allen anderen Mittelgebirgszuflüssen des Rheins bestehen auch für die Mosel aufgrund der jahreszeitlich stark unausgeglichenen Wasserführung mit großen Abflüssen im Winter und lang andauernden Niedrigwasserperioden im Sommer schlechte natürliche Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Güterschifffahrt, die auf dem Transportsektor des Markts konkurrenzfähig wäre. Anders ausgedrückt: In der früheren, mancherorts häufig nur bauchnabeltiefen Mosel vor Ausbau hätten während trockener Sommermonate heutige Güterschiffe nur eingeschränkt bzw. nicht verkehren können, da sie eine erforderliche Wassertiefe von mindestens 3,00 m benötigen. Hydrologisch wird dieser Zusammenhang zwischen vorhan- denen und benötigten Wassertiefen in Abbildung 1 anhand der Dauerlinie unterschrittener Wassertiefen für den Pegel Cochem ausgedrückt. Verwendet ist die Zeitreihe der Wasserstände von 1910 bis 1940. Im Mittel müssten im Zustand vor Ausbau die heute verkehrenden Schiffe demnach für ca. 2 Monate Abladeeinschränkungen akzeptieren bzw. müsste die Schifffahrt gesperrt werden. In sehr trockenen Jahren (untere Hüllwerte) würde die Mindestwassertiefe von 3,00 m sogar ca. ein halbes Jahr unterschritten, was die Schifffahrt stark beeinträchtigen bzw. zum Erliegen bringen würde. Zur Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen wurde die Mosel auf der deutschen Flussstrecke zwischen 1958 und 1964 durch den Bau von 12 Stauanlagen und darüber hinaus in Frankreich bis oberhalb der Stadt Toul staugeregelt. So sind heute auf einer Strecke von insgesamt 390 km Länge nahezu ganzjährig und überall die erforderlichen Mindesttiefen anzutreffen, so dass die Mosel für Güter- und Fahrgastschiffe befahrbar ist. Abbildung 2 zeigt im Längsschnitt der Mosel die Staustufenkette, bestehend aus den 12 Stauanlagen und den dazwischen liegenden Stauhaltungen in Deutschland bzw. in der deutsch-luxemburgischen Grenzstrecke. Abbildung 1 Dauerlinien unterschrittener Wassertiefen; Pegel Cochem/Mosel, vor Ausbau Duration curves of water-depth deficits; gauge Cochem/Moselle, before the impoundment 18 Kurzberichte Abbildung 2 Staustufenkette der Mosel in Deutschland bzw. in der deutschluxemburgischen Grenzstrecke Chain of impoundments in the River Moselle in Germany and in the river reach along the border Germany-Luxemburg Man erkennt im Stufendiagramm der Abbildung 2 die unterschiedlich großen Fallhöhen an den Wehren und unterschiedlich lange Stauhaltungen. Zurückzuführen ist diese Bauausführung im Wesentlichen auf die gegebenen topographischen Verhältnisse im engen und kurvenreichen Moseltal. Die mittlere Fallhöhe an den Stauanlagen beträgt bei Niedrigwasser ca. 6,30 m; ca. 20 km lang sind im Durchschnitt die Stauhaltungen. Im Fall äußerst geringer Moselabflüsse ist in der deutschen Staustufenkette ständig ein Wasservolumen von ca. 133 Mio. m3 gespeichert. Deiche mussten für Schifffahrtszwecke im Zuge der Stauregelung nicht angelegt werden. Aus mancherlei Gründen wurde bewusst hierauf verzichtet, und somit konnten auch nicht die lokalen Hochwasserverhältnisse verbessert werden. 3 Vergleich gemessener Hochwasserstände vor und nach dem Ausbau der Mosel Im Zuge des Genehmigungsverfahrens zum Moselausbau wurde u.a. festgelegt, dass sich die zu errichtenden Bauwerke einerseits harmonisch in die beschauliche Landschaft des Moseltals einfügen sollen und dass andererseits die Hochwassersituation mit den häufig auftretenden Hochwassern der Mosel durch den Ausbau nicht verschlechtert wird. Der zweite Aspekt ist besonders wichtig. Mit den Berechnungsmethoden, die dem Stand der Technik der 1950-er Jahre entsprachen, wurde mit den Daten des bis dahin größten Hochwassers des 20. Jahrhunderts, das zur Jahreswende 1925/26 ablief, und unter Einbeziehung planerischer Größen nachgewiesen, dass die Mosel hochwasserneutral ausgebaut werden kann. Also wurde dementsprechend gebaut. Die Natur hat durch seither abgelaufene Hochwasser mehrfach den Planern Recht gegeben und gezeigt, dass die Ingenieure seinerzeit gute Arbeit leisteten. Naturmessdaten können somit zum Nachweis möglicher ausbaubedingter Effekte herangezogen werden. Er kann wegen der sehr guten Datenlage an der Mosel separat für gemessene Abflüsse und Wasserstände geführt werden. Abflüsse: In früheren Untersuchungen der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) wurde durch statistische Auswertung gemessener Scheitelabflüsse an den Pegeln Trier und Cochem festgestellt, dass die Wellen großer Moselhochwasser ausbaubedingt nicht beschleunigt und die Scheitelabflüsse schadenbringender Hochwasser nicht vergrößert werden (Busch et al. 1994). Vergleichende mathematische Wellenablaufberechnungen mit Abflussmodellen der Mosel in den Zuständen HW 51. 2007, H. 1 vor und nach dem Ausbau der Mosel zur Großschifffahrtsstraße bestätigen die Ergebnisse der auf Scheitelabflüsse beruhenden gewässerkundlichen Primärstatistik (BundesanstaLt für GeWässerkunde 1990). Wasserstände: Zum Nachweis der Nichtverschlechterung der Wasserstände können auf Basis von Naturmessungen nur Daten von Hochwassern herangezogen und ausgewertet werden, bei denen im Hochwasserscheitel (d.h. zu Zeiten der größten Wasserstände) jeweils nahezu identische Abflüsse herrschten. Erst dann sind die gemessenen Wasserstände verschiedener Hochwasser miteinander vergleichbar. Aufgrund der Heterogenität in der Genese von Moselhochwassern kommen solche Ereignisse nur sehr selten vor, d.h. in der Regel gleicht kein Hochwasser dem anderen. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) führt im Bedarfsfall für diverse Zwecke an ihren Gewässern so genannte Wasserspiegelfixierungen durch, in denen in dichten Abständen Wasserstandsdaten im Längsschnitt erhoben werden. Solche Naturdaten konnten ausgewertet werden. Abbildung 3 zeigt für die Moselstrecke von Mosel-km 0 bis Mosel-km 100 gemessene Wasserstände aus Wasserspiegelfixierungen im Hochwasserscheitel von jeweils zwei einander vergleichbarer Hochwasser vor und nach dem Moselausbau. Diese Ereignisse nehmen in der Reihe der größten Hochwasser des 20. Jahrhundert am Pegel Cochem die Ränge 1 und 2 sowie 11 und 12 ein (s. kleine Tab. in Abb. 3). Am Verlauf der in Abbildung 3 dargestellten gemessenen Wasserspiegellagen erkennt man, dass auch nach dem Moselausbau bei Hochwasser überall entlang der unteren Mosel frei fließende Verhältnisse herrschen. Dabei werden die Stauziele an den Wehren meterhoch überschritten. Der Vergleich der zahlreichen Wasserstandsmessungen aus den Fixierungen der extremen Hochwasser im Dezember 1993 und April 1983 (beide nach Ausbau) mit den entsprechenden Werten der Hochwasser zur Jahreswende 1925/26 und Februar 1958 (beide vor Ausbau) in Abbildung 3 bringt einen wichtigen Befund zutage. Er zeigt bereichsweise gleich hohe Wasserstände im Längsschnitt der Scheitelwasserstände der Hochwasser 1925/26 und Dezember 1993 sowie gleich hohe Wasserstände im Scheitel der Hochwasser vom Februar 1958 und April 1983. Auch Hochwassermarken, die an vielen Wohngebäuden (Abb. 4) angebracht wurden, bestätigen den im Längsschnitt visualisierten Befund, dass gleiche Hochwas- Abbildung 3 Gemessene Wasserstände aus Wasserspiegelfixierungen bei Hochwassern der Mosel Measured water levels from water-level permanencies during floods in the River Moselle HW 51. 2007, H. 1 Kurzberichte 19 Abbildung 5 Wasseroberfläche und Tiefen bei HSW im Bereich der Stauhaltung Fankel Water surface and water depth at the highest navigable water level HSW in the impoundment Fankel Abbildung 4 Hochwassermarken an einem Wohngebäude in Senhals Flood marks at a house in Senhals serabflüsse der Mosel sowohl nach als auch vor dem Ausbau gleiche Wasserstände zur Folge haben. Dieses Fazit stützt sich nicht auf Modellrechnungen, sondern ausschließlich auf aus Naturmessungen stammenden hydrologischen Daten. 4 Unkritische und schädliche Hochwasserstände der Mosel Bei Hochwasser der Mosel ruht die Schifffahrt. Schleusen stehen oft meterhoch unter Wasser, das Schleusenpersonal kann den Steuerstand trockenen Fußes nicht mehr erreichen. Schon früh werden gemäß der anzuwendenden Verwaltungsvorschrift zur Abfluss- und Stauzielregelung an den Stauanlagen sukzessive die Wehre bei anlaufendem Hochwasser gelegt, wird beim Erreichen der Höchsten Schifffahrtswasserstände (HSW) an den Pegeln (z.B. Pegel Cochem: HSW=590 cm) die Schifffahrt bereits eingestellt (Wsd südWest 1997). Zu diesem Zeitpunkt sind die Wasserstände im Oberwasser der Stauhaltungen sogar bereits um 50 cm vorabgesenkt. Hier und da kommt es aber zum Zeitpunkt der Schifffahrtseinstellung im Streckenabschnitt der hier beispielhaft ausgewählten Stauhaltung Fankel (Mosel-km 59,38 bis Mosel-km 78,37) schon zu ersten größeren Ausuferungen und es werden bereits tief liegende Inseln und einige Bereiche der ufernahen Hartholzaue überschwemmt. Dies zeigt der Kartenausschnitt mit der berechneten Wasseroberfläche bei HSW in einer Teilstrecke der Stauhaltung Fankel zwischen Mosel-km 65 und Mosel-km 73 (Abb. 5). Zur Ermittlung des überschwemmten Gebietes und der Wassertiefen bei HSW wurde das von dem Land Rheinland-Pfalz im Rahmen eines von der EU-kofinanzierten Projektes erstellte und der BfG bereitgestellte digitale Geländemodell mit integriertem Wasserlauf der Mosel zu Grunde gelegt sowie die hydraulisch ermittelte Wasserspiegellage für HSW zur Generierung der Wasseroberfläche verwendet (s. Abb. 7). Fast 2 m steht beispielsweise bei Mosel-km 70 das hier ca. 40 m breite und als Wiese genutzte Vorland bei HSW unter Wasser. Dann ist der parallel verlaufende Betriebsweg der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung nicht mehr passierbar. Solche Ausuferungen können als unkritisch angesehen werden (Abb. 6a), denn sie verursachen keine Schäden an Menschen und an der Natur. Werden jedoch Städte und Dörfer von Moselhochwassern bedroht, müssen die auslösenden, schadenbringenden Wasserstände als kritisch für die betroffene Bevölkerung eingestuft werden. In der Ortschaft Ediger-Eller liegt bei Mosel-km 72,5 dieser schädliche Ausuferungswasserstand auf der Höhe der Fahrbahndecke der B49, somit ca. 1,20 m über dem dortigen Höchsten Schifffahrtswasserstand bzw. 5,20 m über dem Normalstau (Abb. 6b). In dem Streckenabschnitt der Stauhaltung Fankel liegen am linken und rechten Ufer insgesamt 11 Ortschaften an der Mosel, die mehr oder weniger von Hochwassern potentiell gefährdet sind. Es wurde untersucht, ob bei Erreichen der Marke HSW diesen Ortschaften schon eine Gefahr durch Moselhochwasser droht. Als Ergebnis von Querprofilauswertungen für Hektometerstationen sind in der Abbildung 7 für das linke Moselufer die schädlichen Ausuferungshöhen in diesen Ortschaften und die Höchsten Schifffahrtswasserstände in der Stauhaltung Fankel dargestellt. Aufgrund des Vergleichs der schädlichen Ausuferungshöhen mit den Höchsten Schifffahrtswasserständen kann festgestellt werden, dass zum Zeitpunkt des Erreichens der Marke HSW= 5,90 m am Pegel Cochem, d.h. mit Beginn der Schifffahrtssperre, sich in keinem dieser Orte schon kritische Wasserstände einstellen, die zu Schäden führen. Die kritischen Ausuferungswasserstände liegen im Mittel ca. 1 m über der Marke HSW. Dies gilt in gleicher Weise auch für alle am rechten Moselufer gelegenen Ortschaften der Stauhaltung Fankel. Anders gesprochen: Solange Schiffe auf der Mosel fahren, ist niemand von Hochwasser gefährdet. Die Gefährdungen dieser Ortschaften setzen erst bei größeren Wasserständen der Mosel ein, die zu Überschwemmungen führen. Zu diesen Zeitpunkten sind die Staue schon vollständig gelegt, befinden sich die Sektorwehre in ihren vorgesehenen Kammern. 20 Kurzberichte HW 51. 2007, H. 1 Abbildung 6a/b Querprofile der Mosel bei Mosel-km 70.0 (links) und Mosel-km 72.5 (rechts) mit Wasserständen zu unkritischen und schädlichen Ausuferungen Cross profiles of the River Moselle at river-km 70.0 (left) and river-km 72.5 (right) with uncritical and critical overflow levels 5 Möglicher Betrieb der Stauanlagen zu Hochwasserschutzzwecken Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes betreibt und unterhält auf einer Länge von 242 km für Schifffahrtszwecke die Bundeswasserstraße Mosel in Deutschland. Häufig wird sie von der von Hochwasser betroffenen Bevölkerung mit Fragen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Stauanlagen und dem Hochwasserschutz konfrontiert. Darüber hinaus wird immer wieder auch die frühzeitige, vollständige Vorentleerung der Stauhaltungen gefordert, um dieses Volumen im späteren Verlauf einer Hochwasserwelle für Rückhaltungszwecke und letztlich zur Minderung der schadenbringenden Hochwasserstände einsetzen zu können. Ist diese Forderung hydrologisch sinnvoll und technisch realisierbar? Zur Beantwortung dieses schwierigen Themenkomplexes werden zunächst einige relevante Fakten zur Hochwasserproblematik an der Mosel aufgezeigt. Dann werden zur Klärung der Zusammenhänge grundlegende hydrologische Aspekte betrachtet. Unterhalb der Saarmündung fließen Hochwasserwellen in der Mosel in ihrem zeitlichen Verlauf in der Regel ohne nennenswerte Verformungen bis zur Mündung ab. Zuflüsse aus den Nebenflüssen der Mittel- und Untermosel können die Abflusssumme noch aufhöhen. Erste Schäden entstehen in dieser ca. 200 km langen Strecke bei Abflüssen der Mosel von ca. 2000 m3/s; dies entspricht Wasserständen Abbildung 7 Schädliche Ausuferungshöhen und Höchste Schifffahrtswasserstände im Längsschnitt der Stauhaltung Fankel (linkes Moselufer) Critical overflow levels and highest navigable water levels in the longitudinal section of the impoundment Fankel (left-hand bank) von ca. 820 cm am Pegel Trier-UP bzw. ca. 680 cm am Pegel Cochem. Um schädliche Wasserstände vermeiden zu können, müsste beispielsweise aus der Welle des Hochwassers vom Dezember 1993 eine Abflussfülle von 657 Mio. m3 über dem schädlichen Abfluss von 2000 m3/s zurückgehalten werden. Das permanent vorhandene absenkbare Volumen in allen Stauhaltungen der Mosel beträgt aber nur 133 Mio. m3. Selbst wenn die vermeintlichen potentiellen Rückhalteräume in den vorentleerten Stauhaltungen für Rückhaltungen technisch genutzt werden könnten, reichten sie, wie das obige Beispiel zeigt, bei weitem nicht aus, um sich der Gefährdungen durch Hochwasser entledigen zu können. Es stellt sich noch die Frage, ob es überhaupt hydrologisch und technisch möglich ist, die frühzeitig vorentleerten Stauräume im späteren Verlauf der Moselwelle steuerbar für Rückhaltezwecke effektiv zu nutzen. Die Antwort lautet: Nein! In freifließenden Gewässern stellen sich überall in Abhängigkeit vom Abfluss und von den örtlichen Durchflussverhältnissen die Wasserstände ein. Demzufolge erzeugen große Abflüsse hohe Wasserstände und kleine Abflüsse niedrige Wasserstände (Stichwort: Abflusskurve). Durch die Stauregelung von Gewässern hebelt der Mensch bewusst dieses physikalische Prinzip aus. Der Aufstau der Wasserstände hinter den Wehren bewirkt, dass auch zu Zeiten kleiner Abflüsse hohe Wasserstände permanent vorherrschen. Würden in Erwartung eines Hochwassers frühzeitig alle Wehre gelegt werden, könnten die Staue bis zum freifließenden Zustand, d.h. bis zum natürlichen Wasserstand abgebaut werden. Für den weiteren Ablauf der Hochwasserwelle gilt dann gemäß dem reetablierten physikalischen Prinzip, dass die sich einstellenden Wasserstände wieder dem Abfluss folgen. D.h., die Mosel füllt von sich aus, ohne menschliches Zutun, bei anlaufenden Hochwassern vollständig wieder den vorher entleerten Stauraum aller Stauhaltungen auf. Somit stehen die abgesenkten Stauraumvolumina im benötigten Einsatzfall nicht mehr zur Verfügung. Auch eine größtmögliche Absenkung der Wasserstände im Oberwasser der Stauhaltungen bringt bei Erreichen der Marke HSW keine wesentliche Verbesserung der Hochwassersituation für die Anlieger. Zum einen liegt zu diesem Zeitpunkt noch keine Gefährdung vor (Abb. 7) und aus physikalischen und technischen Gründen kann grundsätzlich das Oberwasser nie tiefer als der Wasserstand des Unterwassers abgesenkt werden. Würde man bei Erreichen des HSW maximal möglich vorabsenken, verpufft die erhoffte Wirkung, wie dem Beispiel Fankel der Abbildung 8a entnommen werden kann, binnen weniger Kilometer nach oberstrom. Dies zeigen die Ergebnisse von Wasserspiegella- HW 51. 2007, H. 1 Kurzberichte 21 späteren Verlauf eines Moselhochwassers nicht - wie häufig gefordert - für Hochwasserschutzzwecke genutzt werden. In den bestehenden Hochwasserschutzkonzepten der Länder wird die Hochwasserproblematik umfassend behandelt. Ein in den hydrologischen Fachkreisen formulierter Leitsatz lautet: Hochwasser gehört dazu! Das muss auch die von Hochwasser betroffene Bevölkerung wissen, denn wie früher wird man heute und auch in Zukunft mit Hochwasser der Mosel leben müssen. Summary Abbildung 8a Berechnete Wasserspiegellagen im Bereich der Stauhaltung Fankel Computed water-level fixations in the impoundment Fankel Abbildung 8b Berechnete Wasserstandsganglinien im Oberwasser der Stauanlage Fankel mit und ohne Staustufenbetrieb (Hochwasser 1997) Computed water-level hydrographs in the headwater of the impoundment weir Fankel with and without impoundment operation (flood event 1997) genberechnungen für stationäre Abflusszustände, die in Abbildung 8a dargestellt sind. Ergebnisse mathematischer Wellenablaufberechnungen, die in der BfG mit dem SOBEK-Modell der Mosel, einem eindimensionalen hydrodynamisch-numerischen Abflussmodell, am Beispiel des Hochwassers vom Februar/März 1997 vorgenommen wurden, zeigen zudem keine negativen Auswirkungen des regulären Staustufenbetriebs auf die Hochwasserstände der Mosel (WL/deLft hydrauLics 2004). An den Verläufen der in Abbildung 8b dargestellten berechneten Ganglinien ist zu ersehen, dass im Fall freifließender Abflüsse bei dauerhaft und vollkommen gelegtem Wehr Fankel sich hier im Scheitelbereich der Hochwasserwelle die identischen Wasserstände wie im Staustufenbetrieb einstellen würden. Zusammenfassung Von den für Schifffahrtszwecke zwischen 1958 und 1964 errichteten Stauanlagen an der Mosel geht keine Gefährdung bei Hochwasser aus. Dies zeigen in gleicher Weise Naturmessungen und Ergebnisse mathematischer Modellrechnungen in der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Das bestehende Hochwasserrisiko an der Mosel steht nicht im Zusammenhang mit dem Betrieb der Mosel als Wasserstraße. Weiterhin kann der Stauraum in den Stauhaltungen der Mosel nach einer möglichen frühzeitig erfolgten vollständigen Vorabsenkung im The impoundments in the River Moselle that were built between 1958 and 1964 for better navigability do not pose any threat in the case of flood. This was equally demonstrated by field measurements and mathematical model computations in the Federal Institute of Hydrology (BfG). The existing flood risk on the River Moselle is not dependent on the utilization of the river as a waterway. Neither could the storage capacity of the impoundments be used for flood protection if the impoundments were emptied as early as possible in advance, as it is often demanded. The existing flood-protection concepts of the German Federal States follow a comprehensive approach to the problem. Hydrologists formulated the rule: „Living on rivers means living with floods.“ The riparian population must become aware of the fact that life on the River Moselle was, is, and will be living with floods. Anschrift der Verfasser: Dipl. Met. N. Busch und Dipl. Ing. D. Meißner Bundesanstalt für Gewässerkunde Koblenz Am Mainzer Tor 1 56068 Koblenz Baudirektor Dipl. Ing. G. Werner und Dipl. Hydrologin O. Hermann Wasser- und Schifffahrtsamt Koblenz Schartwiesenweg 4 56070 Koblenz Literaturverzeichnis BundesanstaLt für GeWässerkunde (1990): Erstellung eines mathematischen Modells zur Simulation von Hochwasserabläufen in der Mosel für die Zustände vor und nach Ausbau der Mosel zur Großschiffahrtsstraße. – BfG-0549 Busch, n., h. enGeL & d. PreLLBerG (1994): Auswirkungen des Moselausbaus zur Großschiffahrtsstraße auf den Hochwasserablauf in der Mosel. – Wasserwirtschaft 84, S. 280-285 eckoLdt, M. (hrsG.) (1998): Flüsse und Kanäle – Die Geschichte der deutschen Wasserstraßen. – DSV-Verlag GmbH Wasser- und schiffahrtsdirektion südWest (1997): Vorläufige Abfluss- und Stauzielregelung Mosel VV-WSD Südwest 22-5 WL/deLft hydrauLics (2004): SOBEK Modellierung für Nebenflüsse im Rheingebiet, Teilprojekt 3: SOBEK Modell Mosel – Pegel Perl bis Cochem, Projektnummer Q3281 Weiterführende Informationen im Internet: Gefahrenatlas Mosel: www.gefahrenatlas-mosel.de Hochwasserschutzkonzept Rheinland-Pfalz: www.wasser.rlp.de